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CSR 2.0 - Soziale Online-Spendenplattformen als neues Instrument für Corporate Giving

Eine Untersuchung am Beispiel www.betterplace.org

©2010 Magisterarbeit 171 Seiten

Zusammenfassung

Inhaltsangabe:Einleitung:
Das Internet ist sozial – und das in vielerlei Hinsicht. Diesen Eindruck vermitteln zum einen die technischen Entwicklungen des Web 2.0 und deren rasante Ausbreitung zu Beginn des Jahres 2010. Die Nutzung von Blogs, Wikis und Media-Sharing-Plattformen ist zum Internet-Alltag geworden. Insbesondere soziale Netzwerke sind aufgrund ihrer weltweit wachsenden Nutzerschaft und der entsprechenden medialen Begleitung in aller Munde. Das mobile Internet breitet sich aus und verbindet soziale Anwendungen immer stärker in dem alltäglichen Leben ihrer Nutzer. Dabei haben sogenannte Social-Media-Anwendungen das Ziel, Interaktion, Zusammenarbeit und das Teilen von Inhalten über das Internet zu erleichtern (Kap. 3.2).
Zum anderen finden die sozialen Ausprägungen der neuen online-Technologien nunmehr auch im Bereich des sozialen Engagements ihre Anwendung. Seit 2007 haben sich im deutschsprachigen Raum Online-Spendenplattformen entwickelt, die Funktionen von Social Media in den Spendenprozess integrieren und diesen damit sozialisieren. Auf Sozialen Online-Spendenplattformen (SOS), ein für diese Arbeit neu eingeführter Begriff, entstehen Orte im Internet, die zum Treffpunkt und zur Artikulationsplattform sozial engagierter Menschen, Organisationen und Unternehmen werden und sich zu Beginn des Jahres 2010 eines großen Wachstums erfreuen.
Der Anspruch der neuen Spendenplattformen auf ein transparenteres und effizienteres Spendensystem ist dabei groß. Die Aktivität der Nutzer selbst soll zu einem schlaueren Geben über die Plattformen führen und neue, junge Zielgruppen ins Spendenboot holen. Die Organisation, Überwachung und Bewertung sozialer Aktivitäten wird auf SOS weitgehend von der Community übernommen. Im Sinne einer bottom-up Philosophie kann jeder Nutzer auf SOS (reale) soziale Projekte präsentieren und sich um Spendengelder bemühen. Dabei reicht die Bandbreite der auf den Plattformen präsentierten sozialen Aktivitäten von persönlichen Fundraisingeinsätzen über regionale Initiativen und Nachbarschaftshilfe bis hin zu internationalen Hilfsprojekten. Doch gerade kleine Hilferufe finden auf SOS immer öfter Gehör und damit neue Möglichkeiten der Finanzierung. Das Prinzip des Long Tail, dem zufolge Nischenthemen und -produkte im Internet immer stärker an Bedeutung gewinnen, greift somit über SOS auch im sozialen Internetsektor (Kap. 3.4).
Da bisher wenig Literatur über die Verbindung von Social Media mit Online-Spenden besteht, wird in […]

Leseprobe

Inhaltsverzeichnis


Maximilian Sommeregger
CSR 2.0 ­ Soziale Online-Spendenplattformen als neues Instrument für Corporate
Giving
Eine Untersuchung am Beispiel www.betterplace.org
ISBN: 978-3-8366-4785-4
Herstellung: Diplomica® Verlag GmbH, Hamburg, 2010
Zugl. Universität Wien, Wien, Österreich, Magisterarbeit, 2010
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© Diplomica Verlag GmbH
http://www.diplomica.de, Hamburg 2010

INHALTSVERZEICHNIS
Inhaltsverzeichnis...ii
Abbildungsverzeichnis... v
Abkürzungsverzeichnis...1
1 Einleitung...2
2 Spenden... 5
2.1 Historische Einführung... 5
2.2 Spendenfunktionen in modernen Gesellschaften...7
2.2.1 Definitionen...10
2.3 Online-Spendenmarkt...11
2.3.1 Daten und Fakten... 11
2.3.2 Demografische Entwicklungen... 12
2.3.3 Online-Spenden in den USA... 14
3 Internet Trends... 16
3.1 Web 2.0... 19
3.2 Social Media... 22
3.2.1 Social-Media-Anwendungen...24
3.2.2 Social-Media-Trends...29
3.2.3 Die Ausbreitung von sozialen Netzwerken...30
3.2.4 Gründe für die Ausbreitung von sozialen Netzwerken...33
3.3 Die Auswirkungen von Web 2.0 und Social Media auf die
Unternehmenskommunikation... 38
3.4 Positive Ansätze der sozialen Internetstudien...42
3.4.1 Vernetzung, Partizipation und Transparenz...42
3.4.2 Long Tail Approach & Möglichkeit von Basisdemokratie...43
3.5 Kritische Ansätze der sozialen Internetstudien...44
3.6 The Googlization of Philanthropy... 46
4 Online-Spendenplattformen... 48
4.1 Bisherige Forschung... 49
4.2 Soziale Projekte im Internet... 50
4.2.1 Kreditplattformen... 52

4.2.2 Ideen-, Projekt- und Aktionsplattformen...53
4.2.3 Online-Spendenportale...54
4.3 Soziale Online-Spendenplattformen (SOS)...56
4.3.1 Allgemeine Merkmale von sozialen Online-Spendenplattformen.61
4.3.2 Fallbeispiel betterplace.org...62
4.3.3 Finanzierungsmodelle weiterer SOS...71
4.4 Gründe für die verstärkte Nutzung von SOS...73
4.4.1 Statistische Faktoren... 73
4.4.2 Nutzen für Organisationen und Privatinitiativen...74
4.4.3 Nutzen für spendende Privatpersonen...82
5 Unternehmensspenden...85
5.1 Philanthropie im Kontext des Corporate Citizenship...85
5.1.1 Corporate Giving: Spenden und Sponsoring...87
5.1.2 Corporate Volunteering: Freiwilliger Arbeitseinsatz...91
5.1.3 Corporate Foundations: Stiftungen...92
5.2 Ausmaße und Trends von Corporate-Citizenship-Aktivitäten...92
5.2.1 Zunehmende Aufwertung von Corporate Social Responsibility und
Corporate Citizenship...98
5.3 Motive für unternehmerische Philanthropie...100
5.3.1 Kriterien für die Spendenvergabe...106
5.4 Zusammenfassung und Untersuchungsgrundlage...107
6 Praxisbeispiel: Unternehmen auf betterplace.org...110
6.1 Präsentationsmöglichkeiten auf betterplace...111
6.2 Unternehmensbezogene Spendenformen über betterplace...114
6.2.1 Fallbeispiele Pennergame, eBay-LIMAL & PAYBACK...117
6.3 Corporate Giving über betterplace... 120
6.3.1 Der wirtschaftliche Mehrwert der Spendentätigkeit...120
6.3.2 Die Übernahme unternehmerischer gesellschaftlicher Verantwor-
tung... 124
6.3.3 Greenwashing und Astroturfing... 126
6.4 Unternehmensbezogene Ausbaumöglichkeiten der Plattform
betterplace... 127
6.5 Fazit: CSR 2.0 über betterplace...130

7 Zusammenfassung und Conclusio...134
7.1 Online-Spenden + Social Media = SOS...134
7.2 Der Mehrwert von SOS für Organisationen und Privatpersonen...137
7.3 SOS im sozialen Tätigkeitsbereich von Unternehmen...140
7.3.1 Vor- und Nachteile des Einsatzes von SOS im Corporate Giving
...142
7.4 Schlussbemerkung und Ausblick...144
Literaturverzeichnis...145
Anhang...157
Lebenslauf... 161
Abstracts... 162

ABBILDUNGSVERZEICHNIS
Abbildung 1: Onliner vs. Spendenquote; Quelle: Reichenbach 2008: 19...13
Abbildung 2: Meistbesuchte Websites Jan-Mar 2010; Eigenillustration...17
Abbildung 3: Kommunikationsmodell des Web 2.0; Quelle: Willcox D. zit. nach
Gritzky 2009: 21...20
Abbildung 4: Social Media Überblick 2010; Eingenillustration...25
Abbildung 5: Wachstum sozialer Netzwerke weltweit 2007-2008; Quelle: coms-
core 2008... 31
Abbildung 6: Social Media Aktions- und Spendenplattformen 2010; Eigenillustra-
tion... 58
Abbildung 7: Das betterplace-Prinzip; Quelle: Betterplace 2010a...63
Abbildung 8: Beispielprojekt Nyota e.V. - Kindertagesstätte in Westkenia; Quelle:
Betterplace 2010b...68
Abbildung 9: Menüleiste betterplace.org 03/2010; Quelle: Betterplace 2010c...69
Abbildung 10: Corporate Citizenship Instrumente; Eigenillustration...87
Abbildung 11: Beispiel-Unternehmensprofil betterplace.org; Immobilienscout 24,
03/2010; Quelle: Betterplace 2010d... 113

ABKÜRZUNGSVERZEICHNIS
CC
Corporate Citizenship
CCCD
Centrum für Corporate Citizenship Deutschland
CG
Corporate Giving
CRM
Cause Related Marketing
CSR
Corporate Social Responsibility
CV
Corporate Volunteering
DFRV
Deutscher Fundraising Verband
DFV
Deutscher Fundraising Verband
FVA
Fundraising Verband Austria
GfK
Gesellschaft für Konsumforschung
IWS
Internet World Statistics
KMU
Klein- und Mittelunternehmen
NGO
Non Governmental Organisation
PwC
PricewaterhouseCoopers
SOS
Soziale Online-Spendenplattform
UM
Universal McCann
USP
Unique Selling Proposition
WoT
Web of Trust
1

1 EINLEITUNG
Das Internet ist sozial ­ und das in vielerlei Hinsicht. Diesen Eindruck vermitteln
zum einen die technischen Entwicklungen des Web 2.0 und deren rasante Aus-
breitung zu Beginn des Jahres 2010. Die Nutzung von Blogs, Wikis und Me-
dia-Sharing-Plattformen ist zum Internet-Alltag geworden. Insbesondere soziale
Netzwerke sind aufgrund ihrer weltweit wachsenden Nutzerschaft und der ent-
sprechenden medialen Begleitung in aller Munde. Das mobile Internet breitet
sich aus und verbindet soziale Anwendungen immer stärker in dem alltäglichen
Leben ihrer Nutzer. Dabei haben sogenannte Social-Media-Anwendungen das
Ziel, Interaktion, Zusammenarbeit und das Teilen von Inhalten über das Internet
zu erleichtern (Kap. 3.2).
Zum anderen finden die sozialen Ausprägungen der neuen online-Technologien
nunmehr auch im Bereich des sozialen Engagements ihre Anwendung. Seit
2007 haben sich im deutschsprachigen Raum Online-Spendenplattformen ent-
wickelt, die Funktionen von Social Media in den Spendenprozess integrieren
und diesen damit sozialisieren. Auf Sozialen Online-Spendenplattformen (SOS),
ein für diese Arbeit neu eingeführter Begriff, entstehen Orte im Internet, die zum
Treffpunkt und zur Artikulationsplattform sozial engagierter Menschen, Organisa-
tionen und Unternehmen werden und sich zu Beginn des Jahres 2010 eines
großen Wachstums erfreuen.
Der Anspruch der neuen Spendenplattformen auf ein transparenteres und effizi-
enteres Spendensystem ist dabei groß. Die Aktivität der Nutzer selbst soll zu ei-
nem schlaueren Geben über die Plattformen führen und neue, junge Zielgrup-
pen ins Spendenboot holen. Die Organisation, Überwachung und Bewertung so-
zialer Aktivitäten wird auf SOS weitgehend von der Community übernommen. Im
Sinne einer bottom-up Philosophie kann jeder Nutzer auf SOS (reale) soziale
Projekte präsentieren und sich um Spendengelder bemühen. Dabei reicht die
Bandbreite der auf den Plattformen präsentierten sozialen Aktivitäten von per-
sönlichen Fundraisingeinsätzen über regionale Initiativen und Nachbarschafts-
2

hilfe bis hin zu internationalen Hilfsprojekten. Doch gerade kleine Hilferufe fin-
den auf SOS immer öfter Gehör und damit neue Möglichkeiten der Finanzie-
rung. Das Prinzip des Long Tail, dem zufolge Nischenthemen und -produkte im
Internet immer stärker an Bedeutung gewinnen, greift somit über SOS auch im
sozialen Internetsektor (Kap. 3.4).
Da bisher wenig Literatur über die Verbindung von Social Media mit Online-S-
penden besteht, wird in der vorliegenden Arbeit zunächst das Forschungsobjekt
der SOS definiert und abgegrenzt. Dafür befassen sich die ersten Kapitel mit je-
nen Trends, die zur Entstehung von SOS geführt haben, sowie jenen Social-Me-
dia-Charakteristika, die einen Großteil der Innovation der neuen Spendenplatt-
formen ausmachen. In einem ersten Resumee wird der Nutzen von SOS für Or-
ganisationen und Einzelpersonen festgehalten, da es die Aktivität jener Akteure
ist, welche die Funktionalität der Plattformen bedingen und begründen.
Der Fokus der Arbeit liegt im weiteren auf dem Nutzen von SOS für den Einsatz
im sozialen Tätigkeitsbereich von Unternehmen. Dabei wird das Augenmerk
zum einen auf den unternehmerischen Mehrwert eines Einsatzes von SOS im
Corporate Giving gelegt, zum anderen werden SOS aus philanthropischer Per-
spektive als Instrument für die Wahrnehmung und Umsetzung unternehmeri-
scher gesellschaftlicher Verantwortung kritisch hinterfragt. Die einzelnen Ab-
schnitte der Arbeit behandeln folgende Themenbereiche.
Kapitel 2 gibt eine kurze geschichtliche Einführung in das Thema Spenden und
reflektiert deren gesellschaftliche Funktion im Laufe der vergangenen Jahre und
Jahrhunderte. Es folgt eine Zusammenfassung über das Ausmaß und die Funk-
tionen heutiger privater und unternehmerischer Spendentätigkeiten. Abschlie-
ßend wird der Online-Spendenmarkt als Grundlage für die weitere Arbeit einer
genauen Analyse unterzogen.
Kapitel 3 beschreibt aktuelle Online-Trends und insbesondere das Thema Social
Media am vertiefenden Beispiel der sprunghaften Ausbreitung von sozialen
Netzwerken. Ein theoretischer Teil gibt Überblick über positive und negative An-
sätze der sozialen Internet-Studien, sowie über die Auswirkungen von Web 2.0
3

und Social Media auf die Unternehmenskommunikation.
Kapitel 4 kommt nach einer Kurzbeschreibung über bisherige soziale Initiativen
im Internet auf das Thema SOS zu sprechen und beschreibt deren Funktions-
weise am Beispiel der Plattform www.betterplace.org. In einer ersten Conclusio
wird der Nutzen von SOS für Privatpersonen und Organisationen zusammenge-
fasst.
Kapitel 5 bildet die theoretische Grundlage für den Forschungsschwerpunkt über
den Einsatz von SOS im Unternehmensumfeld. Dafür werden vorab die Instru-
mente und Motive philanthropischer Tätigkeiten von Unternehmen analysiert
und in die Konzepte Corporate Social Responsibility (CSR) und Corporate Citi-
zenship (CC) verortet. Dabei wird auf wissenschaftliche Literatur ebenso zurück-
gegriffen wie auf privatwirtschaftliche Studien, welche die praktische Sichtweise
unternehmerischen Engagements in die Arbeit mit einbringen.
Kapitel 6 untersucht schließlich auf Basis der in der Arbeit gewonnenen Erkennt-
nisse die Plattform www.betterplace.org, die aktuell ,,größte deutsche Internet-
Plattform für soziales Engagement" (Betterplace 2009). Auf der einen Seite wer-
den hierbei die Vor- und Nachteile eines Einsatzes von SOS für die interne so-
wie externe Unternehmenskommunikation abgewogen, auf der anderen Seite
wird unter philanthropischen Gesichtspunkten ihr Potential als Instrument zur
Übernahme unternehmerischer gesellschaftlicher Verantwortung im Rahmen
des CC-Konzepts und im Sinne eines nachhaltigen Strategic Giving hinterfragt.
In der abschließenden Conclusio werden die wichtigsten Erkenntnisse der Arbeit
zusammengefasst und kritisch diskutiert. Die Arbeit schließt mit einem Ausblick
auf weitere Forschungsansätze.
4

2 SPENDEN
2.1 Historische Einführung
Das Spenden von Geld und Gütern hat eine lange Tradition. Im Laufe der Jahr-
hunderte haben sich die Motive, Funktionen und staatlichen Rahmenbedingun-
gen des philanthropischen Gebens stetig verändert. Dieser kurze geschichtliche
Abriss dient zur Einführung in die Thematik des Spendens und als Grundlage für
die weitere Arbeit. Die Ausführungen basieren auf Priller/Sommerfeld (2005).
Im griechischen Humanismus diente der Akt des Spendens der Funktion, durch
Güte und Milde die eigene Vollkommenheit zu erhöhen. Bereits in den Werken
Platons und Aristoteles bestand das Bild eines wohlhabenden Menschenfreun-
des (Philanthropen), der konkrete Hilfe für seine Mitmenschen leistet. Der Phil-
anthrop vergibt Almosen an gesellschaftlich Gleichgestellte und seine nächsten
Mitmenschen. Diese Almosen blieben meist auf Familie und den Wohnort be-
schränkt.
Im antiken Rom stand als Motiv für den Spendenakt die Hebung des persönli-
chen sozialen Prestiges und die damit einhergehende Absicht auf politische Un-
terstützung im Vordergrund. Außerdem waren die Vermeidung von Unruhen und
Umstürzen, sowie die Vorbeugung gegen den Ausbruch von Krankheiten kon-
krete Spendenmotive.
Mit der Entstehung und Verbreitung des Christentums bekam das Spendenwe-
sen einen neuen Stellenwert unter dem Gesichtspunkt der Barmherzigkeit. Die
caritas ­ die gute Tat aus Gründen der Nächstenliebe ­ wurde das Mittel zur Er-
langung des Seelenheils im Jenseits.
Das Frühmittelalter brachte in den Ländern des Heiligen Römischen Reiches
deutscher Nation eine erstmalige Verbindung von caritas und memoria, einer
guten Tat in Verbindung mit dem Gedenken an den Gönner. So ließen wohlha-
bende Fürsten als Teil ihres Vermächtnisses oft Anstalten für Notleidende und
Kranke sowie Klöster errichten. Im Gegenzug waren die Begünstigten dazu ver-
5

pflichtet, Messen für den Spender zu lesen und für sein Seelenheil zu beten.
Diese Mischung aus Egoismus und Altruismus prägt philanthropisches Verhalten
bis zum heutigen Tag (Priller/Sommerefeld 2005: 6).
Im Spätmittelalter (ca. 1150 ­ 1510) wurde das Spendenwesen stark durch den
Ablasshandel der Kirche geprägt, der einerseits den Freikauf von Sünden, ande-
rerseits eine Unterstützung von Notleidenden durch die Kirche als Spenden-
grund propagierte. In der darauffolgenden Reformation erfuhr wiederum die Be-
tonung des urchristlichen Gedankens der Nächstenliebe und der Barmherzigkeit
eine Wiedergeburt.
In der Zeit des Absolutismus (17. & 18. Jhdt), über die Epoche der Aufklärung
bis zum Ende des Ersten Weltkriegs war die Milderung von Armut und sozialen
Problemlagen das Hauptmotiv für Spenden. Wohlhabende Bevölkerungsschich-
ten spendeten außerdem zur Vermeidung von Aufruhr und Revolution durch ver-
armte Bevölkerungsschichten, sowie die in der Industrialisierung entstandenen
Unterschichten. Das Bürgertum entwickelte eine verstärkte ,,bürgerliche Wohltä-
tigkeit" aus Furcht vor Auflösung der staatlichen Strukturen und Ordnung.
In der tiefen wirtschaftliche Krise zum Ende der Weimarer Republik konnten sich
die meisten gemeinwohlorientierten Organisationen, ebenso wie die meisten
Unterstützer aus dem bürgerlichen Mittelstand aufgrund von Krieg und teilweiser
Hyperinflation nicht halten. In Zeiten massiver Arbeitslosigkeit sah sich sogar die
Kirche in einer finanziellen Notlage, in der die Mittel zur Wohlfahrtspflege weitge-
hend fehlten.
Das Spendenwesen war daraufhin im Nationalsozialismus verstaatlicht und
durch ein spezielles Sammlungsgesetz gefestigt, welches die Zentralisierung
und Gleichschaltung der Organisationen des Wohlfahrtswesens und der privaten
Initiativen vorsah. Nach 1937 wurden öffentliche Spendenaktionen verboten, so-
dass nur mehr Kirchen in Gottesdiensten Spenden akquirieren durften.
In der Nachkriegszeit änderten sich die Grundregeln für Gemeinnützigkeit und
Spenden noch einmal grundlegend. Diese war geprägt durch die Entstehung
zahlreicher privater humanitärer Organisationen, welche die Folgen des Krieges
und die Not der Flüchtlinge zu lindern versuchten. Mit der Sozialgesetzgebung
der Bundesrepublik Deutschland in den 1950ern wurden soziale Probleme und
6

Notlagen weitgehend unter staatliche Zuständigkeit gestellt und die soziale Absi-
cherung der größten Lebensrisiken durch den Staat gewährleistet. Für Spenden
sammelnde Organisationen blieben die Bereiche der Katastrophenhilfe und be-
sonderer Notsituationen. Was folgte, war eine steigende finanzielle Belastung
des Staates in den 1970ern und eine damit einhergehende Diskussion um die
Grenze des Sozialstaates. Die Forderung nach mehr Privatinitiativen und eine
Nachfrage nach Spenden als Finanzierungshilfe für gemeinwohlorientierte Leis-
tungen standen an der Tagesordnung. Parallel dazu fand, getrieben durch das
Aufkommen der Umweltbewegung, eine stetig wachsende Besinnung auf post-
materielle Werte statt. Bürger entwickelten Sensibilität für Themen wie Umwelt,
Gesundheit, die Bedrohung des Weltfriedens und die Bekämpfung von Hunger
und Armut in der Dritten Welt. Es entstanden eine Vielzahl von Initiativen altbe-
währter und neu gegründeter Organisationen, welche sich, gepaart mit einer
weit verbreiteten Skepsis gegenüber den Problemlösungskompetenzen der öf-
fentlichen Hand, neuer Unterstützung erfreuten und den genannten Themenfel-
dern annahmen. (vgl. Priller/Sommerfeld 2005: 5-8)
2.2 Spendenfunktionen in modernen Gesellschaften
Als wiederkehrende Spendenmotive sind im Laufe der Geschichte neben dem
übergeordneten Hilfemotiv die Absicht auf die Herbeiführung sozialen oder politi-
schen Wandels festzustellen. Spenden dienten jedoch ebenso der gegenteiligen
Funktion im Sinne einer Aufrechterhaltung des politischen Machtgefüges (siehe
hierzu Kap. 5.3). Außerdem sind private Faktoren wie die persönliche Aufmerk-
samkeit und ein Geben im Hinblick auf den eigenen positiven Nutzen festzustel-
len (vgl. Adam et al. 2009: 12; Frumkin 2006: 18f).
Der Spendenbezug hat sich von lokalen Kontexten wie Verwandtschaft, Lokalität
und Kommunalität zunehmend zu größeren gesellschaftlichen und räumlich glo-
balen Problemfeldern geöffnet. Den heutigen gesellschaftlichen Stellenwert von
Spenden beschreiben Priller/Sommerfeld in folgenden Aspekten.
7

1) Spenden als Form sozialer Partizipation.
2) Spenden als Beitrag zur Wohlfahrtsproduktion.
3) Spenden zur Erhaltung und Erschließung von sozialen Bindekräften in
modernen Gesellschaften. (Priller/Sommerfeld 2005: 9)
Der Akt des Spendens wird in modernen Gesellschaften als eine wichtige Form
des Engagements für das Gemeinwohl verstanden. Die Geschichte zeigt, wie
sich der inhaltliche Bezug des Spendens von Almosen (Hunger, Krankheit, Ar-
mut, Not, Alter) hin zum einem fast universellen Ansatz verbreitert hat. Heute
wird für eine breite Auswahl an Themen wie Bildung, Kunst, Kultur, Forschung,
Wissenschaft, Umwelt, Natur oder Tierschutz gespendet und Bewusstsein ge-
schaffen.
Mit wachsendem Wohlstand und Wertewandel sowie umfassender Medialisie-
rung spenden heute zunehmend alle Bevölkerungsschichten, sowie ein Großteil
der Unternehmen, wenn auch in unterschiedlich großem Umfang. Der Anteil der
privaten Spender an der Gesamtbevölkerung lag im Jahr 2008 in Österreich bei
66 Prozent, in Deutschland bei 57 Prozent
123
(FVA 2009a), nur 25 Prozent der
Österreicher gaben an, grundsätzlich nicht zu spenden (FVA 2009a). Während
mit knapp 78 Prozent der Großteil der privaten Spenden in humanitäre Hilfe
(Kinder, Kirche/Religion, Krankheit/Behinderung, Entwicklungshilfeprojekte, Not-
und Katastrophenhilfe) fließt, wird außerdem für Bereiche wie Kultur- und Denk-
malschutz sowie Tier- und Umweltschutz gespendet (GfK 2008: 7). Mehr als die
Hälfte der Spenden werden von Menschen über 60 Jahren getätigt (GfK 2009:
1).
1 Auf Basis von Meinungsumfragen des NPO Institut 2009, bzw. des DZI 2009 (siehe FVA
2009a).
2 Nach Berechnungen des ,,Deutschen Spendenmonitor 2008" lag die Spenderquote auf Basis
von Geldspenden bei 42 Prozent der deutschen Bundesbürger (tns infratest 2008: 3)
3 In der GfK-Studie ,,Bilanz des Helfens" für das Jahr 2008 stimmen nur 24 Prozent der Befrag-
ten der Aussage ,,Spenden sind für mich ganz selbstverständlich" zu. 31 Prozent stimmten aller-
dings ,,weder zu noch nicht zu", und 46 Prozent stimmten ,,nicht oder gar nicht zu" (GfK 2008:
12). Die Studie basiert ebenfalls auf Geldspenden. In Deutschland besteht ein deutliches Süd-
Nord bzw. West-Ost Gefälle in der Spendenvergabe, so spenden in Bayern jeder dritte Bewoh-
ner, in Baden-Württemberg wird die höchste Durchschnittsspende generiert (GfK 2006: 11).
8

Im Unternehmensbereich geben 82 Prozent der befragten österreichischen
KMUs
4
an, zu spenden (Public Opinion 2007
5
). In Deutschland engagieren sich
mit 95,6 Prozent nahezu alle befragten Unternehmen (unabhängig von ihrer
Größe) in irgendeiner Form gesellschaftlich
6
(CCCD 2007: 7
7
).
Die Spendenausrichtung von deutschen Unternehmen hat stark lokalen und so-
zialen Bezug. Insbesondere werden die Bereiche Jugend und Kultur unterstützt,
im Sinne der Umweltdebatte erfahren die Themen Umwelt und Klima eine Auf-
wertung. Außerdem werden humanitäre und karitative Initiativen unterstützt, vor-
rangig wenn diese im lokalen Umfeld der Betriebsstandorte stattfinden (PwC
2007: 9f
8
). Auch für österreichische Unternehmen sind die Themenfelder Kinder,
Behinderte und Kranke, Sozial Bedürftige und Katastrophenhilfe im Inland die
bevorzugten Spendenbereiche (Public Opinion 2007: 1).
Unternehmen dringen am Beginn des 21. Jahrhunderts immer stärker in gesell-
schaftliche Bereiche vor, die bisher den Aufgabenbereichen von Staat oder Kir-
che zuzuordnen waren (Baumgartner 2007: 50). Konzepte wie Corporate Social
Responsibility (CSR) und Coporate Citizenship (CC) gewinnen immer stärker
an Bedeutung (Köppl/Neureiter 2004: 14f). Im Kontext der Informationsgesell-
schaft stehen Unternehmen gegenüber ihrer Konsumenten unter erweitertem In-
formationszwang und insbesondere durch die Entwicklungen des Web 2.0 unter
ständiger Beobachtung. Transparentes und nachhaltiges Wirtschaften sowie das
soziale Engagement von Unternehmen immer stärker von Seiten der Verbrau-
cher eingefordert (siehe Kap. 5.2.1).
4 Rund 99,5% aller Unternehmen in Österreich sind KMU und beschäftigen zwei Drittel aller ös-
terreichischen Beschäftigen (Bartenstein 2004: 76).
5 Befragung 423 österreichischer Unternehmen mit einer Beschäftigtenzahl bis 249 Angestellten
im Jahr 2007. Für weitere Details zur Studie siehe Kap. 5.2, S. 94.
6 Die verschiedenen Formen gesellschaftlichen Engagements werden in Kapitel 5 näher behan-
delt.
7 Empirische Befragung zum Thema ,,Corporate Citizenship ­ Gesellschaftliches Engagement
von Unternehmen in Deutschland", die im Jahr 2006 an 500 deutschen Unternehmen durchge-
führt wurde. Für weitere Details zur Studie siehe Kap. 5.2, S. 94.
8 Befragung der 500 größten deutschen Aktiengesellschaften im Jahr 2007. Für weitere Details
zur Studie siehe Kap. 5.2, S. 94.
9

2.2.1 Definitionen
Priller/Sommerfeld formulieren eine für Privat- sowie Unternehmensspenden an-
wendbare Spendendefinition.
Spenden verstehen sich in unserem heutigen Sinne ganz allgemein als Transfer
von Geld, Sachen und Leistungen für gemeinwohlorientierte Zwecke. Sie zeichnen
sich besonders durch den Aspekt der Freiwilligkeit und der nicht äquivalenten mate-
riellen Gegenleistung aus. (Priller/Sommerfeld 2005: 8)
Der FVA (Fundraising Verband Austria) definiert Spenden im Bezug auf § 12
Abs.1 Z.5 des KStG (österreichisches Körperschaftssteuergesetz) wie folgt.
Aufwendungen zu gemeinnützigen, mildtätigen oder kirchlichen Zwecken und ande-
re freiwillige Zuwendungen. Ökonomisch betrachtet sind Spenden freiwillige Leis-
tungen, für die zwar keine Gegenleistung gefordert wird, aber die für einen be-
stimmten Zweck erbracht werden. (FVA 2009a)
Der Spendenbegriff umfasst nicht nur Geld-, sondern auch Zeit- und Sachspen-
den, die sich beispielsweise in Form von ehrenamtlicher Tätigkeit oder Wissen-
stransfer äußern können. Derartige Leistungen sind sowohl im privaten als auch
im Unternehmensbereich von großer Bedeutung. Knapp 52 Prozent der deut-
schen Bundesbürger sind ehrenamtlich tätig und leisten damit durch Zeitspen-
den einen Beitrag zum zivilgesellschaftlichen Engagement (DFRV 2009b). Im
Unternehmensbereich ist der Anteil des freiwilligen Einsatzes von Arbeitskraft
(Coporate Volunteering) an den Gesamtaktivitäten des sozialen Engagements in
den letzten Jahren stark im Steigen begriffen (
Kap. 5.2.1; Haibach 2006: 207
).
Die Definition von Unternehmensspenden differiert nicht wesentlich von jener
privater Spenden. Es wird jedoch Wert auf eine genaue Trennung zwischen
Spenden- und Sponsoringabsichten von Seiten der Unternehmen gelegt. Die ju-
ristische Definition der Unternehmensspende für Deutschland lautet wie folgt.
[Bedarf einer] freiwilligen und unentgeltlichen finanziellen Zuwendung eines Unter-
nehmens an eine steuerbegünstigte Einrichtung oder für ein gemeinnütziges Pro-
jekt. Das spendende Unternehmen handelt freiwillig, wenn es weder rechtlich noch
aus anderen Gründen zu der Leistung, die es mit der Spende erbringt, verpflichtet
ist. Unentgeltlich ist die Zuwendung, wenn damit keine irgendwie geartete Gegen-
leistung verbunden ist. (Mecking 2008: 309f)
10

Während Unternehmensspenden freiwillig und ohne Gegenleistung abgegeben
werden, sind bei Sponsoring-Aktivitäten Gegenleistungen für die Spende, oft in
Form von Kommunikationsaktivitäten, vertraglich vereinbart. Genauere Ausfüh-
rungen dazu finden sich in Kapitel 5.
2.3 Online-Spendenmarkt
Eine Untersuchung des Online-Spendenmarktes soll feststellen, welchen Stel-
lenwert Internet in der heutigen Spendengenerierung einnimmt und welche Ent-
wicklungen sich in Zukunft für den Spendenkanal erwarten lassen. Vorab zu-
sammengefasst werden immer mehr Spenden online abgewickelt, obwohl der
Anteil der Online-Spenden an den Gesamtspenden im deutschsprachigen Raum
die 5-Prozent-Marke (noch) nicht übersteigt.
2.3.1 Daten und Fakten
Online-Spenden sind der schnellst wachsende Spendensektor. Spenden im In-
ternet können effizient, schnell und kostengünstig abgewickelt werden und er-
möglichen die Ansprache neuer, jüngerer Zielgruppen (Mundl 2009: 84; Rei-
chenbach 2008: 15). Während das Durchschnittsalter von Offline-Spendern 61
Jahre beträgt (DFRV 2009d; FVA 2009a), wird angenommen, dass der durch-
schnittliche Internet-Spender weitaus jünger ist, obwohl es dazu wenige empiri-
schen Daten gibt. Nach einer Untersuchung von aus dem Jahr 2003 sind Inter-
netspender im Durchschnitt 40-45 Jahre (Fischer/Neumann 2003: 13). Im Falle
der Online-Spendenplattform betterplace liegt das Durchschnittsalter der Spen-
der bei 37 Jahren (Betterplace 2010). Die durchschnittliche Online-Spende ist
bisher weit größer als die durchschnittliche Offline-Spende. Für das Jahr 2005
und 2006 beschrieb die Gesellschaft für Konsumforschung (GfK) folgende Werte
für die jeweiligen Spendenkanäle (vgl. auch Reichenbach 2008: 14).
11

·
Online ­ 58 Euro
·
Überweisung ­ 37 Euro
·
Dauerauftrag ­ 33 Euro
·
Bareinzahlung ­ 31 Euro
·
Lastschrift ­ 30 Euro
·
Telefon ­ 22 Euro
·
Haustürsammlung ­ 10 Euro (GfK 2006: 20; DFRV 2009a)
Das online generierte Spendenvolumen in der DACH-Region (Deutschland, Ös-
terreich, Schweiz) liegt insgesamt lediglich bei rund ein bis zwei Prozent des
Gesamtspendenbetrages. Der FVA stellt jedoch einen sprunghaften Anstieg der
Spendenbereitschaft im Internet, vor allem im Fall von Katastrophen, fest (Brien
2008b). Der Anstieg an Online-Spenden lässt sich zum einen durch die ver-
mehrte Online-Aktivität von Organisationen und nicht zuletzt durch das Aufkom-
men von (sozialen) Online-Spendenplattformen erklären, gründet aber zunächst
vor allem auf der technischen und infrastrukturellen Ausbreitung des Internet so-
wie den im nächsten Kapitel beschriebenen demografischen Verschiebungen,
denen zufolge immer größere Teile der spendenden Bevölkerung Deutschlands
und Österreichs online sind.
2.3.2 Demografische Entwicklungen
Aus der Gegenüberstellung von Internetnutzung und Spendenaktivität von Pri-
vatpersonen zeigt Reichenbach den Status Quo der Verhältnisse der Gruppen
zueinander. Grundsätzlich werden 54 Prozent der Geldspenden in Deutschland
von der Gruppe der 60+ (über 60 Jährigen) getätigt (online und offline). Die
Gruppe der 50+ ist für 70 Prozent des gesamten Spendenvolumens verantwort-
lich (GfK 2006: 23; GfK 2008: 10). Die spendenrelevante Kernzielgruppe der
60+ ist allerdings nur zu knapp 25 Prozent online und damit im Internet noch un-
terrepräsentiert. Allerdings weist die Gruppe der 50+ die höchsten Zuwachsraten
12

bei der Internetnutzerschaft auf. Es ist demnach nur eine Frage der Zeit, bis sich
aufgrund von Altersverschiebung der Anteil der Onliner auch an der Gruppe der
60+ stark erhöhen wird. Wenn man bedenkt, dass 14-49 Jährige jetzt schon
mindestens zu über 80 Prozent im Internet vertreten sind, wird sich das Potenti-
al, das für Online-Spenden durch die alleinige Zahl der Internetnutzer besteht,
weiter erhöhen (vgl. Reichenbach 2008: 18f).
In Bezug zur Spendenquote bleibt festzuhalten, dass im Ist-Zustand die Gruppe
der unter 60-Jährigen schlecht erreicht wird. Diese macht 73 Prozent der deut-
schen Bevölkerung aus, ist im Durchschnitt zu 83 Prozent online, aber nur für 46
Prozent der Geldspenden verantwortlich (Helpedia 2009). Besonders die 14-49
Jährigen stellen nur 31 Prozent der Spender. In Österreich spenden 84 Prozent
der Gruppe 50+ und sogar 90 Prozent der Gruppe 60+, die unter 30-Jährigen je-
doch nur zu 56 Prozent (FVA 2009a).
Einige Spendercharakteristika können länderübergreifend festgestellt werden.
·
Alter ist der wichtigste soziodemografische Faktor hinsichtlich der Spen-
denbereitschaft.
·
Frauen spenden durchschnittlich zu größerer Zahl, Männer dafür in höhe-
ren Beträgen (siehe FVA 2009a; DFRV 2009c).
13
Abbildung 1: Onliner vs. Spendenquote; Quelle: Reichenbach 2008: 19

·
Je höher die Schulbildung, desto eher spenden Menschen (Reichenbach
2008: 19; FVA 2009a; DFRV 2009e).
Da jene Teile der Bevölkerung mit erhöhtem Bildungsabschluss und Haushalt-
seinkommen wiederum im Internet im Vergleich zur Gesamtbevölkerung überre-
präsentiert sind, erhöht dies ebenso das Potential des Online-Spendenmarktes
9
(Reichenbach 2008: 19).
2.3.3 Online-Spenden in den USA
Barack Obama nahm für die US-Präsidentschaftswahlen 2008 über 80 Prozent
seiner 650 Millionen US-Dollar an Wahlkampfgeldern über Online-Spenden ein.
92 Prozent der Spendenbeträge lagen unter 100 US Dollar und die meisten sei-
ner Unterstützer spendeten mehr als einmal. Die durchschnittliche Online-Spen-
de in den USA beträgt 127 Dollar (Reichenbach 2008: 78, 15).
Der Anteil der Online-Spenden an den Gesamtspenden hat in den USA von den
Anschlägen auf das World Trade Center (2001 ­ 7% der Gesamtspenden) über
die Tsunamikatastrophe (2004 ­ 22%), den Hurrican Katrina (2005 ­ 57%) bis
hin zu Obama (2008 ­ 88%) rasant zugenommen (Gritzky 2009: 26). Einzelne
Organisationen wie das Red Cross USA verbuchten nach 9/11 bereits 25 Pro-
zent ihrer Spendeneinnahmen online (Reichenbach 2008: 15). The Chronicle of
Philanthropy, die größte Fachzeitung für Fundraising in den USA, untersuchte
die Online-Spenden an 203 NGOs im Zeitraum 2006-2008. Die Untersuchung
bestätigt, dass die Anzahl von Online-Spenden ständig wächst, obwohl im Jahr
2008 weitaus weniger schnell als in den vorangegangenen Jahren (2006: 45%
Wachstum, 2007: 42%, 2008: 28%). Der Grund dafür dürfte nach Annahme der
Zeitung die globale Wirtschaftskrise sein, die Privatpersonen wie Unternehmen
zu Einsparungen im Spendensektor veranlasst. Eine wichtige Erkenntnis der
9 Wichtig bleibt hier festzuhalten, dass weniger starke Einkommensgruppen zwar weniger oft
und weniger hohe Beträge spenden, diese Beträge aber prozentual mehr von ihrem Ge-
samteinkommen ausmachen als die Spenden höherer Einkommensgruppen (Priller/Sommer-
feld 2005: 20). Borgloh bestätigt in ihrer Untersuchung, dass ein Einkommensanstieg von 1
Prozent zu einem durchschnittlichen Anstieg der Spenden um 0,74 Prozent führt (Borgloh 2008:
4).
14

Studie besagt, dass die durchschnittliche Größe der Online-Spenden an NGOs
zwar abgenommen, die Anzahl der Online-Spenden insgesamt jedoch zuge-
nommen hat. Festgehalten wird außerdem, dass Online-Spenden für die meis-
ten NGOs immer noch der kleinste Bestandteil an den Gesamtspendeneinnah-
men darstellen. Für ca. die Hälfte der befragten Organisationen machen sie we-
niger als ein Prozent der Spendeneinnahmen aus (Barton/Wasley 2009).
Eine Studie der Target Analysis Group mit zwölf großen amerikanischen NGOs
wiederum besagt, dass der Anteil der Online-Spender an den Gesamtspendern
der NGOs bereits bis zu 15 Prozent beträgt. ,,Non profit organisations in the Uni-
ted States are raising more than 10 percent of their revenue online, and that pro-
portion is expected to rise to 50 percent in 2013." (Warwick 2008 zitiert nach
Reichenbach 2008: 15) Außerdem bestätigt sich in der Studie abermals, dass
Online-Spender durchschnittlich jünger sind als Offline-Spender aber eine deut-
lich höhere Durchschnittsspende leisten. Online-Spender stellen außerdem
einen beträchtlichen Anteil der Neuspender der Organisationen
10
(Reichenbach
2008: 14f).
Abschließend sei festgehalten, dass Barton/Wasleys Studienergebnissen zufol-
ge ein über die organisationseigene Website hinausgehender Mix an verschie-
denen Internet-Kanälen zur Ansprache einer breiten Masse von Menschen zu
den besten Fundraising-Einnahmen für Organisationen (oder Präsidentschafts-
kandidaten) führt.
Among the charities that achieved the best results in their online fund raising last
year were those that used multiple approaches to make their pitches, including e-
mail, direct mail, social-networking sites such as Facebook, online video, and text
messages. (Barton/Wasley 2009)
10 Die amerikanische Gesellschaft ist meist Vorreiter in der Anwendung neuer Kommunikations-
technologien. Deren Nutzung schwappt des öfteren nach einigen Jahren von der amerikani-
schen auf die kontinentaleuropäischen Gesellschaften über. In vielen Belangen (z.B. im Spen-
denausmaß oder der Zusammenarbeit von Organisationen und Unternehmen) gelten die USA
als philanthropisches Vorbild, können aber aufgrund der unterschiedlichen sozialstaatlichen
Rahmenbedingungen nicht direkt mit europäischen Nationalstaaten verglichen werden (vgl.
Borgloh 2008: 4, Adam et al. 2009: 10).
15

3 INTERNET TRENDS
Milliarden vernetzter Individuen können heute aktiv an Innovation, Wertschöpfung
und sozialer Entwicklung partizipieren in Formen, von denen wir früher nur träumen
konnten. Und wenn diese vielen Menschen zusammenarbeiten, können sie gemein-
sam Kunst, Kultur, Wissenschaft, Bildung, Politik und die Wirtschaft in überraschen-
der, letztlich aber nützlicher Weise voranbringen. (Tapscott/Williams 2007: 2f)
Die Zahl der weltweiten Internetnutzer hat sich von 15 Millionen im Jahr 1995
auf 1,73 Milliarden Menschen im Jahr 2010 vervielfacht. Zur Einführung werden
vorab einige Zahlen für ein grundsätzliches Verständnis zu den Ausmaßen der
weltweiten Internetnutzung gegeben werden.
Die meisten Internetnutzer stammen prozentual aus Asien (43%), gefolgt von
Europa (24%), Nordamerika (15%) und Lateinamerika (10%). Die Schlusslichter
bilden Afrika (4%), der Mittlere Osten (3%) und Ozeanien/Australien (1,2%). Den
höchsten Internet-Nutzungsgrad prozentual zur Gesamtbevölkerung verzeich-
nen jedoch Nordamerika (74%) vor Ozeanien/Australien (60%), Europa (52%),
Lateinamerika (31%), dem Mittleren Osten (28%), Asien (19%) und Afrika (7%)
(Internetworldstats 2009a
11
). Einzelne skandinavische und nordeuropäische
Staaten
12
, sowie Korea (76%) oder Japan (74%) haben aber durchaus höhere
Nutzungsgrade als die USA (74%) oder Kanada (72%) (siehe UM 2009: 6
13
). Die
weitverbreitetste Sprache bleibt mit nunmehr knapp 28 Prozent weltweitem An-
teil Englisch. Die zweitgrößte und in den letzten Jahren am stärksten gewachse-
ne Sprachgruppe ist Mandarin (22% weltweiter Anteil), gefolgt von Spanisch
(8%) und Japanisch (5,5%). Deutsch hat einen Anteil von 3,7 Prozent und eine
totale Anzahl von knapp 65 Millionen Internetnutzern. Außerdem gehören Fran-
zösisch, Portugiesisch, Arabisch, Russisch und Koreanisch zu den zehn größten
Sprachgruppen, die insgesamt 83 Prozent der im Internet genutzten Sprachen
11 IWS definieren einen Internetnutzer als eine Person, die verfügbaren Zugang zum Internet
hat, sowie grundsätzliche Kenntnisse für dessen Benutzung mitbringt. Mithilfe dieser Definition
wird auch der Möglichkeit Rechnung getragen, dass ein Internetanschluss von mehreren Men-
schen benutzt wird. Für detaillierte Informationen über die Herkunft der Daten sowie deren Defi-
nition siehe http://www.internetworldstats.com/surfing.htm [Zugriff 05.05.2010].
12 Norwegen (86%), Finnland (83%), Niederlande (83%), Schweden (81%), Dänemark (80%)
13 22,729 Menschen zwischen 16 und 54 Jahren aus 38 Ländern weltweit wurden quantitativ
über die Nutzung von Social Media befragt. Nur Menschen, die jeden oder jeden zweiten Tag
das Internet nutzen (aktive Nutzer), wurden in die Befragung miteinbezogen (UM 2009: 5).
http://www.universalmccann.de/ [Zugriff: 05.05.2010].
16

ausmachen (Internetworldstats 2009b).
Schätzungen zufolge nutzen 625 Millionen Menschen das Internet mindestens
jeden zweiten Tag und werden somit als aktive Internetnutzer bezeichnet. Das
entspricht einen von drei Internetnutzern, oder einen von dreizehn Menschen
der Gesamtweltbevölkerung (UM 2009: 14). Aktive Nutzer tragen die Entwick-
lungen im Social-Media-Bereich und sind die besten Richtungsweiser in einer
Zeit der rasanten technologischen Weiterentwicklung und Nutzung des Internet
(vgl. UM 2009: 10).
Die Grafik bezieht sich auf die inhaltliche Nutzung des Internet in den Monaten
Januar bis März 2010. Sie reiht die meistbesuchten Websites der Länder
Deutschland, Österreich und USA sowie im globalen Durchschnitt. Sie basiert
auf den Daten von Alexa-Webrankings
14
und kann nur als kurzzeitiges Abbild
verstanden werden, da sich Surfverhalten in der heutigen Internetökonomie
schnell verändern kann.
Wie aus der Grafik ersichtlich gehören Suchmaschinen, allen voran Google, zu
den am meist besuchten Websites in den ausgewählten Ländern, sowie auf glo-
14 Alexa-Webrankings (ein Amazon-Unternehmen) ermittelt Daten in laufenden 3-Monats-Peri-
oden aus unterschiedlichen Quellen. Hauptdatenquelle sind jedoch die Nutzungsgewohnheiten
von Menschen, welche die Alexa-Toolbar installiert haben, weshalb der Dienst nicht als 100-
prozentig objektiv einzustufen ist. Websites mit der höchsten Kombination aus Unique Users
(Anzahl der Alexa-Nutzer, die an einem Tag eine Seite besuchen) und Pageviews (totale Anzahl
der Seitenaufrufe durch Alexa-Nutzer) an einem Tag rangieren an erster Stelle.
17
Abbildung 2: Meistbesuchte Websites Jan-Mar 2010; Eigenillustration

balem Niveau. Weitere große Player wie Yahoo! und Microsofts live.com (bing.-
com; msn.com) finden sich ebenfalls im Spitzenfeld, sind jedoch von den Top-
Platzierungen vergangener Jahre verdrängt worden
15
. Suchmaschinen können
schon lange mehr als nur suchen. Sie dienen meist als Portale ins Internet und
bieten zusätzlich eine Vielzahl von Services wie E-Mail, Bildersuchen, Kartogra-
phien, Nachrichtendienste, Shoppingfunktionen, Kalender und personalisierte
Startseiten. Neben ihnen drängen sich in den letzten Jahren populär gewordene
Websites wie Facebook, Youtube, MySpace, Blogger oder die Enzyklopädie Wi-
kipedia, sogenannte Social-Media-Websites. Diese Seiten haben gemeinsam,
dass deren Inhalte von Nutzern selbst erstellt werden, während der Anbieter
(Provider) dafür ,,nur" die technische Infrastruktur zur Verfügung stellt. Mail-
Dienste (Web.de, Gmx, Gmail, Ymail, etc.
16
) und Online-Stores (Amazon,
Ebay
17
) finden sich ebenfalls unter den bestbesuchten Websites.
Im Kern geht es bei den am meisten genutzten Websites im Internet zu Anfang
des Jahres 2010 um eine Organisation und damit Nutzbarmachung von Inhalten
(Suchmaschinen), der Unterstützung der Mensch-zu-Mensch Kommunikation
(Social-Media-Websites, E-Mail) sowie Kaufen und Verkaufen. Klassische pro-
fessionelle Erzeuger von Inhalten (Content Provider) wie Medienunternehmen
(ORF, derStandard, Spiegel, CNN, etc.) sind nur vereinzelt auf den vorderen
Plätzen zu finden. Hier hat das Konzept des User Generated Content die Welt
der Offline-Medien auf den Kopf gestellt
18
.
Im Weiteren werden die Prinzipien des Web 2.0 sowie die Funktionalitäten von
Social-Media-Websites genauer durchleuchtet und deren Erfolg anhand der
15 Die drei großen Internetplayer GMY (Google-Microsoft-Yahoo!) waren in den vergangenen
Jahren stets die meistbesuchten Seiten im Internet (siehe comScore 2007).
16 Da nur sogenannte top level domains (domain.com) von Alexa gezählt werden, sind Mail-
Dienste wie Google-Mail oder Yahoo!-Mail bereits in Google.com bzw. yahoo.com mit einge-
rechnet.
17 eBay ist ein Online-Auktionsmarktplatz, auf dem Privatpersonen Artikel versteigern können.
Auch Drittanbieter können über eBay ihre Artikel vertreiben. Amazon ist der klassische Online-
Store der ersten Stunde mit hauseigenem Sortiment, besonders bekannt für Buchtitel. Jedoch
können auch Drittanbieter über Amazon Artikel verkaufen. Das Unternehmen wurde für die Ein-
bindung von Produktbewertungen und dem ersten Empfehlungsmechanismen (,,Kunden, die
diesen Artikel gekauft haben, haben auch diesen Artikel gekauft") berühmt.
18 Dies ist ein Phänomen, das der Medienindustrie große Sorgen bereitet. Insbesondere unter
dem Aspekt, dass deren Medieninhalte im Vergleich zum Offline-Bereich im Normalfall gratis
angeboten werden, ist die Frage nach der Entwicklung und Finanzierung professioneller Nach-
richtenproduktion und deren Vertrieb über das Internet eine sehr aktuelle.
18

Ausbreigung sozialer Netzwerke analysiert. Kapitel 3.5 befasst sich außerdem in
weiteren Teilaspekten mit dem Phänomen der Inhaltsaggregatoren und deren
Erfolg im Internet, da dies ein Konzept ist, auf dem auch Online-Spendenplatt-
formen aufbauen.
3.1 Web 2.0
Auf der einen Seite wirkt der Begriff Web 2.0 schon fast veraltet. Oft scheint er in
der Fachwelt im Social-Media-Boom untergegangen oder gar desolat geworden
in Zeiten, in denen bereits eifrig über ein Web 3.0 im Sinne eines Social Seman-
tic Web diskutiert wird. Auf der anderen Seite erscheint er doch immer wieder in
den Medien und der Wissenschaft, oft in Vermischung mit verschiedensten neu-
en und alten Begrifflichkeiten und Konzepten. Dies ist auf die schnelle technolo-
gische Weiterentwicklung und die damit einhergehende gesellschaftliche Nut-
zung des Internets zurückzuführen.
Der im Jahr 2005 entstandene Begriff Web 2.0 ist als Ausgangspunkt und
Grundlage für heutige technologische Weiterentwicklungen zu verstehen. Die
Bezeichnung entstand erstmals im Frühjahr 2004 im Vorfeld einer Konferenz,
die sich mit den damals aufkommenden Veränderungen im Internet beschäftig-
te. Tim O'Reillys Artikel ,,What is Web 2.0" (O'Reilly 2005) machte schließlich im
September 2005 den Begriff wirklich populär. O'Reilly beschreibt die wesentli-
chen Eigenschaften von Anwendungen im Web 2.0 wie folgt (siehe Back/Gro-
nau/Tochtermann 2008: 3).
1) Das Web als Plattform
2) Nutzung der kollektiven Intelligenz
3) Daten-getriebene Anwendungen
4) Permanenter Beta-Status ­ Ende des klassischen Softwarelebenszyklus
(Services statt Produkte)
19

5) Beliebte Kombinierbarkeit von Komponenten oder ganzen Anwendungen
6) Plattform- und Geräteunabhängigkeit
7) Umfassende Anwenderfreundlichkeit und Einfachheit
Diese Punkte möchten teilweise abstrakt klingen, beschreiben jedoch schon in
ihrer damaligen Formulierung alle Grundfunktionen von heute weltweit so ange-
sagten Websites wie Facebook, Wikipedia, Twitter u.Ä. Auch die in der wissen-
schaftlichen Literatur vielzitierten Konzepte wie Folksonomy, User Generated
Content oder Crowdsourcing basieren auf denselben Prinzipien.
Die wohl wichtigste Veränderung im Web 2.0 im Vergleich zum Web 1.0 hat sich
in der Rolle des einzelnen Nutzers festgeschrieben. Das Time-Magazine wählte
im Jahr 2007 die Person ,,YOU!" zur Person des Jahres, und meinte damit jeden
einzelnen Internetnutzer. Dessen Rolle hat sich von einem Konsumenten von In-
formation hin zu einem Produzenten, aktiven Bewerter und Verbreiter von Infor-
mation gewandelt. Das traditionelle monologische Kommunikationsmodell hat
sich zu einem Kommunikationsmodells des Dialogs weiterentwickelt. Nutzer
können mithilfe ihrer Kreativität, dem Teilen von Inhalten, der kollaborativen Zu-
sammenarbeit, dem Kommentieren oder Produzieren von Inhalten am neuen
Modell der wechselseitigen Kommunikation aktiv mitwirken (vgl. Hamman 2008,
Stanoevska-Slabeva 2008, UM 2009).
20
Abbildung 3: Kommunikationsmodell des Web 2.0; Quelle: Willcox D. zit. nach
Gritzky 2009: 21

Mit Web 2.0 wird grundsätzlich die Metamorphose des Internets von einem globa-
len Informationsmedium zu einem globalen Mitmach-Medium bezeichnet. Die wich-
tigsten Errungenschaften von Web 2.0 sind User Generated Content und Plattfor-
men, welche das kreieren [sic] von User Generated Content unterstützen, neue
Kommunikationsinstrumente wie Blogs und Wikis und eine neue aktive, extrover-
tierte und kreative Rolle der Internetnutzer. (Stanoevska-Slabeva 2008: 36)
Fernab von begrifflichen Hypes misst der Internet-Vordenker und Miterfinder des
World Wide Web (WWW), Tim Berners-Lee, dem Begriff Web 2.0 übrigens keine
allzu große Bedeutung zu. Er ist der Meinung, dass sich an den technischen
Möglichkeiten des WWW seit Ende der Neunziger nichts Entscheidendes geän-
dert hätte. ,,Wer sagt, im Web 2.0 gehe es um Blogs und Wikis, der meint Kom-
munikation von Mensch zu Mensch. Aber genau das sollte das Internet von An-
fang an sein." (Berners-Lee, 28. Juli 2006, zit. nach Hamann 2008: 214) Er ver-
weist dabei auf Prinzipien, auf denen das Internet schon in seinen Anfängen be-
ruht habe, wie Kommunikation über E-Mail, Chats, Homepages, Newsgroups
oder Newsletter. Hamann ist jedoch der Meinung, dass im Begriff Web 2.0 weit
mehr mitschwingt als ein technischer Grundgedanke, nämlich die Veränderung
der Gesellschaft und deren Kommunikation. Große Mehrheiten kommunizieren
heute anders als noch vor fünf Jahren. Er glaubt, dass das Web 2.0 die Rolle
der traditionellen Massenmedien in unserer Gesellschaft verändert (Hamann
2008: 214).
Insofern umfasst das Web 2.0 alle Internetangebote, die nicht zentral erstellt und
gesteuert werden, sondern deren Wert darin besteht, dass die Benutzer die Inhalte
erstellen oder in einigen Fällen auch die Infrastruktur mitbringen. (Hamann 2008:
215)
Im Sinne von O'Reilly geht es im Gedanken des Web 2.0 auch darum, Anwen-
dungen zu entwickeln, deren Funktionen sich verbessern, je mehr Menschen
von ihnen Gebrauch machen. Gerade im Social-Media-Bereich ist dieser Ge-
danke in den letzten Jahren aufgegangen. Große Datenmengen und deren
Netzwerkeffekte sind von grundlegender Wichtigkeit für die Funktion von sozia-
len Netzwerken und nicht zuletzt auch Grundlage für eine neue Form der Spen-
denabwicklung und Transparenz im Online-Spendensektor.
21

3.2 Social Media
Von sozialen Webmedien über Mitmachweb hin zu Social Web und Social Soft-
ware, unter Schlagwörtern wie kollektiver Intelligenz oder der Weisheit der Vie-
len bis hin zu Konzepten wie Crowdsourcing, Folksonomy oder der Economy of
Peer Production. Im Moment geistern eine Vielzahl von Begriffen für die Be-
zeichnung ähnlicher Phänomene durch die Medien, und leider auch durch die
Wissenschaft.
Der Begriff Social Media ist international sehr weit verbreitet und findet Anwen-
dung in englischsprachigen Studien und einschlägigen Web-Konferenzen
19
. Die
Studie Universal McCann Social Media Tracker Wave 4 bezeichnet Social Media
als ,,Online-Anwendungen, -Plattformen und -Medien, die das Ziel haben, Inter-
aktion, Zusammenarbeit und das Teilen von Inhalten zu erleichtern." (UM 2009
zit. nach Gritzky 2009: 10
20
) Der Fokus liegt hier also insbesondere in der Er-
möglichung, Erleichterung und Verbesserung sozialer Interaktion über das Inter-
net.
In Bezug auf die bestehende deutschsprachige Literatur zum Thema muss auf
Begrifflichkeiten wie Social Web und Social Software zurückgegriffen werden.
Ebersbach/Glaser/Heigl definieren den Begriff Social Web als Teilbereich des
Web 2.0. ,,Der Begriff fokussiert auf die Bereiche des Web 2.0, bei denen es
nicht um neue Formate oder Programmierarchitekturen, sondern um die Unter-
stützung sozialer Strukturen und Interaktion über das Netz geht."
(Ebersbach/Glaser/Heigl 2008: 29) In Bezug auf Hippner 2006 legen die Autoren
folgende Definition des Begriffs Social Web fest.
Das Social Web besteht aus (im Sinne des WWW) webbasierten Anwendungen, die
für Menschen, den Informationsaustausch, den Beziehungsaufbau und der Pflege,
die Kommunikation und die kollaborative Zusammenarbeit in einem gesellschaftli-
chen und gemeinschaftlichen Kontext unterstützen, sowie den Daten, die dabei ent-
stehen und den Beziehungen zwischen Menschen, die diese Anwendungen nutzen.
(Ebersbach/Glaser/Heigl 2008: 31)
19 Siehe bspw. http://socialmediaweek.org, http://re-publica.de/10/ [Zugriff 05.05.2010].
20 ,,Online applications, platforms and media which aim to facilitate interacion, collaboration and
the sharing of content."
22

Die Autoren stellen außerdem folgende Determinanten für Social-Web-Anwen-
dungen auf (siehe Ebersbach/Glaser/Heigl 2008: 31f).
1) Im Mittelpunkt steht das Individuum bzw. die Gruppe. Die Aktionen des
Einzelnen werden nachvollziehbar und zu einem wichtigen Bestandteil
der Anwendungen.
2) Das Individuum integriert sich in die Gruppe. Viele Teilnehmer stecken
Energie in den Aufbau der Community.
3) Nicht nur Personen, auch Beziehungen, Inhalte und Bewertungen werden
sichtbar gemacht. Im Social Web herrscht große Transparenz hinsichtlich
der Aktionen, Daten und ihrer Zusammenhänge.
4) Grundlage ist die Idee der Selbstorganisation. Die Community macht eine
Plattform zu ihrem Medium und passt die Inhalte an ihre Bedürfnisse an.
So entsteht eine ,,Demokratisierung" des Web.
5) Durch Social Ratings entsteht soziale Rückkopplung. Diejenigen werden
belohnt, die Inhalte beisteuern, die eine Community gerne sieht.
6) Es wird eine Art kollektives Wissen aufgebaut. Der Fokus liegt weniger
auf der einzelnen Information, sondern viel mehr auf der Struktur, die aus
der Verknüpfung derselben erwächst.
Für Back/Grau/Tochtermann wiederum steht der Begriff Social Software für web-
basierte Anwendungen, die Personen und Gruppen vernetzen (ganz im Sinne
des Web 2.0-Prinzip der ,,Nutzung der kollektiven Intelligenz").
Social-Software-Anwendungen unterstützen als Teil eines soziotechnischen Sys-
tems menschliche Kommunikation, Interaktion und Zusammenarbeit. Dabei nutzen
die Akteure die Potenziale und Beiträge eines Netzwerks von Teilnehmern.
(Back/Gronau/Tochtermann 2008: 4)
Wesentliche Erfolgsfaktoren für die Annahme und breite Nutzung von Social
Software sind den Autoren zufolge Einfachheit, intuitive Bedienbarkeit und nied-
rige Einstiegsbarrieren. Konkrete Anwendungsbeispiele wären Weblogs, Wikis,
23

Social-Networking-Plattformen sowie der persönlichen Informationssammlung
dienliche Dienste wie Newsfeeds, Lesezeichen und Referenzen (Social Book-
marking). Die geteilten Web-Inhalte sind neben Text zunehmend Foto-, Video-
oder Audiofiles (Back/Gronau/Tochtermann 2008: 9f).
Über Social-Media-Technologien haben in den vergangenen Jahren schlagartig
Millionen von Menschen das Internet als soziale Organisations- und Austausch-
plattform zu nutzen begonnen. Unter diesen Bedingungen sind Konsumenten im
Moment oft nicht nur der Wissenschaft, sondern auch der Wirtschaft einen
Schritt voraus (vgl. UM 2009: 37).
Social Media is a very fast-evolving landscape and one that's taking an increasingly
important role in consumers' digital lives. Brands that want to engage with consu-
mers in these spaces need to understand how and where and why they are using
the many different platforms that enable content creation and sharing. (Glen Parker,
Research Director, UM 2009:5)
Im weiteren Verlauf der Arbeit wird vom Begriff Social Media die Rede sein. Es
wird den Erkenntnissen von Ebersbach/Glaser/Heigl sowie der Definition der
Universal McCann Studie entsprechend Social Media als wichtiger (wenn nicht
wichtigster) Bestandteil des Web 2.0 gesehen.
Im folgenden Kapitel werden konkrete Social-Media-Anwendungen und -Trends
beschrieben. Dies dient dem ausgewogenen Verständnis der kommunikativen
Rahmenbedingungen, in welchen sich Privatpersonen und Unternehmen heute
im Internet bewegen.
Im Kapitel 3.3 wird daraufhin auf die Auswirkungen von
Web 2.0 und Social Media auf die Unternehmenskommunikation eingegangen.
3.2.1 Social-Media-Anwendungen
Die folgende Grafik gibt einen Überblick über die meistgenutzten Social-Me-
dia-Anwendungen (Februar 2010).
24

Blogs
Bei Blogs (Abkürzung für ,,Weblogs") steht die Kommunikation zwischen Perso-
nen und Personengruppen im Mittelpunkt (Back/Gronau/Tochtermann 2008: 9).
Blogs sind öffentliche Tagebücher mit relativ kurzen Texteinträgen, die in chrono-
logisch umgekehrter Form erscheinen (der neueste Eintrag kommt zuerst). Dazu
bieten sie standardisierte Archiv- und Kommentarfunktionen. Die Einbindung
multimedialer Inhalte (Foto, Video, Audio, etc.) ist Gang und Gebe. Prominente
Anbieter gebührenfreier Blogging-Software sind Wordpress oder Blogger (Goo-
gle). Im Unternehmensumfeld werden Corporate Blogs als Kommunikations-,
Marketing- sowie PR-Instrument für die außer- sowie innerbetriebliche Kommu-
nikation eingesetzt.
Microblogging reduziert die Länge der Texteinträge auf maximal 140 Zeichen
und manifestiert sich vor allem im Pionierdienst Twitter. Vergleichbar mit dem
Versand einer SMS erscheint der Eintrag im persönlichen Profil der Nutzer und
ist von allen Mitgliedern über die Website, per SMS, E-Mail oder Instant Messa-
ging abruf- und abonnierbar. Dadurch wird sehr schnelle Kommunikation und
eine hohe Aktualität der Beiträge ermöglicht, die in vielen Bereichen wie etwa für
Spendenaufrufe und schnellen Informationen im Katastrophenfall von großem
Nutzen sein kann.
Zu Beginn des Jahres 2010 bestehen über 250 Millionen Blogs und Microblogs
25
Abbildung 4: Social Media Überblick 2010; Eingenillustration

(UM 2009 zit. nach Gritzky 2009: 12). 71 Prozent der aktiven Internetnutzer le-
sen Blogs, 40 Prozent sind aktive Blogger oder Tweeter
21
(UM 2009: 14). 80
Prozent der Tweeter verwenden dabei den Dienst bereits auf mobilen Endgerä-
ten, während 17 Prozent aller aktiven Internetnutzer insgesamt mobil online sind
(UM 2009: 14).
Wikis
Wikis fördern Zusammenarbeit und die gemeinschaftliche Erstellung von Inhal-
ten. Jeder Internet-Nutzer hat das Recht, einem öffentlichen Wiki-Beiträge hin-
zuzufügen, Einträge zu ändern oder neue Seiten zu erstellen. Das Wort wiki
kommt aus dem Hawaiianischen und bedeutet schnell. Das Aushängeschild der
Wiki-Projekte ist die freie Online-Enzyklopädie Wikipedia. Einige Merkmale des
Arbeitens mit und der Nutzung von Wikis sind kollaboratives, öffentliches Schrei-
ben, Autor-Leser-Interaktion und die Mitgliedschaft in einer Online-Community
(vgl. Ebersbach/Glaser/Heigl 2008: 47ff). Auch im Bereich der Unternehmens-
kommunikation haben Wikis (Corporate Wikis) eine immer größere Bedeutung
(z.B. zur Erstellung innerbetrieblicher Richtlinien, Wissensaufbau und Wissens-
teilung oder in Form von CEO- und offiziellen Firmenblogs).
Bei insgesamt über 15 Millionen Artikeln und knapp 7,400 neuen Artikeln pro
Tag in 270 Sprachen (Januar 2010) hat die englische Ausgabe der freien Enzy-
klopädie Wikipedia 3,2 Millionen Artikel
22
, die deutsche Version ist mit über einer
Million Artikeln die zweitgrößte Ausgabe. Weitere große Sprachen sind Franzö-
sisch (900,000 Artikel) Japanisch (660,000 Artikel) und Spanisch (560,000 Arti-
kel). Auch eine Esperanto-Version besteht in einer Größe von 125,000 Artikeln
(Wikipedia 2010a, b).
Soziale Netzwerke
Die Grundfunktionen sozialer Netzwerke sind Koch/Richter zufolge Identitätsma-
nagement, Kontaktmanagement, Expertensuche, die Unterstützung von Kontex-
21 Nutzer des Dienstes Twitter.
22 Damit sind etwa 22 Prozent der Wikipedia-Artikel in Englisch, was dem englischsprachigen
Internetanteil von 28 Prozent in etwa Rechnung trägt.
26

t- und Netzwerk-Awareness sowie die Unterstützung des gemeinsamen Aus-
tauschs (Koch/Richter 2008: 73). Ihre Merkmale sind die erforderliche Registrie-
rung, Profilseiten mit Interessen und Tätigkeiten, die Darstellung von Beziehun-
gen zu anderen Menschen und der starke Bezug zu realen Sozialbindungen
(Ebersbach/Glaser/Heigl 2008: 79). Personen in sozialen Netzwerken sind im
Durchschnitt meist lose gekoppelt, schwache Bindungen überwiegen vor star-
ken. Jedoch sind meist klassische Community-Unterstützungswerkzeuge wie
Chats, Messageboards, Gruppen oder Diskussionsforen in soziale Netzwerke
integriert, um die Bindung von Communities innerhalb des sozialen Netzwerkes
zu ermöglichen. Im Gegensatz zum Netzwerk, ein durch Knoten und Kanten
dargestelltes Interaktionsgeflecht mit typischerweise fehlendem zentralen Kern,
repräsentiert eine Community eine sich nach außen abgrenzende, sich um
einen Kern formierende Einheit, die sich innerhalb eines Netzwerks bildet (Sto-
cker/Tochtermann 2008: 69f; Koch/Richter 2008: 72). Themenspezifische Com-
munities finden Studien zufolge oftmals den Weg aus der Virtualität zu regelmä-
ßigen, realen Face-to-Face Treffen (Koch/Richter 2008: 72).
Das deutsche Business-Netzwerk Xing verwendet Foren, um die Bildung von
Communities innerhalb des sozialen Netzwerks zu ermöglichen und auf diese
Weise die Bindung zwischen den Nutzern zu stärken. Weitere promintente Bei-
spiele sind das deutsche StudiVZ oder MySpace (News Corp). Das zu Beginn
des Jahres 2010 weltweit größte soziale Netzwerk Facebook hat nach eigenen
Angaben eine Nutzerschaft von mehr als 400 Millionen aktiven Nutzern, von de-
nen sich die Hälfte jeden Tag einloggen (Februar 2010; Facebook 2010). Das
Netzwerk macht fast alle Aktivitäten der Nutzer von seinem Freundeskreis ein-
seh-, kommentier- und bewertbar. Auch das chinesische Q-Zone hatte nach ei-
genen Angaben bereits Anfang 2009 eine Nutzerschaft von 200 Millionen Men-
schen (Techcrunch 2009).
Media/Content-Sharing-Plattformen
Charakteristisch für Sharing-Plattformen ist das Teilen von Inhalten, wobei Inhal-
te durch verschiedene Medientypen oder Aktivitäten repräsentiert werden kön-
27

nen. Ob Fotos, Musik, Videos, Webseiten, Präsentationen, Dokumente oder
Kreditkartenabrechnungen
23
, Teilen an sich ist bereits sozial. Merkmale des So-
cial-Media-Sharing sind die optionale Personalisierung, die Bereitstellung der
Ressourcen/des Hostings durch die Betreiberplattformen sowie die Unterteilung
in öffentliche und private Bereiche (vgl. Ebersbach/Glaser/Heigl 2008: 101).
Standardisierte Funktionen wie das Kommentieren, Bewerten oder das Weiter-
empfehlen von Inhalten sowie deren Einbindung in soziale Netzwerke und die
damit verbundene Reichweitenverstärkung machen die Plattformen zu einem
weiteren Grundpfeiler von Social Media. Prominente Beispiele sind YouTube (Vi-
deo), Flickr (Foto), Last.fm (Musik), Soundcloud (Musik), Slideshare (Präsenta-
tionen) oder ustream.tv (Podcast).
Auf Youtube (Google) werden jeden Tag Millionen Videos abgespielt. Nach eige-
nen Angaben werden jede Minute 20 Stunden Videomaterial von Nutzern auf
der Plattform hochgeladen (Februar 2010; Youtube 2010).
Social Bookmarking/Tagging
Was mit dem Speichern der privaten Linksammlung auf einer Website begann,
entwickelte sich durch das Prinzip des Teilens und Veröffentlichen zu Social
Bookmarking. Aus der damit einhergehenden Unübersichtlichkeit der Datenmen-
gen entstand die Zusatzfunktion des Taggens, der Beschlagwortung von Links
durch den Pionierdienst de.licio.us (vgl. Ebersbach/Glaser/Heigl 2008: 110). An-
dere Social-Bookmarking-Dienste bieten zusätzlich die Funktion der positiven
oder negativen Bewertung der geteilten Lesezeichen (Digg). Das Taggen ist
mittlerweile von vielen Social-Media-Betreibern auf fast alle Webinhalte (Fotos,
Videos, Musik, Nachrichten, Links, Blogs, Websites, Personen, etc.) übertragen
worden. Tags (Schlagworte) sind von jedem Nutzer frei wählbar und nicht hierar-
chisiert. In den von vielen als Web 3.0 bezeichneten Entwicklungen des Social
Semantic Web spielt das Prinzip der Beschlagwortung und Anreicherung von
Daten im WWW ebenfalls eine Kernrolle.
23 http://blippy.com/ [Zugriff 23.04.2010].
28

3.2.2 Social-Media-Trends
Alle im letzten Kapitel beschriebenen Dienste und Bereiche entwickeln sich im
Moment in hoher Geschwindigkeit weiter, adaptieren neue Features, verändern
und verbessern bestehende Funktionen ganz im Sinne des Web 2.0-Prinzips
des ewigen Beta-Status. Neue lokale oder themenspezifische Angebote kom-
men auf den Markt und lassen neue Vermischungen und Verflechtungen unter-
einander entstehen (Mashups). Einige Trends, die sich in den bestehenden
Diensten der vergangenen Jahre gezeigt haben, werden hier aufgezählt. Die
Daten basieren auf der UM-Studie 2009, die nunmehr im vierten aufeinanderfol-
genden Jahr durchgeführt wurde.
·
Social-Media-Plattformen werden immer stärker multimedial genutzt. Die
Anzahl der Blogger und sozialen Netzwerkern, die Fotos, Videos, Musik
oder Widgets hochladen, steigt.
·
Die Nutzung von Online-Videos steigt. 83 Prozent der aktiven Internetnut-
zer sehen sich Online-Videos
24
an (im Vergleich zu 63% im Jahr 2007),
33 Prozent der Nutzer von sozialen Netzwerken haben Videos in ihren
Profilen hochgeladen.
·
70 Prozent der aktiven Internetnutzer lesen Blogs, 40 Prozent schreiben
Blogs.
·
Social Media wird mobil. 17 Prozent der aktiven Internetnutzer loggen
sich von zu Hause, der Arbeit, Universität oder von unterwegs ein, Anzahl
steigend (siehe auch Martignoni/Stanoevska-Slabeva 2008).
·
Widgets breiten sich weiter aus. 34 Prozent der Nutzer von sozialen
Netzwerken installieren sie für ihren eigenen Nutzen, 24 Prozent machen
es um andere mit ihrem Profil zu beeindrucken. (UM 2009: 14f)
·
Soziale Netzwerke entwickeln sich immer stärker zu den dominierenden
Plattformen, auf denen Social-Media-Elemente vereint und geteilt wer-
den. (UM 2009: 24)
24 Auf den Philippinen sehen sich sogar 98 Prozent der aktiven Internetnutzer Online-Videos, in
Korea, Spanien und den USA tuen dies acht von zehn aktiven Internetnutzern (UM 2009: 15).
29

Oft wird in der ersten Jahrzehntwende des neuen Jahrtausends von einer
großen Experimentierphase gesprochen, in der sich Entwickler, Benutzer und
Wirtschaftstreibende im Social-Media-Bereich befinden. Erst langsam beginnen
Unternehmen Community-bezogene Aufgaben in ihr Online-Marketingbudget
einzurechnen und freunden sich mit den neuen Verhaltensregeln von Social Me-
dia an (vgl. Kap. 3.3; UM 2009: 37; Li/Bernoff 2009: 16f). Während die Verbes-
serung von Benutzerfreundlichkeit und Design weiter voranschreiten, werden
Social-Media-Anwendungen weiterhin, insbesondere durch die Ausbreitung in-
ternetfähiger Handys (Smartphones) und anderer mobiler Endgeräte (z.B. Ta-
blets), an Relevanz gewinnen. Immer mehr Menschen sind jederorts zu jeder
Zeit online. Neue Generationen wachsen mit einer neuen Form der Mensch-zu-
Mensch Kommunikation auf. Open-Source-Technologien und API-Schnittstellen
ermöglichen einen hohen Grad an nutzergenerierten Inhalten auch in der Soft-
ware-Entwicklung neuer Dienste. Die digitale Identität von Internetnutzern ver-
flechtet sich immer stärker mit der realen Identität und wird immer stärker zum
Teil des täglichen Lebens (Stichwort Augmented Reality).
3.2.3 Die Ausbreitung von sozialen Netzwerken
In essence, the tools of Social Media are starting to coalesce on to a single platform
type--the social network. There may be some way to go before the phrases "social
media" and "social networks" are synonymous, but the consolidation has started.
(UM 2009: 6)
Das Internet-Marktforschungsunternehmen Hitwise
25
ließ mit einer Aussendung
am 16. September 2008 aufhorchen. Soziale Netzwerke haben in der Menge
der an sie gerichteten Suchanfragen den bisher größten Umsatzgenerator im In-
ternet, die Pornographie, überholt. Hitwise zufolge gingen die Suchzahlen zu
pornografischen Seiten in den letzten zehn Jahren um die Hälfte zurück, soziale
Netzwerke hingegen haben den Aufstieg zur ,,heißesten" Kategorie im Internet
vollzogen (Hedges 2008).
25 http://www.hitwise.com [Zugriff 02.02.2010].
30

Details

Seiten
Erscheinungsform
Originalausgabe
Jahr
2010
ISBN (eBook)
9783836647854
DOI
10.3239/9783836647854
Dateigröße
2.9 MB
Sprache
Deutsch
Institution / Hochschule
Universität Wien – Geistes- und Kulturwissenschaftliche Fakultät, Internationale Entwicklung
Erscheinungsdatum
2010 (Juni)
Note
1,0
Schlagworte
online-spenden social media unternehmensspenden corporate responsibility citizenship
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Titel: CSR 2.0 - Soziale Online-Spendenplattformen als neues Instrument für Corporate Giving
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