Zusammenfassung
Besonders in der heutigen Zeit gewinnt das Thema der Anfechtung von Hauptversammlungsbeschlüssen an immer mehr Bedeutung. In der Geschichte des Aktienrechts sind bereits viele Aktiengesellschaften mit Anfechtungsklagen konfrontiert worden. Die bloße Erhebung einer Anfechtungsklage kann schwerwiegende Folgen für eine Aktiengesellschaft haben. Beschlüsse, die auf der Hauptversammlung gefasst wurden, können durch eine Anfechtungsklage verhindert oder zumindest für einen bestimmten Zeitraum blockiert werden. Das führt zu horrenden Kosten für die beklagte Gesellschaft und kann außerdem zur Unwirksamkeit des Beschlusses führen. Die Entscheidungsmacht der Aktionäre auf einer Hauptversammlung ist im Wesentlichen auf den rechtlichen und den wirtschaftlichen Aufbau der Gesellschaft beschränkt und betrifft die Kontrolle der Verwaltung, wie z. B. die Bestellung des Abschlussprüfers, die Wahl der Anteilseigner in den Aufsichtsrat oder die Entlastung des Vorstandes und des Aufsichtsrates. Des Weiteren können u. a. auch Änderungen der Satzung, Kapitalerhöhungen/-herabsetzungen oder die Auflösung der Gesellschaft durch die Aktionäre beschlossen werden. Die einfache bzw. qualifizierte Mehrheit der abgegebenen Stimmen ist dabei für die Beschlussfassung ausreichend, wodurch verhindert werden soll, dass einzelne Aktionäre oder kleine Aktionärsminderheiten den Interessen der Aktionärsmehrheit oder dem Mehrheitsaktionär durch ihre Gegenstimme entgegenwirken können. Im Umkehrschluss birgt dieses sog. Mehrheitsprinzip allerdings die Gefahr, dass der durch die Mehrheitsaktionäre gefasste Hauptversammlungsbeschluss nicht nur den Interessen der Minderheitsaktionäre zuwiderläuft, sondern ihnen darüber hinaus Nachteile oder sogar Schaden zufügen kann. Sollte ein Mehrheitsaktionär mit der Ausübung des Stimmrechts für sich oder einen Dritten Sondervorteile zum Schaden der Gesellschaft oder der anderen Aktionäre zu erlangen suchen und ist der Beschluss geeignet diesem Zweck zu dienen, so besteht für den geschädigten Aktionär die Möglichkeit einen Beschluss der Hauptversammlung wegen Verletzung des Aktiengesetzes oder der Satzung durch Klage anzufechten, solange der Beschluss den geschädigten Aktionären keinen angemessenen Ausgleich für den Schaden gewährt.
Die allgemeine Rechtsgrundlage zur Anfechtung von Hauptversammlungsbeschlüssen bildet dabei das Aktiengesetz in den §§ 243 ff. AktG. Am 01.09.2009 ist das Gesetz zur Umsetzung der […]
Leseprobe
Inhaltsverzeichnis
Inhaltsverzeichnis
Abbildungsverzeichnis
Abkürzungsverzeichnis
I. Einleitung
II. Die Hauptversammlung
1. Grundsätzliches zum Ablauf
2. Teilnehmer der Hauptversammlung
2.1. Vorstand
2.2. Aufsichtsrat
2.3. Aktionäre
2.4. Aktionärsrechte
2.4.1. Auskunftsrecht gem. §131AktG
2.4.2. Stimmrecht gem. §12AktG i.V.m. §134AktG
3. Kompetenzen der Hauptversammlung
4. Beschlussfassung der Hauptversammlung
5. Neuregelung des Fristensystems
III. Die Anfechtung von Hauptversammlungsbeschlüssen
1. Abgrenzung zur Nichtigkeit
2. Anfechtbarkeit von Beschlüssen
3. Anfechtungsbefugnis
3.1. Der Aktionär
3.1.1. Das Erscheinen des Aktionärs als Voraussetzung zur Anfechtungsbefugnis
3.1.2. Erklärung des Widerspruchs zur Niederschrift
3.1.3. Das Nichterscheinen des Aktionärs oder eines Vertreters
3.1.4. Anfechtungsbefugnis wegen unzulässiger Verfolgung von Sondervorteilen
3.1.5. Aktienerwerb vor Bekanntmachung der Tagesordnung
3.2. Der Vorstand
3.3. Einzelne Verwaltungsmitglieder
4. Anfechtungsgründe gem. §243AktG
4.1. Anfechtung wegen Verletzung des Gesetzes oder der Satzung
4.1.1. Vertragsverletzungen bei Stimmbindungsverträgen
4.1.2. Verfahrensfehler als Anfechtungsgründe
4.1.3. Inhaltsfehler als Anfechtungsgründe
4.2. Sondervorteile zum Schaden der Gesellschaft oder der anderen Aktionäre
4.3. Ausschluss von Anfechtungsgründen gem. §243Abs.3AktG
4.4. Anfechtung wegen Informationsmängeln
4.5. Weitere Anfechtungsgründe
4.6. Anfechtung wegen fehlerhafter Entsprechungserklärungen zum Deutschen Corporate Governance Kodex (DCGK)
5. Spruchverfahren
6. Freigabeverfahren
7. Bestätigung anfechtbarer Hauptversammlungsbeschlüsse
8. Die Anfechtungsklage
IV. Missbrauch des Anfechtungsrechts
1. Missbrauchsbegriff
2. Möglichkeiten des Missbrauchs
2.1. Bekanntmachung der Tagesordnung
2.2. Einschränkung des Rederechts
2.3. Informationspflichtverletzung
2.4. Blockade der Eintragung in das Handelsregister
V. Fazit / Ausblick
Literaturverzeichnis
Abbildungsverzeichnis
Abbildung 1: Genereller Ablauf einer ordentlichen Hauptversammlung
Abbildung 2: Aktionärsrechte
Abbildung 3: Fristensystem (eigene Darstellung)
Abbildung 4: Prüfungsschema aktienrechtliche Anfechtungsklage
Abkürzungsverzeichnis
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
I. Einleitung
Besonders in der heutigen Zeit gewinnt das Thema der Anfechtung von Hauptversammlungsbeschlüssen an immer mehr Bedeutung. In der Geschichte des Aktienrechts sind bereits viele Aktiengesellschaften mit Anfechtungsklagen konfrontiert worden. Die bloße Erhebung einer Anfechtungsklage kann schwerwiegende Folgen für eine Aktiengesellschaft haben. Beschlüsse, die auf der Hauptversammlung gefasst wurden, können durch eine Anfechtungsklage verhindert oder zumindest für einen bestimmten Zeitraum blockiert werden. Das führt zu horrenden Kosten für die beklagte Gesellschaft und kann außerdem zur Unwirksamkeit des Beschlusses führen. Die Entscheidungsmacht der Aktionäre auf einer Hauptversammlung ist im Wesentlichen auf den rechtlichen und den wirtschaftlichen Aufbau der Gesellschaft beschränkt[1] und betrifft die Kontrolle der Verwaltung, wie z.B. die Bestellung des Abschlussprüfers, die Wahl der Anteilseigner in den Aufsichtsrat oder die Entlastung des Vorstandes und des Aufsichtsrates. Des Weiteren können u.a. auch Änderungen der Satzung, Kapitalerhöhungen/-herabsetzungen oder die Auflösung der Gesellschaft durch die Aktionäre beschlossen werden. Die einfache bzw. qualifizierte Mehrheit der abgegebenen Stimmen ist dabei für die Beschlussfassung ausreichend[2], wodurch verhindert werden soll, dass einzelne Aktionäre oder kleine Aktionärsminderheiten den Interessen der Aktionärsmehrheit oder dem Mehrheitsaktionär durch ihre Gegenstimme entgegenwirken können. Im Umkehrschluss birgt dieses sog. Mehrheitsprinzip allerdings die Gefahr, dass der durch die Mehrheitsaktionäre gefasste Hauptversammlungsbeschluss nicht nur den Interessen der Minderheitsaktionäre zuwiderläuft, sondern ihnen darüber hinaus Nachteile oder sogar Schaden zufügen kann. Sollte ein Mehrheitsaktionär mit der Ausübung des Stimmrechts für sich oder einen Dritten Sondervorteile zum Schaden der Gesellschaft oder der anderen Aktionäre zu erlangen suchen und ist der Beschluss geeignet diesem Zweck zu dienen, so besteht für den geschädigten Aktionär die Möglichkeit einen Beschluss der Hauptversammlung wegen Verletzung des Aktiengesetzes oder der Satzung durch Klage anzufechten, solange der Beschluss den geschädigten Aktionären keinen angemessenen Ausgleich für den Schaden gewährt.
Die allgemeine Rechtsgrundlage zur Anfechtung von Hauptversammlungsbeschlüssen bildet dabei das Aktiengesetz in den §§243ff.AktG. Am 01.09.2009 ist das Gesetz zur Umsetzung der Aktionärsrechterichtline (ARUG) in Kraft getreten. Damit hat der Gesetzgeber auf die Möglichkeiten des Missbrauchs von Aktionärsklagen reagiert und insbesondere die Regelungen zum Freigabeverfahren nach den §246aAbs.2AktG, §319Abs.6AktG und §16Abs.3UmwG überarbeitet. Die Freigabeentscheidungen sollen für die betroffenen Aktiengesellschaften dadurch leichter und schneller zu erhalten sein[3].
Das Ziel dieser Arbeit ist es, das Instrument der Anfechtung von Hauptversammlungsbeschlüssen genauer zu untersuchen und dabei die Möglichkeiten und Chancen, aber auch die Probleme und Risiken - sowohl für die beklagte Aktiengesellschaft, als auch für die klagenden Aktionäre - herauszuarbeiten. Dazu soll zunächst ein allgemeiner Überblick über die Hauptversammlung und ihren Ablauf gegeben werden. Im Anschluss daran erfolgt unter PunktIII die Untersuchung der Anfechtung von Hauptversammlungsbeschlüssen und unter PunktIV der Missbrauch des Anfechtungsrechts. Im abschließenden Fazit werden die Ergebnisse dieser Arbeit noch einmal verkürzt zusammengefasst und dabei kritisch betrachtet. Des Weiteren soll – soweit möglich - ein Ausblick über die zukünftige Entwicklung der Anfechtung von Hauptversammlungsbeschlüssen gegeben werden.
II. Die Hauptversammlung
Die Hauptversammlung ist mindestens einmal jährlich nach Eingang des Berichts des Aufsichtsrats zur Entgegennahme des Jahresabschlusses und des Lageberichts sowie zur Beschlussfassung über die Verwendung eines Bilanzgewinns vom Vorstand in den ersten acht Monaten des Geschäftsjahres einzuberufen[4]. Zudem kann sie durch die Satzung bestimmt, sowie wenn das Wohl der Gesellschaft es erfordert, einberufen werden[5].
1. Grundsätzliches zum Ablauf
Um das Risiko einer Anfechtungsklage wegen Verfahrensfehler zu minimieren ist ein ordnungsgemäßer und reibungsloser Ablauf der Hauptversammlung zwingend notwendig und bedarf deshalb bereits im Vorfeld einer genauen Planung, Vorbereitung und insbesondere der Kenntnis über Fristen (§ 123 AktG), Rechte der Aktionäre (siehe Punkt 2.4) und sonstige gesetzliche Verfahrensvorschriften[6]. Die Hauptversammlung selbst verläuft allgemein nach einer bestimmten Abfolge. Der Versammlungsleiter eröffnet die HV, begrüßt die Teilnehmer, stellt die Mitglieder des Vorstands, des Aufsichtsrats, den beurkundenden Notar, und den Abschlussprüfer vor. Es folgt die Feststellung der ordnungsgemäßen Einberufung und die Vorstellung der Tagesordnungspunkte. Im Anschluss an den Bericht des Vorstands findet eine Generaldebatte statt, in der die Aktionäre ihre Fragen an den Vorstand stellen können und der Vorstand diese dann zu beantworten hat. Nachdem sämtliche Fragen der Aktionäre behandelt wurden und der Schluss dieser Debatte vom Versammlungsleiter festgestellt worden ist, beginnt die Abstimmung über die Tagesordnungspunkte. Es kann entweder über jeden TOP im Einzelnen abgestimmt werden oder über sämtliche TOPe im Gesamten. Sodann gibt der Versammlungsleiter das Ergebnis der Abstimmung bekannt, bedankt sich bei den Teilnehmern für ihr Erscheinen und schließt die HV[7]. Dies soll nur eine grobe Beschreibung des Ablaufs einer HV darstellen.
Folgende Abbildung soll den Ablauf einer HV noch einmal grafisch, in einfacher Weise verdeutlichen:
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abbildung 1: Genereller Ablauf einer ordentlichen Hauptversammlung[8]
2. Teilnehmer der Hauptversammlung
Aus §118Abs.1AktG ergibt sich, dass alle Aktionäre einer AG zur Teilnahme an der HV berechtigt sind. Die Mitglieder des Vorstands und des Aufsichtsrats sollen laut §118Abs.3AktG teilnehmen. Sollte die Feststellung des Jahresabschlusses ausnahmsweise durch die HV erfolgen, so ist auch der Abschlussprüfer zur Teilnahme berechtigt und verpflichtet[9]. Zudem können vom Versammlungsleiter weitere Personen (Berater, Presse, sonstige Personen) als Gäste zur HV zugelassen werden[10]. Da eine HV keine öffentliche, allgemein zugängliche Veranstaltung ist, sind i.d.R. auch lediglich die drei notwendigen Organe - Vorstand, Aufsichtsrat und Aktionäre - sowie ggf. der jeweilige Abschlussprüfer zur Teilnahme berechtigt bzw. verpflichtet[11].
2.1. Vorstand
Der Vorstand ist zuständig für die Aufgaben der Geschäftsführung (§77AktG) und die Vertretung (§78AktG) der AG. Zudem soll er die Gesellschaft unter eigener Verantwortung leiten[12]. Die Einberufung der HV erfolgt grundsätzlich durch den Vorstand, der darüber mit einfacher Mehrheit beschließt[13]. Nach §120Abs.3AktG hat der Vorstand in der ordentlichen HV den Jahresabschluss, den Lagebericht und den Bericht des Aufsichtsrats vorzulegen, den Vorschlag für die Verwendung des Bilanzgewinns zu erläutern und ist nach §131Abs.1AktG den Aktionären auf Verlangen zu einer Auskunft über Angelegenheiten der Gesellschaft verpflichtet[14]. Es ergibt sich daraus, dass die Sollvorschrift (§118Abs.3AktG) zur Teilnahme des Vorstands an der HV nicht nur ein Teilnahmerecht, sondern insbesondere eine Teilnahmepflicht begründet[15]. Grundsätzlich ist der Vorstand dazu verpflichtet, auf der Hauptversammlung beschlossene Maßnahmen gem. §83Abs.2AktG auszuführen.
2.2. Aufsichtsrat
Dem Aufsichtsrat obliegt die Kontrolle und Überwachung der Geschäftsführung durch den Vorstand[16]. Der zweite Abschnitt des AktG (§95ff.) regelt u.a. seine Zusammensetzung, die innere Ordnung und seine Aufgaben und Rechte. Der Aufsichtsrat setzt sich zusammen aus Vertretern der Anteilseigner, die grundsätzlich von der HV gewählt werden, oder alternativ einzelnen Aktionären, denen durch die Satzung ein Entsenderecht eingeräumt werden kann; und Vertretern der Arbeitnehmer, die durch die verschiedenen MitbestG gewählt werden können. Ebenso wie der Vorstand soll auch der Aufsichtsrat nach §118Abs.3AktG an der HV teilnehmen, wobei die Satzung nach §118Abs.3S.2AktG bestimmte Fälle vorsehen kann, in denen die Teilnahme von Aufsichtsratsmitgliedern im Wege der Bild- und Tonübertragung erfolgen darf[17]. Durch §111Abs.3S.1AktG hat der Aufsichtsrat selbst die Pflicht und bekommt die Möglichkeit eine HV einzuberufen, wenn das Wohl der Gesellschaft es erfordert.
2.3. Aktionäre
Die Aktionäre sind die Anteilseigner der AG und somit die wirtschaftlichen Eigentümer des Unternehmens[18]. Die Anteilsgröße des jeweiligen Aktionärs am Unternehmen bemisst sich durch seine Anzahl der erworbenen Aktien. Das entsprechende Organ der Aktionäre ist die Hauptversammlung.
2.4. Aktionärsrechte
Mit dem Erwerb mindestens einer Aktie der Gesellschaft verfügt ein Aktionär gleichzeitig über gewisse Mitgliedschaftsrechte gegenüber der AG[19]. Gem. §118Abs.1AktG üben die Aktionäre ihre Rechte in den Angelegenheiten der Gesellschaft in der HV aus, soweit das Gesetz nichts anderes bestimmt. Die Aktionärsrechte lassen sich dabei in Vermögens-, Herrschafts- und Informationsrechte unterscheiden[20]. Während die Vermögensrechte den Anspruch des Aktionärs auf finanzielle Zahlungen wie z.B. Dividenden regeln, dienen die Herrschaftsrechte der Durchsetzung der Vermögensrechte[21] und bieten somit auch einer Aktionärsminderheit von mind. 5% des Grundkapitals die Möglichkeit gem. §122Abs.1AktG die Einberufung der HV zu verlangen und damit die Rechte der Hauptversammlung (§119AktG) wahrnehmen zu können. Damit alle Aktionäre ihre Entscheidungen bspw. bei der Ausübung ihres Stimmrechts treffen können und bei der Entscheidungsfindung auf dem gleichen Kenntnisstand sind, verfügen sie zudem über bestimmte Informationsrechte. Damit den Aktionären auch im Falle von neuen Informationen, die die Gesellschaft betreffen, keine Nachteile entstehen, müssen diese den Aktionären nach §15WpHG unverzüglich zugänglich gemacht werden.
Folgende Abbildung soll die verschiedenen Aktionärsrechte noch einmal, in Vermögens-, Herrschafts- und Informationsrechte gegliedert, darstellen:
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abbildung 2: Aktionärsrechte[22]
Das für das Thema dieser Thesis wichtigste Aktionärsrecht ist das Recht der Anfechtung von Hauptversammlungsbeschlüssen (§§245,254.AktG) In diesem Zusammenhang sind zwei weitere wichtige Aktionärsrechte zu nennen, die für die Beschlussfassung unerlässlich sind.
2.4.1. Auskunftsrecht gem. §131AktG
Das Auskunftsrecht bildet die Grundlage der Informationsbeschaffung, die für die Entscheidungsfindung der Aktionäre zu der Abgabe ihrer Stimme notwendig ist und wird in Anlehnung an §118Abs.1AktG auf der HV ausgeübt. Jeder Einzelaktionär ist auskunftsberechtigt, egal wie viele Aktien sich in seinem Besitz befinden[23]. Gem. §131Abs.1S.1AktG beschränkt sich das Auskunftsrecht auf Angelegenheiten der Gesellschaft und die Erfordernis zur sachgemäßen Beurteilung des Gegenstands der Tagesordnung. Zur Auskunft verpflichtet ist allein der Vorstand, d.h. auch nicht einzelne Vorstandsmitglieder[24]. Lediglich unter den Voraussetzungen des §131Abs.3AktG darf der Vorstand die Auskunft verweigern. Im Bezug zu der Anfechtung von Hauptversammlungsbeschlüssen ist dem Auskunftsrecht eine besondere Bedeutung beizumessen. So kann jeder in der HV erschienene (oder vertretene) Aktionär aufgrund der Verletzung der Auskunftspflicht des Vorstands und einer darauf beruhenden Beschlussfassung der HV, diesen gem. §§243Abs.1und4,245Nr.1AktG anfechten, sofern er Widerspruch zur Verhandlungsniederschrift erklärt hat[25].
2.4.2. Stimmrecht gem. §12AktG i.V.m. §134AktG
Den Aktionären wird durch das Stimmrecht die Möglichkeit gegeben, am Zustandekommen von Hauptversammlungsbeschlüssen durch ihre Stimmabgabe mitzuwirken[26]. Daher ist das Stimmrecht in die Gruppe der Herrschaftsrechte einzugliedern. Jede Aktie gewährt nach §12Abs.1S.1AktG das Stimmrecht, wobei dieses gem. §134Abs.1S.1AktG bei Stückaktien nach deren Zahl ausgeübt wird, d.hdie Anzahl der jeweiligen Stimmen eines Aktionärs resultiert aus der Anzahl der Aktien, die er besitzt[27]. Grundsätzlich werden Hauptversammlungsbeschlüsse mit einfacher Stimmenmehrheit gem. §133AktG gefasst, soweit keine größere Mehrheit durch das Gesetz oder die Satzung erforderlich ist, wie z.B. bei Satzungsänderungen.
3. Kompetenzen der Hauptversammlung
Die Kompetenzverteilung zwischen Hauptversammlung, Vorstand und Aufsichtsrat ist im Aktiengesetz klar geregelt. Dabei sind der HV durch §119Abs.1AktG genau festgelegte Zuständigkeiten gegeben. Auch durch die Satzung können der HV keine weiteren Zuständigkeiten übertragen werden, die gesetzlich den anderen Organen zugewiesen sind[28]. Jedoch hat der Vorstand die Möglichkeit gem. §119Abs.2AktG, einzelne Fragen der Geschäftsführung von der HV entscheiden zu lassen, aber auch nur dann, wenn er dies ausdrücklich verlangt. Allerdings dürfte eine Gesamtdelegation der Zuständigkeiten des Vorstandes an die HV, auch nur zeitweise oder für bestimmte Bereiche, unzulässig sein[29]. Obwohl die Zuständigkeiten der HV eindeutig geregelt sind, wurden insbesondere bei sog. Strukturmaßnahmen immer schon gesetzlich nicht ausdrücklich normierte HV-Zuständigkeiten von der Rechtssprechung anerkannt[30]. So Urteilte der BGH in seiner „Holzmüller“-Entscheidung, dass das Ermessen des Vorstandes, ob er die HV mit einer Geschäftsführungsmaßnahme befassen will, im Einzelfall auf Null reduziert sein kann, sofern die Maßnahmen „so tief in die Mitgliedsrechte der Aktionäre und deren Anteilseigentum verkörpertes Vermögensinteresse eingreifen, dass der Vorstand vernünftiger Weise nicht annehmen kann, er dürfe sie ausschließlich in eigener Verantwortung treffen“[31]. Auch nach Einführung des UmwG gibt es Fälle, in denen diese Grundsätze nach der Rechtssprechung auch heute noch als Ausnahmen der Kompetenzregelung in §119Abs.2AktG anerkannt werden[32].
4. Beschlussfassung der Hauptversammlung
Die Hauptversammlung ist kein ständiges Organ der Aktiengesellschaft, sondern nur dann, wenn sie durch Einberufung des Vorstandes zusammentritt. Die HV hat dann die Gelegenheit Beschlüsse zu fassen. Das Gesetz regelt dabei die Voraussetzungen unter denen die HV vom Vorstand einzuberufen ist. Zu einer Beschlussfassung bedarf es grundsätzlich der einfachen Stimmenmehrheit gem. §133Abs.1AktG. Allerdings kann die Satzung oder das Gesetz, bspw. bei einer Satzungsänderung, eine Mehrheit der abgegebenen Stimmen von drei Vierteln erfordern. Der anschließende Hauptversammlungsbeschluss ist kein vertragliches Rechtsgeschäft eigener Art, da er auf Herbeiführung einer Entscheidung durch Feststellung des Mehrheitswillens gefasst wird und nicht auf Übereinstimmung korrespondierender Willenserklärungen[33]. Bei börsennotierten Gesellschaften bedarf der Hauptversammlungsbeschluss zu seiner Gültigkeit einer notariellen Beurkundung[34].
5. Neuregelung des Fristensystems
Da das vorherige Fristensystem z.B. bei der Einberufung einer HV immer wieder zu Zweifelsfragen und Problemen bei der Berechnung geführt hat, ist es mit der Umsetzung des ARUG neu geregelt worden. Es werden nun alle Fristen und Termine des Unterabschnitts der §121ff.AktG von der Hauptversammlung zurückberechnet, wobei weder der Tag der Versammlung, noch der Tag des jeweiligen Ereignisses oder der vorzunehmenden Handlung mitgerechnet werden darf[35]. Eine Verlegung von einem Sonntag, einem Sonnabend oder einem Feiertag auf einen zeitlich vorausgehenden oder nachfolgenden Werktag kommt gem. §121Abs.7S.2AktG nicht mehr in Betracht. Das Ziel dieser Neuregelung, bzw. der Abschaffung des Feiertags- oder Freizeitschutzes, ist es, die Rechte ausländischer Investoren zu stärken, da ihnen weder Nachforschungen zu den deutschen Feiertagen noch zu Einzelheiten eines zu komplexen Fristensystem zugemutet werden können[36]. Die Satzung bei nicht börsennotierten Gesellschaften kann allerdings gem. §121Abs.7S.4AktG eine andere Berechnung der Frist bestimmen. Als Gesamtüberblick zum Fristensystem ergibt sich aus der Neuregelung folgender Überblick:
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abbildung 3: Fristensystem (eigene Darstellung)
III. Die Anfechtung von Hauptversammlungsbeschlüssen
Im Zuge der Entwicklung des Aktienrechts ist das gesetzliche Instrument der Anfechtung von Hauptversammlungsbeschlüssen weiter ausgebaut und angepasst worden. Erst seit 1937 trennt das AktG eindeutig die Anfechtbarkeit von der Nichtigkeit. Eine weitere Reform erfolgte dann 1965. Durch das „Gesetz zur Unternehmensintegrität und Modernisierung des Anfechtungsrechts“[37] (UMAG) von 2005 wurden die Anfechtungsvoraussetzungen, insbesondere zur Förderung des Anlegerschutzes und Verhinderung des Missbrauchs von Anfechtungsklagen durch einzelne Aktionäre, dann erneut völlig überarbeitet. Zuletzt wurde das Gesetz am 01.September 2009 durch Inkrafttreten des „Gesetzes zur Umsetzung der Aktionärsrechterichtlinie“ (ARUG) angepasst. Die Aktionäre sollen dadurch künftig besser informiert und die Stimmrechtsausübung erleichtert werden.
1. Abgrenzung zur Nichtigkeit
Grundsätzlich sind nicht ordnungsgemäße Hauptversammlungsbeschlüsse nur anfechtbar. Im Gegensatz zur Anfechtungsklage sieht das Gesetz allerdings gem. §241AktG ganz bestimmte und ausdrücklich genannte Fälle vor, in denen die Nichtigkeit eines Hauptversammlungsbeschlusses eintritt. Während dem Anfechtenden durch eine Klage bei Gesetzes- und Satzungsverstößen das Recht und die Möglichkeit gegeben wird, durch konstitutives Gestaltungsurteil die Nichtigkeit des Beschlusses herbeizuführen, lässt die Nichtigkeit den Beschluss erst überhaupt nicht in Rechtswirksamkeit erwachsen; dieser ist in den bestimmten Fällen des §241AktG automatisch nichtig[38]. Jedermann kann in jeder Weise die Nichtigkeit eines Hauptversammlungsbeschlusses ohne eine Klage geltend machen, bzw. sie mit einer Nichtigkeitsklage gem. §249AktG feststellen lassen oder mittels einer Anfechtungsklage gem. §246AktG herbeiführen[39]. Dabei ist die Nichtigkeitsklage als Sonderfall der allgemeinen Feststellungsklage nach §256Abs.1ZPO einzuordnen[40]. Sowohl die Anfechtungsklage, als auch die Nichtigkeitsklage verfolgen also das Ziel, einen Hauptversammlungsbeschluss durch ein Urteil für nichtig zu erklären, weshalb auch bei einer Anfechtungsklage die Nichtigkeitsgründe mit zu prüfen sind[41]. Ist ein Beschluss nach §241Nr.1,3oder4AktG nichtig, so erfährt die Nichtigkeit eine Heilung nur dann, wenn der Beschluss in das Handelsregister eingetragen worden ist und seit dem eine Frist von drei Jahren verstrichen ist (§242Abs.2AktG). Außerdem genügt für eine Heilung der Nichtigkeit wegen mangelnder Beurkundung i.S.d. §130Abs.1und2Satz1undAbs.4AktG die Eintragung in das Handelsregister (§242Abs.1AktG).
2. Anfechtbarkeit von Beschlüssen
Die Funktion der Anfechtung ist die Kontrolle der Rechtmäßigkeit von Hauptversammlungsbeschlüssen, weshalb die Anfechtungsbefugnis auch als ein wichtiges Kontrollrecht angesehen wird[42]. Die Vergangenheit zeigte allerdings, dass eine zunehmende Anzahl von Aktionären dieses Kontrollrecht in ihrem eigenen Interesse missbrauchten, indem sie die Eintragung der gefassten Hauptversammlungsbeschlüsse in das Handelsregister durch Anfechtungsklagen verhinderten, oder die Eintragung zumindest für eine bestimmte Zeit gesperrt blieb. Oft kam es in diesen Prozessen zu einem Vergleich zwischen dem Kläger und dem Beklagten, bei dem der Vergleichswert höher gewesen ist, als der Höchststreitwert bei Beschlussmängelklagen gem. §247Abs.1AktG[43]. Der Gesetzgeber nahm dies zum Anlass und reformierte zunächst das Instrument der Anfechtungsklage durch das UMAG im Jahre 2005. Am 4. August 2009 wurde dann im Bundesgesetzblatt das Gesetz zur Umsetzung der Aktionärsrechterichtlinie (ARUG), welches das Aktienrecht dem „Internetzeitalter“ anpasst, die Aktionäre künftig besser informiert und ihnen die Stimmrechtsausübung erleichtert. Die wesentlichen Bestimmungen dieses Gesetzes sind am 1. September 2009 in Kraft getreten. Es bleibt also abzuwarten, ob die neueste Reform des Aktienrechts durch das ARUG den Missbrauch von Anfechtungsklagen weiter eindämmen kann. Die Anfechtbarkeit von Hauptversammlungsbeschlüssen durch Anfechtungsklagen stellt nach Überzeugung des Gesetzgebers bereits im UMAG ein wichtiges Kontrollinstrument jedes einzelnen Aktionärs, unabhängig von seiner Beteiligungsquote, dar[44]. Zum Schutz insbesondere der Kleinaktionäre soll das Anfechtungsrecht weder eingeschränkt werden, noch soll kein Aktionär seine Anfechtungsbefugnis verlieren.
3. Anfechtungsbefugnis
Anfechtungsbefugt sind gem. §245AktG die Aktionäre der AG, der Vorstand insgesamt und die einzelnen Verwaltungsmitglieder des Vorstands und des Aufsichtsrats. Der Kreis der Anfechtungsberechtigten kann durch Satzung oder Absprache weder vergrößert noch eingeschränkt werden[45]. Die Anfechtungsbefugnis ist ein subjektives Recht, welches nur in den Grenzen des §245AktG besteht. Wenn sie fehlt, ist die Klage aufgrund ihres materiell-rechtlichen Charakters als unbegründet, nicht aber als unzulässig abzuweisen[46].
[...]
[1] Vgl. Einführung AktG
[2] Vgl. § 133 AktG
[3] Vgl. Rubel, Jörgen (2009),. in „Der Betrieb“ vom 18.09.2009, S. 2027
[4] Vgl. § 175 Abs. 1 AktG
[5] Vgl. § 121 Abs. 1 AktG
[6] Im zweiten Unterabschnitt (§121 ff. AktG) des Aktiengesetzes sind die gesetzlichen Vorschriften zur Einberufung der Hauptversammlung geregelt
[7] Ek, R. (2005), S. 91
[8] Vgl. Kirchhoff, K. R./Piwinger, M. (2005), S. 337
[9] Vgl. § 176 Abs. 2 AktG
[10] Vgl. Basler, H./Bokelmann, G./Piorreck, K. F. (1992), S. 51
[11] Vgl. Ek, R. (2005), S. 110
[12] Vgl. § 76 Abs. 1 AktG
[13] Vgl. § 121 Abs. 2 Satz 1 AktG
[14] Vgl. Ek, R. (2005), S. 115
[15] Vgl. Raguß, G. (2009), S. 35
[16] Vgl. § 111 Abs. 1 AktG
[17] Vgl. Basler, H./Bokelmann, G./Piorreck, K. F. (1992), S. 115
[18] Vgl. Basler, H./Bokelmann, G./Piorreck, K. F. (1992), S. 45
[19] Vgl. Wellkamp, L. (2000), S. 70
[20] Vgl. Pellens, B. (1994), S. 47
[21] Vgl. Pellens, B. (1994), S. 49
[22] Vgl. Wellkamp, L. (2000), S. 69, angepasst an den heutigen Rechtsstand von 2009
[23] Vgl. Henn, G. (2002), § 26 Rn. 871
[24] Vgl. Mutter, S. (2002), S. 3
[25] Vgl. Henn, G. (2002), § 26 Rn. 906
[26] Vgl. Ek, R. (2005), S. 137
[27] Unter bestimmten Voraussetzungen können Höchststimmrechte vergeben werden (§134Abs.1 S.2AktG) oder es gilt eine Ausnahmeregelung für Vorzugsaktien (§12Abs.1 S.2AktG)
[28] Vgl. Henn, G. (2002), § 20 Rn. 688; weitere durch Einzelbestimmungen festgelegte HV-Zuständigkeiten sind bei Henn, G. § 20 Rn. 690 aufgelistet
[29] Henn, G. (2002), § 20 Rn. 691
[30] Bekanntestes Beispiel dafür ist wohl die „Holzmüller“-Entscheidung des BGH, BGHZ 83, 122; später hat der BGH die Rechtfertigung der „Holzmüller“-Entscheidung in seinen beiden „Gelatine“-Urteilen (BGH NZG 2004, 571; BGH NZG 2004, 575) konkretisiert und zumindest in Teilbereichen Unsicherheiten für die Praxis beseitigt
[31] BGHZ 83. 122, 131; vgl. dazu auch Ausführungen in Ek, R. (2005), S. 30
[32] Zu nennen sind hier der IPO und das Delisting, da diese eine schwerwiegende Strukturveränderung darstellen und wesentlich strengeren Transparenz- und Publikationsanforderungen unterliegen
[33] Vgl. Hüffer, AktG, § 133 Rn. 4; BGHZ 65, 93, 97f.
[34] Vgl. § 130 Abs. 1 S. 1 AktG, S. 3 regelt die Unterzeichnung bei nicht börsennotierten Gesellschaften
[35] Vgl. RegE ARUG, S. 42
[36] Vgl. RegE ARUG, S. 42
[37] BGBl. I 2005, 2802
[38] Vgl. Henn, G. (2002), §28 Rn. 960
[39] Vgl. Wellkamp, L. (2000), S. 64
[40] Nach ganz hM, Vgl. RGZ 170, 83 (87 f.); BGHZ 32, 318 (322) = NJW 1960, S. 1447; Hüffer, AktG, §249Rn.10,11
[41] Vgl. Wilhelm, J. (2005), Rn. 854
[42] Vgl. Hüffer, AktG § 245 Rn. 3
[43] Vgl. Baums, T./Drinhausen, F. (2007), S. 3
[44] Vgl. UMAG RefE (Stand Januar 2004), S. 49
[45] Satzungsbestimmungen, die gegen §245AktG verstoßen sind gem. §241Nr.3AktG nichtig; Vgl. Henn, G. (2002), Rn. 937
[46] Vgl. Hüffer AktG, Rn. 2; OLG Karlsruhe WM 1987/533,536
Details
- Seiten
- Erscheinungsform
- Originalausgabe
- Erscheinungsjahr
- 2010
- ISBN (eBook)
- 9783836647700
- DOI
- 10.3239/9783836647700
- Dateigröße
- 491 KB
- Sprache
- Deutsch
- Institution / Hochschule
- Bergische Universität Wuppertal – Wirtschaftswissenschaft, Wirtschaftsprivatrecht
- Erscheinungsdatum
- 2010 (Juni)
- Note
- 1,7
- Schlagworte
- umag arug hauptversammlung hauptversammlungsbeschlüsse aktienrecht