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Zu multivariaten Renditeverteilungen und Copulas in der Finanzmarktstatistik

©2010 Diplomarbeit 109 Seiten

Zusammenfassung

Inhaltsangabe:Einleitung:
Die Liste der möglichen Mitschuldigen an der aktuellen Weltwirtschafts- und Finanzkrise ist lang und reicht von bekannten Personen wie Alan Greenspan bis hin zu dem eher unbekannten Richard Fuld. Spätestens seit dem Artikel ‘Formula From Hell’ in Lee hat sich die Liste um einen Kandidaten verlängert, um ein mathematisches Konstrukt, genauer gesagt die Gauß-Copula. In diesem Artikel wird beschrieben, wie verschiedene Institutionen versuchten Ausfallwahrscheinlichkeiten in sehr komplexen Finanzinstrumenten mit Hilfe der Gauß-Copula zu schätzen. Diese Formel wurde unter anderem von namhaften Banken, wie JPMorgan Chase, aber auch den weltweit führenden Ratingagenturen Moody’s und Standard & Poor’s genutzt.
Natürlich macht es wenig Sinn für den Zusammenbruch der Finanzmärkte eine Formel verantwortlich zu machen - vielmehr kann nur ihre falsche Anwendung dazu beigetragen haben. Deshalb ist es wünschenswert nachvollziehen zu können, mit welchen Methoden Banker oder Finanzwirtschaftler versuchen, die Risiken von Kapitalanlagen zu überblicken.
Ziel dieser Diplomarbeit ist es mathematische Hintergrundkenntnisse zu vermitteln, die für das Verständnis der in Finanzmärkten verwendeten Verfahren unerlässlich sind. Somit können Fehler im Risikomanagement, die im Vorfeld der Finanzkrise zweifellos begangen wurden, besser eingeordnet werden. Dabei werden klassische Methoden, die seit mehr als 50 Jahren Anwendung finden, ebenso beleuchtet wie aktuelle Ansätze. Hierzu gehören z.B. moderne Verteilungsklassen, oder die - in der Finanzwirtschaft erst seit kurzem eingesetzten- Copulas. Weiterhin wird dem Leser vermittelt, worin die Ursachen für die stetig steigende Beliebtheit des Copula-Konzepts zu suchen sind.2 Um das Verständnis zu erleichtern und auf mögliche Probleme bei der praktischen Umsetzung der theoretischen Erkenntnisse hinzuweisen, werden an geeigneten Stellen Berechnungen mit realen Marktdaten durchgeführt. Zur Durchführung dieser Berechnungen wurden mehrere Algorithmen in der Programmiersprache Matlab implementiert.
Der Rest der Arbeit ist wie folgt aufgebaut:
In Kapitel 2 erfolgt eine Einführung in die Grundlagen multivariater Verteilungen, sowie eine Klärung wichtiger finanzmathematischer Fachbegriffe.
Im 3. Kapitel werden ausgewählte Klassen multivariater Verteilungen vorgestellt. Zudem werden in einem Beispiel mögliche Anwendungen illustriert.
Das 4. Kapitel beschäftigt sich ausführlich mit dem Konzept der Copulas. Es […]

Leseprobe

Inhaltsverzeichnis


Alain Hamid
Zu multivariaten Renditeverteilungen und Copulas in der Finanzmarktstatistik
ISBN: 978-3-8366-4742-7
Herstellung: Diplomica® Verlag GmbH, Hamburg, 2010
Zugl. Universität Augsburg, Augsburg, Deutschland, Diplomarbeit, 2010
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© Diplomica Verlag GmbH
http://www.diplomica.de, Hamburg 2010

Inhaltsverzeichnis
Inhaltsverzeichnis
1 Einleitung
5
2 Grundlagen
7
2.1
Hinweise zur Notation
. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
7
2.2
Gemeinsame Verteilungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
7
2.3
Randverteilungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
8
2.4
Maßzahlen gemeinsamer Verteilungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
9
2.4.1
Erwartungswertvektor . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
10
2.4.2
Kovarianzmatrix
. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
10
2.4.3
Korrelationsmatrix . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
12
2.5
Statistisches Schätzen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
13
2.6
Begriffe aus der Finanzwirtschaft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
14
2.6.1
Value at Risk . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
14
2.6.2
Diskrete und stetige Rendite . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
14
3 Multivariate Renditeverteilungen
16
3.1
Multivariate Normalverteilung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
16
3.1.1
Grundlagen und Besonderheiten . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
17
3.1.2
Test auf multivariate Normalverteilung . . . . . . . . . . . . . . .
21
3.1.3
Kritische Betrachtung
. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
28
3.2
Elliptische Verteilungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
28
3.2.1
Grundlagen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
28
3.2.2
Schätzung der Parameter . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
30
3.2.3
Die multivariate t-Verteilung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
30
3.2.3.1
Grundlagen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
30
3.2.3.2
Spezielle Parameterwerte
. . . . . . . . . . . . . . . . .
30
3.2.4
Kritik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
33
3.3
Die gemischte multivariate Normalverteilung . . . . . . . . . . . . . . . .
33
3.3.1
Grundlagen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
34
3.3.2
Bestimmung der Verteilungsparameter . . . . . . . . . . . . . . .
36
3.3.3
Kritik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
38
3.4
Die generalisierte multivariate hyperbolische Verteilung . . . . . . . . . .
38
3.4.1
Grundlagen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
39
3.4.2
Einige Spezialfälle . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
40
3.5
Überblick zu multivariaten Verteilungen
. . . . . . . . . . . . . . . . . .
41
1

Inhaltsverzeichnis
4 Copulas
43
4.1
Grundlagen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
43
4.2
Eigenschaften . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
46
4.3
Fundamentale Copulas . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
48
4.4
Copula-basierte Abhängigkeitsmaße . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
50
4.4.1
Spearman's Rho . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
51
4.4.2
Kendall's Tau . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
52
4.4.3
Tail Dependence
. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
53
4.5
Bivariate Copulas . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
55
4.6
Elliptische Copulas . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
58
4.6.1
Gauß-Copula . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
58
4.6.2
t-Copula . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
60
4.7
Archimedische Copulas . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
61
4.7.1
Grundlagen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
61
4.7.2
Cook-Johnson-Copula
. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
62
4.7.3
Gumbel-Copula . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
63
4.7.4
Frank-Copula . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
63
4.8
Simulation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
64
4.8.1
Die bedingte Inversionsmethode . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
64
4.8.2
Die bedingte Inversionsmethode für archimedische Copulas . . . .
66
4.9
Schätzmethoden für Copulamodelle . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
67
4.9.1
Parametrische Schätzung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
67
4.9.1.1
Exakte Maximum-Likelihood-Schätzung . . . . . . . . .
68
4.9.1.2
Die Methode der Inferenzfunktionen für die Randvertei-
lungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
68
4.9.2
Semiparametrische Schätzung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
70
4.9.2.1
Schätzung mittels Copula-basierter Abhängigkeitsmaße .
71
4.9.3
Nichtparametrische Schätzung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
72
4.9.3.1
Die empirische Copula nach Deheuvels . . . . . . . . . .
72
4.10 Anpassungstests für parametrische Copulas . . . . . . . . . . . . . . . . .
73
4.10.1 Der Chi-Quadrat Anpassungstest für bivariate Copula-Modelle von
Dobri und Schmid (2005) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
74
4.11 Abschlussbeispiel . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
77
5 Schluss
83
A Tabellen
85
B Matlab-Quellcodes
87
B.1 VaR . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
87
B.2 MNVTest . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
89
B.3 nueSchaetzung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
91
2

Inhaltsverzeichnis
B.4 copteststudent . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
93
B.5 Ct_test . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
96
B.6 coptestclayton . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
97
B.7 coptestgumbel . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 100
Literatur
103
3

Abbildungsverzeichnis
Abbildungsverzeichnis
3.1
Bivariate Standardnormalverteilung mit unterschiedlichen Varianzen: Dich-
te (links) und Höhenlinien (rechts). . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
19
3.2
Standardnormalverteilung (schwarz) und t-Verteilung mit Freiheitsgraden
1 (rot), 5 (blau) und 30 (grün). . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
31
3.3
Die ML-Funktion in Abhängigkeit von , ausgewertet in ^
µ und
-2
S. . .
33
3.4
(a) Bivariate Dichte, (b) Querschnitt entlang der x-Achse, (c) Querschnitt
entlang der y-Achse, (d) Univariate gemischte Normalverteilung. . . . . .
35
4.1
Die beiden Komponenten einer multivariaten Verteilungsfunktion. Ange-
lehnt an Abbildung 3.6 aus Schmid und Trede (2006). . . . . . . . . . . .
44
4.2
Synthese einer gemeinsamen Verteilungsfunktion aus einer Copula und
den Randverteilungen. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
45
4.3
3-D-Plot und Höhenlinien der Copulas W , und M . . . . . . . . . . . .
50
4.4
Dichte und Höhenlinien der aus Gauß-Copula und t-verteilten Rändern
(Freiheitsgrad 3) resultierenden Verteilung. Der Korrelationskoeffizient
ist gleich 0.2 (oben) bzw. 0.85 (unten). . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
60
4.5
Plot der stetigen wöchentlichen Renditen von Daimler und BMW. . . . .
78
Tabellenverzeichnis
3.1
Wöchentliche stetige Renditen von Daimler, BMW und VW. . . . . . . .
25
3.2
Auswertung des Tests von Mardia bzgl. des Datensatzes Automobilbranche. 27
3.3
Inklusionsrelationen einiger Klassen von (multivariaten) Wahrscheinlich-
keitsverteilungen. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
42
4.1
Ausgewählte Copulas und Formeln der zugehörigen Abhängigkeitsmaße. .
56
4.2
Auswertung des GoF-Tests nach Dobri und Schmid (2005), bei Schät-
zung von ^
mittels Kendall's .
. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
81
4.3
Zweite Auswertung des GoF-Tests nach Dobri und Schmid (2005). ^
wurde diesmal während des Tests implizit geschätzt. . . . . . . . . . . . .
81
A.1 Auswertung des MNV Tests von Mardia bzgl. der Renditen von Daimler
und BMW aus dem Datensatz Automobilbranche. . . . . . . . . . . . . .
85
A.2 Wöchentliche Freitagsschlusskurse von Daimler, BMW und VW. Quelle:
http://money.de.msn.com/ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
86
4

1 Einleitung
1 Einleitung
Die Liste der möglichen Mitschuldigen an der aktuellen Weltwirtschafts- und Finanz-
krise ist lang und reicht von bekannten Personen wie Alan Greenspan bis hin zu dem
eher unbekannten Richard Fuld.
1
Spätestens seit dem Artikel ,,Formula From Hell" in
Lee (2009) hat sich die Liste um einen Kandidaten verlängert, um ein mathematisches
Konstrukt, genauer gesagt die Gauß-Copula. In diesem Artikel wird beschrieben, wie
verschiedene Institutionen versuchten Ausfallwahrscheinlichkeiten in sehr komplexen Fi-
nanzinstrumenten mit Hilfe der Gauß-Copula zu schätzen. Diese Formel wurde unter
anderem von namhaften Banken, wie JPMorgan Chase, aber auch den weltweit führen-
den Ratingagenturen Moody's und Standard & Poor's genutzt.
Natürlich macht es wenig Sinn für den Zusammenbruch der Finanzmärkte eine Formel
verantwortlich zu machen - vielmehr kann nur ihre falsche Anwendung dazu beigetragen
haben. Deshalb ist es wünschenswert nachvollziehen zu können, mit welchen Methoden
Banker oder Finanzwirtschaftler versuchen, die Risiken von Kapitalanlagen zu überbli-
cken.
Ziel dieser Diplomarbeit ist es mathematische Hintergrundkenntnisse zu vermitteln, die
für das Verständnis der in Finanzmärkten verwendeten Verfahren unerlässlich sind. So-
mit können Fehler im Risikomanagement, die im Vorfeld der Finanzkrise zweifellos be-
gangen wurden, besser eingeordnet werden. Dabei werden klassische Methoden, die seit
mehr als 50 Jahren Anwendung finden, ebenso beleuchtet wie aktuelle Ansätze. Hierzu
gehören z.B. moderne Verteilungsklassen, oder die - in der Finanzwirtschaft erst seit
kurzem eingesetzten- Copulas. Weiterhin wird dem Leser vermittelt, worin die Ursachen
für die stetig steigende Beliebtheit des Copula-Konzepts zu suchen sind.
2
Um das Ver-
ständnis zu erleichtern und auf mögliche Probleme bei der praktischen Umsetzung der
theoretischen Erkenntnisse hinzuweisen, werden an geeigneten Stellen Berechnungen mit
realen Marktdaten durchgeführt. Zur Durchführung dieser Berechnungen wurden meh-
rere Algorithmen in der Programmiersprache M atlab implementiert.
1
Richard Severin Fuld war der letzte Vorsitzende der US-Investmentbank Lehman Brothers und leitete
diese bis zu ihrem Konkurs am 15. September 2008. Der Untergang dieser Großbank wird von vielen
Finanzexperten als entscheidender Negativbeitrag für die gravierenden Ausmaße der Finanzkrise
gesehen.
2
Während eine Google-Suchanfrage des Begriffs ,,Copula" im Jahre 2003 circa 10.000 Treffer zur Folge
hatte, waren es 2005 bereits 650.000. Heute sind es etwa 933.000 Treffer, vgl. (Mikosch, 2006, S. 1).
5

1 Einleitung
Der Rest der Arbeit ist wie folgt aufgebaut:
In Kapitel 2 erfolgt eine Einführung in die Grundlagen multivariater Verteilungen, sowie
eine Klärung wichtiger finanzmathematischer Fachbegriffe.
Im 3. Kapitel werden ausgewählte Klassen multivariater Verteilungen vorgestellt. Zudem
werden in einem Beispiel mögliche Anwendungen illustriert.
Das 4. Kapitel beschäftigt sich ausführlich mit dem Konzept der Copulas. Es erfolgt eine
detaillierte Einführung der theoretischen Eigenschaften, sowie eine Darstellung der ver-
breitetsten Copula-Familien. Abgeschlossen wird das Kapitel mit einem praxisbezogenen
Beispiel.
Im 5. Kapitel werden die gewonnenen Erkenntnisse zusammengefasst und mögliche
Schlussfolgerungen gezogen. Darüber hinaus erhält der Leser einen Einblick in aktuelle
Forschungsergebnisse.
6

2 Grundlagen
2 Grundlagen
Im ersten Abschnitt dieses Kapitels werden multivariate- oder gemeinsame Verteilungen
eingeführt. Darauf aufbauend werden in den beiden nachfolgenden Abschnitten Randver-
teilungen und Maßzahlen gemeinsamer Verteilungen, wie Erwartungswert, Varianz und
Korrelation besprochen. Abschließend erfolgt eine Definition der nötigen Fachbegriffe,
wie diskrete- oder stetige Rendite und Value at Risk. Für umfassendere (Hintergrund-)
Informationen zu multivariaten Verteilungen bzw. zur multivariaten Statistik im Allge-
meinen sei auf Bamberg und Baur (2002), Hartung und Elpelt (1984) oder Vogel (1997)
verwiesen. Weitere Ausführungen zur Fachterminologie im Finanzwesen finden sich bei-
spielsweise in Albrecht und Maurer (2005).
2.1 Hinweise zur Notation
In dieser Arbeit wird die in der Statistik Literatur übliche Notationsweise verwendet.
Zufallsvariablen werden mit einem Großbuchtstaben (meist X oder Y ) bezeichnet und
die zugehörigen Realisierungen mit den entsprechenden Kleinbuchstaben (also meist x
oder y). Generell werden Vektoren (im Gegensatz zu Skalaren) fettgedruckt, so steht z.B.
X für einen multivariaten Zufallsvektor während X eine eindimensionale Zufallsvariable
darstellt. Matrizen werden mit fettgedruckten Großbuchstaben bezeichnet.
2.2 Gemeinsame Verteilungen
Die Inhalte der Abschnitte 2.2-2.4 beziehen sich im Wesentlichen auf die Abschnitte 3.1
und 3.2 in Schmid und Trede (2006).
Definition 2.1. Die mehrdimensionale Verteilungsfunktion F zur gemeinsamen Ver-
teilung des Zufallsvektors X = (X
1
, . . . , X
p
)
T
ist für x = (x
1
, . . . , x
p
)
T
R
p
gegeben
durch:
F (x
1
, . . . , x
p
) = P (X
1
x
1
, . . . , X
p
x
p
)
(2.1)
bzw. in Vektornotation:
F (x) = P (X x)
(2.2)
Der Zufallsvekor X heißt stetig, wenn eine Funktion f (x
1
, . . . , x
p
) 0
7

2.3 Randverteilungen
existiert, mit
F (x
1
, . . . , x
p
) =
x
p
-
· · ·
x
1
-
f (u
1
, . . . , u
p
) du
1
. . . du
p
(2.3)
bzw.
F (x) =
x
-
f (u) du.
(2.4)
Die Funktion f heißt gemeinsame Dichtefunktion. Für f muss
-
· · ·
-
f (u
1
, . . . , u
p
) du
1
. . . du
p
=
-
f (u) du = 1
gelten. Sowohl Dichtefunktion als auch Verteilungsfunktion beschreiben eine Zufallsva-
riable eindeutig, die Dichtefunktion existiert aber nur für stetige Zufallsvariablen . Da
im Rahmen dieser Arbeit eine Zufallsvariable stets Renditen beschreibt, können wir sie
im Folgenden als stetig annehmen.
2.3 Randverteilungen
Die Randverteilung gibt die Verteilung einer oder mehrerer Variablen an, während die
restlichen Variablen unberücksichtigt bleiben. Für die Definition der Randverteilung
betrachten wir folgende Partitionierung des Zufallsvektors X = (X
1
, . . . , X
p
)
T
:
X =
Z
Y
,
wobei Z ein Vektor der Dimension p
1
und Y ein Vektor der Dimension p
2
ist, mit
p
1
+ p
2
= p. Die Randverteilungen von Z und Y sind:
F
Z
(z) = P (Z z) = F (z
1
, . . . , z
p
1
, , . . . , ) ,
F
Y
(y) = P (Y y) = F (, . . . , , y
1
, . . . , y
p
2
) .
Bei stetigen Zufallsvektoren kann aus der gemeinsamen Dichtefunktion leicht die Rand-
8

2.4 Maßzahlen gemeinsamer Verteilungen
dichte bestimmt werden:
f
Z
(z) =
-
f (z, y) dy,
f
Y
(y) =
-
f (z, y) dz.
Oftmals sind die eindimensionalen Randverteilungen von X, also die Verteilungen der
X
i
von besonderer Bedeutung. Die Randverteilungen der X
i
sind für x
i
R durch
F
X
i
(x
i
) = P (X
i
x
i
) = F (, . . . , , x
i
, , . . . , )
gegeben.
Die stochastische Unabhängigkeit von Zufallsvariablen lässt sich mittels ihrer gemeinsa-
men Verteilung und ihrer Randverteilungen definieren:
Definition 2.2. Die Komponenten X
i
eines Zufallsvektors X = (X
1
, . . . , X
p
)
T
heißen
stochastisch unabhängig, falls gilt:
F
X
(x) =
p
i=1
F
X
i
(x
i
)
(2.5)
für alle x = (x
1
, . . . , x
p
)
T
. Die gemeinsame Verteilungsfunktion ist bei unabhängigen
Zufallsvariablen also gleich dem Produkt ihrer Randverteilungen.
Für stetige Zufallsvariablen ist dies äquivalent zu:
f
X
(x) =
p
i=1
f
X
i
(x
i
)
(2.6)
für alle x = (x
1
, . . . , x
p
)
T
. Das heißt, die gemeinsame Dichte ist gleich dem Produkt
der Randdichten. Die Charakterisierung der stochastischen Unabhängigkeit kann also
wahlweise mittels der Verteilungsfunktion oder der Dichtefunktion erfolgen.
2.4 Maßzahlen gemeinsamer Verteilungen
Analog zum univariaten Fall existieren auch für multivariate Verteilungen Maßzahlen, die
sich auf Lage und Streuung der Verteilung beziehen und diese somit näher beschreiben.
9

2.4 Maßzahlen gemeinsamer Verteilungen
Allerdings kommen noch weitere Kenngrößen hinzu, die die Abhängigkeit zwischen den
einzelnen Zufallsvariablen messen.
2.4.1 Erwartungswertvektor
Der Erwartungswert des p-dimensionalen Zufallsvektors X ist
E (X) =
E (X
1
)
..
.
E (X
p
)
(2.7)
und stellt demnach einen Vektor dar, dessen Komponenten gerade die Erwartungswerte
der einzelnen X
i
bilden. Zu seiner Ermittlung ist die Kenntnis der gemeinsamen Vertei-
lung gar nicht nötig, bekannte Randverteilungen reichen aus. Man beachte jedoch, dass
der Erwartungswertvektor somit, wie im univariaten Fall, nicht existieren muss. Ein Ge-
genbeispiel hierzu wird in Unterpunkt 3.2.3.2 durch die Cauchy-Verteilung gegeben. Aus
N Beobachtungsvektoren x
1
, . . . , x
N
lässt sich E (X) durch
¯
x =
1
N
N
i=1
x
i
(2.8)
schätzen. Ebenso wie E (X) ist auch ¯
x ein Vektor, ausgeschrieben gilt:
¯
x =
1
N
N
i=1
x
1i
..
.
1
N
N
i=1
x
pi
.
(2.9)
Der Schätzer ¯
x ist erwartungstreu, d.h. es gilt:
E (¯
x) = E (X) .
(2.10)
2.4.2 Kovarianzmatrix
Im multivariaten Fall muss neben der Streuung der einzelnen Komponenten des Zufalls-
vektors auch noch berücksichtigt werden, wie stark diese zusammenhängen. Seien X
i
10

2.4 Maßzahlen gemeinsamer Verteilungen
und X
j
zwei verschiedene Elemente der Zufallsvariablen X, dann ist
Cov (X
i
, X
j
) = E [(X
i
- E (X
i
)) (X
j
- E (X
j
))]
(2.11)
= E (X
i
X
j
) - E (X
i
) E (X
j
)
die Kovarianz zwischen X
i
und X
j
. Während positive Werte gleichläufiges Verhalten an-
deuten, weisen negative Werte tendenziell auf gegenläufiges Verhalten hin. Die Kovarianz
einer Variablen mit sich selbst entspricht der Varianz der Variablen und die Kovarianz ist
symmetrisch in den Argumenten, d.h. Cov (X
i
, X
j
) = Cov (X
j
, X
i
). Durch Anordnung
aller Möglichen Kovarianzen der p Elemente des Zufallsvektors X in Matrixform erhält
man die sogenannte Varianz-Kovarianzmatrix:
= Cov (X) =
V ar (X
1
)
Cov (X
1
, X
2
) · · · Cov (X
1
, X
p
)
Cov (X
2
, X
1
)
V ar (X
2
)
· · · Cov (X
2
, X
p
)
..
.
..
.
. ..
..
.
Cov (X
p
, X
1
) Cov (X
p
, X
2
) · · ·
V ar (X
p
)
.
(2.12)
Die Kovarianzmatrix
3
ist symmetrisch und positiv semidefinit. Falls sie vollen Rang
hat, ist sie sogar positiv definit.
4
Die Beziehung zwischen E (X) und lässt sich analog
zu Gleichung 2.11 in Vektornotation kompakt darstellen:
= E (X - E (X)) X - E (X)
T
(2.13)
= E XX
T
- E (X) E (X)
T
.
Aus einer Stichprobe x
1
, . . . , x
N
kann geschätzt werden durch
3
Für die Kovarianzmatrix einer Zufallsvariablen X sind sowohl die Bezeichnungen Cov (X) als auch
V ar (X) üblich.
4
Eine symmetrische positiv definite Matrix wird mit spd-Matrix abgekürzt.
11

2.4 Maßzahlen gemeinsamer Verteilungen
S =
1
N - 1
N
i=1
(x
i
- ¯
x) (x
i
- ¯
x)
T
(2.14)
=
1
N - 1
N
i=1
(x
1i
- ¯
x
1
)
2
· · ·
N
i=1
(x
1i
- ¯
x
1
) (x
pi
- ¯
x
p
)
..
.
. ..
..
.
N
i=1
(x
pi
- ¯
x
p
) (x
1i
- ¯
x
1
) · · ·
N
i=1
(x
pi
- ¯
x
p
)
2
,
(2.15)
wobei ¯
x
i
für i = 1, . . . , p den i-ten Eintrag von ¯
x bezeichne.
Der Schätzer S, welcher häufig als empirische Kovarianzmatrix bezeichnet wird, ist eben-
falls erwartungstreu.
2.4.3 Korrelationsmatrix
Da die Größe der Zahlenwerte in der Kovarianzmatrix nicht interpretierbar ist, standar-
disiert man sie und erhält dadurch die Korrelationsmatrix, bestehend aus den Korrela-
tionskoeffizienten der X
i
. Für den bivariaten Fall (mit den Zufallsvariablen X und Y )
ist der Korrelationskoeffizient
XY
nach Bravais-Pearson definiert als
Corr (X, Y ) =
XY
=
Cov (X, Y )
V ar (X)
V ar (Y )
.
(2.16)
Der Korrelationskoeffizient ist normiert und liegt im Intervall [-1, 1]. Ein Wert von
= 1 bedeutet exakten positiven linearen Zusammenhang, während -1 einen exakten
negativen linearen Zusammenhang beschreibt. Es sei an dieser Stelle erwähnt, dass die
Korrelation ausschließlich den linearen Zusammenhang zweier Zufallsvariablen misst,
alle anderen theoretisch möglichen Zusammenhänge bleiben unberücksichtigt. Aus Un-
korreliertheit, was gleichbedeutend mit = 0 ist, kann also nicht auf stochastische
Unabhängigkeit geschlossen werden
5
, die Umkehrung gilt jedoch stets.
Die Korrelationsmatrix eines Zufallsvektors X ergibt sich somit zu:
5
Vgl. Beispiel 3.7 in (Schmid und Trede, 2006, S. 79).
12

2.5 Statistisches Schätzen
Corr (X) =
1
Corr (X
1
, X
2
) · · · Corr (X
1
, X
p
)
Corr (X
2
, X
1
)
1
· · · Corr (X
2
, X
p
)
..
.
..
.
. ..
..
.
Corr (X
p
, X
1
) Corr (X
p
, X
2
) · · ·
1
.
(2.17)
Der Schätzer für
XY
ist der empirische Korrelationskoeffizient
r
XY
=
N
i=1
[(x
i
- ¯
x) (y
i
- ¯
y)]
N
i=1
(x
i
- ¯
x)
2
N
i=1
(y
i
- ¯
y)
2
.
(2.18)
2.5 Statistisches Schätzen
Zuvor wurden unter anderem die Schätzer ¯
X und S für E (X) und Cov (X) erwähnt.
Um solche Schätzer zu erhalten, werden statistische Schätzmethoden herangezogen. Die
bekanntesten hieraus sind die Methode der kleinsten Quadrate, die Momentenmetho-
de und die Maximum-Likelihood-Methode (ML-Methode). All diese Verfahren schätzen
den gesuchten Parametervektor für die Verteilung des p-dimensionalen Zufallsvektors
X anhand einer Stichprobe X
N
= [x
1
, . . . , x
N
]
T
. Die Stichprobenmatrix X
N
R
N ×p
gibt also mit jeder Zeile eine Realisierung von X an. Die Realisierungen müssen dabei
unabhängig voneinander sein. Die ML-Methode wird im weiteren Verlauf der Arbeit an
einigen Stellen verwendet. Eine Einführung dieser Methode (aber auch der beiden ande-
ren Schätzmethoden) findet sich in Vogel (1997), an dessen Notationsweise wir uns bei
Anwendung der ML-Methode weitgehend orientieren.
Im Zusammenhang mit Schätzern fallen häufig Begriffe wie ,,erwartungstreu" oder ,,kon-
sistent", weshalb diese nun kurz erklärt werden.
Sei der unbekannte Parametervektor und ^
die zugehörige Schätzung. ^
heißt
1. erwartungstreu (oder auch unverzerrt), falls gilt: E
^
=
2. asymptotisch erwartungstreu, falls gilt: lim
N
E
^
=
13

2.6 Begriffe aus der Finanzwirtschaft
3. konsistent, falls gilt: lim
N
^
=
ML-Schätzer sind asymptotisch erwartungstreu und konsistent, aber nicht immer er-
wartungstreu (schätzt man die Varianz einer Zufallsvariablen mittels der ML-Methode
ergibt sich ein nicht erwartungstreuer Schätzer).
Die ML-Methode kann nur angewandt werden, wenn die Verteilungsfunktion bis auf
einen r-dimensionalen Parametervektor = (
1
, . . . ,
r
) R
r
bekannt ist.
2.6 Begriffe aus der Finanzwirtschaft
2.6.1 Value at Risk
Für den Value at Risk (VaR) existieren in der Literatur verschiedene Definitionen. Wir
orientieren uns an (Schulz, 2008, S. 87 ff.).
Definition 2.3. Es sei X eine Zufallsvariable die den erwarteten Verlust eines Port-
folios angibt. Der Value at Risk gibt den geschätzten maximalen Verlust eines solchen
Portfolios an, welcher unter der Verteilungsannahme F
X
für X mit Wahrscheinlichkeit
1 - bis zu einem bestimmten Zeitpunkt nicht überschritten wird. Formal bedeutet dies:
V aR
(X) = -F
-1
X
(1 - )
def
= - inf {x; F
X
(x) > 1 - } .
(2.19)
Handelt es sich bei F
X
um eine stetig Verteilungsfunktion ist, so entspricht F
-1
X
der
gewöhnlichen Inversen einer Funktion.
2.6.2 Diskrete und stetige Rendite
Definition 2.4. Seien s und t zwei Zeitpunkte mit s < t. Weiter sei S der Wert oder
Kurs einer Position, welcher über die Zeit hinweg variabel ist. Dabei sei S
s
der Wert der
Position zum Zeitpunkt s und S
t
der Wert zum Zeitpunkt t. Die diskrete Rendite (für
den Zeitraum von s bis t) ist definiert als
R
st
=
S
t
- S
s
S
s
- 1
(2.20)
und beschreibt den prozentualen Zuwachs von einem Zeitpunkt zum anderen.
14

2.6 Begriffe aus der Finanzwirtschaft
Die stetige Rendite (für den Zeitraum von s bis t) hingegen ist der natürliche Logarithmus
des Zuwachsverhältnisses
r
st
= ln
S
t
S
s
= ln S
t
- ln S
s
(2.21)
Es gelten die beiden Gleichungen:
R
st
= exp (r
st
) - 1 bzw. r
st
= ln (R
st
+ 1) .
(2.22)
Die Frage welche Renditedefinition vorzuziehen ist, hängt von der jeweiligen Situation
ab. Im Allgemeinen ist keine der beiden Renditen ,,besser" als die andere.
6
In dieser Ar-
beit wird ausschließlich die stetige Rendite verwendet. Wir vermeiden die Nutzung der
diskreten Rendite, da diese auf das Intervall [-1, ) beschränkt ist. Die meisten Ver-
teilungen, die zur Beschreibung der (univariaten) Renditen benutzt werden, erstrecken
sich aber über ganz R.
6
Vgl. hierzu Dorfleitner (2003), dort werden auch weitere theoretische Eigenschaften der beiden Ren-
ditetypen beschrieben.
15

3 Multivariate Renditeverteilungen
3 Multivariate Renditeverteilungen
Im zweiten Kapitel wurden allgemeine Grundlagen bezüglich multivariater Verteilungen
eingeführt. Nun wird gezeigt, wie diese genutzt werden können um Finanzmarktdaten
zu analysieren, also z.B. die erwartete Rendite oder die Streuung eines Portfolios zu
prognostizieren.
Intuitiv ist klar, dass Aktien von Unternehmen derselben Branche, z.B. aus der Auto-
mobilindustrie, mit überdurchschnittlich hoher Wahrscheinlichkeit einen qualitativ ähn-
lichen Aktienkursverlauf besitzen. Steigen also beispielsweise die Kurse von Daimler
Aktien in einem gewissen Zeitraum an, so ist es wahrscheinlich, dass auch BMW Ak-
tien in derselben Periode eine positive Rendite erzielen. Ebenso sollten Unternehmen
existieren, deren Aktien gegenläufiges Kursverhalten aufweisen. Dieses Phänomen kann
zur Risikodiversifikation innerhalb eines Portfolios genutzt werden, wie es bereits von
Markowitz (1952) postuliert wurde. In den folgenden Jahrzehnten wurden weitere Ver-
fahren zur Beurteilung eines Portfolios bezüglich der Renditeerwartung, aber auch des
möglichen Risikos, entwickelt. Hierfür ist es notwendig, die Wechselwirkungen aller Ak-
tien eines Portfolios untereinander zu untersuchen, was mit Hilfe ihrer gemeinsamen
Verteilung geschieht. Es stehen verschiedene Klassen für die Auswahl der gemeinsamen
Verteilung zur Verfügung. Im Folgenden werden einige dieser Verteilungsklassen vorge-
stellt, sowie ihre Möglichkeiten, aber auch Grenzen aufgezeigt. In Abschnitt 3.1 wird
das klassische Modell der Multivariaten Normalverteilung dargestellt, gefolgt von der
Betrachtung elliptischer Verteilungen in Abschnitt 3.2. Es werden aber auch weniger be-
kannte Verteilungen skizziert, wie die Mischung von multivariaten Normalverteilungen
oder die Klasse der generalisierten hyperbolischen Verteilungen.
3.1 Multivariate Normalverteilung
Die Multivariate Normalverteilung ist die mehrdimensionale Erweiterung der bekannten
univariaten Normalverteilung und übernimmt von dieser viele, für die Praxis vorteilhafte
Eigenschaften. So existiert z.B. auch ein multivariater Zentraler Grenzwertsatz.
16

3.1 Multivariate Normalverteilung
3.1.1 Grundlagen und Besonderheiten
Die multivariate Normalverteilung lässt sich wie folgt definieren:
7
Definition 3.1. Der p-dimensionale Zufallsvektor X = (X
1
, . . . , X
p
)
T
ist multivariat
normalverteilt (oder: p-dimensional normalverteilt), wenn für jede Wahl der Koeffizien-
ten a
1
, a
2
, . . . , a
p
R die Linearkombination
a
1
X
1
+ a
2
X
2
+ · · · + a
p
X
p
eine univariate Normalverteilung besitzt.
Die Dichtefunktion ist analog zum univariaten Fall parametrisiert mit dem Erwartungs-
wertvektor µ und der Kovarianzmatrix .
Für ein µ R
p
und eine symmetrisch positiv definite (p × p)-Matrix ist die Dichte
der p-dimensionalen Normalverteilung durch
f (x) = (2)
-p/2
||
-1/2
exp
-
1
2
(x - µ)
T
-1
(x - µ)
(3.1)
gegeben, wobei x = (x
1
, . . . , x
p
)
T
R
p
ist. Mit || bezeichnen wir die Determinante von
.
Es besteht auch die Möglichkeit, dass X multivariat normalverteilt ist, sich die Wahr-
scheinlichkeitsmasse aber auf einer Hyperebene des R
p
konzentriert. Dann ist nur
positiv semidefinit (also nicht invertierbar) und es existiert keine Dichte. Diesen Fall
schließen wir aber im Folgenden aus. Da die multivariate Normalverteilung durch ihren
Erwartungswertvektor µ und ihre Varianzmatrix eindeutig bestimmt ist, schreibt man
X N
p
(µ, ).
Die Dichtefunktion der bivariaten Normalverteilung lässt sich graphisch gut darstellen.
Zudem können anhand des Graphen, insbesondere unter Zuhilfenahme der zugehöri-
gen Höhenlinien, qualitative Aussagen über Varianz und stochastische Abhängigkeit der
beiden Komponenten getroffen werden.
8
Sind die beiden Komponenten stochastisch unabhängig und haben dieselbe Varianz, so
ist die Dichtefunktion rotationssymmetrisch und ihre Höhenlinien sind perfekte Kreise
7
Siehe Abschnitt 3.3.1 in Schmid und Trede (2006) für Grundlagen zur multivariaten Normalvertei-
lung.
8
Vgl. (Morrison, 1967, S. 84 ff.).
17

3.1 Multivariate Normalverteilung
um den Erwartungswert µ. Besitzt die Zufallsvariable X eine höhere Varianz als Y , so
wird die Dichte entlang der x-Achse gestreckt und die Höhenlinien ergeben Ellipsen,
deren Hauptachsen parallel zur x-Achse verlaufen (analoges gilt, falls Y eine höhere
Varianz besitzt). Sind X und Y hingegen abhängig, haben aber dieselbe Varianz, so
wird die Dichte zwar auch gestreckt, aber nicht entlang der Koordinatenachsen, sondern
bei positiver Korrelation entlang der Geraden y = x und bei negativer Korrelation
in Richtung y = -x. Je stärker die Abhängigkeit, desto stärker die Streckung.
9
Bei
stochastischer Abhängigkeit und unterschiedlicher Varianz der Komponenten erfolgt eine
gleichzeitige Streckung entlang einer Koordinatenachse und einer der Geraden y = x oder
y = -x.
Abbildung 3.1 soll diesen Sachverhalt veranschaulichen. Dabei wurden folgende Para-
meterwerte gewählt: µ = 0 für die ganze Abbildung und
(a) =
1 0
0 1
, (b) =
1
0.85
0.85
1
, (c) =
3 0
0 1
.
9
Im Grenzfall exakter linearer Abhängigkeit (also z.B. für Y = X) tritt der am Anfang dieses Unter-
abschnitts beschriebene Fall auf, dass die gesamte Wahrscheinlichkeitsmasse auf einer Hyperebene
des R
2
(hier also der Geraden y = x) konzentriert ist. Anschaulich wird die Ellipse also so stark
gestreckt, dass sie in eine Gerade übergeht.
18

3.1 Multivariate Normalverteilung
-4
-2
0
2
4
-4
-2
0
2
4
-4
-2
0
2
4
-4
-2
0
2
4
0
0.1
0.2
(b)
(c)
-4
-2
0
2
4
-4
-2
0
2
4
-4
-2
0
2
4
-4
-2
0
2
4
0
0.05
0.1
(a)
-5
0
5
-5
0
5
0
0.05
0.025
-5
0
5
-5
0
5
Abbildung 3.1: Bivariate Standardnormalverteilung mit unterschiedlichen Varianzen:
Dichte (links) und Höhenlinien (rechts).
19

3.1 Multivariate Normalverteilung
Nun wollen wir noch kurz auf ein paar Besonderheiten eingehen, welche der Multiva-
riaten Normalverteilung zu ihrer Sonderstellung in der Klasse der mehrdimensionalen
Verteilungen verhelfen:
Aus Definition 3.1 folgt sofort, dass Teilvektoren von X (insbesondere eindimensionale)
wieder normalverteilt sind. Also gehorchen alle X
i
mit i {1, . . . , p} einer eindimensio-
nalen Normalverteilung. Formalisiert bedeutet dies: Sei X eine p-variat normalverteilte
Zufallsvariable mit Erwartungswert µ und Varianz . Ferner betrachte man die Parti-
tionierungen
X =
X
1
X
2
,
(3.2)
µ =
µ
1
µ
2
,
(3.3)
=
11
12
21
22
,
(3.4)
mit X
1
R
p
1
, X
2
R
p
2
,
11
R
p
1
×p
1
und
22
R
p
2
×p
2
. Dann gilt:
X
1
N
p
1
1
,
11
) und X
2
N
p
2
2
,
22
).
Beliebige Teilvektoren einer multivariat normalverteilten Zufallsvariablen sind also wie-
der (multivariat) normalverteilt, der umgekehrte Fall gilt aber nicht. Bei normalverteilten
Rändern kann im Allgemeinen nicht auf eine gemeinsame Normalverteilung der X
i
ge-
schlossen werden.
10
Dies gilt nur bei stochastischer Unabhängigkeit aller Komponenten
von X.
Ebenso folgt aus Definition 3.1 unmittelbar die Abgeschlossenheit der multivariaten
Normalverteilung gegenüber linearen Transformationen:
Sei X eine N
p
(µ, ) verteilte Zufallsvariable, A eine (k × p)-Matrix mit Rang(A) = k
10
Vgl. Beispiel 3.13 in (Schmid und Trede, 2006, S. 89).
20

3.1 Multivariate Normalverteilung
und b ein Spaltenvektor der Dimension k. Es gilt:
AX + b N
k
Aµ + b, AA
T
.
(3.5)
Eine weitere Eigenart der multivariaten Normalverteilung ist die Äquivalenz von sto-
chastischer Unabhängigkeit und Unkorreliertheit:
Sei X = (X
1
, . . . , X
p
)
T
multivariat normalverteilt, dann folgt aus der Unkorreliertheit
der X
i
unmittelbar auch ihre stochastische Unabhängigkeit. Diese ungewöhnliche Eigen-
schaft ist bereits ein erster Aspekt, der die Eignung der multivariaten Normalverteilung
zur Beschreibung einer Portfoliorendite in Frage stellt. Schließlich ist es schwer nach-
vollziehbar, dass Aktien, die keine lineare Abhängigkeit aufweisen (denn nichts anderes
misst die Korrelation), infolgedessen auch in keiner anderen Weise voneinander abhän-
gen können.
Ein Punkt, der jedoch für die Anwendung der multivariaten Normalverteilung in der
Praxis spricht, ist, neben der relativ einfachen Handhabung, der multivariate zentrale
Grenzwertsatz:
11
Satz 3.2. Seien X
1
, . . . , X
N
unabhängige und identisch verteilte Zufallsvektoren der
Dimension p mit Erwartungswert E (X
i
) = µ und Kovarianzmatrix V ar (X
i
) = , für
i = 1, . . . , N . Sei
¯
X
N
=
1
N
N
i=1
X
i
.
Dann gilt für N
N ¯
X
N
- µ N
p
(0, ) .
(3.6)
Verfügt man also über einen hinreichend großen Datensatz, so lassen sich beliebige mehr-
dimensionale Verteilungen durch die multivariate Normalverteilung approximieren.
3.1.2 Test auf multivariate Normalverteilung
Möchte man für einen vorliegenden Datensatz (z.B. die Rendite eines Portfolios aus
mehreren Finanztiteln) die gemeinsame Verteilung der Zufallsvariablen mittels einer
11
Ein Beweis zu diesem Satz findet sich unter anderem in (Klenke, 2006, S. 313).
21

3.1 Multivariate Normalverteilung
multivariate Normalverteilung modellieren, so muss man sich zwei Fragen stellen: Lassen
sich die Daten durch diese Verteilungsklasse hinreichend genau beschreiben? Wenn ja,
wie sind µ und zu wählen?
Beginnen wir mit der zweiten Frage: Für µ und existieren die bekannten erwartungs-
treuen Schätzer ¯
x und S. Allerdings wird hierbei davon ausgegangen, dass die Renditen
iid (independent identically distributed, zu deutsch uiv: unabhängig identisch verteilt)
sind. Diese Annahme ist jedoch nicht unproblematisch. Da z.B. im ersten Jahr der aktuel-
len Weltwirtschaftskrise die meisten Aktienkurse fielen, ergibt eine Schätzung aufgrund
dieser Daten einen negativen Renditeerwartungswert. Im Allgemeinen ist aber von ei-
nem positiven Renditeerwartungswert auszugehen, ansonsten würde kein risikoaverser
Investor in Aktien anlegen. Das Hauptproblem ist also die Auswahl des ,,richtigen" Zeit-
intervalls und der zugehörigen Aktienkurse, aus welchen dann die benötigten Parameter
geschätzt werden. Man ist sich dieser Problematik durchaus bewusst, so dass auch alter-
native Methoden zur Parameterschätzung entwickelt wurden, wie z.B. die Einbeziehung
von Expertenmeinungen oder das Hirsch-Kleeberg-Verfahren.
12
Wir wollen dies hier aber
nicht näher erörtern, sondern betrachten nun etwas ausführlicher die erste Frage.
Im univariaten Fall existiert eine Fülle von Tests auf Normalverteilung, wie Kolmogorov-
Smirnov, Shapiro-Wilk, Lilliefors oder Jarque-Bera, um nur einige zu nennen. Da aber,
wie bereits zuvor erwähnt, aus der Normalverteilung der Ränder nicht auf eine gemein-
same multivariate Normalverteilung geschlossen werden kann, helfen diese Tests kaum
weiter. Mit ihnen kann bestenfalls eine gemeinsame multivariate Normalverteilung aus-
geschlossen werden, falls schon eine oder mehrere Randverteilungen nicht normal sind.
Es werden also Tests auf multivariate Normalverteilung benötigt. Auch solche existieren
in großer Zahl, im Allgemeinen ist hierbei jedoch nur die asymptotische Verteilung der
Teststatistik bekannt. Bei kleinem Stichprobenumfang N ist somit eine Verlässlichkeit
der Ergebnisse nicht gewährleistet.
13
Im Folgenden soll ein von Mardia (1970,1974,1980)
entwickelter Test vorgestellt werden, welcher in der Literatur häufig zitiert wird und auf
den, von Mardia entwickelten, Maßzahlen der multivariaten Schiefe und Wölbung (oder
auch Kurtosis) beruht. Dieser Test ist, wie auch die Maßzahlen mit denen er arbeitet,
unempfindlich gegenüber (nichtsingulären) affinen Transformationen der Beobachtungs-
werte. Sei X
N
= [x
1
, . . . , x
N
]
T
eine N × p Matrix von N unabhängigen Stichproben einer
12
Vgl. Hirsch und Kleeberg (2006).
13
Hinzukommt, dass auch die Menge der Alternativhypothesen die Signifikanz der Testergebnisse
entscheidend beeinflusst, vgl. hierzu (Seber, 1984, S. 148 ff.).
22

Details

Seiten
Erscheinungsform
Originalausgabe
Jahr
2010
ISBN (eBook)
9783836647427
DOI
10.3239/9783836647427
Dateigröße
1.5 MB
Sprache
Deutsch
Institution / Hochschule
Universität Augsburg – Wirtschaftswissenschaftliche Fakultät, Wirtschaftsmathematik
Erscheinungsdatum
2010 (Juni)
Note
1,0
Schlagworte
copula rendite finanzkrise normalverteilung wirtschaftsmathematik
Zurück

Titel: Zu multivariaten Renditeverteilungen und Copulas in der Finanzmarktstatistik
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