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Die Erfassung verschiedener Wachstumsfaktoren im Unternehmensbewertungskalkül

©2010 Diplomarbeit 88 Seiten

Zusammenfassung

Inhaltsangabe:Einleitung:
Die Bewertung von Unternehmen stellt bei gleichzeitig hoher Praxisrelevanz eines der komplexesten Gebiete der betriebswirtschaftlichen Forschung dar. Dies ist zum einen dadurch bedingt, dass sich der Bewerter schon aufgrund der Vielfalt an relevanten, zum Teil qualitativen Werteinflüssen einer fordernden Aufgabe gegenüber sieht, zu deren Bewältigung er noch vor Beginn der eigentlichen Arbeit eine sachgerechte Selektion zu treffen hat. Da die moderne Unternehmensbewertung zukunftsgerichtet ist und auf künftige Vorteilswirkungen des Bewertungsobjekts abstellt, verbleiben zum anderen aufgrund der damit gegebenen Prognoseunsicherheit selbst dann noch erhebliche Ermessenspielräume, die es schließlich im Rahmen einer objektivierten Bewertung einzuschränken gilt. Andererseits ist darauf zu achten, dass nicht zu stark vereinfacht wird, da sonst die Gefahr droht, aussagelose Unternehmenswerte ermittelt zu haben.
Dieses Dilemma verschärft sich in Bezug auf die Fortführungsphase des Unternehmens, für die sich keine sinnvollen expliziten Planungen mehr erstellen lassen, die dem Bewerter zunächst noch für die nähere Zukunft zur Verfügung standen. Gleichzeitig resultiert vor dem Hintergrund einer regelmäßig unterstellten unendlichen Fortführung des Unternehmens ein Hebeleffekt der in das jeweilige Restwertmodell eingehenden Größen. Letztere sind daher entsprechend sorgfältig zu bestimmen. Dies gilt insbesondere für den im Rentenmodell vom Diskontierungszins vorgenommenen Wachstumsabschlag, der als kumulierte Größe alle relevanten Wachstumsdeterminanten aufzunehmen hat. Letzteren ist mit Aufmerksamkeit zu begegnen, da sie den Restwert, der meist den überwiegenden Anteil am Unternehmensgesamtwert darstellt, maßgeblich prägen.
Die sachgerechte Erfassung von Wachstumsfaktoren im Rahmen von Restwertmodellen ist Gegenstand der vorliegenden Arbeit. Dem Leser soll ein Überblick vermittelt werden, welche Determinanten des Unternehmenswachstums im Kalkül zu berücksichtigen sind und wie dies technisch von statten zu gehen hat. Dazu ist Voraussetzung, zunächst wesentliche und dauerhafte Wachstumsquellen zu identifizieren: Dies sind im Einzelnen Mengenänderungen, Steuereffekte und Inflationswirkungen. Um deren Effekt auf den Unternehmenswert korrekt erfassen zu können, sind neben einer isolierten Betrachtung der Faktoren Mischeffekte mit einzubeziehen. Dabei ist unter Berücksichtigung der Anwendungsvoraussetzungen des verwendeten […]

Leseprobe

Inhaltsverzeichnis


David Michael Barthel
Die Erfassung verschiedener Wachstumsfaktoren im Unternehmensbewertungskalkül
ISBN: 978-3-8366-4522-5
Herstellung: Diplomica® Verlag GmbH, Hamburg, 2010
Zugl. Ludwig-Maximilian-Universität München, München, Deutschland, Diplomarbeit,
2010
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© Diplomica Verlag GmbH
http://www.diplomica.de, Hamburg 2010

I
Inhaltsverzeichnis
Abkürzungsverzeichnis ...III
Symbolverzeichnis ... V
1
Problemstellung... 1
2
Wachstum als Wertdeterminante... 3
2.1
Überblick über Wachstumsursachen ... 3
2.2
Thesaurierungsbedingtes Wachstum ... 4
2.2.1
Kapazitätserweiterung... 4
2.2.2
Finanzierungspolitik... 5
2.2.3
Kapitalwertneutralität ... 8
2.2.4
Ausschüttungsverhalten... 9
2.2.5
Steuerinduziertes Wachstum... 11
2.3
Wachstum aufgrund inflationsbedingter Preissteigerungen ... 15
2.3.1
Begriff... 15
2.3.2
Geldwertäquivalenz... 16
2.3.3
Realrechnung... 17
2.3.4
Nominalrechnung ... 18
2.3.5
Real- oder Nominalrechnung? ... 19
2.4
Modelle zur Erfassung von Wachstum im Unternehmensbewertungskalkül... 20
2.4.1
Welt ohne Inflation ­ Das Gordon/Shapiro-Modell... 20
2.4.2
Welt mit Inflation ­ Das Bradley/Jarrell-Modell ... 25
2.4.3
Welt mit Inflation und Steuern ­ Das Modell von
Tschöpel/Wiese/Willershausen... 28
3
Würdigung... 34
3.1
Ableitung der Würdigungskriterien ... 34
3.2
Notwendigkeit einer Wachstumsthesaurierung ... 34
3.3
Kapitalwertneutrale Erweiterungsinvestitionen und zusätzliches
inflationsbedingtes Wachstum... 40
3.4
Inflationsbedingtes Wachstum, Überwälzungsfähigkeit und Kapitalkosten ... 45
3.5
Empirische Ermittlung von unternehmensspezifischer Inflations- und
nominaler Wachstumsrate... 51

II
3.6
Steuerparadoxon ... 57
4
Thesenförmige Zusammenfassung... 60
Literaturverzeichnis ... 64

III
Abkürzungsverzeichnis
Aufl...Auflage
Abb. ...Abbildung
Abs...Absatz
AER ...The American Economic Review (Zeitschrift)
AktG ...Aktiengesetz
AR...The Accounting Review (Zeitschrift)
Bd...Band
BewP...Bewertungspraktiker (Zeitschrift)
BFuP ...Betriebswirtschaftliche Forschung und Praxis (Zeitschrift)
BIP ...Bruttoinlandsprodukt
bzw...beziehungsweise
CAPM...Capital Asset Pricing Model
DAX...Deutscher Aktienindex (Warenzeichen)
DB...Der Betrieb (Zeitschrift)
DBW...Die Betriebswirtschaft (Zeitschrift)
DCF ...Discounted Cash Flow
d.h. ...das heißt
DStR ...Deutsches Steuerrecht (Zeitschrift)
EBITDA...Earnings Before Interest, Taxes, Depreciation and Amortiza-
tion
EW ...Ertragswert
FB ...Finanz Betrieb (Zeitschrift)
FS...Festschrift
ggf...gegebenenfalls
GmbH ...Gesellschaft mit beschränkter Haftung
GmbHG ...GmbH-Gesetz
HGB...Handelsgesetzbuch
Hrsg. ...Herausgeber
hrsg. ...herausgegeben
IDW ...Institut der Wirtschaftsprüfer in Deutschland e.V.
IDW-FN...IDW Fachnachrichten (Zeitschrift)
IFRS...International Financial Reporting Standards
IMF ...International Monetary Fund

IV
i.d.R. ...in der Regel
i.H.v. ...in Höhe von
insb...insbesondere
JACF...Journal of Applied Corporate Finance (Zeitschrift)
JEL...Journal of Economic Literature (Zeitschrift)
JFE ...Journal of Financial Economics (Zeitschrift)
Jg...Jahrgang
JoB ...Journal of Business (Zeitschrift)
MDAX ...Mid-Cap-DAX (Warenzeichen)
MSc...Management Science (Zeitschrift)
m.w.N. ...mit weiteren (-m) Nachweis(en)
No. ...Number
Nr. ...Nummer
NTJ ...National Tax Journal (Zeitschrift)
R...IFRS-Rahmenkonzept
Rn...Randnummer
Tab. ...Tabelle
Tz. ...Textziffer(n)
u.a. ...und andere / unter anderem
v. ...von
Vgl. ...vergleiche
Vol. ...Volume
WACC ...Weighted Average Cost of Capital
WPg ...Die Wirtschaftsprüfung (Zeitschrift)
z.B...zum Beispiel
ZBB ...(Zeitschrift) für Bankrecht und Bankwirtschaft
ZfB...(Zeitschrift) für Betriebswirtschaft
zfbf...Schmalenbachs (Zeitschrift) für betriebswirtschaftliche For-
schung
ZStR...(Zeitschrift) für Steuern und Recht
z.T. ...zum Teil

V
Symbolverzeichnis
E...nominaler Unternehmensertrag
E*...realer Unternehmensertrag
e ...realer Unternehmensertrag
EW ...Ertragswert
FK
t
...Marktwert des Fremdkapitals zum Zeitpunkt t
G ...ausschüttbarer Überschuss
I...(risikoloser) Nominalzins bzw. nominaler Kapitalmarktzins
i ...(risikoloser) Nominalzins bzw. nominaler Kapitalmarktzins
i* ...(risikoloser) Realzins bzw. realer Kapitalmarktzins
...allgemeine, gesamtwirtschaftliche Inflationsrate
U
...unternehmensspezifische Inflationsrate
q ...Ausschüttungsquote des Unternehmensgewinns
R
U
...nominale unternehmensinterne Rendite
r
FK
...Fremdkapitalkostensatz
r
nSt
...nominale Rendite nach persönlichen Steuern
...reale Rendite nach persönlichen Steuern
...nominale Rendite nach persönlichen Steuern bei gemischter
Eigen- und Fremdfinanzierung
...risikoäquivalente Eigenkapitalkosten des verschuldeten Un-
ternehmens
r
vUSt
...nominale Rendite vor allen Steuern; Wiederanlagerendite
r
vSt
...nominale Rendite vor persönlichen Steuern
s
a
...Abgeltungssteuersatz zzgl. Solidaritätssteuersatz
s
GewSt
...Gewerbesteuersatz
s
k
...effektiver Kursgewinnsteuersatz in Abhängigkeit der Halte-
dauer der Eigenkapitalanteile und des Kurswachstums
s
KSt
...Körperschaftssteuersatz
s
u
...effektiver Mischsteuersatz für Unternehmen, bestehend aus
s
KSt
und s
GewSt
V
t
...Marktwert des Eigenkapitals
W ...nominale Wachstumsrate der Unternehmenserträge
w ...Wachstumsrate der Unternehmenserträge

VI
...nominale gewogene durchschnittliche Kapitalkosten vor per-
sönlichen Steuern
...nominale gewogene durchschnittliche Kapitalkosten vor allen
Steuern; Wiederanlagerendite
§ bzw. §§...Paragraph bzw. Paragraphen in Gesetzestexten

1
1 Problemstellung
Die Bewertung von Unternehmen stellt bei gleichzeitig hoher Praxisrelevanz eines
der komplexesten Gebiete der betriebswirtschaftlichen Forschung dar. Dies ist zum
einen dadurch bedingt, dass sich der Bewerter schon aufgrund der Vielfalt an rele-
vanten, zum Teil qualitativen Werteinflüssen einer fordernden Aufgabe gegenüber
sieht, zu deren Bewältigung er noch vor Beginn der eigentlichen Arbeit eine sachge-
rechte Selektion zu treffen hat. Da die moderne Unternehmensbewertung zukunftsge-
richtet ist und auf künftige Vorteilswirkungen des Bewertungsobjekts abstellt, ver-
bleiben zum anderen aufgrund der damit gegebenen Prognoseunsicherheit selbst
dann noch erhebliche Ermessenspielräume, die es schließlich im Rahmen einer ob-
jektivierten Bewertung einzuschränken gilt. Andererseits ist darauf zu achten, dass
nicht zu stark vereinfacht wird, da sonst die Gefahr droht, aussagelose Unterneh-
menswerte ermittelt zu haben.
1
Dieses Dilemma verschärft sich in Bezug auf die
Fortführungsphase des Unternehmens, für die sich keine sinnvollen expliziten Pla-
nungen mehr erstellen lassen, die dem Bewerter zunächst noch für die nähere Zu-
kunft zur Verfügung standen. Gleichzeitig resultiert vor dem Hintergrund einer re-
gelmäßig unterstellten unendlichen Fortführung des Unternehmens ein Hebeleffekt
der in das jeweilige Restwertmodell eingehenden Größen. Letztere sind daher ent-
sprechend sorgfältig zu bestimmen.
2
Dies gilt insbesondere für den im Rentenmodell
vom Diskontierungszins vorgenommenen Wachstumsabschlag, der als kumulierte
Größe alle relevanten Wachstumsdeterminanten aufzunehmen hat. Letzteren ist mit
Aufmerksamkeit zu begegnen, da sie den Restwert, der meist den überwiegenden
Anteil am Unternehmensgesamtwert darstellt, maßgeblich prägen.
3
Die sachgerechte
Erfassung von Wachstumsfaktoren im Rahmen von Restwertmodellen ist Gegens-
tand der vorliegenden Arbeit. Dem Leser soll ein Überblick vermittelt werden, wel-
che Determinanten des Unternehmenswachstums im Kalkül zu berücksichtigen sind
und wie dies technisch von statten zu gehen hat. Dazu ist Voraussetzung, zunächst
wesentliche und dauerhafte Wachstumsquellen zu identifizieren: Dies sind im Ein-
zelnen Mengenänderungen, Steuereffekte und Inflationswirkungen. Um deren Effekt
auf den Unternehmenswert korrekt erfassen zu können, sind neben einer isolierten
Betrachtung der Faktoren Mischeffekte mit einzubeziehen. Dabei ist unter Berück-
1
Vgl. Ballwieser (1993), S. VII.
2
Vgl. Lobe (2006), S. 2 f.; Meitner (2009), S. 538 f.
3
Vgl. Dinstuhl (2003), S. 118.

2
sichtigung der Anwendungsvoraussetzungen des verwendeten Bewertungsmodells
auf eine konsistente Integration der verschiedenen Wachstumsfaktoren zu achten.
4
In
diesem Zusammenhang steht die wesentliche und viel diskutierte Frage nach der
Möglichkeit einer konsistenten und parallelen Erfassung von thesaurierungs- und
inflationsbedingtem Wachstum.
5
Das Inflationsbedingte Wachstum der Fortfüh-
rungsphase betreffend finden sich in Literatur und Praxis der Bewertung ganz unter-
schiedliche Ergebnisse. Gehen manche Autoren von auf lange Sicht mitunter exis-
tenzgefährdend niedrigen Wachstumsraten aus, steht dies im Widerspruch zu ande-
ren Teilen der Literatur, die bisweilen vielfach höhere Raten finden bzw. analytisch
ableiten.
6
Die Würdigung dieser hier stellvertretend angesprochenen Diskussionen ist
neben der bereits erwähnten Darstellung von adäquaten Restwertmodellen ein weite-
res Ziel dieser Arbeit. Weiterhin werden trotz der grundsätzlichen Zukunftsorientie-
rung der Bewertung zur Orientierung der im Rahmen dieser Restwertmodelle verar-
beiteten Daten oft Plandaten der näheren Zukunft herangezogen. Da die anhand von
Bewertungsmodellen ermittelten Werte höchstens so gut sein können, wie die Daten,
die ihnen zugrunde gelegt wurden,
7
ist bei deren Schätzung ebenfalls mit möglichst
großer Sorgfalt vorzugehen. Im Rahmen der vorliegenden Arbeit kann trotz der
grundsätzlichen Relevanz oben angesprochener Wachstumsfaktoren auch für den
unmittelbar auf den Bewertungsstichtag folgenden Zeitraum eine Analyse derselben
jedoch nicht mehr erfolgen.
4
Vgl. Wiese (2006), S. 61-184.
5
Vgl. Tschöpel/Wiese/Willershausen (2010), Teil 2, S. 6; Friedl/Schwetzler (2009), S. 157 f.
6
Vgl. Schüler/Lampenius (2007), S. 243-247; Knoll/Lobe/Tartler (2009), S. 12-19; Tschö-
pel/Wiese/Willershausen (2010), Teil 2, S. 5.
7
Vgl. Ballwieser (2007), S. 59.

3
2 Wachstum als Wertdeterminante
2.1 Überblick über Wachstumsursachen
Wachstum bezieht sich im Kontext der Unternehmensbewertung auf Größen wie
Umsatz, Erträge, (ausgeschüttete) Gewinne, Bilanzsummen sowie auf Markt- oder
Buchwerte.
8
Es können folgende Wachstumsdefinitionen formuliert werden:
,,1. Wachstum entspricht der Steigerung des Wertes der Aktiva bzw. der Bilanzsum-
me oder der Erhöhung des Gewinns je Aktie, des Cash-flow oder des Umsatzes über
einen bestimmten Zeitraum.
2. Wachstum liegt dann vor, wenn das Unternehmen profitable Investitionsmöglich-
keiten für die Zukunft besitzt, deren Kapitalwerte positiv sind."
9
Unternehmenswachstum kann damit grundsätzlich aus Mengen- und Preisverände-
rungen sowie aus Steuereffekten resultieren.
10
Im Rahmen der vorliegenden Arbeit
wird unter Wachstum vorrangig das Wachstum der finanziellen Überschüsse des
Unternehmens verstanden. Im folgenden Abschnitt 2.2 wird dabei zunächst auf
Wachstum aufgrund von Mengenausweitungen eingegangen. Dies schließt insbeson-
dere thesaurierungsbedingtes Wachstum mit ein, das durch nach Einkommensarten
differenzierender Besteuerung entsteht. Abschnitt 2.3 zeigt, dass Wachstum selbst
dann auftreten kann, wenn Unternehmen keinerlei Kapital aufnehmen oder thesaurie-
ren. Dies ist insbesondere bei Vorliegen von inflationsbedingten Preissteigerungen
möglich. Schließlich werden in Abschnitt 2.4 die verschiedenen Wachstumsursachen
in Bewertungskalküle integriert.
8
Vgl. Spremann (2004), S. 69.
9
Zimmermann (1997), S. 275.
10
Vgl. Tschöpel/Wiese/Willershausen (2010), S. 1, Wiese (2009), S. 2 und Wiese (2006), S. 60, Grö-
ger (2008), S. 676, jeweils m.w.N.

4
2.2 Thesaurierungsbedingtes Wachstum
2.2.1 Kapazitätserweiterung
Rationales Verhalten des Managements und eine Orientierung am Wirtschaftlich-
keitsprinzip vorausgesetzt, sind die strategischen Unternehmensziele mit möglichst
geringem Mitteleinsatz, also kostenminimal, zu erreichen. Zielführend ist hier die
Installation eines leistungsfähigen Controllings im Unternehmen. Speziell ist das
Kapazitäts- und Produktionscontrolling
11
dafür zuständig, auf eine effiziente innerbe-
triebliche Ressourcenverwendung und möglichst reibungslose im Sinne von transak-
tionskostenminimale Ablauf- und Prozesssteuerung zu achten, um den Jahresüber-
schuss und damit die ausschüttbaren Mittel zu steigern. Neben der Optimierung vor-
handener Kapazitäten kann Unternehmenswachstum durch Kapazitätserweiterung
erzeugt werden. Darunter werden über die zur Substanzerhaltung notwendigen Er-
satzinvestitionen hinausgehende Netto- oder Erweiterungsinvestitionen verstanden.
Zur Finanzierung von Erweiterungsinvestitionen stehen dem Unternehmen grund-
sätzlich
12
verschiedene Möglichkeiten offen: Unterschieden wird nach externen und
internen Finanzierungsquellen sowie innerhalb dieser zwischen Eigen- und Fremd-
bezug der Mittel. Für die im Fokus der vorliegenden Arbeit stehende Restwertphase
des Unternehmens ist insbesondere die Finanzierung auf dem Weg der internen Ei-
genfinanzierung von Interesse,
13
da eine unendlich mögliche externe Kapitalaufnah-
me nicht ohne weiteres unterstellt werden kann. Davon abgesehen hat die Wahl der
Finanzierungsquellen auf unvollkommenen Kapitalmärkten
14
eine Vielzahl weiterer,
im Rahmen der Agency-Theorie beschriebene Wirkungen auf den Unternehmens-
wert.
15
Aufgrund mangelnder Quantifizierbarkeit dieser oft qualitativen Faktoren
11
Vgl. Schmitt (1998), S. 9 und S. 87-148, insb. S. 100-119.
12
Faktisch sind Restriktionen wie Ausschüttungssperren, Agency-Konflikte, Transaktionskosten,
Verschuldungskapazitäten zu beachten.
13
Kann diese über Desinvestition, Abschreibung oder Thesaurierung von Überschüssen erfolgen, wird
im Folgenden nur die letztere Ausprägung verstanden. Vgl. zu anderen Finanzierungsarten etwa
Baetge/Kirsch/Thiele (2007), S. 423 und S. 434-439; Bösl/Sommer (2006), S. 47-52; Brezski u.a.
(2006), S. 21-31; Breuer (2008), S. 21; Götze (2008), S. 7-14; Rudolph (2006), S. 277, S. 334-339
und S. 429-438; Rudolph/Haagen (2004), S. 14-22; Schmidt (2003), S. 1139-1143; Schulte (2007),
S. 27-29; Spremann (2004), S. 70-72.
14
Vgl. z.B. Franke/Hax (2004), S. 153 und 158.
15
Vgl. dazu überblicksmäßig z.B. Schultze (2003), S. 293-295 m.w.N.

5
beschränkt sich die Praxis der Unternehmensbewertung bei der Berücksichtigung des
Kapitalstruktureffekts typischerweise auf die Wirkung von Steuern.
16
Erweiterungsinvestitionen sind allerdings nur dann unternehmenswertrelevant, falls
sich mit ihnen eine über den geforderten Kapitalkosten liegende Rendite erwirtschaf-
ten lässt. Entsprechen sich Projektverzinsung und Kapitalkosten, sind Eigner indiffe-
rent zwischen Einbehaltung und Ausschüttung der ansonsten zur Projektfinanzierung
zu thesaurierenden Mittel.
17
Wie Abschnitt 2.2.5 zeigen wird, kann sich dies ändern,
falls Marktunvollkommenheiten wie persönliche Steuern mit in Betracht gezogen
werden. Zunächst wird allerdings im folgenden Abschnitt 2.2.2 auf mögliche Politi-
ken zur Finanzierung von Kapazitätsausweitungen eingegangen. Abschnitt 2.2.3 und
2.2.4 thematisieren Annahmen über die auf lange Sicht mögliche Rentabilität von
Erweiterungsinvestitionen bzw. das Ausschüttungsverhalten von Unternehmen.
2.2.2 Finanzierungspolitik
Wenn zur Finanzierung neuer Projekte oder zur Kapitalstrukturoptimierung weiteres
Kapital aufgenommen werden soll, werden oft zwei bestimmte Finanzierungspoliti-
ken betrachtet: die wertorientierte und die autonome Finanzierungspolitik.
18
Auto-
nome Finanzierung unterstellt, dass zum Bewertungszeitpunkt das Fremdfinanzie-
rungsvolumen für alle kommenden Perioden bereits festgelegt wird. Die Unterneh-
mensleitung kann sich dazu beispielsweise an vergangenen Umsätzen, Bilanzsum-
men oder an einzeln veräußerbaren Vermögensgegenständen, die dem Inhaber des
Forderungstitels gegebenenfalls verpfändet werden können, orientieren.
19
Bei auto-
nomer Finanzierung ist ein bei steuerlicher Abzugsfähigkeit von Fremdkapitalzinsen
gegebener Interest Tax Shield folglich seiner Höhe nach schon ex ante für alle kom-
menden Perioden bekannt und geht als sichere Wertdeterminante in den Unterneh-
menswert ein.
20
Bei wertorientierter Finanzierungspolitik wird hingegen nicht der
Fremdkapitalbestand sondern der in Marktwerten gemessene Verschuldungsgrad als
konstant unterstellt.
21
Ist das Eigenkapital aufgrund eines variierenden Geschäftsrisi-
16
Vgl, Schultze (2003), S. 300.
17
Projekte mit einer unterhalb der Kapitalkosten liegenden Verzinsung sind unter Renditeüberlegun-
gen ohnehin abzulehnen und werden daher in Folgenden vernachlässigt.
18
Vgl. zu den beiden Politiken und im Folgenden Richter (1998), S. 379 f.
19
Vgl. Drukarczyk/Schüler (2009), S. 138.
20
Unterstellt werden dazu steuerliche Abzugsfähigkeit der Fremdkapitalzinsen, vertragskonforme
Kapitaldiensterbringung und eine hinreichend große Steuerbemessungsgrundlage.
21
Vgl. Ballwieser (2007), S. 135.

6
kos oder aufgrund bestimmter Rechnungslegungsvorschriften volatil,
22
muss zur
Wahrung des vorgegebenen Verschuldungsgrades der Fremdkapitalbestand laufend
angepasst werden. Demnach schwankt der Interest Tax Shield im Zeitablauf mit die-
sem und weist die gleiche Unsicherheit wie die Unternehmenserträge selbst auf.
Folglich ist der Barwert sicherer Steuervorteile bei risikoaversen Entscheidern bei
autonomer Finanzierung höher als der Barwert im Erwartungswert gleich hoher, un-
sicherer Steuervorteile bei wertorientierter Finanzierungspolitik.
23
Beide Finanzierungspolitiken beschreiben als ,,­ vermutlich unrealistische ­ Grenz-
fälle"
24
die ,,Eckpunkte möglicher Finanzierungsstrategien."
25
Unrealistisch sind
insbesondere die implizite Annahme unbegrenzt laufender Finanzierungsverträge bei
autonomer Politik und die Bindung des Fremdkapitalvolumens an den Unterneh-
mensgesamtwert bei wertorientierter Politik.
26
Orientiert sich ein Unternehmen an
letzterer, hat es bei guter Geschäftsentwicklung und entsprechend steigendem Eigen-
kapital Fremdmittel aufzunehmen, und analog bei schlechtem Konjunkturverlauf und
tendenziell angespannter Liquiditätssituation Kredite zurückzuzahlen.
27
Ein solches
Verhalten auch im Sinne der Gläubiger, welche dann stets die zu Vertragsbeginn
eingegangene Risikoposition behalten würden, wäre aufgrund des damit verbunde-
nen bewussten Herbeiführens unsicherer Steuervorteile aus Eignersicht irrational.
28
Aufgrund dieser Kritik werden von der Literatur verschiedene Modifikationen der
beiden Finanzierungspolitiken unterbreitet. Richter/Drukarczyk schlagen eine ,,bi-
lanzorientierte Finanzierungspolitik" vor. Berk/DeMarzo halten eine ,,Periodically
Adjusted Debt"-Politik für am realistischsten.
29
Kruschwitz/Löffler/Canefield schla-
gen eine ,,hybride Finanzierungspolitik" im Sinne einer autonomen Finanzierung in
der näheren und einer wertorientierten Finanzierung in der ferneren Planungsphase
vor.
30
Wiese diskutiert eine buchwert- und zahlungsstromorientierte Politik.
31
22
Vgl. Ballwieser (2009a), S. 102-122.
23
Vgl. Drukarczyk/Schüler (2009), S. 147.
24
Richter/Drukarczyk (1999), S. 637.
25
Richter/Drukarczyk (1999), S. 635.
26
Vgl. Stellbrink (2005), S. 198-203; Richter/Drukarczyk (1999), S. 635; Aders (1998), S. 114.
27
Vgl. Drukarczyk/Schüler (2009), S. 138 f.
28
Vgl. Drukarczyk/Schüler (2009), S. 147 f. Vielmehr wird durch zahlreiche Insolvenzen aufgrund
von Illiquidität und Überschuldung ein gegenteiliges Verhalten nahegelegt.
29
Vgl. Berk/DeMarzo (2007), S. 601-603, zu einer diese Auffassung bestätigenden empirischen Stu-
die Graham/Harvey (1999), S. 209-232, insb. S. 218 und S. 234.
30
Vgl. Kruschwitz/Löffler/Canefield (2007), S. 429 f.

7
Im Rahmen der Fortführungsphase der Unternehmensbewertung ist allerdings trotz
der mit einer wertorientierten Finanzierungspolitik verbundenen Nachteile eine Ori-
entierung an derselben schon aus technischen Gründen angezeigt, sofern man sich
zur Restwertberechnung des Renten- oder Wachstumsmodells bedient.
32
Dann ,,ist
eine wesentliche Voraussetzung, dass die risikoäquivalenten Eigenkapitalkosten im
Zeitablauf konstant bleiben."
33
Daraus folgt bei unterstelltem gleichbleibendem ope-
rativen Risiko des Unternehmens, fehlenden Erweiterungsinvestitionen und bei
Preisstabilität notwendig auch eine Konstanthaltung des Fremdkapitalbestandes bzw.
des Verhältnisses der Marktwerte von Eigen- und Fremdkapital, mithin die Anwen-
dung einer wertorientierten Finanzierungspolitik. An deren Maßgeblichkeit für die
Restwertphase ändert auch das Vorliegen von inflationsbedingten Preissteigerungen
oder von Erweiterungsinvestitionen nichts. Letztere haben dann kapitalstrukturneut-
ral zu erfolgen.
34
Bläht sich der Marktwert des Eigenkapitals inflationsbedingt auf,
muss der Marktwert des Fremdkapitals aufgrund dieser Anwendungsrestriktion des
Restwertmodells in gleicher Höhe wachsen.
35
Diese technischen Annahmen lassen
sich ­ obige Kritik an wertorientierter Finanzierung unberührt ­ auch ökonomisch
begründen. Da für die Fortführungsphase häufig ein Gleichgewichtszustand mit le-
diglich nominal wachsenden, aber real konstanten Größen unterstellt wird,
36
bleiben
die ,,Verhältnisse der einzelnen Kennzahlen [..] konstant. Deshalb muss das Fremd-
kapital in jeder Periode mit der gleichen Rate wachsen wie das Eigenkapital."
37
Da-
von abgesehen würde ein Festhalten an autonomer Finanzierung erhebliche Progno-
seprobleme verursachen, da keine unendlich laufenden Finanzierungskontrakte
38
existieren. Deshalb wird im Rahmen der Restwertbetrachtung häufig vereinfachend
eine wertorientierte Sicht eingeschlagen.
39
Im Folgenden Abschnitt soll nun betrach-
tet werden, wie sich der angesprochene Gleichgewichtszustand in der Restwertphase
auf die Rendite von Erweiterungsinvestitionen auswirken kann.
31
Vgl. Wiese (2006), S. 167-176.
32
Vgl. Aders (1998), S. 171; Abschnitt 2.4.1.
33
Stellbrink (2005), S. 139. Vgl. auch Nippel/Streitferdt (2003), S. 419, die auf die notwendige An-
nahme eines konstanten Verschuldungsgrades bei Verwendung des WACC-Verfahrens hinweisen.
34
Vgl. Stellbrink (2005), S. 139-145.
35
Um den Marktwert des Fremdkapitals bei Vorliegen von Inflation zu steigern, müssen nicht not-
wendig zusätzliche Fremdmittel aufgenommen werden. Dies kann auch auf dem Weg der Inflati-
onsindexierung des Fremdkapitalzinssatzes erreicht werden. Vgl. hierzu Abschnitt 3.2.
36
Vgl. dazu Abschnitt 2.4 und 3.2.
37
Streitferdt (2003), S. 276.
38
Von ,,Ewigen Anleihen" wird abgesehen.
39
Vgl. Stellbrink (2005), S. 139, Fn. 131 m.w.N.; Meitner (2009), S. 512.

8
2.2.3 Kapitalwertneutralität
Für den Restwertzeitraum wird häufig von ausschließlich kapitalwertneutraler Ver-
zinsung eingesetzter Mittel ausgegangen. Kapitalwertneutralität heißt, dass sich die
Vermögensposition der Eigner im Bewertungszeitpunkt durch die Realisation eines
zusätzlichen Projektes auf Unternehmensebene nicht verändert, da das neue Projekt
gerade seine Kapitalkosten vor Steuern erwirtschaftet.
40
Werden thesaurierte Mittel
unternehmensintern kapitalwertneutral investiert, stellt sich demnach kein Kursge-
winn ein. Im Folgenden wird diskutiert, wie plausibel die Annahme kapitalwertneut-
raler Reinvestition ist.
Unternehmen die sich Wettbewerb ausgesetzt sehen, gelingt es nur unter bestimmten
Bedingungen langfristig Gewinne zu erzielen.
41
In der mikroökonomischen Theorie
spricht man davon, dass Unternehmen im langfristigen Gleichgewicht ,,Nullgewin-
ne" erzielen.
42
Alle Unternehmen setzen in dieser Situation einen Preis, der gerade
ihren Grenzkosten entspricht.
43
Kurz- und mittelfristig können hingegen auch über
dem Branchendurchschnitt liegende Gewinne erwirtschaftet werden.
44
Dies ist zum
Beispiel der Fall, wenn eine Produktinnovation zu Markterfolg geführt werden konn-
te und das Unternehmen somit einen zeitlich begrenzten Wettbewerbsvorteil innehat.
Es ist aber davon auszugehen, dass dieser im Lauf der Zeit ­ sei es beispielsweise
durch Marktsättigung, den Auslauf von Patenten oder durch Wirtschaftsspionage ­
erodiert und dass sich im Rahmen eines Anpassungsprozesses wieder der Grenzkos-
tenpreis einstellt.
45
Die Möglichkeit einer Verzinsung thesaurierter Mittel unterhalb
des Kapitalkostensatzes kann grundsätzlich vernachlässigt werden, da rationale und
renditeorientierte Unternehmenseigner
46
keine kapitalwertnegativen Projekte einge-
hen würden.
47
Berechnet man den Restwert des Unternehmens mit einem Rentenkal-
40
Wiese (2009), S. 3; Wollny (2008), S. 198.
41
Dies sind Faktoren, die die Wirkung des vollkommenen Wettbewerbs einschränken, wie z.B. Paten-
te, Skaleneffekte, Verbundvorteile oder Marktzugangsbarrieren. Vgl. Kutschker/Schmid (2008),
S. 421 und S. 959 f.; Picot/Dietl/Franck (2008), S. 154.
42
Vgl. Pindyck/Rubinfeld (2005), S. 383; Ballwieser (1981), S. 107 m.w.N.; Cope-
land/Weston/Shastri (2005), S. 22-24 und S. 475.
43
Dies gilt unter der Voraussetzung, dass unter den Unternehmen vollkommener Wettbewerb herrscht
und das jedes Unternehmen konstante Skalenerträge aufweist. Vgl. Varian (2006), S. 344.
44
Vgl. Besanko/Dranove/Shanley/Schaefer (2007), S. 347 f.
45
Vgl. z.B. Weimann (2006), S. 75-78.
46
Vgl. zu Sonderfällen, in denen ggf. kapitalwertnegative Projekte eingegangen werden Geb-
hardt/Schmidt (2003), S. 241 (,,Gambling for resurrection") und Rudolph (2007), S. 195 (,,Risk
Shifting").
47
Schultze (2003), S. 80.

9
kül, existiert davon abgesehen ein technisches Argument für die Unterstellung von
Kapitalwertneutralität. So ist eine Abweichung von der ,,Wiederanlageprämisse zu
den Kapitalkosten insofern nicht zulässig, als die Systematik der Diskontierung
[dies] bereits [...] impliziert und voraussetzt."
48
Insgesamt ist also festzuhalten, dass
für die Detailplanungsphase eine Annahme kapitalwertpositiver oder kapitalwertne-
gativer Projekte naheliegt. Für die Fortführungsphase empfiehlt es sich zumindest im
Rahmen der objektivierten Unternehmensbewertung, von kapitalwertneutralen Pro-
jekten auszugehen.
49
Der folgende Abschnitt zeigt nun, dass unter der Annahme von
kapitalwertneutralen Erweiterungsinvestitionen von einem bestimmten, die Bewer-
tung vereinfachenden Ausschüttungsverhalten des Unternehmens ausgegangen wer-
den kann.
2.2.4 Ausschüttungsverhalten
Um zu aussagekräftigen Unternehmenswerten zu gelangen, hat zur Ertragsprognose
grundsätzlich eine explizite Planung
50
des Ausschüttungs- und Kassenhaltungsver-
haltens zu erfolgen. Die Bestimmung einer optimalen Ausschüttungsquote, das heißt
die Frage nach der Vorteilhaftigkeit einer Vollausschüttung oder einer (teilweisen)
Thesaurierung, hängt von folgenden Faktoren ab: Einerseits können differenzierende
Steuersysteme gegen eine Vollausschüttung der Gewinne sprechen.
51
Desweiteren
sind handelsrechtliche, gesellschaftsrechtliche und satzungsgemäße Ausschüttungs-
begrenzungen zu beachten.
52
Schließlich spielen aufgrund von Kapitalmarktunvoll-
kommenheiten wie Informationsasymmetrien und Unternehmenssteuern agency-
theoretische Einflüsse eine Rolle.
53
Zudem sind Wechselwirkungen von Finanzie-
rungs- und Ausschüttungspolitik, deren gemeinsame Wirkung auf Kapitalstruktur
und Kapitalkosten, die Eigenkapitalausstattung sowie die vergangene Ausschüttungs-
und Investitionspolitik zu beachten.
54
48
Schultze (2003), S. 81.
49
Vgl. Tschöpel/Wiese/Willershausen (2010), Teil 1, S. 7, Fn. 42.
50
Vgl. Ballwieser (2007), S. 12.
51
Vgl. Abschnitt 2.2.5.
52
Vgl. Wollny (2008), S. 191.
53
Vgl. Schultze (2003), S. 293-295 und S. 419, jeweils m.w.N.; Wagenhofer/Ewert (2007), S. 223-
237; Copeland/Weston/Shastri (2005), S. 456 f.; Brealey/Myers/Allen (2006), S. 419-434;
Berk/DeMarzo (2007), S. 555-560.
54
Vgl. Wagner u.a. (2006), S. 1009.

10
Da davon auszugehen ist, dass eine detaillierte Planung, die allen genannten Aspek-
ten Rechnung trägt, kostenintensiv ist, kann nach Voraussetzungen gefragt werden,
bei denen eine explizite Planung unterbleiben kann.
55
Eine solche Vereinfachung der
Planung könnte über eine Orientierung an Vollausschüttung der Unternehmensge-
winne erfolgen. Dann ist allerdings anhand der oben genannten Einflussgrößen auf
die Ausschüttungspolitik zu prüfen, in wie weit sich diese starke Vereinfachung aus
Kostengründen mit der Ermittlung aussagekräftiger Unternehmenswerte vereinbaren
lässt.
Insbesondere das Aktien- und Handelsrecht sieht Restriktionen vor, die bei der Prog-
nose der Ausschüttungspolitik zu beachten sind und grundsätzlich gegen eine Voll-
ausschüttung sprechen. So sind Kapitalgesellschaften daran gebunden, als Ausschüt-
tungsobergrenze den Bilanzgewinn zu berücksichtigen.
56
So ist auch bei der Ermitt-
lung objektivierter Unternehmenswerte ,,von der Ausschüttung derjenigen finanziel-
len Überschüsse auszugehen, die nach Berücksichtigung des zum Bewertungsstich-
tag dokumentierten Unternehmenskonzepts und rechtlicher Restriktionen (z.B. Bi-
lanzgewinn, ausschüttbares Jahresergebnis) zur Ausschüttung zur Verfügung ste-
hen."
57
Aus steuerrechtlicher Sicht war bereits mit Einführung des Halbeinkünftever-
fahrens eine Vollausschüttung der Gewinne nicht mehr vorteilhaft.
58
Ob sich diese
Empfehlung im Rahmen der grundsätzlich nicht nach Einkommensarten differenzie-
renden Abgeltungsbesteuerung ebenfalls ergibt, hängt von der Ausschüttungsäquiva-
lenz von Bewertungs- und Vergleichsobjekt sowie von der Realisationsfrequenz et-
waiger Kursgewinne ab. Wie im folgenden Abschnitt gezeigt wird, ist davon auszu-
gehen, dass auch im neuen Steuersystem ein Anreiz zur Einbehaltung von Gewinnen
besteht. Gegen eine Vollausschüttungsannahme spricht weiterhin, dass selbige eine
vollständige Fremdfinanzierung des Unternehmenswachstums implizieren würde,
was aufgrund von begrenzten Verschuldungsmöglichkeiten unrealistisch erscheint.
59
Geht man jedoch von ausschließlich kapitalwertneutralen Reinvestitionsmöglichkei-
ten aus, können obige Argumente gegen eine vollständige Ausschüttung der Über-
55
Vgl. Schultze (2003), S. 80. Bei börsennotierten Unternehmen hingegen kann man unterstellen, dass
ohnehin vollständige und konsistente Planungen vorliegen, vgl. Wagner u.a. (2006), S. 1008.
56
Vgl. Baetge/Kirsch/Thiele (2007), S. 102 f. und §§ 57 Abs. 3, 58, 150 AktG bzw. §§ 29, 30
GmbHG.
57
IDW (2008a), Tz. 35.
58
Vgl. Wiese (2007), S. 371 m.w.N. und Abschnitt 2.2.5.
59
Vgl. Ballwieser (2007), S. 65.

11
schüsse umgangen werden. In Abschnitt 2.2.3 wurden bereits Gründe für die An-
nahme von Kapitalwertneutralität angesprochen. Auch im Rahmen der objektivierten
Bewertung wird eine kapitalwertneutrale Wiederanlage der thesaurierten Mittel un-
terstellt.
60
In Fall der kapitalwertneutralen Verzinsung thesaurierter Mittel führen nun
eine kostspielige explizite und die auf einer Vollausschüttungsannahme basierende
implizite Planung des Ausschüttungsverhaltens zu identischen Ergebnissen.
61
Findet
in praxi aufgrund oben beschriebener Restriktionen eine teilweise Thesaurierung
statt, kann in diesem Fall ohne Auswirkung auf den Unternehmenswert trotzdem
vereinfachend eine Vollausschüttung der Überschüsse unterstellt werden. Die Voll-
ausschüttung ist dann als finanzmathematische Fiktion zu verstehen, ,,die kapital-
wertneutrale Thesaurierungen zwar wertmäßig sachgerecht erfasst, aber von der tat-
sächlichen Wirkung auf das Wachstum der Unternehmens-Cashflows abstrahiert."
62
Im Folgenden Abschnitt wird nun expliziert, dass trotz der Unterstellung von aus-
schließlich kapitalwertneutraler Wiederanlage im neuen Steuersystem ein Anreiz zur
Thesaurierung von Überschüssen besteht.
2.2.5 Steuerinduziertes Wachstum
In der Praxis liegt durch die Erhebung von Steuern auf Unternehmens- und auf priva-
ter Ebene regelmäßig eine Doppelbesteuerung ,,ausgeschütteter Gewinne bei natürli-
chen Personen als Anteilseignern"
63
vor. Weisen diese keine Neutralität in Bezug auf
Investitions- und Finanzierungsentscheidungen auf,
64
sind Kapitalstruktur und Divi-
dendenpolitik nicht mehr irrelevant, wie dies auf vollkommenen Märkten der Fall
ist.
65
Tatsächlich sind in Deutschland durch eine faktisch differenzierende Besteue-
rung von ausgeschütteten und einbehaltenen Gewinnen sowie durch die (teilweise)
Abzugsfähigkeit von Fremdkapitalzinsen von den Bemessungsgrundlagen der Unter-
nehmenssteuern ,,Verstöße gegen Finanzierungsneutralität [..] im geltenden Steuer-
recht die Regel."
66
Durch Gewerbeertrags- und Körperschaftssteuer auf Unterneh-
60
Dies gilt für die Restwertphase. Vgl. IDW (2008a), Tz. 27; Wagner u.a. (2006), S. 1009.
61
Vgl. Schultze (2003), S. 80.
62
Tschöpel/Wiese/Willershausen (2010), Teil 2, S. 6.
63
Kußmaul (2008), S. 415.
64
Vgl. Schultze (2003), S. 425 m.w.N. und S. 489; Drukarczyk/Schüler (2009), S. 125; zur Steuer-
neutralität Schreiber (2008), S. 555-584; Kußmaul (2008), S. 149.
65
Vgl. Modigliani/Miller (1958), S. 268, S. 271 und S. 288, Modigliani/Miller (1963), S. 433-443 und
Miller/Modigliani (1961), S. 413, S. 428 f. und S. 431 f.
66
Schreiber (2008), S. 576.

12
mensebene und Abgeltungssteuer auf privater Ebene
67
,,nimmt der Gesetzgeber [..]
Einfluss auf das Ausschüttungsverhalten und damit auf die Gewinnverwendung der
Unternehmen."
68
Dementgegen sah man die Erfassung persönlicher Steuern auf der
Suche nach einem objektiven Wert des Unternehmens bis Mitte des vergangen Jahr-
hunderts
69
noch als unnötig an; heute geht man im Rahmen einer Grenzpreisbestim-
mung von der Wertrelevanz persönlicher Steuern aus.
70
Persönliche Steuern wie auch
Unternehmenssteuern
71
,,müssen dann von den aus Bewertungsobjekt und Ver-
gleichsobjekt erwarteten Erträgen abgesetzt werden, wenn beide Mittelanlagen zu
unterschiedlicher steuerlicher Belastung führen"
72
, wie dies faktisch auch im aktuell
gültigen deutschen Steuersystem der Fall ist. Nur wenn von Zähler und Nenner steu-
eräquivalente Wirkungen ausgehen, ist es unerheblich, ob eine Brutto- oder Netto-
rechnung angestellt wird.
73
Auch eine rechentechnische Argumentation, die Wirkung
persönlicher Steuern ,,kürze sich in Zähler und Nenner der Ertragswertformel heraus,
trifft in allen realistischen Fällen nicht zu."
74
Steuern sind also auf unternehmerischer
wie auf persönlicher Ebene grundsätzlich zu erfassen,
75
da sie potentiell für den Kon-
sum verwendbare Überschüsse mindern und vor allem Vorteilhaftigkeitsbeurteilun-
gen von Investitionsprojekten verändern können.
76
Werden sie dennoch aus Verein-
fachungsgründen aus dem Kalkül ausgeschlossen, hängt der damit begangene Fehler
von der Steueräquivalenz von Bewertungs- und Vergleichsobjekt ab, die bei Ver-
wendung des Kapitalmarktzinses faktisch durchaus nicht gegeben sein kann.
77
Für
das Abgeltungssteuersystem lassen sich dabei nachfolgende Bewertungskalküle ab-
leiten;
78
dabei entspricht q der Ausschüttungsquote des Unternehmens, G dem zur
Ausschüttung zur Verfügung stehenden Überschuss, r
vSt
der Rendite vor persönli-
67
Vgl. zu einem prägnanten Blick über das in Deutschland derzeit geltende Steuersystem Drukarc-
zyk/Schüler (2009), S. 19-23.
68
Kußmaul (2008), S. 415.
69
Vgl. zur zeitlichen Entwicklung von Konzeptionen des Unternehmenswerts übersichtlich Drukarc-
zyk/Schüler (2009), S. 88.
70
Vgl. Moxter (1983), S. 177.
71
Unternehmenssteuern sowie Kirchensteuer und Solidaritätszuschlag werden im Kalkül implizit, d.h.
innerhalb der zu prognostizierenden Erträge erfasst. Vgl. Ballwieser (2007), S. 102 und Baet-
ge/Niemeyer/Kümmel ( 2005), S. 315-317, insb. Rn. 474.
72
Moxter (1983), S. 183.
73
Vgl. Moxter (1983), S. 178.
74
Ballwieser (2007), S. 102. Vgl. ebenda, S. 103 für genannte unrealistische Fälle.
75
Vgl. Wiese (2007), S. 368 m.w.N.
76
Vgl. Drukarczyk/Schüler (2009), S. 30.
77
Vgl. Richter (2002), S. 327; Abschnitt 3.6. Vgl. auch Richter (2003), S. 328, der die Vereinfachung
in der Berücksichtigung von Steuern sieht.
78
Vgl. Wiese (2009), S. 10-12; Wiese (2007), S. 369-375.

Details

Seiten
Erscheinungsform
Originalausgabe
Jahr
2010
ISBN (eBook)
9783836645225
DOI
10.3239/9783836645225
Dateigröße
1 MB
Sprache
Deutsch
Institution / Hochschule
Ludwig-Maximilians-Universität München – Betriebswirtschaftslehre, Rechnungswesen und Prüfung
Erscheinungsdatum
2010 (April)
Note
2,0
Schlagworte
unternehmensbewertung wachstum terminal value inflation realkapitalerhöhung
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Titel: Die Erfassung verschiedener Wachstumsfaktoren im Unternehmensbewertungskalkül
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