Das Selbstbild deutscher und französischer Mütter
Eine empirische Studie zur Familienpolitik
					
	
		©2009
		Diplomarbeit
		
			
				72 Seiten
			
		
	
				
				
					
						
					
				
				
				
				
			Zusammenfassung
			
				Inhaltsangabe:Einleitung:	
Deutschland unterliegt einem gravierenden demographischen Wandel. Eine niedrige Geburtenrate und eine steigende Lebenserwartung führten zu einer Verschiebung der Alterspyramide hin zu einer überalterten Gesellschaft mit sinkender Zahl an Erwerbspersonen. Volkswirtschaftlich stellt dies ein großes Problem dar. Das Wachstumspotential einer Volkswirtschaft wird bestimmt durch die Qualität und die Quantität der erwerbstätigen Bevölkerung, vorhandenes Kapital und technischen Fortschritt. Dies bestätigt auch der ehemalige französische Familienminister Philippe Bas: Der Zusammenhang zwischen Wirtschaftswachstum und demographischer Entwicklung ist unbestritten. Ein Land, das viele Kinder hat, genießt normalerweise ein höheres Wirtschaftswachstum. Das Durchschnittsalter in Deutschland wird steigen, der prozentuale Anteil an erwerbstätigen Personen sinkt, wenn weiterhin zu wenige Kinder geboren werden.
Deutschland hatte eine Geburtenrate von 1,3 Kindern pro Frau im Jahr 2006. Diese ist deutlich niedriger als die natürliche Reproduktionsrate von 2,1 Kindern pro Frau. Letztere jedoch ist nötig, um eine konstante Bevölkerungszahl zu gewährleisten. Deutschlands niedrige Geburtenrate kann einer der Gründe für ein zukünftig niedriges Wachstumspotential sein. Deshalb ist der demographische Wandel eine große Herausforderung für die deutsche Familienpolitik. Die Erhöhung der Geburtenrate muss eines der Hauptziele sein. Weiterhin hat auch die Integration von Müttern auf dem Arbeitsmarkt positive Effekte, sowohl auf Steuereinnahmen und Sozialversicherungsbeiträge als auch auf die Kaufkraft der Familien. Eine wichtige Voraussetzung, um die deutsche Familienpolitik hinsichtlich einer erhöhten Geburtenrate auszurichten, ist zu wissen, wie deutsche Mütter ihre eigene Rolle und die Rolle des Staates bezogen auf die Kinderbetreuung und Familienfinanzierung eigentlich einschätzen. Hierzu kann das Selbstbild von Müttern eine Hilfe sein. Wenn dieses Selbstbild und familienpolitische Maßnahmen analysiert werden, kann man feststellen, wo Probleme oder Hindernisse in der aktuellen Familienpolitik liegen. Um die Analyse effektiver zu gestalten, sollte sie für mehrere Länder durchgeführt werden. Durch einen Vergleich der Ergebnisse können genauere Schlüsse gezogen werden. Frankreich charakterisiert sich durch eine der höchsten Geburtenraten Europas, einhergehend mit einer hohen Frauenerwerbstätigkeit und einem Ruf als familienfreundliches Land und […]
	Deutschland unterliegt einem gravierenden demographischen Wandel. Eine niedrige Geburtenrate und eine steigende Lebenserwartung führten zu einer Verschiebung der Alterspyramide hin zu einer überalterten Gesellschaft mit sinkender Zahl an Erwerbspersonen. Volkswirtschaftlich stellt dies ein großes Problem dar. Das Wachstumspotential einer Volkswirtschaft wird bestimmt durch die Qualität und die Quantität der erwerbstätigen Bevölkerung, vorhandenes Kapital und technischen Fortschritt. Dies bestätigt auch der ehemalige französische Familienminister Philippe Bas: Der Zusammenhang zwischen Wirtschaftswachstum und demographischer Entwicklung ist unbestritten. Ein Land, das viele Kinder hat, genießt normalerweise ein höheres Wirtschaftswachstum. Das Durchschnittsalter in Deutschland wird steigen, der prozentuale Anteil an erwerbstätigen Personen sinkt, wenn weiterhin zu wenige Kinder geboren werden.
Deutschland hatte eine Geburtenrate von 1,3 Kindern pro Frau im Jahr 2006. Diese ist deutlich niedriger als die natürliche Reproduktionsrate von 2,1 Kindern pro Frau. Letztere jedoch ist nötig, um eine konstante Bevölkerungszahl zu gewährleisten. Deutschlands niedrige Geburtenrate kann einer der Gründe für ein zukünftig niedriges Wachstumspotential sein. Deshalb ist der demographische Wandel eine große Herausforderung für die deutsche Familienpolitik. Die Erhöhung der Geburtenrate muss eines der Hauptziele sein. Weiterhin hat auch die Integration von Müttern auf dem Arbeitsmarkt positive Effekte, sowohl auf Steuereinnahmen und Sozialversicherungsbeiträge als auch auf die Kaufkraft der Familien. Eine wichtige Voraussetzung, um die deutsche Familienpolitik hinsichtlich einer erhöhten Geburtenrate auszurichten, ist zu wissen, wie deutsche Mütter ihre eigene Rolle und die Rolle des Staates bezogen auf die Kinderbetreuung und Familienfinanzierung eigentlich einschätzen. Hierzu kann das Selbstbild von Müttern eine Hilfe sein. Wenn dieses Selbstbild und familienpolitische Maßnahmen analysiert werden, kann man feststellen, wo Probleme oder Hindernisse in der aktuellen Familienpolitik liegen. Um die Analyse effektiver zu gestalten, sollte sie für mehrere Länder durchgeführt werden. Durch einen Vergleich der Ergebnisse können genauere Schlüsse gezogen werden. Frankreich charakterisiert sich durch eine der höchsten Geburtenraten Europas, einhergehend mit einer hohen Frauenerwerbstätigkeit und einem Ruf als familienfreundliches Land und […]
Leseprobe
Inhaltsverzeichnis
Katharina Heilmann 
Das Selbstbild deutscher und französischer Mütter 
Eine empirische Studie zur Familienpolitik 
ISBN: 978-3-8366-4520-1 
Herstellung: Diplomica® Verlag GmbH, Hamburg, 2010 
Zugl. Westsächsische Hochschule Zwickau, Zwickau, Deutschland, Diplomarbeit, 2009 
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© Diplomica Verlag GmbH 
http://www.diplomica.de, Hamburg 2010 
2 
Inhaltsverzeichnis 
Abbildungsverzeichnis... 3
Tabellenverzeichnis ... 4
1
EINLEITUNG ... 5
1.1
A
USGANGSÜBERLEGUNG
... 5
1.2
A
UFBAU DER 
A
RBEIT
... 6
1.3
Z
IEL DER 
A
RBEIT UND 
F
ORSCHUNGSFRAGEN
... 6
1.4
M
ETHODEN
... 7
2
DAS ,IMPACT MODEL' NACH KLAUS PETER STROHMEIER ... 8
3
FAMILIENPOLITIK IN DEUTSCHLAND UND FRANKREICH ... 11
3.1
E
NTWICKLUNG DER FRANZÖSISCHEN UND DEUTSCHEN 
F
AMILIENPOLITIK
... 11
3.1.1
Die Entwicklung der Familienpolitik in Deutschland ... 11
3.1.2
Die Entwicklung der Familienpolitik in Frankreich ... 13
3.2
H
EUTIGE 
R
ICHTLINIEN DER 
F
AMILIENPOLITIK IN 
D
EUTSCHLAND UND 
F
RANKREICH
... 16
3.2.1
Deutsche Richtlinien ... 16
3.2.2
Französische Richtlinien... 19
4
DIE ERSTELLUNG DER SELBSTBILDER ... 22
4.1
W
AS IST EIN 
S
ELBSTBILD
?... 22
4.2
A
UFBAU DER 
F
RAGEBÖGEN
... 23
4.3
D
URCHFÜHRUNG UND 
R
ÜCKLAUF DER 
U
MFRAGE
... 29
4.4
A
USWERTUNG DER 
F
RAGEBÖGEN
... 30
4.5
D
AS DEUTSCHE 
S
ELBSTBILD ALS 
E
RGEBNIS DER 
U
MFRAGE
... 48
4.6
D
AS FRANZÖSISCHE 
S
ELBSTBILD ALS 
E
RGEBNIS DER 
U
MFRAGE
... 50
5
LEBENSMODELLE IN DEUTSCHLAND UND FRANKREICH ... 53
5.1
B
EGRIFFSKLÄRUNG 
W
OHLFAHRTSSTAAT
... 53
5.2
L
EBENSMODELLE IN 
D
EUTSCHLAND UND IHRE 
E
NTWICKLUNG
... 54
5.3
L
EBENSMODELLE IN 
F
RANKREICH UND IHRE 
E
NTWICKLUNG
... 56
6
ANALYSE VON FAMILIENPOLITIK UND SELBSTBILDERN ... 58
6.1
A
NALYSE DER DEUTSCHEN 
S
ITUATION
... 58
6.2
A
NALYSE DER FRANZÖSISCHEN 
S
ITUATION
... 61
6.3
Z
USAMMENFASSUNG DER 
E
RGEBNISSE
... 63
7
RESÜMEE UND AUSBLICK... 64
Literaturverzeichnis ... 66
Anhang...
 69
3 
Abbildungsverzeichnis 
Abb. 1: Wirkungsmodell ,,simple impact model" ( Strohmeier 2002, 109) ... 8 
Abb. 2: Wirkungsmodell ,impact model' in Anlehnung an Klaus Peter Strohmeier ... 8 
Abb. 3: Deutscher und französischer Fragebogen Seite 1 ... 24 
Abb. 4: Deutscher und französischer Fragebogen Seite 2 ... 26 
Abb. 5: Deutscher und französischer Fragebogen Seite 3 ... 27 
Abb. 6: Deutscher und französischer Fragebogen Seite 4 ... 28 
Abb. 7: Die berufliche Situation der Mütter ... 30 
Abb. 8: Kinderwunsch der Frauen ... 31 
Abb. 9: Die berufliche Situation der Väter ... 31 
Abb. 10: Rabenmuttergefühl der Frauen ... 32 
Abb. 11: Rabenmuttergefühl der Frauen durch Umwelt ... 33 
Abb. 12: Rabenmuttergefühl der voll beschäftigten Frauen... 33 
Abb. 13: Rabenmuttergefühl bei voll berufstätigen Müttern durch die Umwelt... 34 
Abb. 14: Bedeutung des Kindergartens für die Sozialisation... 34 
Abb. 15: Selbstbetreuung... 35 
Abb. 16: Bedürfnisbefriedigung bei mehr als 5,8 h Kindergartenbesuch ... 36 
Abb. 17: Fremdbetreuung ... 36 
Abb. 18: Weitere Betreuungspersonen von Kindern ... 38 
Abb. 19: Schulzeit in Frankreich ... 40 
Abb. 20: Berufliche Förderung von Frauen... 40 
Abb. 21: Karrierechancen von Frauen ... 41 
Abb. 22: Entscheidung zwischen Karriere und Kind ... 41 
Abb. 23: Vereinbarung von Mutterliebe und Beruf... 42 
Abb. 24: Familienfreundlichkeit des eigenen Landes ... 42 
Abb. 25: Familienfreundlichkeit des jeweils anderen Landes ... 43 
Abb. 26: Wünsche der Mütter vom Staat ... 43 
Abb. 27: Berufsstände... 44 
Abb. 28: Alter des Kindes bei Wiederaufnahme des Berufs durch die Mutter ... 45 
Abb. 29: Gründe für die Arbeit... 46 
Abb. 30: Arbeiten oder zuhause bleiben... 47 
Abb. 31: Karriere und Verzicht auf Familie ... 47 
Abb. 32: Berufstätige Mütter in Frankreich, in Anlehnung an Fagnani 2003, 3 ... 57 
4 
Tabellenverzeichnis 
Tab. 1: Ganztägiger Kindergartenbesuch verhindert die Bedürfnisbefriedigung... 37 
Tab. 2: Fremdbetreuung der Kinder der zwölf deutschen Hausfrauen aus Tabelle 1 ... 37 
Tab. 3: Mütter bei Wiedereinstieg in Beruf, Kindesalter max. drei Monate ... 45 
Tab. 4: Alter des ersten Kindes bei Wiederaufnahme des Berufs ... 46 
5 
1
Einleitung 
1.1
Ausgangsüberlegung  
Deutschland  unterliegt  einem  gravierenden  demographischen  Wandel.  Eine  niedrige 
Geburtenrate  und  eine  steigende  Lebenserwartung  führten  zu  einer  Verschiebung  der 
Alterspyramide  hin  zu  einer  überalterten  Gesellschaft  mit  sinkender  Zahl  an  Erwerbs-
personen. Volkswirtschaftlich stellt dies ein großes Problem dar. Das Wachstumspoten-
tial  einer  Volkswirtschaft  wird  bestimmt  durch  die  Qualität  und  die  Quantität  der  er-
werbstätigen Bevölkerung, vorhandenes Kapital und technischen Fortschritt. Dies bestä-
tigt  auch  der  ehemalige  französische  Familienminister  Philippe  Bas:  ,,Der  Zusammen-
hang  zwischen  Wirtschaftswachstum  und  demographischer  Entwicklung  ist  unbestrit-
ten.  Ein  Land,  das  viele  Kinder  hat,  genießt  normalerweise  ein  höheres  Wirtschafts-
wachstum"  (Appel/  Schubert  2006).  Das  Durchschnittsalter  in  Deutschland  wird  stei-
gen, der prozentuale Anteil an erwerbstätigen Personen sinkt, wenn weiterhin zu wenige 
Kinder geboren werden. Deutschland hatte eine Geburtenrate von 1,3 Kindern pro Frau 
im Jahr 2006 (Pötzsch 2007, 16). Diese ist deutlich niedriger als die natürliche Repro-
duktionsrate von 2,1 Kindern pro Frau. Letztere jedoch ist nötig, um eine konstante Be-
völkerungszahl  zu  gewährleisten  (Schaible/  Schweiger/  Kaul  2006,  19).  Deutschlands 
niedrige Geburtenrate kann einer der Gründe für ein zukünftig niedriges Wachstumspo-
tential sein. Deshalb ist der demographische Wandel eine große Herausforderung für die 
deutsche  Familienpolitik.  Die  Erhöhung  der  Geburtenrate  muss  eines  der  Hauptziele 
sein. Weiterhin hat auch die Integration von Müttern auf dem Arbeitsmarkt positive Ef-
fekte,  sowohl  auf  Steuereinnahmen  und  Sozialversicherungsbeiträge  als  auch  auf  die 
Kaufkraft der Familien. Eine wichtige Voraussetzung, um die deutsche Familienpolitik 
hinsichtlich einer erhöhten Geburtenrate auszurichten, ist zu wissen, wie deutsche Müt-
ter  ihre  eigene  Rolle  und  die  Rolle  des  Staates  bezogen  auf  die  Kinderbetreuung  und 
Familienfinanzierung  eigentlich  einschätzen.  Hierzu  kann  das  Selbstbild  von  Müttern 
eine  Hilfe  sein.  Wenn  dieses  Selbstbild  und  familienpolitische  Maßnahmen  analysiert 
werden, kann man feststellen, wo Probleme oder Hindernisse in der aktuellen Familien-
politik  liegen.  Um  die  Analyse  effektiver  zu  gestalten,  sollte  sie  für  mehrere  Länder 
durchgeführt werden. Durch einen Vergleich der Ergebnisse können genauere Schlüsse 
gezogen werden. Frankreich charakterisiert sich durch eine der höchsten Geburtenraten 
Europas, einhergehend mit einer hohen Frauenerwerbstätigkeit und einem Ruf als fami-
lienfreundliches Land und bietet sich deshalb als zweites Land zur Analyse an.     
6 
1.2
Aufbau der Arbeit 
Zu Beginn der Arbeit werden Aufbau, Forschungsfragen und Methoden der Forschung 
darlegt (vgl. Kapitel 1). Den Rahmen der Arbeit stellt das in Kapitel 2 erläuterte ,impact 
model'  nach  Klaus  Peter  Strohmeier  dar.  Es  schließt  sich  eine  Untersuchung  wesentli-
cher Bestandteile der französischen und deutschen Familienpolitik an. Hierbei wird als 
erstes  auf  deren  Entwicklung  (vgl.  Kapitel  3.1)  eingegangen  und  zweitens  auf  heutige 
Richtlinien in beiden Länder (vgl. Kapitel 3.2). Kapitel 4 stellt die Forschungsarbeit in 
Orléans  und  in  Regensburg  dar.  Nach  einer  Definition  des  Begriffs  ,Selbstbild'  (vgl. 
Kapitel 4.1) wird gezeigt, wie die, für die Forschung verwendeten deutschen und fran-
zösischen Fragebögen aufgebaut sind (vgl. Kapitel 4.2). In der Folge wird darauf einge-
gangen,  wie  die  Umfrage  in  den  Vergleichsstädten  Regensburg  und  Orléans  verlaufen 
ist (vgl. Kapitel 4.3). Die von den Probanden ausgefüllten Fragebögen werden in Kapi-
tel  4.4  ausgewertet  und  anhand  deren  Auswertung  wird  in  Kapitel  4.5  das  Selbstbild 
einer deutschen und in Kapitel 4.6 das Selbstbild einer französischen Mutter erstellt. In 
Kapitel  5  werden  deutsche  und  französische  Lebensmodelle,  unter  Berücksichtigung, 
dass beide Staaten Wohlfahrtsstaaten sind, dargelegt. Eine Analyse der Familienpolitik 
in  Bezug  auf  das  Selbstbild  und  die  Lebensmodelle  in  Deutschland  und  Frankreich 
schließt sich in Kapitel 6 an. Es werden wesentliche Unterschiede zwischen den beiden 
Staaten  formuliert  (vgl.  Kapitel  6.3).  Kapitel  7  rundet  die  Arbeit  mit  einem  Resümee 
und einem Ausblick auf weitere Forschungsfelder ab. 
1.3
Ziel der Arbeit und Forschungsfragen 
Hauptziel der Arbeit ist es, ein Selbstbild deutscher und französischer Mütter zu erstel-
len. Darauf aufbauend soll herausgefunden werden, ob die jeweilige Familienpolitik der 
beiden Länder auf diese Selbstbilder eingeht. Es wird unterstellt, dass die Erhöhung der 
Geburtenrate eines der Hauptziele der Politik sein muss. 
Es stellen sich folgende Forschungsfragen: 
1.
Wie gestalten sich die Selbstbilder der deutschen und französischen Mütter und 
welche Rolle spielt die Vereinbarkeit von Familie und Beruf? 
2.
Inwieweit  gehen  die  deutsche  und  die  französische  Familienpolitik  auf  diese 
Selbstbilder ein? 
3.
Worin bestehen wesentliche Unterschiede zwischen Frankreich und Deutschland 
bezüglich der Beachtung des Selbstbildes? 
7 
1.4
Methoden 
Die  Arbeit  stützt  sich  zum  einen  auf  das  ,impact  model'  von  Klaus  Peter  Strohmeier. 
Auf dieses Modell wird im folgenden Kapitel gesondert eingegangen. Zum anderen ba-
sieren die Ergebnisse der Arbeit auf einer Fragebogenumfrage, welche in Kindergärten 
in Deutschland und in écoles maternelles in Frankreich gemacht wurden.  
Ausgangsüberlegung war es, einen geeigneten Zugang zu der Meinung von Müttern zu 
erlangen.  Da  für  die  Arbeit  eine  Verallgemeinerung  des  Selbstbildes  von Müttern  vor-
gesehen  war,  musste  eine  Methode  gefunden  werden,  mit  welcher  eine  repräsentative 
Zahl  an Probandinnen in die Auswertung eingebunden werden konnte.  Interviews  ges-
talteten  sich  daher  zu  zeitaufwendig  und  es  war  damit  zu  rechnen,  dass  viele  Mütter 
kein Interesse oder auch keine Zeit für ein ausführliches Interview haben. Somit fiel die 
Wahl auf den Fragebogen als geeignete Methode, mit möglichst vielen Müttern Kontakt 
aufzunehmen. Um die Fragebögen letztendlich auch direkt an Mütter zu richten, bot die 
Einrichtung Kindergarten in Deutschland bzw. die école maternelle als equivalente Ein-
richtung in Frankreich die beste Basis. Es konnte so vermieden werden, auch Fragebö-
gen an Frauen zu verteilen, welche gar keine Kinder haben. Im Rahmen der Einrichtung 
war außerdem zu erwarten, dass die Mütter die Fragebögen eher beantworten und abge-
ben, als sie bei einem Fragebogen zum Beispiel aus ihrem Briefkasten getan hätten.  
Für die Fragebogenaktion dienten Regensburg (Deutschland) und Orléans (Frankreich) 
als Vergleichsstädte. Regensburg ist eine westdeutsche Stadt mit 132.495 Einwohnern. 
Sie bot sich als Ort für die Forschung eher an als eine ostdeutsche Stadt, da das System 
der ehemaligen DDR dem französischen sehr ähnlich war. Somit wären beim Vergleich 
wahrscheinlich keine signifikanten Unterschiede festzustellen. Die Wahl einer französi-
schen  Stadt  fiel  auf  Orléans,  da  sie  mit  113.237 Einwohnern  etwa  ebenso  groß  ist  wie 
Regensburg. In verschiedenen ,écoles maternelles' in Orléans und Kindergärten in Re-
gensburg  wurden  Mütter  mit  Hilfe  von  Fragebögen  zum  Thema  Mutterrolle,  staatliche 
Unterstützung, Ganztagsbetreuung und Karriere befragt. Die Fragebögen wurden in der 
jeweiligen  Landessprache verfasst. Es ist zu beachten, dass die Kindergärten in beiden 
Städten  zufällig  ausgewählt  wurden.  Zur  Auswertung  der  Fragebögen  wurde  mit  dem 
Microsoft-Office-Programm EXCEL gearbeitet. Nicht alle Fragen wurden bei der Aus-
wertung  verwendet.  Nähere  Erläuterungen  zu  den  Fragebögen  und  deren  Auswertung 
sind in Kapitel 4 zu finden. 
8 
2
Das ,impact model' nach Klaus Peter Strohmeier 
In der Ausgabe ,Familienpolitik und Familienstrukturen' des Bundesinstituts für Bevöl-
kerungsforschung werden die Ergebnisse der gemeinsamen Jahrestagung der Deutschen 
Gesellschaft  für  Bevölkerungswissenschaft  und  der  Johann-Peter-Süßmilch-Gesell-
schaft für Demographie erläutert, welche vom 21. bis 23. Juni 2001 in Berlin stattfand. 
In dieser Ausgabe stellt Klaus Peter Strohmeier ein selbst entwickeltes Modell vor: das 
,,impact model" (Strohmeier 2002, 109). Dieses soll die Zusammenhänge zwischen Fa-
milienpolitik,  dem  Leben  von  Familien  und  der  Geburtenrate  eines  Landes  verdeutli-
chen.  Zu  Anfang  geht  Strohmeier  auf  das  von  Politikern  häufig  angewendete  ,,simple 
impact model" (2002, 109) ein.  
Abb. 1: Wirkungsmodell ,,simple impact model" ( Strohmeier 2002, 109) 
Es besagt, dass eine politische Maßnahme einen daraus resultierenden Prozess anregt, in 
dessen  Folge  ein  beabsichtigter  Effekt  erzielt  wird  (vgl.  Abb.  1).  Strohmeier  kritisiert, 
dass Akteure in diesem Prozess zum Teil als ,,,politikresistente' soziale Gebilde" (2002, 
110)  gesehen  werden.  Seiner  Meinung  nach  sind  die  Akteure  im  familienpolitischen 
System als ,,[...] autonom und rational handelnde[n] Akteure[n]" (2002, 110) zu behan-
deln,  um  sinnvolle  Wirkungsmodelle  zu  erstellen.  Ihn  interessiert  deswegen  vor  allem 
der  ,causal  process',  in  welchem  die  Familien  der  wichtigste  Bestandteil  sind.  Er  ver-
sucht, ein genaueres Wirkungsmodell aufzustellen, in welchem die Familienpolitik den 
Input  und  die,  im  besten  Fall  erhöhte  Geburtenrate  am  Ende  der  Kette  den  Effekt  des 
Prozesses  darstellt.  Durch  eine  Präzisierung  des  ,causal  process'  soll  der  Wirkungszu-
sammenhang zwischen Familienpolitik und Geburtenrate aufgezeigt werden. Als Erstes 
stellt  Strohmeier  fest,  dass  es  einen  ,,[...]  Zusammenhang  zwischen  dem  Politikprofil 
[...]  und  der  Struktur  der  privaten  Lebensformen"  (2002,  113)  gibt.  Jedoch  ist  dieser 
Zusammenhang nur indirekt. 
Abb. 2: Wirkungsmodell ,impact model' in Anlehnung an Klaus Peter Strohmeier 
9 
Durch die starke Individualisierung in den sechziger und siebziger Jahren des 20. Jahr-
hunderts  leben  viele  Menschen  in  Europa  heute  ihr  selbst  bestimmtes  Leben,  sie  ent-
scheiden sich für eine Lebensform, indem sie zwischen verschiedenen Handlungsalter-
nativen  wählen,  welche  im  Modell  unter  dem  Begriff  ,biografische  Optionen'  zusam-
mengefasst  werden  (vgl.  Abb.  2).  Beispiele  hierfür  sind  die  Entscheidung  für  oder  ge-
gen  ein  Studium,  für  oder  gegen  eigene  Kinder  und  die  Wahl  der  Arbeit.  Individuen 
definieren ihre Situation, entscheiden sich nach einer bestimmten Logik für biografische 
Optionen und daraus entwickelt sich für sie eine private  Lebensform, zum Beispiel als 
arbeitende  Mutter,  als  kinderlose  Karrierefrau  oder  etwa  als  verheiratete  Hausfrau  mit 
mehreren Kindern.  Die  Phase der Realisierung ist gekennzeichnet durch  die Alltagsor-
ganisation. Aus individuellen Lebensläufen mehrerer Personen muss unter den gegebe-
nen  Randbedingungen  eine  abgestimmte  Lebensorganisation  entstehen  (Strohmeier 
2002,  117).  Diese  wird  von  familienpolitischen  Maßnahmen  erleichtert  oder  erschwert 
(ebd.,  117).  Im  Folgenden  werden  die  Maßnahmen  auf  bundespolitischer  Ebene  die 
Hauptrolle spielen, da es um einen Vergleich zwischen Frankreich und Deutschland als 
Länder  geht.  Strohmeier  stellt  die  Geburtenrate  als  ,,[...]  abstrahiertes  [...]  Aggregat" 
(2002, 111) der privaten Lebensform von Frauen dar. Die Entscheidung für oder gegen 
eine biografische Option wird von der Familienpolitik beeinflusst (ebd., 115). Mit Hilfe 
familienpolitischer Maßnahmen kann deren Vielfalt erhöht werden.  
Für  die  Wahl  einer  Option  spielen  nicht  nur  die von  der  Familienpolitik beeinflussten, 
sondern auch die von der Gesellschaft akzeptierten Möglichkeiten eine Rolle. Daher ist 
in beiden Fällen der Kultur besondere Bedeutung zu schenken.  
Kultur ist etwas, was jeder hat. Sie prägt Individuen und Individuen prägen eine Kultur. 
Durch  Interaktion  zwischen  Kulturmitgliedern  wird  Kultur  permanent  geschaffen.  Sie 
ist identitätsstiftend und kann das Handeln steuern, bestimmt es aber nicht (Otten 2004, 
7). Nünning definiert Kultur als ,,[...] die Gesamtheit der vom Menschen selbst hervor-
gebrachten  und  im  Verlauf  der  Sozialisation  erworbenen  Voraussetzungen  sozialen 
Handelns"  (2009,  2)  und  präzisiert,  dass  er  damit  die  charakteristischen  ,,[...]  Arbeits- 
und  Lebensformen, Denk- und Handlungsweisen, Wertvorstellungen und geistigen  Le-
bensäußerungen einer Gemeinschaft" (2009, 2) meint.  
In  der  Folge  wird  die  heutige  Sichtweise  deutscher  und  französischer  Mütter  auf  ihre 
Rolle  untersucht  und  ein  Selbstbild  dieser  Mütter  erstellt.  Dieses  soll  hinsichtlich  der, 
den  Müttern  zur  Auswahl  stehenden  biografischen  Optionen  analysiert  werden.  Zum 
Verständnis  des  Selbstbildes  und  der  heutigen  Richtlinien  der  Familienpolitik  in   
10 
Frankreich  und  in  Deutschland,  wird  auf  die  Entwicklung  von  Familienmodellen  und 
auf  familienpolitische  Traditionen  eingegangen.  Damit  wird  deutlich,  wie  die  im  ,im-
pact model' dargestellte Kultur Einfluss auf Politik und biografische Optionen nimmt.  
Da Kultur typische Handlungsweisen und Wertvorstellungen darstellt, kann anhand der 
politischen Geschichte eines Landes gezeigt werden, ob aktuelle politische Maßnahmen 
auf  Traditionen  beruhen  und  somit  von  einer  politischen  Kultur  gesprochen  werden 
kann.  Dies  soll  durch  die  in  Kapitel  3.1  dargestellte  Entwicklung  der  deutschen  und 
französischen Familienpolitik und den in Kapitel 3.2 erläuterten heutigen Richtlinien in 
Deutschland und Frankreich aufgezeigt werden. 
In Kapitel 5 wird thematisiert, wie sich die Kultur bezüglich der Familienmodelle in den 
letzten  Jahrhunderten  entwickelt  hat  und  inwieweit  sich  die  typischen  Lebensformen 
und Denkweisen verändert haben. Da sich Kultur ständig wandelt (Otten 2004, 7), kann 
einem  Land  kein  festes  Familienmodell  zugeordnet  werden.  Durch  externe  Einflüsse, 
veränderte Wahrnehmungen und Erfahrungen werden Ansichten geändert und durch die 
bereits erwähnte Sozialisation von Generation zu Generation weitergegeben. Somit ver-
ändern sich auch Familienmodelle. Wenn allerdings bestimmte Traditionen sehr fest in 
den Köpfen der Menschen verankert sind, kann es sein, dass sich ein kultureller Wandel 
nur  schwer  vollzieht,  selbst  wenn  ihn  viele  Kulturmitglieder  anstreben.  Ob  dies  in 
Deutschland und Frankreich der Fall ist, wird in Kapitel 5 untersucht.  
Ziel  ist  es,  zu  erörtern,  ob  die  Familienpolitik  in Deutschland  und  in  Frankreich  durch 
ihre Maßnahmen in der Lage sein kann bzw. in der Lage ist, die Geburtenrate des Lan-
des zu erhöhen, indem sie auf das Selbstbild der Mütter eingeht.  
11 
3
Familienpolitik in Deutschland und Frankreich 
3.1
Entwicklung der französischen und deutschen Familienpolitik 
3.1.1
Die Entwicklung der Familienpolitik in Deutschland 
In diesem Kapitel wird die Entwicklung der deutschen Familienpolitik erläutert, um zu 
zeigen, welche Traditionen den heutigen Richtlinien zugrunde liegen. Die Entwicklung 
in der Deutschen Demokratischen Republik spielt in dieser Arbeit keine Rolle. 
Das  entscheidende  Jahr  für  die  Entwicklung  der  Familienpolitik  der  Bundesrepublik 
Deutschland  war  das  Jahr  1953.  In  diesem  Jahr  wurde  beschlossen,  ein  Bundesfamili-
enministerium einzurichten, welches sich von nun an um familienpolitische Angelegen-
heiten  kümmern  sollte  (Wingen  2003,  3).  Das  ausgewiesene  Ziel  des  Bundesfamilien-
ministeriums  war  die  Wahrung  der  traditionellen  Arbeitsteilung  und  Rollenwahrneh-
mung von Mann und Frau in der Gesellschaft (Gerlach 2008, 54). Der Mann sollte die 
Möglichkeit  haben,  seine  Familie  zu  ernähren,  arbeitende  Frauen  bzw.  Mütter  wurden 
als  ,,Gefährdung  der  Funktionserfüllung  von  Familie"  (ebd.,  54)  angesehen.  Um  die 
Mutter zum Hausfrauendasein zu bewegen, wurde 1954 ein Kindergeld ab dem dritten 
Kind in Höhe von 25 DM im Kindergeldgesetz verankert, welches aus der Arbeitgeber-
kasse  gezahlt wurde (ebd., 54). 1959 wurde es  auf 40 DM ab dem dritten Kind erhöht 
(ebd.,  54).  Die  Rollenverteilung  wurde  1957  im  Gleichberechtigungsgesetz  durch  den 
Bundestag definiert:  
Es gehört zu den Funktionen eines Mannes, dass er grundsätzlich der Erhalter und Ernährer der 
Familie ist, während die Frau es als ihre vornehmste Aufgabe ansehen muss, das Herz der Fami-
lie zu sein. (Pinl 2003, 6) 
1961  erfolgte  die  Einführung  des  Kindergeldes  für  das  zweite  Kind  einer  Familie  in 
Höhe von 25 DM, gezahlt aus Bundesmitteln (Gerlach 2008, 54). Laut Gerlach begann 
die Familienpolitik in den 1960er Jahren langsam, sich vom traditionellen Mutterbild zu 
lösen (2008, 54). Die öffentliche Kritik an arbeitenden Müttern sank und die Politik be-
gann  sich  gegenüber  einem  variableren  Mutterleitbild  zu  öffnen  (ebd.,  55).  In  den  fol-
genden  Jahrzehnten  wurde  vor  allem  die  finanzielle  Unterstützung  von  Familien  mit 
Kindern ausgebaut. Von 1959 bis 2002 wurde in regelmäßigen Abständen das Kinder-
geld  angepasst  und  belief  sich  2002  auf  154  für  das  erste  und  zweite  Kind  (Gerlach 
2008,  60).  Ebenso  stiegen  die  Kinderfreibeträge  von  600DM  im  Jahr  1949  auf  3.648 
im Jahr 2002 (ebd., 60). Bis Ende der 1960er Jahre lag die Familienpolitik in den Hän-
den  der  CDU.  Als  1969  mit  Käthe  Strobel  die  sozial-liberale  Koalition  die  Regierung 
12 
übernahm,  erfolgte  eine  Öffnung  des  bis  dahin  stark  begrenzten  Familienbegriffs  (On-
nen-Isemann  2003,  36).  Durch  Kleinkinderpädagogik  und  Ganztagsschulen  sollte  die 
beginnende  Erwerbstätigkeit  von  Müttern  unterstützt  werden  (ebd.,  36).  Die  Gegner 
dieser liberalen Politik kritisierten im Zweiten Familienbericht
1
 1974 die durch die Zu-
nahme  von  erwerbstätigen  Müttern  entstehenden  Sozialisationsstörungen  und  Erzie-
hungsmängel der Kinder (ebd., 36f.). In den Augen der Politiker war diese Entwicklung 
ein Funktionsverlust der Familie und somit versuchte man, die Mütter wieder zur Haus-
arbeit zu bewegen, indem die Hausarbeit im Ansehen aufgewertet wurde (ebd., 37). Als 
Reaktion  auf  den  dritten  Familienbericht  1979,  welcher  von  ,,Konfliktsituationen  der 
Mutter"  (Onnen-Isemann  2003,  57)  sprach,  sollte  die  Hausfrauenarbeit  erneut  durch 
Anerkennung  der  Leistung  der  Mütter  und  weiterer  finanzieller  Unterstützung  aufge-
wertet werden (ebd., 37). Dennoch sind in diesem Bericht auch erste Ansätze zu finden, 
wonach  ,,[...]  eine  Ausdehnung  und  Verbesserung  des  Kinderbetreuungsangebotes   
auch in der Nähe der Arbeitsstätten  und eine Änderung der Arbeitszeiten" (Sachver-
ständigenkommission  1979,  7)  von  Bedeutung  seien.  Die  Politiker  mussten  einsehen, 
dass  aufgrund  der  wirtschaftlichen  Situation  einiger  Familien  ein  zweites  Einkommen 
notwendig war (Pinl 2003, 6). Jedoch ist in den nächsten Jahren nicht zu erkennen, dass 
diesen  Vorsätzen  wichtige  politische  Maßnahmen  folgten.  Das  Hauptaugenmerk  lag 
immer noch auf der finanziellen Unterstützung durch Kindergeld und Kinderfreibetrag 
(Sickinger 2005, 3). Was die arbeitenden Mütter betrifft, so betrachtet Gerlach die Ein-
führung des Mutterschaftsurlaubs 1979 als ersten Schritt zur Vereinbarung von Familie 
und  Beruf  (2008,  55).  Kritiker  sagen  jedoch,  dass  diese  Maßnahme  weniger  dazu  ge-
dacht war, die Doppelbelastung dieser Mütter zu verringern, als sie zur Senkung der zu 
diesem  Zeitpunkt  hohen  Arbeitslosenzahlen  nach  Hause  zu  locken  (Pinl  2003,  7).  Die 
Bundesministerin für Jugend,  Familie und Gesundheit der CDU, Rita Süssmuth, setzte 
1985  das  ,,Gesetz  über  die  Gewährung  von  Erziehungsgeld  und  Erziehungsurlaub" 
(Gerlach  2008,  57)  in  Kraft,  wonach  seit  dem  1.1.1986  alle  Mütter  oder  Väter  von  ei-
nem Erziehungsgeld über 600DM und Erziehungsurlaub profitieren konnten (ebd., 57). 
Der  qualitative  und  quantitative  Ausbau  von  Betreuungsmöglichkeiten  fand  in  den 
1970er  und  1980er  Jahren  in  Westdeutschland  wenig  Berücksichtigung.  Obwohl 
schließlich im Zweiten Gleichberechtigungsgesetz von 1994 im Artikel 1, Abschnitt 1, 
1
 Seit 1968 werden  von der deutschen Bundesregierung Familienberichte  veröffentlicht. Diese sind eine 
wissenschaftliche  Aufarbeitung und Zusammenstellung aktueller, familienspezifischer Themen  und Ent-
wicklungen.  Die  Berichte  werden  von  einer  unabhängigen  Sachverständigenkommission  erstellt  und  zu 
jedem Bericht gibt es eine sich darauf beziehende Stellungnahme der Bundesregierung. 
13 
Paragraph 2 unter anderem festgelegt wird, dass ,,[...] die Vereinbarkeit von Familie und 
Beruf für Frauen und Männer zu fördern" (Bundesgesetzblatt 1979, Teil 1 S. 1406) ist, 
wurde erst mit dem Kinder- und Jugendhilfegesetz 1996 im Sozialgesetzbuch das Recht 
auf  einen  Kindergartenplatz  für  alle  Dreijährigen  eingeführt  (Gerlach  2008,  59).  Nach 
dem Tagesbetreuungsausbaugesetz 2005 soll bis 2010 ein Ausbau der Betreuungsmög-
lichkeiten für unter dreijährige Kinder erfolgen, bei welchem vor allem auf eine Quali-
tätssteigerung Wert gelegt werden soll (Gerlach 2008, 61). 
Es  ist  zu  erkennen,  dass  der  Ausbau  der  finanziellen  Unterstützungen  und  Vergünsti-
gungen für Familien bis 2005 die typische Handlungsweise der deutschen Familienpoli-
tik  war.  Auf  den  Ausbau  von  Betreuungsmöglichkeiten  für  Kinder  wurde  wenig  Wert 
gelegt, die familienpolitische Tradition Deutschlands bestand vor allem aus finanziellen 
Maßnahmen.  
3.1.2
Die Entwicklung der Familienpolitik in Frankreich 
Schon 1914 sind in Frankreich die ersten Anzeichen der pronatalistischen
2
 Familienpo-
litik  festzustellen,  da  für  die  Einkommenssteuer  Kinderfreibeträge  festgesetzt  wurden. 
Mit  dem  ,Code  de  la  famille'  wurde  im  Jahr  1939  das  Kindergeld  massiv  angehoben, 
was  einen  Geburtenboom  mit  sich  zog  (Onnen-Isemann  2003,  35).  Im  Gegensatz  zur 
westdeutschen  Politik  machte  sich  die  französische  Familienpolitik  auch  gleich  nach 
dem  Zweiten  Weltkrieg  viele  Gedanken  um  das  Wohlergehen  von  Mutter  und  Kind 
(Fagnani 2003, 1). Es wurde eine ,Allocation de Salaire Unique' festgelegt, eine Hilfe, 
welche unabhängig vom Einkommen einer Familie zukam und die ab dem zweiten Kind 
erhöht  wurde.  Da  diese  staatliche  Hilfe  den  Hintergrund  hatte,  die  demografischen 
Probleme,  welche  durch  den  Zweiten  Weltkrieg  entstanden  sind,  zu  beseitigen,  waren 
auch  ausländische  und  uneheliche  Kinder  nicht  von  dieser  Hilfe  ausgeschlossen  (ebd., 
2). Laut Onnen-Isemann wurde in dieser Zeit auf eine rückgängige Zahl an Drei- bzw. 
Mehrkinderfamilien  mit  gezielter  finanzieller  Unterstützung  reagiert,  unter  anderem  in 
Form  von  Familienzulagen  und  einer  Erhöhung  des  Mutterschaftsurlaubs  auf  26  Wo-
chen (2003, 35). Bis Ende der 1960er Jahre war somit das gängige,  geförderte  Famili-
enmodell  das  des  arbeitenden  Ehemanns  und  der  Hausfrau.  Jedoch  hielt  der  niedrige 
Satz der ,Allocation de Salaire Unique' die Frauen nicht lange zurück, sich eine Arbeit 
zu suchen.  
2
 pronatalistisch = geburtenfördernd 
14 
Im Vergleich zu Deutschland begann schon Ende der 1960er Jahre ein Umdenken unter 
den französischen Familienpolitikern:  
Ainsi,  à  la  fin  des  années  soixante,  si  les  responsables  politiques  ne  cherchaient  pas  encore  à 
aider les mères à s'investir dans la sphère économique, ils ne cherchaient plus à les en dissuader. 
(Fagnani 2003, 2)  
Trotzdem  hofften  die  Politiker  laut  Onnen-Isemann  noch  bis  Ende  der  1970er  Jahre, 
dass  man  die  Geburtenrate  erhöhen  könnte,  indem  man  Frauen  forciert,  zuhause  zu 
bleiben (2003, 35). An dieser Stelle ist zu sagen, dass sich laut der Erklärung von Kultur 
(vgl. Kapitel 2) vor allem in diesem Zeitraum ein offensichtlicher Wandel dieser famili-
enpolitischen  Kultur  vollzog.  Vor  allem  durch  die  1968er  Bewegung  veränderte  sich 
das Denken und Handeln der Menschen (vgl. Kapitel 5.3). Die Frau ist nicht länger die 
Hausfrau und Mutter, sondern beginnt, ihre gesellschaftliche Position ausbauen zu wol-
len.  Fagnani  zeigt  auf,  dass  seit  Anfang  der  1970er  Jahre  Frauen  geholfen  wurde,  auf 
dem Arbeitsmarkt zu bestehen (2003, 2). Dies geschah unter anderem durch die 1972 in 
Kraft  getretenen Gesetze zur Angleichung der  Löhne zwischen den Geschlechtern und 
zur staatlichen Beihilfe für die Kinderbetreuung. 1971 wurde ein Steigerung der Vergü-
tung  während  des  Mutterschaftsurlaubs  beschlossen  und  bis  1975  wurde  die  Kinder-
krippenkapazität auf 47.000 Plätze erhöht (ebd.,  2). Seit 1977 ist die Qualität der Kin-
derbetreuung  von  hoher  familienpolitischer  Bedeutung.  In  diesem  Jahr  bekamen  Kin-
dermädchen den Status einer Arbeitnehmerin und auch in Kinderkrippen wurden ausge-
bildete  Betreuerinnen  eingesetzt  (ebd.,  3).  Diese  Maßnahme  führte  zu  einer  stetigen 
Verbesserung des Rufs der Kinderkrippen unter arbeitenden Eltern.  
Ce  type  d'établissement,  où  la  qualification  et  la  compétence  du  personnel  d'encadrement 
avaient été largement reconnues, était  gratifié d'un indice  de satisfaction élevé par ses  usagers. 
(Fagnani 2003, 3) 
Auch  dieser  Schritt  führt  zu  einer  weiteren  kulturellen  Entwicklung:  Kindermädchen 
und Kinderkrippen werden Teil der französischen Kultur. Fagnani resümiert, dass somit 
schon  Mitte  bis  Ende  der  1970er  Jahre  eine  Tendenz  zu  einer  Politik  zu  erkennen  ist, 
welche  sich  der  Notwendigkeit  einer  Integration  arbeitender  Mütter  bewusst  ist  (2003, 
3). Anfang der 1980er Jahre führt die Entwicklung der Einstellung zu Arbeit von Frauen 
und  die  Förderung  von  arbeitenden  Müttern  zu  einer  signifikanten  Steigerung  des  An-
teils berufstätiger Mütter von 26% im Jahr 1968 auf 54% im Jahr 1982 (Fagnani 2003, 
3).  Dieser  Anstieg  rückt  die  Kleinkindbetreuung  in  das  staatliche  Interesse.  Durch  die 
Förderung  und  Schaffung  von  Arbeitsplätzen  in  diesem  Dienstleistungsbereich  streben 
in  der  Folge  noch  mehr  Frauen  auf  den  Arbeitsmarkt,  da  diese  Arbeitsplätze  typische 
15 
Tätigkeitsfelder  von  Frauen  darstellen  (Onnen-Isemann  2003,  35).  Außerdem  werden 
Leistungen  zu  Gunsten  von  Familien  erweitert  und  angehoben,  was  das  Familienein-
kommen  deutlich  erhöht  (ebd.,  35).  Um  einer  sinkenden  Betreuungsgüte  vorzubeugen 
wird weiter stark in Qualität und auch in Quantität investiert (ebd., 35). Die école ma-
ternelle, ,,[...] une vieille institution, spécifiquement française, créée en 1881" (Fagnani 
2003,  3),  gewinnt  zunehmend  an  Bedeutung.  Die  positiven  Meinungen  von  Experten, 
diese Betreuungseinrichtung sei gut für die Entwicklung der Kinder, sollten die Schuld-
gefühle von arbeitenden Müttern vermindern (ebd., 3). Mit Hilfe der ,contrats crèches' 
im Jahr 1983 zwischen Staat und Gemeinden versucht die CNAF
3
 diese zu ermutigen, 
die  Anzahl  ihrer  Krippenplätze  zu  erhöhen.  Im  Laufe  von  fünf  Jahren  sollten  40%  der 
unter  dreijährigen  Kinder  einen  Krippenplatz  bekommen.  Durch  angepasste  Öffnungs-
zeiten  und  auch  einer  Aufnahme  von  leicht  behinderten  Kindern  wurden  sowohl  die 
Qualität  der  Kinderkrippen  als  auch  deren  Kapazität  gesteigert  (Gassier/  de  Saint-
Sauveur 2007, 140f.). Bis 1988 werden daraufhin ungefähr 20.000 neue Plätze geschaf-
fen (Fagnani 2003, 4).  
1988 wurden die ,contrats crèches' durch die ,contrats enfance' abgelöst. Um eine bes-
sere Betreuung der Kinder im Alter von drei bis sechs Jahren zu gewährleisten, wurden 
die Gemeinden aufgefordert, mit Unterstützung der CAF
4
 die Qualität der Betreuungs-
einrichtungen,  den  Informationsfluss  zwischen  Einrichtung  und  Eltern  und  die  Perso-
nalausbildung zu steigern (Gassier/ de Saint-Sauveur 2007, 141). Die CAF diente dabei 
nicht  nur  zur  finanziellen,  sondern  auch  zur  inhaltlichen  Unterstützung  und  Kontrolle. 
Fagnani  schreibt,  es  sei  das  Ziel  der  Familienpolitik  der  1990er  Jahre  gewesen,  die    
Betreuungskosten  für  Familien  zu  senken  und  individuelle  Betreuungsmöglichkeiten 
auszubauen,  letzteres  auch  um  gegen  die  Arbeitslosigkeit  vorzugehen  (2003,  4).  Des-
wegen wurde eine Leistung für jene Eltern eingeführt, die ihr unter sechsjähriges Kind 
von einem Kindermädchen betreuen lassen: die AFEAMA
5
.  Zudem erfolgte eine Pro-
fessionalisierung dieser Kindermädchen mittels einer zusätzlichen Ausbildung innerhalb 
von fünf Jahren nach der Grundausbildung (Fagnani 2003, 4). Resultat war ein Anstieg 
der Anzahl der Familien, welche ein Kindermädchen beschäftigten, von 110.000 Fami-
lien 1991 auf 580.000 Familien im Juni 2002 (ebd., 4). Die Kindermädchen hatten sich 
als Teil der französischen Kultur etabliert. Zudem subventioniert der Staat seit Anfang 
der  1990er  Jahre  Vollzeitarbeitsplätze  in  der  Kinderbetreuung  und  -pflege                      
3
 CNAF = Caisse National d'Allocation Familiale; vgl. Kapitel 3.2.2 
4
 CAF = Caisse d'Allocation Familiale; regionale Kassen zur Unterstützung der CNAF; vgl. Kapitel 3.2.2 
5
 AFEAMA = Aide à la Famille pour l'Emploi d'une Assistante Maternelle Agréée 
Details
- Seiten
 - Erscheinungsform
 - Originalausgabe
 - Erscheinungsjahr
 - 2009
 - ISBN (eBook)
 - 9783836645201
 - Dateigröße
 - 1.1 MB
 - Sprache
 - Deutsch
 - Institution / Hochschule
 - Westsächsische Hochschule Zwickau, Standort Zwickau – Sprachen, Wirtschaftsromanistik
 - Erscheinungsdatum
 - 2014 (April)
 - Note
 - 1,3
 - Schlagworte
 - frankreich kinder kultur selbstbild fremdbetreuung
 - Produktsicherheit
 - Diplom.de