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Das Selbstbild deutscher und französischer Mütter

Eine empirische Studie zur Familienpolitik

©2009 Diplomarbeit 72 Seiten

Zusammenfassung

Inhaltsangabe:Einleitung:
Deutschland unterliegt einem gravierenden demographischen Wandel. Eine niedrige Geburtenrate und eine steigende Lebenserwartung führten zu einer Verschiebung der Alterspyramide hin zu einer überalterten Gesellschaft mit sinkender Zahl an Erwerbspersonen. Volkswirtschaftlich stellt dies ein großes Problem dar. Das Wachstumspotential einer Volkswirtschaft wird bestimmt durch die Qualität und die Quantität der erwerbstätigen Bevölkerung, vorhandenes Kapital und technischen Fortschritt. Dies bestätigt auch der ehemalige französische Familienminister Philippe Bas: ‘Der Zusammenhang zwischen Wirtschaftswachstum und demographischer Entwicklung ist unbestritten. Ein Land, das viele Kinder hat, genießt normalerweise ein höheres Wirtschaftswachstum’. Das Durchschnittsalter in Deutschland wird steigen, der prozentuale Anteil an erwerbstätigen Personen sinkt, wenn weiterhin zu wenige Kinder geboren werden.
Deutschland hatte eine Geburtenrate von 1,3 Kindern pro Frau im Jahr 2006. Diese ist deutlich niedriger als die natürliche Reproduktionsrate von 2,1 Kindern pro Frau. Letztere jedoch ist nötig, um eine konstante Bevölkerungszahl zu gewährleisten. Deutschlands niedrige Geburtenrate kann einer der Gründe für ein zukünftig niedriges Wachstumspotential sein. Deshalb ist der demographische Wandel eine große Herausforderung für die deutsche Familienpolitik. Die Erhöhung der Geburtenrate muss eines der Hauptziele sein. Weiterhin hat auch die Integration von Müttern auf dem Arbeitsmarkt positive Effekte, sowohl auf Steuereinnahmen und Sozialversicherungsbeiträge als auch auf die Kaufkraft der Familien. Eine wichtige Voraussetzung, um die deutsche Familienpolitik hinsichtlich einer erhöhten Geburtenrate auszurichten, ist zu wissen, wie deutsche Mütter ihre eigene Rolle und die Rolle des Staates bezogen auf die Kinderbetreuung und Familienfinanzierung eigentlich einschätzen. Hierzu kann das Selbstbild von Müttern eine Hilfe sein. Wenn dieses Selbstbild und familienpolitische Maßnahmen analysiert werden, kann man feststellen, wo Probleme oder Hindernisse in der aktuellen Familienpolitik liegen. Um die Analyse effektiver zu gestalten, sollte sie für mehrere Länder durchgeführt werden. Durch einen Vergleich der Ergebnisse können genauere Schlüsse gezogen werden. Frankreich charakterisiert sich durch eine der höchsten Geburtenraten Europas, einhergehend mit einer hohen Frauenerwerbstätigkeit und einem Ruf als familienfreundliches Land und […]

Leseprobe

Inhaltsverzeichnis


Katharina Heilmann
Das Selbstbild deutscher und französischer Mütter
Eine empirische Studie zur Familienpolitik
ISBN: 978-3-8366-4520-1
Herstellung: Diplomica® Verlag GmbH, Hamburg, 2010
Zugl. Westsächsische Hochschule Zwickau, Zwickau, Deutschland, Diplomarbeit, 2009
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© Diplomica Verlag GmbH
http://www.diplomica.de, Hamburg 2010

2
Inhaltsverzeichnis
Abbildungsverzeichnis... 3
Tabellenverzeichnis ... 4
1
EINLEITUNG ... 5
1.1
A
USGANGSÜBERLEGUNG
... 5
1.2
A
UFBAU DER
A
RBEIT
... 6
1.3
Z
IEL DER
A
RBEIT UND
F
ORSCHUNGSFRAGEN
... 6
1.4
M
ETHODEN
... 7
2
DAS ,IMPACT MODEL' NACH KLAUS PETER STROHMEIER ... 8
3
FAMILIENPOLITIK IN DEUTSCHLAND UND FRANKREICH ... 11
3.1
E
NTWICKLUNG DER FRANZÖSISCHEN UND DEUTSCHEN
F
AMILIENPOLITIK
... 11
3.1.1
Die Entwicklung der Familienpolitik in Deutschland ... 11
3.1.2
Die Entwicklung der Familienpolitik in Frankreich ... 13
3.2
H
EUTIGE
R
ICHTLINIEN DER
F
AMILIENPOLITIK IN
D
EUTSCHLAND UND
F
RANKREICH
... 16
3.2.1
Deutsche Richtlinien ... 16
3.2.2
Französische Richtlinien... 19
4
DIE ERSTELLUNG DER SELBSTBILDER ... 22
4.1
W
AS IST EIN
S
ELBSTBILD
?... 22
4.2
A
UFBAU DER
F
RAGEBÖGEN
... 23
4.3
D
URCHFÜHRUNG UND
R
ÜCKLAUF DER
U
MFRAGE
... 29
4.4
A
USWERTUNG DER
F
RAGEBÖGEN
... 30
4.5
D
AS DEUTSCHE
S
ELBSTBILD ALS
E
RGEBNIS DER
U
MFRAGE
... 48
4.6
D
AS FRANZÖSISCHE
S
ELBSTBILD ALS
E
RGEBNIS DER
U
MFRAGE
... 50
5
LEBENSMODELLE IN DEUTSCHLAND UND FRANKREICH ... 53
5.1
B
EGRIFFSKLÄRUNG
W
OHLFAHRTSSTAAT
... 53
5.2
L
EBENSMODELLE IN
D
EUTSCHLAND UND IHRE
E
NTWICKLUNG
... 54
5.3
L
EBENSMODELLE IN
F
RANKREICH UND IHRE
E
NTWICKLUNG
... 56
6
ANALYSE VON FAMILIENPOLITIK UND SELBSTBILDERN ... 58
6.1
A
NALYSE DER DEUTSCHEN
S
ITUATION
... 58
6.2
A
NALYSE DER FRANZÖSISCHEN
S
ITUATION
... 61
6.3
Z
USAMMENFASSUNG DER
E
RGEBNISSE
... 63
7
RESÜMEE UND AUSBLICK... 64
Literaturverzeichnis ... 66
Anhang...
69

3
Abbildungsverzeichnis
Abb. 1: Wirkungsmodell ,,simple impact model" ( Strohmeier 2002, 109) ... 8
Abb. 2: Wirkungsmodell ,impact model' in Anlehnung an Klaus Peter Strohmeier ... 8
Abb. 3: Deutscher und französischer Fragebogen Seite 1 ... 24
Abb. 4: Deutscher und französischer Fragebogen Seite 2 ... 26
Abb. 5: Deutscher und französischer Fragebogen Seite 3 ... 27
Abb. 6: Deutscher und französischer Fragebogen Seite 4 ... 28
Abb. 7: Die berufliche Situation der Mütter ... 30
Abb. 8: Kinderwunsch der Frauen ... 31
Abb. 9: Die berufliche Situation der Väter ... 31
Abb. 10: Rabenmuttergefühl der Frauen ... 32
Abb. 11: Rabenmuttergefühl der Frauen durch Umwelt ... 33
Abb. 12: Rabenmuttergefühl der voll beschäftigten Frauen... 33
Abb. 13: Rabenmuttergefühl bei voll berufstätigen Müttern durch die Umwelt... 34
Abb. 14: Bedeutung des Kindergartens für die Sozialisation... 34
Abb. 15: Selbstbetreuung... 35
Abb. 16: Bedürfnisbefriedigung bei mehr als 5,8 h Kindergartenbesuch ... 36
Abb. 17: Fremdbetreuung ... 36
Abb. 18: Weitere Betreuungspersonen von Kindern ... 38
Abb. 19: Schulzeit in Frankreich ... 40
Abb. 20: Berufliche Förderung von Frauen... 40
Abb. 21: Karrierechancen von Frauen ... 41
Abb. 22: Entscheidung zwischen Karriere und Kind ... 41
Abb. 23: Vereinbarung von Mutterliebe und Beruf... 42
Abb. 24: Familienfreundlichkeit des eigenen Landes ... 42
Abb. 25: Familienfreundlichkeit des jeweils anderen Landes ... 43
Abb. 26: Wünsche der Mütter vom Staat ... 43
Abb. 27: Berufsstände... 44
Abb. 28: Alter des Kindes bei Wiederaufnahme des Berufs durch die Mutter ... 45
Abb. 29: Gründe für die Arbeit... 46
Abb. 30: Arbeiten oder zuhause bleiben... 47
Abb. 31: Karriere und Verzicht auf Familie ... 47
Abb. 32: Berufstätige Mütter in Frankreich, in Anlehnung an Fagnani 2003, 3 ... 57

4
Tabellenverzeichnis
Tab. 1: Ganztägiger Kindergartenbesuch verhindert die Bedürfnisbefriedigung... 37
Tab. 2: Fremdbetreuung der Kinder der zwölf deutschen Hausfrauen aus Tabelle 1 ... 37
Tab. 3: Mütter bei Wiedereinstieg in Beruf, Kindesalter max. drei Monate ... 45
Tab. 4: Alter des ersten Kindes bei Wiederaufnahme des Berufs ... 46

5
1
Einleitung
1.1
Ausgangsüberlegung
Deutschland unterliegt einem gravierenden demographischen Wandel. Eine niedrige
Geburtenrate und eine steigende Lebenserwartung führten zu einer Verschiebung der
Alterspyramide hin zu einer überalterten Gesellschaft mit sinkender Zahl an Erwerbs-
personen. Volkswirtschaftlich stellt dies ein großes Problem dar. Das Wachstumspoten-
tial einer Volkswirtschaft wird bestimmt durch die Qualität und die Quantität der er-
werbstätigen Bevölkerung, vorhandenes Kapital und technischen Fortschritt. Dies bestä-
tigt auch der ehemalige französische Familienminister Philippe Bas: ,,Der Zusammen-
hang zwischen Wirtschaftswachstum und demographischer Entwicklung ist unbestrit-
ten. Ein Land, das viele Kinder hat, genießt normalerweise ein höheres Wirtschafts-
wachstum" (Appel/ Schubert 2006). Das Durchschnittsalter in Deutschland wird stei-
gen, der prozentuale Anteil an erwerbstätigen Personen sinkt, wenn weiterhin zu wenige
Kinder geboren werden. Deutschland hatte eine Geburtenrate von 1,3 Kindern pro Frau
im Jahr 2006 (Pötzsch 2007, 16). Diese ist deutlich niedriger als die natürliche Repro-
duktionsrate von 2,1 Kindern pro Frau. Letztere jedoch ist nötig, um eine konstante Be-
völkerungszahl zu gewährleisten (Schaible/ Schweiger/ Kaul 2006, 19). Deutschlands
niedrige Geburtenrate kann einer der Gründe für ein zukünftig niedriges Wachstumspo-
tential sein. Deshalb ist der demographische Wandel eine große Herausforderung für die
deutsche Familienpolitik. Die Erhöhung der Geburtenrate muss eines der Hauptziele
sein. Weiterhin hat auch die Integration von Müttern auf dem Arbeitsmarkt positive Ef-
fekte, sowohl auf Steuereinnahmen und Sozialversicherungsbeiträge als auch auf die
Kaufkraft der Familien. Eine wichtige Voraussetzung, um die deutsche Familienpolitik
hinsichtlich einer erhöhten Geburtenrate auszurichten, ist zu wissen, wie deutsche Müt-
ter ihre eigene Rolle und die Rolle des Staates bezogen auf die Kinderbetreuung und
Familienfinanzierung eigentlich einschätzen. Hierzu kann das Selbstbild von Müttern
eine Hilfe sein. Wenn dieses Selbstbild und familienpolitische Maßnahmen analysiert
werden, kann man feststellen, wo Probleme oder Hindernisse in der aktuellen Familien-
politik liegen. Um die Analyse effektiver zu gestalten, sollte sie für mehrere Länder
durchgeführt werden. Durch einen Vergleich der Ergebnisse können genauere Schlüsse
gezogen werden. Frankreich charakterisiert sich durch eine der höchsten Geburtenraten
Europas, einhergehend mit einer hohen Frauenerwerbstätigkeit und einem Ruf als fami-
lienfreundliches Land und bietet sich deshalb als zweites Land zur Analyse an.

6
1.2
Aufbau der Arbeit
Zu Beginn der Arbeit werden Aufbau, Forschungsfragen und Methoden der Forschung
darlegt (vgl. Kapitel 1). Den Rahmen der Arbeit stellt das in Kapitel 2 erläuterte ,impact
model' nach Klaus Peter Strohmeier dar. Es schließt sich eine Untersuchung wesentli-
cher Bestandteile der französischen und deutschen Familienpolitik an. Hierbei wird als
erstes auf deren Entwicklung (vgl. Kapitel 3.1) eingegangen und zweitens auf heutige
Richtlinien in beiden Länder (vgl. Kapitel 3.2). Kapitel 4 stellt die Forschungsarbeit in
Orléans und in Regensburg dar. Nach einer Definition des Begriffs ,Selbstbild' (vgl.
Kapitel 4.1) wird gezeigt, wie die, für die Forschung verwendeten deutschen und fran-
zösischen Fragebögen aufgebaut sind (vgl. Kapitel 4.2). In der Folge wird darauf einge-
gangen, wie die Umfrage in den Vergleichsstädten Regensburg und Orléans verlaufen
ist (vgl. Kapitel 4.3). Die von den Probanden ausgefüllten Fragebögen werden in Kapi-
tel 4.4 ausgewertet und anhand deren Auswertung wird in Kapitel 4.5 das Selbstbild
einer deutschen und in Kapitel 4.6 das Selbstbild einer französischen Mutter erstellt. In
Kapitel 5 werden deutsche und französische Lebensmodelle, unter Berücksichtigung,
dass beide Staaten Wohlfahrtsstaaten sind, dargelegt. Eine Analyse der Familienpolitik
in Bezug auf das Selbstbild und die Lebensmodelle in Deutschland und Frankreich
schließt sich in Kapitel 6 an. Es werden wesentliche Unterschiede zwischen den beiden
Staaten formuliert (vgl. Kapitel 6.3). Kapitel 7 rundet die Arbeit mit einem Resümee
und einem Ausblick auf weitere Forschungsfelder ab.
1.3
Ziel der Arbeit und Forschungsfragen
Hauptziel der Arbeit ist es, ein Selbstbild deutscher und französischer Mütter zu erstel-
len. Darauf aufbauend soll herausgefunden werden, ob die jeweilige Familienpolitik der
beiden Länder auf diese Selbstbilder eingeht. Es wird unterstellt, dass die Erhöhung der
Geburtenrate eines der Hauptziele der Politik sein muss.
Es stellen sich folgende Forschungsfragen:
1.
Wie gestalten sich die Selbstbilder der deutschen und französischen Mütter und
welche Rolle spielt die Vereinbarkeit von Familie und Beruf?
2.
Inwieweit gehen die deutsche und die französische Familienpolitik auf diese
Selbstbilder ein?
3.
Worin bestehen wesentliche Unterschiede zwischen Frankreich und Deutschland
bezüglich der Beachtung des Selbstbildes?

7
1.4
Methoden
Die Arbeit stützt sich zum einen auf das ,impact model' von Klaus Peter Strohmeier.
Auf dieses Modell wird im folgenden Kapitel gesondert eingegangen. Zum anderen ba-
sieren die Ergebnisse der Arbeit auf einer Fragebogenumfrage, welche in Kindergärten
in Deutschland und in écoles maternelles in Frankreich gemacht wurden.
Ausgangsüberlegung war es, einen geeigneten Zugang zu der Meinung von Müttern zu
erlangen. Da für die Arbeit eine Verallgemeinerung des Selbstbildes von Müttern vor-
gesehen war, musste eine Methode gefunden werden, mit welcher eine repräsentative
Zahl an Probandinnen in die Auswertung eingebunden werden konnte. Interviews ges-
talteten sich daher zu zeitaufwendig und es war damit zu rechnen, dass viele Mütter
kein Interesse oder auch keine Zeit für ein ausführliches Interview haben. Somit fiel die
Wahl auf den Fragebogen als geeignete Methode, mit möglichst vielen Müttern Kontakt
aufzunehmen. Um die Fragebögen letztendlich auch direkt an Mütter zu richten, bot die
Einrichtung Kindergarten in Deutschland bzw. die école maternelle als equivalente Ein-
richtung in Frankreich die beste Basis. Es konnte so vermieden werden, auch Fragebö-
gen an Frauen zu verteilen, welche gar keine Kinder haben. Im Rahmen der Einrichtung
war außerdem zu erwarten, dass die Mütter die Fragebögen eher beantworten und abge-
ben, als sie bei einem Fragebogen zum Beispiel aus ihrem Briefkasten getan hätten.
Für die Fragebogenaktion dienten Regensburg (Deutschland) und Orléans (Frankreich)
als Vergleichsstädte. Regensburg ist eine westdeutsche Stadt mit 132.495 Einwohnern.
Sie bot sich als Ort für die Forschung eher an als eine ostdeutsche Stadt, da das System
der ehemaligen DDR dem französischen sehr ähnlich war. Somit wären beim Vergleich
wahrscheinlich keine signifikanten Unterschiede festzustellen. Die Wahl einer französi-
schen Stadt fiel auf Orléans, da sie mit 113.237 Einwohnern etwa ebenso groß ist wie
Regensburg. In verschiedenen ,écoles maternelles' in Orléans und Kindergärten in Re-
gensburg wurden Mütter mit Hilfe von Fragebögen zum Thema Mutterrolle, staatliche
Unterstützung, Ganztagsbetreuung und Karriere befragt. Die Fragebögen wurden in der
jeweiligen Landessprache verfasst. Es ist zu beachten, dass die Kindergärten in beiden
Städten zufällig ausgewählt wurden. Zur Auswertung der Fragebögen wurde mit dem
Microsoft-Office-Programm EXCEL gearbeitet. Nicht alle Fragen wurden bei der Aus-
wertung verwendet. Nähere Erläuterungen zu den Fragebögen und deren Auswertung
sind in Kapitel 4 zu finden.

8
2
Das ,impact model' nach Klaus Peter Strohmeier
In der Ausgabe ,Familienpolitik und Familienstrukturen' des Bundesinstituts für Bevöl-
kerungsforschung werden die Ergebnisse der gemeinsamen Jahrestagung der Deutschen
Gesellschaft für Bevölkerungswissenschaft und der Johann-Peter-Süßmilch-Gesell-
schaft für Demographie erläutert, welche vom 21. bis 23. Juni 2001 in Berlin stattfand.
In dieser Ausgabe stellt Klaus Peter Strohmeier ein selbst entwickeltes Modell vor: das
,,impact model" (Strohmeier 2002, 109). Dieses soll die Zusammenhänge zwischen Fa-
milienpolitik, dem Leben von Familien und der Geburtenrate eines Landes verdeutli-
chen. Zu Anfang geht Strohmeier auf das von Politikern häufig angewendete ,,simple
impact model" (2002, 109) ein.
Abb. 1: Wirkungsmodell ,,simple impact model" ( Strohmeier 2002, 109)
Es besagt, dass eine politische Maßnahme einen daraus resultierenden Prozess anregt, in
dessen Folge ein beabsichtigter Effekt erzielt wird (vgl. Abb. 1). Strohmeier kritisiert,
dass Akteure in diesem Prozess zum Teil als ,,,politikresistente' soziale Gebilde" (2002,
110) gesehen werden. Seiner Meinung nach sind die Akteure im familienpolitischen
System als ,,[...] autonom und rational handelnde[n] Akteure[n]" (2002, 110) zu behan-
deln, um sinnvolle Wirkungsmodelle zu erstellen. Ihn interessiert deswegen vor allem
der ,causal process', in welchem die Familien der wichtigste Bestandteil sind. Er ver-
sucht, ein genaueres Wirkungsmodell aufzustellen, in welchem die Familienpolitik den
Input und die, im besten Fall erhöhte Geburtenrate am Ende der Kette den Effekt des
Prozesses darstellt. Durch eine Präzisierung des ,causal process' soll der Wirkungszu-
sammenhang zwischen Familienpolitik und Geburtenrate aufgezeigt werden. Als Erstes
stellt Strohmeier fest, dass es einen ,,[...] Zusammenhang zwischen dem Politikprofil
[...] und der Struktur der privaten Lebensformen" (2002, 113) gibt. Jedoch ist dieser
Zusammenhang nur indirekt.
Abb. 2: Wirkungsmodell ,impact model' in Anlehnung an Klaus Peter Strohmeier

9
Durch die starke Individualisierung in den sechziger und siebziger Jahren des 20. Jahr-
hunderts leben viele Menschen in Europa heute ihr selbst bestimmtes Leben, sie ent-
scheiden sich für eine Lebensform, indem sie zwischen verschiedenen Handlungsalter-
nativen wählen, welche im Modell unter dem Begriff ,biografische Optionen' zusam-
mengefasst werden (vgl. Abb. 2). Beispiele hierfür sind die Entscheidung für oder ge-
gen ein Studium, für oder gegen eigene Kinder und die Wahl der Arbeit. Individuen
definieren ihre Situation, entscheiden sich nach einer bestimmten Logik für biografische
Optionen und daraus entwickelt sich für sie eine private Lebensform, zum Beispiel als
arbeitende Mutter, als kinderlose Karrierefrau oder etwa als verheiratete Hausfrau mit
mehreren Kindern. Die Phase der Realisierung ist gekennzeichnet durch die Alltagsor-
ganisation. Aus individuellen Lebensläufen mehrerer Personen muss unter den gegebe-
nen Randbedingungen eine abgestimmte Lebensorganisation entstehen (Strohmeier
2002, 117). Diese wird von familienpolitischen Maßnahmen erleichtert oder erschwert
(ebd., 117). Im Folgenden werden die Maßnahmen auf bundespolitischer Ebene die
Hauptrolle spielen, da es um einen Vergleich zwischen Frankreich und Deutschland als
Länder geht. Strohmeier stellt die Geburtenrate als ,,[...] abstrahiertes [...] Aggregat"
(2002, 111) der privaten Lebensform von Frauen dar. Die Entscheidung für oder gegen
eine biografische Option wird von der Familienpolitik beeinflusst (ebd., 115). Mit Hilfe
familienpolitischer Maßnahmen kann deren Vielfalt erhöht werden.
Für die Wahl einer Option spielen nicht nur die von der Familienpolitik beeinflussten,
sondern auch die von der Gesellschaft akzeptierten Möglichkeiten eine Rolle. Daher ist
in beiden Fällen der Kultur besondere Bedeutung zu schenken.
Kultur ist etwas, was jeder hat. Sie prägt Individuen und Individuen prägen eine Kultur.
Durch Interaktion zwischen Kulturmitgliedern wird Kultur permanent geschaffen. Sie
ist identitätsstiftend und kann das Handeln steuern, bestimmt es aber nicht (Otten 2004,
7). Nünning definiert Kultur als ,,[...] die Gesamtheit der vom Menschen selbst hervor-
gebrachten und im Verlauf der Sozialisation erworbenen Voraussetzungen sozialen
Handelns" (2009, 2) und präzisiert, dass er damit die charakteristischen ,,[...] Arbeits-
und Lebensformen, Denk- und Handlungsweisen, Wertvorstellungen und geistigen Le-
bensäußerungen einer Gemeinschaft" (2009, 2) meint.
In der Folge wird die heutige Sichtweise deutscher und französischer Mütter auf ihre
Rolle untersucht und ein Selbstbild dieser Mütter erstellt. Dieses soll hinsichtlich der,
den Müttern zur Auswahl stehenden biografischen Optionen analysiert werden. Zum
Verständnis des Selbstbildes und der heutigen Richtlinien der Familienpolitik in

10
Frankreich und in Deutschland, wird auf die Entwicklung von Familienmodellen und
auf familienpolitische Traditionen eingegangen. Damit wird deutlich, wie die im ,im-
pact model' dargestellte Kultur Einfluss auf Politik und biografische Optionen nimmt.
Da Kultur typische Handlungsweisen und Wertvorstellungen darstellt, kann anhand der
politischen Geschichte eines Landes gezeigt werden, ob aktuelle politische Maßnahmen
auf Traditionen beruhen und somit von einer politischen Kultur gesprochen werden
kann. Dies soll durch die in Kapitel 3.1 dargestellte Entwicklung der deutschen und
französischen Familienpolitik und den in Kapitel 3.2 erläuterten heutigen Richtlinien in
Deutschland und Frankreich aufgezeigt werden.
In Kapitel 5 wird thematisiert, wie sich die Kultur bezüglich der Familienmodelle in den
letzten Jahrhunderten entwickelt hat und inwieweit sich die typischen Lebensformen
und Denkweisen verändert haben. Da sich Kultur ständig wandelt (Otten 2004, 7), kann
einem Land kein festes Familienmodell zugeordnet werden. Durch externe Einflüsse,
veränderte Wahrnehmungen und Erfahrungen werden Ansichten geändert und durch die
bereits erwähnte Sozialisation von Generation zu Generation weitergegeben. Somit ver-
ändern sich auch Familienmodelle. Wenn allerdings bestimmte Traditionen sehr fest in
den Köpfen der Menschen verankert sind, kann es sein, dass sich ein kultureller Wandel
nur schwer vollzieht, selbst wenn ihn viele Kulturmitglieder anstreben. Ob dies in
Deutschland und Frankreich der Fall ist, wird in Kapitel 5 untersucht.
Ziel ist es, zu erörtern, ob die Familienpolitik in Deutschland und in Frankreich durch
ihre Maßnahmen in der Lage sein kann bzw. in der Lage ist, die Geburtenrate des Lan-
des zu erhöhen, indem sie auf das Selbstbild der Mütter eingeht.

11
3
Familienpolitik in Deutschland und Frankreich
3.1
Entwicklung der französischen und deutschen Familienpolitik
3.1.1
Die Entwicklung der Familienpolitik in Deutschland
In diesem Kapitel wird die Entwicklung der deutschen Familienpolitik erläutert, um zu
zeigen, welche Traditionen den heutigen Richtlinien zugrunde liegen. Die Entwicklung
in der Deutschen Demokratischen Republik spielt in dieser Arbeit keine Rolle.
Das entscheidende Jahr für die Entwicklung der Familienpolitik der Bundesrepublik
Deutschland war das Jahr 1953. In diesem Jahr wurde beschlossen, ein Bundesfamili-
enministerium einzurichten, welches sich von nun an um familienpolitische Angelegen-
heiten kümmern sollte (Wingen 2003, 3). Das ausgewiesene Ziel des Bundesfamilien-
ministeriums war die Wahrung der traditionellen Arbeitsteilung und Rollenwahrneh-
mung von Mann und Frau in der Gesellschaft (Gerlach 2008, 54). Der Mann sollte die
Möglichkeit haben, seine Familie zu ernähren, arbeitende Frauen bzw. Mütter wurden
als ,,Gefährdung der Funktionserfüllung von Familie" (ebd., 54) angesehen. Um die
Mutter zum Hausfrauendasein zu bewegen, wurde 1954 ein Kindergeld ab dem dritten
Kind in Höhe von 25 DM im Kindergeldgesetz verankert, welches aus der Arbeitgeber-
kasse gezahlt wurde (ebd., 54). 1959 wurde es auf 40 DM ab dem dritten Kind erhöht
(ebd., 54). Die Rollenverteilung wurde 1957 im Gleichberechtigungsgesetz durch den
Bundestag definiert:
Es gehört zu den Funktionen eines Mannes, dass er grundsätzlich der Erhalter und Ernährer der
Familie ist, während die Frau es als ihre vornehmste Aufgabe ansehen muss, das Herz der Fami-
lie zu sein. (Pinl 2003, 6)
1961 erfolgte die Einführung des Kindergeldes für das zweite Kind einer Familie in
Höhe von 25 DM, gezahlt aus Bundesmitteln (Gerlach 2008, 54). Laut Gerlach begann
die Familienpolitik in den 1960er Jahren langsam, sich vom traditionellen Mutterbild zu
lösen (2008, 54). Die öffentliche Kritik an arbeitenden Müttern sank und die Politik be-
gann sich gegenüber einem variableren Mutterleitbild zu öffnen (ebd., 55). In den fol-
genden Jahrzehnten wurde vor allem die finanzielle Unterstützung von Familien mit
Kindern ausgebaut. Von 1959 bis 2002 wurde in regelmäßigen Abständen das Kinder-
geld angepasst und belief sich 2002 auf 154 für das erste und zweite Kind (Gerlach
2008, 60). Ebenso stiegen die Kinderfreibeträge von 600DM im Jahr 1949 auf 3.648
im Jahr 2002 (ebd., 60). Bis Ende der 1960er Jahre lag die Familienpolitik in den Hän-
den der CDU. Als 1969 mit Käthe Strobel die sozial-liberale Koalition die Regierung

12
übernahm, erfolgte eine Öffnung des bis dahin stark begrenzten Familienbegriffs (On-
nen-Isemann 2003, 36). Durch Kleinkinderpädagogik und Ganztagsschulen sollte die
beginnende Erwerbstätigkeit von Müttern unterstützt werden (ebd., 36). Die Gegner
dieser liberalen Politik kritisierten im Zweiten Familienbericht
1
1974 die durch die Zu-
nahme von erwerbstätigen Müttern entstehenden Sozialisationsstörungen und Erzie-
hungsmängel der Kinder (ebd., 36f.). In den Augen der Politiker war diese Entwicklung
ein Funktionsverlust der Familie und somit versuchte man, die Mütter wieder zur Haus-
arbeit zu bewegen, indem die Hausarbeit im Ansehen aufgewertet wurde (ebd., 37). Als
Reaktion auf den dritten Familienbericht 1979, welcher von ,,Konfliktsituationen der
Mutter" (Onnen-Isemann 2003, 57) sprach, sollte die Hausfrauenarbeit erneut durch
Anerkennung der Leistung der Mütter und weiterer finanzieller Unterstützung aufge-
wertet werden (ebd., 37). Dennoch sind in diesem Bericht auch erste Ansätze zu finden,
wonach ,,[...] eine Ausdehnung und Verbesserung des Kinderbetreuungsangebotes ­
auch in der Nähe der Arbeitsstätten ­ und eine Änderung der Arbeitszeiten" (Sachver-
ständigenkommission 1979, 7) von Bedeutung seien. Die Politiker mussten einsehen,
dass aufgrund der wirtschaftlichen Situation einiger Familien ein zweites Einkommen
notwendig war (Pinl 2003, 6). Jedoch ist in den nächsten Jahren nicht zu erkennen, dass
diesen Vorsätzen wichtige politische Maßnahmen folgten. Das Hauptaugenmerk lag
immer noch auf der finanziellen Unterstützung durch Kindergeld und Kinderfreibetrag
(Sickinger 2005, 3). Was die arbeitenden Mütter betrifft, so betrachtet Gerlach die Ein-
führung des Mutterschaftsurlaubs 1979 als ersten Schritt zur Vereinbarung von Familie
und Beruf (2008, 55). Kritiker sagen jedoch, dass diese Maßnahme weniger dazu ge-
dacht war, die Doppelbelastung dieser Mütter zu verringern, als sie zur Senkung der zu
diesem Zeitpunkt hohen Arbeitslosenzahlen nach Hause zu locken (Pinl 2003, 7). Die
Bundesministerin für Jugend, Familie und Gesundheit der CDU, Rita Süssmuth, setzte
1985 das ,,Gesetz über die Gewährung von Erziehungsgeld und Erziehungsurlaub"
(Gerlach 2008, 57) in Kraft, wonach seit dem 1.1.1986 alle Mütter oder Väter von ei-
nem Erziehungsgeld über 600DM und Erziehungsurlaub profitieren konnten (ebd., 57).
Der qualitative und quantitative Ausbau von Betreuungsmöglichkeiten fand in den
1970er und 1980er Jahren in Westdeutschland wenig Berücksichtigung. Obwohl
schließlich im Zweiten Gleichberechtigungsgesetz von 1994 im Artikel 1, Abschnitt 1,
1
Seit 1968 werden von der deutschen Bundesregierung Familienberichte veröffentlicht. Diese sind eine
wissenschaftliche Aufarbeitung und Zusammenstellung aktueller, familienspezifischer Themen und Ent-
wicklungen. Die Berichte werden von einer unabhängigen Sachverständigenkommission erstellt und zu
jedem Bericht gibt es eine sich darauf beziehende Stellungnahme der Bundesregierung.

13
Paragraph 2 unter anderem festgelegt wird, dass ,,[...] die Vereinbarkeit von Familie und
Beruf für Frauen und Männer zu fördern" (Bundesgesetzblatt 1979, Teil 1 S. 1406) ist,
wurde erst mit dem Kinder- und Jugendhilfegesetz 1996 im Sozialgesetzbuch das Recht
auf einen Kindergartenplatz für alle Dreijährigen eingeführt (Gerlach 2008, 59). Nach
dem Tagesbetreuungsausbaugesetz 2005 soll bis 2010 ein Ausbau der Betreuungsmög-
lichkeiten für unter dreijährige Kinder erfolgen, bei welchem vor allem auf eine Quali-
tätssteigerung Wert gelegt werden soll (Gerlach 2008, 61).
Es ist zu erkennen, dass der Ausbau der finanziellen Unterstützungen und Vergünsti-
gungen für Familien bis 2005 die typische Handlungsweise der deutschen Familienpoli-
tik war. Auf den Ausbau von Betreuungsmöglichkeiten für Kinder wurde wenig Wert
gelegt, die familienpolitische Tradition Deutschlands bestand vor allem aus finanziellen
Maßnahmen.
3.1.2
Die Entwicklung der Familienpolitik in Frankreich
Schon 1914 sind in Frankreich die ersten Anzeichen der pronatalistischen
2
Familienpo-
litik festzustellen, da für die Einkommenssteuer Kinderfreibeträge festgesetzt wurden.
Mit dem ,Code de la famille' wurde im Jahr 1939 das Kindergeld massiv angehoben,
was einen Geburtenboom mit sich zog (Onnen-Isemann 2003, 35). Im Gegensatz zur
westdeutschen Politik machte sich die französische Familienpolitik auch gleich nach
dem Zweiten Weltkrieg viele Gedanken um das Wohlergehen von Mutter und Kind
(Fagnani 2003, 1). Es wurde eine ,Allocation de Salaire Unique' festgelegt, eine Hilfe,
welche unabhängig vom Einkommen einer Familie zukam und die ab dem zweiten Kind
erhöht wurde. Da diese staatliche Hilfe den Hintergrund hatte, die demografischen
Probleme, welche durch den Zweiten Weltkrieg entstanden sind, zu beseitigen, waren
auch ausländische und uneheliche Kinder nicht von dieser Hilfe ausgeschlossen (ebd.,
2). Laut Onnen-Isemann wurde in dieser Zeit auf eine rückgängige Zahl an Drei- bzw.
Mehrkinderfamilien mit gezielter finanzieller Unterstützung reagiert, unter anderem in
Form von Familienzulagen und einer Erhöhung des Mutterschaftsurlaubs auf 26 Wo-
chen (2003, 35). Bis Ende der 1960er Jahre war somit das gängige, geförderte Famili-
enmodell das des arbeitenden Ehemanns und der Hausfrau. Jedoch hielt der niedrige
Satz der ,Allocation de Salaire Unique' die Frauen nicht lange zurück, sich eine Arbeit
zu suchen.
2
pronatalistisch = geburtenfördernd

14
Im Vergleich zu Deutschland begann schon Ende der 1960er Jahre ein Umdenken unter
den französischen Familienpolitikern:
Ainsi, à la fin des années soixante, si les responsables politiques ne cherchaient pas encore à
aider les mères à s'investir dans la sphère économique, ils ne cherchaient plus à les en dissuader.
(Fagnani 2003, 2)
Trotzdem hofften die Politiker laut Onnen-Isemann noch bis Ende der 1970er Jahre,
dass man die Geburtenrate erhöhen könnte, indem man Frauen forciert, zuhause zu
bleiben (2003, 35). An dieser Stelle ist zu sagen, dass sich laut der Erklärung von Kultur
(vgl. Kapitel 2) vor allem in diesem Zeitraum ein offensichtlicher Wandel dieser famili-
enpolitischen Kultur vollzog. Vor allem durch die 1968er Bewegung veränderte sich
das Denken und Handeln der Menschen (vgl. Kapitel 5.3). Die Frau ist nicht länger die
Hausfrau und Mutter, sondern beginnt, ihre gesellschaftliche Position ausbauen zu wol-
len. Fagnani zeigt auf, dass seit Anfang der 1970er Jahre Frauen geholfen wurde, auf
dem Arbeitsmarkt zu bestehen (2003, 2). Dies geschah unter anderem durch die 1972 in
Kraft getretenen Gesetze zur Angleichung der Löhne zwischen den Geschlechtern und
zur staatlichen Beihilfe für die Kinderbetreuung. 1971 wurde ein Steigerung der Vergü-
tung während des Mutterschaftsurlaubs beschlossen und bis 1975 wurde die Kinder-
krippenkapazität auf 47.000 Plätze erhöht (ebd., 2). Seit 1977 ist die Qualität der Kin-
derbetreuung von hoher familienpolitischer Bedeutung. In diesem Jahr bekamen Kin-
dermädchen den Status einer Arbeitnehmerin und auch in Kinderkrippen wurden ausge-
bildete Betreuerinnen eingesetzt (ebd., 3). Diese Maßnahme führte zu einer stetigen
Verbesserung des Rufs der Kinderkrippen unter arbeitenden Eltern.
Ce type d'établissement, où la qualification et la compétence du personnel d'encadrement
avaient été largement reconnues, était gratifié d'un indice de satisfaction élevé par ses usagers.
(Fagnani 2003, 3)
Auch dieser Schritt führt zu einer weiteren kulturellen Entwicklung: Kindermädchen
und Kinderkrippen werden Teil der französischen Kultur. Fagnani resümiert, dass somit
schon Mitte bis Ende der 1970er Jahre eine Tendenz zu einer Politik zu erkennen ist,
welche sich der Notwendigkeit einer Integration arbeitender Mütter bewusst ist (2003,
3). Anfang der 1980er Jahre führt die Entwicklung der Einstellung zu Arbeit von Frauen
und die Förderung von arbeitenden Müttern zu einer signifikanten Steigerung des An-
teils berufstätiger Mütter von 26% im Jahr 1968 auf 54% im Jahr 1982 (Fagnani 2003,
3). Dieser Anstieg rückt die Kleinkindbetreuung in das staatliche Interesse. Durch die
Förderung und Schaffung von Arbeitsplätzen in diesem Dienstleistungsbereich streben
in der Folge noch mehr Frauen auf den Arbeitsmarkt, da diese Arbeitsplätze typische

15
Tätigkeitsfelder von Frauen darstellen (Onnen-Isemann 2003, 35). Außerdem werden
Leistungen zu Gunsten von Familien erweitert und angehoben, was das Familienein-
kommen deutlich erhöht (ebd., 35). Um einer sinkenden Betreuungsgüte vorzubeugen
wird weiter stark in Qualität und auch in Quantität investiert (ebd., 35). Die école ma-
ternelle, ,,[...] une vieille institution, spécifiquement française, créée en 1881" (Fagnani
2003, 3), gewinnt zunehmend an Bedeutung. Die positiven Meinungen von Experten,
diese Betreuungseinrichtung sei gut für die Entwicklung der Kinder, sollten die Schuld-
gefühle von arbeitenden Müttern vermindern (ebd., 3). Mit Hilfe der ,contrats crèches'
im Jahr 1983 zwischen Staat und Gemeinden versucht die CNAF
3
diese zu ermutigen,
die Anzahl ihrer Krippenplätze zu erhöhen. Im Laufe von fünf Jahren sollten 40% der
unter dreijährigen Kinder einen Krippenplatz bekommen. Durch angepasste Öffnungs-
zeiten und auch einer Aufnahme von leicht behinderten Kindern wurden sowohl die
Qualität der Kinderkrippen als auch deren Kapazität gesteigert (Gassier/ de Saint-
Sauveur 2007, 140f.). Bis 1988 werden daraufhin ungefähr 20.000 neue Plätze geschaf-
fen (Fagnani 2003, 4).
1988 wurden die ,contrats crèches' durch die ,contrats enfance' abgelöst. Um eine bes-
sere Betreuung der Kinder im Alter von drei bis sechs Jahren zu gewährleisten, wurden
die Gemeinden aufgefordert, mit Unterstützung der CAF
4
die Qualität der Betreuungs-
einrichtungen, den Informationsfluss zwischen Einrichtung und Eltern und die Perso-
nalausbildung zu steigern (Gassier/ de Saint-Sauveur 2007, 141). Die CAF diente dabei
nicht nur zur finanziellen, sondern auch zur inhaltlichen Unterstützung und Kontrolle.
Fagnani schreibt, es sei das Ziel der Familienpolitik der 1990er Jahre gewesen, die
Betreuungskosten für Familien zu senken und individuelle Betreuungsmöglichkeiten
auszubauen, letzteres auch um gegen die Arbeitslosigkeit vorzugehen (2003, 4). Des-
wegen wurde eine Leistung für jene Eltern eingeführt, die ihr unter sechsjähriges Kind
von einem Kindermädchen betreuen lassen: die AFEAMA
5
. Zudem erfolgte eine Pro-
fessionalisierung dieser Kindermädchen mittels einer zusätzlichen Ausbildung innerhalb
von fünf Jahren nach der Grundausbildung (Fagnani 2003, 4). Resultat war ein Anstieg
der Anzahl der Familien, welche ein Kindermädchen beschäftigten, von 110.000 Fami-
lien 1991 auf 580.000 Familien im Juni 2002 (ebd., 4). Die Kindermädchen hatten sich
als Teil der französischen Kultur etabliert. Zudem subventioniert der Staat seit Anfang
der 1990er Jahre Vollzeitarbeitsplätze in der Kinderbetreuung und -pflege
3
CNAF = Caisse National d'Allocation Familiale; vgl. Kapitel 3.2.2
4
CAF = Caisse d'Allocation Familiale; regionale Kassen zur Unterstützung der CNAF; vgl. Kapitel 3.2.2
5
AFEAMA = Aide à la Famille pour l'Emploi d'une Assistante Maternelle Agréée

Details

Seiten
Erscheinungsform
Originalausgabe
Jahr
2009
ISBN (eBook)
9783836645201
Dateigröße
1.1 MB
Sprache
Deutsch
Institution / Hochschule
Westsächsische Hochschule Zwickau, Standort Zwickau – Sprachen, Wirtschaftsromanistik
Erscheinungsdatum
2014 (April)
Note
1,3
Schlagworte
frankreich kinder kultur selbstbild fremdbetreuung
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Titel: Das Selbstbild deutscher und französischer Mütter
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