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Die Auswirkungen der wirtschaftlichen Öffnung auf die chinesische Volkswirtschaft

©2009 Diplomarbeit 123 Seiten

Zusammenfassung

Inhaltsangabe:Einleitung:
Die wirtschaftliche Entwicklung der Volksrepublik China ist im Globalisierungskontext eine außergewöhnliche Erfolgsgeschichte. Chinas Wirtschaft hat in den letzten 20 Jahren über zwei Billionen US-Dollar zum Weltbruttoinlandsprodukt beigetragen, 120 Millionen neue Arbeitsplätze geschaffen und die Anzahl der in Armut lebenden Menschen um 400 Millionen verringert. Bei durchschnittlichen Wachstumsraten von circa 10% ist China im Jahr 2008 gemessen am Bruttoinlandsprodukt und Handelsvolumen nicht nur die drittgrößte Volkwirtschaft, sondern auch die drittgrößte Handelsnation der Welt. Darüber hinaus entwickelt sich China immer mehr zu einer treibenden Kraft der Weltwirtschaft. Bisherige weltwirtschaftliche Abschwünge wurden durch Chinas robustes Wachstum stets gebremst. Auch im Rezessionsumfeld der jüngsten Finanzkrise erweist sich China als Stütze der Weltkonjunktur. So lagen die Wachstumsraten in den ersten Quartalen 2009 wieder weit über dem Weltdurchschnitt.
Diese beeindruckende Entwicklung erscheint angesichts der Tatsache, dass China sich nach dem Tod Mao Zedongs noch am Rande des wirtschaftlichen Ruins und in einem autarkieähnlichen Zustand befand, umso erstaunlicher. Mao hatte erfolglos auf die Entwicklung aus eigener Kraft gesetzt. Die nachfolgende Reformbewegung versuchte stattdessen ökonomische Entwicklung über den Weg der außenwirtschaftlichen Integration zu erreichen. So initiierte die chinesische Führung unter Deng Xiaoping im Jahr 1978 einen Prozess gradueller ökonomischer Reformen und eine Politik der zunehmenden wirtschaftlichen Offenheit, die schließlich am 11.12.2001 zu der Aufnahme Chinas in die Welthandelsorganisation führte. Insbesondere die chinesischen Küstenregionen entwickelten sich durch den wirtschaftspolitischen Wandel außergewöhnlich schnell. Shenzhen war beispielsweise 1979 eine verlassene Grenzstadt in der Nähe Hong Kongs, deren ca. 30.000 Einwohner von Fischerei und Landwirtschaft lebten. Heute gehört die Millionenstadt zu den reichsten Großstädten Chinas und zeichnet sich optisch durch seine von Wolkenkratzern geprägte Skyline aus.
Chinas ehemals ideologisch abgeschottete Planwirtschaft und sein auf Bedarfsgüter ausgerichtetes Handelsmuster veränderten sich mit der Einführung marktwirtschaftlicher Elemente und außenwirtschaftlicher Beziehungen fundamental. Der Reformprozess ist vor allem durch rasante Außenhandelsanstiege und hohe Wachstumsraten gekennzeichnet. Klassische Handelstheorien […]

Leseprobe

Inhaltsverzeichnis


Werner Gründer
Die Auswirkungen der wirtschaftlichen Öffnung auf die chinesische Volkswirtschaft
ISBN: 978-3-8366-4519-5
Herstellung: Diplomica® Verlag GmbH, Hamburg, 2010
Zugl. Georg-August-Universität Göttingen, Göttingen, Deutschland, Diplomarbeit, 2009
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© Diplomica Verlag GmbH
http://www.diplomica.de, Hamburg 2010

II
INHALTSVERZEICHNIS
TABELLENVERZEICHNIS ... IV
ABBILDUNGSVERZEICHNIS ... IV
1 EINLEITUNG ... 1
1.1 Thematische Einführung ... 1
1.2 Aufgabenstellung und Vorgehensweise ... 2
2 GRUNDLAGEN DER AUßENHANDELSTHEORIE ... 3
2.1 Außenhandelstheorien im Überblick ... 3
2.1.1 Außenhandel und Verfügbarkeit ... 3
2.1.2 Klassische und Neoklassische Außenhandelstheorie ... 4
2.1.2.1 Das Ricardo-Modell ... 5
2.1.2.2 Das Heckscher-Ohlin-Modell ... 8
2.1.3 Neuere handelstheoretische Aspekte ... 10
2.2 Multinationale Unternehmen und ausländische Direktinvestitionen ... 13
2.2.1 Bedeutung und Motive ... 14
2.2.2 Auswirkungen auf die Empfängerländer ... 17
2.3 Die Wirkung protektionistischer Maßnahmen ... 20
2.4 Zwischenfazit zur Außenhandelstheorie ... 22
3 DER CHINESISCHE ÖFFNUNGS- UND REFORMPROZESS ... 22
3.1 Die wirtschaftliche Ausgangslage ... 23
3.2 Der Reformcharakter ... 24
3.3. Der erste Schritt: Ländliche Reformen und Beginn der Entstaatlichung ... 26
3.4 Das dualistische Handelssystem: Exportförderung und Importbeschränkung ... 27
3.5 Währungsreform, Demonopolisierung und Liberalisierung des Außenhandels ... 30

III
3.6 Der WTO- Beitritt ... 32
3.7 Krisen im Transformationsprozess ... 35
4 DER AUßENWIRTSCHAFTLICHE WANDEL DER CHINESISCHEN VOLKSWIRTSCHAFT
... 38
4.1 Die Entwicklung der chinesischen Handelsströme ... 38
4.1.1 Zusammensetzung der chinesischen Handelsströme ... 41
4.1.2 Die Bedeutung des exportorientierten Verarbeitungshandels ... 46
4.1.3 Produktionsfortschritte und Handelsbilanzentwicklung ... 49
4.1.4 Interpretationen zur chinesischen Exportstruktur ... 53
4.1.5 Zwischenfazit zur Handelsstruktur ... 58
4.2 Ausländische Direktinvestitionen in China ... 60
4.2.1 Asiatische Produktionsnetzwerke ... 63
4.2.2 Ausländisch finanzierte Unternehmen in China ... 65
4.2.3 Auswirkungen ausländischer Direktinvestitionen in China ... 68
4.2.4 Zwischenfazit zu ausländischen Direktinvestitionen ... 75
4.3 Strukturelle Aspekte: Wachstum, Beschäftigung und Regionalität ... 75
4.3.1 Wachstum und Beschäftigung ... 75
4.3.2 Regionale Disparitäten ... 79
5 FAZIT ... 82
5.1 Zusammenfassung ... 82
5.2 Abschließende Bemerkungen ... 85
LITERATURVERZEICHNIS ... 88
ANHANG ... 99

IV
Tabellenverzeichnis
Tabelle 1: Entwicklung der chinesischen Zollstruktur ... 29
Tabelle 2: Chinesische Unternehmen mit Berechtigung zum Außenhandel ... 32
Tabelle 3: Entwicklung der chinesischen Leistungsbilanzsalden mit ausgewählten Handelspartnern ... 38
Tabelle 4: Entwicklung des chinesischen Bestandes an Währungsreserven ... 41
Tabelle 5: Wertschöpfung in China nach Exportart ... 47
Tabelle 6: Die wichtigsten Ursprungsländer ausländischer Direktinvestitionen in China ... 61
Tabelle 7: Vertraglicher Bestand und realisierte FDI Zuflüsse nach Industriesektoren... 63
Tabelle 8: Zusammensetzung der chinesischen Handelsströme nach Zwischen- und Endprodukten ... 64
Tabelle 9: Anteil ausländischer Direktinvestitionen an den chinesischen Anlageinvestitionen ... 69
Tabelle 10: Sektorale Zusammensetzung des chinesischen BIP und der Beschäftigung ... 76
Tabelle 11: BIP-Größen ausgewählter Länder ... 76
Tabelle 12: Chinas BIP-Wachstum nach Verwendungsrechnung ... 77
Tabelle 13: Chinas Produktivitätswachstum ... 78
Tabelle 14: FDI, Bruttoregionalprodukte und Exportöffnungsgrade in ausgewählten Regionen, ... 80
Abbildungsverzeichnis
Abbildung 1: Entwicklung des chinesischen Wechselkurses ... 31
Abbildung 2: Entwicklung der chinesischen Export,- Import- und BIP-Wachstumsraten ... 39
Abbildung 3: Entwicklung der chinesischen Exporte und Importe in % des BIP ... 40
Abbildung 4: Entwicklung der chinesischen Exportstruktur nach Produktkategorien ... 42
Abbildung 5: Entwicklung der chinesischen Importstruktur nach Produktkategorien ... 43
Abbildung 6: Entwicklung der chinesischen Exportstruktur, ausgewählte Güterkategorien ... 44
Abbildung 7: Entwicklung der chinesischen Importstruktur, ausgewählte Güterkategorien ... 45
Abbildung 8: Chinesische Export-/Importentwicklung von integrierten Schaltkreisen ... 48
Abbildung 9: Entwicklung der chinesischen Handelsbilanzbeiträge nach Güterkategorien ... 50
Abbildung 10: Entwicklung des Technologiegehalts der chinesischen Exporte und Importe ... 52
Abbildung 11: Entwicklung der FDI Zuflüsse nach China ... 62
Abbildung 12: Chinas vertikale Spezialisierung, Ursprungsländer 2005 ... 65
Abbildung 13: Anteile ausländisch finanzierter Unternehmen am chinesischen Industrieoutput ... 66
Abbildung 14: Anteile ausländisch finanzierter Unternehmen an den chinesischen Handelsströmen... 67

1
1 Einleitung
1.1 Thematische Einführung
Die wirtschaftliche Entwicklung der Volksrepublik China
1
ist im Globalisierungskon-
text eine außergewöhnliche Erfolgsgeschichte. Chinas Wirtschaft hat in den letzten 20
Jahren über zwei
Billionen US-Dollar zum Weltbruttoinlandsprodukt beigetragen, 120
Millionen neue Arbeitsplätze geschaffen und die Anzahl der in Armut lebenden Men-
schen um 400 Millionen verringert.
2
Bei durchschnittlichen Wachstumsraten von circa
10% ist China im Jahr 2008 gemessen am Bruttoinlandsprodukt und Handelsvolumen
nicht nur die drittgrößte Volkwirtschaft, sondern auch die drittgrößte Handelsnation der
Welt.
3
Darüber hinaus entwickelt sich China immer mehr zu einer treibenden Kraft der
Weltwirtschaft. Bisherige weltwirtschaftliche Abschwünge wurden durch Chinas robus-
tes Wachstum stets gebremst. Auch im Rezessionsumfeld der jüngsten Finanzkrise er-
weist sich China als Stütze der Weltkonjunktur. So lagen die Wachstumsraten in den
ersten Quartalen 2009 wieder weit über dem Weltdurchschnitt.
4
Diese beeindruckende Entwicklung erscheint angesichts der Tatsache, dass China sich
nach dem Tod Mao Zedongs noch am Rande des wirtschaftlichen Ruins und in einem
autarkieähnlichen Zustand befand, umso erstaunlicher. Mao hatte erfolglos auf die Ent-
wicklung aus eigener Kraft gesetzt. Die nachfolgende Reformbewegung versuchte statt-
dessen ökonomische Entwicklung über den Weg der außenwirtschaftlichen Integration
zu erreichen. So initiierte die chinesische Führung unter Deng Xiaoping im Jahr 1978
einen Prozess gradueller ökonomischer Reformen und eine Politik der zunehmenden
wirtschaftlichen Offenheit, die schließlich am 11.12.2001 zu der Aufnahme Chinas in
die Welthandelsorganisation führte. Insbesondere die chinesischen Küstenregionen
entwickelten sich durch den wirtschaftspolitischen Wandel außergewöhnlich schnell.
Shenzhen war beispielsweise 1979 eine verlassene Grenzstadt in der Nähe Hong Kongs,
deren ca. 30.000 Einwohner von Fischerei und Landwirtschaft lebten. Heute gehört die
1
Die vorliegende Arbeit verwendet den Begriff ,,China" im Sinne des chinesischen Festlandes, ohne die
Sonderverwaltungsregionen Hong Kong und Macau.
2
Vgl. Aziz/Dunaway (2007), S. 27.
3
IMF World Economic Outlook Database, WTO Statistics Database.
4
Das chinesische Bruttoinlandsprodukt wuchs beispielsweise im dritten Quartal um 8,9%. National
Bureau of Statistics of China (2009).

2
Millionenstadt zu den reichsten Großstädten Chinas und zeichnet sich optisch durch
seine von Wolkenkratzern geprägte Skyline aus.
Chinas ehemals ideologisch abgeschottete Planwirtschaft und sein auf Bedarfsgüter
ausgerichtetes Handelsmuster veränderten sich mit der Einführung marktwirtschaftli-
cher Elemente und außenwirtschaftlicher Beziehungen fundamental. Der Reformpro-
zess ist vor allem durch rasante Außenhandelsanstiege und hohe Wachstumsraten ge-
kennzeichnet. Klassische Handelstheorien prognostizieren im Rahmen des Übergangs
von Autarkie zu Freihandel eine vorteilhafte Neuausrichtung der Produktions- und
Handelsstruktur, die letztlich zu Wohlfahrtsgewinnen und Wachstum führt. Ebenso
können ausländische Direktinvestitionen sich als ein bedeutender Faktor der industriel-
len Entwicklung und Restrukturierung im Empfängerland herausstellen. Daher stellt
sich die Frage, ob diesbezügliche theoretische Voraussagen auch auf den chinesischen
Fall zutreffen. Zur Beantwortung dieser Frage muss geklärt werden, auf welche Weise
sich das chinesische Handelsmuster verändert hat und inwiefern sich ausländische Di-
rektinvestitionen auf den chinesischen Transformationsprozess ausgewirkt haben.
1.2 Aufgabenstellung und Vorgehensweise
In dieser Arbeit soll der chinesische außenwirtschaftliche Integrationsprozess beschrie-
ben und dessen reale Auswirkungen auf die chinesische Volkswirtschaft untersucht
werden. Dabei wird insbesondere auf Veränderungen der Handelsstrukturen und auf das
Wirken ausländischer Direktinvestitionen eingegangen. Monetäre Aspekte werden in
dieser Arbeit nicht behandelt, da eine adäquate Berücksichtigung den Umfang der Ar-
beit übersteigen würde. Um außenhandelstheoretische Verbindungen zur chinesischen
Handelsentwicklung ziehen zu können, werden zunächst in Kapitel 2 grundlegende Zu-
sammenhänge in den Bereichen Protektionismus, ausländische Direktinvestitionen und
Handelstheorien erläutert. Nachfolgend werden in Kapitel 3 einige zentrale Elemente
und Entwicklungen im chinesischen Öffnungsprozess dargestellt. Anschließend behan-
delt Kapitel 4.1 die Auswirkungen auf die chinesischen Handelsströme. Diese haben
sich in den letzten Jahren nicht nur in Ihrem Umfang, sondern auch in ihrer Zusammen-
setzung grundlegend verändert. Kapitel 4.2 setzt sich mit der Entwicklung und Bedeu-
tung ausländischer Direktinvestitionen auseinander, da sie ein besonders charakteristi-

3
sches Merkmal des chinesischen Transformationsprozesses darstellen. Abschließend
wird auf das regionale Gefälle wirtschaftlicher Entwicklungen und punktuell auf allge-
meinwirtschaftliche Veränderungen eingegangen. Die Arbeit endet mit einer Zusam-
menfassung und abschließenden Bemerkungen in Kapitel 5.
2 Grundlagen der Außenhandelstheorie
China baute Handelsbeschränkungen im Rahmen seines Öffnungs- und Reformprozes-
ses schrittweise ab und konnte so, unterstützt von Direktinvestitionen, zunehmend am
Welthandel partizipieren. Im Folgenden werden daher zunächst die grundlegenden Zu-
sammenhänge von Handel, Protektion und Direktinvestitionen erläutert und diesbezüg-
lich auf bestehende empirische Untersuchungen eingegangen.
2.1 Außenhandelstheorien im Überblick
Außenhandelstheorien versuchen die Frage zu klären, warum Außenhandel betrieben
wird, welchen Nutzen er den Beteiligten erbringt und welche Faktoren, auf welche Wei-
se Struktur, Richtung und Ausmaß des Außenhandels bestimmen. Die dabei zugrunde
gelegten Modelle bauen zum Teil aufeinander auf, können sich aber auch in ihrer Kon-
zeption unterscheiden, oder werden für spezielle Zwecke differenziert.
5
Im Folgenden
werden einige zentrale Punkte der realen Außenhandelstheorie, in der monetäre Aspekte
unberücksichtigt bleiben, skizziert.
2.1.1 Außenhandel und Verfügbarkeit
Ein sehr nahe liegender Grund für Außenhandel ist zunächst die mangelnde Verfügbar-
keit von Gütern oder Produktionsfaktoren. Diese Nicht-Verfügbarkeit kann zum Bei-
spiel geologische oder klimatische Unterschiede als Ursache haben. Eine zeitlich be-
grenzte Nicht-Verfügbarkeit von Gütern kann auch bei Vorhandensein einer so genann-
ten ,,technologischen Lücke" zwischen zwei Ländern auftreten. In diesem Fall wird ein
Gut exportiert, wenn ein Land aufgrund technologischer Vorteile für dieses Gut ein
5
Vgl. Ströbele/Wacker (2000), S.9.

4
Entwicklungsmonopol besitzt. Im Rahmen der Produktionszyklustheorie verringert sich
jedoch der technologieintensive Anteil neu entwickelter Produkte. Sie werden zuneh-
mend standardisiert und können, nach einer gewissen Anpassungszeit, vom Ausland
imitiert werden. Ist der ausländische Produktionsstandort dann eventuell in der Lage,
besser oder kostengünstiger (zum Beispiel aufgrund geringerer Lohnkosten) zu produ-
zieren, profitieren ausländische Imitatoren und inländische Hersteller sind geneigt, ihre
Produktionsstandorte ins Ausland zu verlagern. Die Richtung, in der Güter gehandelt
werden, kann sich in so einem Fall letzten Endes sogar umkehren: Der Exporteur des
Gutes wird zum Importeur.
6
Die Verfügbarkeit eines Gutes ist aber nur ein spezifischer Handelsaspekt, der zudem
nur ungeeignet modelltheoretisch verarbeitet werden kann. Er erklärt auch nicht, warum
Güter importiert werden, obwohl sie selbst hergestellt werden, oder zumindest selbst
hergestellt werden könnten. An dieser Stelle helfen Preisunterschiede zwischen den im
Ausland und im Inland hergestellten Gütern weiter.
7
Diese Preisunterschiede stellen ein
sehr wichtiges Außenhandelsargument dar und können verschiedene Ursachen haben.
Im Rahmen der ,,(Neo)klassischen Handelstheorie" werden im Folgenden zwei der be-
kanntesten, speziellen Außenhandelsmodelle vorgestellt. Sie begründen Preisvorteile
zwischen zwei Ländern zum einen mit Unterschieden in der faktorspezifischen Produk-
tivität und dadurch hervorgerufenen Kostenunterschieden (Ricardo-Modell) und zum
anderen mit unterschiedlichen Faktorausstattungen (Heckscher-Ohlin-Modell).
8
2.1.2 Klassische und Neoklassische Außenhandelstheorie
Adam Smith begründete als Kritik auf den nach Protektionismus und in letzter Konse-
quenz nach Autarkie strebenden Merkantilismus die ,,Klassische Handelstheorie", bei
der Freihandel als ideales, handelspolitisches Ziel bewertet wird. Zuvor dominierte die
Vorstellung, dass Handelsgewinne nur auf Kosten einer anderen Nation realisiert wer-
den können. Über den Ansatz des ,,absoluten Vorteils" profitieren nach Adam Smith im
Zwei-Länder-Zwei-Güter Modell jedoch erstmals beide Nationen vom Güteraustausch.
Zur Veranschaulichung vergleicht Smith die Weltwirtschaft mit den Produktionsgege-
6
Vgl. Rose/Sauernheimer (1999), S. 375f.
7
Vgl. Rose/Sauernheimer (1999), S. 377 und S. 379.
8
Vgl. Rübel (2004), S. 19.

5
benheiten einer Fabrik. Produktivität und Output einer Fabrik steigen, wenn sich Arbei-
ter auf bestimmte Arbeitsbereiche, in denen sie am produktivsten sind, spezialisieren.
Dieser Sachverhalt ist auch auf die Weltwirtschaft übertragbar. Wenn zwei Länder ei-
nen unterschiedlichen absoluten Vorteil bei der Produktion zweier Güter haben, können
sie sich durch Spezialisierung auf das jeweils für sie vorteilhafte Gut und anschließen-
dem Handel ausschließlich besser stellen. Weltoutput und Weltwohlstand steigen, denn
die Güter werden durch Marktkräfte und Freihandel dort produziert, wo dieses am effi-
zientesten möglich sei.
9
2.1.2.1 Das Ricardo-Modell
Auch David Ricardo führte Anfang des 19. Jahrhunderts Außenhandel in letzter Konse-
quenz auf unterschiedliche Arbeitsproduktivitäten der beteiligten Länder zurück. Er
erweiterte jedoch diese Vorstellung in einem nach ihm benannten Modell (Ricardo-
Modell) um den Aspekt des so genannten ,,komparativen Vorteils". Dieser begründet
die Vorteilhaftigkeit des Handelns auch im Falle einer einseitigen Verteilung der abso-
luten Produktionsvorteile. In diesem Fall ist Handel für beide Länder vorteilhaft, wenn
sie sich auf das Gut spezialisieren, bei dem der absolute Vorteil relativ hoch ist, bezie-
hungsweise der absolute Nachteil relativ gering ist.
10
Der komparative Vorteil kann wie
folgt erklärt werden.
Bei einer modellbedingten Vollauslastung der Produktionsfaktoren, ist eine Produkti-
onssteigerung des einen Gutes immer mit einem Produktionsrückgang des anderen Gu-
tes verbunden. Somit ist der Produktionsaufwand des einen Gutes auch über den Pro-
duktionsverzicht des anderen Gutes (Opportunitätskosten) messbar. Obwohl zum Bei-
spiel Land A beide Güter arbeitsproduktiver herstellen könnte, ist Land B in der Lage
Gut 1, ausgedrückt in Mengeneinheiten des Gutes 2, günstiger herzustellen, da für eine
Einheit des Gutes 1, bei der Produktion in Land B, auf weniger Einheiten des Gutes 2
verzichtet werden muss. Land A hat dagegen spiegelbildlich geringere Opportunitäts-
kosten bei der Produktion des Gutes 2. Dies ist das Gut, bei dem der absolute Vorteil
des Landes am größten ist, bei dem Land A also einen komparativen Vorteil besitzt.
11
Entscheidend sind nach dem Ricardo-Modell also die Produktivitätsverhältnisse der
9
Vgl. Husted/Melvin (1993), S. 56f und S. 62.
10
Vgl. Husted/Melvin (1993), S.63.
11
Vgl. Maenning/Wilfling (1999), S.98f.

6
Güter innerhalb eines Landes, die für die Bestimmung eines komparativen Vorteils, mit
denen des anderen Landes verglichen werden können.
Ein komparativer Vorteil besteht
immer dann, wenn die absoluten Vorteile unterschiedlich verteilt sind, aber auch, wenn
die absoluten Vorteile einseitig verteilt sind, solange sie für beide Güter in der Proporti-
on nicht exakt gleich sind.
Nach Handelsaufnahme bilden sich zunächst einheitliche Weltmarktpreise, was zur An-
gleichung der jeweiligen Güterpreisverhältnisse führt. Das Importgut wird günstiger im
Ausland gekauft, das Exportgut teurer im Ausland verkauft. Aufgrund der geänderten
Nachfrage sinkt der Preis des Importgutes und steigt der Preis des Exportgutes. Dies
impliziert, dass ein Land für eine Mengeneinheit seines Exportgutes mehr Mengenein-
heiten des Importgutes erhalten kann, als dies in Autarkie möglich gewesen wäre. Selbst
wenn die Produktionsstruktur also zunächst konstant bleibt, entsteht allein durch die
Bildung des neuen Weltmarktpreisverhältnisses, zu dem die Güter getäuscht werden,
ein Handelsgewinn für beide Länder. In der Autarkieproduktion ist das Produktionsop-
timum jedoch noch nicht erreicht. Spezialisieren sich beide Länder auf ihr jeweils vor-
teilhaftes Gut, erhöhen sich infolge der Produktionsumschichtung Weltproduktion und
Weltkonsum. Die Verteilung der Außenhandelsgewinne hängt letztlich von der Diffe-
renz zwischen Weltmarktpreisverhältnis und den alten, jeweiligen Autarkiepreisverhält-
nissen ab.
12
Das Ricardo-Modell ist mit strikten Annahmen verbunden, die seinen Erklärungsgehalt
zum Teil abschwächen. Die Modellannahmen beinhalten beispielsweise unveränderli-
che Faktormengen, nur ein Produktionsfaktor Arbeit, der zudem national vollständig
mobil und international vollständig immobil sei, konstante Nutzenvorstellungen der
Nachfrager, keine externen Effekte, vollkommene Märkte die wiederum Vollbeschäfti-
gung und kostenlosen Gütertransport implizieren etc.
13
Abweichungen von diesen An-
nahmen wie sie in der Realität vorkommen, können die Handelsmuster beeinflussen und
Wohlfahrtseffekte verzerren. Transportkosten oder Zölle können zum Beispiel dafür
verantwortlich sein, dass es sich nicht lohnt, bestimmte Güter überhaupt zu handeln.
14
Dies wäre ein Grund, warum es nicht zu der im Modell vorhergesagten, vollständigen
Spezialisierung kommt. In der Realität können des Weiteren Produktionsfaktoren nicht
12
Vgl. Rübel (2004), S.73f und S. 77.
13
Vgl. Maenning/Wilfling (1998), S. 93f.
14
Vgl. Rose/Sauernheimer (1999), S. 377.

7
immer und vor allem zeitnah von Sektor zu Sektor ohne Kosten wechseln und veränder-
te Produktionsstrukturen können die Nachfrage nach Produktionsfaktoren verändern.
Nach Handelsaufnahme profitieren in der Regel Faktoren, die im Exportsektor gebun-
den sind, wohingegen importkonkurrierende Faktoren verlieren. Die Außenhandelsge-
winne können in der Theorie die potentiellen Verluste jedoch immer überkompensie-
ren.
15
Darüber hinaus können spezifische Nachfrageelastizitäten unter speziellen Vo-
raussetzungen auch negative Wohlfahrtseffekte, in Form des so genannten Verelen-
dungswachstums, nach sich ziehen.
16
Letzen Endes erfasst das Ricardo-Modell nicht
alle wichtigen Handelsursachen. Aspekte der Faktorausstattungen oder des intra-
industriellen Handels, wie sie im Folgenden noch angesprochen werden, klammert das
Ricardo-Modell aus.
Trotz seiner restriktiven Voraussetzungen zeigt das Ricardo-Modell gut auf, welche
wichtige Rolle Produktivitätsunterschiede im Außenhandel spielen können. Die Grund-
prognose, dass Länder insbesondere Güter exportieren, bei denen sie relativ produktiv
sind, sowie das Handelsmuster eher von komparativen als von absoluten Vorteilen ge-
prägt sind, wird von einigen empirischen Studien unterstützt.
17
Der komparative Vorteil
des Ricardo Modells lässt sich auch im Vergleich von Industrie- und Entwicklungslän-
dern wieder finden. Industrieländer sind in der Regel in allen Sektoren produktiver. Bei
Produkten, bei denen die Herstellungsanforderungen relativ gering sind, mag der Pro-
duktivitätsvorteil jedoch relativ klein sein. Ruoen/Manying (2002) verglichen in einer
Studie die chinesische und deutsche ökonomische Leistungsfähigkeit anhand von Pro-
duktions- und Produktivitätsdaten. Sie kamen dabei zu dem Ergebnis, dass die chinesi-
sche Bruttowertschöpfung 1995 im Fertigungssektor durchschnittlich 70% der deut-
schen und die Bruttowertschöpfung pro Arbeiter ca. 5% der deutschen betrug. In eini-
gen chinesischen Sektoren, die relativ produktiver waren (z.B.: Bekleidung 19,7%, Le-
derprodukte & Schuhwerk 12%), überstieg die gesamte chinesische Bruttowertschöp-
fung die deutsche jedoch um das 8-fache.
18
Dies ist ein Hinweis darauf, dass China ent-
sprechend seines komparativen Vorteils produzierte.
15
Vgl. Krugman/Obstfeld (2004), S. 117.
16
Vgl. Bhagwati (1958), S.201ff.
17
Siehe zum Beispiel MacDougall (1951).
18
Vgl. Ruoen/Manying (2004), S. 121f.

8
2.1.2.2 Das Heckscher-Ohlin-Modell
Die beiden schwedischen Ökonomen Elil Heckscher und Bertil Ohlin entwickelten in
der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts ein Modell des komparativen Vorteils mit zwei
Produktionsfaktoren (Arbeit und Kapital), welches der neoklassischen Handelstheorie
zugeordnet wird. Das bis heute sehr einflussreiche Heckscher-Ohlin-Modell erklärt die
Vorteilhaftigkeit
des
Außenhandels
über
den
Aspekt
unterschiedlicher
Faktorausstattungen und Faktorintensitäten.
19
Im Gegensatz zu Ricardo weisen im Zwei-Länder-Zwei-Güter Modell beide Länder
identische Produktivitäten auf. Allerdings unterscheiden sich die beiden Länder in ihrer
relativen Faktorausstattung. Das eine Land ist relativ kapitalreich im Vergleich zum
anderen Land. Das Verhältnis aus verfügbarem Kapital und verfügbarer Arbeit ist also
in einem Land größer als im anderen Land. Die Faktorreichlichkeit eines Landes ist
alternativ auch über das Lohn-Zins-Verhältnis messbar, denn reiche Faktoren sind rela-
tiv günstig und knappe Faktoren relativ teuer. Bei der Bestimmung der
Faktorreichlichkeit anhand des Lohn-Zins-Verhältnisses wären Nachfrageunterschiede
bereits berücksichtigt und bestimmte Nachfragekonstellationen könnten dann die Aus-
sagen des Heckscher-Ohlin Modells nicht mehr verzerren.
20
Neben der unterschiedlichen Fakorausstattung zweier Länder unterscheiden sich die
beiden produzierten Güter in ihrer Faktorintensität. Ein Gut ist relativ kapitalintensiv in
der Produktion, das andere dementsprechend relativ arbeitsintensiv. Ein Gut ist relativ
kapitalintensiv, wenn bei allen gegebenen Faktorpreisen das Verhältnis aus Kapital- und
Arbeitseinsatz in der Produktion höher ist, als bei dem des anderen Gutes. Die Kosten
eines Gutes ergeben sich aus den dafür benötigten Faktoreinsätzen, die mit den
Faktorpreisen multipliziert werden. Die Kombination der Faktoreinsätze pro Gut ist
dabei variabel und von den Faktorpreisen wiederum abhängig. Für das arbeitsintensive
Gut muss in beiden Ländern relativ mehr Arbeit aufgewendet werden. Da beispielswei-
se das Inland jedoch relativ reichlich mit Arbeit ausgestattet ist und Arbeit daher relativ
billig ist, besitzt das Inland einen relativen Preisvorteil bei der Produktion des arbeitsin-
tensiven Gutes. Spiegelbildlich hat das Ausland einen relativen Preisvorteil bei der Pro-
duktion des kapitalintensiven Gutes. Somit besteht die zentrale Aussage des Heckscher-
Ohlin Modells letztendlich darin, dass ein Land einen komparativen Preisvorteil für das
19
Vgl. Husted/Melvin (1993), S. 87.
20
Vgl. Rübel (2004), S.59f.

9
Gut besitzt, bei dessen Produktion der im Land relativ reichlich vorhandene Faktor rela-
tiv intensiv genutzt wird.
21
Nach Handelsaufnahme gleichen sich die Relativpreise wie schon im Ricardo-Modell
an. Im Produktionsoptimum wird, je nach komparativem Vorteil, mehr vom kapitalin-
tensiven, beziehungsweise mehr vom arbeitsintensiven Gut produziert. Beide Länder
können durch den Gütertausch mehr konsumieren als in Autarkie. Die Handelsaufnah-
me hat auch Auswirkungen auf die Entlohnung. Gleichen sich die Relativpreise an, so
impliziert dies auch eine Angleichung des Lohn-Zinsverhältnisses in beiden Ländern.
Dies wiederum bedeutet, dass durch Spezialisierung auf das komparativ vorteilhafte
Gut, der relativ reichlich vorhandene Faktor gewinnt, also relativ teurer wird und der
relativ knappe Faktor verliert, also relativ billiger wird. Spezialisiert sich also das ar-
beitsreiche Inland auf das arbeitsintensiv hergestellt Gut, profitieren vom handelsbe-
dingten Relativpreisanstieg des arbeitsintensiven Gutes die Menschen, die ihr Einkom-
men aus Arbeit beziehen. Menschen, die ihr Einkommen aus Kapital beziehen, erleiden
Einbußen. Eine spiegelbildliche Verteilung erfolgt im Ausland.
22
Modellkritik ergibt sich unter anderem aus den einschränkenden Annahmen, die teil-
weise ähnlich wie im Ricardo-Modell die Aussagen des Heckscher-Ohlin-Modells ver-
zerren können. Eine prominente Studie, die das Heckscher-Ohlin-Modell zunächst nicht
bestätigt, ist als Leontiefparadoxon bekannt geworden. Wassily Leontief stellte dabei in
einer Untersuchung von 1960 fest, dass in den kapitalreichen USA die Arbeitsintensität
der Exporte höher war, als die der Importe. Dieses Untersuchungsergebnis stand im
Widerspruch zum Ohlinschen Handelsmodell.
23
Mögliche Erklärungen für dieses Er-
gebnis deuten unter anderem auf die Heterogenität des Faktors Arbeit und die Nichtbe-
rücksichtigung von technologischen Unterschieden hin. So besitzen die USA durchaus
einen komparativen Vorteil im Bereich hoch qualifizierter Arbeit und Hochtechnologie-
produkte können durchaus weniger kapitalintensiv sein als importierte Fertigprodukte
der Schwerindustrie. Aber auch breiter angelegte Studien haben gezeigt, dass der Au-
ßenhandel oft nicht den prognostizierten Verlauf annimmt.
24
Im Gegensatz dazu belegt
21
Vgl. Rose/Sauernheimer (1999), S. 412ff.
22
Vgl. Krugman/Obstfeld (2004), S. 116f.
23
Siehe Leontief (1953).
24
Vgl. Krugman/Obstfeld (2004), S. 123f.

10
eine Vielzahl von Studien, dass der Nord-Süd Handel, also der Handel zwischen Indust-
rie- und Entwicklungsländern, oft mit dem Heckscher-Ohlin-Modell vereinbar ist.
25
Da
China als Schwellenland insbesondere Handelsbeziehungen zu höher entwickelten Län-
dern unterhält, mag das Heckscher-Ohlin-Modell für die Beschreibung des chinesischen
Handelsmuster also möglicherweise zutreffend sein.
Die Stärke klassischer Standardmodelle ist es, zentrale Variablen und Strukturen des
Außenhandels auf einer grundlegenden Ebene übersichtlich darzustellen. Neuere Ansät-
ze versuchen insbesondere die vereinfachten Annahmen der bisherigen Theorie zum
Ausgangspunkt ihrer Analyse zu machen. Zudem konnten im Zuge der Globalisierung
neue Handelsursachen beobachtet werden, wie zum Beispiel das strategische Verhalten
multinationaler Konzerne.
2.1.3 Neuere handelstheoretische Aspekte
Eine zentrale Annahme klassischer Modelle sind abnehmende Skalenerträge in der Pro-
duktion. In der Realität können jedoch auch steigende Skalenerträge beobachtet werden.
Die Ausbringungsmenge nimmt im Verhältnis zum steigenden Faktoreinsatz überpro-
portional zu. Dadurch entstehen sinkende Durchschnittskosten, die letztendlich einen
Anreiz darstellen, eine maximale Ausbringungsmenge zu produzieren. Ursachen stei-
gender Skalenerträge sind zum Beispiel geringeren Kosten der Massenfertigung oder
beruhen auf produktionstechnischen Lerneffekten. Steigende Skalenerträge können auf
Unternehmensebene (interne Skalenerträge) und auch auf der Ebene einer ganzen Bran-
che (externe Skalenerträge) anfallen.
26
Da die Produktionsmittel eines Landes begrenzt
sind, müssen sich beide Länder auf bestimmte Produkte spezialisieren, wenn sie von
Massenproduktionsvorteilen profitieren wollen. Die Güter können so in größeren Men-
gen, billiger hergestellt werden und durch die Aufnahme von Handel werden die Kon-
sumwünsche der Verbraucher nicht eingeschränkt. Eine weitere klassische Annahme
war die homogene Beschaffenheit von Gütern. Da Nachfrager jedoch insbesondere in
fortgeschrittenen Ländern Produktvielfalt präferieren, existieren oft vielfältige Variatio-
nen der gleichen Grundprodukte. Aus diesem Grund spezialisieren sich Unternehmen
zunehmend auf bestimmte Ausprägungen dieser Produkte. Somit werden die Konsum-
25
Vgl. Wood (1994), S. 45f.
26
Vgl. Krugman/Obstfeld S. 174.

11
möglichkeiten der Verbraucher über den Außenhandel im Sinne gestiegener Produkt-
vielfalt erweitert.
27
In Abgrenzung zum inter-industriellen Handel (Handel mit unter-
schiedlichen Produktgruppen) ist dies ein wichtiger Auslöser für intra-industriellen
Handel (Handel mit gleichartigen Produkten).
Intra-industrieller Handel kann horizontal und vertikal verlaufen. Horizontaler Handel
beschreibt in diesem Sinne den Handel mit Varianten eines Produktes ähnlicher Quali-
tät. Vertikaler Handel bezieht sich an dieser Stelle auf ähnliche Produkte, die sich in der
Qualität unterscheiden. Je nach Aggregationstiefe enthält intra-industrieller Handel auch
den Handel mit ähnlichen Produkten, die sich in unterschiedlichen Produktionsstufen
befinden. Die horizontale Ausprägung beschreibt insbesondere den Handel zwischen
Ländern mit ähnlichem und höherem Pro-Kopf-Einkommen, da hier der Markt und die
Nachfrage für Variationen qualitativer Produkte relativ groß sind. Vertikaler Handel tritt
dagegen eher zwischen Ländern mit unterschiedlichem Pro-Kopf-Einkommen auf und
kann Ausdruck unterschiedlicher Ausstattungen und komparativer Vorteile sein.
28
Ein großer Anteil des internationalen Handels besteht des Weiteren aus dem intra-
Firmen Handel, also dem Handel zwischen internationalen Konzernen und ihren ver-
bundenen Unternehmen oder Filialen. Dieser kann intra- aber auch inter-industrieller
Natur sein. Das Volumen des intra-Firmen Handels wird Schätzungen zufolge auf ca.
30% des Welthandelvolumens beziffert.
29
Der Handel innerhalb multinationaler Unter-
nehmen reflektiert dabei zum Teil, ebenso wie der steigende Anteil des vertikalen Han-
dels, die wachsende Bedeutung der Produktionsinternationalisierung.
30
Der Handel ge-
schlossener Volkswirtschafen ist überwiegend inter-industrieller Natur, da er sich auf
die Beschaffung nicht verfügbarer Güter konzentriert.
31
Interne Skalenerträge implizieren des Weiteren die Herausbildung monopolistischer
Strukturen und damit unvollkommener Märkte, da große gegenüber kleinen Unterneh-
men Kostenvorteile und damit Wettbewerbsvorteile besitzen. Der größen- oder entwick-
lungsbedingte Wettbewerbsnachteil kann dazu führen, dass kleinere Unternehmen am
27
Vgl. Rübel (2004), S. 128ff.
28
Vgl. Hellvin (1996), S. 18f.
29
Vgl. Bieling (2007), S. 127.
30
Vgl. OECD (2002a), S. 166.
31
Vgl. Hellvin (1996), S. 12.

12
Markteintritt gehindert werden, obwohl sie eventuell bei gleicher Größe und Entwick-
lung effizienter produzieren könnten als die etablierten Unternehmen. Daraus ergibt sich
ein nicht kritikfreies
32
Argument, den Export- und Importsubstitutsektor staatlich zu
subventionieren. Außenhandel kann an dieser Stelle demonopolisierend wirken. Ein
inländisches Monopol kann durch Außenhandel abgebaut werden, wenn ausländische
Konkurrenz den inländischen Markt mit neuem Wettbewerb belebt. Steigender Wett-
bewerb wirkt durch den Abbau von Monopolrenten preisdämpfend und schafft Innova-
tions- und Effizienzanreize.
33
Steigende Skalenerträge und unvollkommener Wettbewerb sind auch wichtige Annah-
men in Modellen der ,,Neuen Ökonomischen Geographie"
34
, ein jüngerer Ansatz der
Außenwirtschaftstheorie, dessen zentrales Anliegen es ist, räumliche Wirtschaftsstruk-
turen und insbesondere Ballungen wirtschaftliche Aktivitäten zu erklären. Dabei werden
Außenhandels- und Standortlehre miteinander verknüpft. Industrielle Agglomerationen
sind auf verschiedenen geographischen Ebenen beobachtbar. Im Jahr 2000 wurden 83%
des Weltinlandsproduktes in den Regionen NAFTA, EU und Ostasien erwirtschaftet.
Auf Länderebene konzentriert sich die wirtschaftliche Aktivität ebenfalls oft auf be-
stimmte Regionen, zum Beispiel ist Shanghai eines der wirtschaftlichen Zentren Chinas.
Auf Unternehmensebene lassen sich oft Clusterbildungen ähnlicher Branchen beobach-
ten wie zum Beispiel die Halbleiterindustrie im Silicon Valley.
35
Ursachen für die Bal-
lung wirtschaftlicher Aktivitäten lassen sich untergliedern in Standortvorteile im enge-
ren Sinne und zirkuläre Prozesse. Zu Letzterem gehören eine Reihe externer Effekte wie
zum Beispiel Wissenstransfers und Kostenvorteile durch Marktgrößeneffekte. Die
,,Neue Ökonomische Geographie" ist in der Lage, Marktgrößeneffekte mikroökono-
misch zu fundieren und sie in Gleichgewichtsmodellen des unvollkommenen Wettbe-
werbs abzubilden. Um das Konzept des Raumes dabei zu integrieren wird angenom-
men, dass der Transport von Gütern Kosten verursacht. Produzenten von End- und Zwi-
schengütern können von gegenseitiger Nähe profitieren. Endgüterproduzenten können
Zwischengüter aufgrund geringerer Handelskosten günstiger beziehen und Zwischengü-
terproduzenten ziehen Nutzen aus dem größeren Absatzmarkt. Deglomerativ wirkt da-
32
Die Kritik ähnelt den Vorbehalten gegenüber Erziehungszöllen, die in Kapitel 2.3 angesprochen
werden.
33
Vgl. Rübel (2004), S. 131ff.
34
Siehe zum Beispiel Krugman/Venables/Mujita (1999).
35
Vgl. Fujita/Mori (2005), S. 377f.

13
gegen ein gewisses Maß an Immobilität und steigendem Wettbewerb. Je nach Höhe der
Handelskosten ergeben sich für diesen Ballungsmechanismus
36
unterschiedliche
Gleichgewichte, die dadurch gekennzeichnet sind, dass sie ab bestimmten Schwellen-
werten instabil werden können.
37
Aus den inzwischen vielfach weiterentwickelten Mo-
dellen lassen sich eine Reihe neuer Implikationen für die Steuer-, Standort-, Regional-
und Handelspolitik ableiten. Beispielsweise sei die Wirksamkeit der Veränderung
künstlicher Handelskosten (zum Beispiel Zölle) abhängig von der Nähe zu kritischen
Schwellenwerten. Des Weiteren lässt sich auch ein einseitiges Zollargument insbeson-
dere für kleinere Länder ableiten. Eine Zollerhebung auf Kosten des Auslandes kann
kleineren Ländern dabei helfen, kritische Marktgrößen zu erreichen, um die Agglomera-
tionsdynamik auszulösen. Folgeuntersuchungen haben jedoch ergeben, dass diesbezüg-
liche Schlussfolgerungen in Konflikt mit den Modellannahmen treten können. Auch im
Rahmen fundamentaler Argumente gegen Protektionismus (Vergeltungszölle, rent-
seeking-Verhalten etc.), liefert die ,,Neue Ökonomische Geographie" daher kein robus-
tes Argument für Protektionismus.
38
2.2 Multinationale Unternehmen und ausländische Direktinvestitionen
Im Zuge der Globalisierung sind multinationale Unternehmen zu einem der Hauptakteu-
re ökonomischer Internationalisierung geworden und ausländische Direktinvestitionen
erweisen sich als bedeutende Faktoren von global-industriellen Entwicklungen und
Restrukturierungen. Die damit einhergehende Internationalisierung der Produktion wird
im Rahmen der Standortstrategien auch von komparativen Vorteilen beeinflusst.
39
Auf
die Motive von multinationalen Unternehmen und ausländischen Direktinvestitionen
sowie deren Auswirkungen auf die Empfängerländer wird daher im Folgenden kurz
eingegangen.
36
Der Ballungsmechanismus ist auch als Beziehung zwischen Arbeitnehmer und Unternehmen
modellierbar.
37
Vgl. Pflüger (2007), S. 1ff.
38
Vgl. Pflüger (2007), S. 8ff.
39
Vgl. OECD (2005), S. 18.

14
2.2.1 Bedeutung und Motive
Ein Unternehmen ist offiziell multinational, wenn es Eigenkapitalanteile ausländischer
Unternehmen besitzt, die es ihm ermöglichen, ein wesentliches Maß an Kontrolle aus-
zuüben. Derzeit gilt dafür eine Beteiligung von mindestens 10% als ausreichend. Unter
ausländischen Direktinvestitionen kann man Kapitalströme verstehen, über die eine aus-
ländische Niederlassung gegründet, erweitert oder ein ausländisches Unternehmen (an-
teilig oder vollständig) erworben wird. Darunter fallen sowohl die anfänglichen als auch
folgende Transaktionen zwischen den Unternehmen. Mit dem Investitionsfluss muss
jedoch ein entscheidender Einfluss auf die Führung des Managements, sowie ein andau-
erndes Interesse des Investors verknüpft sein.
40
Grenzüberschreitende Direktinvestitio-
nen sind das Hauptinstrument multinationaler Unternehmenstätigkeit.
41
Derzeit existieren ca. 79.000 Transnationale Unternehmen mit insgesamt ca. 790.000
ausländischen Niederlassungen, deren Gesamtumsatz 2007 ca. 31 Billionen US$ betrug.
Bei einer Beschäftigungsanzahl von 82 Millionen Menschen stieg die Bruttowertschöp-
fung ausländischer Filialen auf 11% des weltweiten Bruttoinlandsproduktes. Die welt-
weiten Zuflüsse ausländischer Direktinvestitionen stiegen von 58 Milliarden US$ im
Jahr 1982 auf 1,833 Billionen US$ im Jahr 2007. Auf die Entwicklungsländer fielen
dabei ca. 500 Milliarden US$. Dass ausländische Direktinvestitionen eine wichtige
Triebfeder der Globalisierung sind, verdeutlichen auch ihre jahresdurchschnittlichen
Wachstumsraten von 12,4% zwischen 1980 und 2006. Im Vergleich dazu ist das welt-
wirtschaftliche Bruttoinlandsprodukt nur um 3,3% und das reale Exportvolumen um
5,9% im Jahresdurchschnitt gewachsen.
42
Auch wenn die Finanzkrise für sinkende Wer-
te 2008 verantwortlich sein wird, zielen immer noch viele der weltweit neu erlassenen
Gesetze und Bestimmungen auf ein verbessertes Investitionsklima ab.
43
Multinationale
Unternehmen sind für ca. zwei Drittel der internationalen Warenströme verantwort-
lich.
44
Diese Werte veranschaulichen die Dimension von multinationalen Unternehmen
und Direktinvestitionen.
40
Vgl. World Investment Report (2007), S. 245.
41
Vgl. Koopmann/Franzmeyer (2003), S. 19.
42
Vgl. Römer (2008), S. 8.
43
Vgl. UNCATD (2008a), S. XVIf und S. 10.
44
Vgl. Koopmann/Franzmeyer (2003), S. 18.

15
Theoretischen Modellierungen, die sich mit der Existenz von multinationalen Unter-
nehmen und Direktinvestitionen beschäftigen, sind im Vergleich zur Außenhandelstheo-
rie relativ jung. Ohne näher auf die vielfältigen, theoretischen Erklärungsansätze und
auf wissenschaftliche Zwischenstände einzugehen, kann man das Wirken multinationa-
ler Unternehmen in einem allgemeinen, komprimierenden Erklärungsansatz von
Dunning
auf Unternehmens-, Standort- und Internalisierungsaspekte reduzieren (,,OLI-
Paradigma
45
"). Demnach erfordert eine erfolgreiche internationale Tätigkeit einen un-
ternehmensspezifischen Vorteil des Unternehmens gegenüber Unternehmen mit anderer
Nationalität. Des Weiteren wird der Ort einer Niederlassung von Standortvorteilen be-
stimmt. Beispielsweise können für den Verkauf in China bestimmte Produkte auch von
einer Tochterfirma vor Ort produziert werden, um Transportkosten zu sparen. Letztend-
lich kann sich die internalisierte Produktion unter dem Dach eines Mutterunternehmens
aufgrund von Verbundvorteilen lohnen. Das Unternehmen kann zum Beispiel Einfluss
auf die Preisbildung intern gehandelter Güter nehmen, Verhandlungskosten sparen und
Eigentumsrechte schützen.
46
Der Anstieg von internationalen Investitionen ist überwiegend zurückzuführen auf Libe-
ralisierungen, Deregulierungen, gesunkene Transportkosten und die Überwindung ande-
rer technischer Barrieren durch neue Technologien des Informations- und Telekommu-
nikationsbereichs. Zunehmend sahen sich Unternehmen neuen potentiellen Standorten
gegenüber, von denen sie profitieren konnten.
47
Die spezifischen Beweggründe für aus-
ländische Direktinvestitionen lassen sich auf verschiedene Arten gliedern. Gesamtwirt-
schaftliche Standortfaktoren wie beispielsweise die makroökonomische, politische oder
rechtliche Stabilität eines Landes gehören allerdings immer zu den Hauptdeterminanten
für eine Internationalisierungsentscheidung. Im Speziellen lassen sich zwei Motive be-
sonders hervorheben: Marktmotive und Kostenmotive. Liegen Marktmotive zugrunden,
sollen bestehende Märkte gesichert, erweitert oder neu erschlossen werden. Produktdif-
ferenzierungen in Verbindung mit global variierenden Konsumpräferenzen führen häu-
fig zu der Notwendigkeit, vor Ort in Produktions-, Marketing,- Vertriebs- oder Service-
abteilungen zu investieren. Die eigene Versorgung mit Roh- und Betriebsstoffen zu si-
chern, kann ein weiteres Ziel sein. Die zweite zentrale Investitionsursache - Kostenmo-
tive - beruht vor allem auf den geringeren Arbeitskosten alternativer Produktionsstan-
45
OLI = ownership, locational and internalization advantages.
46
Vgl. Dunning/Lundan (2008), S. 101f.
47
Vgl. Rübel (2004), S. 153.

16
dorte. Geschaffene Größen- und Verbundvorteile ziehen jedoch ebenfalls sinkende Kos-
ten nach sich.
48
Kostenorientierte Investitionsmotive beschränken sich aber nicht nur auf die örtliche
Produktionsentscheidung kompletter Güter, sondern sie beinhalten auch den Versuch,
die Glieder der Wertschöpfungskette auf ihre jeweils günstigsten Standorte zu vertei-
len.
49
Existieren für handelbare Zwischenprodukte unterschiedliche Faktorintensitäten
und sind Länder unterschiedlich mit diesen Faktoren ausgestattet, kann man bezüglich
der Produktionsverteilung, auch von einem Heckscher-Ohlin Muster sprechen. Länder
spezialisieren sich demnach auf Zwischengüter, bei denen sie den größten relativen
Preisvorteil haben. Der wesentliche Unterschied zum Heckscher-Ohlin Modell besteht
darin, dass bei Betrachtung der Fragmentation, Handel bereits existiert und Arbeitstei-
lung international nur vertieft wird, wohingegen das Heckscher-Ohlin Modell den
Übergang von Autarkie zu Freihandel beschreibt. Dadurch sind Aussagen des Heck-
scher-Ohlin Modells beispielsweise über die Faktorentlohnung nicht auf den Aspekt der
Fragmentation übertragbar.
50
Entwicklungsländer können von der Aufspaltung der Pro-
duktionsprozesse profitieren, wenn sie mangels Know-how ein Gesamtprodukt zwar
nicht herstellen, aber über ein technologisch weniger anspruchvolles, enthaltenes Teil-
produkt trotzdem an internationaler Arbeitsteilung partizipieren können.
51
Des Weiteren
können sie durch die Verarbeitung importierter, höherwertiger Zwischengüter, enthalte-
nes technologisches Wissen aquirieren.
52
Die internationale Arbeitsteilung und Vertei-
lung der Produktion, sei es von Zwischengütern oder von kompletten Gütern, kann in-
nerhalb von Unternehmen aber natürlich auch zwischen verschiedenen Unternehmen
stattfinden.
53
Neben den Kosten- und Marktmotiven existieren noch weitere verschiedene Motive.
Beispielsweise entstehen zwischen Unternehmen Kooperationen oder auch Übernah-
men, wenn Beteiligte eine Funktion besser ausüben oder eine Komponente besser pro-
duzieren können. Ein bisher unbekannter Markt kann einfacher erschlossen werden,
wenn im Rahmen eines Joint Ventures, das marktunerfahrene vom markterfahrenen
48
Vgl. Römer (2008), S. 37f.
49
Vgl. Rübel (2003), S. 39.
50
Vgl. Rübel (2003), S. 47f.
51
Vgl. Rübel (2004), S. 178f.
52
Vgl. Gaulier/Lemoine/Ünal-Kesenci (2004), S. 6.
53
Vgl. OECD (2005), S. 197.

17
Unternehmen profitiert. Letzten Endes können mit grenzüberschreitenden Investitionen
auch Risiken gemindert werden. Ein vergrößerter Absatzmarkt diversifiziert das Unter-
nehmensrisiko und geteilte Kosten für die Entwicklung innovativer Produkte senken das
Forschungsrisiko.
54
2.2.2 Auswirkungen auf die Empfängerländer
Auf die Frage, welche Auswirkungen ausländische Direktinvestitionen auf die Empfän-
gerländer haben, gibt es ein breites Spektrum von Antworten. Diese reichen von libera-
len Auffassungen, welche ausländische Direktinvestitionen generell als wesentlichen
Kanal für ökonomisches Wachstum und Entwicklung betrachten, bis hin zu globalisie-
rungskritischen Auffassungen, die ausländische Direktinvestitionen nur als eine weitere
Form des ,,race to the bottom
55
" ansehen.
56
Theoretisch haben Direktinvestitionen viel-
fältige, positive, aber auch negative, potentielle Auswirkungen. Eine OECD Studie von
2002 kommt jedoch zu dem Ergebnis, dass der Gesamtnutzen von ausländischen Di-
rektinvestitionen in der empirischen Literatur von einer großen Mehrheit der Untersu-
chungen belegt werde, auch wenn das exakte Nutzenmaß manchmal nur schwer be-
stimmt werden könne.
57
Abgesehen von der zusätzlichen Kapitalbildung und der wirt-
schaftlichen Stimulierung durch die Investition als solche, können sich ausländische
Direktinvestitionen über eine Reihe von indirekten Effekten (,,spillover"-Effekte) posi-
tiv auf die Wirtschaft des Empfängerlandes auswirken. Görg/Greenway (2004) geben
einen Überblick über 40 Studien, die sich damit befassen, inwiefern der Eintritt auslän-
dische Unternehmen die Produktivität einheimischer Unternehmen beeinflusst. Eine
leichte Mehrheit stellt diesbezüglich einen positiven Zusammenhang fest, eine deutli-
che Minderheit kommt zu negativen Ergebnissen.
58
Im Folgenden werden einige zentra-
le ,,spillover" Effekte vorgestellt.
Ausländische Direktinvestitionen und Außenhandel führen in einer Wechselbeziehung
zu einer stärkeren, weltwirtschaftlichen Integration. Einheimische Unternehmen können
54
Vgl. Römer (2008), S. 39ff.
55
Verhandlungsmacht und Wettbewerb münden nach dieser Vorstellung in eine Abwärtsspirale aus
sinkenden Steuern, Löhnen, Arbeitsbedingungen und Staatseinfluss etc.
56
Vgl. Braunstein/Epstein (2002), S. 2.
57
Vgl. OECD (2002b), S. 3.
58
Vgl. Görg/Greenway (2004), S. 177f.

18
dabei von multinationalen Unternehmen in Zusammenarbeit oder durch Imitation ler-
nen, in Exportmärkte vorzudringen.
59
Diese Wechselbeziehung kann gezielt staatlich
gefördert werden. Dazu gehört zum Beispiel die Einrichtung von Exportverarbeitungs-
zonen, die auch in China dazu beigetragen haben, dass Exporte und Importe stark ange-
stiegen sind. Ein genereller wirtschaftlicher Nutzen von Exportverarbeitungszonen ist
allerdings strittig, da mit ihm auch negative Aspekte einhergehen (Kosten der Aufrecht-
erhaltung, Ungleichbehandlung in- und ausländischer Unternehmen etc.).
60
Zu den wichtigsten, positiven externen Effekten von ausländischen Direktinvestitionen
gehören Technologie- und Qualifikationstransfers, welche das Potential steigender Pro-
duktivität mit sich bringen. Diese können auf unterschiedlichen Ebenen in unterschied-
liche Richtungen erfolgen. Neben der Ausbildung eigener Angestellter bieten multinati-
onale Unternehmen auf vertikaler Ebene zum Beispiel ihren lokalen Lieferanten häufig
produktionstechnische und organisatorische Hilfestellungen sowie Weiterbildungsmaß-
nahmen an, um die Qualität der Vorleistungen zu erhöhen. Auf horizontaler Ebene sind
durch Personalfluktuationen zwischen in- und ausländischen Unternehmen, durch den
Austausch von Managementkräften in verflochtenen Unternehmen sowie durch De-
monstrationseffekte jeder Art ebenfalls positive Wissens- und Technologieübertragun-
gen denkbar.
61
Die Tatsache, dass Unternehmen ihren direkten Konkurrenten nicht ak-
tiv Technologie bereitstellen, wirkt auf der horizontalen Ebene allerdings relativierend.
Die Fähigkeit eines Landes, positive Effekte zu absorbieren, kann auch vom unter-
schiedlichen technologischen Niveau zweier Länder abhängen. Gibt es zwischen Geber
und Nehmerland ein hohes technologisches Gefälle, ist der Umfang des theoretischen
,,spillovers" höher. Allerdings nimmt die Fähigkeit des Empfängerlandes mangels eige-
ner Qualifikation oder mangels physischer Ausstattungen ab, die Entstehung von sol-
chen ,,spillover" Effekten zu unterstützten und sie bei Auftreten zu absorbieren.
62
Ausländische Direktinvestitionen können darüber hinaus erhebliche Auswirkungen auf
die Wettbewerbslage im Empfängerland haben. Dringen ausländische Unternehmen in
einen monopolen Markt ein, können durch steigenden Wettbewerb und den damit ein-
hergehenden Effizienzanreizen, bedeutende, wohlfahrtserhöhende Produktivitätsgewin-
59
Vgl. Görg/Greenway (2004), S. 174.
60
Vgl. OECD (2002b), S. 8f.
61
Vgl. OECD (2002b), S. 10.
62
Vgl. Taube (2006), S. 228.

19
ne eintreten. Durch effizientere Unternehmen ergeben sich zum Beispiel für Kunden
geringere Preise oder höhere Produktqualität. Weiterhin sind steigende Löhne auf
Grund des verstärkten Wettbewerbs um qualifizierte Arbeiter denkbar.
63
Arbeiten aus-
ländische Unternehmen kostengünstiger und fortschrittlicher, kann die Produktivität
einheimischer Unternehmen aufgrund sinkender Marktanteile auch zurückgehen. Lang-
fristig ist es jedoch für die einheimische Wirtschaft positiv, wenn ineffiziente inländi-
sche Firmen ausscheiden und im Gegenzug die effizienten inländischen Firmen ihre
Leistung verbessern können.
64
Andererseits können multinationale Unternehmen durch ihren Markteintritt selbst zu
einer nachteiligen Marktkonzentration führen. Dies ist insbesondere der Fall, wenn das
investierende Unternehmen über eine hohe internationale Markt- und Verhandlungs-
macht (beispielsweise durch globale Lieferantennetzwerke) verfügt, schwache Instituti-
onen installiert sind und der Markt klein und abgeschottet ist. Der importierte, unange-
messene Wettbewerbsdruck kann negative Effekte für Lieferanten, Mitbewerber und
Arbeitnehmer auslösen.
65
Im Zielland sollte daher besonderes Augenmerk auf effiziente
Wettbewerbsregeln und entsprechende durchsetzungsfähige Behörden gelegt werden.
Der Abbau von Handelsbarrieren kann zur Anziehung weiterer Investoren führen und
damit die Wettbewerbsverhältnisse ebenfalls verbessern.
66
Ein weiterer positiver Effekt durch ausländische Direktinvestitionen kann die Verwen-
dung umweltfreundlicher Technologien
67
und sozialverantwortungsvoller Unterneh-
menspolitik sein, wodurch ökologische und soziale Bedingungen im Empfängerland
verbessert werden können. Gegenteilige Effekte sind zwar ebenfalls denkbar, es gibt
jedoch nur wenige empirische Hinweise darauf.
68
Letzten Endes tragen die durch aus-
63
Vgl. Durand (2007), S. 395.
64
Vgl. Hu/Jefferson (2002), S. 1063f.
65
Als Beispiel sei an dieser Stelle der Eintritt von Walmart in den mexikanischen Einzelhandelssektor
genannt. Aufgrund schwacher Institutionen, erheblicher Markt- und Wettbewerbsmacht
restrukturierte und konzentrierte sich der Einzelhandelssektor. Marktanteile und Produktivität
einheimischer Konkurrenten verringerten sich. Preise veränderten sich zu Lasten lokaler Lieferanten
und auch Effekte auf Arbeitnehmer und Kunden ließen sich insgesamt nicht eindeutig positiv
bewerten. Vgl. Durand (2007), S. 406ff.
66
Vgl. OECD (2002b), S. 13f.
67
So bescheinigt eine aktuelle Studie von Dean/Lovely (2008, S. 29f) ausländischen Direktinvestitionen
eine positive Wirkung auf die Umweltfreundlichkeit von Produktion und gehandelten Gütern in
China. Ursache dafür sei der Einfluss von Investitionen auf den Wandel chinesischer
Produktionsstrukturen und die mit ausländischen Direktinvestitionen einhergehende Verwendung
neuer Technologien.
68
MakeITFair beklagte in einer Studie beispielsweise unmenschliche Arbeitsbedingungen in
chinesischen Fertigungsfabriken westlicher Handyhersteller. Einige Handyhersteller versprachen,
nach dem sie mit Studie konfrontiert wurden, die Beseitigung einiger eklatanter Mängel. Allerdings

20
ländische Direktinvestitionen ausgelösten Wachstumseffekte dazu bei, Armut in Ziel-
ländern zu reduzieren. Werden ausländische Direktinvestitionen herangezogen, um ar-
beitsintensive Sektoren zu entwickeln, ist bei Einhaltung von arbeitsrechtlichen Stan-
dards der Armut reduzierende Effekt umso größer.
69
Die nutzbringenden Effekte stellen sich jedoch nicht grundsätzlich und automatisch ein
und verteilen sich nicht gleichmäßig über Bevölkerungsteile, Länder und Sektoren.
Auch wenn die Wirtschaft insgesamt profitieren sollte, ziehen industrielle Umstruktu-
rierungen und Verschiebungen der Einkommensverteilung Anpassungskosten der Be-
troffenen nach sich. Die Basis für eine erfolgreiche Nutzung positiver Investitionseffek-
te muss vom Zielland geschaffen werden. Dazu gehören die Verbesserung des allge-
meinen makroökonomischen und institutionellen Rahmens inklusive fundamentaler
arbeits- und sozialrechtlicher Strukturen, die Implementierung von investitionsfördern-
den Regelwerken sowie die Verbesserung der Infrastruktur und des Technologie- und
Qualifikationsniveaus.
70
2.3 Die Wirkung protektionistischer Maßnahmen
Der chinesische Öffnungsprozess beinhaltete auch eine sich ändernde Protektionspoli-
tik. Daher wird im Folgenden kurz auf die grundlegende Wirkung handelsbeschränken-
der Maßnahmen eingegangen.
Protektionistische Instrumente lassen sich in Zölle und andere nicht-tarifäre Handels-
hemmnisse unterteilen. Der Sinn eines Zolls besteht in der heutigen Zeit in erster Linie
darin, einheimische Industrien vor ausländischer Konkurrenz zu schützen. Dieser
Schutz kann politisch motiviert sein, um nichtwettbewerbsfähige Industrien im Inland
zu erhalten, er kann aber auch dazu dienen, Unternehmen oder Branchen den Einstieg in
die Wettbewerbsfähigkeit zu erleichtern. Hierbei handelt es sich um das sogenannte
,,Erziehungszoll-Argument". Ein Unternehmen muss dabei zunächst über den Zoll-
schutz an Weltmarktbedingungen herangeführt werden, um sich aufgrund der dann
merkte die Studie auch an, dass die alternative Arbeit auf dem Land, mit noch schlechteren
Verhältnissen verknüpft sei. Vgl. Koch (2008).
69
Vgl. OECD (2002b), S. 15f.
70
Vgl. OECD (2002b), S. 18ff.

21
eventuell sinkenden Durchschnittskosten im Wettbewerb behaupten zu können. Zoll in
diesem Kontext ist also der Auslöser für einen Strukturwandel, der die tatsächlichen
Vorteile des Landes hervorbringt. Das Erziehungszoll-Argument ist jedoch nicht frei
von Kritik. In der Praxis ist es zum Beispiel für den Staat relativ schwer zu erkennen,
welche und wann eine Branche tatsächlich eine Vorzugsbehandlung verdient und ob
diese Vorzugsbehandlung zu einem Ausgleich der anfänglichen Zollkosten führt. Es
besteht auch die Gefahr, dass Interessensgruppen die Entwicklungsunterstützung für
eigene Zwecke nutzen.
71
Wird ausschließlich das Inland betrachtet, so bewirkt die Erhebung eines Zolls auf ein
importiertes Gut zunächst eine Verteuerung des Importgutes. Aufgrund des gestiegenen
Preises steigt die inländische Produktion, der inländische Konsum sinkt jedoch. Bei
konstantem Weltmarktpreis wird in der Folge, mit positiver Wirkung auf die Zahlungs-
bilanz, weniger importiert, das Handelsvolumen sinkt. Der Staat erhält letztendlich die
Zolleinnahmen. Primäreffekte des Zolls sind also ein despezialisierender Produktionsef-
fekt und ein Umverteilungseffekt von Konsumenten auf Produzenten. Den Gewinnen
von Produzenten und Staatseinnahmen stehen die überkompensierenden Konsumenten-
verluste gegenüber, da der Weltmarktpreis als konstant angenommen wurde und daher
das Inland die volle Zolllast trägt. Im Falle eines großen Landes kann sich jedoch auch
der Weltmarktpreis ändern, da die zollinduzierte gesunkene Nachfrage den Weltmarkt-
preis unter Druck setzen kann. Sinkt der Weltmarktpreis, so verbessern sich die terms of
trade
(das Verhältnis von Import- zu Exportpreisen) des Inlands auf Kosten des Aus-
lands, was den Effizienzverlust der Konsum- und Produktionsverzerrung ausgleichen
kann. Unter diesen Voraussetzungen ist es also möglich, sich über Zölle auf Kosten des
Auslandes besser zu stellen. Erhebt das Ausland allerdings einen Vergeltungszoll, so
stellen sich beide Länder schlechter.
72
Zu den nicht-tarifären Handelshemmnissen gehören zum Beispiel Import/Export- Ver-
bote/Quoten, Förderung von Direktinvestitionen, Ausfuhrsubventionen, Kartelle, admi-
nistrative Hürden jeder Art, Schikanen und auch freiwillige Exportselbstbeschränkun-
gen.
73
Ein Importkontingent hat dabei ähnliche Wohlfahrtswirkungen wie der Zoll, auch
hier wird der Preis des Importgutes angehoben. Allerdings erzielt der Staat nur Einnah-
men, wenn Einfuhrlizenzen verkauft werden.
71
Vgl. Krugman/Obstfeld (2004), S. 339ff.
72
Vgl. Van Marrewijk (2002), S. 143ff.
73
Vgl. Ströbele/Wacker (2000), S. 57.

22
Aus rein ökonomischer Sichtweise schaden also protektionistische Maßnahmen in der
Regel sowohl der Weltwohlfahrt als auch der nationalen Wohlfahrt. Im Rahmen inter-
nationaler Organisationen ist man daher bemüht, handelsbeschränkende Maßnahmen
weltweit abzubauen. Allerdings kann es auch eventuell sinnvolle Ausnahmen geben,
wie es zumindest die Theorie des Erziehungszollarguments aufzeigt.
2.4 Zwischenfazit zur Außenhandelstheorie
Zusammenfassend lässt sich sagen, dass die Beteiligung am internationalen Handel eine
im Grundsatz überaus positive Wirkung auf die Wohlfahrt und die wirtschaftliche Ent-
wicklung der beteiligten Länder ausübt. Die klassischen Theorien zeigen, dass jedes
Land unabhängig von Größe oder Produktivitätsniveau von Außenhandel profitieren
kann, weil jedes Land über potentiell konkurrenzfähige Exportsektoren verfügt. Der
Übergang von Autarkie zu Freihandel ist mit einer Spezialisierung auf die Güter ver-
bunden, bei denen Produktivitäts- oder Ausstattungsvorteile vorliegen. Die Ansiedlung
von Industrien kann ferner von Agglomerationsdynamiken beeinflusst werden. Neuere
handelstheoretische Aspekte und Auswirkungen von internationalen Direktinvestitionen
weisen darauf hin, dass Handelsströme auch mit dynamischen Effekten verbunden sind,
die über einen reinen Handels- und Spezialisierungsgewinn hinausgehen. Protektionisti-
sche Maßnahmen hemmen im Normalfall die aus Handel hervorgehenden positiven
Entwicklungen. Allerdings wurde auch belegt, dass bei speziellen Konstellationen nega-
tive wirtschaftliche Effekte auftreten können. Regierungen haben jedoch zumindest the-
oretisch das Instrumentarium, diesen negativen Auswirkungen effektiv zu begegnen.
3 Der chinesische Öffnungs- und Reformprozess
Im Folgenden wird zunächst kurz auf die Ausgangslage Chinas zu Beginn seines Trans-
formationsprozesses eingegangen. Anschließend werden die zentralen außenwirtschaft-
lichen Reformen vorgestellt und einige gesamtwirtschaftliche Entwicklungsaspekte
punktuell angesprochen.

Details

Seiten
Erscheinungsform
Originalausgabe
Jahr
2009
ISBN (eBook)
9783836645195
DOI
10.3239/9783836645195
Dateigröße
1.4 MB
Sprache
Deutsch
Institution / Hochschule
Georg-August-Universität Göttingen – Wirtschaftswissenschaftliche Fakultät, Volkswirtschaft
Erscheinungsdatum
2010 (April)
Note
1,3
Schlagworte
china außenhandelstheorie direktinvestition handelsstruktur wirtschaftswachstum
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Titel: Die Auswirkungen der wirtschaftlichen Öffnung auf die chinesische Volkswirtschaft
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