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Interkulturelles Lernen in der Erwachsenenbildung

Eine Methodensammlung

©2010 Projektarbeit 75 Seiten

Zusammenfassung

Inhaltsangabe:Einleitung:
Mein Interesse an der interkulturellen Thematik lässt sich auf meine eigenen Erfahrungen zurückzuführen: Als ich während meines Studiums ein Auslands-semester in Irland absolvierte, erlebte ich Unterschiede in der Organisation des Alltags und dem Feiern von Festen, z. B. Weihnachten oder Geburtstage. Auch waren die Vorstellungen von Pünktlichkeit, Direktheit, oder Freundschaft anders.
Später arbeitete ich in der Exportabteilung eines Unternehmens, das seine Produkte weltweit verkaufte, und erlebte mit, wie es zwischen den verschiedenen Kulturen manchmal zu Missverständnissen kam. Auch bei meiner darauf folgenden Tätigkeit als Dozentin an einer Hochschule konnte ich bei den internationalen Studierenden öfters Unterschiede in der Kommunikation und Herangehensweise feststellen. Veranlasst durch diese Erfahrungen fing ich an, mich mit interkulturellen Theorien und Methoden zu beschäftigen und habe außerdem zwei Mal an der Interkulturellen Sommerakademie an der FSU Jena teilgenommen, die von Professor Jürgen Bolten organisiert wird, der dort den Fachbereich Interkulturelle Wirtschaftskommunikation leitet. Dadurch bekam ich Anregungen für die Vermittlung dieses komplexen Themas. Die theoretische Grundlage und die Auswahl der Methoden dieser Sammlung stützen sich zum großen Teil auf Boltens Theorien.
Die Zielgruppe dieser Methoden sind erwachsene Lerner, z. B. in VHS-Kursen oder an der Hochschule, Sprachkurse oder Schulungen im Bereich interkulturelle Kommunikation oder Einführungskurse für internationale Studierende, die ein oder zwei Semester in Deutschland verbringen. Die Übungen sind progressiv aufgebaut, das heißt, es handelt sich um eine Trainingseinheit, wobei einige Aktivitäten alternativ eingesetzt werden können. Je nach Bedarf können Teile weggelassen oder ergänzt werden.
Dieses Training hat die folgenden Ziele:
- Die Teilnehmer sollen über sich selbst und ihren kulturellen Hintergrund reflektieren.
- Sie sollen sich ihrer Vorurteile und Stereotype bewusst werden.
- Sie sollen unterschiedliche Kommunikationsmuster und ihre Auswirkung auf die interkulturelle Kommunikation erkennen.
- Sie sollen interkulturelle Kommunikation in Rollenspielen erfahren.
- Sie sollen das Phänomen Kulturschock und Strategien zu seiner Überwindung kennen lernen. Inhaltsverzeichnis:Inhaltsverzeichnis:
1.Einführung3
1.1Motivation, Ziele und Zielgruppe3
1.2Beweggründe für die Vermittlung interkultureller Kompetenz4
1.3Definition von […]

Leseprobe

Inhaltsverzeichnis


Christine Röll
Interkulturelles Lernen in der Erwachsenenbildung
Eine Methodensammlung
ISBN: 978-3-8366-4518-8
Herstellung: Diplomica® Verlag GmbH, Hamburg, 2010
Zugl. Pädagogische Hochschule Weingarten, Weingarten, Deutschland, Projektarbeit,
2010
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© Diplomica Verlag GmbH
http://www.diplomica.de, Hamburg 2010

Interkulturelle Methoden in der Erwachsenenbildung
Christine Röll
2
Inhaltsverzeichnis
Seite
1. Einführung
1.1
Motivation, Ziele und Zielgruppe 3
1.2
Beweggründe für die Vermittlung interkultureller Kompetenz
4
1.3
Definition von Kultur
5
1.4 Eingrenzung des Begriffes ,,Kultur"
5
1.5 Definition von ,,interkulturell"
6
2. Interkulturelle Methoden ­ Theoretischer Hintergrund
2.1
Methoden im interkulturellen Unterricht und ihre Vor- und
Nachteile
6
2.2
Grenzen und Risiken des interkulturellen Unterrichts
9
2.3
Didaktische Einordnung der Methoden dieser Sammlung
10
2.3.1 Eisbrecher
10
2.3.2 Was ist Kultur?
10
2.3.3 Meine Kultur ­ Deine Kultur
11
2.3.4 Wer bin ich?
12
2.3.5 Stereotype und Vorurteile
13
2.3.6 Umgang mit der Zeit
15
2.3.7 Kommunikationsfaktoren und ihre Wirkung
16
2.3.7.1 ,,Linguistic awareness of culture"
16
2.3.7.2 Analyse von Kommunikationsfaktoren
16
2.3.7.3 Interkulturelle Kommunikation als dynamischer Prozess
17
2.3.8 Das Internet als Informationsquelle und Kommunikationsmittel
18
2.3.9 Kulturschock
19
2.3.10 Feedback und Evaluation, Seminarschlussübungen
20
3 Übersicht über die Methoden und deren Beschreibung 20-74
4 Bibliographie
80

Interkulturelle Methoden in der Erwachsenenbildung
Christine Röll
3
1. Einführung
1.1 Motivation, Ziele und Zielgruppe
Mein Interesse an der interkulturellen Thematik lässt sich auf meine eigenen
Erfahrungen zurückzuführen: Als ich während meines Studiums ein Auslands-
semester in Irland absolvierte, erlebte ich Unterschiede in der Organisation des
Alltags und dem Feiern von Festen, z. B. Weihnachten oder Geburtstage. Auch waren
die Vorstellungen von Pünktlichkeit, Direktheit, oder Freundschaft anders.
Später arbeitete ich in der Exportabteilung eines Unternehmens, das seine Produkte
weltweit verkaufte, und erlebte mit, wie es zwischen den verschiedenen Kulturen
manchmal zu Missverständnissen kam. Auch bei meiner darauf folgenden Tätigkeit
als Dozentin an einer Hochschule konnte ich bei den internationalen Studierenden
öfters Unterschiede in der Kommunikation und Herangehensweise feststellen.
Veranlasst durch diese Erfahrungen fing ich an, mich mit interkulturellen Theorien
und Methoden zu beschäftigen und habe außerdem zwei Mal an der Interkulturellen
Sommerakademie an der FSU Jena teilgenommen, die von Professor Jürgen Bolten
organisiert wird, der dort den Fachbereich Interkulturelle Wirtschaftskommunikation
leitet. Dadurch bekam ich Anregungen für die Vermittlung dieses komplexen Themas.
Die theoretische Grundlage und die Auswahl der Methoden dieser Sammlung stützen
sich zum großen Teil auf Boltens Theorien.
Die Zielgruppe dieser Methoden sind erwachsene Lerner, z. B. in VHS-Kursen oder an
der Hochschule, Sprachkurse oder Schulungen im Bereich interkulturelle
Kommunikation oder Einführungskurse für internationale Studierende, die ein oder
zwei Semester in Deutschland verbringen. Die Übungen sind progressiv aufgebaut,
das heißt, es handelt sich um eine Trainingseinheit, wobei einige Aktivitäten
alternativ eingesetzt werden können. Je nach Bedarf können Teile weggelassen oder
ergänzt werden.
Dieses Training hat die folgenden Ziele:
-
Die Teilnehmer sollen über sich selbst und ihren kulturellen
Hintergrund reflektieren.
-
Sie sollen sich ihrer Vorurteile und Stereotype bewusst werden.
-
Sie sollen unterschiedliche Kommunikationsmuster und ihre Auswirkung auf
die interkulturelle Kommunikation erkennen.
-
Sie sollen interkulturelle Kommunikation in Rollenspielen erfahren.
-
Sie sollen das Phänomen Kulturschock und Strategien zu seiner Überwindung
kennen lernen.
1.2 Beweggründe für die Vermittlung interkultureller Kompetenz
Seit den 80iger Jahren nimmt das Interesse an interkulturellen Themen stetig zu.
Inzwischen gibt es eine Vielzahl von Forschern, die sich mit diesem Thema befassen,
und in fast allen Wissenschaftsgebieten haben sich Unterbereiche, die sich speziell
mit dem Thema der Interkulturalität auseinandersetzen, gebildet, z. B. die

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4
Interkulturelle Psychologie, die Interkulturelle Germanistik, die Interkulturelle
Philosophie.
1
Das steigende Interesse an der interkulturellen Thematik kann man auch an der
großen Zahl von Büchern zu diesem Thema sehen, die in den letzten Jahren
erschienen sind. Man braucht dazu nur einmal auf die Website des Online-Anbieters
Amazon
zu gehen und dort den Begriff ,,interkulturelle Kompetenz" eingeben. Der
Großteil dieser Werke richtet sich an den Unternehmensbereich wie interkulturelles
Management, Marketing oder Personalführung, aber die Tendenz der Publikationen
in anderen Disziplinen, z. B. beim Gesundheitswesen oder der Psychologie ist
ebenfalls steigend. Dies lässt auf ein wachsendes Bewusstsein schließen, dass die in
der eigenen Kultur üblichen Verhaltensweisen und Kommunikationsstrategien bei der
Interaktion mit Angehörigen anderer Kulturen nicht unbedingt erfolgreich sind und zu
Missverständnissen und Konflikten führen können.
Auch im Bildungswesen wendet man sich verstärkt dem Thema der interkulturellen
Kompetenz zu. Immer mehr Universitäten richten Lehrstühle für interkulturelle
Kommunikation ein oder bieten komplette interkulturelle Studiengänge an. Auf den
Webseiten der Kultusministerien der Bundesländer kann man zu interkulturellen
Themen Informationen finden und Beispiele, wie sie in den Unterricht einbezogen
werden können.
Im Sprachenbereich nimmt die Behandlung (inter)kultureller Fragen ebenfalls einen
immer höheren Stellenwert ein. Claire Kramsch, die Professorin für Deutsch und
Fremdsprachenerwerb an der Universität von Kalifornien in Berkeley ist, bietet dafür
die folgende Erklärung:
Educators fear that the mere acquisition of linguistic systems is no guarantee of international
peace and understanding. After years of communicative euphoria, some language teachers are
becoming dissatisfied with purely functional uses of language. Some are pleading to supplement
the traditional acquisition of `communicative` skills with some intellectually legitimate,
humanistically oriented, cultural `content`. Others, who teach their language to non-native
speaker immigrants, are under pressure to absorb (read: acculturate) into their society growing
numbers of newcomers.
2
Laut Claire Kramsch hat das Interesse an kulturellen Themen im Sprachunterricht
also die folgenden Beweggründe:
- politische Gründe: Die Erweiterung des Sprachunterrichts um kulturelle Themen
soll das Defizit des reinen Sprachunterrichts überwinden, in dem Verständnis für
andere Kulturen nur schwierig zu vermitteln ist.
- pädagogische Gründe: einige Sprachlehrer halten eine nur funktionelle
Sprachvermittlung nicht mehr für ausreichend. Sie fordern, dass die
kommunikativen Fähigkeiten um einen humanistisch orientierten kulturellen Inhalt
erweitertet werden.
- ideologische Gründe: Lehrende, die Immigranten unterrichten, stehen unter
Druck, eine wachsende Zahl von Neuankömmlingen zu akkulturieren.
1 vgl. http://lipas.uwasa.fi/comm/publications/interkult/extdoc/4henschro.pdf
2 http://zif.spz.tu-darmstadt.de/jg-01-2/beitrag/kramsch2.htm

Interkulturelle Methoden in der Erwachsenenbildung
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5
Auch bei dem Gemeinsamen europäischen Referenzrahmen für Sprachen wird bei
den Kompetenzen, die die Lernenden erreichen sollen, auf das interkulturelle
Bewusstsein hingewiesen:
Aus der Kenntnis, dem Bewusstsein und dem Verständnis der Beziehungen zwischen der 'Welt
des Herkunftslandes' und der 'Welt der Zielsprachengemeinschaft' (Ähnlichkeiten und klare
Unterschiede) erwächst ein interkulturelles Bewusstsein... Über das objektive Wissen hinaus
gehört zum interkulturellen Bewusstsein auch, dass man sich bewusst ist, wie eine
Gemeinschaft jeweils aus der Perspektive der anderen erscheint, nämlich häufig in Form
nationaler Stereotypen.
3
1.3 Definition von Kultur
Es gibt eine Vielzahl von Beschreibungen des Begriffes ,,Kultur". Für dieses Werk soll
die Definition von Alexander Thomas, Psychologe mit dem Forschungsschwerpunkt
Interkulturelle Psychologie, zugrunde gelegt werden:
Kultur ist ein universelles, für eine Nation, Gesellschaft, Organisation und Gruppe aber sehr
typisches Orientierungssystem. Dieses Orientierungssystem wird aus spezifischen Symbolen
gebildet. Es beeinflusst Wahrnehmen, Denken, Werten und Handeln aller Mitglieder und legt
demzufolge deren Zugehörigkeit zur Gesellschaft, Organisation oder Gruppe fest. Das
Orientierungssystem ermöglicht den Mitgliedern ihre eigene Umweltbewältigung. Das so
strukturierte Handlungsfeld reicht von geschaffenen Objekten bis hin zu Institutionen, Ideen
und Werten.
4
1.4 Eingrenzung des Begriffes ,,Kultur"
Gibt es eine Kultur der deutschsprachigen Länder, eine deutsche Kultur innerhalb der
Landesgrenzen oder kann man auch innerhalb von Deutschland von verschiedenen
Kulturen sprechen? Kultur ist ein schwer fassbarer Begriff und kann unterschiedlich
definiert werden.
Laut Bolten gibt es die folgenden Möglichkeiten, den Begriff ,,Kultur" einzugrenzen:
- Nation (politisch),
- geographisch (Region),
- sprachlich (Sprachgemeinschaft),
- kulturanthropologisch (ideen- und religionsgeschichtlich kompatible
Gemeinschaften)
- soziologisch (subkulturelle Lebenswelten im Sinne identitätsstiftender Kollektive
unterschiedlicher Größe)
5
3
http://www.goethe.de/Z/50/commeuro/5010103.htm
4
Thomas, Alexander (1994).
Kulturelle Divergenzen in der deutsch-deutschen Wirtschaftskooperation
.
In: T. Bungarten (Hg.). Deutsch-deutsche Kommunikation in der Wirtschaftskooperation. Tostedt
(Attikon), 76
5
vgl. Bolten, Jürgen (2001).
Interkulturelle Kompetenz.
Erfurt: Landezentrale für politische Bildung
Thüringen, 15

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Jede dieser Einteilungen hat Vor- und Nachteile. Der Nachteil einer soziologischen
Sichtweise, die differenziert vorgeht, ist eine höhere Komplexität. Die Betrachtung
einer Sprachgruppe oder eines Landes kann dagegen übergeneralisierend sein, da
nicht auf die Eigenheiten der verschiedenen Bevölkerungsgruppen eingegangen wird.
So soll es laut dem Führungskräftecoach Olaf Georg Klein signifikante
Verhaltensunterschiede zwischen Ost- und Westdeutschen geben, z. B. im
paraverbalen Bereich wie Blickkontakt und Körperdistanz oder in der Gesprächs- und
Verhandlungstaktik
6
.
Bei der Charakterisierung eines Kulturraumes darf man sich nicht auf pauschale
Beschreibungen beschränken. Um der kulturellen Vielfalt Deutschlands gerecht zu
werden, sollte man auf verschiedene Gruppen und Subkulturen eingehen, z. B. auf
verschiedene Regionen, auf Ost- und Westdeutschland, türkischstämmige Deutsche
oder Russlanddeutsche sowie die Generationsunterschiede. Zweifellos muss immer
wieder darauf aufmerksam gemacht werden, dass auch diese Beschreibungen nicht
pauschal auf alle Angehörigen einer Gruppe zutreffen, da es auch innerhalb der
jeweiligen Bevölkerungsgruppen z. B. nicht den typischen Ostdeutschen, Bayern oder
türkischstämmigen Deutschen gibt.
1.5 Definition von ,,interkulturell"
Mit ,,interkulturell"` bezeichne ich die Interaktion von Angehörigen verschiedener
Kulturen. Als ,,interkulturelle Kompetenz" sehe ich die Fähigkeit an, verschiedene
Kompetenzen erfolgreich im interkulturellen Umfeld anzuwenden (siehe auch Punkt
2.2).
2. Interkulturelle Methoden
2. 1 Methoden im interkulturellen Unterricht, Vor- und Nachteile
Bei den interkulturellen Methoden unterscheidet man zwischen kulturspezifischen -
auf eine bestimmte Kultur bezogene - und kulturübergreifenden Übungen sowie
zwischen informatorisch bzw. kognitiv ausgerichteten und erfahrungsorientierten
Methoden
7
. Informatorische Methoden eignen sich dazu, eine große Wissensmenge
zu lehren, es findet aber keine Anwendung des Gelernten statt. Bei
interaktionsorientierten Methoden geht es in erster Linie um die Erfahrung während
des Lernprozesses und nicht so sehr um die Vermittlung von harten Fakten.
Allerdings kann auch hier die Übertragung der Erfahrung auf reale Situationen
schwierig sein, z. B. bei der beliebten Simulation, bei der es um die Begegnung von
Angehörigen zweier künstlicher Kulturen geht, denen verschiedene Verhaltensweisen
zugeschrieben werden, die nicht unbedingt realistisch sind.
Durch die Kombination dieser Ausrichtungen ergeben sich vier Arten von
interkulturellen Methoden: kulturspezifisch kognitiv (KSK), kulturspezifisch
6
Klein Olaf Georg ,,Fremd im eigenen Land" In: Harvard Business Manager, November 2009,
S. 101-104
7
Bolten, 2001, 89

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7
erfahrungsorientiert (KSEO), kulturübergreifend kognitiv (KUK) und
kulturübergreifend erfahrungsorientiert (KUEO).
Nachstehend werden die Vor- und Nachteile der verschiedenen interkulturellen
Methoden dargestellt:
Methode Vorteile
Nachteile
Vorlesung/Vortrag
KSK + KUK
- kompakte Informationsvermittlung
- klare Struktur
- für große Zielgruppen geeignet
- keine besonderen Hilfsmittel nötig
- rein kognitives Lernen
- sehr von der vortragenden
Person abhängig
Analyse von Artikeln
und Reportagen über
interkulturelle
Erfahrungen
KSK
- authentisch
- Üben von kritischem Lesen
(Erkennen von Stereotypen und
Vorurteilen)
- rein kognitives Lernen
Romane
KSK
- Ermöglichen andere Perspektive zu
sehen
- Lesen des Romans außerhalb des
Unterrichts möglich
- Schaffen gemeinsamer
Diskussionsbasis
- großer Zeitaufwand
- Romananalyse ist kognitiv
Diskussion
KSEO
- TN können sich einbringen
- Meinungsaustausch möglich
- TN können sich von der
Diskussion zurückziehen oder
sie dominieren (Geschick des
Moderators gefordert)
- Man kann leicht vom Thema
abweichen
Gastredner/in
KSK oder KSEO
- authentisch
- Erfahrungen aus erster Hand
- Identifizierung möglich
- kann emotional sein
- stark von Persönlichkeit des
Redners abhängig
- kann zu Verstärkung von
Stereotypen und Vorurteilen
führen (eine Person
repräsentiert eine Kultur)
Fallstudie
KSK
- konkrete Situation wird bearbeitet
- sofortiges Feedback
- situationsspezifisch
- Situation nicht immer
relevant
- kognitives Lernen
Spielfilme
KSK
- unterhaltsam
- sprechen emotionale Ebene an
- sprechen mehrere Sinne an
- können verschiedene Blickwinkel
bieten
- können authentisches
Kommunikationsverhalten zeigen
- manche Filme verstärken
Klischees und Stereotype
- Wirkung kann beeinträchtigt
werden, wenn nur
Ausschnitte gezeigt werden
- Verständnisprobleme bei
authentischen Filmen in einer
Fremdsprache
- Aufführrechte

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8
Methode Vorteile
Nachteile
Analyse von
konkreten
Kommunikations-
produkten, z. B.
Zeitschriften,
Firmenberichten,
Werbeprospekten,
Websites
KSK
- Authentisches Material aufgrund
von historisch gewachsener
Kommunikationsprozessen
- kognitive Analyse
- Beschaffung von aktuellem
Printmaterial aus dem
Ausland oft schwierig
- Übertragung auf andere
Kommunikationssituationen
eventuell schwierig
Critical Incident
(= Beschreibung einer
Interaktion, bei der es zu
einem Missverständnis
oder zu einem Konflikt
gekommen ist)
KSK
- konkreter Fall (Es ist darauf
hinzuweisen, dass durch diesen Fall
nicht generell Schlüsse über eine
Kultur gezogen werden dürfen).
- prozessorientiert
- anschaulich
- kognitiv
- sehr spezifisch
Rollenspiel
KSEO
- aktive Teilnahme
- interaktionsorientiertes Lernen
- prozessorientiertes Lernen
- TN verhalten sich eventuell
nicht wie in einer realen
Situation
- TN identifizieren sich
eventuell nicht mit ihrer Rolle
- nur für begrenzte Anzahl von
TN
Simulation
8
KSEO oder KUEO
- erfahrungs- und
interaktionsorientiert
- kann emotional sein
- häufig unterhaltsamer als kognitive
Methoden
- Bei unrealistischen
Simulationsbedingungen ist
es eventuell schwer,
Erfahrungen auf die Realität
zu übertragen.
interkulterelle
Projekte
z. B. Email-Projekte bzw.
Projekte, bei denen
verschiedene Gruppen
gemeinsam eine Aufgabe
lösen sollen
KSEO
- authentisch
- interaktionsorientiert
- prozessorientiert
- oft aufwendig zu organisieren
- erfahrener und geschickter
Moderator benötigt, der die
Prozesse begleitet, da es
sonst zu einer Verstärkung
der Stereotype und Vorurteile
kommen kann.
Begegnungs-
programme
KSEO
- authentisch
- interaktionsorientiert
- aufwendig
- setzen eine gute
Vorbereitung und geschulte
Betreuung voraus
8
Beispiele unter
http://www.ikkompetenz.thueringen.de/fremdheitserfahrung/simulation/index.htm

Interkulturelle Methoden in der Erwachsenenbildung
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9
2.2 Grenzen und Risiken des interkulturellen Unterrichts
Interkulturelle Kompetenz ist laut Bolten nicht eine einzelne erlernbare Fähigkeit,
sondern es handelt sich vielmehr um das Vermögen, Teilkompetenzen auf
interkulturelle Handlungsfelder zu beziehen, wie z. B. Ambiguitätstoleranz,
Dissensbewusstsein, Empathie, Flexibilität, Fremdsprachenkenntnisse,
Kommunikationsfähigkeit, Kulturwissen, Rollendistanz und Toleranz
9
. Die Effektivität
eines interkulturellen Kompetenztrainings ist folglich begrenzt, wenn es nicht mit der
Vermittlung anderer Kompetenzen verbunden wird. Daher sollten z. B. in Schulfächer
- und Studienfächer - interkulturelle Fragestellungen integriert werden, denn eine
effektive Vermittlung interkultureller Handlungskompetenz in der Schule gelingt
langfristig nur unter der Voraussetzung der Überwindung von Fächergrenzen
10
.
An der Hochschule oder bei Fortbildungen könnte dies erreicht werden, indem Fach-,
Sprach- und interkultureller Unterricht verbunden würden, z. B. könnten dies im
Bereich Rechnungswesen Bilanzierungsregeln und Jahresabschlüsse im
internationalen Vergleich sein oder die fächerübergreifende Behandlung von
internationalem Marketing, Management und Verhandlungsführung bzw. die
Untersuchung der kulturspezifischen Bedürfnisse alter Menschen beim Studium der
Sozialarbeit.
,,Eine effektive Vermittlung interkultureller Kompetenz ist auch in der Schule ohne
interkulturelle Praxis nicht denkbar."
11
Interkulturelles Handeln muss in der Realität
geübt werden. Wenn das Umfeld keine interkulturellen Begegnungen ermöglicht,
können diese durch das Internet herbeigeführt werden, z. B. mittels Internet-
projekten zwischen Schulen bzw. Hochschulen oder anderen Bildungsträgern an den
jeweiligen Standorten. So spielt an der FSU Jena im Fachbereich Interkulturelle
Wirtschaftskommunikation das E-Learning eine große Rolle beim virtuellen Austausch
von Lehrveranstaltungen, zur Diskussionen interkultureller Themen auf einer
Internet-Plattform oder zur Durchführung internationale Projekte im ,,Virtual
Classroom"
12
.
Auch Austauschprogramme mit Schulen in anderen Ländern dienen dazu,
interkulturelle Erfahrungen zu sammeln und Fähigkeiten in diesem Bereich zu
erwerben. Allerdings erhöht ein solches Begegnungsprogramm nicht automatisch die
interkulturelle Kompetenz, es ist vielmehr eine gründliche Vorbereitung und
Begleitung durch interkulturell geschulte Lehrer notwendig, da es sonst häufig nicht
zu einer besseren Verständigung, sondern zur Verstärkung von Vorurteilen kommen
kann. Dies entspricht meiner eigenen Erfahrung beim Schüler- und
Studierendenaustausch und wird von interkulturellen Forschern bestätigt
13
.
9
vgl. Bolten, 2001, 84 ff
10
vgl. Bolten, 2001, 102
11 ebenso
12 siehe www.intercultural.campus.org
13
vgl. Baron, Rachel (2002)
Interculturally speaking : "Landeskunde", Intercultural learning and
teacher training in Germany from an American perspective.
München: Langenscheidt-Longman, 91

Interkulturelle Methoden in der Erwachsenenbildung
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10
Aber auch bei interkulturellen Trainingsmaßnahmen besteht die Gefahr der
Verstärkung von Vorurteilen, wenn Kulturen in Kategorien eingeteilt werden und
Individuen aufgrund dieser Einteilung pauschal Verhaltensweisen zugewiesen
werden. Daher lehnt Bolten die häufig zu Erklärung von unterschiedlichen
Verhaltensweisen herangezogenen Dimensionen des niederländischen Forschers
Hofstede ab, der für verschiedene Länder z. B. die Kategorien ,,hohe bzw. niedrige
Machtdistanz", ,,Individualismus bzw. Kollektivismus" und ,,feminine bzw. maskuline
Kulturen" aufgestellt hat:
Abgesehen von der mangelnden Erklärungskraft einer solchen Aussage ist die Problematik des
Vorgehens offenkundig: Einerseits liegt der Kategorienformulierung eine westliche Perspektive
zu Grunde, andererseits entwickeln sich Kulturen in bestimmte Richtungen weiter, sodass die
Werte bereits nach kurzer Zeit nicht mehr gültig sein müssen. Auch hier werden folglich
stereotype Denkmuster eher vertieft als abgebaut.
14
Auch sagen diese Dimensionen nichts darüber aus, wie sie sich konkret auf das
Verhalten auswirken und können daher sogar irreführend sein. So ist die
Machtdistanz laut Hofstede in der amerikanischen Kultur ähnlich niedrig wie in der
deutschen, allerdings ist es in den USA nicht üblich, seinem Chef zu widersprechen
oder ihn zu kritisieren, wie der Amerikaner Ron Gorlick im Vergleich zu der deutschen
Praxis feststellt: ,,Es bestehen offenbar signifikante Unterschiede in der Art, Autorität
auszuüben und zu akzeptieren."
15
. Laut eines Deutschen, der längere Zeit in den USA
arbeitete, gibt es in den USA ein größeres Bewusstsein für Hierarchien als in
Deutschland, obwohl es zunächst so aussieht, als sei es umgekehrt.
16
Das Risiko der Stereotypisierung besteht auch bei anderen Methoden, z. B. bei den
Kritischen Begegnungen (Critical Incidents)
, auf die ich unter 2.3.7.2 eingehe.
2.3 Didaktische Einordnung der Methoden dieser Sammlung
2.3.1
Eisbrecher
Die Aufgabe von Eisbrechern ist es, das Kennenlernen der Teilnehmer zu
ermöglichen und eine entspannte Atmosphäre zu schaffen. Die ausgewählten
Aktivitäten halte ich für besonders geeignet, da die Teilnehmer die Gelegenheit
erhalten, über sich zu erzählen (
Fünf Fragen
), Gemeinsamkeiten zu entdecken
(
Lebendes Domino
) oder kulturelle Konventionen (
Begrüßungen
) auf spielerische
Weise erfahren.
2.3.2 Was ist Kultur?
Ein häufig verwendetes Modell für Kulturen ist der Eisberg, der graphisch darstellt,
dass bei Kulturen nur wenige Elemente sichtbar sind und der Rest im Verborgenen
14
Bolten, 2001, 95
15
Gorlick, Ron ,,Nur das Ergebnis zählt" In: Harvard Business Manager, November 2009, S. 12-15, 13
16
vgl. Gorlick, Nov. 2009, 13

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liegt. Tourismuswerbespots (Übung 3.2.2) stellen die oberflächlich wahrnehmbaren
Aspekte einer Kultur eindrucksvoll dar. Auch typische Nahrungsmittel,
Essensgewohnheiten und Tischmanieren sind ein wichtiges Thema in diesem Bereich
(siehe Übungen 33.3 ­ 3.3.6).
Die Fantasiereise der Übung 3.2.1 ermöglicht es den Teilnehmern, sich in die
Situation der ersten Begegnung mit einer anderen Kultur hineinzuversetzen. An diese
Übungen sollte sich eine Diskussion über den Kulturbegriff und seine sichtbare und
verborgene Ebene anschließen.
Bolten definiert die Beziehung zwischen der sichtbaren und verborgenen Ebene wie
folgt: ,,Das Verhältnis zwischen kultureller
perceptas
und kultureller
konceptas
ist
vorstellbar als das von Oberflächen- und Tiefenstruktur: Ersteres ermöglicht die
Beschreibung, letzteres die Erklärung kultureller Eigenarten".
17
Dabei ist
perceptas
die Ebene des Wahrnehmbaren, das Zeichen für zu Grunde
liegende aber nicht sichtbare Denk- und Handlungskonzepte und
konzeptas
steht für
immaterielle Bedeutungen, Gedanken, Gefühle, Werte, Regeln, was richtig und falsch
ist, etc., die über das Wahrnehmbare vermittelt werden.
perceptas
17
Bolten, 2001, 17
konzeptas
Der kulturelle Eisberg
Kleider Kunst Sprache Literatur
Tanz Essen Musik
Werte Einstellungen Überzeugungen

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2.3.3
Meine Kultur ­ Deine Kultur
Klima und Umwelt, Geschichte, Religion und Sprache gehören zu den Faktoren, die
Kulturen beeinflussen. Die natürliche Umwelt hat Einfluss auf das Aussehen der
Menschen und ihre Kleidung, Häuser, Städte, usw. Die Umwelt, Geschichte, Religion
und Sprache wirken sich wiederum auf die Einstellungen und die Mentalität der
Menschen aus und darauf, wie sie sich organisieren:
Historical experience, geographic and geo-linguistic position, physiology and appearance,
instinct for survival - all combine to produce a core of beliefs and values which will sustain and
satisfy the aspirations and needs of a given society. Based on these influences and beliefs,
societal cultural conditioning of the members of the group is established and consolidated. (...)
Infants and youth are trained by their parents, teachers, peers and elders.
18
2.3.4
Wer bin ich?
Der Kulturforscher Hofstede nennt Kultur ,,software of the mind" (mentale Software).
Die mentale Programmierung findet auf drei Ebenen statt
19
:
Um sich selbst als Individuum, aber auch in seiner Kulturgebundenheit zu verstehen,
ist es notwendig, dass man sich seiner Werte, aber auch der verschiedenen Rollen,
die man im Leben einnimmt und deren Bedeutung bewusst wird. Die in dieser
Kategorie vorgestellten Übungen ermöglichen es, durch Schreiben oder graphische
Mittel diese Selbstanalyse durchzuführen.
2.3.5 Stereotype und Vorurteile
Da Stereotypen in interkulturellen Begegnungen eine große Bedeutung zukommt, ist
es unverzichtbar, sich mit ihnen an dieser Stelle auseinanderzusetzen. Wenn es auch
idealistisch ist, zu glauben, dass sich dadurch klischeehafte Vorstellungen und
Vorurteile einfach überwinden lassen, sollte man doch versuchen zu erreichen, dass
sich die Teilnehmer ihrer vorgefassten Vorstellungen über andere Menschen bewusst
werden und sie auch das Bild kritischer betrachten, das ihnen z. B. Schulbücher und
Medien über andere Kulturen vermitteln.
18
Lewis, Richard D. (1996).
When Cultures Collide.
London: Nicholas Brealey Publishing Limited, 66
19
Hofstede, Geert (1994).
Cultures and Organisations.
London: Harper Collins Business, 6
U n ive rse ll
K ultu r
Ind ivid u u m
V e re rb t u n d
e rle rn t
E rlern t
A n g e b o re n
Hofstede: Mentale Programmierung

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13
Zu den wesentlichen Funktionen von Vorurteilen gehören die Orientierungsfunktion,
die Anpassungsfunktion an die jeweiligen sozialen Lebensbedingungen,
Abwehrfunktion zum Erhalt eines positiven Selbstbildes, Selbstdarstellungsfunktion,
Abgrenzungs- und Identitätsfunktion
20
:
Konzeptualisierung von Vorurteilen
21
Konzept
Rolle von Vorurteilen
Maßnahmen zum Abbau von
Vorurteilen
Persönlichkeits-
theoretisch
Vorurteile werden als
Symptome spezifischer
Persönlichkeitsstrukturen und
psychodynamischer
Mechanismen der
intrapersonalen
Konfliktregelung aufgefasst,
der sich in einer extremen
Abwertung anderer Personen
bis hin zu aggressivem
Verhalten ausdrückt.
a) Diagnose und Reflexion der
individuellen Bedürfnislage
b) Stärkung des Selbstwertgefühls
c) Gewährleistung von Möglichkeiten,
eigene, negative Gefühle unter
kontrollierten Bedingungen
auszudrücken.
d) Gruppendiskussionen mit dem Ziel,
Ansichten zu den vorurteilsbehafteten
Einstellungen auszudrücken und so
erfahrbar zu machen.
e) Vermittlung von Einsichten in
Wahrnehmungs- und
Urteilsverzerrungen
Kognitions-
theoretisch
Vorurteile werden als nützliche
und durchaus normale
Erscheinungen in der
alltäglichen Kognition sowie
bei der Aufnahme und
Verarbeitung von
Informationen im sozialen
Kontext gesehen. Sie
erleichtern die Orientierung in
einer komplexen Umwelt.
a) Kognitive Trainings zur
Wahrnehmungs- und
Urteilsdifferenzierung
b) Beeinflussung der
Informationsverarbeitungsprozesse,
die zu vorurteilsbehafteten
Einstellungen führen
Einstellungs-
theoretisch
Vorurteile sind negativ
wertende, generalisierende
und besonders
änderungsresistente
,,Sonderfälle" sozialer
Einstellungen.
a) Überzeugen durch Argumente
b) Überzeugen durch Appelle
c) Schaffung einer aktiven Rolle des
Vorurteilsträgers bei der
Informationsaufnahme und
­verarbeitung
d) Kontaktherstellung zu
Vorurteilsobjekten
Sozial-kognitive
Intergruppen-
Konzepte
Vorurteile sind soziale
Symptome bestimmter
sozialpsychologischer
Strukturen der
Intergruppenbeziehungen
a) Förderung der Fähigkeit zur
Selbstreflexion
b) Abschwächung der ursprünglichen
Kategorisierung in Eigen- und
Fremdgruppe
20
vgl. Thomas, Alexander (2000).
Bedeutung und Funktion sozialer Stereotype und Vorurteile für die
interkulturelle Kommunikation.
In: O. Rösch (Hrsg.), Stereotypisierung des Fremden. Auswirkungen
in der Kommunikation, Wildauer Schriftenreihe Interkulturelle Kommunikation, Bd. 4,
Berlin: News & Media, 14
21
vgl. Thomas, 2000, 24 f

Interkulturelle Methoden in der Erwachsenenbildung
Christine Röll
14
Die Übungen dieser Sammlung lassen sich wie folgt zuordnen:
- Persönlichkeitstheoretisch (c, d, e):
Der erste Eindruck
- Kognitions- bzw. einstellungstheoretisch:
Phantombild
- Sozial-kognitive Intergruppen-Konzepte:
In-Group/Out-Group, Disteln köpfen,
Vorurteile durch Label
In
Vorurteile durch Label
soll der Pygmalioneffekt verdeutlicht werden, der das
Phänomen der Verhaltensbestätigung oder ,,self-fulfilling prophecy" bezeichnet: Die
Erwartungen an andere beeinflussen deren Verhalten und Leistungen, so können
zum Beispiel unter Umständen die niedrigeren Erwartungen an Migrantenkinder
deren Lernmotivation beeinträchtigen.
22
Der Sozialarbeiter Shane Dunphy beschreibt in seinem Buch ,,Wednesday's Child",
wie stark das Bedürfnis der Menschen ist, sich einer Gruppe zugehörig zu fühlen, was
so weit gehen kann, dass sich sogar Schauspieler mit gleicher Maske
zusammenfinden, wenn dies im Augenblick ihr augenfälligstes Identifikationsmerkmal
ist:
I remember reading an article in
Empire
magazine about the making of the movie
Planet of the
Apes
. It observed that during breaks in filming, the actors playing the apes in the movie would
automatically congregate in the canteen with actors who were wearing make-up of a
similar
breed of ape
. So a visitor to the set would see a table full of Gorillas, a table full of Orang-
Utans, a table full of Chimpanzees. No one forced this, it wasn`t a `method technique`, it just
naturally occurred.
23
Mit dem Artikel
Disteln köpfen
, in dem es um Familien mit Kindern auf der einen
Seite und Kinderlose andererseits geht,
kann die In-Group/Out-Group-Theorie
veranschaulicht werden. Die In-Group ist die soziale Gruppe, der sich der Einzelne
zugehörig fühlt, die Gemeinschaft, mit der er sich identifiziert. Für die In-Group wird
die eigene Gruppe zum Maßstab anderer Gruppen und Personen. Dabei werden
Unterschiede zu denen, die nicht dazu gehören, also der Out-Group, oft überschätzt
und deren Gruppenmitglieder werden häufig abfällig, stereotyp und gleichförmig
beurteilt.
2.3.6 Umgang mit der Zeit
Traditionelle Gesellschaften, deren Wirtschaft hauptsächlich auf Landwirtschaft
basiert, teilen ihr Leben zyklisch ein, d. h. der Tagesablauf richtet sich nach der
Sonne, den Mondzyklen und den Jahreszeiten. Diese Abläufe wiederholen sich in
regelmäßigen Abständen wie auch die landwirtschaftlichen Tätigkeiten und Feste, die
in den Jahresverlauf eingebunden sind. Das Leben in diesen Gesellschaften ist nicht
von der Uhr bestimmt.
22
http://www1.bpb.de/die_bpb/TJ9J7T,2,0,Bildung_und_Integration.html
23
Dunphy, Shane (2006),
Wednesday's Child
, Gill &Macmillan Ltd., Dublin, 43

Interkulturelle Methoden in der Erwachsenenbildung
Christine Röll
15
In der Industriegesellschaft wird das Arbeitsleben kaum noch von den Jahreszeiten
und der Natur beeinflusst. In den Fabriken werden die Arbeitsabläufe, die
Ruhepausen, der Anfang und das Ende der Arbeit vom Fließband bestimmt. Als Folge
ist das Zeitempfinden nicht mehr zyklisch und wird linear; der Verlauf der Zeit ist wie
eine Linie, die von links - der Vergangenheit - nach rechts - der Zukunft - verläuft.
Der Anthropologe Edward T. Hall geht von einem monochronen bzw. polychronen
Umgang mit der Zeit aus. Monochrone Menschen empfinden den Zeitverlauf als eine
Reihe von Ereignissen, die chronologisch nacheinander ablaufen. Die Zeit ist eine
Ressource, die man gewinnen und verlieren kann und gut einteilen und sparen sollte:
,,Zeit ist Geld". Verabredungen und Termine werden in der Regel im Voraus geplant
und ihre genaue Einhaltung wird als wichtig angesehen. Projekte werden so
detailliert geplant, dass die Änderung eines Aspektes das gesamte System
durcheinanderbringen kann, z. B. wenn sich ein Zug oder Flugzeug verspätet.
x
x x x x
x
Monochrones Zeitempfinden Polychrones Zeitempfinden
Das polychrone Zeitverständnis kann durch mehrere Zeitstränge dargestellt werden,
auf denen die Ereignisse gleichzeitig stattfinden oder sich überlappen. Für polychrone
Menschen ist Flexibilität wichtig und nicht die genaue Einhaltung eines Termins und
die Pünktlichkeit hat in den meisten Lebenssituationen nicht so eine große
Bedeutung. Der Zeitverlauf wird als fließender angesehen und man erledigt mehrere
Dinge gleichzeitig, z. B. werden Besprechungen durch Telefonanrufe unterbrochen.
Um es überspitzt zu formulieren: Für die polychronen Menschen steht die Flexibilität
im Vordergrund und für monochrone Personen ist die Einhaltung von Terminen
wichtig. Beim polychronen Zeitempfinden sind die augenblicklichen persönlichen
Kontakte wichtiger als Pläne und Verabredungen und so können letztere kurzfristig
geändert werden, z. B. würde eine polychrone Person u. U. lieber später zu einer
Verabredung kommen als einen unerwarteten Anrufer abzuwürgen. Außerdem
unterscheidet sie nicht so stark zwischen dem Arbeits- und Privatleben und neigt
dazu, langfristige Beziehungen aufzubauen. Asiatische Kulturen, die Mittelmeerländer
und Lateinamerika sind im Allgemeinen polychroner orientiert als die deutsch-
sprachigen, auch wenn die Industrialisierung gewisse Regeln, zumindest im Arbeits-
leben, vorgibt.
2.3.7 Kommunikationsfaktoren und ihre Wirkung
2.3.7.1 ,,Linguistic awareness of cultures"
Kritische Kommunikationssituation mit (Kultur-)Fremden führen regelmäßig dazu, die
Mehrzahl auftretender Verstehensprobleme nicht der Anwendung verschiedener
Kommunikations
regeln zuzuschreiben, sondern unterstellten kulturtypischen fremden

Interkulturelle Methoden in der Erwachsenenbildung
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16
Wert
orienterungen bzw.
individuellen Vorlieben oder Eigenheiten
der
Kommunikationspartner
24
. Müller plädiert daher, die ,Linguistic awareness of cultures`
zu trainieren, die er wie folgt definiert:
Linguistic awareness of cultures means the following:
All cultural differences are ,,hidden" in linguistic manifestations. These expressions of cultural
difference are found in all languages and they can be classified in different grammatical and
lexical categories or even expressed non verbally. They are presented in culture specific explicit
or implicit forms by both speakers and listeners. This further means, that there is a source of
mutual misunderstanding, if these linguistic indicators or manifestations are not perceived by
the interactors
25
.
2.3.7.2 Analyse von Kommunikationsfaktoren
Die folgenden Aspekte sind zur Analyse von Kommunikationsabläufen relevant
26
:
- Unterschiedliche Interpretation von Begriffen, z. B. Freiheit ­ Liberté ­ Liberty
- Sprecherhandlungen (ähnlich den verschiedenen Interpretationen einer Botschaft
von Schulz von Thun)
- Gesprächsorganisation, Konventionen des Diskursablaufs, z. B. Sprecherwechsel
- Themen, z. B. zur Kontaktaufnahme
- Direktheit/Indirektheit
- Register (formelle/informelle Sprache)
- Paraverbale Faktoren (Sprechrhythmus, Lautstärke, Wort-/Satzakzent,
Sprechtempo, Satzmelodie)
- Häufigkeit und Länge der Sprechpausen
- Nonverbale Faktoren (Mimik, Gestik, Körperdistanz, Blickkontakte)
Mit der Übung
Wie wirken unterschiedliche Kommunikationsfaktoren?
(3.7.2) wird
das Bewusstsein für Aspekte, die die Kommunikation beeinflussen, geschärft.
Außerdem kann man sie als Basis für Metakommunikation, z. B. bei der Auswertung
von ,,Critical Incidents" und Rollenspielen, einsetzen.
Aus den
Kritischen Begegnungen
(3.7.4), die Missverständnisse in interkulturellen
Situationen beschreiben, dürfen nicht präskriptive Regeln für bestimmte
Handelsweisen abgeleitet werden. Es muss den Teilnehmern klar gemacht werden,
dass es sich um eine einmalige Begegnung handelt, die nicht auf diese Art
stattfinden muss
27
. Außerdem halte ich es für wichtig, dass nicht unbedingt eine
Erklärung als die einzig richtige gegeben wird, sondern dass mehrere Möglichkeiten
nebeneinander stehen können.
In den
interkulturellen Dialogen
(3.7.5), die Stortis ,,Cross-Cultural Dialogues"
nachempfunden sind, geht es ebenfalls um die Wirkung kulturell unterschiedlicher
Kommunikationsweisen und Erwartungen. Die Dialoge sind eine aufschlussreiche
Methode, Missverständnisse zu untersuchen, da das Kommunikationsproblem nicht
24
vgl. Müller, 2000, 22
25
Müller, 2000, 24
26
vgl. Müller, 2000, 22ff
27
vgl. Bolten, 2001, 94

Details

Seiten
Erscheinungsform
Originalausgabe
Jahr
2010
ISBN (eBook)
9783836645188
DOI
10.3239/9783836645188
Dateigröße
761 KB
Sprache
Deutsch
Institution / Hochschule
Pädagogische Hochschule Weingarten – Erwachsenenbildung, Kontaktstudium Erwachsenenbildung
Erscheinungsdatum
2010 (April)
Schlagworte
erwachsenenbildung interkulturalität methoden jürgen bolten kulturschock
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Titel: Interkulturelles Lernen in der Erwachsenenbildung
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