Lade Inhalt...

Ermittlung der Gewebebindung von Pharmaka im Gehirn zur Abschätzung der Verfügbarkeit von 16 Wirkstoffen: In vitro Methodenvergleich von Membranaffinität und Gleichgewichtsdialyse

©2010 Diplomarbeit 146 Seiten

Zusammenfassung

Inhaltsangabe:Einleitung:
Die Blut-Hirn-Schranke (BHS) ist eine seit über hundert Jahren bekannte physiologische Barriere, die den freien Austausch von Stoffen und Immunzellen zwischen Blutgefäßsystem und Gehirn kontrolliert und verhindert. Für die medikamentöse Therapie von Gehirnerkrankungen wie Morbus Alzheimer oder Tumore ist die Überwindung der Schranke eine essentielle Voraussetzung. Nur wenn der erforderliche Wirkstoff in ausreichender Konzentration am Zielrezeptor im Gehirn zur Verfügung steht, kann ein Therapieerfolg resultieren. Bedeutung erlangt sie zugleich in anderen Therapiezweigen, bei Substanzen deren Wirkungsort nicht das Hirngewebe ist, um unerwünschte Arzneimittelnebenwirkungen abschätzen und gegebenenfalls durch Substanzoptimierung vermeiden zu können. Die Entwicklung von Medikamenten zur Therapie von Erkrankungen des Zentralnervensystems (ZNS) stellt das zweitgrößte Anwendungsgebiet der pharmazeutischen Industrie dar. Bezogen auf das rationale Design neuer Wirkstoffe ergibt sich in Hinblick auf pharmakokinetische Parameter ein grundsätzliches Problem: Wegen des erheblichen experimentellen Aufwandes und der hohen Kosten werden solche Untersuchungen nur für sehr wenige Verbindungen durchgeführt. Ungünstige pharmakokinetische Eigenschaften werden somit erst in einer sehr späten Stufe erkannt, dann wenn bereits erhebliche Summen in die Entwicklung eines neuen Arzneistoffes gesteckt wurden. Mitte der 1990er-Jahre zeigten Studien, dass eine Vielzahl der erfolglosen Entwicklungsvorhaben an einer unbefriedigenden Pharmakokinetik und intolerablen Toxizität scheiterten. ZNS-Pharmaka weisen geringe Erfolgsraten von nur 8 % bei Entwicklungszeiten von 12-16 Jahren auf. Nicht-ZNS-Pharmaka hingegen haben eine 11 %ige Erfolgsrate und eine Entwicklungszeit von nur 10-12 Jahren. Diese Diskrepanz resultiert aus der enormen Komplexität des Gehirns, dem hohen Nebenwirkungspotential von zentralwirkenden Vertretern sowie der erheblichen Selektivität der BHS. Es hat sich gezeigt, dass nur 2 % bis 20 % der als Medikament geeigneten chemischen Substanzen die entsprechende Zielstruktur im Gehirn erreichen.
Nicht nur die Fähigkeit der BHS-Passage, sondern auch die Bindung an das Hirngewebe beeinflusst die Verfügbarkeit einer Substanz. Da die Gewebekomposition des Hirns neben den Proteinen zum größten Teil durch Lipide bestimmt wird, findet die unspezifische Bindung der Testsubstanz vorrangig an die Lipide statt. Daraus resultiert eine Verminderung der […]

Leseprobe

Inhaltsverzeichnis


Lydia Helmdach
Ermittlung der Gewebebindung von Pharmaka im Gehirn zur Abschätzung der
Verfügbarkeit von 16 Wirkstoffen: In vitro Methodenvergleich von Membranaffinität und
Gleichgewichtsdialyse
ISBN: 978-3-8366-4508-9
Herstellung: Diplomica® Verlag GmbH, Hamburg, 2010
Zugl. Hochschule Fresenius Zwickau, Zwickau, Deutschland, Diplomarbeit, 2010
Dieses Werk ist urheberrechtlich geschützt. Die dadurch begründeten Rechte,
insbesondere die der Übersetzung, des Nachdrucks, des Vortrags, der Entnahme von
Abbildungen und Tabellen, der Funksendung, der Mikroverfilmung oder der
Vervielfältigung auf anderen Wegen und der Speicherung in Datenverarbeitungsanlagen,
bleiben, auch bei nur auszugsweiser Verwertung, vorbehalten. Eine Vervielfältigung
dieses Werkes oder von Teilen dieses Werkes ist auch im Einzelfall nur in den Grenzen
der gesetzlichen Bestimmungen des Urheberrechtsgesetzes der Bundesrepublik
Deutschland in der jeweils geltenden Fassung zulässig. Sie ist grundsätzlich
vergütungspflichtig. Zuwiderhandlungen unterliegen den Strafbestimmungen des
Urheberrechtes.
Die Wiedergabe von Gebrauchsnamen, Handelsnamen, Warenbezeichnungen usw. in
diesem Werk berechtigt auch ohne besondere Kennzeichnung nicht zu der Annahme,
dass solche Namen im Sinne der Warenzeichen- und Markenschutz-Gesetzgebung als frei
zu betrachten wären und daher von jedermann benutzt werden dürften.
Die Informationen in diesem Werk wurden mit Sorgfalt erarbeitet. Dennoch können
Fehler nicht vollständig ausgeschlossen werden und der Verlag, die Autoren oder
Übersetzer übernehmen keine juristische Verantwortung oder irgendeine Haftung für evtl.
verbliebene fehlerhafte Angaben und deren Folgen.
© Diplomica Verlag GmbH
http://www.diplomica.de, Hamburg 2010

II
Die vorliegende Arbeit wurde im Zeitraum vom 31.08.2009 bis 29.01.2010 unter Betreuung von
Herrn Dr. Hinnerk Boriss bei der Firma Sovicell GmbH in Leipzig durchgeführt.

II
This Thesis was written between 31.08.2009 and 29.01.2010 at Sovicell GmbH under support and
supervision from Dr. Hinnerk Boriss.

Inhaltsverzeichnis
III
Inhaltsverzeichnis
1
Einleitung ... 1
2
Theoretischer Teil ... 3
2.1
Blut-Hirn-Schranke und Liquor cerebrospinalis ... 3
2.1.1
Geschichtlicher Hintergrund der Blut-Hirn-Schranken-Entdeckung ... 3
2.1.2
Aufbau und Funktion ... 3
2.1.2.1 Blut-Hirn-Schranke (BHS) ... 3
2.1.2.2 Blut-Liquor-Schranke (BLS) ... 5
2.1.2.3 Vergleich von BHS und BLS ... 7
2.1.3
Transportmechanismen ... 8
2.1.3.1 Passage lipidlöslicher Substanzen ­ Freie Diffusion bzw. Passive Diffusion ... 8
2.1.3.2 Carriervermittelter Transport ­ erleichterte Diffusion ... 8
2.1.3.3 Aktiver Transport ... 10
2.1.3.4 Spezielle Form... 12
2.2
Gehirnverteilungsmechanismen ... 13
2.2.1
Proteinbindung ... 14
2.2.1.1 Albumin (HSA, RSA) ... 15
2.2.1.2
1
-saure Glykoprotein (AGP) ... 17
2.2.2
Bindung an Hirnlipide ... 18
2.3
Abschätzung der Aufnahme und Verteilung von Substanzen im Hirngewebe ... 18
2.4
Charakterisierung der eingesetzten Arzneimittel ... 20
3
Experimenteller Teil ... 21
3.1
TRANSIL Technologie ... 21
3.1.1
Bestimmung der Membranaffinität ... 21
3.1.1.1 Prinzip ... 21
3.1.1.2 Materialien ... 22
3.1.1.3 Durchführung ... 23
3.1.1.4 Analytik ... 24

Inhaltsverzeichnis
IV
3.1.1.5 Berechnungen ... 24
3.1.2
Bestimmung der Plasmaproteinbindung ... 26
3.1.2.1 Prinzip ... 26
3.1.2.2 Materialien ... 26
3.1.2.3 Durchführung ... 27
3.1.2.4 Analytik ... 27
3.1.2.5 Berechnungen ... 27
3.2
Rapid Equilibrium Dialysis (RED) ... 28
3.2.1
Prinzip ... 28
3.2.2
Materialien ... 30
3.2.3
Durchführung ... 31
3.2.4
Analytik ... 31
3.2.5
Berechnungen ... 32
3.3
Gehirnpräparation... 33
3.4
Trockensubstanzgehaltbestimmung von Rattenhirn und Rattenhirnhomogenat ... 34
3.5
Albumingehaltbestimmung von Rattenhirn ... 34
3.5.1
Prinzip ... 34
3.5.2
Reagenzien ... 36
3.5.3
Durchführung ... 36
3.6
Gesamtproteingehaltbestimmung von Rattengehirn ... 38
3.6.1
Prinzip ... 38
3.6.2
Reagenzien ... 38
3.6.3
Durchführung ... 38
3.7
Bestimmung der Lipidzusammensetzung von Ratten- und Schweinehirn ... 39
3.7.1
Chemikalien/Untersuchungsmaterial ... 39
3.7.2
Extraktion der Lipide ... 39
3.7.2.1 Prinzip ... 39
3.7.2.2 Durchführung ... 40

Inhaltsverzeichnis
V
3.7.3
Trennung der Lipide in Unterklassen - High-Performance-Thin-Layer-
Chromatography (HPTLC) ... 40
3.7.3.1 Prinzip ... 40
3.7.3.2 Durchführung: ... 41
3.7.4
Kopplung von HPTLC mit MALDI-TOF-MS ... 42
3.7.4.1 Prinzip ... 42
3.7.4.2 Durchführung ... 42
4
Ergebnisse ... 43
4.1
Bestimmung der Gewebebindung im Gehirn ... 43
4.1.1
Vorhersage von fu
(Brain)
durch die Membranaffinität ... 43
4.1.2
Vorhersage von fu
(Brain)
durch Dialyse ... 45
4.2
Trockensubstanzgehalt von Rattenhirn ... 47
4.3
Beitrag des Proteins zur Hirn-Gewebebindung ... 48
4.3.1
Albumingehalt des Rattenhirns ... 48
4.3.2
Gesamtproteingehalt des Rattenhirns ... 51
4.4
Verzerrung der fu
(Brain)
-Messung durch Blutreste im Hirngewebe ... 53
4.4.1
Blutvolumen ... 53
4.4.2
Vorhersage
der
Blut-Gewebebindung
mittels
TRANSIL
Assay
und
Gleichgewichtsdialyse ... 54
4.4.2.1 Bestimmung der ungebundenen Fraktionen im Plasma durch TRANSIL
HSA/RSA/AGP Binding Assay ... 54
4.4.2.2 Bestimmung
der
ungebundenen
Fraktion
im
Plasma
durch
Gleichgewichtsdialyse ... 57
4.4.3
Volumenänderung durch Perfusion ... 58
4.5
Lipidzusammensetzung von Ratten- und Schweinehirn ... 59
5
Diskussion ... 64
5.1
Bestimmung der Gewebebindung im Gehirn ... 64
5.1.1
Freie Fraktion im Gehirn ­ Ergebnisvergleich von Membranaffinität und
Gleichgewichtsdialyse ... 64
5.1.2
Aussagekraft der Ergebnisse ­ Dialyse gegen TRANSIL Assay ... 68

Inhaltsverzeichnis
VI
5.1.3
Einfluss der Methodenwahl auf die Qualität der Ergebnisse ... 69
5.2
Trockensubstanzgehalt von Rattenhirn ... 70
5.3
Beitrag des Proteins zur Hirn-Gewebebindung ... 71
5.4
Verzerrung der fu
(Brain)
-Messung durch Blutreste im Hirngewebe ... 75
5.4.1
Blutvolumen ... 75
5.4.2
Vorhersage der Blut-Gewebebindung ... 77
5.4.2.1 Freie Fraktion im Plasma ­ Ergebnisvergleich von TRANSIL Assay und
Gleichgewichtsdialyse ... 78
5.4.2.2 Theoretischer Einfluss der Blut-Gewebebindung im Rattenhirn ohne Perfusion 83
5.5
Lipidzusammensetzung von Ratten- und Schweinehirn ... 84
6
Zusammenfassung ... 88
7
Literaturverzeichnis ... 92
8
Anhang ... I

Abkürzungsverzeichnis
VII
Abkürzungsverzeichnis
AGP
1
-saure Glykoprotein
AVAIL
Gehirnverfügbarkeit
B
Buffer Chamber
BHS
Blut-Hirn-Schranke
BLS
Blut-Liquor-Schranke
Cer
Galactocerebroside
DMSO
Dimethylsulfoxid
fu
(Brain)
ungebundene Arzneimittelfraktion im Gehirn
fu
(Plasma)
ungebundene Arzneimittelfraktion im Plasma
GGW
Gleichgewichtseinstellung
HH
Hirnhomogenat
HH-B
Hirnhomogenat mit Blut
HHS
Hirnhomogenatstabilität
HSA
Human Serum Albumin, Humanes Serum Albumin
HPTLC
High Performance Thin-Layer Chromatography
LC/MS/MS
Flüssigchromatographie-Tandem-Massenspektrometrie-
Kopplung
logBB
Verteilungskoeffizient zwischen Plasma und Gehirn
logK
B/F
Plasmaproteinbindungsindex
logMA
brain
Logarithmus der Membranaffinität
MALDI-TOF-MS
Matrix-Assisted Laser Desorption & Ionization - Time-Of-Flight
- Mass Spectrometry (Matrix-unterstützte Laser Desorption und
Ionisation ­ Flugzeit ­ Massenspektrometrie)
MCT
Monocarbonsäuretransporter
PA
Phosphatidsäure
PBS Puffer
Phosphate Buffered Saline
PC
Phosphatidylcholin
PE
Phosphatidylethanolamin
Pgp
P-Glykoprotein
PI
Phosphatidylinositol
PL
Plasma
PS
Phosphatidylserin
PSt
Plasmastabilität
PSA
Polar Surface Area

Abkürzungsverzeichnis
VIII
RED
Rapid Equilibrium Dialysis
RSA
Rat Serum Albumin, Ratten Serum Albumin
S
Sample Chamber
SD
Standard Derivation (Standardabweichung)
SM
Sphingomyelin
TLC
Thin-Layer Chromatography
TMB
Tetramethylbenzidin
Tris
Tris(hydroxymethyl)-aminomethan, auch Tromethamin oder
Trometamol
Tween 20
Polyoxyethylen(20)-sorbitan-monolaurat, auch Polysorbat 20
WF
Wiederfindung
ZNS
Zentralnervensystem

Abbildungsverzeichnis
IX
Abbildungsverzeichnis
Abbildung 1:
Aufbau der Blut-Hirn-Schranke. a Räumliche Anordnung , b Querschnitt [8] ... 4
Abbildung 2:
Schematische Darstellung der Lokalisation der zirkumventrikulären Organe im
menschlichen Gehirn; medianer Sagittalschnitt[10] ... 5
Abbildung 3:
Kompartimente der BHS und BLS [6] ... 7
Abbildung 4:
Schematische Darstellung des Pgp`s mit 12 Transmembransegmenten [16] ... 12
Abbildung 5:
Zusammenstellung von Mechanismen, welche die freie Arzneistoffkonzentration
im ZNS beeinflussen [16] ... 13
Abbildung 6:
Plasmaproteinbindung eines Arzneistoffes limitiert die Gehirnpermeation [16] . 15
Abbildung 7:
Kristallstruktur von HSA [27] ... 16
Abbildung 8:
Schematische Darstellung der Arzneimittelbindungsstellen des AGP's [26] ... 17
Abbildung 9:
Illustration einer TRANSIL Brain Absorption Silicakugel beschichtet mit
Hirnlipiden vom Schwein [29] ... 22
Abbildung 10: Durchführung des TRANSIL Brain Absorption Assays [29] ... 23
Abbildung 11: Dialyse - Platte mit Einsätzen bestehend aus Proben- (rot) und
Pufferkammer (weiß) [32] ... 28
Abbildung 12: Schematische Darstellung der RED für Kontrolle und proteinhaltige Probe; B =
Buffer Chamber (Pufferkammer) und S = Sample Chamber (Probenkammer)
[32] ... 29
Abbildung 13: Graphische Darstellung der Ligandenkonzentration über die Zeit in Buffer
Chamber und Sample Chamber [32] ... 29
Abbildung 14: Sandwich-ELISA [34] ... 35
Abbildung 15: Strukturformel des blauen Säurefarbstoffes Coomassie-Brilliantblau G 250
[36] ... 38
Abbildung 16: Schematische Darstellung der Extraktion von Lipiden aus biologischen
Materialien [38] ... 40
Abbildung 17: Strukturformel des Fluoreszenzfarbstoffes Primulin [38] ... 41
Abbildung 18: Graphische Darstellung der RSA Konzentration von unperfundiertem
Hirnhomogenat verschiedener Verdünnungsstufen (Verdünnungsechtheit) ... 50
Abbildung 19: Graphische Darstellung der Proteinkonzentration von perfundiertem
Hirnhomogenat verschiedener Verdünnungsstufen (Verdünnungsechtheit) ... 52
Abbildung 20: Bestimmung der Lipidzusammensetzung - Aufnahme der HPTLC-Platte ... 59
Abbildung 21: Positiv-Ion MALDI-TOF Massenspektren des Rattenhirnextraktes (rot/unten)
sowie des Schweinehirnextraktes (blau/oben) von Avanti ... 62

Abbildungsverzeichnis
X
Abbildung 22: Ergebnisvergleich fb
(Brain)
- Dialyse gegen aus Membranaffinität ermittelter
Gewebebindung im Gehirn ... 67
Abbildung 24: Darstellung der prozentualen, theoretischen Albumingewebebindung im
Verhältnis zur Lipidbindung ... 73
Abbildung 25: Graphische Darstellung der Zusammensetzung der Trockenmasse des
Rattengehirns ... 75
Abbildung 23: Dialyse gegen Hirnhomogenat ­ Einfluss der Perfusion ... 77
Abbildung 26: Graphische Darstellung fb
(Plasma)
­ Dialyse gegen TRANSIL Assay ... 82
Abbildung 27: Übersicht über die wichtigsten Klassen von Phospholipiden und Glycolipiden im
Gehirn [48] ... 85

Tabellenverzeichnis
XI
Tabellenverzeichnis
Tabelle 1: Zusammensetzung von Blutplasma und Liquor [8] ... 6
Tabelle 2: eingesetzte Rat Serum Albumin ELISA-Reagenzien und deren Herstellung ... 36
Tabelle 3: Messergebnisse ­ TRANSIL Brain Absorption Assay ... 44
Tabelle 4: Messergebnisse: fu
(Brain)
­ Dialyse mit perfundiertem und unperfundiertem
Rattenhirnhomogenat ... 45
Tabelle 5: Messergebnisse: HHS, WF, GGW - Dialyse mit perfundiertem und unperfundiertem
Rattenhirnhomogenat ... 46
Tabelle 6: Ergebnisse Trockensubstanzgehaltbestimmung - Gehirn ohne Puffer ... 47
Tabelle 7: Durchschnittliche Trockenmasse und Wassermasse des Rattengehirns ... 48
Tabelle 8: Messergebnisse Rat Albumin ELISA ­ Hirnhomogenat mit Perfusion (verschiedene
Verdünnungsstufen) ... 48
Tabelle 9: Messergebnisse Rat Albumin ELISA - Hirnhomogenat ohne Perfusion (verschiedene
Verdünnungsstufen) ... 49
Tabelle 10: Albuminmasse der Rattengehirne und des Blutes in den Hirnkapillaren ... 51
Tabelle 11: Gewebealbumingehalt des Rattenhirns ... 51
Tabelle 12: Messergebnisse Bradford Protein Assay ­ perfundiertes Hirnhomogenat Charge 6
(verschiedene Verdünnungsstufen) ... 52
Tabelle 13: Protein- und Lipidgehalt des Rattenhirns ... 53
Tabelle 14: Messergebnisse: Freie Fraktion im Plasma von Ratte und Mensch ­ TRANSIL
HSA/RSA/AGP Binding Assay ... 55
Tabelle 15: Messergebnisse: Gebundenen Fraktionen an RSA/HSA/AGP und
Dissoziationskonstanten ­ TRANSIL HSA/RSA/AGP Binding Assay ... 56
Tabelle 16: Messergebnisse: fu
(Plasma),
PSt, WF, GGW ­ Dialyse mit Rattenplasma ... 57
Tabelle 17: Ermittlung des Gewichtes von Gehirnen mit und ohne Perfusion ... 58
Tabelle 18: Auswertung der HPTLC-Platte - Zuordnung einer Lipidfraktion durch Vergleich mit
dem Standard ... 60
Tabelle 19: Ergebnisse Lipidzusammensetzung - Auswertung der MALDI-TOF Spektren ... 63
Tabelle 20: Freie Fraktion im Hirn ­ Membranaffinität gegen Gleichgewichtsdialyse ... 66
Tabelle 21: Gegenüberstellung wichtiger Methodenmerkmale des TRANSIL Assays und der
Gleichgewichtsdialyse ... 69
Tabelle 22: Berechnungsergebnisse ­ Theoretischer Einfluss der Gewebealbuminbindung ... 72
Tabelle 23: Freie Fraktion im Plasma ­ Gleichgewichtsdialyse gegen TRANSIL Assay ... 80
Tabelle 24: Berechnungsergebnisse ­ Theoretischer Einfluss der Blut-Gewebebindung
unperfundierter Rattenhirne ... 84

Formelverzeichnis
XII
Formelverzeichnis
Formel 1: Berechnung des Gehirn-Plasma-Verteilungskoeffizienten (logBB) [29] ... 18
Formel 2: Berechnung der Membranaffinität (logMA
Brain
) [29] ... 19
Formel 3: Berechnung der ZNS Verfügbarkeit (AVAIL) [29] ... 20
Formel 4: Berechnung des Plasmaproteinbindungsindex [29] ... 20
Formel 5: Berechnung der Membranaffinität [29] ... 24
Formel 6: Berechnung der ungebundenen Fraktion im Gehirn [29] ... 25
Formel 7: Berechnung von logBB [29] ... 25
Formel 8: Berechnung der Dissoziationskonstante Kd für HSA/RSA/AGP ... 27
Formel 9: Berechnung der ungebundenen Substanzfraktion an AGP bzw. HSA bzw. RSA ... 27
Formel 10: Berechnung der verdünnten, ungebundenen Substanzfraktion im Gehirn durch
Gleichgewichtsdialyse [31] ... 32
Formel 11: Berechnung der unverdünnten, ungebundenen Substanzfraktion im Gehirn durch
Gleichgewichtsdialyse [33] ... 32
Formel 12: Berechnung der ungebundenen Substanzfraktion im Plasma durch
Gleichgewichtsdialyse [31] ... 32
Formel 13: Berechnung des eingestellten Dialysegleichgewichtes [31] ... 32
Formel 14: Berechnung der freien Wirkstofffraktion an Gewebealbumin im Rattenhirnhomogenat
mit Perfusion ... 71
Formel 15: Berechnung der freien Wirkstofffraktion an Lipide im Rattenhirnhomogenat mit
Perfusion ... 72

Danksagung
XIII
Danksagung
An dieser Stelle möchte ich mich bei allen Personen bedanken, die mich bei der Entstehung dieser
Arbeit unterstützt haben.
Ein besonderer Dank gilt Herrn Dr. Hinnerk Boriss, der mit sehr viel Engagement, Geduld und
guten Ideen meine Diplomarbeit betreute.
Außerdem bedanke ich mich herzlich bei Herrn Dr. Jürgen Fröde für dessen Betreuung und den
daraus resultierenden Ratschlägen und Hilfestellungen.
Ich danke Daniel Nimptsch, Brigitte Striegler und Gabi Thiemann für eine äußerst angenehme
Arbeitsumgebung, für viele beantwortete Fragen und für allerlei praktische Hilfestellungen.
Ich danke Herrn PD Dr. Jürgen Schiller, Frau Rosemarie Süß sowie Kathrin Nimptsch und Ariane
Nimptsch vom Institut für Medizinische Physik und Biophysik der Universität Leipzig für die
freundliche und engagierte Betreuung sowie die praktische Umsetzung der Lipidanalytik.
Außerdem gilt mein Dank Herrn Dr. Johannes Boltze, Dr. Alexander Kranz und Dr.
Daniel-Christoph Wagner vom Fraunhofer Institut für Zelltherapie und Immunologie für deren
hilfreiche Ratschläge und Unterstützung bei der Gewinnung der Rattengehirne.
Desweiteren möchte ich mich bei Frau Dr. Gisela Backfisch von der Firma Abbott für deren
Bemühungen bedanken.
Für die grammatikalische und syntaktische Durchsicht bedanke ich mich herzlich bei meinem
Freund Alexander Wolf. Ebenso möchte ich mich an dieser Stelle herzlich bei meinen Eltern für
deren Unterstützung, während der Dauer der Diplomarbeit und des Studiums, bedanken.

Einleitung
1
1
Einleitung
Die Blut-Hirn-Schranke (BHS) ist eine seit über hundert Jahren bekannte physiologische Barriere,
die den freien Austausch von Stoffen und Immunzellen zwischen Blutgefäßsystem und Gehirn
kontrolliert und verhindert. Für die medikamentöse Therapie von Gehirnerkrankungen wie Morbus
Alzheimer oder Tumore ist die Überwindung der Schranke eine essentielle Voraussetzung. Nur
wenn der erforderliche Wirkstoff in ausreichender Konzentration am Zielrezeptor im Gehirn zur
Verfügung steht, kann ein Therapieerfolg resultieren. Bedeutung erlangt sie zugleich in anderen
Therapiezweigen, bei Substanzen deren Wirkungsort nicht das Hirngewebe ist, um unerwünschte
Arzneimittelnebenwirkungen abschätzen und gegebenenfalls durch Substanzoptimierung
vermeiden zu können. Die Entwicklung von Medikamenten zur Therapie von Erkrankungen des
Zentralnervensystems (ZNS) stellt das zweitgrößte Anwendungsgebiet der pharmazeutischen
Industrie dar [1]. Bezogen auf das rationale Design neuer Wirkstoffe ergibt sich in Hinblick auf
pharmakokinetische Parameter ein grundsätzliches Problem: Wegen des erheblichen
experimentellen Aufwandes und der hohen Kosten werden solche Untersuchungen nur für sehr
wenige Verbindungen durchgeführt. Ungünstige pharmakokinetische Eigenschaften werden somit
erst in einer sehr späten Stufe erkannt, dann wenn bereits erhebliche Summen in die Entwicklung
eines neuen Arzneistoffes gesteckt wurden. Mitte der 1990er-Jahre zeigten Studien, dass eine
Vielzahl der erfolglosen Entwicklungsvorhaben an einer unbefriedigenden Pharmakokinetik und
intolerablen Toxizität scheiterten. ZNS-Pharmaka weisen geringe Erfolgsraten von nur 8 % bei
Entwicklungszeiten von 12-16 Jahren auf. Nicht-ZNS-Pharmaka hingegen haben eine 11 %ige
Erfolgsrate und eine Entwicklungszeit von nur 10-12 Jahren. Diese Diskrepanz resultiert aus der
enormen Komplexität des Gehirns, dem hohen Nebenwirkungspotential von zentralwirkenden
Vertretern sowie der erheblichen Selektivität der BHS. Es hat sich gezeigt, dass nur 2 % bis 20 %
der als Medikament geeigneten chemischen Substanzen die entsprechende Zielstruktur im Gehirn
erreichen [2].
Nicht nur die Fähigkeit der BHS-Passage, sondern auch die Bindung an das Hirngewebe
beeinflusst die Verfügbarkeit einer Substanz. Da die Gewebekomposition des Hirns neben den
Proteinen zum größten Teil durch Lipide bestimmt wird [3], findet die unspezifische Bindung der
Testsubstanz vorrangig an die Lipide statt. Daraus resultiert eine Verminderung der aktiven bzw.
freien Konzentration des Wirkstoffes, wodurch auch die Interaktion mit dem Zielrezeptor erheblich
eingeschränkt wird. Die Bindung an diesen Rezeptor wiederrum ist essentielle Vorrausetzung für
die Wirkung des Arzneimittels. Demzufolge ist es wichtig, frühzeitig zu untersuchen, ob relevante
Substanzen die Blut-Hirn-Schranke passieren und ob diese auch in ausreichender Konzentration in
der Interstitialflüssigkeit zur Verfügung stehen [4].

Einleitung
2
In den letzten Jahren wurden verschiedene Methoden zur Untersuchung des Wirkstofftransportes
über die BHS sowie der unspezifischen Bindung entwickelt. Generell unterscheidet man zwischen
in-vivo und in-vitro Modellen. Mit in-vivo Methoden (z.B. in-situ Perfusion oder Brain Uptake
Index) ist die Bestimmung der totalen BHS-Permeabilität bzw. die Ermittlung des Einflusses von
Transportmolekülen auf die BHS-Permeabilität möglich. Es handelt sich oft um sehr teure
Methoden, bei denen das Versuchstier nach der Applikation der Testsubstanz in den Blutkreislauf
getötet wird [4].
In-vitro Methoden kommen ohne Tierversuche aus. Die meisten in-vitro BHS Modelle basieren auf
Kulturen isolierter Endothelzellen aus Hirnkapillaren. Außerdem sind die Gleichgewichtsdialyse
gegen Hirnhomogenat (kein Tierversuch, aber Versuchstiertötung notwendig) und die Bestimmung
der Membranaffinität (TRANSIL Brain Absorption Assay) etablierte in-vitro Modelle. Sie erlauben
eine vorzeitige Charakterisierung der Testsubstanz in Bezug auf die Verfügbarkeit im Gehirn,
wodurch die Anzahl der im Vorfeld notwendigen Versuche erheblich reduziert werden kann. Das
spart nicht nur Kosten, sondern auch Zeit [4].
Im Rahmen der vorliegenden Arbeit sollen zwei in-vitro Methoden, zur Untersuchung der
unspezifischen Bindung an Hirnlipide auf ihre Effektivität hin, verglichen werden. Zum einen soll
untersucht werden, ob die Abschätzung der ungebundenen Fraktion der Testsubstanz aus der
Affinitätsbestimmung zu einer Membran aus Hirnlipiden vergleichbare Ergebnisse liefert, wie die
Ermittlung der Gewebebindung an Rattenhirnhomogenat durch Gleichgewichtsdialyse. Zum
anderen soll ermittelt werden, ob Hirnlipide von Schlachttieren (Schwein) analoge Resultate
erzielen wie derzeit in der Routine eingesetzte Hirnlipide von Ratten. Sollte dies der Fall sein,
können auf der Basis dieser Untersuchungen Versuchstiertötungen in der Industrie erheblich
reduziert werden.
Die Dialyse wird mit perfundiertem und unperfundiertem Rattenhirnhomogenat durchgeführt.
Beide Homogenate enthalten Gewebeproteine, Hirnlipide sowie unterschiedliche Anteile an
Kapillarblut. Aus diesem Grund sollen die Plasmaproteinbindung, die Gewebealbuminbindung und
die Kapillarblutmenge im Rattenhirn bestimmt werden. Sollte der Einfluss des in den Kapillaren
verbliebenen Bluts sowie der Testsubstanzbindung an Gewebealbumin hoch sein, so hätte dies
entscheidende Konsequenzen für die Wahl des Tiermodells zur Abschätzung der Gewebebindung
im Gehirn. Die Ermittlung des Trockensubstanzgehaltes sowie des Protein- und des Lipidgehalts
im eingesetzten Rattenhirn geben Aufschluss über die Zusammensetzung und ermöglichen eine
genauere Interpretation der Messergebnisse.

Theoretischer Teil
3
2
Theoretischer Teil
2.1
Blut-Hirn-Schranke und Liquor cerebrospinalis
2.1.1
Geschichtlicher Hintergrund der Blut-Hirn-Schranken-Entdeckung
Die Erforschung der Blut-Liquor-Hirn-Schranke begann Ende des vorletzten Jahrhunderts durch
Paul Ehrlich (1885). Er wies nach, dass verschiedene intravenös verabreichte Farbstoffe sämtliche
Gewebe eines Tieres bis auf das Gehirn färbten. Daraus folgerte er die Annahme einer geringen
Affinität der Farbstoffe zum Gehirn. Systematische Studien folgten später durch Goldmann (1913).
Er stellte fest, dass sich nach intravenöser Injektion von Trypanblau alle Organe, außer Gehirn und
Rückenmark blau färbten (1. Goldmann'sche Versuch). Und dass umgekehrt bei Injektion des
Farbstoffes in die Liquorräume, nur Gehirn und Rückenmark angefärbt werden, der übrige Körper
aber unverändert bleibt (2. Goldmann `scher Versuch). Dadurch hatte Goldmann gezeigt, dass nicht
die unterschiedliche Affinität des Farbstoffes zu den Geweben, sondern eine Barriere zwischen
ZNS und Blut für das unterschiedliche Färbeverhalten verantwortlich war [5]. Dieses Experiment
und folgende Studien von Romanowsky 1891, welcher Preußisch Blau als Injektionsfarbstoff
nutzte, führten zur Definition des Begriffes BHS. Ende der 60er Jahre des 19. Jahrhunderts wurde
schließlich der Aufbau der BHS durch elektronenmikroskopische Aufnahmen aufgeklärt [6].
2.1.2
Aufbau und Funktion
Man kann die Schranke zwischen Blut und ZNS in zwei Bereiche einteilen. Zum einen die Blut-
Hirn-Schranke (zwischen Blut und Extrazellularraum des ZNS) und zum anderen in die Blut-
Liquor-Schranke (zwischen Blut und Liquorraum). Durch die Blut-Hirn- und Blut-Liquor-Schranke
ist das zentralnervöse Parenchym mit seinen spezifischen Stoffwechselfunktionen an den
Grenzflächen gegenüber extraneuralen Einflüssen abgeschirmt [5].
2.1.2.1
Blut-Hirn-Schranke (BHS)
Der direkte Stoffaustausch zwischen Blutplasma und Hirnparenchym erfolgt über die
Hirnkapillaren. Die Gefäße des Gehirns weisen, entsprechend Abbildung 1, eine charakteristische
Struktur auf und bilden die Blut-Hirn-Schranke im engeren Sinne [7]. Die BHS besteht aus
Endothelzellen, die die Hirngefäße auskleiden. Sie sind durch Tight junctions, welche die
Endothelzellausläufer miteinander verbinden, so verschweißt, dass keine interzelluläre Diffusion
möglich ist. Die transzelluläre Diffusion ist ebenfalls eingeschränkt. Die Endothelzellen sind nicht
fenestriert, ein pinozytotischer Transport existiert nicht, und sie besitzen eine komplizierte
Glykokalix, die zum Teil für die Selektivität des Transports verantwortlich ist. Die
Basalmembranen der Hirngefäße, welche gelegentlich Perizyten einschließen, sind keine effektiven
Filter. Perizyten sind mesenchymalen Ursprungs und weisen Makrophagenaktivität auf. Astrozyten

Theoretischer Teil
4
umgeben mit ihren Fortsätzen die Hirnkapillaren. Durch die Spalten zwischen den Fortsätzen (Gap
junctions) können auch große Moleküle hindurchtreten. Die Astrozyten leisten somit keinen
Beitrag zur Barrierefunktion der Blut-Hirn-Schranke. Sie sezernieren jedoch Signalmoleküle, die
die Bildung von Tight junctions zwischen den Endothelzellen stimulieren [8; 9]. Unter
physiologischen Verhältnissen gibt es im Gehirn auch einzelne Bezirke ohne Blut-Hirn-Schranke,
die sogenannten zirkumventrikulären Organe, dargestellt in Abbildung 2. Dazu gehören unter
anderem Neurohypophyse, Hypophysenstiel und Area postrema. Die hier erhöhte Permeabilität
dient wahrscheinlich dazu, die Konzentration verschiedener Substanzen im Blut zu messen und zu
regeln. Im Blut kreisende Hormone können beispielsweise über diese Bezirke in das ZNS
eindringen und über das neuroendokrine System die eigene Synthese regeln [5].
Die Endothelzellen besitzen zudem eine sogenannte metabolische Schrankenfunktion. So erfolgt
beim Durchtritt exogener Substanzen deren Modifizierung und Abbau durch endotheliale Enzyme
wie Glutamyl-Transpeptidase, Alkalische Phosphatase, Butyrylcholinesterase, aromatische L-
Aminosäure-Decarboxylase, Monoaminoxidase, Adenylatcyclase und Guanylatzyklase [10].
Abbildung 1: Aufbau der Blut-Hirn-Schranke. a Räumliche Anordnung , b Querschnitt [9]
Die BHS wird von den Endothelzellen der Hirnkapillaren gebildet. Tight Junctions
verschließen die Räume zwischen den Endothelzellen vollständig. Astrozyten umgeben mit
ihren Fortsätzen die Hirnkapillaren. Durch die Spalten zwischen den Fortsätzen
(Gap junctions) können auch große Moleküle hindurchtreten.

Theoretischer Teil
5
Abbildung 2: Schematische Darstellung der Lokalisation der zirkumventrikulären Organe
im menschlichen Gehirn; medianer Sagittalschnitt [11]
Die meisten zirkumventrikulären Organe grenzen sowohl an den ventrikulären als auch den
subarachnoidalen Liquorraum. Zu ihnen gehören die Epiphyse, die Eminentia medialis, das
subfornicale Organ, das Organum vasculosum der Lamina terminalis, die Neurohypophyse
und die Area postrema. Die Gefäße dieser Organe sind fenestriert.
2.1.2.2
Blut-Liquor-Schranke (BLS)
Ein Großteil der Versorgung des ZNS, mit den für den Organismus wichtigen Molekülen, wird von
der Cerebrospinalflüssigkeit (Liquor cerebrospinalis) übernommen, die an mehreren Stellen des
Gehirns sezerniert wird. Auch an dieser Stelle existiert eine ähnlich der Blut-Hirn-Schranke
aufgebaute Barriere, die Blut-Liquor-Schranke. Die Blut-Liquor-Schranke beruht jedoch nicht, wie
die Blut-Hirn-Schranke, auf Tight junctions der Endothelzellen, sondern aus entsprechend dichten
Verbindungen eines Epithels, den Chorioideazellen, die die Kapillaren umgeben. Für den Übertritt
von Molekülen aus dem Blutplasma in den Liquor gelten dieselben Gesetzmäßigkeiten wie bei der
Blut-Hirn-Schranke [12]. Plexuskapillaren besitzen ein stark fenestriertes Endothel. Sie bilden die
erste Schicht des Filters und halten korpuskuläre Blutbestandteile zurück. Große Proteine und sogar
kleine Viren können diese erste Barriere jedoch passieren. Die Endothelzellen vermitteln durch
Transzytose in Vesikeln einen regen Stofftransport aus dem Blut in das Liquorfiltrat. Die
verdichtete Basalmembran aus Proteoglycanen und Kollagenfasern umgibt das Endothel und wirkt
als Proteinfilter. Eine erheblich undurchlässigere Barriere stellen Plexusepithelien dar, die über
Zonulae occludentes miteinander verbundenen sind. Diese Zonulae occludentes besitzen Wirkung
als Mikrofilter und bilden an den Kontaktstellen der Zellen gelegene Poren aus. Sie halten größere
Serumproteine (wie Immunglobuline) vom Durchtritt zurück und lassen kleinere Moleküle eher
permeieren [7].

Theoretischer Teil
6
Der Liquor wird in großen Mengen in den Plexus chorioidei der Hirnventrikel sezerniert, tritt im
vierten Ventrikel in den Subarachnoidalraum des Gehirns und des Rückenmarks ein. Er wird dort
über eine ventilartige Funktion der Subarachnoidalvilli in das venöse Blut zurückgeführt [12]. Bei
der Neubildung im Plexus chorioidei wird Liquor als proteinarmes Substrat durch eine
mehrschichtige Barriere von Blutplasma abgepresst. Die Zusammensetzung des Liquors ähnelt der
interstitiellen Flüssigkeit des Gehirns und weicht von der Zusammensetzung des reinen Plasma-
Ultrafiltrates ab, bestätigt in Tabelle 1. Es sind also aktive Transportvorgänge beteiligt, wenn der
Liquor am Plexusependym gebildet wird. Dadurch kann die Zusammensetzung des Liquors
cerebrospinalis sehr exakt reguliert werden. Das Liquorvolumen entspricht mit ca. 150 ml etwa
einem Zehntel des Hirnvolumens. Die Liquorsekretion beträgt ca. 0,4 ml/min und erlaubt den
dreifachen Umsatz des Liquorvolumens pro Tag. Die Resorption des Liquors ist hingegen ein
passiver Vorgang. Er wird durch den hydrostatischen Druckgradienten zwischen Liquor und
Hirnvenenblut im Bereich der Arachnoidalvilli und der Wurzeltaschen der Hirn- und Spinalnerven
bestimmt. Außerhalb des Plexus choroideus wird die Ventrikeloberfläche durch Ependymzellen
ausgekleidet. Über das Ependym hinweg besteht zwischen Liquorraum und Interstitialflüssigkeit
des Hirnparenchyms keine definierte Permeabilitätsbarriere, sondern ein Diffusionsgradient. So
tauscht sich der Liquor mit der interstitiellen Flüssigkeit des Gehirns durch Diffusion aus [7; 9].
Die Kompartimente der BHS sowie der BLS sind in Abbildung 3 schematisch dargestellt.
Tabelle 1:
Zusammensetzung von Blutplasma und Liquor [9]
Die Zusammensetzung des Liquors weicht von der des reinen Plasma-Ultrafiltrates ab, d.h.
es sind Transportvorgänge bei der Bildung des Liquors beteiligt.
Substanz
Blutplasma
Liquor
Natrium
145 mmol/l
147 mmol/l
Kalium
4,6 mmol/l
3,0 mmol/l
Calcium
2,5 mmol/l
1,2 mmol/l
Chlorid
102 mmol/l
120 mmol/l
Glucose
5,0 mmol/l
3,3 mmol/l
Proteine
75 g/l
0,2 g/l

Theoretischer Teil
7
Abbildung 3: Kompartimente der BHS und BLS [7]
Schematische Darstellung der Flüssigkeitskompartimente im Gehirn und ihrer
wechselseitigen Beziehung. Die Liquorneubildung erfolgt durch Filtration am Plexus
choroideus. Weitere Stoffaustauschprozesse finden an den Hirnkapillaren statt. Über die
Pacchioni-Granulationen wird der Liquor in den Sinus und damit ins venöse Blut
abgeleitet. Unten: An der Bildung der BHS und der BLS beteiligte Strukturen. In den
Ventrikeln wird der Extrazellularraum durch das Ependym vom Liquorraum getrennt, an
der Oberfläche von Gehirn und Rückenmark dagegen durch die weiche Hirnhaut (Pia
mater). Oben links: BHS mit Querschnitt durch eine Hirnkapillare. Die Endothelzellen
bilden eine geschlossene Begrenzung der Kapillare; zwischen Endothel, Perizyten und
Astrozyten liegt eine geschlossene Basalmembran. Oben rechts: Querschnitt durch die
mehrschichtige BLS mit Endothel der Plexuskapillaren, Basalmembran und über Zonulae
occludentes verbundenen Plexusepithelien. Transzytotischer Stoffaustausch wird durch das
Endothel vermittelt [7].
2.1.2.3
Vergleich von BHS und BLS
Blut-Hirn-Schranke und Blut-Liquor-Schranke ähneln sich in wichtigen Eigenschaften. Beide sind
kaum durchlässig für hydrophile Substanzen und große Moleküle, außerdem haben beide einen
hohen elektrischen Widerstand und sind Sitz verschiedener Transportsysteme. Im Gegensatz zur
Blut-Hirn-Schranke weist die Blut-Liquor-Schranke eine erhöhte Durchlässigkeit auf [5].

Theoretischer Teil
8
2.1.3
Transportmechanismen
Neurone und Gliazellen können nur durch Pharmaka beeinflusst werden, die die BHS oder die BLS
überwinden können. Dies ist entweder durch passive Diffusion oder durch Verwendung eines des
für endogene Moleküle vorhandenen aktiven Transportmechanismus möglich [12].
Für den Stoffaustausch zwischen Blut und Hirngewebe über die BHS stehen drei Wege zur
Verfügung [9].
2.1.3.1
Passage lipidlöslicher Substanzen ­ Freie Diffusion bzw. Passive Diffusion
Weil die Membranen der Endothelzellen Lipide enthalten, sind sie für lipidlösliche Substanzen
kein Hindernis. Neben den Atemgasen Sauerstoff und Kohlenstoffdioxid können auch Narkosegase
und lipidlösliche Blutbestandteile die Endothelzellen und damit die BHS entlang ihrem Partial-
bzw. Konzentrationsgefälle passiv passieren [9]. Die Nettobewegung wird durch die Brownsche
Molekularbewegung angetrieben, d.h. am Ort hoher Konzentrationen stoßen die Teilchen häufig
gegeneinander [13]. Bei der Permeation stehen sowohl der transzelluläre Weg, als auch der
beschränkte parazelluläre Weg, durch Lücken zwischen den Zellen, zur Verfügung. Die passive
Diffusion wird beschränkt durch die Molekülgröße. Aber auch durch seine Fettlöslichkeit, d.h. dass
lipophile Stoffe leichter die Membran passieren können [14] . Die Diffusion durch eine
Lipidmembran hängt außerdem vom Ionisationsgrad einer Substanz ab. Mit zunehmender
Ionisation sinken die lipophilen Eigenschaften. Organische Säuren bzw. Basen diffundieren
bevorzugt im nicht-ionisierten Zustand durch Lipidmembranen (nicht-ionische Diffusion) [15]. Die
Dicke der Zellmembran, das Ausmaß des Konzentrationsgradienten, die Größe der
Membranoberfläche sowie die Zusammensetzung der Lipiddoppelschicht bestimmen maßgeblich
die Geschwindigkeit der Diffusion [16].
2.1.3.2
Carriervermittelter Transport ­ erleichterte Diffusion
Bei den facilitierten transzellulären Transportprozessen, also auf Carrier- bzw. Transporter-
vermittelter Diffusion beruhend, wird der Blut-Liquor-, der Blut-Hirn- und Hirn-Liquor-
Substanztransfer durch die zwischen den jeweiligen Kompartimenten liegenden Carrier-tragenden
Zellschichten unter Einstellung eines substanzspezifischen Transportgleichgewichtes vollzogen.
Der sättigbare Prozess läuft nach substanzspezifischen kinetischen Gesetzmäßigkeiten ab, wie wir
sie aus der Enzymkinetik (Michaelis-Menten-Kinetik) kennen. Durch Strukturanaloga der zu
transportierenden Substanz kommt es zur Aktivierung bzw. Hemmung am Carrier durch
Kompetetion [11]. Dieser Transportmechanismus folgt ebenfalls Konzentrationsunterschieden und
benötigt keine Energie [14]. Substanzspezifische Carrier existieren im zerebralen
Schrankentransport hauptsächlich für niedermolekulare hydrophile Solute wie Aminosäuren
(jeweils Carrier für neutrale, basische und saure Aminosäuren) oder Glucose.
Sie gehören der

Theoretischer Teil
9
Familie der sogenannten Solute Carriers (SLC) an und stellen sogenannte Uptake-Transporter dar,
d.h. sie erleichtern den Transport von Stoffen (Nährstoffen) in die Gehirnzelle [4; 17].
Eine spezielle Form des facilitierten transzellulären Transportes stellen Rezeptor-vermittelte
Mechanismen wie Endozytose oder Transzytose dar. Bezüglich der zerebralen Transportprozesse
sind substanzspezifische Rezeptoren in Endothelzellen der Gefäße, sowie in allen zerebralen
Zellpopulationen nachgewiesen worden (z.B. Transferrin zum Eisentransport in die Zelle) [11].
Monocarbonsäuretransporter (MCT) ­ Monocarboxylic Acid Transporter (Uptake)
Die neun Mitglieder (MCT1 ­ MCT9) umfassende Familie von Integralproteinen spielt eine
wichtige Rolle bei der Energieversorgung des Gehirns, wenn die Versorgung mit D-Glucose nicht
mehr ausreicht. Das Monocarbonsäuretransportsystem der BHS transportiert unter diesen
Umständen Laktat, Pyruvat und Ketonkörper wie z.B. gamma-Hydroxybutyrat und Acetacetat,
welche essentiell für den Gehirnmetabolismus sind und eine alternative Energieversorgung zur
D-Glucose darstellen. Die unterschiedliche Verteilung der Monocarbonsäuretransporter an den
Kompartimenten der BHS legt nahe, dass die MCT unterschiedliche Aufgaben haben. So dient
wahrscheinlich der hauptsächlich im Endothel zu findende MCT1 der Ernährung des Gehirns,
beispielsweise mit Ketonkörpern. Wohingegen der in den angrenzenden Gliazellen zu findende
MCT2 eher für den Abtransport von beispielsweise Laktat aus dem Gehirnparenchym sorgt. MCT1
ist ein protonengekoppelter Monocarbonsäuretransporter, welcher organische Carbonsäuren, wie
Benzoesäure oder Salicylsäure transportiert. Er befindet sich an der luminalen sowie der
abluminalen Membranseite der Endothelzellen der Gehirnkapillaren. Durch den Na
+
/H
+
-
Austauscher der luminalen Endothelzellseite entsteht ein Konzentrationsgradient (pH-Gradient).
Dieser bildet die treibende Kraft des Monocarbonsäuretransportes über die BHS vom Plasma in die
Extrazellularflüssigkeit des Gehirns. Azide Medikamente können die BHS mit Hilfe dieser
Transportsysteme passieren [18; 14].
Aminosäuretransporter (Uptake)
Aminosäuren werden über verschiedene Transporter mit teilweise überlappenden
Substratspezifitäten über die BHS transportiert. Das Transportsystem der BHS umfasst einen
Transporter für neutrale Aminosäuren (Phenylalanin oder Leucin), einen für anionische
Aminosäuren (Glutamat und Aspartat) sowie ein Transportsystem für kationische Aminosäuren
(Arginin,
Lysin).
Beta-Aminosäuren
(Beta-Alanin)
werden
durch
das
Beta-
Aminosäuretransportsystem befördert. Das Design von aminosäureanalogen Medikamenten,
könnte ein hilfreicher Ansatz bei Entwicklung effektiver ZNS-gängiger Arzneistoffe sein.

Theoretischer Teil
10
Arzneistoffe mit Aminosäuregrundstruktur wie L-Dopa oder Baclofen gelangen durch die
beschriebenen Transportsysteme in die Extrazellularflüssigkeit des Gehirns [18].
Ein für die BHS wichtiger Transporter ist der LAT1 (,,Large Neutral Amino Acid Transporter"). Er
gehört zur Gruppe des natriumunabhängigen L-Systems. Der auf luminaler und abluminaler Seite
vorhandene Transporter sorgt für den Übertritt großer neutraler Aminosäuren, verzweigter und
aromatischer Aminosäuren aus dem Blut ins Gehirn. Das Transportsystem funktioniert nach dem
Mechanismus der erleichterten Diffusion und hat eine große Affinität zu Leucin. Zudem sind fünf
natriumabhängige Aminosäuretransporter, die in der abluminalen Zellmembran lokalisiert sind,
bekannt. Diese Transporter halten die Konzentration der neutralen Aminosäuren in der
Extrazellularflüssigkeit bei etwa 10% zu der des Plasmaspiegels.
Ein weiterer wichtiger Vertreter der Aminosäuretransporter gehört zur Gruppe der kationischen
Aminosäure spezifischen Transporter der CAT-Familie. Man unterscheidet vier Isoformen. CAT3
ist ein gehirnspezifischer kationischer Aminosäuretransporter. Der Arginin-Transport von CAT3 ist
natriumunabhängig und wird nicht durch neutrale Aminosäuren beeinflusst.
Glucosetransporter bzw. Hexosetransporter (Uptake)
Die meisten Zellen des Gehirns sind auf eine ständige Glucosezufuhr angewiesen. Aufgrund der
Hydrophilität dieses Moleküls kann die Doppellipidmembran einer Zelle nur mit Hilfe bestimmter
Glucosetransporter überwunden werden. Für den Glucosetransport ins Gehirn sind die sogenannten
,,Facilitative Glucose Transporters" (GLUT) verantwortlich, welche auf der Basis erleichterter
Diffusion arbeiten. Zur Familie der Glucosetransporter (GLUT) zählt man mittlerweile 13
Transporter. GLUT 1 ist hauptsächlich an kleinen Gefäßen des Gehirns sowie an Erythrozyten
nachweisbar. Der Carrier spielt eine wichtige Rolle an der BHS, denn er sorgt sowohl für den
spezifischen Transport von D-Glucose, als auch anderer D-Hexosen ins Gehirn. L-Glucose wird
dagegen von GLUT 1 nicht als Substrat akzeptiert. GLUT 1 sorgt ebenfalls für die Vitamin C-
Versorgung des Gehirns, wobei die oxidierte Form Dehydroascorbinsäure transportiert und dann
im Gehirn wieder in Ascorbinsäure umgewandelt wird [14].
2.1.3.3
Aktiver Transport
An den Gefäßendothelien laufen die zerebralen transzellulären Transportprozesse über aktive
Transportvorgänge ab. Grundlage des aktiven Transports ist die Existenz einer membranständigen
Natrium-Kalium-ATPase [9; 11]. Diese Transporter gehören der Familie der sogenannten ABC-
Transporter (ABC = ,,ATP-Binding Cassette Family") an. Man unterscheidet verschiedenste
spezifische aktive Efflux-Mechanismen im Gehirn, welche sowohl in den Endothelzellen der BHS
als auch im Plexus choroideus lokalisiert sind. Die Mechanismen transportieren nicht nur Ionen

Theoretischer Teil
11
und Flüssigkeiten, sondern auch endogene Substanzen, toxische Xenobiothika und ebenso
Arzneimittel aus dem Gehirn in das Blut zurück. Dadurch verringert sich die Konzentration dieses
Arzneistoffes im Gehirn und folglich der pharmakologische Effekt. Von den Efflux-Transportern
sind die sogenannten Uptake-Transporter zu unterscheiden. Diese ermöglichen die Permeation
bestimmter Substanzen in die Zelle. Beispiele für sogenannte Multidrug-Transporter sind das
Multidrug Resistance Protein (MRP), P-glycoprotein (Pgp) und der Multispecific Organic Anionen
Transporter (OAT) [18; 4].
P-Glycoprotein (Efflux)
P-Glykoprotein (Pgp) ist für einen Teil der bei der Chemotherapie von Tumoren beobachteten
,,Multi Drug Resistenz" (MDR) verantwortlich [19]. Es handelt sich um den am besten erforschten
und bedeutendsten Efflux-Transporter. Das Protein ist in Abbildung 4 schematisch dargestellt und
besteht aus 1280 Aminosäuren, 12 Transmembransegmenten und verfügt über ein
Molekulargewicht von 170 kDa [4]. Die Kodierung erfolgt durch das MDR1-Gen, wobei beim
Menschen zwei verschiedene MDR Gene (MDR1 und MDR2) unterschieden werden [18]. Der
Transporter wird in der Zellmembran überexprimiert und erniedrigt durch einen ATP-abhängigen
Auswärtstransport die intrazelluläre Konzentration einer Vielzahl von Zytostatika in der
Tumorzelle. Die Pumpfunktion von Pgp kann durch verschiedene Substanzen gehemmt werden. In
der Tumortherapie werden Pgp-Hemmstoffe (z.B. Verapamil) zur Überwindung der
Therapieresistenz von Tumorgewebe eingesetzt, bisher allerdings nur mit geringem Erfolg [20].
Inzwischen ist bekannt, dass ABC-Transporter vom Typ des P-Glykoproteins nicht nur in
Tumorzellen sondern auch in gesunden Geweben wie Gehirn, Leber, Niere und Darmmukosa
physiologisch exprimiert werden. Es leistet dabei einen wichtigen Beitrag zur Barrierefunktion der
BHS und beeinflusst neben der Elimination insbesondere die Resorption von Arzneimitteln aus
dem Gastrointestinaltrakt. Das in den Epithelzellen der Gehirnkapillaren lokalisierte Pgp hält die
Gehirnkonzentration von Substraten gegenüber der Blutkonzentration niedrig. Die
Aufrechterhaltung dieses Gradienten kann bei Arzneimitteln erwünscht sein, wenn für diese eine
periphere Wirkung angestrebt wird. Demgegenüber wird bei der Therapie der HIV-Infektion mit
Proteaseinhibitoren versucht, eine stärkere therapeutische Wirkung im Gehirn durch eine möglichst
selektive Hemmung von Pgp an der BHS zu erreichen [19].
Die Substratspezifität des Proteins ist sehr ausgedehnt. Substanzen mit einem Molekulargewicht
von 250 bis 1850 können transportiert werden [4]. Typische Substrate sind lipophile und basische
Arzneistoffe mit planarem Ringsystem. Aber auch neutrale Arzneistoffe wie Digoxin sind
Substrate von MDR. Neben der Schutzfunktion gegen exogen zugeführte Substanzen nimmt man
eine Beteiligung am Transport von Cortisol und Aldosteron an [21].

Theoretischer Teil
12
Abbildung 4: Schematische Darstellung des Pgp`s mit 12 Transmembransegmenten [4]
Pgp ist der bekannteste Efflux-Transporter der BHS. Das Protein besteht aus 1280
Aminosäuren, 12 Transmembransegmenten und ist in der Lipiddoppelschicht der Membran
lokalisiert. Kommt es zur Bindung eines Wirkstoffes an das Pgp, so werden zwei Moleküle
ATP an die ATP-Bindungsregion des Moleküls angelagert. Diese werden hydrolysiert und
induzieren einen Konformationswechsel des Pgp's, wodurch der Wirkstoff in die
Extrazellularflüssigkeit befördert wird [4].
Multidrug Resistance Protein (MRP) (Efflux)
Multidrug Resistance Proteine (MRP) sorgen dafür, dass in die Zelle gelangte Fremdstoffe wieder
zurück ins Blut transportiert werden [14]. Analog zu MDR1 wurden auch MRP als Ursache für die
Resistenz gegen Cytostatika in Tumorzellen identifiziert. MRP wird physiologisch in Darm,
Leber, Gehirn und Niere exprimiert. Inzwischen sind 6 menschliche Isoformen identifiziert
worden. Von Bedeutung für den Transport von Arzneistoffen ist MRP2 das organische Anionen,
Glutathione und Glucuronide aus den Zellen zurück ins Blut transportiert [4; 21].
Organische Anionentransporter (Uptake)
Man unterteilt die multispezifischen organischen Anionentransporter in zwei Hauptklassen. Das
sind zum einen die organischen Anionentransporter ,,Organic Anion Transporter" (OAT) zum
anderen die organischen Anionen Transportpolypeptide ,,Organic Anion Transporter Polypeptid"
(OATP) [14]. OATP1A2 (Mensch) werden in der BHS (Uptake), in den Hepatozyten (Uptake) und
im Nierenepithel (Reabsorption) exprimiert. Der Transporter hat hohe Affinität zu organischen
Anionen (Gallensäuren, Schilddrüsenhormone: Thyroxin und Trijodthyronin), Cortisol und zu
voluminösen organischen Kationen. Transportiert werden Medikamente wie Enalapril, Fexofenadin
u.a. [4].
2.1.3.4
Spezielle Form
Eine spezielle Form des transzellulären Transportes stellt die Pinocytose (vesikuläre Endo-und
Exozytose) dar. Im physiologischen normal arbeitenden Hirn spielt diese Transportform eine
untergeordnete Rolle. Unter pathologischen Bedingungen kann sie einen größeren Umfang
annehmen und hier besonders dem Transport makromolekularer Solute dienen [11].

Theoretischer Teil
13
2.2
Gehirnverteilungsmechanismen
Verschiedene Mechanismen limitieren den Durchtritt von Substanzen in Gehirnzellen und
beeinflussen somit deren Distribution, wie in Abbildung 5 dargestellt.
Dazu gehören [4]:
die metabolische Clearance (Biotransformationsrate in der Leber)
die Plasmaproteinbindung
die unspezifische Bindung an Proteine und Lipide im Hirngewebe
die Clearance der Substanz aus dem extrazellular Raum ins Blut und in die
Cerebrospinalflüssigkeit (Transportmechanismen durch biologische Membranen,
physikochemische Eigenschaften der Substanz)
Abbildung 5: Zusammenstellung von Mechanismen, welche die freie
Arzneistoffkonzentration im ZNS beeinflussen [4]
Die Verfügbarkeit einer Substanz im Hirn ist davon abhängig wie viel Wirkstoff die BHS
passieren kann und vom Anteil der Substanz, welcher frei vorliegt. Der freie
Wirkstoffanteil wird durch unspezifische Bindung an Proteinen und Lipiden verringert
[22].
C
Unbound,Brain:
ungebundene
Arzneistoffkonzentration
im
Gehirn,
C
Bound,Brain
:
Arzneistoffkonzentration welche unspezifisch im Hirngewebe gebunden wurde,
C
Bound,Plasma
: Arzneistoffkonzentration, welche an Plasmaproteine gebunden wurde,
C
Unbound,Plasma
:
ungebundene
Arzneistoffkonzentration
im
Plasma,
CSF:
Cerebrospinalflüssigkeit

Theoretischer Teil
14
2.2.1
Proteinbindung
Das Ausmaß der Proteinbindung gehört zur pharmakokinetischen Charakterisierung eines
Arzneistoffes. Die Bindung an intravasale (Plasma) und extravasale (Gewebe) Proteine beeinflusst
Verteilung, Wirkdauer und Wirkstärke der Substanz sowie ihre Interaktion mit anderen Pharmaka.
Die Art der Bindung ist in der Regel unspezifisch und reversibel. Bei den meisten
niedermolekularen Pharmaka handelt es sich um hydrophobe Wechselwirkungen (Verteilung des
Pharmakons zwischen der hydrophoben Proteinphase und der umgebenden Wasserphase) und
ionische Wechselwirkungen. Die Bindung unterliegt dem Massenwirkungsgesetz, wobei
Wirkstoffkonzentration, Bindungsaffinität, Proteinkonzentration und Zahl der Bindungsstellen die
bestimmenden Faktoren darstellen [23]. Sie kann zudem zwischen verschiedenen Spezies
variieren. Deshalb sollte die Plasmaproteinbindung immer mit Plasma unterschiedlicher Tierarten
bestimmt werden [4].
Intravasale Bindung
Von den im Blut vorkommenden Proteinen sind über 100 verschiedene Arten bekannt, von denen
die meisten allerdings nur in Spuren vorhanden sind. Der Gesamtproteingehalt des Blutes liegt bei
70 bis 80 mg/ml. Die unter physiologischen Bedingungen relevantesten Proteine sind Albumin, das
Hauptprotein des Blutes,
1
-saure Glykoprotein (AGP) sowie die Lipoproteine [1]. Eine hohe
Affinität besonders für saure Pharmaka besitzt Albumin, während basische Substanzen an das
1
-saure Glykoprotein gebunden werden. Lipoproteine sowie Hämoglobin binden bevorzugt
lipophile Arzneistoffe [23]. Das Ausmaß der Proteinbindung ist abhängig von physikochemischen
Eigenschaften des Wirkstoffes, vom pH-Wert des Plasmas sowie vom Lebensalter des Patienten.
Auch Interaktionen mit anderen Pharmaka und Schwankungen des Gehalts an Plasmaproteinen in
Rahmen verschiedener Erkrankungen (z.B. Niereninsuffizienz und Lebererkrankungen) haben
Einfluss auf die Menge des freien Wirkstoffanteils. Der plasmaproteingebundene Anteil eines
Wirkstoffes kann die Blutbahn nicht verlassen und zum Wirkort gelangen. Daher ist nur die freie
Fraktion eines Pharmakons wirksam. Plasmaproteinbindung ist somit, wie in Abbildung 6
schematisch dargestellt, eine Hauptursache für geringe in vivo Gehirnpenetration [4]. Der
gebundene Anteil, der gewöhnlich weder biotransformiert noch ausgeschieden wird, stellt ein
Reservoir dar, aus dem der Wirkstoff bei Konzentrationserniedrigung der freien Fraktion rasch
freigesetzt werden kann [24].

Theoretischer Teil
15
Abbildung 6: Plasmaproteinbindung eines Arzneistoffes limitiert die Gehirnpermeation [4]
Nur die ungebundene, freie Wirkstoffkonzentration kann die BHS (hier BBB) passieren. Im
Fall hoher Bindung resultiert eine geringe Verfügbarkeit der Substanz im Gehirn.
Extravasale Bindung
Die extravasale Bindung erfolgt im Gehirn an Proteinen wie extravasales Albumin, an
Phospholipide und Rezeptoren. Der prozentuale Bindungsanteil ist im Vergleich zu intravasalen
Proteinen geringer [23].
2.2.1.1
Albumin (HSA, RSA)
Serumalbumin bestimmt mit 60 Masseprozent den größten Anteil der im Blut vorkommenden
Proteine. Es handelt sich um ein azides Protein mit einem Molekulargewicht von 66,5 kDa.
Physiologische Konzentrationen liegen beim Menschen (Humanes Serum Albumin ­ HSA)
zwischen 3,5-5,0 g/dl und bei Ratten (Ratten Serum Albumin ­ RSA) zwischen 2,5-3,0 g/dl. In
Abbildung 7 ist die Kristallstruktur des humanen Serum Albumins dargestellt. Mit Hilfe der
Röntgenkristallstrukturanalyse wird ersichtlich, dass die Polypeptidketten des Albumins eine
herzförmige Konformation mit einer ungefähren Raumgröße von 80×80×30 °A bilden. Es besteht
aus 585 Aminosäuren und besitzt 3 homologe Domänen, die jeweils aus 2 Subdomänen (A und B)
aufgebaut sind. Strukturanalysen machen deutlich, dass es sich um ein Protein mit 67 % -Helix-
und 33 % -Faltblattstruktur handelt [4; 25; 26].
Humanes Serum Albumin (HSA) tritt reversibel mit einem weiten Spektrum an Wirkstoffen in
Wechselwirkung. Es bindet bevorzugt organische Anionen (z.B. Carboxylate), aber auch neutrale
und basische Xenobiothika. Die Medikamente binden jedoch nur mit hoher Affinität an eine von
zwei Bindungsstellen des Albuminmoleküls. Die zwei Hauptbindungsstellen werden nach der
Nomenklatur von Sudlow als Sudlow I und Sudlow II bezeichnet. Typische auf Seite I bindende
Liganden sind Dicarbonsäuren und voluminöse heterozyklische Anionen (Warfarin-
Bindungsstelle). Diese Bindungsseite ist äußerst flexibel und enthält eine große Anzahl an

Theoretischer Teil
16
individuellen Ligandenbindungsplätzen, welche zum Teil unabhängig sind und sich in anderen
Fällen auch gegenseitig beeinflussen. Liganden in der Größenordnung von Bilirubin können an
Seite I gebunden werden und die unabhängige Bindung zweier verschiedener Komponenten kann
stattfinden. Die Bindungsseite I hat eine taschenförmige Gestalt und ist in Subdomäne IIA
lokalisiert. Die innere Wand der Tasche wird durch hydrophobe Seitenketten geformt, während im
vorderen Bereich der Bindungstasche positive Ladungen dominieren [4; 26].
Auf Seite II bindende Liganden (auch Benzodiazepin-Bindungsseite genannt) sind aromatische
Carboxylate (Ibuprofen, Diazepam). Diese Bindungsseite ist schmaler als Sudlow I, wodurch die
Bindung komplexer, raumfüllender Liganden verhindert wird. Ebenso kennzeichnet Seite II eine
geringe Flexibilität, da die Bindung sehr stark durch stereochemische Effekte beeinflusst wird.
Sudlow II befindet sich taschenförmig in Subdomäne IIIA [26].
Funktionen [25]
·
Reversible Bindung von Medikamenten und damit Beeinflussung der Verteilung,
Elimination sowie von pharmakologischen Effekten
·
Aufrechterhaltung des kolloidosmotischen Drucks
·
Konstanthaltung des Blut-pH-Wertes durch leicht negative Ladung
·
Transfer endogener Substanzen, wie langkettige Fettsäuren und Gallensäuren
(Transportprotein)
·
zirkulierendes Reservoir für viele Hormone und Vitamine
·
Schutzfunktion durch den Bilirubintransport von der Milz in die Leber (Ausscheidung)
·
Antioxidant
·
Metabolische Funktionen, z.B. Stimulation der Lipoproteinlipase
Abbildung 7: Kristallstruktur von HSA [27]
Das Protein HSA besteht aus 585 Aminosäuren und besitzt 3 homologe Domänen, die
jeweils aus 2 Subdomänen aufgebaut sind. Zudem besteht das Protein aus 67 % Alphahelix-
und 33 % Betafaltblattstruktur.

Details

Seiten
Erscheinungsform
Originalausgabe
Jahr
2010
ISBN (eBook)
9783836645089
DOI
10.3239/9783836645089
Dateigröße
2.2 MB
Sprache
Deutsch
Institution / Hochschule
Hochschule Fresenius; Zwickau – Chemie und Biologie, Chemieingenieur
Erscheinungsdatum
2010 (April)
Note
1,0
Schlagworte
arzneistoffreaktion blut-hirn-schranke proteinbindung albumin transil-technologie
Zurück

Titel: Ermittlung der Gewebebindung von Pharmaka im Gehirn zur Abschätzung der Verfügbarkeit von 16 Wirkstoffen: In vitro Methodenvergleich von Membranaffinität und Gleichgewichtsdialyse
Cookie-Einstellungen