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Betreutes Wohnen für Senioren

Ein Konzept für den ländlichen Raum des Kreises Steinfurt

©2009 Diplomarbeit 152 Seiten

Zusammenfassung

Inhaltsangabe:Einleitung:
‘Pflegeeinrichtungen schaffen, in denen gewohnt werden kann, und Wohneinrichtungen schaffen, in denen gepflegt werden kann’.
Die Bevölkerung in der Bundesrepublik unterliegt in den kommenden Jahrzehnten einem mehrfachen demographischen Wandel: ihre Gesamtzahl geht zurück, der Anteil der Alten- und Hochaltrigen steigt bis 2050 relativ und absolut auf bis zu 10 Mio an. Bezogen auf die Zahl der in 2050 Erwerbstätigen verdreifacht sich ihre Zahl. Parallel dazu sinken Jugend- und Erwerbstätigenquote bedingt durch Geburtenrückgang, Anstieg der Lebenserwartung und Wanderungsbewegungen. Zukünftige Auswirkungen auf die Lebenslagen von Senioren stellen dar: Singularisierung, Feminisierung, Differenzierung von Altersgruppen und Lebensstilen, Ausweitung der Altersphase, Verjüngung des Alters, Rückgang familiärer Unterstützungsnetze und Regionalisierung. Die Zahl der Pflegebedürftigen wird sich bis 2050 verdoppeln auf 3 bis 4,7 Mio. mit einer Pflegewahrscheinlichkeit von 28% bei den Über-80-Jährigen. Dadurch verändert sich für Senioren unter dem neuen Leitbild der Selbstständigkeit im Alter der Stellenwert von Wohnen, haushaltsnahen Dienstleistungen und Pflege. Altenhilfeträger, Kommunen und Wohnungswirtschaft sind herausgefordert in Verbindung mit bürgerschaftlichem Engagement angepasste Dienstleistungen und Anbieterstrukturen unter dem Gesichtspunkt der Vernetzung und des Einzelfall-Managements in den Wohnquartieren zu implementieren. Die Wohnform des Service Wohnens bietet hier eine Brückenfunktion: zwischen Bestandswohnen und Altenpflegeeinrichtung erfüllt sie den Wunsch von Senioren nach möglichst selbstständigem und selbstbestimmten Leben in den ‘eigenen vier Wänden’ mit einem individuell zusammenstellbaren Hilfe- und Unterstützungssetting seitens professioneller Anbieter.
Ziel der vorliegenden Arbeit ist es, für die Einrichtungen des Betreuten Wohnens im Kreis Steinfurt/NRW erstmalig einen Überblick zu gewinnen und zweitens pflegemanagement-adäquate Handlungsempfehlungen herauszuarbeiten für das Betreute Wohnen unter besonderer Berücksichtigung der Kriterien: Dienstleistungen, Personal und Konzeptionen.
Im ersten Teil der Arbeit werden die empirischen Daten und Prognosen zu Bevölkerung, Senioren und Pflegebedürftigen auf Bundesebene dargestellt und mit Aussagen über Haushaltsformen im Alter verknüpft. Eine theoretische Ebene entwickelt Definitionen zu Alter und Pflegebedürftigkeit und stellt das handlungsleitende […]

Leseprobe

Inhaltsverzeichnis


Dieter Lange-Lagemann
Betreutes Wohnen für Senioren
Ein Konzept für den ländlichen Raum des Kreises Steinfurt
ISBN: 978-3-8366-4496-9
Herstellung: Diplomica® Verlag GmbH, Hamburg, 2010
Zugl. Hamburger Fern-Hochschule, Hamburg, Deutschland, Diplomarbeit, 2009
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© Diplomica Verlag GmbH
http://www.diplomica.de, Hamburg 2010

Dieter Lange-Lagemann 2/116
Matrikelnr. 1076082
2
Inhaltsverzeichnis
Seite
Abbildungs-
und
Tabellenverzeichnis
6
Abkürzungsverzeichnis
7
1 Einführung in die Folgen des demographischen Wandels
für die Bundesrepublik Deutschland
9
2 Empirischer Befund zur Pflegebedürftigkeit auf Bundesebene 10
2.1 Definition Alter(n)
10
2.2 Bevölkerungsentwicklung in der Bundesrepublik
11
2.3 Definition Pflegebedürftigkeit
12
2.3.1 Entwicklung eines neuen Pflegebedürftigkeitsbegriffs
13
2.3.2 Pflegeprävalenz
14
2.3.3 Pflegestatistik
15
2.3.4 Pflegeverläufe
17
2.3.5 Pflegeprognose
17
3 Wohnbedeutung und Haushaltsformen im Überblick
17
3.1 Wohnbedeutungen
18
3.1.1 Das geronto-ökologische Prozessmodell
14
3.1.2 Theoretische Modelle über Lebensstile und Haushaltsformen
im Alter
19
3.1.3 Übersicht über Einteilungsmöglichkeiten von
Wohnformen im Alter
20
3.1.4 Übersicht über Wohnformen im Alter
21
3.2 Haushaltsformen im Bundesüberblick
22
3.2.1 Empirischer Befund zu Wohnen im Alter
22
3.2.2 Wohnungsausstattung und Wohn-Beeinträchtigungen 24
3.2.3 Wohnungs- und Haushaltsituation im Kreis Steinfurt
25
3.2.4 Prognose der Haushalte im Kreis Steinfurt
26
4
Gestaltungsmöglichkeiten der Wohnungswirtschaft für
Senioren im Bestandswohnen
26
4.1
Beispiel für Betreutes Wohnen im Bestand im Kreis
28
4.2
Beispiel für Wohnbegleitende Dienstleistungen im Kreisgebiet 28
5
Betreutes Wohnen
29
5.1. Definition des Betreuten Wohnens
29
5.1.1 Einrichtungstypen
30
5.1.2 Architektonische Erfordernisse
31
5.2
Gesetzliche Bestimmungen
33
5.2.1 Pflegeleistungsergänzungsgesetz
33

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Matrikelnr. 1076082
3
5.2.2 SGB XII
34
5.3
Heimrechtliche Einordnung des Betreuten Wohnens
34
5.3.1 Bundes-Heimrecht
34
5.3.2 Landespflegegesetz NRW
35
5.3.3 Wohn- und Teilhabegesetz NRW (WTG)
36
5.3.4 Wohn- und Betreuungsvertragsgesetz-Entwurf (WBVG)
37
5.4
DIN ­ NORMEN und Fördermöglichkeiten
38
5.4.1 DIN - NORMEN für barrierefreies Bauen
38
5.4.2 DIN - NORM 77800 "Qualitätsanforderungen an Anbieter
der Wohnform ,,Betreutes Wohnen für ältere Menschen"
39
5.4.3 Qualitätssiegel Betreutes Wohnen für ältere Menschen in NRW 39
5.4.4 Fördermöglichkeiten auf Landesebene
40
5.4.5 Fördermöglichkeiten auf Bundesebene
41
5.5
Empirischer Befund
41
5.5.1 Bewohnerstruktur
42
5.5.2 Einzugsgründe, Erwartungen, Motive
43
5.5.3 Netzwerke im Betreuten Wohnen
44
5.5.4 Definition Dienstleistung
45
5.5.5 Inanspruchnahme von Dienstleistungen des Grund- und
Wahlservice
45
5.5.6 Bewohnerzufriedenheit
46
5.5.7 Transitionen aus dem Betreuten Wohnen heraus
47
5.6
Demenz im Betreuten Wohnen
47
5.7
Die Rolle der Betreuungskräfte
48
5.7.1 Definition Beratung
48
5.7.2 Aufgabengebiete
49
5.7.3 Personalqualifikation
50
5.7.4 Personalbemessung
51
5.7.5 Fort- und Weiterbildungsangebote
52
5.8
Grenzen des Betreuten Wohnens
53
5.8.1 Kritik am Betreuten Wohnen
53
5.8.2 Diskussion um die Grundpauschale
55
5.8.3 Vorteile des Betreuten Wohnens
55
5.8.4 Weiterentwicklung des Betreuten Wohnen
56
6
Gesundheits- und Seniorenwirtschaft in NRW
58
6.1
Empirische Befunde des Kreises Steinfurt
59
6.1.1 Geographie des Kreisgebietes
59
6.1.2 Bevölkerung im Kreisgebiet
60

Dieter Lange-Lagemann 4/116
Matrikelnr. 1076082
4
6.1.3 Bevölkerungs-Prognose
61
6.1.4 Prognose der Seniorenzahlen im Kreis Steinfurt
61
6.1.5 Entwicklungsperspektiven für den Kreis
63
6.1.6 Die Besonderheiten ländlicher Strukturen
65
6.2
Pflegestatistik für das Kreisgebiet
67
6.2.1 Leistungen nach SGB XII auf Kreisebene
68
6.2.2 Pflegeprognose auf Kreisebene
69
6.2.3 Demenzprognose für den Kreis
70
6.3 Überblick über die Altenhilfeeinrichtungen im Kreis Steinfurt 71
6.3.1 Definition stationärer Altenpflegeeinrichtungen
72
6.3.2 Stationäre Altenpflegeeinrichtungen auf Bundesebene
72
6.3.3 Stationäre Einrichtungen im Kreis Steinfurt
73
6.4
Übersicht über Tagespflege-Angebote
74
6.5
Definition ambulanter Pflegeeinrichtungen
74
6.5.1 Ambulante Pflege auf Bundesebene
75
6.5.2 Ambulante Pflegedienste im Kreis Steinfurt
75
6.6
Ambulant Betreute Wohngemeinschaften im Kreis
77
6.7
Mehrgenerationenwohnen im Kreis
78
6.8
Überblick über Beratungseinrichtungen, Senioren-
vertretungen und Selbsthilfeorganisationen im Kreis Steinfurt 78
6.8.1 Pflegeberatung
78
6.8.2 Seniorenberatung
80
6.8.3 Wohnberatung
80
6.8.4 Demenzbegleitung
81
6.8.5 Hospizbewegung
81
6.8.6 Seniorenbeiräte
82
6.8.7 Bürgerschaftliches Engagement
82
6.8.8 Seniorenbildung
82
6.8.9 Resümee
83
7
Betreutes Wohnen im Kreis Steinfurt
84
7. 1
Derzeitiger Befund des Betreuten Wohnens auf Kreisebene 84
7.2 Regionaler Vergleich
84
7.3
Befragung zum Betreuten Wohnen im Kreis Steinfurt
85
7.3.1 Vorüberlegungen zum Forschungsdesign der Befragung
85
7.3.2 Auswahl der Methode
86
7.3.3 Vorgehensweise bei der Datenerhebung
und Rücklauf der Fragebögen
87
7.3.4 Ergebnisse der Grundgesamtheit
88

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Matrikelnr. 1076082
5
7.3.5 Zusammenfassung der Befragungs-Ergebnisse
89
7.4
Best practise Beispiele
92
7.4.1 ,,Haus Anna" des ambulanten Pflegedienstes Vitalis
in Neuenkirchen-St. Arnold
92
7.4.2 "Mobile e.V." in Steinfurt-Burgsteinfurt
93
7.4.3 Kooperationsmodell in Emsdetten
93
7.4.4 Architekturbüro Varwick in Steinfurt-Burgsteinfurt und Münster 93
7.5
Prognose und Planung des Betreuten Wohnens auf Kreisebene 94
7.6
Abschliessende Handlungsempfehlungen für Betreutes Wohnen
im Kreis Steinfurt
97
Literaturverzeichnis
100
Anlagen

Dieter Lange-Lagemann 6/116
Matrikelnr. 1076082
6
Abbildungs- und Tabellenverzeichnis
A)Abbildungen Seite
Abb. 1 : Geronto-ökologisches Prozessmodell
17
Abb. 2 : Drei Säulen des Betreuten Wohnens
29
Abb. 3 : Einrichtungstypen des Betreuten Wohnens
31
Abb. 4 : Personalqualifikation im Betreuten Wohnen
51
Abb. 5 : Übersicht über die Kommunen des Kreises Steinfurt
60
Abb. 6: Impressionen des ländlichen Raums
67
Abb. 7: Grundgesamtheit des Betreuten Wohnens im Kreis Steinfurt
88
Abb. 8: Befragungsergebnis zu Dienstleistungen der
Grundsservicepauschale
90
Abb. 9: Lokale Bedarfsprognose für Betreutes Wohnen im Kreis Steinfurt 96
B) Tabellen
Tab.1 : Bevölkerungsprognose 2006 bis 2050 für den Kreis Steinfurt
62
Tab. 2: Pflegebedürftige nach Leistungsarten im Kreis Steinfurt in 2005
67
Tab. 3: Pflegebedürftige nach Pflegestufen im Kreis Steinfurt in 2005
68
Tab. 4: Prognose der Pflegebedürftigen im Kreis Steinfurt
bis 2025 nach Leistungsarten
69
Tab. 5: Prognose der Pflegebedürftigen im Kreis Steinfurt bis 2025
nach Pflegestufen
69
Tab. 6: Übersicht über Ambulant Betreute Wohngemeinschaften
im Kreis Steinfurt
77
Tab. 7 :Regionaler Vergleich des Betreuten Wohnens
85
Tab. 8: Bedarfsprognose des Betreuten Wohnens im Kreis Steinfurt
bis 2035
95
Tab. 9: Lokale Versorgungsquote des Betreuten Wohnens
im Kreis Steinfurt 2008
96

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7
Abkürzungsverzeichnis
ADL
Activities of Daily Living (Aktivitäten des täglichen Lebens)
Amb.
Ambulant
AOK
Allgemeine Ortskrankenkasse
AWO
Arbeiterwohlfahrt
BAGSO
Bundesarbeitsgemeinschaft der Senioren-Organisationen
BBR
Bundesamt für Bauwesen und Raumordung
BGB
Bürgerliches Gesetzbuch
BKK
Betriebskrankenkasse
BMFSFJ
Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und
Jugend
bpa
Bundesverband privater sozialer Dienste
DIN
Deutsche Industrie-Norm
DPWV
Deutscher Paritätischer Wohlfahrtsverband
DRK
Deutsches Rotes Kreuz
FH
Fachhochschule
GEROLIT
Literaturdatenbank des Deutschen Zentrums für
Altersfragen
GKV
Gesetzliche Krankenversicherung(Spitzenverband)
GPA
Gemeindeprüfungsanstalt
HMMPS
Hannoveraner Morbiditäts- und Mortalitäts-Pflegestudie
IADL
Instrumentelle Aktivitäten des täglichen Lebens
KDA
Kuratorium Deutsche Altershilfe
Kfw
Kreditanstalt für Wiederaufbau
LEP
Leistungserfassung in der Pflege
LDS
Landesamt für Datenverarbeitung und Statistik
LWL
Landschaftsverband Westfalen-Lippe
MAGS
Ministerium für Arbeit, Gesundheit und Soziales des
Landes NRW
MDK
Medizinischer Dienst der Krankenkassen
MGFFI
NRW Ministerium für Generationen, Familie, Frauen und
Integration des Landes Nordrhein-Westfalen
MORO-Projekte
Modellvorhaben der Raumordnung
MUG III
Möglichkeiten und Grenzen selbstständiger Lebensführung
in privaten Haushalten

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8
MUG IV
Möglichkeiten und Grenzen selbstständiger Lebensführung
in vollstationären Einrichtungen
NBA
Neues Begutachtungsassessment
NRW
Nordrhein-Westfalen
ÖPNV
Öffentlicher Personen Nahverkehr
PLAISIR
Planification informatisee des soins infirmiers requis
(Informationsgestützte Planung der erforderlichen Pflege)
Qm
Quadratmeter
SGB V
Sozialgesetzbuch Nummer 5 (Krankenversicherung)
SGB XI
Sozialgesetzbuch Nummer 11 (Pflegeversicherung)
SGB XII
Sozialgesetzbuch Nummer 12 (vormals Bundessozialhilfe)
vdw
Verband der Wohnungswirtschaft
VHS
Volkshochschule
WBVG
Wohn- und Betreuungsvertragsgesetz
WG
Wohngemeinschaft
Whg.
Wohnung
WTG
Wohn- und Teilhabegesetz

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9
1 Einführung in die Folgen des demographischen Wandels
für die Bundesrepublik Deutschland
,,Pflegeeinrichtungen schaffen, in denen gewohnt werden kann, und
Wohneinrichtungen schaffen, in denen gepflegt werden kann." ( Burchart et
al.1980: 1688f )
Die Bevölkerung in der Bundesrepublik unterliegt in den kommenden
Jahrzehnten einem mehrfachen demographischen Wandel: ihre Gesamtzahl geht
zurück, der Anteil der Alten- und Hochaltrigen steigt bis 2050 relativ und absolut
auf bis zu 10 Mio an. Bezogen auf die Zahl der in 2050 Erwerbstätigen
verdreifacht sich ihre Zahl. Parallel dazu sinken Jugend- und
Erwerbstätigenquote bedingt durch Geburtenrückgang, Anstieg der
Lebenserwartung und Wanderungsbewegungen.
1
Zukünftige Auswirkungen auf
die Lebenslagen von Senioren stellen dar: Singularisierung, Feminisierung,
Differenzierung von Altersgruppen und Lebensstilen, Ausweitung der
Altersphase, Verjüngung des Alters, Rückgang familiärer Unterstützungsnetze
und Regionalisierung.
2
Die Zahl der Pflegebedürftigen wird sich bis 2050
verdoppeln auf 3 bis 4,7 Mio. mit einer Pflegewahrscheinlichkeit von 28% bei den
Über-80-Jährigen. Dadurch verändert sich für Senioren unter dem neuen Leitbild
der Selbstständigkeit im Alter der Stellenwert von Wohnen, haushaltsnahen
Dienstleistungen und Pflege. Altenhilfeträger, Kommunen und Wohnungs-
wirtschaft sind herausgefordert in Verbindung mit bürgerschaftlichem
Engagement angepasste Dienstleistungen und Anbieterstrukturen unter dem
Gesichtspunkt der Vernetzung und des Einzelfall-Managements in den
Wohnquartieren zu implementieren.
3
Die Wohnform des Service Wohnens bietet
hier eine Brückenfunktion: zwischen Bestandswohnen und Altenpflegeeinrichtung
erfüllt sie den Wunsch von Senioren nach möglichst selbstständigem und
selbstbestimmten Leben in den ,,eigenen vier Wänden" mit einem individuell
zusammenstellbaren Hilfe- und Unterstützungssetting seitens professioneller
Anbieter.
Ziel der vorliegenden Arbeit ist es, für die Einrichtungen des Betreuten Wohnens
im Kreis Steinfurt/NRW erstmalig einen Überblick zu gewinnen und zweitens
pflegemanagement-adäquate Handlungsempfehlungen herauszuarbeiten für das
Betreute Wohnen unter besonderer Berücksichtigung der Kriterien:
Dienstleistungen, Personal und Konzeptionen.
1
Statistisches Bundesamt 2006: 13f.
2
. Blinkert, B. et al. 2004: 29
3
BMFSFJ 2004b: 29f

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10
Im ersten Teil der Arbeit werden die empirischen Daten und Prognosen zu
Bevölkerung, Senioren und Pflegebedürftigen auf Bundesebene dargestellt und
mit Aussagen über Haushaltsformen im Alter verknüpft. Eine theoretische Ebene
entwickelt Definitionen zu Alter und Pflegebedürftigkeit und stellt das
handlungsleitende geronto-ökologische Prozessmodell dar. Das Betreute
Wohnen als eine alternative Wohnform im Alter breitet der zweite Teil der Arbeit
aus unter besonderer Berücksichtigung von Bewohnern, Personal und aktueller
Gesetzeslage. Der dritte Teil bricht empirische Aussagen zur Alters- und
Pflegeentwicklung sowie zur Wohnsituation auf die Kommunen des Kreises
Steinfurt herunter, stellt die wichtigsten Ergebnisse des Verfassers zur Befragung
der Anlagen des Betreuten Wohnens im Kreisgebiet dar und entwickelt daraus
kleinräumige, sozialplanerische Prognosen für das Betreute Wohnen im
Kreisgebiet. Die vollständige Auswertung der Befragung findet sich im Anhang.
Das abschliessende Resümee zeigt Entwicklungslinien für Konzeption,
Dienstleistungsangebote und Personalzusammenstellung zukünftiger Anlagen
des Betreuten Wohnens auf
Es wurde in der vorliegenden Arbeit großer Wert darauf gelegt, die jeweils
aktuellsten Statistiken, Gesetzeslagen und wissenschaftlichen Veröffentlichungen
einzubinden.
2 Empirischer Befund zur Pflegebedürftigkeit auf
Bundesebene
2.1. Definition Alter(n)
Alter(n) entzieht sich einer eindeutigen Zuordnung. Über unbestreitbare bio-
physiologische Abläufe hinaus, erscheint Alter(n) als ein je gesellschaftlich
vermitteltes Konstrukt, das sich gegen chronologische (WHO; SAUP) oder
Zuordnungen zur Arbeitswelt sperrt: ,,I.e.S. meint A. nur die letzte Phase oder
Stufe im Lebenslauf. ... Weiterhin kann zwischen dem biol. A. anhand des
Organismuszustandes, dem psychischen A. anhand geistiger Funktionen und
Einstellungen und dem sozialen A. anhand sozialer Rollen und
Verhaltensweisen unterschieden werden. Neben dem statischen Aspekt des A.s
wird besonders in der Lebensverlaufsforschung der dynamische Aspekt des A.ns
hervorgehoben." (Gukenbiehl, H. et al. In Schäfers 2006: 20 ) Die Altersoziologie
liefert Theorien über die Interaktion von Individuum und Gesellschaft im Alter.
KLIE definiert das Aufgabengebiet der Gerontologie in Anlehnung an Baltes als:
,,Beschreibung, Erklärung und Modifikation von körperlichen, psychischen,

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11
sozialen, historischen und kulturellen Aspekten des Alterns und des Alters,
einschließlich der Analyse von alternsrelevanten und alternskonstituierenden
Umwelten und sozialen Institutionen." ( KLIE 2003 : 38 ) Die Disengagement-
Theorie von CUMMING/HENRY 1961 befasst sich mit den inaktivierenden
Folgen der Entberuflichung. Als deren Gegensatz bezeichnet sich die
Aktivitätstheorie von NEWGATE/TOLIN 1968, die auf selbstgewählte Ersatz-
aktivitäten abhebt. Das subjektive Optimierungs- und Kompensationsmodell SOK
nach BALTES/BALTES unterscheidet zwischen optimalem, normalem und
pathologischem Altern und rekurriert auf die Passung zwischen individuellen
Fertigkeiten und Umweltanforderungen im Alter. Deutsche Beiträge liefern
TEWS/NAEGELE 1993 mit der Einführung von Lebenslagen als dialektischer
Beziehung von Verhalten und Verhältnissen. Sie fokussieren auf die differenzielle
Heterogenität des Alters und führen die Strukturmerkmale: Verjüngung,
Entberuflichung, Singularisierung, Feminisierung und Hochaltrigkeit ein.
4
LEHR
verfolgt den Lebensspannen-Ansatz, um der chronologischen Einteilung
biologischen Alterns zu entgehen. Zur GERONTO-ÖKOLOGIE s. Kap. 3.1.1
Einen neueren Ansatz bietet das Kompetenz-Modell, wie es der 5.
ALTENBERICHT der Bundesregierung präferiert. Hier wird ein Rollenkonzept
produktiven Alterns entwickelt. Zu thematisieren sind ferner Altersbilder, die sich
zu Altersstereotypen in der Bevölkerung verdichten. Diese zeigen eine
Dichotomie zwischen jungem, aktivem, gesundem Alter und spätem,
eingeschränkten, inaktivem Alter.
5
Hinzuzufügen ist neben der Differenzierung
der Lebenslagen im Alter die Regionalisierung des Alters einerseits bedingt durch
Binnenwanderungen innerhalb der Erwerbstätigenbevölkerung von Ost nach
West und andererseits durch ökonomisch begründete Wohnwanderungen in
Speckgürteln um Industrie- und Dienstleistungsmetropolen sowie in Landkreisen
um kreisfreie Städte herum.
6
2.2 Bevölkerungsentwicklung in der Bundesrepublik
Der 11. koordinierten Bevölkerungsvorausberechnung zufolge, die als
Bevölkerungsprognose auf den Parametern Fertilität, Lebenserwartung und
Wanderungsbewegungen beruht, wird die Gesamtbevölkerung gegenüber dem
Basisjahr 2005 von 82,5 Mio. auf 69 bis 74 Mio. zurückgehen. Die Relation der
Alterstrukturen wird sich gravierend verändern: Der Jugendquotient von 33 %
4
Opaschowski 2007: 33
5
Backes 2003: 118ff
6
Rostocker Zentrum 2007: 119

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12
wird auf 29% zurückgehen, der Anteil der Erwerbstätigen von 61 % auf 50%
sinken und der Altersquotient wird sich von 32% auf 60 bis 64 % annähernd
verdoppeln. Während die Altersgruppe der 65 bis 79-Jährigen im
Prognosezeitraum nur von 16 Mio. über 24 Mio. in 2035 auf 22 Mio. ansteigt, wird
die Gruppe der 80 Jahre und Älteren sich von 4 Mio. auf 10 Mio. mehr als
verdoppeln. Auch die Relationen innerhalb der verschiedenen Altersgruppen
verschieben sich. Im Jahr 2050 werden mehr als 40% der Senioren 80 Jahre
und älter sein. Die Altersgruppe der Erwerbstätigen altert ebenfalls.
7
Daraus
ergibt sich, dass in Zukunft vermehrt Alte und Hochaltrige auf den
Wohnungs- und Pflegemarkt, wie es z.B. Betreutes Wohnen bietet, drängen
werden.
2.3 Definition Pflegebedürftigkeit
Unterstützungs-, Hilfe- und Pflegebedarfe können je unterschiedlich eingeschätzt
und gemessen werden in nicht kongruenten Abbildungsverhältnissen: Betroffene
und Angehörige erfahren sie als subjektives Erleben; unterschiedliche
Pflegebemessungssysteme wie z.B. PLAISIR, LEP bewerten sie nach
differierenden Kriterien Die Pflege-Bedarfe erfahren leistungsrechtliche
Zuordnungen innerhalb der Sozialgesetzgebung. Für Bewohner des Betreuten
Wohnens mit marginalen oder durchschnittlichen Altersbezügen, die als
pflegebedürftig eingestuft sind, stellen die Leistungen des SGB XI eine
wichtige Finanzierungsquelle pflegerischer, hauswirtschaftlicher und
niederschwelliger Betreuungsdienstleistungen im Wahlleistungssegment
des Betreuten Wohnens dar.
Pflege wird hier zunächst im engen Sinne des SGB XI 1 begriffen:
,,Pflegebedürftig im Sinne dieses Buches sind Personen, die wegen einer
körperlichen, geistigen oder seelischen Krankheit oder Behinderung für die
gewöhnlichen und regelmäßig wiederkehrenden Verrichtungen im Ablauf des
täglichen Lebens auf Dauer, voraussichtlich für mindestens sechs Monate, in
erheblichem oder höherem Maße der Hilfe bedürfen." (SGB XI §14 Abs. 1) §14
Abs. 4 des SGB XI umreißt den abschließenden Verrichtungskatalog für
Körperpflege, Ernährung, Mobilität und Hauswirtschaft und §15 Abs. 1 und 3
definieren die drei Pflegestufen samt ihres zeitbegründeten inhaltlichen
Aufwandes.
7
Statistisches Bundesamt 2006: 5ff

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13
2.3.1 Entwicklung eines neuen Pflegebedürftigkeitsbegriffs
Praxis und Pflegewissenschaft kritisieren gleichermaßen die Enge des
bestehenden Pflegebegriffs, das Fehlen des Person-, Umwelt- und Zielbezuges,
8
den Verrichtungsbezug, die Ausschließlichkeit des Verrichtungskatalogs, den
Zeitbezug und den Ausschluss der besonderen Bedarfe gerontopsychiatrischer
Patienten.
9
Ein vom Bundesgesundheitsministerium eingesetzter ,,Beirat zur Überarbeitung
des Pflegebedürftigkeitsbegriffs" definiert einen neuen Pflegebedürftigkeitsbegriff
orientiert an Selbstständigkeit und differenzierten Lebenslagen. ,,Pflegebedürftig
sind Personen, die nach näherer Bestimmung der folgenden Sätze
Beeinträchtigungen der Selbstständigkeit oder Fähigkeitsstörungen aufweisen
und deshalb der Hilfe durch andere bedürfen. Es muss sich um Personen
handeln, die körperliche oder psychische Schädigungen, Beeinträchtigungen
körperlicher oder kognitiver oder psychischer Funktionen, gesundheitlich
bedingte Belastungen oder Anforderungen nicht selbstständig kompensieren
oder bewältigen können." (Bundesministerium für Gesundheit 2009 : 85 )
Pflegebedürftigkeit generiert als ,,personales Merkmal" zur Eigenschaft einer
Person.
10
Dazu werden in Ablösung des Verrichtungskatalogs als modulare
Strukturen benannt: Mobilität, kognitive Fähigkeiten, Verhaltensweisen und
psychische Probleme, Selbstversorgung, Umgang mit krankheits- und
therapiebedingten Anforderungen, Gestaltung des Alltagslebens und
sozialer
Kontakte, (außerhäusliche Aktivitäten, Haushaltsführung).
11
In enger Verknüpfung damit wurde ein neues Begutachtungsassessment ,,NBA"
entwickelt, dass die bisherige Zeitorientierung durch den Grad der (Un-)
selbstständigkeit ersetzt, und die bisherigen drei Pflegestufen durch 5
Abstufungen an Bedarfslagen ablöst: geringe/erhebliche/schwere/schwerste
Beeinträchtigung der Selbstständigkeit und schwerste Beeinträchtigung der
Selbstständigkeit mit besonderen pflegerischen Anforderungen.
12
Ein neuer Pflegebedürftigkeitsbegriff beinhaltet 1. erstmalig die Chance im
ambulanten, vorstationären Bereich großzügig niederschwellige Hilfen für
vorrangig gerontopsychiatrisch Erkrankte zu implementieren und so den
Druck auf alternative Wohnformen und stationäre Pflegeformen zu
verringern und 2. innerhalb alternativer Wohnformen inklusive des
8
BMFSFJ 2004a: 272f
9
Präsident des Landtags NRW 2005: 37f
10
Wingenfeld 2009: 61
11
Bundesministerium für Gesundheit 2009: 85
12
Bundesministerium für Gesundheit 2009: 88

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14
Betreuten Wohnens Unterstützungsformen für Demenzkranke zu
installieren.
2.3.2 Pflegeprävalenz
Die Pflegefallwahrscheinlichkeit (bzw. reale Pflegequote in 2007) der 65 bis unter
70-Jährigen betrug 3%, für die Gruppe der 75 bis unter 85-Jährigen 14%, für die
85 bis unter 90-Jährigen 37%, bei den 90-Jahre und älteren 62%.
13
67,6% der
Pflegebedürftigen waren Frauen (Männer 32,4%).
14
Die Pflegeprävalenz ist
also maßgeblich von Alter und Geschlecht abhängig.
Eine deutlich höhere Pflegeprävalenz ist bei Frauen ab dem 80. Lebensjahr
gegeben: bei den 85 bis unter-90-Jährigen Frauen beträgt sie 41%, bei den
Männern gleichen Alters lediglich 28%.
15
STUCK et al. validierten als
Risikofaktoren für Pflegebedürftigkeit: psychiatrische
Erkrankungen inklusive Depression, Body-Mass-Abweichungen, Bewegungs-
und Seheinschränkungen, geringere Sozialkontakte, geringe subjektive
Gesundheitseinschätzung, Rauchen, Abstinenz.
16
Die Faktoren
Bevölkerungszunahme und Pflegeprävalenz kummulieren in der Gruppe
der Hochaltrigen mit gravierenden Folgen für die bestehenden
Altenhilfestrukturen.
2.3.3 Pflegestatistik
Der Indikator Pflegebedürftigkeit bietet Aufschluss über die Anzahl und
zukünftige Entwicklung des Pflegebedarfs und liefert Planungsgrundlagen für
Kosten- und Leistungsträger. Im Jahr 2007 waren 2,25 Mio. Menschen als
pflegebedürftig im Sinne des Pflegeversicherungsgesetzes SGB XI eingestuft,
davon wurden 1,54 Mio. oder 68,9% ,,in den eigenen vier Wänden" gepflegt (1
Mio. wurde vorrangig von Angehörigen versorgt, 500.000 durch ambulante
Pflegedienste) und 700.000 (32%) in Altenpflegeheimen.
17
Die Pflegegeldbezieher waren zu 61,8% in Pflegestufe I, zu 29,9% in Pflegestufe
II und zu 8,3% in Stufe III eingestuft. Unter den ambulant Versorgten gehörten
52,5% zur Pflegestufe I, 35,4% zur Stufe II und 12,1 % zu Pflegestufe III. In den
Altenpflegeheimen waren die Pflegestufen wie folgt verteilt: 35,7% in Pflegestufe
I, 42,3% in Stufe II und 20,5% in Stufe III. Von den zu Hause versorgten
13
Statistisches Bundesamt 2009b: 4
14
Statistisches Bundesamt 2009b: 9
15
Statistisches Bundesamt 2009a: 5
16
Schneekloth 2005: 38
17
Statistisches Bundesamt 2008:4

Dieter Lange-Lagemann 15/116
Matrikelnr. 1076082
15
Pflegebedürftigen waren 64% Frauen, in den Heimen stellten sie 76% der
Bewohner. Die 85-Jährigen und Älteren waren unter den zu Hause Gepflegten
mit 28% vertreten, in den Pflegeheimen mit 48%. Hinzuzuzählen sind noch ca. 3
Mio. Personen mit Hilfebedarf unterhalb der Pflegestufe I, die vorrangig
haushaltsnahe Dienstleistungen in Anspruch nehmen,
davon ca. 1,3 Mio. täglich
und ca. 1 Mio. wöchentlich.
18
Die hauptsächlichen pflegebegründenden
Diagnosen umfassen Herzkreislauferkrankungen mit 19,4% (davon 22%
Apoplexie), psychiatrische Erkrankungen zu 18,6% (darunter Demenz mit 52%),
nicht näher spezifizierte Symptome und Laborabweichungen 15,5%,
Erkrankungen des Muskel-Skelett-Apparates 12,5% und Neoplasien 12,3%.
19
Nicht gedeckte Bedarfe bestehen bei Pflegebedürftigen zu 14% im Bereich
Pflege und zu 12% im Bereich Hauswirtschaft. Hilfebedürftige bemängeln dies zu
8% für die Pflege und zu 9% für den hauswirtschaftliche Versorgung. Als
signifikante Prädikatoren für nicht gedeckte Unterstützungsbedarfe gelten
insbesondere Ältere mit demenzieller Erkrankung, nächtlichem Hilfebedarf, bei
gleichzeitigem Fehlen familiärer, finanzieller und Hilfsmittel-Unterstützung.
20
2.3.4 Pflegeverläufe
Die Dauer der Pflegebedürftigkeit (von MDK-Anerkennung bis Tod) beträgt bei
Männern durchschnittlich 15,8 Monate und bei Frauen 40,3 Monate.
ROTHGANG ermittelte, dass zu Beginn der Pflegekarriere die Mehrheit mit
61,2% in Pflegestufe I eingestuft ist (30,5% in Stufe II und 8,3% in Stufe III). Bei
Wiederholungsbegutachtungen wird ein deutlicher Teil höhergestuft in Stufe II; 2-
5% fallen aus der Pflegestufe heraus. Als Leistungen erhalten 69,2% zu Beginn
Pflegegeld, Sachleistungen 7,6%, Kombileistungen 7,5%, stationäre Leistungen
15,7 %. Im Verlauf der Pflegekarriere wechseln Frauen zu stationären
Leistungen, Männer zu Kombileistungen. Seit Einführung der Pflegeversicherung
sank der Anteil der Pflegegeldbezieher von 51,% auf 46,1%, der Anteil der
Sachleistungsbezieher von 13% auf 11,8% und der Anteil der Bezieher
stationärer Leistungen stieg von 28,4% auf 31,8% an.
21
Die absolute Zahl der
Pflegebedürftigen stieg von 2.016.091 in 1999 auf 2.246.829 in 2007 um 11,4%.
Während die Anzahl der durch ambulante Pflegedienste Versorgten von 415.289
auf 504.232 (plus 21,4%) insgesamt anstieg, blieb die Zahl der
Pflegegeldempfänger mit 1.027.591 in 1999 zu 1.033.286 in 2007 annähernd
18
Schneekloth 2005: 62
19
Ministerium für Arbeit, Gesundheit und Soziales MAGS 2005: 20
20
Schneekloth 2005: 88f
21
Rothgang 2008: 11ff

Dieter Lange-Lagemann 16/116
Matrikelnr. 1076082
16
gleich. Die Zahl der vollstationären Dauerpflegen wuchs von 554.217 in 1999 auf
671.080 in 2007 an (ebenfalls plus 21%).
22
Der Verlust von selbstständiger
Haushalts- und Lebensführung aufgrund des Fehlens privater Versorgungs-
möglichkeiten führt zum Heimeintritt: Überweisung aus Krankenhäusern bei 24%,
aus Psychiatrie und Rehabilitationseinrichtungen bei 13%, Verschlechterung des
Gesundheitszustandes bei bereits bestehender Pflegebedürftigkeit in 66% der
Fälle. 60% lebten vorher in einem Ein-Personenhaushalt, 57% erhielten dort nicht
genügend Hilfe.
23
Bei Demenzkranken stellt zu 48% die Überforderung
pflegender Angehöriger den Heimeintrittsgrund dar.
24
Die Dauer des
Heimaufenthaltes variiert beträchtlich: 22% verbleiben 6 Monate, 7% zwischen 7
und 11 Monaten, 16% 5 bis 10 Jahre und 7% über 10 Jahre.
25
Die Hannoveraner
Morbiditäts- und Mortalitäts-Pflegestudie ,,HMMPS" von SENGER, die ca. 90.000
Pflegeverläufe aus 10 Jahren analysierte, kommt zu dem Ergebnis, dass im 10-
Jahres-Verlauf in der Altersgruppendifferenzierung, je höher das Pflegeeintritts-
alter liegt, und in der Pflegestufendifferenzierung, je höher die Ersteinstufung
ausfällt,: der Anteil der Todesfälle zunimmt, die Anteile aus der Pflege
Ausgeschiedener und noch aktiv in Pflege Befindlicher sinken.
So sind
beispielsweise in Pflegestufe I Ersteingestufte nach 10 Jahren zu 80,4%
verstorben, zu 4,8% ,,reaktiviert" und zu 14,8% weiter in Pflege (davon 6,8% in
Pflegestufe I, 5,3% in Stufe II und 2,7% in Stufe III).
26
Der Trend zum institutionalisierten Sterben hält an. Starben im Jahr 2000 62,8%
der Männer in Institutionen, waren es 2006 66,8%. Bei den Frauen stieg die Zahl
von 63,7% auf 72,3% an. Resümee: Männer und Frauen zeigen
unterschiedliche Pflegekarrieren: Männer werden absolut weniger, später,
schwerer und kürzer pflegebedürftig und vorrangig ambulant versorgt. Eine
Veränderung der Pflegezeit-Dauer konnte über die Jahre nicht festgestellt
werden. Der mit Einführung der Pflegeversicherung eingeräumte Vorrang
,,ambulant vor stationär" zur Entlastung der kommunalen Sozialleistungsträger
konnte umgesetzt werden: Die Ausgaben gingen von 6,6 Milliarden in 1999 auf
2,5 Milliarden in 2006 (ambulant von 190.000 auf 60.000 Personen, stationär von
270.000 auf 210.000 Personen) zurück.
27
22
Statistisches Bundesamt 2008: 25
23
Schneekloth 2007: 97ff
24
Grass-Kapanke 2008: 33
25
Schneekloth 2007: 132
26
Senger etal. 2008 : o.S.A.
27
Rothgang 2008: 84

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17
2.3.5 Pflegeprognose
Modellrechnungen für die zukünftige Anzahl Pflegebedürftiger beruhen analog
den Bevölkerungsprognosen auf Schätzungen über Fertilität, Lebenserwartung,
Migration, Morbidität, Änderungen der Familienstrukturen, den Inhalten des
Pflegebegriffs nach SGB XI und unterschiedlichen Szenarien über Prävalenz-
raten. So zeigen die Angaben von DIETZ für 2050 eine Varianzbreite von 3,17
bis 5,88 Mio. Pflegebedürftige, die Modellrechnung des DIW erwartet 4,27 Mio.
und ROTHGANG rechnet für 2040 mit 2,59 bis 3,26 Mio. Pflegebedürftigen.
28
Bei einem Szenario gleichbleibender familiarer Pflegequote wäre für 2050 mit
40% professionell zu versorgenden Pflegebedürftigen auszugehen, davon 1,2
Mio. vollstationär. Bei nachlassender informeller Pflege ist zu rechnen mit 44%
professionell zu Versorgenden inklusive 1,3 Mio. Heimbewohnern; bei
gleichzeitig zunehmender Frauenerwerbstätigkeit mit 1,4 Mio. Heimbewohnern.
Bei einem optimistischen Szenario mit zunehmender informeller
Pflegebereitschaft träte eine Verschiebung innerhalb der professionellen
Pflegequote zu Gunsten der ambulanten Pflege auf 58 % ein.
29
Es ist daher in
Zukunft mit einem deutlich steigenden Inanspruchnahmeverhalten
professioneller Pflegeleistungen zu rechnen, das über ambulante und
stationäre Pflegeleistungserbringer hinaus auch vermehrt alternative
Wohn- und Pflegeformen hervorbringen wird.
3 Wohnbedeutung und Haushaltformen im Überblick
3.1 Wohnbedeutungen
Wohnen wird nach SCHULZ-NIESWANDT als die ,,elementare Erscheinungs-
und Ausdrucksform menschlichen Seins" bezeichnet. (Schulz-Nieswand nach
Jenkis 2001: 875 ) Es erfüllt die Funktion der Identitätsbildung (Beibehaltung von
Lebenskontinuität und Selbstwirksamkeit). Aufgaben der Prothetik/Rehabilitation
(Unterstützung und Kompensation körperlicher Beeinträchtigungen) und
Anregung (Handlungsaufforderung und Eigeninitiative) werden ihm
zugewiesen.
30
Nach SAUP kommen dem Wohnen Bedeutung für Lebensvollzug,
Alltagsgestaltung, Rückzugsmöglichkeit, Lebensmittelpunkt und Identitätsstiftung
zu.
31
28
Deutscher Bundestag 2002a: 236f
29
Deutscher Bundestag 2002a: 241f
30
BMFSFJ 1998: 44 ; Enquetekommission 2004 : 6
31
Saup 1993 : 9f

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18
3.1.1 Das geronto-ökologische Prozessmodell
Betreutes Wohnen, wie es in der vorliegenden Arbeit am Beispiel des Kreises
Steinfurt dargestellt wird, bezieht seine Genese aus ungedeckten
Unterstützungs-, Hilfe- und Pflegebedarfen Älterer, veränderten
gesellschaftlichen Altersbildern von selbständiger Lebensführung und den
Entwicklungen am Seniorenwohnungsmarkt. Diese Bedarfe gilt es theoretisch zu
fassen, um damit das Themenfeld des Betreuten Wohnens handlungsleitend zu
strukturieren. Diese Funktion erfüllt das geronto-ökologische Prozessmodell. Es
begreift die Person-Umwelt-Passung als: ,,... die Interaktion des älteren
Menschen mit seiner alltäglichen räumlich-sozialen Umwelt (als) einen
Handlungsprozess" (Saup 1993 : 21) Zur Person zählen umweltbezogene
Fähigkeiten basaler (ADL) und komplex-instrumenteller Art (IADL), seine
Umweltdisposition als Folge biographisch, erlernter Bedingungen und
Kompetenzen, Copingstil und kognitive Fähigkeiten. Zur Umwelt rechnen
Umweltanforderungen und Umweltressourcen
32
mit ihren Benefits: Support
(Unterstützung), Stimulation (Aufforderung) sowie maintenance (Lebens-
kontinuität) und self-efficaty (Selbstwirksamkeit).
33
Abb. 1 : geronto-ökologisches Prozessmodell
Person Passung Umwelt
Umweltbezogene Fähigkeiten: Ressourcen- Ebenen:
ADL/ IADL aktivierung räumlich,technisch
Umweltdisposition sozial,gesellschaftlich
Kompetenzen
Compliance Umweltanforderungen
Umweltressourcen:
Support, Stimulation,
Maintenance,
Quelle : Schneekloth 2005, BMFSFJ 2002, eigene Bearbeitung, eigene Darstellung
Dem Umweltbegriff als Kontext kommen dabei mehrere Ebenen zu: räumlich-
dinglich (Wohnen, Wohnumfeld), technisch, sozial (Familie, Nachbarn,
Kommune), gesellschaftlich (Werte, Normen). Über den Faktor Zeit lässt sich das
Trajectory-Modell von CORBIN und STRAUSS im Sinne des Stage-Modells von
32
Schneekloth 2005: 20
33
BMFSFJ 2001: 243
Person
Umweltbezogene Fähigkeiten
ADL/ IADL
Umweltdisposition
Kompetenzen
Compliance
Passung
Ressourcen-
aktivierung
Zeit
Umwelt
Ebenen:
Räumlich, technisch,
sozial, gesellschaftlich
Umweltanforderungen
Umweltressourcen:
Support
Stimulation
Maintenance
Self-efficay

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19
ZEGELIN-ABT/BIENSTEIN aus individuellem Verlauf, Pflegesetting und
Institution implementieren.
34
Theoretische Grundlagen lieferten HAECKEL: ,,Der Biologe Haeckel (1866)
definiert Ökologie als die gesamte Wissenschaft von den Beziehungen des
Organismus zur umgebenden Außenwelt." (Saup 1993:22), LAWTON mit seinem
Umweltanforderungs-Kompetenz-Modell, modifiziert zum Umwelt-Proaktivitäts-
Modell und KAHANA/CARPs Person-Umwelt-Passung-Ansätze. Im
deutschsprachigen Raum wirkten theoriebegründend SAUP 1993, WAHL/Oswald
1991 und Mollenkopf 2004. (Zur Übersicht siehe BACKES 2003 : 184f.) So treten
beispielsweise bedingt durch die Seh-, Hör- und Beweglichkeitseinschränkungen
des biologischen Alterns im Zeitverlauf Mobilitäts- und Selbstständigkeitsdefizite
auf, die durch interne personale und/oder externe Umweltressourcen einer neuen
Passung bedürfen.
Damit bietet sich ein genügend trennscharfes theoretisches Werkzeug, um an
der Schnittstelle von Wohnen und Pflegen für den hier zu untersuchenden
Gegenstand des Service Wohnens (als Teil der räumlichen, sozialen und
technischen Umwelt), Bedarfe der Bewohner (Ressourcendefizite in
Hauswirtschaft, Pflege und sozialer Teilhabe) und angebotene Dienstleistungen
(Umweltressourcen) zu erfassen.
35
3.1.2 Theoretische Modelle über Lebensstile und Haushaltsformen im Alter
SPELLERBERG und SCHNEIDER legten 1999 eine Studie über Lebensstile im
Alter unter Betonung von Wohnbedürfnissen und Umzugsbereitschaft vor. Sie
unterschieden zwischen hochkulturell Interessierten: mit gehobenem
Wohneigentum und geringer Umzugsneigung, den Häuslichen: mit geringer
Umzugsneigung, hohem Mieteranteil, Wichtigkeit von Infrastruktur und den
traditionell, zurückgezogen Lebenden: mit hohem Mietanteil und hoher
Bedeutung altengerechten Wohnens.
36
EICHENER differenzierte in seiner Studie
Wohnbedarfe nach Altersgruppen: Frühruheständler (55-70 Jahre) normale
Wohnung nebst Bildungs- und Freizeitaktivitäten, Ruheständler (70-80 Jahre)
Komfortwohnen und vorpflegerische Leistungen wie Betreutes Wohnen und in
der Gruppe der Hochbetagten (ab 80 Jahren) aufsuchende, ambulante und
stationäre Wohn- und Pflegeformen.
37
SCHNEIDER benannte 2002 in seiner
Untersuchung folgende Lebensstile im Alter: Die aktiven Älteren: überwiegend
34
Robert-Bosch-Stiftung 2000: 111f
35
IPW 2009 : 17f
36
MGFFI NRW 2008: 32f
37
Enquetekommission 2004: 9

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20
mit gehobenem Wohneigentum, familienorientierte Ältere: die mehrheitlich
Mietwohnungen bewohnen, gemeinschaftsorientierte Ältere: Ein-Personen-
Haushalte überwiegend zur Miete bewohnt und die resignierten Älteren:
Bewohner ausschließlich von Mietwohnungen geringer Größe.
38
Sinus-Institut
und vhw legten in 2005 als Klassifikationsmodell ,,die Body&Mind-Typologie" vor
(MGFFI NRW 2008 : 34f): Old ager mit traditionalistischer Orientierung,
ausgeprägtem Wohnverbleibeverhalten bei nur geringen Vorbehalten gegen
alternative Wohnformen. Best ager als kritische Konsumenten gekennzeichnet
durch hohes Ausgabeverhalten für Wohnen, hohe Anspruchshaltung an
Wohnstandort bei hohem Wohnverbleibstatus. Old kids mit ausgeprägtem
Hedonismus und deutlicher Präferenz für Übersiedlungen in Senioren-WGs.
39
EMPIRICA mit KRINGS
-
HECKEMEIER hatte 2006 in deren Befragung drei
Veränderungstypen für Wohnwünsche klassifiziert: Bestandsoptimierer,
kennzeichnet der hohe Verbleibewunsch verbunden mit altengerechten
Modernisierungsmaßnahmen der eigenen Wohnung. Umzügler suchen einen
altersgerechten innenstädtischen Standort mit Dienstleistungsangebot, Passive
fallen durch das Fehlen von Wohnwünschen auf.
40
Die vorliegenden
Untersuchungen belegen, dass es nicht DIE Älteren gibt, sondern
differierende Subgruppen mit divergierenden Wohnansprüchen, von denen
nur ein geringer Teil mit Affinität zum Betreuten Wohnen identifiziert
werden kann.
3.1.3 Übersicht über Einteilungsmöglichkeiten von Wohnformen im Alter
Bis in die 80er Jahre des vorigen Jahrhunderts galt die einrichtungszentrierte
Sichtweise einer Dreiteilung des Senioren-Wohnens in: eigene Wohnung -
alternative Wohnformen und Altenpflegeheim. Diese wurde von KREMER-
PREISS durch einen entscheidungstheoretischen Ansatz abgelöst: So lange wie
möglich zu Hause bleiben ­ Wohnsituation selbst verändern ­ Wohnsituation
verändern, weil es nicht mehr anders geht.
41
Damit wird eine Passung zwischen
personalen Wünschen nach bestimmten Unterstützungsressourcen mit den
Merkmalen der baulichen Umwelt analog des geronto-ökologischen
Prozessmodells eingeführt
42
IHLENFELDT
skizziert ein dreidimensionales,
bipolares Interessengeflecht zwischen Mobilität und Immobilität bzw. zwischen
38
MGFFI NRW 2008: 27f
39
MGFFI NRW 2008: 34f
40
MGFFI NRW 2008:39f
41
Kremer-Preiss 2003: 20
42
Enquetekommission 2004: 25

Dieter Lange-Lagemann 21/116
Matrikelnr. 1076082
21
den Polen Autonomie/Individualität und Kommunikation/Gemeinschaft und den
Charakteristika: Wohnform, Handlungsmöglichkeit, Pflegebezug, Wohntyp auf
der dritten Bezugsebene
43
.
3.1.4 Übersicht über Wohnformen im Alter
Die derzeit umfassendste summarische Übersicht über Wohnformen im Alter
greift die Einteilung von KREMER-PREISS auf und rastert, die bipolare
Dichotomie überwindend, nach den Kategorien: Wohnungsbestand,
Eigentümer/Vermieter, Finanzierung, Dienstleistungsangebote und deren
Finanzierung, Präsenz, Heimrecht/Verbraucherschutz und Qualitätssicherung.
A) Entscheidungssituation: "Solange wie möglich zu Hause bleiben"
A1) barrierefreie Wohnung (altengerechte Wohnung)
A2) angepasste Wohnungen
A3) Betreutes Wohnen zu Hause (Wohnen plus/Betreutes Wohnen im
Bestand/Quartier)
A4) Quartiersbezogene Wohn- und Betreuungskonzepte
A5) Siedlungsgemeinschaften
B) Entscheidungssituation: Wohnform selbst ändern
B1) Altenwohnung
B2) Betreutes Wohnen/ Service Wohnen
B3) Klassische Seniorenstifte/Seniorenresidenzen
B4) Gemeinschaftliche Wohnprojekte (Selbstorganisierte Wohn- und
Hausgemeinschaften)
B5) Integriertes Wohnen/Mehrgenerationenwohnen
C) Entscheidungssituation: Wohnsituation verändern, weil es anders nicht
mehr geht
C1) Pflegeheim (Pflegeheim der 2 oder 3. Generation)
C2) Hausgemeinschaften ( Pflegeheim der vierten Generation/integrierter
stationärer Typus)
C3) Hausgemeinschaft/ ausgegliederter stationärer Typus
C4) ambulant Betreute Wohngemeinschaften für Pflegebedürftige Modell
,,eigener Haushalt"
Typ I ambulanter Typus mit zentraler Bezugsperson
Typ II Typ mit ausschließlicher Versorgung durch ambulante Pflegedienste
43
Ihlenfeldt 2006: 62

Dieter Lange-Lagemann 22/116
Matrikelnr. 1076082
22
C5) ambulant Betreute Wohn- und Hausgemeinschaften für Pflegebedürftige
Modell Einrichtung.
44
3.2 Haushaltsformen im Bundesüberblick
Die Haushalte bundesweit setzten sich 2008 zusammen aus: 38,4% allein
Lebenden, 28,7% Paaren, 15,3% Paaren mit Kindern, 3,2% Alleinerziehenden
und 14,4% sonstigen Haushaltsformen.
45
Die durchschnittliche Haushaltsgröße
umfasste 2,1 Personen. 57% wohnten zur Miete und 43% verfügten über
Wohneigentum. Die Wohnfläche betrug im Durchschnitt 91,7 qm (94,9qm in
Westdeutschland, 77,7qm in Ostdeutschland). 60,7% aller Wohngebäude in
Westdeutschland wurde zwischen 1949 und 1999 errichtet (Ostdeutschland:
48,6%).
46
Mit 63,2% verfügen Senioren vergleichsweise mehr über
Wohneigentum als der Bevölkerungsdurchschnitt, 14,1% von ihnen beziehen
eine Mietwohnung und 43,7% stellen Mitbewohner dar.
47
3.2.1 Empirischer Befund zum Wohnen im Alter
Mit 94% wohnt die überwiegende Anzahl der Älteren ,,in den eigenen vier
Wänden", die restlichen 6,14% leben in Sonderwohnformen, dazu zählen im
Einzelnen: Alten-Pflegeheime mit 3,73%, barrierefreie Altenwohnungen zu
1,37%, Betreutes Wohnen mit 1,02% und amb. Wohngemeinschaften und
Pflegewohngruppen mit 0,2%.
48
KREMER-PREISS schätzte für 2003, dass
150.000­230.000 Personen im Betreuten Wohnen, 8000 Pers. im
Gemeinschaftlichen Wohnen und ca. 1000 Pers. in Betreuten
Wohngemeinschafen leben
49
. Auffällig ist der unterschiedliche soziodemo-
grafische Verbreitungsgrad im Sinne eines Stadt-Land-Gefälles alternativer
Wohnformen, der in kreisfreien Städten den Anteil in Landkreisen deutlich
übersteigt: barrierefreie Altenwohnungen 1,93% in kreisfreien Städten und 0,74%
in Landkreisen, Betreutes Wohnen 1,4% zu 0,7%, wohingegen konventionelle
Altenpflegeheime annähernd gleich verteilt sind 3,9% zu 3,5%, ebenso wie
Wohngemeinschaften/Pflegewohngruppen mit 0,02% zu 0,02%.
50
Bis zum 79.
Lebensjahr dominieren Ehepaarhaushalte mit 51,3%, ab dem 80. Lebensjahr
44
Diakonisches Werk 2007: 54ff
45
Statistisches Bundesamt 2009c: 7
46
Statistisches Bundesamt 2009c: 26
47
Allianz 2006: 8
48
BMFSFJ 2006 : 38f
49
Kremer-Preiss 2003b: 19
50
BMFSFJ 2006 : 39

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Matrikelnr. 1076082
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Einpersonenhaushalte. Das impliziert, dass mit fortschreitendem Alter die
Haushaltsgröße sinkt. Ab dem 90. Lebensjahr ist ein leichter Anstieg der
Mehrgenerations-Haushalte auf 13,8% zu verzeichnen, zu erklären durch
Aufnahme eines pflegebedürftigen Elternteils in den Haushalt erwachsener
Kinder. Männer leben bis ins hohe Alter in Beziehungen, wohingegen 41% der
80-Jährigen Frauen verwitwet sind, dies ist Ausdruck unterschiedlicher
Lebenserwartungen. Ausgedrückt als Haushaltsform ergibt sich folgende
Verteilung: 71% der Männer leben in Partnerschaft, aber 50% der Frauen
singulär, wobei die Alleinlebensquote der Frauen mit zunehmendem Alter
ansteigt. 48% der Über-65-Jährigen verfügen über Wohneigentum,
schwerpunktmäßig in Westdeutschland. Als Mieter geben sie ca. 25% ihres
Haushaltsnettoeinkommens für Mietbelastung aus.
51
Dabei stehen ihnen oft
große Wohnflächen zur Verfügung durch langjährigen Wohnverbleib auch nach
Auszug der Filialgeneration und Tod eines Partners zu Verfügung. Zwischen dem
60. und 70. Lebensjahr wächst die Bedeutung der Rückkehr in die Städte als
Trend zur Re-Urbanisierung (Service-Wohnen, zentral gelegene ETW-
Wohnungen). Ab dem 75. Lebensjahr ist verstärkt ein Umzug zu den Kindern
oder ins Betreute Wohnen zu verzeichnen.
52
Die Verweildauer von Senioren außer Haus beträgt laut einer BAGSO-Studie aus
2005 zu 36,1% 2-4 h, zu 24,5% 4-6 h und zu weiteren 14,7% 1-2 h entgegen der
These vom Wohnungsrückzug im Alter.
53
Dabei kommt es zum
,,Wohnzufriedenheitsparadoxon": Ältere geben trotz personaler gesundheitlicher
Kompetenzeinschränkungen auch bei objektiv negativen Umweltressourcen wie
schlechter Wohnungsausstattung und mangelnder Infrastruktur, hohe
Wohnzufriedenheitswerte an.
54
Die interdisziplinäre Längsschnittstudie ILSE
formuliert, dass ein hohes Maß an Zugänglichkeit und Wohnverbundenheit in
Verbindung mit marginalen externen, wohnbezogenen Kontrollüberzeugungen
positive Effekte i. S eines Puffers auf die Gesundheit im Alter hat. (BMFSFJ
2008b : 80) Die Erörterung spezifischer Wohnbedarfe wie sie bei Älteren mit
Behinderungen, Migrationshintergrund, chronischen Erkrankungen, gleich-
geschlechtlicher Lebensweise, Wohnungslosen und Palliativ-Versorgten
bestehen, würden den Rahmen dieser Arbeit übersteigen.
55
Als
Erwartungshaltungen an Wohnformen im Alter werden geäußert : 40,9%
51
Menning 2007 : 13ff
52
Eduard Pestel Institut 2006 :7
53
Klumpp 2006: 19
54
BMFSFJ 1998: 22
55
Vgl. Enquetekommission 2004: 61f ; Kremer-Preiss 2003b : 19

Dieter Lange-Lagemann 24/116
Matrikelnr. 1076082
24
wünschen sich eine normale Wohnungen ohne Dienstleistung, 23,6% mit
Dienstleistung, 27,1% Service-Wohnen und 26,3% den Umbau der bisherigen
Wohnung.
56
An haushaltsnahen Dienstleistungen wird gewünscht: Notrufzentrale
37%, Pflegedienste sowie Putz- und Haushaltshilfen je 34%, Mahlzeitendienste
und Einkaufsdienste je 24%, Begleitung zu Arzt und Behörden 23%, Fahrdienste
21%
57
. Umzugsbereitschaft im Alter geben 2/3 der Mieter und ca. 1/3 der
Eigentümer an.
58
3.2.2 Wohnungsausstattung und Wohn-Beeinträchtigungen
Die Wohnstandards im Alter haben sich in den letzten 10 Jahren verbessert und
in Ost und West weitgehend angeglichen. Substandards sind noch rudimentär
vorhanden. So verfügten in 2002 95% der Wohnungen häuslich versorgter
Pflegebedürftiger über eine Zentralheizung, in 1991 waren es nur 71%. Mit einen
barrierefreien Zugang versehen sind in 2002 59% der Wohnungen
Pflegebedürftiger, in 1991 waren es erst 27%. Ein pflegegerecht ausgebautes
Bad besteht in 29%, eine pflegegerechte Toilette in 28% und über ein
Hausnotrufsystem verfügen 10% dieser Haushaltsform.
59
Aufgrund des
biologischen Alterns treten gehäuft Hör-, Seh- und Bewegungseinschränkungen
auf, die zu Einschränkungen des Handlungs- und Mobilitätsradius innerhalb der
Wohnung und im Wohnumfeld führen.
60
Personale Ressourceneinschränkungen
aufgrund von Pflegebedürftigkeit führt bei 81% der in Pflegestufe III Eingestuften
zur ,,Unmöglichkeit sich selber zu waschen" als einem basalen ADL, bei 61% in
Stufe II, 36% in Stufe I und bei 6% sonstiger Hilfeempfänger. ,,Alleine die Toilette
zu benutzen" ist unmöglich für 68% der Personen in Pflegestufe III, für 31% in
Stufe II, für 9% in Stufe I und für 2% der Hilfebedürftigen. Instrumentelle IADLS
z.B. ,,Einkaufen" stellen sich als
unmöglich dar für 27% der Hilfebedürftigen und
65% der in Pflegestufe I eingestuften. Ähnliche Werte ergeben sich für die IADLS
,,Saubermachen", ,,Mahlzeiten zubereiten" und ,,Finanzen regeln".
61
Diese
Ergebnisse korrelieren mit den älteren Ergebnissen des 2. Altenberichts. Danach
war es für ca. 13% der 65-79 Jährigen und ca. 38% der über 80-Jährigen in der
Gesamtbevölkerung nicht möglich, die Wohnung selbstständig sauber zu halten.
56
Eichener 2004:26
57
Forschungsgesellschaft 2007: 16
58
Menning 2007 : 9
59
Schnekloth 2005 : 84
60
BMFSFJ 1998 : 23
61
Schneekloth 2005 : 71

Dieter Lange-Lagemann 25/116
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Ähnliche Werte galten für die Alltagsaktivitäten Einkaufen und Treppensteigen.
62
Vice versa bestätigt NIEPEL den Befund durch die Schwerpunktsetzung für
Wohnungsanpassungsmaßnahmen in NRW, die zu 75% den Sanitärbereich, zu
59% den Wohnungszugang, zu 32% das Schlafzimmer, zu 27% das
Wohnzimmer, Flur mit 23%, Küche mit 19% und Balkon mit 19% betreffen.
63
Dies zeigt signifikant die Verschränkung alters- und pflegebedingter
Funktionseinschränkungen mit der qualitativen und quantitativen
Ausstattung wohnbedingter Umweltressourcen.
3.2.3 Wohnungs- und Haushaltsituation im Kreis Steinfurt
In 2005 bestanden im Kreis ca. 177.000 Haushalte, davon 44.300 Ein-Personen-,
62.000 Zwei-Personen-, 29.000 Drei- und 42.2000 Vier-und-mehr-Personen-
Haushalte.
64
Dabei dominiert mit 40,9 qm/Wohnfläche pro Person und 74,2%-
Anteil die Wohnform des Ein- und Zweifamilienhauses begründet in der
ländlichen Siedlungsstruktur.
65
In 2007 stieg die Zahl der Haushalte auf 179.422
an. Unter 1171 neuerrichteten Wohngebäuden in 2007 befanden sich 949
Einfamilienhäuser und 503 Mehrfamilienhäuser. Die meisten Mehrgeschoss-
bauten sind an den Standorten Rheine (2000 Einheiten, Ibbenbüren 1000 Einh.
und Greven mit 993 Einh.) lokalisiert.
66
Das Haushaltsnettoeinkommen von
Seniorenhaushalten beträgt durchschnittlich 2648 Euro (NRW: 2550 Euro), frei
verfügbar für Konsumausgaben sind 1461 Euro (NRW: 1492 Euro).
Je nach
früherem beruflichem Status, Geschlecht, Alter und Personenanzahl verfügen
19,9% der Seniorenhaushalte über eine schwache Kaufkraft, 73,9% über eine
mittlere Kaufkraft und 6,2% über eine starke Kaufkraft.
67
Landesweit geben sie
29,7% für Wohnen und nur 1,1% für haushaltsnahe Dienstleistungen aus.
68
Unter
diesen rangieren Putzdienste mit 9,9% und Wohnbetreuung mit 1,5%.
Je nach
Kaufkraft werden zwischen 48 Euro (schwache Kaufkraft) und 184 Euro (starke
Kaufkraft) für Putzleistungen aufgewandt.
11% der Mieter in Einpersonen-
haushalten und 26% der Eigentümer in Mehrpersonenhaushalten planen
Wohnraumanpassungsmaßnahmen.
69
62
BMFSFJ 1996: 46
63
Niepel 1998: 16f
64
Eduard Pestel Institut 2006 : 56
65
Bertelsmann Stiftung 2008 : 4
66
Wirtschaftsförderung im Kreis Steinfurt 2008: 46 f
67
mgffi 2002: 71f
68
mgffi 2002: 29
69
mgffi 2002: 35f

Dieter Lange-Lagemann 26/116
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3.2.4 Prognose der Haushalte im Kreis Steinfurt
Bis 2025 wird die Zahl aller Haushalte im Kreisgebiet um 9,3% auf 193.000
anwachsen, gegenläufig zur sinkenden Einwohnerzahl. Während die Anzahl der
Ein- und Zwei-Personen-Haushalte um 29,1% auf 129.000 anwächst, geht die
Zahl der Drei-und-mehr-Personen-Haushalte im
Vergleichszeitraum analog zum
Landes- und Bundestrend um 11% auf 64.000 zurück.
70
Bis 2025 ist ein Defizit
von 2800 Whg. im Kreisgebiet zu erwarten: einem Bedarf von ca. 29.100
Wohnungen, begründet durch einen Haushaltszuwachs von 17.630 und
gleichzeitigen Wohnungsabgängen von 11.511, steht eine erwartete Bautätigkeit
von 26.338 gegenüber.
71
Der Kreis gehört damit zu den Defizitregionen des
Landes NRW.
72
Insbesondere besteht ein Mangel an seniorengerechtem
Wohnraum, verursacht durch den hohen Zuwachs Älterer, die hohe Anzahl
an Einfamilienhäusern und die geringe Anzahl/Neubautätigkeit beim
Mehrgeschosswohnen. Dies bekommen als Marktdruck vor allem
einkommensschwache Senioren als Nachfrager von Wohnraum zu
spüren.
73
Danach wird sich der Wohnungsmarkt bis 2050 insgesamt vom
Angebots- zum Nachfragemarkt insbesondere für ,,Spezial-Wohnraum"
entwickeln: innenstädtisch für Kinderlose, altengerecht für Senioren und als
private Altersvorsorge durch Eigentumswohnungen.
74
4 Gestaltungsmöglichkeiten der Wohnungswirtschaft für Senioren im
Bestandswohnen
Auch die Wohnungswirtschaft hat aufgrund eigener Nutzenerwartungen die Trias
aus Wohnen ­ Beraten - Dienstleistungsangebot im Bestand entdeckt: zur
Abwehr sozialer Erosion, zur Kundengewinnung und ­bindung, zur Leerstands-
vermeidung und zur Eröffnung neuer Geschäfts- und Ertragsfelder. Dies steht in
enger Verbindung mit möglichem Zusatznutzen für die Bewohner: Entlastung von
Haushaltsführung, Steigerung technischer und sozialer Sicherheit und Zugewinn
an sozialen Kontakten.
75
,,Je besser dieser (normale Wohnungsbestand d. Verf.)
baulich ausgerüstet ist, je mehr ambulante Dienste zur Verfügung stehen und je
besser die alten Menschen in informelle Hilfenetze und funktionierende
Nachbarschaften eingebunden sind, desto weniger Interesse zeigen sie an
70
LDS 2006 : 7
71
Eduard Pestel Institut 2006 :62
72
Eduard Pestel Institut 2006 : 48
73
Eduard Pestel Institut 2006 : 53
74
Kreis Steinfurt 2008b : 31
75
GdW 2004: 22

Dieter Lange-Lagemann 27/116
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27
einem Umzug in eine Sonderwohnform." (Narten 2004: 61 ) NARTEN
katalogisiert daraufhin für den vdw drei abgestufte Organisationsmodelle
wohnungswirtschaftlichen Agierens für das Klientel älterer Mieter im
Bestandswohnungsbau:
1.) Individuelle Unterstützungsangebote im dezentralen betreuten Wohnen
Zu diesem Maßnahmenbündel gehören: Wohnberatung zur individuellen
Wohnraumanpassung, Vermittlung von Dienstleistungen und Durchführung von
Freizeitveranstaltungen durch eigene
Mitarbeiter oder Kooperationspartner
76
;
auch unter dem Begriff Betreutes Wohnen im Bestand gefasst.
77
Eine Befragung
unter den vdw-Mitgliedsunternehmen ergab ,,positive Erfahrungen" bei ,,großer
Nachfrage". (vdw 2005 : 9 ) Wohnungsunternehmen im Ennepe-Ruhr-Kreis
befanden: Eher sollte man auf Kooperationen setzen und sich die Kompetenz
Dritter dazu holen." (EN-Kreis 2008 : 24)
2.) Strukturelle Anpassung von Wohnungen und Wohnumfeld
Dazu zählen strukturelle Wohnraumanpassung, barrierefreier Neubau, die
Gründung von Nachbarschaftshilfevereinen sowie die altengerechte
Wegeplanung mit der Schaffung von Treffpunkten (Sitzgelegenheiten,
Hauseingangsbereiche).
78
Zu unterscheiden ist zwischen ökonomisch
realistischen: seniorenfreundlichen = barrierearmen, rollstuhlgeeigneten,
barrierefreien und rollstuhlgerechten = DIN-NORM - adäquaten
Wohnungsanpassungsmaßnahmen im Bestand (Erdgeschosswohnung, bzw.
komplette Sanierung bei vorhandenen Aufzügen) einschliesslich des
Wohnumfeldes.
3.) Schaffung besonderer Wohnangebote für ältere Menschen
Hierunter fallen Betreutes Wohnen, Gemeinschaftliches Wohnen,
Pflegewohngruppen im Quartier und Demenz - WGs. Anvisiertes Ziel der
wohnungswirtschaftlichen Maßnahmen stellt der Verbleib älterer Mieter in der
angestammten Wohnung/im Bestand auch bei zunehmendem Hilfebedarf dar.
79
4.1 Beispiel für Betreutes Wohnen im Bestand im Kreis Steinfurt
Der genossenschaftliche Wohnungsvereins Rheine realisiert ,,Betreutes Wohnen
im Bestand" mit Quartiersbezug im Rheinenser Stadtteil ,,Dohrenkamp" vor dem
Hintergrund eines sanierungsbedürftigen Wohnungsbestandes (ca. 3000
Einheiten) und einer überalterter Mieterschaft (35,7% über 65 Jährige
76
Narten 2004 : 30f u. 120
77
Enquetekommission 2004: 16
78
Narten 2004 : 121
79
Narten 2004 : 123f

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Genossenschafts-Mieter bei 16,4% Über-65-Jährige in der Rheinenser
Wohnbevölkerung). Projektbeteiligte sind neben der Stadt Rheine der ambulante
Pflegedienst ,,Sozialstation Woltering" durch eine neue stationäre
Pflegeeinrichtung und die stationäre Altenhilfeeinrichtung ,,St. Josef" mit
ambulanter Pflege. Zu den Konzeptbausteinen gehört: barrierefreie
Wohnungsanpassung im Bestand/Neuerrichtung barrierefreiem Wohnraums für
Senioren mit Gemeinschaftsraum und Kantine, Errichtung eines
Gesundheitszentrums mit Praxen, Apotheken und stationärer Pflege, einem
sozialarbeiterisch besetztem Seniorenberatungsbüro ,,AUXIO", fußläufiger
Erreichbarkeit von Infrastruktureinrichtungen und einem Begegnungszentrum mit
einem Förderverein für ehrenamtliche Seniorenarbeit.
80
Mit diesem Konzept
deckt der Wohnungsverein Rheine alle 3 Stufen des Modells von Narten ab.
4.2 Beispiel für Wohnbegleitende Dienstleistungen im Kreisgebiet
Das mittelständische Wohnungsunternehmen ,,Sahle Wohnen" mit Sitz in Greven
vermarktet ca. 23.000 vorrangig öffentlich geförderte Wohnungen mit
Schwerpunkt in NRW und betreibt an den Standorten Dorsten und Essen
Betreutes Wohnen.
81
Im Jahr 2000 wurde die gemeinnützige Dienstleistungs-
gesellschaft ,,parea" gegründet, bei der sozialpädagogische Kräfte
wohnbegleitende Dienstleistungen für die Zielgruppen: Kinder, Jugendliche,
Frauen, Migranten und Senioren anbieten. Unter den Leitworten ,,Hilfe zur
Selbsthilfe, Bewohnergruppen, Werkstätten für bessere Nachbarschaft und
Kooperation" werden Gruppen- und Einzelangebote zur Ansprache, Aktivierung
und Beteiligung der Mieter durchgeführt. Angebote für Senioren
(Seniorenfrühstück, Gymnastik, Sozialberatung) finden sich im Kreisgebiet an
den Standorten Greven und Steinfurt.
82
Nach der Nomenklatur von Narten
umfasst das Grevener Konzept die Stadien 1 und deckt teilweise das Stadium 2
ab.
80
Münsterländische Volkszeitung Rheine: 18.01.2008; Münstersche Zeitung Rheine: 26.03.2009)
81
Sahle Wohnen GmbH (2009) Online im Internet: URL:http://www.sahle-
online.de/sahle/img/download/pdf/info_portrait.pdf (Stand 15.01.2009)
82
parea-Dienstleistungs GmbH (2009) Online im Internet: URL: http://www.parea.de/index.htm
(Stand: 15.01.2009)

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29
5 Betreutes Wohnen
5.1. Definition des Betreuten Wohnens
Betreutes Wohnen, hier synonym gebraucht für Service Wohnen, stellt eine
Wohn- und Betreuungsform für Senioren dar mit besonderen Wohn-, Vertrags-,
Betreuungs- und Dienstleistungsformen im Rahmen alternativer Wohnformen.
Auf theoretischer Ebene liegt keine einheitliche Definition für Service-Wohnen
vor. Landesweite Qualitätssiegel wie in Baden-Württemberg und NRW, sowie die
DIN-NORM kreieren lediglich eine nicht rechtsverbindliche Mindestanforderung.
Auf materieller Ebene der Einrichtungen existieren eine Vielzahl nicht
kongruenter Begrifflichkeiten und Organisationsformen. KREMER-PREISS
definiert: "Hier werden in sehr unterschiedlicher Form altersgerechte
Wohnangebote und Betreuungsleistungen miteinander gekoppelt. Im Idealfall
mietet der Bewohner eine zentral gelegene barrierefreie und altengerechte
Wohnung, meist in einer speziellen Wohnanlage. Darüber hinaus muss er ein
Paket von Grundleistungen des Betreuungsservices
abnehmen, für die monatlich
eine sog. Betreuungspauschale zu entrichten ist. Diese Grundbetreuung umfasst
i.d.R. Beratungs- und Informationsleistungen
sowie die Notrufsicherung.
Zusätzlich werden Wahlleistungen ­ wie Mahlzeiten, Reinigungs- und
Pflegeleistungen angeboten, die bei Bedarf in Anspruch genommen werden
können und zusätzlich bezahlt werden müssen. Die Bewohner schließen einen
Miet- und Betreuungsvertrag." (Kremer-Preiss 2003 :19)
.
Abb. 2 : Drei Säulen des Betreuten Wohnens
Darstellung: Eigene Darstellung
Betreutes Wohnen gehört somit zur Gruppe der Sonderwohnformen, angesiedelt
zwischen dem Wohnen im Bestand und der stationären Heimpflege. Interne
Strukturmerkmale des Betreuten Wohnens bilden: das Bauwerk und das Umfeld,
Grund- und Wahlservice sowie die Vertragsgestaltung.
83
83
Kuratorium Qualitätssiegel NRW 2006: 3
Die drei Säulen des Betreuten Wohnens:
Altengerechte
Wohnung
Grundservice
insbesondere
Betreuung
Wahlleistungen

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30
Ziel des Betreuten Wohnens ist es, eine möglichst lange, selbstständige
Haushalts- und Lebensführung zu ermöglichen, Selbstständigkeit, Sicherheit,
Partizipation am sozialen Leben zu gewährleisten und dadurch eine
Heimeinweisung zu vermeiden bzw. aufzuschieben.
84
5.1.1 Einrichtungstypen
In der wissenschaftlichen Literatur finden sich verschiedene Systematisierungs-
versuche. Sie rekurrieren mehrheitlich auf den Dienstleistungsbezug und die
Organisationsform der Einrichtungen. Inhaltlich fehlen ihnen häufig
Abgrenzungskriterien zur Binnendifferenzierung, um trennscharf den
intransparenten Feldbefund zu validieren.
Der 3. Altenbericht der Bundesregierung systematisiert die verschiedenen
Einrichtungstypen des Betreuten Wohnens nach den Kriterien Leistungs- und
Organisationsform: Typ 1 eigenständige Wohnanlage mit Service-Büro, Typ 2
eigenständige Wohnanlage mit integrierten Serviceleistungen, Typ 3
heimverbundene Wohnprojekte, Typ 4 Hotelverbund, Typ 5
Wohnstifte/Seniorenresidenzen.
85
Bei LIND findet sich eine Synopse
unterschiedlicher Einteilungsversuche: a) Einteilung nach Organisationsstruktur:
heimgebundene, integrierte oder externe Dienstleistungen. b) Einteilung nach
Leistungsumfang- und Dichte: Leistungsstufe 1: altengerechter Wohnraum mit
marginaler Organisation, Leistungsstufe 2: umfangreiche betreuende und
hauswirtschaftliche Hilfen, Leistungsstufe 3: zusätzliche pflegerische Hilfen
(Verbleib bei stärkerer Pflegebedürftigkeit bis zum Tod) c) Einteilung nach
Ausstattungsgrad bzw. Kosten: einfacher Standard, mittlerer Standard,
gehobener/ Luxus-Standart.
86
FIEDLER nimmt eine Einteilung nach Leistungs-
und Betreuungskonzeptionen vor und unterscheidet zwischen Servicemodellen
und Betreuungsmodellen. Zu Servicemodellen zählt er: Service Büro extern,
Service-Büro integriert, integrierte Serviceleistungen, Hotelinfrastruktur. Unter
Betreuungsmodellen subsumiert er: Heimverbunden, sozialpädagogische
Angebote, pauschale Leistungen.
87
KRINGS-HECKEMEYER differiert nach dem
Grad der Selbstständigkeit bzw. professioneller Hilfe: Wohnprojekte mit
flankierenden Serviceangeboten, Wohnprojekte mit integrierten Service-
angeboten, Wohnprojekte im Pflegeheimverbund, Wohnprojekte im
84
Jenkis 2001 :880
85
Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend 2001: 250
86
Lind 2005: 34f.
87
Fiedler 2007: 7

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Hotelverbund.
88
SAUP unterscheidet nach: Seniorenwohnung ohne Betreuung,
solitärem betreutem Wohnen, Wohnanlagen mit integriertem Stützpunkt,
heimverbundenem Betreutem Wohnen mit oder ohne Betreuungskraft
89
In der vorliegenden Untersuchung kommt das Unterscheidungsmerkmal
organisatorische Anbindung zum Einsatz als vergleichsweise valide und reliabel
mit den Kriterien: solitär, Stützpunkt, Heimanbindung, Hotel-/Residenzcharakter.
Solitäre Einrichtungen bestehen im Wesentlichen aus altengerechten
Wohnungen. Dienstleister (Hausmeister, Betreuung) kommen von außerhalb.
Häuser mit Stützpunkt bieten als Anlaufstelle ein mehrstündlich betriebenes
Büro/Lobby/ambulanten Pflegedienst im Haus. Betreutes Wohnen mit
Heimanbindung ist gekennzeichnet durch die räumliche/organisatorische Nähe
zu einer stationären Altenpflegeinrichtung. Hotel-/Residenzcharakter bezeichnet
die Vorhaltung einer Vollversorgung vor Ort, zumeist durch ein Pflegeheim.
Abb. 3 : Einrichtungstypen des Betreuten Wohnens
Einrichtungstypen des Betreuten Wohnens
solitäre Anlagen
Stützpunkt-Anlagen
Heimanbindung
Hotel-/Residenzcharakter
Eigene Darstellung
Zu unterscheiden sind fernerhin das Zwei-Seiten-Vertragsmodell zwischen Mieter
und Vermieter/Betreuungsgeber in einer (juristischen) Person sowie Drei-Seiten-
Verträge zwischen Mietern, Vermietern und externen, dritten Betreuungsgebern.
Im Vertragsverhältnis ist zu unterscheiden zwischen der additiven Vertragsform
aus Miet- und separatem Betreuungsvertrag sowie der kumulativen Vertragsform,
in der Miet- und Betreuungsangelegenheiten in einem Vertrag zusammengefasst
werden.
5.1.2 Architektonische Erfordernisse
Die Funktion des Betreuten Wohnens, Selbstständigkeit und Sicherheit
eigenständiger Lebensführung zu ermöglichen, ruht auf zwei Konstanten: der
88
Empirica 2003: 3
89
Saup 2003: 38

Details

Seiten
Erscheinungsform
Originalausgabe
Jahr
2009
ISBN (eBook)
9783836644969
DOI
10.3239/9783836644969
Dateigröße
6.5 MB
Sprache
Deutsch
Institution / Hochschule
Hamburger Fern-Hochschule – Gesundheit/Pflege, Studiengang Pflegemanagement
Erscheinungsdatum
2010 (April)
Note
2,0
Schlagworte
betreutes wohnen senioren steinfurt raum pflegemanagement
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Titel: Betreutes Wohnen für Senioren
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