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Untersuchung zur motorischen Leistungsfähigkeit luxemburger Vorschulkinder

©2005 Diplomarbeit 153 Seiten

Zusammenfassung

Inhaltsangabe:Einleitung:
Gegenstand der vorliegenden Diplomarbeit ist die Untersuchung der motorischen Leistungsfähigkeit luxemburger Vorschulkinder. Die Versuche, Lern-, Leistungs- und Entwicklungsprozesse angemessen zu beschreiben, ist nach Bös so alt wie die Geschichte der Menschheit. In den letzten Jahren haben Kinder bzw. die Zeit der Kindheit für die wissenschaftliche Forschung an Attraktivität gewonnen. Besonders die Diskussion um die Aktivität und Fitness der heutigen Kindergeneration verglichen mit früheren Kindergenerationen trifft nach Bös auf eine breite Resonanz.
Bezüglich der Frage, ob die veränderten Lebensbedingungen von Kindern zu einer Verschlechterung der motorischen Lebensbedingungen geführt haben erklärt Gaschler, dass die Studien in den letzten Jahren zugenommen haben, aber immer noch nicht in ausreichender Zahl vorliegen, um konkrete Aussagen treffen zu können.
Illi betont, dass die von uns Menschen selbst erzeugte bewegungsfeindliche Umwelt und das damit im Zusammenhang stehende Arbeits- und Freizeitverhalten auf Dauer unserer Gesundheit nicht zuträglich ist. Nach Hurrelmann besteht deshalb Anlass zur Sorge um das körperliche, seelische und soziale Wohl der Kinder. Ärzte bescheinigen vielen Kindern Haltungsschwächen, Übergewicht und Bewegungsauffälligkeiten. Auch Graf, Koch, Petrasch & Dordel betonen, dass bei Bewegungsmangel im Kindesalter die gleichen negativen Folgen wie im Erwachsenalter entstehen. Dazu gehören Herzkreislauferkrankungen, Übergewicht, Überbelastung des Halte- und Bewegungsapparates und Isolation. Als Ursache für die ansteigende Zahl haltungsgeschwächter und übergewichtiger Kinder kann Bewegungsmangel angenommen werden. In Deutschland sind nach Ziroli & Doring, je nach Definition, bis zu 20 % aller Kinder und Jugendlichen übergewichtig. Die Prävalenz der Adipositas nimmt weltweit in allen Industrienationen zu.
Sönnichsen, Weineck und Köstermeyer wiesen in ihrer Studie nach, dass bereits bei Schulanfängern zu einem hohen Prozentsatz kardiovaskuläre Risikofaktoren gefunden werden.
Bewegung ist ein Grundbedürfnis des Menschen. Kinder erschließen durch Bewegung ihre Welt und gewinnen so vielfältige Einsichten über sich und ihre Umwelt. Bewegungsfähigkeit sowie seelische und kognitive Entwicklung hängen eng zusammen und beeinflussen sich gegenseitig. Schaffner betont, dass die widersinnige Trennung von Körper, Geist und Seele in der heutigen kopflastigen Zeit erkannt und korrigiert werden muss.
Um die […]

Leseprobe

Inhaltsverzeichnis


Véronique Majerus
Untersuchung zur motorischen Leistungsfähigkeit luxemburger Vorschulkinder
ISBN: 978-3-8366-4494-5
Herstellung: Diplomica® Verlag GmbH, Hamburg, 2010
Zugl. Universität des Saarlandes, Saarbrücken, Deutschland, Diplomarbeit, 2005
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© Diplomica Verlag GmbH
http://www.diplomica.de, Hamburg 2010

Inhaltsverzeichnis
1
E
INLEITUNG
... 7
2
T
HEORETISCHE
A
UFARBEITUNG DES
P
ROBLEMFELDES
... 9
2.1
Grundlagen der Entwicklung im Vorschulalter ... 9
2.1.1
Definition von Entwicklung ... 9
2.1.2
Physiologische Entwicklung ...11
2.1.3
Motorische Entwicklung ...15
2.1.4
Kognitive Entwicklung ...20
D
IE
E
NTWICKLUNG DER
I
NTELLIGENZ UND DES
D
ENKENS
... 22
2.1.5
Soziale Entwicklung ...24
2.1.6
Zusammenfassung ...27
2.2
Veränderte Kindheit und ihre Folgen ... 29
2.2.1
Kindheit im Wandel ...29
2.2.2
Verändert sich die motorische Leistungsfähigkeit von Kindern? ...32
2.2.3
Bisherige Studien zur motorischen Leistungsfähigkeit von Kindern ...34
2.2.4
Folgen von Bewegungsmangel im Kindesalter ...46
2.2.5
Maßnahmen für eine kindgerechte Entwicklung ...49
2.2.6
Zusammenfassung ...51
2.3
Projekt ,,Kids in Bewegung"
... 54
2.3.1
Projektkonzept ...54
2.3.2
Ziel: Aufwertung der Bewegungsfrühförderung ...55
2.3.3
Praktische Zielsetzungen ...55
2.3.4
Inhalte ...55
2.3.5
Förderungsbedingungen ...56
2.3.6
Untersuchung im Rahmen des Projekts ,,Kids in Bewegung"
...56

2.3.7
Zusammenfassung ...59
2.4
Problematisierende Zusammenfassung ... 60
3
D
ARSTELLUNG DER EMPIRISCHEN
U
NTERSUCHUNG
... 62
3.1
Zentrale Fragestellungen ... 62
3.2
Untersuchungsmethodik ... 62
3.2.1
Personenstichprobe ...63
3.2.2
Variablenstichprobe ...64
3.2.3
Ablauf der Untersuchung ...89
3.3
Operationalisierte bzw. statistische Hypothesen ... 93
3.4
Statistik ... 94
4
E
RGEBNISSE
... 95
4.1
Ergebnisse der Untersuchung ... 95
4.1.1
Der Summenscore der Kindergärten ...95
4.1.2
Mittelwert des Standardwertes ...96
4.1.3
Vergleich der Mittelwerte des Standardwertes von Jungen und Mädchen ...96
4.1.4
Klassifikation der motorischen Leistung ...97
4.2
Motorische Untersuchung ... 99
4.2.1
Ergebnisse der einzelnen Testaufgaben ...99
4.2.2
Motorische Dimensionen ... 105
4.2.3
Ergebnisse von 1980 und 2005... 113
4.2.4
Vergleich der Ergebnisse von Stadt- und Landkindern ... 116
4.2.5
Vergleich der motorischen Leistungsfähigkeit und der Mitgliedschaft in
einem Verein ... 118
4.3
Motorische Untersuchung und Fragebogen ... 121
4.3.1
Zusammenhang zwischen der motorischen Leistungsfähigkeit und der
Anzahl der Bewegungsaktivitäten der Kinder ... 121

4.3.2
Zusammenhang zwischen der motorischen Leistungsfähigkeit und den
Sportaktivitäten des sozialen Umfeldes des Kindes ... 123
4.3.3
Zusammenhang zwischen der motorischen Leistungsfähigkeit und den
allgemeinen schulischen Leistungen der Kinder ... 125
4.3.4
Zusammenhang zwischen der motorischen Leistungsfähigkeit und dem
Körpergewicht der Kinder ... 126
4.3.5
Interesse der Kinder an Bewegungsaktivitäten ... 127
5
D
ISKUSSION
... 129
5.1
Ergebnisse der Untersuchung ... 129
5.1.1
Unterschied zwischen der durchschnittlich erreichten Punktzahl bei Jungen
und Mädchen ... 129
5.1.2
Ergebnisse von 1980 und 2005 im Vergleich ... 132
5.1.3
Ergebnisse von Stadt- und Landkindern im Vergleich ... 133
5.1.4
Ergebnisse von Kindern, die Mitglied in einem Verein sind, und Kindern die
nicht Mitglied in einem Verein sind im Vergleich ... 134
5.2
Überprüfung der Zusammenhangshypothesen ... 135
5.2.1
Zusammenhang zwischen der motorischen Leistungsfähigkeit und der
Anzahl der Sportaktivitäten der Kinder ... 135
5.2.2
Zusammenhang zwischen der motorischen Leistungsfähigkeit und den
Sportaktivitäten des sozialen Umfeldes des Kindes. ... 136
5.2.3
Zusammenhang zwischen der motorischen Leistungsfähigkeit und der
allgemeinen schulischen Leistungen der Kinder ... 136
5.2.4
Zusammenhang zwischen der motorischen Leistungsfähigkeit und dem
Körpergewicht der Kinder ... 137
5.2.5
Interesse an Bewegungsaktivitäten ... 138
6
Z
USAMMENFASSUNG UND
A
USBLICK
... 139
L
ITERATURVERZEICHNIS
... 144

Abbildungsverzeichnis
Abbildung 1: Entwicklungsebenen bei Kindern ...11
Abbildung 2: Entwicklung von der Kleinkindform zur Schulkindform (Kunz, 193, S . 34) ...12
Abbildung 3: Die Entwicklung der Intelligenz und des Denkens in fünf Stufen ...22
Abbildung 4: Erklärungsmodell für Bewegungsmangel (Kretschmer, 2003, S. 33) ...33
Abbildung 5: Balancieren rückwärts ...35
Abbildung 6: Monopedales Überhüpfen ...36
Abbildung 7: Seitliches Hin- und Herspringen ...37
Abbildung 8: Seitliches Umsetzen ...38
Abbildung 9: Grobklassifikation der motorischen Fähigkeiten nach dem MOT 4 - 6 nach
Zimmer & Volkamer in den Kooperationskindergärten (modifiziert nach Schneider,
2004, S. 78) ...58
Abbildung 10: Altersverteilung getrennt nach Halbjahresstufen (n = 110) ...64
Abbildung 11: Testsaal ...67
Abbildung 12: Sprung in einen Reifen...67
Abbildung 13: Balancieren vorwärts...68
Abbildung 14: Punktieren (Tapping) ...69
Abbildung 15: Mit den Zehen ein Tuch aufgreifen ...71
Abbildung 16: Seil seitlich überspringen ...72
Abbildung 17: Stab auffangen ...74
Abbildung 18: Tennisbälle in Kartons legen ...75
Abbildung 19: Balancieren rückwärts ...76
Abbildung 20: Zielwurf auf eine Scheibe ...77
Abbildung 21: Streichhölzer einsammeln ...78
Abbildung 22: Durch einen Reifen winden ...79
Abbildung 23: Einbeiniger Sprung in den Reifen ...80
Abbildung 24: Tennisring auffangen ...81
Abbildung 25: Hampelmannsprung ...82
Abbildung 26: Sprung über ein Seil ...84
Abbildung 27: Rollen um die Längsachse ...85
Abbildung 28: Aufstehen und Setzen mit Halten eines Balles ...86
Abbildung 29: Drehsprung in einen Reifen ...87

Abbildung 30: Zeitlicher Ablauf der Untersuchung...91
Abbildung 31: Häufigkeiten des Summenscores der sieben Kindergärten ...95
Abbildung 32: Vergleich der Mittelwerte des Standardwertes zwischen Jungen (n = 52 und
Mädchen (n = 58) ...97
Abbildung 33: Motorische Leistung (n = 110) ...98
Abbildung 34: Unterschiede der durchschnittlich erreichten Punktzahl zwischen Jungen ( n =
52) und Mädchen ( n = 58) ... 103
Abbildung 35: Vergleich der motorischen Dimensionen zwischen Jungen und Mädchen (n =
110) ... 106
Abbildung 36: Gewandtheit und Koordinationsfähigkeit ... 107
Abbildung 37: Feinmotorische Geschicklichkeit ... 108
Abbildung 38: Gleichgewichtsvermögen ... 109
Abbildung 39: Reaktionsfähigkeit ... 110
Abbildung 40: Sprungkraft ... 111
Abbildung 41: Bewegungsgeschwindigkeit ... 112
Abbildung 42: Bewegungssteuerung ... 113
Abbildung 43: Vergleich der Kinder 1980 (n = 692) und 2005 (n = 110) ... 114
Abbildung 44: Vergleich der Mittelwerte 1980 (n = 692) mit 2005 (n = 110) ... 115
Abbildung 45: Motorische Dimensionen der Leistungsfähigkeit von Stadt- (n = 64) und
Landkinder (n = 46) im Balkendiagramm ... 118
Abbildung 46: Vergleich der Mittelwerte der einzelnen Testaufgaben mit der Mitgl iedschaft im
Verein ... 119
Abbildung 47: Häufigkeitsverteilung in Prozent der einzelnen Sportaktivitäten der Kinder .. 122
Abbildung 48: Anzahl der sportlich aktiven Personen im sozialen Umfeld der Kind er ... 124
Abbildung 49: Ergebnis der allgemeinen schulischen Leistung der getesteten Kinder (n =
110) ... 125
Abbildung 50: Interesse der Kinder an Bewegungsaktivitäten ... 128

Tabellenverzeichnis
Tabelle 1: Klassifikation der motorischen Leistung im Körperkoordinationstest ...38
Tabelle 2: Ergebnisse des Körperkoordinationstest...39
Tabelle 3: Antropometrische Daten der Kinder (Graf et. al., 2003, S. 38) ...41
Tabelle 4: Ergebnisse des KTK (MQ = motorischer Quotient) und des 6 -Minuten-Laufes (in
Metern) bei Jungen und Mädchen bzw. der Gesamtgruppe (MW = Mittelwert; s =
Standartabweichung) (Graf et. al., 2003, S. 39) ...42
Tabelle 5: Testverfahren und ihre Bewertungskriterien ...44
Tabelle 6: Soziokulturelle Faktoren ...45
Tabelle 7: Klassifikation der motorischen Leistung nach Zimmer & Volkamer ...46
Tabelle 8: Aufgaben des "MOT 4 - 6"...57
Tabelle 9: Auflistung der beteiligten Kindergärten ...63
Tabelle 10: Gebiete der Kindergärtenstichprobe ...64
Tabelle 11: Einordnung der Items in verschiedene motorische Dimensionen ...66
Tabelle 12: Genauer zeitlicher Ablauf der Untersuchung ...92
Tabelle 13: Verwendete Signifikanzstufe ...94
Tabelle 14: Mittelwert der Summenscore der Kindergärten ...95
Tabelle 15: Klassifikation der motorischen Leistung nach Zimmer & Volkamer ...96
Tabelle 16: Punkteverteilung nach Zimmer & Volkamer ...99
Tabelle 17: Ergebnisse der einzelnen Aufgabe ... 101
Tabelle 18: Signifikanzuntersuchung zwischen Jungen und Mädchen (n = 110) ... 104
Tabelle 19: Einordnung der Items in verschiedene motorische Dimensionen... 105
Tabelle 20: Vergleich der Mittelwerte der Testaufgaben getrennt nach Halbjahresstufen 1980
und 2005 ... 115
Tabelle 21: Mittelwerte der Summenscore von Stadt- und Landkindern ... 116
Tabelle 22: Mittelwerte der motorischen Dimensionen zwischen Stadt- und Landkindern ... 117
Tabelle 23: Prozentuale Vereinsmitgliedschaft der getesteten Kinder ... 119
Tabelle 24: Ergebnisse der einzelnen Testaufgaben ... 120
Tabelle 25: Häufigkeitsverteilung der Motorikergebnisse bei Kindern (n = 110) mit
unterschiedlicher Anzahl der Sportaktivitäten ... 123
Tabelle 26: Häufigkeitsverteilung der Motorikergebnisse der Kinder (n = 110) im
Zusammenhang mit der Anzahl sportlich aktiver Personen ihres sozialen Umfeldes .. 124
Tabelle 27: Häufigkeitsverteilung der Motorikergebnisse der Kinder (n = 110) im
Zusammenhang mit den erreichten allgemeinen Schulleistungen. ... 126

Tabelle 28: Gewichtsklassen differenziert nach Geschlecht (n = 110)... 126
Tabelle 29: Häufigkeitsverteilung der Motorikergebnisse der Kinder (n = 110) im
Zusammenhang mit dem Körpergewicht. ... 127

Majerus Véro: Untersuchungen zur motorischen Leistungsfähigkeit luxemburger Vorschulkinder
7
1
Einleitung
Gegenstand der vorliegenden Diplomarbeit ist die Untersuchung de r motori-
schen Leistungsfähigkeit luxemburger Vorschulkinder. Die Versuche, Lern -,
Leistungs- und Entwicklungsprozesse angemessen zu beschreiben, ist nach
Bös (2004, S. 7) so alt wie die Geschichte der Menschheit. In den letzten Ja h-
ren haben Kinder bzw. die Zeit der Kindheit für die wissenschaftliche For-
schung an Attraktivität gewonnen. Besonders die Diskussion um die Aktivität
und Fitness der heutigen Kindergeneration verglichen mit früheren Kinderge-
nerationen trifft nach Bös (2003, S. 10) auf eine breite Resonanz.
Bezüglich der Frage, ob die veränderten Lebensbedingungen von Kindern zu
einer Verschlechterung der motorischen Lebensbedingungen geführt haben e r-
klärt Gaschler (2001, S. 5), dass die Studien in den letzten Jahren zugeno m-
men haben, aber immer noch nicht in ausreichender Zahl vorliegen, um kon-
krete Aussagen treffen zu können.
Illi (1993, S. 11) betont, dass die von uns Menschen selbst erzeugte bew e-
gungsfeindliche Umwelt und das damit im Zusammenhang stehende Arbeits -
und Freizeitverhalten auf Dauer unserer Gesundheit nicht zuträglich ist. Nach
Hurrelmann (1990, S. 58) besteht deshalb Anlass zur Sorge um das körperl i-
che, seelische und soziale Wohl der Kinder. Ärzte bescheinigen vielen Ki n-
dern Haltungsschwächen, Übergewicht und Bewegungsauffälligkeit en
(Köckenberger, 1999, S. 30). Auch Graf, Koch, Petrasch & Dordel (2003, S.
38) betonen, dass bei Bewegungsmangel im Kindesalter die gleichen negativen
Folgen wie im Erwachsenalter entstehen. Dazu gehören Herzkreislauferkra n-
kungen, Übergewicht, Überbelastung des Halte- und Bewegungsapparates und
Isolation. Als Ursache für die ansteigende Zahl haltungsgeschwächter und
übergewichtiger Kinder kann Bewegungsmangel angenommen werden. In
Deutschland sind nach Ziroli & Doring (2003, S. 248), je nach Definition, b is
zu 20 % aller Kinder und Jugendlichen übergewichtig. Die Prävalenz der
Adipositas nimmt weltweit in allen Industrienationen zu.
Sönnichsen, Weineck und Köstermeyer (1997, S. 5) wiesen in ihrer Studie
nach, dass bereits bei Schulanfängern zu einem hohen Prozentsatz kardiovas-
kuläre Risikofaktoren gefunden werden.
Bewegung ist ein Grundbedürfnis des Menschen. Kinder erschließen durch
Bewegung ihre Welt und gewinnen so vielfältige Einsichten über sich und ihre
Umwelt. Bewegungsfähigkeit sowie seelische und kognitive Entwicklung hän-
gen eng zusammen und beeinflussen sich gegenseitig (Schaffner, 1992, S.
129). Schaffner (1992, S. 129) betont, dass die widersinnige Trennung von

Majerus Véro: Untersuchungen zur motorischen Leistungsfähigkeit luxemburger Vorschulkinder
8
Körper, Geist und Seele in der heutigen kopflastigen Zeit erkannt und korr i-
giert werden muss.
Um die Ergebnisse der Untersuchung und die Entwicklung von Kindern besser
nachvollziehen zu können werden im ersten, theoretischen Teil die
Grundlagen der Entwicklung von Vorschulkindern dargestellt. Darüber hinaus
wird im Kapitel 2.2.2 ein Vergleich zwischen der Kindheit früher mit der
Kindheit heute vorgenommen. Hat sich die motorische Leistungsfähigkeit der
Kinder verändert? Diese Frage wird in Kapitel 2.2.3 diskutiert. Im Anschluss
werden einige Studien über die motorische Leistungsfähigkeit heutiger Kinder
dargestellt. Aufgrund fehlender Studien über luxemburger Vorschulkinder,
wurden drei Studien aus Deutschland und eine aus Schottland ausgewählt. Des
Weiteren werden die Folgen der veränderten Kindheit zusammenfassend
erläutert, sowie einige Maßnahmen für eine kindgerechte Erziehung
aufgelistet. Das Kapitel 2.3 stellt das Projekt ,,Kids in Bewegung" vor und
liefert erste Ergebnisse der durchgeführten Untersuchung. Weiterhin erfolgt in
Kapitel 3 eine Beschreibung und Darstellung der Untersuchung. Im
empirischen Teil der Arbeit wird untersucht, ob sich die motorische
Leistungsfähigkeit der luxemburger Vorschulkinder verändert hat. Zusätzlich
wird der Vergleich zwischen Jungen und Mädchen in den einzelnen
Testaufgaben dargestellt. Die gewonnenen Daten werden anschließend mit der
Normtabelle von 1980 verglichen und ausgewertet. Des Weiteren erfolgt ein
Vergleich bezüglich der motorischen Leistungsfähigkeit von Stadt - und
Landkindern. Da die physiologischen, motorischen, kognitiven und sozialen
Funktionen in einem engen Zusammenhang stehen, werden einige
Zusammenhänge im Kapitel 4.3 überprüft. Die gewonnenen Resultate der
Untersuchung werden in Kapitel 5 diskutiert. Abschließend erfolgt in Kapitel
6 eine Zusammenfassung und ein Ausblick auf die zu erwartenden zukünftigen
Entwicklungen.

Majerus Véro: Untersuchungen zur motorischen Leistungsfähigkeit luxemburger Vorschulkinder
9
2
Theoretische Aufarbeitung des Problemfeldes
Zielsetzung der Diplomarbeit ist, Ergebnisse über die motorische Leistungsf ä-
higkeit luxemburger Vorschulkinder vorzustellen. Untersucht wurde die Frage,
ob die motorische Leistungsfähigkeit heutiger Kinder aufgrund von veränder-
ten Lebensbedingungen abnimmt. Zunächst werden die Grundlagen der En t-
wicklung von Kindern im Vorschulalter erläutert, um deren physiologische
motorische, kognitive und soziale Entwicklung besser zu verstehen. Grund-
sätzlich gilt, dass die physiologischen, motorischen, kognitiven und sozialen
Funktionen in einem engen Zusammenhang stehen. Diese Zusammenhänge
werden im empirischen Teil überprüft. Der Vergleich zwischen heutiger Kin d-
heit und der Kindheit von früher wird anschließend vorgenommen. Entschei-
dend sind die heutigen Kenntnisse über die Folgen, die eine Vernachlässigung
der motorischen Entwicklung bei Vorschulkindern mit sich bringen. Des We i-
teren werden Maßnahmen aufgelistet. Im Kapitel 2.3 wird das Projekt ,,Kids in
Bewegung" vorgestellt.
2.1
Grundlagen der Entwicklung im Vorschulalter
Um die Entwicklung von Vorschulkindern besser nachvollziehen zu können
werden im folgenden Kapitel die Grundlagen der physiologischen, motor i-
schen, kognitiven und sozialen Entwicklung dargestellt.
2.1.1 Definition von Entwicklung
Was verstehen wir unter Entwicklung? Bierhoff-Alfermann (1986, S. 93) defi-
nieren den Begriff der Entwicklung der Menschen folgendermaßen:
,,Entwicklung ist ein Prozess von miteinander in ursächlichem Zusam-
menhang stehenden, erklärbaren Veränderungen während des gesamten
Lebenslaufs eines Individuums. Diese Veränderungen sind von unte r-
schiedlicher Zeitdauer (kurz- bis langfristig) und von unterschiedlichem
Ausmaß (von relativer Konstanz bis hoher Variation) während eines Le-
benslaufs (intraindividuell) und im Vergleich zu anderen Personen (inte r-
individuell)" (Bierhoff-Alfermann, 1986, S. 93).
Nach Oerter (1980, S. 59) verläuft die Entwicklung in zwei Richtungen:
-
Differenzierung bedeutet, dass sich aus unkoordinierten Massenbewegun-
gen des Kleinkindes gezielte Einzelbewegungen und Bewegungskombina-
tionen entwickeln.
-
Verfestigung und Kanalisierung meinen, dass das Kind zwar einerseits un-
endlich viele Möglichkeiten der Bewegungsaktualisierung hat, die Vielfalt
dieser Möglichkeiten andererseits fortlaufend eingeschränkt wird. Das

Majerus Véro: Untersuchungen zur motorischen Leistungsfähigkeit luxemburger Vorschulkinder
10
Kind entfaltet mit fortschreitender Zeit bestimmte Interessen und wird auf
verschiedenen Gebieten, so z. B. des Sports, besonders leistungsfähig.
Ein heranwachsendes Kind wird nicht nur größer, schwerer und älter, sondern
auch stärker, geschickter und klüger. Es erlangt eine zunehmende Selbststä n-
digkeit und wird mit der Zeit zunehmend unabhängiger. Das Kind versucht
sich der Umgebung immer mehr anzupassen. Nach Kiphard (2002, S. 83) muss
sich das Kind schon früh im Gebrauch seiner Nerven und Muskeln üben. Es
beginnt kurz nach der Geburt zu schmecken, zu riechen, zu fühlen, zu sehen
und zu hören was in der Umwelt vor sich geht. Ohne Gedächtnis kann man
nichts von dem, was man sieht oder hört, wiedererkennen, einordnen und be-
greifen (Kiphard, 2002, S. 83). Kiphard (2002, S. 83) erklärt, dass dadurch
seine Sinnesbahnen zum Gehirn ,,durchgeschaltet" werden und Erinnerungen
an etwas Geschmecktes, Gefühltes, Gesehenes oder Gehörtes in den Hirnzellen
gespeichert werden. Nach Wessel (1994, S. 21) ist die Entwicklung eines Ind i-
viduums die Entfaltung eines ganzen, hochkomplexen und sensiblen Systems
von Kompetenzen. Die Individualität ist durch die Vielfalt der Kompetenzen
und der Möglichkeiten ihrer Verknüpfung unter der Voraussetzung der Verän-
derung in der Zeit erklärbar (Wessel, 1994, S. 21). Das Grundprinzip jeder
Entwicklung ist nach Stemme & Eickstedt (1998, S. 42) die Erhaltung des e i-
genen Lebens. Damit der Organismus überlebt ist er ständig gefordert, auf die
Impulse und Anforderungen aus der Umgebung regulierend zu antworten. Es
sind diese immer neuen Anpassungsprozesse die zusammen mit der biologi-
schen Reife den Entwicklungsverlauf vorantreiben (Stemme & Eickstedt,
1998, S. 42).
Die Abbildung 1 soll einen Überblick über die verschiedenen
Entwicklungsebnen geben, mit denen sich die nächsten Kapitel b eschäftigen.

Majerus Véro: Untersuchungen zur motorischen Leistungsfähigkeit luxemburger Vorschulkinder
11
ENTWICKLUNG
physiologische
motorische
kognitive
soziale
Körperhöhe
Kondition
Intelligenz
Peer-Group
Körpergewicht
Koordination
Familie
Körperbau
Beweglichkeit
Wohnort
Nervensystem
soziale Schicht
Herz-Kreislauf-System
Freizeitverhalten
Skelettmuskulatur
Abbildung 1: Entwicklungsebenen bei Kindern
2.1.2 Physiologische Entwicklung
Die Kenntnisse über die Entwicklung des kindlichen Körpers bildet die V o-
raussetzung um die Entstehung von motorischen Defiziten und deren Beh e-
bung verstehen zu können. Im folgenden Kapitel wird auf die Körperhöhe, -
gewicht, -bau, das Nervensystem, das Herz-Kreislauf-System, sowie die
Entwicklung der Muskulatur von Vorschulkindern eingegangen.
2.1.2.1 Körperhöhe, -gewicht und -bau
Zwischen dem 3. und dem 6. Lebensjahr ist bei den Kindern eine starke Ve r-
änderung der Größe, des Gewichts und des Körperbaus zu beobachten: So
nimmt die Körperhöhe jährlich um 4 - 6 cm zu (zwischen 3 und 6 Jahren ins-
gesamt um ca. 17 %). Parallel dazu steigt das Gewicht der Kinder um 30 - 33
% an. Es gibt zwischen Jungen und Mädchen im Kindergartenalter bereits Un-
terschiede in der Größen- und Gewichtsveränderung: Jungen sind in diesem
Alter schwerer und auch größer (Kunz, 1993, S. 33). Der Körperbau der Ki n-
der entwickelt sich parallel zur Entwicklung von Größe und Gewicht (Kunz,
1993, S. 34). Man findet bei jüngeren Kindergartenkindern einen überpropor-
tionalen Kopf, einen relativ großen, sackförmigen Rumpf ohne erkennbare
Taille, verhältnismäßig kurze Arme und Beine, einen vorgewölbten Bauch,
hängende Schultern sowie eine noch schwach ausgebildete Muskulatur. Diese
Körperform wird ,,Kleinkindform" genannt (Kunz, 1993, S. 34).

Majerus Véro: Untersuchungen zur motorischen Leistungsfähigkeit luxemburger Vorschulkinder
12
Abbildung 2 zeigt die Entwicklung von der Kleinkindform zur Schulkin dform.
Abbildung 2: Entwicklung von der Kleinkindform zur Schulkindform (Kunz,
193, S. 34)
Der Körperbau ändert sich ab einem Alter von vier Jahren zur so genannten
,,Schulkindform". Nach Kunz (1993, S. 34) zeichnet sie sich durch eine Str e-
ckung des Rumpfes, relativ längere Arme und Beine, einen relativ kleineren
Kopf sowie durch eine Herausbildung der Abschnitte des Rumpfes (Brustkorb,
Hüfte und Taille) aus.

Majerus Véro: Untersuchungen zur motorischen Leistungsfähigkeit luxemburger Vorschulkinder
13
2.1.2.2 Das Nervensystem
Das Nervensystem, welches für jede Bewegung ursächlich ist, verändert sich
zwischen dem dritten und sechsten Lebensjahr stark. Weineck (1997, S. 42)
verdeutlicht, dass die Gehirnentwicklung im Vergleich zum allgemeinen
Wachstum außergewöhnlich rasch verläuft. So erreicht das Kindergehirn mit
vier bis sechs Jahren bereits 90 - 95 % der Größe eines Erwachsenengehirns.
Das allgemeine Körperwachstum erreicht zu diesem Zeitpunkt vergleichsweise
noch nicht einmal die Hälfte des Erwachsenenwertes (Weineck, 1997, S. 42).
Kunz (1993, S. 37) verdeutlicht, dass komplexe Bewegungen umso besser
funktionieren, je mehr Muskelfasern gleichzeitig koordiniert werden können.
Diese Koordination wird durch eine ,,Verschaltung" von Nervenbahnen mitei-
nander möglich. So kommt es im Kindergartenalter zu einer zunehmenden
Differenzierung der Hirnzellen und zu einer Verzweigung und Verknüpfung
aller Nervenzellen im Gehirn. Diese Zusammenschaltung von Nervenbahnen
ist bei jüngeren Kindergartenkindern noch relativ schwach ausgeprägt. Die
Muskeln werden weitgehend unabhängig voneinander bewegt. Dadurch sind
diesen Kindern komplexe Bewegungen nur schwer möglich (Kunz, 1993, S.
37).
Das rasche Wachstum eines Organsystems ist nach Weineck (1997, S. 43) im-
mer mit einer erhöhten Plastizität bzw. Formbarkeit - aus sportlicher Sicht
würde man auch von Trainierbarkeit sprechen - verbunden. Dies bedeutet,
dass das Nervensystem vor allem im Kindesalter besonders günstig in seiner
Entwicklung und Leistungsfähigkeit zu beeinflussen ist (Weineck, 1997, S.
43).
Weiterhin kommt es zwischen dem dritten und sechsten Lebensjahr zu einem
zunehmenden Gleichgewicht zwischen Erregungs- und Hemmungsprozessen
im Nervensystem. Das Überwiegen von Erregungsprozessen bei jüngeren Kin-
dergartenkindern bedingt zahlreiche Mitbewegungen von Körperteilen, die zur
eigentlichen Bewegungsausführung nicht benötigt werden. So ist es den Ki n-
dern oft nicht möglich, eine Bewegung plötzlich abzustoppen. Die Bewegu n-
gen wirken dadurch überschießend und unkontrolliert (Kunz, 1993, S. 37). E i-
ne gut koordinierte Bewegung ist eine harmonische Bewegung, die sich durch
Ökonomie auszeichnet, indem nur die für die beabsichtigte Bewegung no t-
wendige Muskulatur Einsatz findet. Darüber hinaus ist eine gute Koordination
abhängig vom Lebensalter, von der entsprechenden Hirnreife, der individue l-
len Bewegungserfahrungen, sowie der Motivation für die Bewegung in einer
bestimmten Situation (Dordel, 2003, S. 19).

Majerus Véro: Untersuchungen zur motorischen Leistungsfähigkeit luxemburger Vorschulkinder
14
2.1.2.3 Herz-Kreislauf-System
Für die Ausführungen von Bewegungen ist auch die Entwicklung des Herz-
Kreislauf-Systems und des Atemsystems wichtig (Kunz, 1993, S. 37).
Alle inneren Organe passen sich nach der Geburt den neuen Belastungsve r-
hältnissen an. So zeigen die Herzen von Kindern, die nie laufen lernten, ge-
genüber denen, die normal laufen lernten, eine eindeutig schwächere Her z-
muskeldicke. Gleichzeitig mit dem Anstieg der körperlichen Fähigkeiten en t-
wickelt sich also das Herz-Kreislauf-System, um die neuen Anforderungen zu
erfüllen. Das Herz-Kreislauf-System des gesunden Kindes ist daher immer sei-
nen Fähigkeiten angepasst (Jüngst, 1993, S. 10).
Die Fähigkeit eine Leistung zu erbringen, hängt von der Möglichkeit ab, Ene r-
gie umzusetzen. Hierzu stehen ihm drei verschieden Energiequellen zu Ve rfü-
gung. Die wichtigste Energiequelle besteht in erster Linie in der Verbrennung
der Kohlenhydrate, in zweiter Linie von Fett. Neue Untersuchungen zeigen,
dass Kinder über eine höhere maximale Sauerstoffaufnahme verfügen (45 - 50
ml) als Erwachsene. Nicht nur der absolute Wert der maximalen Sauerstoff-
aufnahme ist beim Kind von Interesse, sondern die Unterschiede best ehen
auch in der Dynamik der Sauerstoffaufnahme. Bei Kindern stellt sich das e r-
forderliche steady-state der Sauerstoffaufnahme rascher ein als bei Erwachse-
nen. ,,Steady State" bezeichnet einen Gleichgewichtszustand physiologischer
Größen (z. B. im Bereich des Herz-Kreislauf-Systems) (De Marées, 2002, S.
90). Das eingegangene Sauerstoffdefizit ist damit geringer als beim Erwachse-
nen.
Untersuchungen belegen, dass bei Kindern schon vor der Pubertät ein deutli-
cher Ausdauertrainingseffekt zu beobachten ist. Diese höhere Leistungsfähi g-
keit des Kindes hat mehrere Gründe. Zum einen handelt es sich um ein D i-
mensionsproblem. Je kleiner in der Biologie ein Lebewesen, desto höher der
Anteil an biologisch aktivem Gewebe, desto höher die Stoffwechselrate und
desto geringer der Anteil an passivem Stützgeweben. Darüber hinaus besitzen
Kinder einen geringeren Anteil an Fettgewebe und sind im Allgemeinen nie in
gleicher Art und Weise ,,untrainiert" wie Erwachsene (Rost, 1989, S. 162 -
163).
2.1.2.4 Die Entwicklung der Muskulatur
Ab dem 4. Lebensjahr geht der Gewichtszuwachs vor allem auf das Wachstum
der Muskeln zurück. Das Muskelwachstum macht ab dem 5. Lebensjahr b e-
reits 75 % der Gewichtszunahme aus. Der Muskelanteil des Körpers ist gering,

Majerus Véro: Untersuchungen zur motorischen Leistungsfähigkeit luxemburger Vorschulkinder
15
er beträgt ungefähr 22 - 24 % des Körpergewichtes, gegenüber 40 % beim Er-
wachsenen. Bei jüngeren Kindergartenkindern sind die Rumpf-, Bauch- und
Armmuskeln sehr schwach entwickelt. Im Alter zwischen drei und sechs Jah-
ren verfügen die Jungen bereits über einen höheren Anteil an Muskeln und e i-
nen geringeren Anteil an Fettgewebe als Mädchen (Kunz, 1993, S. 37). Nickel
& Schmidt-Denter (1995, S. 38) bestätigen, dass die Muskulatur bei den
Mädchen schwächer entwickelt ist als bei den Jungen und sie eher zur Ausbi l-
dung von Fettgewebe neigen.
Auch Söll (1982, S. 86) verdeutlicht, dass sich bei fehlenden oder unzure i-
chenden Muskelreizen, die Muskulatur einerseits nicht optimal entwickelt und
andererseits die Fettbildung begünstigt.
Bei Kindern entwickeln sind zunächst die großen Muskeln. Die feinen Mu s-
keln bilden sich erst, wenn die großen Muskeln bis zu einem gewissen Grad
ausgebildet sind. Das bedeutet, dass sich zunächst die Grobmotorik entw i-
ckelt, später erst bei der Ausbildung der feinen Muskeln die Feinmotorik. Zur
Grobmotorik gehören Bewegungen und Bewegungsabläufe, die den ganzen
Körper oder zumindest große Teile mit einbeziehen (Kunz, 1993, S. 35).
Die Muskulatur ist in ihrer Entwicklung ganz entscheidend von der hormonel-
len Entwicklung abhängig. Das Kind hat vom Neugeborenalter bis zur Pube rtät
eine Grundausstattung an Muskelmasse, die ihm seine altersgemäße mot ori-
sche Belastung erlaubt. Auf Grund des Enzymbesatzes ist für dieses Organ
keine Überlastung möglich (Jüngst, 1993, S. 10).
Nach Kunz (1993, S. 35) finden sich bei jüngeren Kindergartenkindern übe r-
wiegend grobmotorische Bewegungsabläufe wie zum Beispiel Gehen, Laufen
und Springen. Mit der Zeit verfeinern die sich und man kann bei älteren Kin-
dergartenkindern auch feinmotorische Bewegungen wie zum Beispiel zielge-
naues Greifen, Werfen, Fangen von Bällen usw. beobachten (Kunz, 1993, S.
35).
Kunz (1993, S. 35) weist darauf hin, dass man diese natürliche Abfolge bei der
Planung von Aktivitäten im Kindergarten berücksichtigen soll, weil schon sehr
junge Kinder mit einer Vielzahl von feinmotorischen Übungen konfro ntiert
werden und die Grobmotorik nur wenig gefördert wird.
2.1.3 Motorische Entwicklung
Der Kernpunkt dieser Arbeit liegt in der Untersuchung der motorischen Leis-
tungsfähigkeit luxemburger Vorschulkinder. Was verstehen wir unter Motorik
und motorischer Entwicklung? Wie sieht die allgemeine motorische Entwic k-

Majerus Véro: Untersuchungen zur motorischen Leistungsfähigkeit luxemburger Vorschulkinder
16
lung bei Vorschulkindern aus? Die folgenden Kapitel geben Aufschluss über
die motorische Entwicklung im Vorschulalter.
2.1.3.1 Definition von Motorik
Martin et al. (2001, S. 63) geben folgende Definition:
,,Motorik umfasst die Gesamtheit der steuernden Strukturen und Funkt i-
onen, die zu Bewegungen führen. Sie beruht auf Funktionen, und Struk-
turen bestimmter Teilbereiche des Zentralnervensystems" (Martin, Carl
& Lehnertz, 2001, S. 63).
Nach Bös & Singer (1994, S. 15) trägt diese Begriffsbestimmung zum einen
der Tatsache Rechnung, dass durch eine angemessene Haltung des Körpers
und der Gliedmassen bestimmte Ausgangspositionen eingenommen werden.
Die Kontrolle des Zusammenspiels von Haltung und Bewegung und deren
adäquate Kopplung gehören daher auch zu den wichtigsten Aufgaben der m o-
torischen Systeme. Haltung und Bewegung sind nach Bös und Si nger (1994, S.
15) koordinierte Vorgänge, wobei die Haltung dabei insbesondere Vorbere i-
tung und Stütze der Bewegung ist.
Zum anderen trägt diese Begriffsbestimmung der berechtigten Forderung nach
einer möglichst eindeutigen Unterscheidung von ,,Motorik als der Gesamtheit
aller Steuerungs- und Funktionsprozesse einerseits und ihrem vielfältigen Er-
gebnis, der Haltung und Bewegung andererseits Rechnung (Bös & Singer,
1994, S. 15).
2.1.3.2 Definition von motorischer Entwicklung
Singer & Bös (1994, S. 19) schlagen für den Begriff der motorischen Entwick-
lung folgende Umschreibung vor:
,,Motorische Entwicklung bezieht sich auf die lebensalterbezogenen Ve r-
änderungen der Steuerungs- und Funktionsprozesse, die der Haltung und
Bewegung zu Grunde liegen."
Nach Ludwig (1994, S. 153) ist die Entwicklung der motorischen Leistungsfä-
higkeit ein komplexer Prozess mit einer Vielzahl von Determinanten. Crasselt
(1994, S. 82) verdeutlicht, dass die motorische Entwicklung, im Besonderen
die mess- und zählbare Leistungsentwicklung, von den biologischen und psy-
chischen Voraussetzungen und dem Umfang und der Qualität der Bewegungs-
tätigkeit beeinflusst wird. Je gezielter diese Bewegungstätigkeit - das Üben
und Trainieren -, auf bestimmte Fähigkeiten und Fertigkeiten desto größer
wird die Anpassung und das Leistungsvermögen des Körpers sein, vorausge-

Majerus Véro: Untersuchungen zur motorischen Leistungsfähigkeit luxemburger Vorschulkinder
17
setzt die Belastung bleibt im Rahmen des vom Körper positiv beantwortbaren
Reizumfangs (Crasselt, 1994, S, 82).
2.1.3.3 Die Entwicklung elementarer Bewegungsformen im Vorschulalter
Obwohl jedes Kind ein individuelles Entwicklungstempo hat, wird es irgend-
wann erwachsen. Erwachsene unterscheiden sich zu anderen zwar durch unte r-
schiedliche Körperdimensionen, haben jedoch eine identische Knochenreife,
dieselbe Anzahl permanenter Zähne und dieselben geschlechtsspe zifischen se-
kundären Geschlechtscharakteristiken (Beunen, 1994, S. 25)
Heutzutage weiß man, dass sich Entwicklung nicht eindeutig nacheinander
Stufe für Stufe vollzieht. Jede Stufe wird in die nachfolgende einbezogen und
greift immer wieder auf die vorhergehenden zurück. Die einzelnen Entwick-
lungsstufen hängen eng zusammen und sind nicht deutlich voneinander tren n-
bar. Fortschrittphasen wechseln sich unregelmäßig mit Ruhe-, Wiederholungs-
, oder auch anscheinenden Rücktrittsphasen ab. Kinder lernen einmal sch nell
und zügig, dann wieder ist kaum eine Entwicklung sichtbar (Köckenberger,
1999, S. 12).
Scheid (1994, S. 260) erklärt, dass die frühkindliche Entwicklung durch einen
ganzheitlichen Veränderungsprozess gekennzeichnet (motorische, kognitive,
psycho-soziale Entwicklungsmerkmale) ist, der auf einem interaktiven Zu-
sammenwirken von biogenetischen Dispositionen und sozioökologischen Fa k-
toren beruht.
Scheid (1994, S. 260) hält fest, dass wir es von Anfang an nicht mit einem
bloßen ,,spontanen Reifungsprozess" zu tun haben, sondern mit einem bioge-
netisch prädisponierten Kind, dessen Potentiale sich in der Auseinanderse t-
zung mit den jeweiligen sozialen und materialen Gegebenheiten interindivi-
duell variierend ausbilden.
Nach Köckenberger (1999, S. 14) werden Bewegungen bei Kindern durch die
Vererbung, das Temperament, die eigenen Erfahrungen und die momentanen
Bedürfnisse, genauso wie durch die Umwelt und die Erziehung beeinflusst.
Im Vorschulalter sind die motorischen Aktivitäten durch die Aneignung und
Vervollkommnung vielfältiger Bewegungsformen sowie durch den Erwerb ers-
ter Bewegungskombinationen bestimmt. Die Entwicklungsreihe der Lokom o-
tion setzt sich vom aufrechten Gehen zu vielfältigen Formen der Fortbewegung
fort. Nach Kent & Rost (1994, S. 241) stellt der Begriff der Lokomotion einen
Bezug auf die Fortbewegung des Organismus dar. Es entwickeln sich Bewe-
gungsformen wie Laufen, Steigen, Hüpfen, Springen und Klettern. Dazu ko m-
men Bewegungsvarianten wie Ziehen und Schieben, Hängen und Schwingen,

Majerus Véro: Untersuchungen zur motorischen Leistungsfähigkeit luxemburger Vorschulkinder
18
Werfen und Fangen sowie Zeichnen und Schreibbewegungen (Scheid, 1994, S.
266).
Im Vorschulalter liegt der Schwerpunkt der Vervollkommnung auf der qualit a-
tive Verbesserung der gelernten Fertigkeiten und variable Verfügbarkeit in u n-
terschiedlichen Situationen. Es kommt zur Kombination von gelernten Bewe-
gungsformen wie Anlaufen und Abspringen, Hochwerfen und Fangen (im Ge-
hen), Prellen eines Balles im Gehen (Scheid, 1994, S. 268).
Unterschiedliche Auffassungen bestehen bezüglich der Entwicklung von Ju n-
gen und Mädchen. Lange Zeit wurde angenommen, dass Jungen einen Ent-
wicklungsvorsprung zeigen. Dieser Entwicklungsvorsprung wurde vor allem
auf das stärkere Muskelwachstum von Jungen zurückgeführt. Allerdings ä u-
ßert sich dieser Entwicklungsvorsprung vorzugsweise bei solchen Tätigkeiten,
die in erster Linie einen hohen Kraftaufwand erfordern. Viele Unterschiede,
die man auf einen vermeintlich naturgegebenen Vorsprung der Jungen zurüc k-
führt, lassen sich daher auch durch die unterschiedliche Rollenerwartung und
die damit zusammenhängenden bevorzugten Tätigkeiten erklären. Man nennt
diese Rollenvorstellungen ,,Geschlechtsstereotype", die sich in den verschi e-
denen Gesellschaftsformen mehr oder weniger deutlich unterscheiden. Daraus
wird ersichtlich, dass es sich nicht um naturgegebene Unterschiede handeln
kann (Nickel & Schmidt-Denter, 1995, S. 44 - 45). Solche geschlechts-
typischen Verhaltensformen haben sich nach Nickel & Schmidt-Denter (1995,
S. 44 - 45) jedoch in letzter Zeit merklich angeglichen und in neueren Unte r-
suchungen konnten daher kaum noch Unterschiede zwischen Jungen und Mä d-
chen festgestellt werden.
Eine flüssige Verbindung von Fangen und Werfen bei Vorschulkindern gelingt
nach Scheid (1994, S. 268) nur wenigen vierjährigen Kindern. Mit fünf Jahren
sind es bereits 30 %, die die Aufgabe lösen können.
Gleichgewicht und Bewegungskoordination sind mit drei Jahren noch wenig
ausgebildet, entwickeln sich dann aber fortschreitend, so dass mit fünf Jahren
Fertigkeiten, die überwiegend vom Gleichgewicht abhängen, bereits sehr gut
erlernt werden. Die Zielgenauigkeit steigert sich im Verlaufe des Kinderga r-
tenalters noch verhältnismäßig wenig
Das Kleinkind führt überwiegend grobe Bewegungen aus, weil die Feinmusk u-
latur noch nicht genügend entwickelt ist. Jungen bevorzugen stärke r grobmo-
torische Muster, d. h. solche, an denen Bewegungen des gesamten Körpers b e-
teiligt ist. Mädchen setzen im Gegensatz zu Jungen früher die Feinmotorik ein
(Nickel & Schmidt-Denter, 1995, S. 48).

Majerus Véro: Untersuchungen zur motorischen Leistungsfähigkeit luxemburger Vorschulkinder
19
Die Leistungskurve steigt im Vorschulalter kontinuierlich an und geschlechts-
spezifische Unterschiede sind gering. Es kommt zur Steigerung des Einsatzes
konditioneller Fähigkeiten, die dazu führt, dass zum Beispiel das Laufen
schneller, die Sprünge weiter, das Schieben kräftiger werden.
Kinder im Vorschulalter erweitern ihre motorischen Kompetenzen in Abhän-
gigkeit von den jeweiligen sozio-ökologischen Gegebenheiten. Die elementa-
ren Bewegungsformen erreichen das Niveau der Feinform und der variablen
Verfügbarkeit nur durch viel Übung und Wiederholung in variierenden Situa-
tionen. Dazu kommt, dass sich die Handlungsfähigkeit im Umgang mit neuen
Sozialpartnern, Spielgeräten und Fortbewegungsmittel erweitert. Die fort-
schreitenden Sprachbeherrschungen, die Entwicklung des anschaulichen Den-
kens sowie die Geschlechtsrollenentwicklung kennzeichnen das Vorschulalter
(Scheid, 1994, S. 268).
2.1.3.4 Die individuelle Bedeutung der Bewegung
Bewegung ist ein fundamentales Bedürfnis des Kindes, sich mit seiner Umwelt
auseinander zu setzen. Im frühen Kindesalter erlernt das Kind wie vo n selbst
Elementarbewegungen wie Gehen, Laufen, Springen, Hüpfen, Werfen, Fangen
und Prellen, Rollen und Hängen, Schaukeln und Stützen sowie Klettern und
Balancieren usw. (Schmidt, 2002, S. 114).
Auch Becker et al. (2004, S. 61) betonen, dass der Bewegungsdrang und die
Entdeckungslust bei Kinder im Alter von drei bis sechs Jahren stark ausge-
prägt sind. Diese positive Einstellung muss ganzheitlich gefordert und gefö r-
dert werden.
Betreten Kinder jedoch Institutionen wie Schule und Verein, so scheint die
Gefahr zu bestehen, dass lehrerzentrierte Unterrichtskonzepte die Vielfalt
kindlicher Bewegungsbedürfnisse auf die Vermittlung sportmotorischer Fer-
tigkeiten reduzieren. In der Schule wird diesem wilden, durch Toben und ex t-
reme Körperbewegung ausdrücklich ,,In-Der-Welt-Sein" Schluss gemacht und
ein sozialökologischer Ausschnitt betreten, in dem zivilisiertes Betragen vo r-
geschrieben ist (Baacke, 1993, S. 144).
Inaktivität wirkt ermüdend. Stillsitzen hat eine Herabsetzung des allgemeinen
Aktivierungsniveaus zur Folge, sie führt zu Müdigkeit und zu einer Reduktion
der Aufmerksamkeit. Hinzu kommt, dass bei ständiger Ermahnung des Kindes,
doch endlich still zu sitzen, der Bewegungsdrang eher größer wird (Zimmer,
2004a, S. 51).
Provozierend formulieren Kleine & Schulze (1999, S. 8): ,,Kinder waren nie
bewegungsfaul, wenn überhaupt - hat man sie dazu gezwungen".

Majerus Véro: Untersuchungen zur motorischen Leistungsfähigkeit luxemburger Vorschulkinder
20
Kinder wünschen sich nach Schmidt (2002, S. 79) eine Umwelt, in der Raum
sinnvoll für freies Spielen, Bewegen und Sporttreiben unter Gleichaltrigen ge-
nutzt werden kann.
In dieser Arbeit werden Studien über Kindergartenkinder dargestellt. Da die
meisten Studien sich auf ältere Kinder (ab 6 Jahre) beziehen, wurden keine
Daten gefunden um die individuellen Bedeutung von Vorschulkindern näher
zu erläutern.
2.1.4 Kognitive Entwicklung
Die Konzentrationsfähigkeit, die Aufmerksamkeit sowie die Lern- und Leis-
tungsfähigkeit der Kinder können durch Bewegungen gefördert werden. Ob es
einen Zusammenhang zwischen der kognitiven Entwicklung und der motor i-
schen Entwicklung gibt, wird im empirischen Teil untersucht. Ausschlagge-
bend ist, dass die Bewegung eine entscheidende Rolle in der Auseinanderse t-
zung mit der Umwelt spielt. Das Kind ist in der Lage, eine gewisse
sensomotorische Intelligenz durch das Begreifen von Zusammenhängen seiner
Umwelt zu entwickeln. Um dies näher zu verdeutlichen, wird auf die Entwic k-
lung der sensorischen Intelligenz nach Piagets eingegangen. Später wird die
Bedeutung der Bewegung für die kognitive Entwicklung erläutert.
2.1.4.1 Die Intelligenz in biologischer Sicht (Piaget, 1969, S. 12)
Die Intelligenz ist Anpassungsverhalten. Die Intelligenz als Sonderfall der bi o-
logischen Anpassung setzt ganz wesentlich eine Organisation voraus, deren
Funktion darin besteht, das Universum zu strukturieren, wie der Organismus
seine Umwelt strukturiert. Der Organismus passt sich seiner Umwelt an, in-
dem er auf materielle Weise neue Formen hervorbringt und sie dem Unive r-
sum einfügt. Die Intelligenz geht darin noch weiter, indem sie auf mentale
Weise Strukturen erzeugt, die das genaue Gegenstück der Umweltstrukturen
sind. Vor allem zu Beginn der geistigen Entwicklung ist die intellektuelle An-
passung in gewissem Sinne eingeschränkter als die biologische Anpassung. Sie
führt aber weiter und gelangt so unendlich weit über sie hinaus.
Anpassung geschieht, wenn der Organismus sich in Abhängigkeit von seiner
Umwelt umgestaltet und diese Umgestaltung in eine Verstärkung der Aus-
tauschbeziehungen zwischen Umwelt und Organismus erfolgt.
Piaget nennt das Resultat der Einwirkung der Umwelt eine Akkomodation. Un-
ter Assimilation versteht Piaget, dass die Person ihre Umwelt nicht passiv er-
leidet, sondern verändert auf sie einwirkt. Die Intelligenz ist nämlich in dem

Majerus Véro: Untersuchungen zur motorischen Leistungsfähigkeit luxemburger Vorschulkinder
21
Maße Assimilation, als sie ihren Strukturen alle Gegebenheiten der Erfahrung
einverleibt. Das einfache organische Leben erarbeitet sich materielle Formen
und assimiliert dem Schematismus dieser motorischen Verhaltensweisen die
verschiedenen Situationen, die ihm durch die Umwelt dargeboten werden, und
die erkennende Intelligenz begnügt sich damit, die Formen zu denken oder sie
innerlich zu konstruieren, um ihnen dann den Inhalt der Erfahrung anzugle i-
chen.
Die intellektuelle Anpassung tendiert wie jede andere Art der Anpassung for t-
laufend dahin, ein Gleichgewicht zwischen den gegenseitigen ergänzende n
Mechanismen der Assimilation und der Akkomodation herzustellen. Auf der
Ebene der Motorik nimmt die Kohärenz eine ganz andere Form an als auf der
Ebene des reflexiven Denkens oder auf rein organischer Ebene. In allen Fällen
ist die Anpassung erst dann vollendet, wenn sie zu einem stabilen System
führt, d. h. wenn ein Gleichgewicht existiert zwischen Akkomodation und As-
similation (Piaget, 1969, S. 16 - 18).
2.1.4.2 Die Entwicklung der sensorischen Intelligenz
Die Entwicklung der Intelligenz und des Denkens vollzieht sich nach Piaget in
fünf Stufen. Die Abbildung 3 zeigt die Entwicklung der Intelligenz und des
Denkens in fünf Stufen:

Majerus Véro: Untersuchungen zur motorischen Leistungsfähigkeit luxemburger Vorschulkinder
22
Die Entwicklung der Intelligenz und des Denkens
1 Stufe: Die sensomotorische Periode (0 - 2 Jahre)
2 Stufe:
Das symbolische und vorbegriffliche Denken (ab 2 Jahre)
3 Stufe:
Das anschauliche Denken (4 - 5 Jahre)
4 Stufe: Die konkreten Denkoperationen (ab 7. Jahre)
5 Stufe: Die formale Denkoperationen (ab 11/12 Jahre)
Abbildung 3: Die Entwicklung der Intelligenz und des Denkens in fünf St u-
fen
Die sensomotorische Periode umfasst die ersten beiden Lebensjahre. Das sym-
bolische und vorbegriffliche Denken entsteht mit dem Auftreten der Vorste l-
lung und zeigt sich vor allem in den Symbolspielen.
Zwischen vier und fünf Jahren tritt das anschauliche Denken auf. Das Kind ist
zwar schon zur Begriffsbildung fähig, die Begriffe haben jedoch noch a n-
schaulichen Charakter.
Ab dem 7. Lebensjahr entwickeln sich die konkreten Denkoperationen. Die
Abhängigkeit von einem augenblicklichen inneren Vorstellungsablauf wird
aufgegeben. Des Weiteren hängt die geistige Handlung nicht mehr an der re a-
len Gelegenheit der Außenwelt.

Majerus Véro: Untersuchungen zur motorischen Leistungsfähigkeit luxemburger Vorschulkinder
23
Formale Denkoperationen treten ab 11/12 Jahren auf. Das Denken läuft nun in
Form theoretischer Überlegungen ab. Es kann auf Annahmen angewendet we r-
den, die in der Außenwelt nicht gegeben sind. So braucht beispielsweise die
Richtigkeit von Folgerungen nicht mit der äußeren Realität überprüft zu we r-
den (Piaget, 1978, S. 11).
Piaget (1978, S. 11) betont, dass jede Stufe der kognitiven Entwicklung zum
Teil sowohl für die folgenden verantwortlich, als auch Voraussetzungen für
deren Entwicklung ist.
Die Bedeutung des motorischen Entwicklungsbereiches für die frühe Kindheit
liegt in der Tatsache, dass Kinder in diesem Funktionsbereich relativ früh e i-
gene Kompetenzen ausbilden. In Piagets Theorie zeigt sich das Zusamme n-
spiel von motorischer und kognitiver Entwicklung. Der Motorik wird eine h o-
he Bedeutung für die Intelligenzentwicklung zugewiesen, wenn er die ersten
beiden Lebensjahre als Grundlage aller weiteren Entwicklungsprozesse ansieht
(Scheid, 1989, S. 38).
Nach Zimmer (1996b, S. 21) besteht in den beiden ersten Lebensjahren eine
besonders enge Verbindung zwischen Wahrnehmungsvermögen und motori-
schen Handlungen. Die Art der Bewältigung von Problemen in dieser Zei t-
spanne nennt Piaget ,,sensomotorische Intelligenz". Die ,,sensomotorische In-
telligenz" basiert ausschließlich auf Handlungen und Wahrnehmungen der
Dinge im Umgang mit ihnen, nicht aber auf Vorstellung und Denken.
2.1.4.3 Die Bedeutung der Bewegung für die kognitive Entwicklung
Bewegung stellt eine der wesentlichen Grundlagen für die Entwicklung hi n-
sichtlich kognitiver, sozialer und emotionaler Verhaltensweisen dar. Die Hirn-
forschungen der letzten Jahre ließen eindeutig erkennen, dass der Körper auch
den Geist formt. Emotio (Gefühle, Empfindungen) und Ratio (Verstand) b e-
wirken im Auf und Ab ihre Tätigkeiten ständige strukturelle Veränderungen
im Gehirn (so genannte Hirnplastizität), aber umgekehrt beeinflussen Hormo-
ne des Körpers und Signale aus dem peripheren Nervensystem Ratio und
Emotio und damit unsere Verhaltensweise. Aus der Sicht der Evolution und
Selektion kam es darauf an, als Lebewesen zu überleben. Das bedeutete Beute
machen und vermeiden, selbst zur Beute zu werden. Beides setzte ein ineina n-
der verschränktes Zusammenspiel von Geist und Skelettmuskulatur voraus.
Dieses Prinzip ist bis heute erhalten geblieben. Neue Erkenntnisse der Fo r-
schung belegen, dass sowohl ,,Nachdenken" als auch gezielte körperliche Be-
wegung die Produktion neuer Nervenzelle im Gehirn begünstigen können, fe r-

Majerus Véro: Untersuchungen zur motorischen Leistungsfähigkeit luxemburger Vorschulkinder
24
ner die Ausbildung von neuen Nervenverbindungen (Synapsen) und Ausprä-
gung von deren qualitativen Eigenschaften. Die Folge ist, dass das Gehirn eine
strukturelle und funktionelle Anpassung besitzt, welche die Skelettmuskulatur
noch übertrifft (Hollmann, 2004, S. 34).
Die Bewegung ist nicht nur unerlässlich für die körperliche, sondern auch für
die kognitive Entwicklung. Sie fördert die Lernbereitschaft, die Lernfähigkeit
und das psychosoziale Wohlbefinden. Mit ihren Bewegungen begreifen, e r-
obern und erweitern Kinder ihre Welt und erwerben Selbstkontrolle und
Selbstachtung (Kurz, 2003, S. 6).
Auch nach Dordel & Breithecker (2003, S. 13) werden entwicklungspsycholo-
gische und biologisch - neurophysiologische Prozesse gleichermaßen zur Er-
klärung dieser Zusammenhänge herangezogen. Unterstützt man die Bewe-
gungsaktivität von Kindern in der Schule, ist eine positive Entwicklung der
Lernfähigkeit und Leistungsbereitschaft von Kinder zu erwarten.
Im Vorschulalter werden durch Sinnestätigkeit und körperliche Aktivität Re ize
geschaffen, die die Verknüpfung der Nervenzellen sowie die Bildung der S y-
napsen unterstützen. Je mehr Reize durch die Sinnesorgane zum Gehirn gelan-
gen, desto komplexer werden die Verbindungen. Über Bewegungen erwerben
sie die Voraussetzungen für die Entwicklung der Sprache, für das Lernen des
Schreibens, Lesens und Rechnens. Grundlegende Raumerfahrungen könnten
über den Körper und die Sinne gemacht werden. Diese bilden die Basis für die
Entwicklung des Orientierungsvermögens, für die Begriffsbildung und den
Umgang mit Zahlen (Zimmer, 2004b, S. 39).
2.1.5 Soziale Entwicklung
Die soziale Entwicklung vollzieht sich bei Kindern weniger durch bewusste
Erziehungsmaßnahmen, durch verbale Belehrungen oder Anleitungen, sondern
vielmehr durch die Erfahrungen, die die Kinder im alltäglichen Umgang und
im Zusammenleben mit anderen machen (Zimmer, 2004b, S. 30). Die Kinder
lernen nachgeben, sich behaupten, sich streiten und sich versöhnen, sich
durchsetzen und sich unterordnen, teilen und abgeben, aushandeln und b e-
stimmen, sich gegenseitig ablehnen und sich akzeptieren.
Nach Zimmer (1992, S. 32) zählt das Kindergartenalter zu den für die En t-
wicklung sozialer Verhaltensweisen wichtigsten Entwicklungsabschnitten.
Auch Bergemann (1981, S. 38 - 39) sieht den Kindergarten als eine Gemein-
schaft, in der das Kind soziale Kontakte knüpfen kann und allmählich die Fä-
higkeit zum sozialen Verhalten erlangt. Hier wird nach Zimmer (2004b, S. 30)

Majerus Véro: Untersuchungen zur motorischen Leistungsfähigkeit luxemburger Vorschulkinder
25
die Grundlage für den Erwerb sozialer Verhaltensweisen gelegt, die das Hin-
einwachsen des Kindes in sein soziales Umfeld wesentlich beeinflussen.
Bewegungsangebote und Bewegungsspiele scheinen besonders geeignet und
beinhalten nach Ungerer-Röhrich et al. (1990, S. 48) zahlreiche Situationen,
die es erforderlich machen, dass Kinder sich mit ihren Spielpartnern auseina n-
der setzen, Konflikte lösen, Rollen übernehmen, Spielregeln aushandeln und
anerkennen.
Da viele Kinder in Kleinfamilien aufwachsen haben sie wenig Gelegenheit,
mit Geschwistern elementare Formen des sozialen Verhaltens einzuüben. Ki n-
der brauchen Kinder, um in eine soziale Gemeinschaft hineinwachsen zu kö n-
nen (Zimmer, 2004b, S. 30). Vor allem altersgemischte Gruppen bieten die
Chance, voneinander zu lernen, sich gegenseitig zu helfen, sowie sich auf die
jeweiligen Fähigkeiten jüngerer oder älterer Kinder einzustellen (Colberg-
Schrader, 1991, zitiert nach Zimmer, 2004b, S. 35).
Bewegungsangebote und Bewegungsspiele scheinen besonders geeignet und
beinhalten nach Ungerer-Röhrich et al. (1990, S. 48) zahlreiche Situationen,
die es erforderlich machen, dass Kinder sich mit ihren Spielpartnern auseina n-
der setzen, Konflikte lösen, Rollen übernehmen, Spielregeln aushandeln und
anerkennen.
Seit den 70er Jahren hat die Anzahl der Untersuchungen, die sich mit dem
wechselseitigen Einfluss sozialer, psychischer und motorischer Variablen b e-
schäftigt sprunghaft zugenommen.
Ein Kernpunkt nach Diem et al. (1980, S. 227) erklären, dass der Integrations-
grad der Kinder eng mit ihrer motorischen Leistungsfähigkeit zusammenhängt.
Kinder, die unterhalb des motorischen Standards in ihrer ,,Peer -group" liegen,
sind zugleich schlecht integriert.
Nach Eggert & Schuck (1978, S. 80) besteht ein positiver Zusammenhang zwi-
schen Intelligenz und Motorik, aber nur geringe Zusammenhänge zwischen
Sozialstatus (Eltern) und Motorik (der Kinder). Diem et al. (1980, S. 227) hal-
ten fest, dass die psycho-physische Entwicklung in vielen Bereichen bei den
motorisch stimulierten Kindern in anderer Form verläuft. Des Weiteren lassen
motorisch stimulierte Kinder eine größere soziale Kontaktbereitschaft erke n-
nen (Diem et al., 1980, S. 226).
2.1.5.1 Familie
Die familiäre Lebenswelt hat sich bezüglich Größe und Konste llation im Laufe
der Zeit stark verändert. Während zu Beginn der sechziger Jahre Familien mit

Majerus Véro: Untersuchungen zur motorischen Leistungsfähigkeit luxemburger Vorschulkinder
26
3 bis 4 Kinder noch häufig vorzufinden, so zeichnet sich heute eine Tendenz
zur Einkind-Familie ab (Breuer, 2002, S. 8).
Wenn man einen positiven Einfluss der motorischen Förderung auf die psychi-
sche Entwicklung voraussetzt, dann stellt sich die Frage nach unterstützenden
bzw. fördernden sozialen Gegebenheiten, die zu einer motorischen Förderung
führen (Hanel, 1993, S. 14).
Zwischen der sportlichen Aktivität der Eltern und der Kinder besteht in der
Regel ein deutlicher Zusammenhang. Ein positiver Einfluss auf die Bewe-
gungsaktivitäten der Kinder wird erreicht, wenn Eltern selbst Mitglied in e i-
nem Sportverein sind (Kurz & Sonneck, 1997, S.
138).
Die sportliche Lebens-
welt der Kinder wird von den Eltern geplant, d. h. die Eltern fahren die Kinder
zum Training oder zu Wettkämpfen (Becker & Jung, 1982, S. 50). Vogt (1978,
S. 116) betont hier besonders die Rolle der Mütter, deren sportliche Aktivit ä-
ten Problembewusstsein erzeugen und somit Ausgangspunkt für die motori-
sche Förderung der Kinder sind. Gleichgültige Einstellungen der Eltern zu
Sportaktivitäten führen dazu, dass Kinder sich nicht für Sportaktivitäten int e-
ressieren (Becker & Jung, 1982, S. 51).
Nach Hanel (1993, S. 15) fördert und unterstützt vor allem eine kindgerechte
Umwelt die Entwicklung. Hemmnisse stellen elterliche Überängstlichkeit so-
wie Überfürsorge und falsche Sauberkeitsvorstellung dar. Sie verhindern so
die Ausbildung eines eigenen Betätigungsfeldes der Kinder, welches der ei-
gentlich prägende Faktor ist (Hanel, 1993, S. 15).
2.1.5.2 Wohnregion
Nach Brinkhoff (1998, S. 153) hat die Wohnregion einen wichtigen sozialen
Einflussfaktor auf die Entwicklung im Kindes- und Jugendalter. In Bezug auf
die Freizeitgestaltung kommt es in städtischen Einzugsgebieten durch die hohe
Wohndichte und die unzureichenden Spielmöglichkeiten zu erheblichen
Schwierigkeiten in der Auslebung des vielfältigen Bewegungsdrangs von Ki n-
dern und Jugendlichen. Straßen und Wirtschaftsgebäude verdrängen die natür-
liche Spiel- und Bewegungsräume der Kinder. Die unmittelbare Konsequenz
dieser Entwicklung ist, dass auf diesen Gebieten ein Großteil der Ki nder in
vorstrukturierten Räumen, die keinen Bewegungsdrang erlauben, aufwächst.
Dies führt dazu, dass soziale Kontakte zu anderen Kindern, in Form von ge-
meinsamen Spielaktivitäten, meist nicht mehr oder nur in begrenztem Rahmen
stattfinden. Dadurch wird auf der einen Seite, die psychosoziale Entwicklung
der Kinder teilweise gestört und auf der anderen Seite kommt es dadurch zu
einer verminderten Ausprägung der motorischen Leistungsfähigkeiten
(Brinkhoff, 1996, S. 6 - 13).

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Auch Lob-Corzilius et al. (2004, S. 61) betonen, dass die Zerstörung der Frei-
räume durch die Verdichtung der Städte und die immense Zunahme des Ver-
kehrs zu einem Verlust an Aktionsräumen für Kinder führen. In den sechziger
Jahren gab es pro Hektar Stadtfläche mehr Kinder als Autos. Heute gibt es
schon viermal so viele Autos wie Kinder pro Hektar. Diese Entwicklung ist für
alle modernisierten Gesellschaften typisch und stellt somit einen der erfolg-
reichsten Verdrängungswettbewerbe der Moderne dar. Insbesondere haben
Kinder in den Städten den kürzeren dabei gezogen haben.
Der Lebensraum Stadt wird zumeist nach zweckrationalen Kriterien verplant
und im Rahmen technischer Machbarkeit zugerüstet. Wer die Möglichkeiten
besonders kritisch sichtet, könnte sogar zu der Einsicht gelangen, dass von
solchen ,,freien" Bewegungsräumen kaum noch etwas geblieben ist. An jeder
Ecke verschwindet die letzte Wiese, Freiflächen werden zu Parkplätzen, und
Spielverbote (z. B. auf dem Hinterhof) sind die Regel (Baltz, 1992, S. 23).
Die Siedlungsstruktur scheint einen Einfluss auf die Entwicklung der motor i-
schen Leistungsfähigkeit zu haben. Kleinkinder können folglich nicht mehr
gefahrlos auf der Strasse spielen, d. h. entdeckungstheoretisch haben sie wen i-
ger Gelegenheiten und Möglichkeiten, ihre nahe Umwelt eigenständig zu e r-
kunden. Die Konsequenzen für die Entwicklung der Grob- und Feinmotorik
sind offenkundig. Die über einen Zeitraum von zehn Jahren durchgeführten
Schuleingangsuntersuchungen verdeutlichen diesen Trend. Ein Drittel aller
untersuchten Kinder wiesen Defizite im koordinativ - konditionellen Bereich
mit leicht steigender Tendenz auf (Schmidt, 2002, S. 146).
Auch Scheid (1994, S. 273) berichtet über Zusammenhänge von Bewegungs-
entwicklung und der Verfügbarkeit und Nutzungsintensität von Bewe-
gungsräumen und Spielmaterial bei Kleinkindern.
Diesen negativen wohnnahen und informellen Bewegungsmöglichkeiten steht
ein Zugewinn im institutionellen Bereich gegenüber. Mehr Kinder als jemals
zuvor sind bereits im Alter von vier bis sechs Jahren Mitglied eines Sportve r-
eins. Die Zahlen erreichen inzwischen die 40 % Marke. Davon profitieren j e-
doch primär jene Kinder, deren Eltern eine anregungsreiche Bewegungsum-
welt als wichtig für die Entwicklung ansehen. Die sozialen Ungleichheiten
werden also bereits in frühester Kindheit auch im Bewegungsbereich ausgelebt
(Schmidt, 2002, S. 147).
2.1.6 Zusammenfassung
In diesem Kapitel wurden die Grundlagen der Entwicklung der Kinder näher
beschrieben. Die Kenntnisse über die Entwicklung des Kindes bilden die V o-
raussetzungen, um die Entwicklung von motorischen Defiziten und deren Be-

Majerus Véro: Untersuchungen zur motorischen Leistungsfähigkeit luxemburger Vorschulkinder
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hebungen zu verstehen. Nach Scheid (1994, S. 268) sind die geschlechtsspezi-
fischen Unterschiede in der motorischen Entwicklung von Vorschulkindern
gering. Zusammenfassend hält Kunz (1993, S. 38) fest, dass sich die körperl i-
che Entwicklung der Kinder im Vorschulalter durch ein konstantes Wachstum
von Körperhöhe und -gewicht, durch eine starke Veränderung des Körperbaus
und eine starke qualitative Verbesserung von Muskulatur sowie des Nerve n-
systems beschreiben lässt.
Kunz (1993, S. 38) stellt darüber hinaus fest, dass die geschilderten Entwic k-
lungen davon abhängen, ob das Kind genügend motorische Entwicklungsreize
erhält. Ein Fehlen dieser Reize verursacht Retardierungen in unterschiedl i-
chen motorischen Bereichen. Scheid (1989, S. 38) spricht der Motorik eine
hohe Bedeutung für die Intelligenzentwicklung zu. Auch Zimmer (1996, S. 21)
erkennt die besonders enge Verbindung zwischen Wahrnehmungsvermögen
und motorischen Handlungen.
Piaget nennt die Art der Bewältigung von Problemen in dieser Zeitspanne
,,sensomotorische Intelligenz". Die ,,sensomotorische Intelligenz" basiert aus-
schließlich auf Handlungen und Wahrnehmungen der Dinge im Umgang mit
ihnen, nicht aber auf Vorstellung und Denken.
Weiterhin wurde die Bedeutung der Bewegung für die kognitive Entwicklung
der Kinder verdeutlicht. Nach Hollmann (2004, S. 34) stellt die Bewegung ei-
ne wesentliche Grundlage für die Entwicklung hinsichtlich kognitiver, sozialer
und emotionaler Verhaltensweisen dar. Auch nach Kurz (2003, S. 6) ist die
Bewegung nicht nur unerlässlich für die körperliche, sondern auch für die
kognitive Entwicklung. Sie fördert die Lernbereitschaft, die Lernfähigkeit und
das psychosoziale Wohlbefinden. Kinder begreifen, erobern und erweitern mit
ihren Bewegungen ihre Welt und erwerben Selbstkontrolle und Selbstachtung
(Kurz, 2003, S. 6).
Ein weiteres Kapitel beschäftigte sich mit der individuellen Bedeutung der
Bewegung. Fest steht, dass die Bewegung für Kinder einen hohen Stellenwert
hat. Kinder wünschen sich nach Schmidt (2002, S. 79) eine Umwelt, in der
Raum sinnvoll für freies Spielen, Bewegen und Sporttreiben unter Gleichaltri-
gen genutzt werden kann.
Wichtig ist auch die soziale Entwicklung der Kinder. Diese soziale Entwic k-
lung vollzieht sich nach Zimmer (2004b, S. 30) durch die Erfahrungen, die
Kinder im Zusammenleben mit anderen machen. Diem et al. (1980, S. 227)
erklären, dass der Integrationsgrad der Kinder eng mit ihrer motorischen Lei s-
tungsfähigkeit zusammenhängt. Je schlechter die motorische Leistungsfähi g-

Majerus Véro: Untersuchungen zur motorischen Leistungsfähigkeit luxemburger Vorschulkinder
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keit des Kindes ausfällt, desto geringer ist also die soziale Integration des
Kindes bzw. im Kindergarten.
Betont wurde der positive Einfluss der motorischen Förderung auf die psych i-
sche Entwicklung des Kindes. Entscheidend ist die Frage nach den unterstü t-
zenden bzw. fördernden sozialen Gegebenheiten, die zu einer motorischen
Förderung führen (Hanel, 1993, S. 14). Vogt (1978, S. 116) betont die Rolle
der Mütter, deren sportliche Aktivitäten Problembewusstsein erzeugen und
somit Ausgangspunkt für die motorische Förderung der Kinder sind.
Im letzten Kapitel wurde der Einfluss der Wohnregion auf die Entwicklung im
Kindes- und Jugendalter dargestellt. Die Siedlungsstruktur scheint einen en t-
scheidenden Einfluss auf die Entwicklung der motorischen Leistungsfähigkeit
zu haben (Scheid, 1994, S. 273). Kleinkinder können nicht mehr gefahrlos auf
der Straße spielen und haben weniger Möglichkeiten, ihre nahe Umwelt eige n-
ständig zu erkunden. Die Konsequenzen liegen in einer verminderten motor i-
schen Leistungsfähigkeit der Kinder.
2.2
Veränderte Kindheit und ihre Folgen
Dieses Kapitel behandelt die Folgen der veränderten Kindheit. Es erfolgt zu-
nächst ein Vergleich der Kindheit heute mit der Kindheit früher. Hat sich die
motorische Leistungsfähigkeit von Kindern verändert? Da keine Studien über
die motorische Leistungsfähigkeit luxemburger Vorschulkinder vorliegen ,
werden drei Studien aus Deutschland und eine aus Schottland näher erläutert.
Im Anschluss werden die Folgen der veränderten Kindheit zusammenfassend
dargestellt, sowie einige Maßnahmen der kindgerechten Entwicklung be-
schrieben.
2.2.1 Kindheit im Wandel
Seit einiger Zeit lässt sich ein zunehmendes Interesse an der veränderten Le-
benswelt von Kindern feststellen. Ein Grund liegt ohne Zweifel in dem schne l-
len sozialen Wandel unserer Zeit. Kindheit ist nach Prenner (1989, S. 41) zu
allen Zeiten das Resultat gesellschaftlicher und kultureller Beeinflussung und
Prägung gewesen. Wenn nach dem Wandel der Bewegungswelt gefragt wird,
muss nach Schmidt (1996, S. 19) der Bewegungs-Alltag von Kindern früher
und heute rekonstruiert werden. Hengst (1999, S. 11) berichtet, dass es wenige
Untersuchungen gibt, die den historisch einmaligen Versuch der ,,Eroberung
des Kindes durch die Wissenschaft" rekonstruiert und die Selbstverständlic h-

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keit hinterfragt haben, mit der die Verwissenschaftlichung sich entwickeln
konnte. Hengst (1999, S. 11) betont, dass sich in den letzten beiden Jahrzehn-
ten eine Forschung etabliert hat, die sich intensiv mit der Kritik wissenschaf t-
licher Konstrukte beschäftigt. Nach Schmidt (1996, S. 19) bedeutet Alltag,
dass das Leben von Kindern an bestimmten Orten (im Hause, auf der Straße
und der nahen Wohnumgebung) und in bestimmten Institutionen (Familie,
Schule und Vereine) im Umgang mit anderen Menschen (Gleichaltrige, E r-
wachsene und bestimmte Erziehungspersonen) stattfindet. Im folgenden Kap i-
tel wird näher auf die Kindheit von früher und heute eingegangen.
2.2.1.1 Kindheit früher
Nach Schmidt (1993, S. 195) hielten sich die Kinder der 50er Jahre, so lange
es irgendwie ging, jeden Nachmittag, Sommer wie Winter, im Freien auf. Die
wichtigste Form von Freizeit in der Nachkriegszeit, war das gemeinsame Spie-
len unter Nachbarskindern. Die Kinder aus der Nachbarschaft suchten Bol z-
plätze auf und bestimmten selbstständig über ihr Tun und ihre Spiele, ohne der
Kontrolle von Erwachsenen, Erziehungspersonen oder gar Institutionen zu un-
terliegen. Sie wuchsen wie von selbst je nach Alter, Geschlecht und sportl i-
chem Können in eine natürliche Spiel- und Sportspiel-,,Kultur" hinein. Zusätz-
lich lernten die Kinder von Älteren nicht nur vielfältige Spiele selbst kennen,
sondern auch deren technische Regeln und Vereinbarungen auf Gegenseitig-
keit, da die Art der Überwachung und Regeleinhaltung ihnen selbst auferlegt
war (Schmidt, 1999, S. 19). Diesen Straßenspiele können nach Schmidt (2001,
S. 377) aus heutiger Sicht drei verschiedene sportpädagogische Funktionen
zugeschrieben werden:
1.
Motorischer Aspekt: Implizites Erlernen der Grob- und Feinmotorik durch
körperliche Auseinandersetzung mit motorischen Alltagsanforderungen.
2.
Sozialer Aspekt: Entwicklung eines Regelbewusstseins, Sozialverhaltens
und moralischen Urteils durch Aushandeln und Einhaltung von Spielr e-
geln.
3.
Kognitiver Aspekt: Impliziter Erwerb von sinnvollen Strategien, um die
Spielerrollen auszufüllen und auszugestalten.
Nach Schmidt (1999, S. 14) waren in der Nachkriegs- und Wiederaufbauphase
die Funktionstrennungen und Spezialisierungen von Räumen vorübergehend
aufgehoben, d. h. vieles fand da statt, wo man wohnte. Familienwohnungen,
Straßen und nahe Wohnungen bildeten in den 50er Jahren einen intensiv und

Details

Seiten
Erscheinungsform
Originalausgabe
Jahr
2005
ISBN (eBook)
9783836644945
DOI
10.3239/9783836644945
Dateigröße
3.6 MB
Sprache
Deutsch
Institution / Hochschule
Universität des Saarlandes – Sportwissenschaften
Erscheinungsdatum
2010 (April)
Note
2,0
Schlagworte
motorik leistungsfähigkeit vorschulkinder bewegungsmangel
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Titel: Untersuchung zur motorischen Leistungsfähigkeit luxemburger Vorschulkinder
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