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Die fair value-Bilanzierung von Finanzinstrumenten in der aktuellen Finanzmarktkrise

Eine empirische Analyse von Bankenbilanzen

©2010 Diplomarbeit 103 Seiten

Zusammenfassung

Inhaltsangabe:Einleitung:
Die aktuelle Finanzmarktkrise hat einen recht harmlosen Ursprung in den ‘faulen’ Krediten der privaten Immobilienfinanzierung in den USA. Dennoch entwickelte sich die lokale Krise einzelner Branchen zu einer multinationalen Krise der Finanzwirtschaft und schließlich zu einer internationalen Krise der gesamten Wirtschaft. Seit ihrem Ausbruch in 2007 ist sie zu einem Flächenbrand herangewachsen, von dem kaum ein Staat verschont geblieben ist. Besonders befallen sind die Kreditinstitute, die in strukturierte Finanzprodukte aus dem US-amerikanischen Hypothekenmarkt investieren, sowie ihre Herkunftsstaaten. Angesichts der Verflechtung des weltweiten Finanzsystems trifft es mittelbar Bankkunden in aller Welt.
Wie aus der US-amerikanischen Hypothekenkrise eine globale Wirtschaftskrise entstanden ist, wird mit einem Bündel von Ursachen begründet. Dabei wird oftmals die Meinung vertreten, die internationale Rechnungslegung habe zu einer Übertragung der Krise insbesondere auf das weltweite Bankensystem geführt. Diese Ansicht richtet sich gegen die fair value-Bewertung von Finanzinstrumenten, da sie durch die Berücksichtigung jeder Marktschwankung zu erheblichen Volatilitäten in den Bilanzen führt. In Aufschwungsphasen führt die fair value-Bewertung zu erhöhten Gewinnausweisungen und -ausschüttungen, die den Wünschen von Aktionären und Managern entgegenkommen. In Krisenzeiten aber wird das fair value-Prinzip zu einem Motor einer sich selbst verstärkenden Abwärtsspirale, da die vielfältig miteinander verbundenen Unternehmen zu zeitnahen Abwertungen ihrer Vermögenswerte gezwungen sind.
Die vorliegende Diplomarbeit geht dem Vorwurf nach, dass die Bewertungsvorschriften der internationalen Rechnungslegung zum Ausbruch und der Übertragung der Krise beigetragen hätten. Es wird untersucht, inwieweit die fair value-Bewertung an den enormen Verlusten der Banken im Krisenjahr 2008 verantwortlich ist. Hierfür werden exemplarisch die Konzernabschlüsse von fünf der bedeutendsten deutschen Banken hinsichtlich des Einflusses der fair value-Bewertung von Finanzinstrumenten auf die Bankenbilanzen analysiert.
Gang der Untersuchung:
Zum Einstieg in die Problematik werden die Hintergründe der Kritik an der internationalen Rechnungslegung insbesondere für Kreditinstitute dargelegt. Um diese zu verdeutlichen, werden die Entstehung und der Verlauf der Krise in wesentlichen Zügen erläutert, sowie die gesetzliche Rahmengestaltung im Bankensektor […]

Leseprobe

Inhaltsverzeichnis


Inhaltsverzeichnis

Abkürzungsverzeichnis

Abbildungs- und Tabellenverzeichnis

1. Einleitung
1.1. Problemstellung
1.2. Aufbau der Arbeit

2. Von der Finanzmarktkrise zur Bilanzkrise
2.1. Entstehung und Verlauf der Krise
2.2. Der Bankensektor und die gesetzliche Rahmengestaltung
2.3. Die Bankenbilanzierung in der Kritik

3. Grundgesamtheit der Analyse
3.1. Grundlage der Untersuchung
3.2. Ausgewählte Banken
3.3. Deutsche Bank AG
3.4. Commerzbank AG
3.5. Hypo Real Estate Holding AG
3.6. Landesbank Baden-Württemberg
3.7. Bayerische Landesbank

4. Analyse der Bankenbilanzen
4.1. Finanzielle Vermögenswerte und Verbindlichkeiten
4.1.1. Die Kategorien von originären Finanzinstrumenten
4.1.1.1. Überblick
4.1.1.2. Analyse
4.1.2. Die fair value -Option
4.1.2.1. Überblick
4.1.2.2. Analyse
4.1.3. Derivative Finanzinstrumente
4.1.4. Strukturierte Finanzprodukte
4.1.4.1. Überblick
4.1.4.2. Analyse
4.1.5. Das hedge accounting
4.1.6. Die Bewertungshierarchie
4.1.6.1. Überblick
4.1.6.2. Analyse
4.2. Zwischenergebnis
4.3. Eigenkapital
4.3.1. Ein Vergleich von Markt- und Eigenkapital
4.3.2. Die Eigenkapitalquote
4.3.2.1. Überblick
4.3.2.2. Analyse
4.3.3. Aufsichtsrechtliche Eigenkapitalausstattung
4.3.4. Erfolgsspaltung und Ergebnisanalyse
4.3.4.1. Überblick
4.3.4.2. Analyse
4.3.5. Bewertungsergebnisse des afs -Finanzvermögens
4.3.5.1. Überblick
4.3.5.2. Analyse
4.3.6. Abschreibungen und Marktwertanpassungen in der Krise
4.3.7. Neue Umwidmungsmöglichkeiten
4.3.7.1. Überblick
4.3.7.2. Analyse der Umwidmungen
4.3.7.3. Analyse der Eigenkapitaleffekte

5. Ergebnisse der Analyse

6. Fazit und Ausblick

Anhang
Anhang A: Deutsche Bank AG
Anhang B: Commerzbank AG
Anhang C: Hypo Real Estate Holding AG
Anhang D: Landesbank Baden-Württemberg
Anhang E: Bayerische Landesbank

Literaturverzeichnis

Rechtsquellenverzeichnis

Versicherung gem. § 20 Abs. 8 DPO

Abkürzungsverzeichnis

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abbildungs- und Tabellenverzeichnis

Abbildungsverzeichnis

Abbildung 1: Strukturierter Überblick über Finanzderivate

Tabellenverzeichnis

Tabelle 1: Größendarstellung der ausgewählten Banken zum 31.12.2008

Tabelle 2: Bewertungskategorien von Finanzinstrumenten nach IAS 39

Tabelle 3: Aufteilung der originären Finanzinstrumente gemäß den Bewertungskategorien zum 31.12.2007

Tabelle 4: Anwendung der fair value -Option zum 31.12.2007

Tabelle 5: Die Bewertungshierarchie der DBK und LBW

Tabelle 6: Die Bewertungshierarchie der BLB

Tabelle 7: Verhältnis von Markt- zu Eigenkapital

Tabelle 8: Die Eigenkapitalquoten der Banken

Tabelle 9: Erfolgswirksame Eigenkapitalveränderung durch die Jahresergebnisse aus der GuV

Tabelle 10: Erfolgsneutrale Eigenkapitalveränderung durch die Jahresergebnisse aus dem OCI

Tabelle 11: Veränderung des OCI aus der Bewertung des afs -Finanzvermögens

Tabelle 12: Impairments des afs -Finanzvermögens

Tabelle 13: Umwidmung von Finanzinstrumenten

Tabelle 14: Umwidmungseffekt auf den Gesamterfolg in 2008

1. Einleitung

1.1. Problemstellung

Die aktuelle Finanzmarktkrise hat einen recht harmlosen Ursprung in den „faulen“ Krediten der privaten Immobilienfinanzierung in den USA. Dennoch entwickelte sich die lokale Krise einzelner Branchen zu einer multinationalen Krise der Finanzwirtschaft und schließlich zu einer internationalen Krise der gesamten Wirtschaft. Seit ihrem Ausbruch in 2007 ist sie zu einem Flächenbrand herangewachsen, von dem kaum ein Staat verschont geblieben ist. Besonders befallen sind die Kreditinstitute, die in strukturierte Finanzprodukte aus dem US-amerikanischen Hypothekenmarkt investieren, sowie ihre Herkunftsstaaten. Angesichts der Verflechtung des weltweiten Finanzsystems trifft es mittelbar Bankkunden in aller Welt.

Wie aus der US-amerikanischen Hypothekenkrise eine globale Wirtschaftskrise entstanden ist, wird mit einem Bündel von Ursachen begründet. Dabei wird oftmals die Meinung vertreten, die internationale Rechnungslegung habe zu einer Übertragung der Krise insbesondere auf das weltweite Bankensystem geführt. Diese Ansicht richtet sich gegen die fair value -Bewertung von Finanzinstrumenten, da sie durch die Berücksichtigung jeder Marktschwankung zu erheblichen Volatilitäten in den Bilanzen führt. In Aufschwungsphasen führt die fair value -Bewertung zu erhöhten Gewinnausweisungen und -ausschüttungen, die den Wünschen von Aktionären und Managern entgegenkommen. In Krisenzeiten aber wird das fair value -Prinzip zu einem Motor einer sich selbst verstärkenden Abwärtsspirale, da die vielfältig miteinander verbundenen Unternehmen zu zeitnahen Abwertungen ihrer Vermögenswerte gezwungen sind.

Die vorliegende Diplomarbeit geht dem Vorwurf nach, dass die Bewertungsvorschriften der internationalen Rechnungslegung zum Ausbruch und der Übertragung der Krise beigetragen hätten. Es wird untersucht, inwieweit die fair value -Bewertung an den enormen Verlusten der Banken im Krisenjahr 2008 verantwortlich ist. Hierfür werden exemplarisch die Konzernabschlüsse von fünf der bedeutendsten deutschen Banken hinsichtlich des Einflusses der fair value -Bewertung von Finanzinstrumenten auf die Bankenbilanzen analysiert.

1.2. Aufbau der Arbeit

Zum Einstieg in die Problematik werden die Hintergründe der Kritik an der internationalen Rechnungslegung insbesondere für Kreditinstitute dargelegt. Um diese zu verdeutlichen, werden die Entstehung und der Verlauf der Krise in wesentlichen Zügen erläutert, sowie die gesetzliche Rahmengestaltung im Bankensektor dargestellt.

Das dritte Kapitel gibt einen Überblick über die Grundgesamtheit der Analyse. Neben den Grundlagen der Untersuchung wird erläutert, aus welchen Gründen die in der Arbeit untersuchten Banken ausgewählt wurden.

Der Kern der Diplomarbeit ist die Analyse der Bankenbilanzen im vierten Kapitel. Zunächst stehen die finanziellen Vermögenswerte und Verbindlichkeiten im Fokus der Untersuchung, um die Gewichtung der fair value -Bewertung in den Bilanzen auszumessen. Die Angaben über die im Vermögen stehenden sowie eigens strukturierten Finanzprodukte werden evaluiert. Da der fair value bei fehlendem Marktpreis anhand von Bewertungsmodellen ermittelt wird, wird die Bewertungshierarchie untersucht. Nachdem die bisher wesentlichen Punkte in einem Zwischenergebnis zusammengefasst werden, folgt die Analyse des Eigenkapitals. Um ein umfassendes Bild über die Eigenkapitalsituation zu erhalten, werden die Marktkapitalisierung, die bilanzielle Eigenkapitalquote sowie die aufsichtsrechtliche Eigenkapitalausstattung dargelegt. Die Ergebnisanalyse erfolgt mit Rücksicht auf die unrealisierten Ergebnisse im Eigenkapital. Besondere Aufmerksamkeit wird hierbei den unrealisierten Bewertungsergebnissen von Finanzinstrumenten gewidmet. Im Anschluss folgt eine Analyse der Abschreibungen und Marktwertanpassungen infolge der Krise. Hierbei werden zunächst die Wertminderungen der strukturierten Finanzprodukte untersucht und daraufhin die Stellungnahme der Banken zu ihrer Misere im Lagebericht dargelegt und gewürdigt. In einem letzten Schritt werden die Auswirkungen der krisenbedingten Neuregelungen analysiert, die eine Umgehung der zwingenden fair value -Bewertung ermöglichen sowie enorme Eigenkapitalbelastungen vermeiden. Schließlich folgt eine Zusammenfassung der Ergebnisse der Analyse im nächsten Kapitel. Die Diplomarbeit schließt mit einem Fazit über die wichtigsten Erkenntnisse und einem Ausblick auf die Zukunft der fair value -Bewertung für Finanzinstrumente.

2. Von der Finanzmarktkrise zur Bilanzkrise

2.1. Entstehung und Verlauf der Krise

Zu Beginn dieses Jahrtausends erlebte der US-Immobilienmarkt einen Boom. Es herrschen niedrige Zinssätze für Hypothekenkredite und Erwartungen an steigende Immobilienpreise. Das verhilft vielen Kreditnehmern zu einem Eigenheim. Gleichzeitig sind Investoren auf der Suche nach Investitionen mit hohen Renditen. Hierfür bietet sich während des zunehmenden Anstiegs von Immobilienpreisen der Kauf von verbrieften Hypothekenkrediten. Mit Hilfe der Verbriefung werden Zahlungsströme aus beispielsweise Hypotheken- und Unternehmenskrediten in handelbare Wertpapiere gebündelt und emittiert. Für Kreditinstitute erweist sich diese Marktsituation als äußerst profitabel. Dies führt dazu, dass selbst Schuldnern minderer Bonität ein Hypothekendarlehen für ihre Eigenheimfinanzierung gewährt wird. Statt eines gewöhnlichen prime -Darlehens, erhalten sie ein subprime -Darlehen, das aufgrund eines höheren Risikos mit höheren Zinsen ausgestattet ist. Die Kredite besitzen gute Ratingnoten, da sie vergangenheitsorientiert vergeben werden. Bisher gibt es keine Kreditausfälle. Eine mögliche Zahlungsunfähigkeit von Kreditnehmern wird durch steigende Immobilienpreise aufgefangen. Daher erhalten selbst Kredite an vermögenslose Darlehensnehmer die Bestnoten bei den Ratingagenturen. Schließlich bleiben diese Chancen und Risiken nicht bei dem Kreditgeber sondern werden zu mortgage backed securitie s[1][2] (MBS) verbrieft und von den Banken an eine eigens dafür gegründete Zweckgesellschaft weiterveräußert. Letztere emittiert diese Schuldverschreibungen am Kapitalmarkt und refinanziert auf diese Weise ihren Forderungsankauf. In einem weiteren Schritt werden aus diesen verbrieften Wertpapieren Fonds[3] gebildet und weltweit an Investoren verkauft. Durch die spezifische Verbriefungstechnik werden die Kredite so gebündelt, dass die strukturierten Wertpapiere wiederum gute Ratingnoten erhalten.[4] Die Banken verlieren dadurch den nötigen Einblick in die Qualität und das Risiko der Verbriefungsprodukte. Das führt dazu, dass selbst staatliche Investoren wie öffentlich-rechtliche Kreditinstitute, die strengen Qualitätsregulierungen unterliegen, in das Marktsegment einsteigen.

Ausgangspunkt der Weltfinanzkrise ist der Abschwung auf den US-Immobilienmärkten im Herbst 2006. Die Baubranche ignoriert die gesättigte Immobiliennachfrage. Der Überhang an Immobilien führt zu einem Preisverfall. Die US-Zentralbank gibt ihre bisherige Niedrigzinspolitik auf und erhöht aufgrund von Liquiditätsengpässen die Zinsen. Die Zinsanpassungen machen die Kreditnehmer zahlungsunfähig und die Immobilien werden zwangsverkauft. Diese Umstände bereiten anfangs nur den Schuldnern große Sorge. Aber die Häufigkeit solcher Vorfälle beschleunigt den Preisverfall auf dem Immobilienmarkt. Also bringen Zwangsversteigerungen keine ausreichende Zahlung, um den offenen Kredit zu tilgen. Des Weiteren führen dieser Preisdruck und die Zweifel um die Kreditqualität zu einem Rückzug der Investoren. Es beginnt nun ein enormer Wertverfall aller Finanzpapiere, die unter Einbeziehung der Hypothekenkredite emittiert und gehandelt werden. Der Immobilienmarkt wird nun zur Sorge auch der Kreditgeber. Finanzinstitute in den USA, die auf Immobilienkredite spezialisiert sind, verzeichnen hohe Verluste. Die Stabilität aller subprime -Kreditgeber, Bauunternehmer und Investoren ist gefährdet. Ratingagenturen stufen eine große Anzahl an verbrieften Wertpapieren herab und fördern zusätzlich den Wertverfall, sodass schließlich der Handel teilweise zum Erliegen kommt. Die mit subprime -Krediten besicherten Wertpapiere müssen abgeschrieben werden. Weltweit erleiden Banken Verluste in Milliardenhöhe, die ihr Eigenkapital aufzehren und sie in starke Liquiditätsengpässe stürzen.

Die Krise des US-Immobilienmarktes breitet sich schnell zu einer dramatischen Banken- bzw. Finanzmarktkrise aus. Im April 2007 beantragt der erste große US-Hypothekenfinanzierer im subprime -Segment Insolvenz.[5] Nach dieser ersten großen Krisennachricht aus den USA schreiben schon sehr bald Banken aus aller Welt negative Schlagzeilen, weil sie in den US-Immobilienmarkt investiert hatten. Zu den ersten Banken gehören die Düsseldorfer IKB Industriebank, die Sachsen LB, die WestLB und die BayernLB. Der August 2007 wird als Ausbruchszeitpunkt der Krise datiert, als die Zentralbanken in Europa, Asien und den USA erstmals in dieser Krise intervenieren, um das Bankensystem mit Liquidität zu versorgen.[6] Die Banken- bzw. Finanzmärkte werden stabilisiert, damit sich Millionen Arbeitnehmer und Selbständige nicht um ihre Alterssicherung und ihre Spareinlagen fürchten müssen. Es ist eine Weltfinanzkrise, die selbst entwickelte Volkswirtschaften erschüttert und in eine schwere Rezession stürzt. Das Ergebnis sind insolvente Finanzinstitute, die zahlungsunfähig werden. Das mangelnde Vertrauen innerhalb des Finanzsektors und von Kunden gegenüber ihren Banken führt zum Einbruch der Aktienkurse. Schließlich verursachen die Banken aufgrund ihrer zentralen Stellung im Geflecht der wirtschaftlichen Beziehungen erhebliche Störungen in der Realwirtschaft. Das nationale und internationale Handelsvolumen schrumpft, führt zu Absatzeinbrüchen und verursacht Personalentlassungen. Die Regierungen beschließen Konjunkturpakete, verkünden Komplettgarantien für Spareinlagen, verbürgen und beteiligen sich an der Eigenkapitalbasis von Geldinstituten. Die Maßnahmen wenden die Gefahr eines vollständigen „System-Crashs“ ab. Ein Jahr nach dem Höhepunkt der Finanzmarktkrise im September 2008, als die international verflochtene US-Großbank, Lehman Brothers, kollabiert, gilt die Talsohle der Wirtschaftskrise überschritten.[7] Die gesamten Auswirkungen der Krise und ihre endgültige Dimension sind noch nicht abschließend abzusehen.

2.2. Der Bankensektor und die gesetzliche Rahmengestaltung

Die privaten Haushalte, die Unternehmen und der Staat sind in einer marktwirtschaftlichen Ordnung Wirtschaftsakteure, die auf dem Finanzmarkt Kapital anbieten und nachfragen. Die Kernaufgabe von Finanzdienstleistern besteht in der Finanzintermediation, d.h. den Interessensausgleich zwischen Anbietern und Nachfragern von Kapital herzustellen, indem sie Beträge, Fristen und Risiken wandeln.[8] Die Vorteilhaftigkeit der Finanzinstitute besteht darin, dass sie diversifizierte Kreditportfolios bilden und damit bewusste Risiken eingehen, um Transaktionen in der Geldwirtschaft möglich zu machen. Aufgrund dieser wichtigen Dienstleistung übernehmen sie eine Schlüsselfunktion im Wirtschaftsgeschehen.

Diese herausragende Stellung des Bankensektors in der Volkswirtschaft macht eine gesetzliche Rahmengestaltung und Aufsicht der Branche notwendig. In Deutschland ist der rechtliche Rahmen für das Bankgewerbe im Kreditwesengesetz (KWG), dem Wertpapierhandelsgesetz (WpHG) und dem Bundesbankengesetz (BBankG) festgelegt. Die Bankenaufsicht teilen sich die Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin) und die Bundesbank.[9] Das KWG enthält die Ordnungsvorschriften für das Bankgeschäft und die Prüfungsvorschriften für die Bankenaufsicht. Zur besseren Wahrnehmung der Aufsichtsaufgabe enthält es auch die Anzeige- und Meldepflichten des Kreditinstituts. Dazu gehören insbesondere nach § 26 I KWG die Einreichung eines aufgestellten, festgestellten und geprüften Jahresabschlusses und Prüfungsberichts.[10]

Der Jahresabschluss gilt als Medium, das die wirtschaftliche Lage eines Kreditinstituts widerspiegelt. Die Prüfung hat durch einen externen Abschlussprüfer zu erfolgen, der seinerseits auch einer strengen Berufsaufsicht durch die Wirtschaftsprüferkammer und die Abschlussprüferaufsichtskommission unterliegt. Die börsennotierten Institute werden zusätzlich seit dem zweiten Halbjahr 2005 durch das zweistufige „ Enforcement -Verfahren“ auf die Rechtmäßigkeit ihrer Rechnungslegung und Unternehmensabschlüsse kontrolliert. Auf der ersten Stufe prüft nach § 342b ff. HGB die privatrechtlich organisierte Deutsche Prüfstelle für Rechnungslegung. Sollte mit dieser nicht kooperiert werden oder es nicht zu einer einvernehmlichen Lösung kommen, kann die BaFin nach § 37n ff. WpHG auf zweiter Stufe die Prüfung mit hoheitlichen Mitteln zwangsweise durchsetzen. Des Weiteren sind Aktiengesellschaften nach § 171 AktG verpflichtet, die Abschlüsse im Aufsichtsrat gesellschaftsintern zu untersuchen.

Zudem wird der Jahresabschluss auch von Ratingagenturen ausgewertet. Die Ratingnote eines Kreditinstituts beeinflusst dessen Beziehung zu seiner wirtschaftlichen Umwelt. Entsteht nur der Anschein eines Verstoßes gegen die Rollenerwartung einer Bank, sinkt ihre Attraktivität für Anleger und sonstige Kreditgeber. In einem Extremfall, wie etwa der aktuellen Finanzmarktkrise, kann das die Liquidität einer Bank gefährden. Das vielseitige Prüfungssystem soll vor allem die exakte Abbildung von konkreten Risiken bezwecken.

2.3. Die Bankenbilanzierung in der Kritik

Der Jahresabschluss wird auf der rechtlichen Grundlage des Bilanzrechts (§§ 238 bis 342e HGB) und den dazu gehörigen Vorschriften erstellt. Demnach sind in Deutschland die Internationalen Rechnungslegungsstandards (IFRS) für den Abschluss der Kreditinstitute auf Konzernebene, wie auch für kapitalmarktorientierte Gesellschaften verpflichtend.[11] Im Gegensatz zu den handelsrechtlichen Vorschriften, die den Gläubigerschutz vorrangig verfolgen, sind die IFRS anlegerorientiert. Um den Investoren möglichst viele Informationen im Konzernabschluss nach IFRS zu übermitteln, basiert die Rechnungslegung insbesondere auf zwei Grundsätzen. Einerseits erfolgt die Bilanzierung nach dem Grundsatz substance-over-form, bei dem nicht die rechtliche, sondern die wirtschaftliche Betrachtungsweise im Vordergrund steht.[12] Die Vermögenswerte und Schulden sind grundsätzlich bei demjenigen zu bilanzieren, der den überwiegenden Nutzen aus dem Gegenstand zieht, bzw. endgültig über ihn verfügen kann. Des Weiteren gilt der fair value -Grundsatz als Bewertungsmaßstab.[13] Auf diesen Grundsatz konzentriert sich die vorliegende Arbeit. Die Bewertung nach dem fair value -Prinzip bedeutet den aktuellen Marktwert von z.B. Finanztiteln offenzulegen, um objektiv über das erwirtschaftete Ergebnis zu informieren. Eine marktnahe Bewertung der Vermögenspositionen ist eine unverzichtbare Voraussetzung für die Transparenz der Wertentwicklung.

Die internationale Rechnungslegung wird insbesondere aufgrund dieser zwei Paradigmen in der aktuellen Finanzmarktkrise beanstandet. Die Bilanzierung nach der wirtschaftlichen Betrachtungsweise spielt bei der Konsolidierungsentscheidung einer Zweckgesellschaft eine wichtige Rolle. Wenn das Mutterunternehmen keine Stimmrechtsmehrheit an der Gesellschaft hält und nicht die Mehrheit der mit ihr verbundenen Risiken und Chancen trägt, liegt keine Konsolidierungspflicht vor.[14] Durch geschickte Gestaltung können europäische Kreditinstitute ihre Investitionen in riskante strukturierte Produkte an eine Zweckgesellschaft veräußern, die keiner strengen Aufsicht unterliegt und nicht konsolidiert werden muss. Auf diese Weise erscheint das mit ihr verbundene Risiko im Konzernabschluss nicht. Der Vorteil einer Nicht-Konsolidierung besteht vor allem darin, das bilanzielle Eigenkapital zu schonen, da höhere Risikoaktiva mit mehr Eigenkapital hinterlegt werden müssen.[15] In Fachkreisen werden die Vorschriften zur Konsolidierung von Zweckgesellschaften kritisiert und eine Verschärfung der Regelungen gefordert.[16]

Der fair value findet seine Anwendung u.a. im Internation Accounting Standard (IAS) 39 bei der Bewertung von Finanzinstrumenten. Am Stichtag entspricht der anzusetzende Wert eines Wertpapiers dem Marktwert. Liegt kein Marktpreis vor, wird in der Regel der fair value aus zeitnahen Transaktionspreisen gleicher oder ähnlicher Finanzinstrumente abgeleitet. Sollten auch solche Werte nicht vorliegen, ist auf Bewertungsmethoden zurückzugreifen, wobei in größtmöglichem Umfang beobachtbare Marktdaten und möglichst wenig unternehmensspezifische Daten zu verwenden sind.[17] Vor Ausbruch der Finanzkrise verbreiten hohe Marktpreise Euphorie und locken Investoren. Nach Ausbruch der Krise müssen infolge der drastischen Kursverluste die Unternehmen die Finanztitel abwerten und das Vermögen abschreiben. Der niedrige Marktwert ist zum Stichtag anzusetzen, obwohl er als Reflex der extremen Situation kaum den fairen Wert widerspiegelt. Die Abschreibungen zehren das Eigenkapital auf und bedrohen die Existenz der Finanzinstitute. Die Möglichkeit einer Bank sich selbst zu finanzieren schwindet, je höhere Bewertungsverluste sie realisieren muss. Im Verlauf der Krise wird die Forderung immer lauter, die Bilanzierung zu Marktwerten auszusetzen.[18] Die Kritik richtet sich insbesondere gegen die mangelnde Flexibilität der fair value -Regeln.

3. Grundgesamtheit der Analyse

3.1. Grundlage der Untersuchung

Die Grundlagen der Untersuchung sind die veröffentlichten Quartals-, Zwischen- und Jahresabschlüsse sowie Geschäftsberichte aus der jeweiligen Konzernsicht. Der Jahresabschluss bzw. das betriebliche Rechnungswesen hat bei Kreditinstituten grundsätzlich die gleichen Aufgaben und Funktionen wie bei anderen Unternehmen. Er bietet dem Adressatenkreis, wie z.B. Kunden, Lieferanten, Kapitalgebern, Arbeitnehmern oder aber allgemein der Öffentlichkeit, Informationen über das Verhalten der Unternehmensleitung und die Sicherheit über künftige Erträge. Alle behandelnden Kreditinstitute wenden die internationale Rechnungslegung der IFRS an und haben den 31.12. als Bilanzstichtag. Während die ausgewählten Landesbanken ihren Konzernabschluss erstmals 2007 nach IFRS -Regeln aufstellten, wird diese Rechnungslegung bei den börsennotierten Privatbanken über den untersuchten Zeitraum hinaus angewendet.[19]

Der Untersuchungszeitraum liegt je nach Untersuchungsfeld zwischen 2006 und 2009. Während die Landesbanken binnen eines Geschäftsjahres lediglich einen verpflichtenden Halbjahresbericht veröffentlichen, erstellen die kapitalmarktorientierten Privatbanken quartalsweise einen verkürzten Konzernzwischenabschluss.[20] Daher beziehen sich die Daten für 2009 bei den Landesbanken auf den 30.06.2009 und bei den Privatbanken auf den 30.09.2009. Im Anhang dieser Arbeit sind die Bilanzen der Banken dargestellt und analysezweckgerichtet verdeutlichend aufbereitet. Im Verlauf der Arbeit werden ausgewählte Daten aus den Auswertungen mit einem Hinweis auf den Anhang tabellarisch dargestellt und erläutert.

Die Analyse der finanziellen Vermögenswerte und Verpflichtungen im ersten Teil des folgenden Kapitels bezieht sich auf die Finanzinstrumente, dessen Ansatz und Bewertung der IAS 39 regelt. Der IAS 39.2 enthält eine Liste von Finanzinstrumenten, dessen Rechnungslegung nicht nach IAS 39 erfolgen soll, sondern anderen Standards unterliegt. Hierbei handelt es sich beispielsweise um Anteile an Tochterunternehmen (IAS 27) und selbst emittierte Aktien (IAS 32). Des Weiteren werden die Anhangsangaben der Finanzinstrumente gemäß IFRS 7 und die Vorschriften für ihre Darstellung aus dem IAS 32 berücksichtigt.

Bei den Bilanzierungs- und Bewertungsregeln des IAS 39 handelt es sich um eine sehr komplexe Thematik. Die Finanzkrise hat die Standardsetzer des „International Accounting Standards Board“ (IASB) dazu bewegt, sich der Problematik anzunehmen und die Vorschriften zu reformieren. Die Klassifizierung und Bewertung von finanziellen Vermögenswerten unterliegen in Zukunft dem neu veröffentlichten Standard IFRS 9.[21] Die Vorschriften für finanzielle Verbindlichkeiten gelten nach wie vor gemäß IAS 39. Die verpflichtende Anwendung von IFRS 9 ist für Geschäftsjahre vorgesehen, die nach dem 1.1.2013 beginnen. Eine Übernahme in das EU-Recht hat noch nicht stattgefunden. In der Analyse der Bankenbilanzen wird stellenweise auf die damit verbundenen Änderungen hingewiesen.

3.2. Ausgewählte Banken

Im Zentrum der Analyse stehen fünf ausgewählte deutsche Kreditinstitute. Die Auswahl erfolgt einerseits nach der Größe des Unternehmens und der damit verbundenen Bedeutung für die Volkswirtschaft des Staates.[22] Andererseits wurden die Banken nach dem Kriterium ausgewählt, wie schwer sie von der Krise betroffen sind, um den Bezug der fair value -Bewertung zu ihren Verlusten zu skizzieren. Die Tabelle 1 gibt einen Überblick über die Bilanzsumme und Mitarbeiteranzahl der ausgewählten Banken zum Ende des Jahres 2008. Daraufhin folgt in den nächsten Kapiteln eine Zusammenfassung der Ereignisse um die jeweilige Bank im Verlauf der aktuellen Finanzmarktkrise.

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Tab. 1: Größendarstellung der ausgewählten Banken zum 31.12.2008

Quelle: Eigene Darstellung; in Anlehnung an Karsch, Die Bank, 08/2009, 26, 28.

3.3. Deutsche Bank AG

Die Deutsche Bank AG (DBK) ist die größte Bank der Bundesrepublik Deutschland und gehört als börsennotierte Privatbank gemäß den Kriterien der Deutschen Börse für die Indexzusammensetzung dem DAX an. Somit zählt sie zu den 30 bedeutendsten Unternehmen auf dem deutschen Kapitalmarkt. In der Finanzkrise erleidet sie hohe Verluste, kann aber ihr Fortbestehen weitestgehend aus eigener Kraft sicherstellen und musste nicht auf öffentliche Mittel zurückgreifen. Im Jahr 2006 übernimmt die Bank zwei US-amerikanische Finanzdienstleister, die auf die Verbriefung und den Kauf von subprime -Krediten spezialisiert sind. Dies beschert ihr für 2007 Verluste i.H.v. 2,2 Mrd. EUR.[23] Im Juli des Krisenjahres 2008 kauft die Bank den wesentlichen Teil des Mittelstandsgeschäfts der niederländischen Bank ABN Amro.[24] Im September 2008 erfolgt zur Finanzierung des Kaufs der Postbank-Aktien eine Kapitalerhöhung über 2,2 Mrd. EUR.[25] Als der schwer angeschlagene US-Versicherungskonzern AIG infolge der Finanzkrise Staatshilfen von der US-Regierung erhält, profitiert die DBK als Geschäftspartner Ende 2008 mit umgerechnet 9,1 Mrd. EUR davon.[26] Im Oktober 2009 wird die vollständige Übernahme einer der größten unabhängigen Privatbankgruppen Europas, Sal. Oppenheim, durch die DBK bekannt gegeben.[27]

3.4. Commerzbank AG

Die zweitgrößte deutsche Bank ist die Commerzbank AG (CBK), die ebenfalls im DAX gelistet ist. Im Krisenjahr 2008 benötigt sie Staatshilfen aus dem Sonderfonds zur Finanzmarktstabilisierung (SoFFin).[28] Der SoFFin wird im Oktober 2008 mit Inkrafttreten des Finanzmarktstabilisierungsgesetzes geschaffen, um den Finanzsektor mit verschiedenen Instrumenten zu stabilisieren.[29] Während das Kreditinstitut im Dezember 2008 stille Einlagen i.H.v. 8,2 Mrd. EUR erhält, wird der Staat letztlich über den SoFFin mit einem Anteil von 25% plus einer Aktie neuer Großaktionär der Bank.[30] Die benötigte Staatshilfe der CBK steht vor allem im Zusammenhang mit der Übernahme der Dresdner Bank AG, die in den Sog der Krise geraten war. Seit Januar 2009 ist die CBK damit als zweitgrößte deutsche Bank der alleinige Eigentümer der drittgrößten Bank Deutschlands. Des Weiteren muss die CBK infolge der Finanzkrise ein weiteres Stabilisierungsinstrument aus dem staatlichen Maßnahmenkatalog in Anspruch nehmen. Durch das Gesetz zur Fortentwicklung der Finanzmarktstabilisierung, das sogenannte Bad Bank -Gesetz, kann ein Kreditinstitut eine Zweckgesellschaft bzw. Bad Bank gründen, in der es seine hochriskanten Kredite und Wertpapiere auslagert.[31] Die Trennung des hohen Risikos aus den Bilanzen bezweckt eine „gesunde“ übrige Bank und fördert das Vertrauen an den Kapitalmärkten. Am Ende der Laufzeit dieser Finanztitel müssen die Banken jedoch für die Verluste dieser Bad Bank aufkommen. Die CBK bildet Ende März 2009 eine derartige Zweckgesellschaft und reinigt somit ihre Konzernbilanz um 55,4 Mrd. EUR.[32]

3.5. Hypo Real Estate Holding AG

Die Hypo Real Estate Holding AG (HRE) wird von der Finanzkrise in stärkstem Maße getroffen. An ihrer Bilanzsumme gemessen, steht sie auf Rang acht der größten Kreditinstitute des Landes. Bis zum Dezember des Krisenjahres 2008 war sie an der Börse im DAX gelistet.[33] Die HRE ist durch ihre irische Tochtergesellschaft Depfa Bank plc (Depfa) ins Straucheln geraten. Der Schwerpunkt der Geschäftstätigkeit der erst 2007 erworbenen Depfa liegt in der Finanzierung der öffentlichen Hand. Sie ist ein Emittent grundsolider Pfandbriefe und refinanziert sich auf dem kurzfristigen Geldmarkt. Als dieser zusammenbricht kommt sie in Refinanzierungsschwierigkeiten.[34] Die HRE dient als Beispiel, dass nicht nur die Investitionen in den Verbriefungsmarkt zu den Schwierigkeiten führen, sondern auch die sich daran anschließenden Komplikationen. Ende September und Anfang Oktober 2008 einigen sich Vertreter der Bundesregierung, Bundesbank, BaFin und Spitzenvertreter der deutschen Kredit- und Versicherungswirtschaft mit der HRE auf einen Rettungspaket.[35] Sie erhält ein staatlich garantiertes Darlehen i.H.v. 50 Mrd. EUR und einen Garantierahmen von insgesamt 52 Mrd. EUR durch den SoFFin. Ein Zusammenbruch der HRE wird aufgrund ihrer systemrelevanten und wichtigen Rolle auf dem Finanzmarkt vermieden. Einerseits läuft die Refinanzierung der HRE hauptsächlich über die Einlagen anderer Banken. Andererseits ist die Bank einer der bedeutendsten Emittenten von Pfandbriefen auf dem deutschen Pfandbriefmarkt, der weltweit der zweitgrößte ist und die deutsche Stabilitätskultur repräsentiert.[36] Die Insolvenz dieses Kreditinstituts hätte somit verheerende Folgen für Millionen Anleger gehabt und würde durch einen Dominoeffekt weitere Banken mitreißen. Schließlich wird die HRE als erste Bank in der Geschichte der Bundesrepublik seit 1949 vollständig verstaatlicht.[37]

3.6. Landesbank Baden-Württemberg

Die größte deutsche Landesbank ist die Landesbank Baden-Württemberg (LBW). In der Gesamtwertung der Branche kommt sie auf den vierten Platz. Die Träger der Anstalt des öffentlichen Rechts LBW sind das Land Baden-Württemberg (35,6%), der Sparkassenverband Baden-Württemberg (40,5%), die Stadt Stuttgart (18,9%) und die Landeskreditbank Baden-Württemberg (4,9%).[38] In der Finanzkrise übernimmt die LBW Ende 2007 die schwer angeschlagene Sachsen LB.[39] Im Jahr 2009 benötigt sie selbst von ihren Eigentümern eine Eigenkapitalstärkung i.H.v. 5 Mrd. EUR infolge hoher Verluste.[40] Die EU-Kommission genehmigt die Kapitalzuführung nur unter strengen Auflagen eines Restrukturierungsprogramms.[41] Daraufhin folgt ein Stellenabbau von 2.500 Arbeitsplätzen. In der jüngsten Vergangenheit ermittelt die Staatsanwaltschaft Stuttgart gegen amtierende und ehemalige Vorstandsmitglieder.[42] Der Vorwurf lautet, dass der seinerzeitige Vorstand Ende 2006 hochriskante Investitionen im dreistelligen Millionenbereich pflichtwidrig getätigt oder genehmigt habe.

3.7. Bayerische Landesbank

Schließlich ist die Bayerische Landesbank (BLB) für die Analyse ausgewählt. Sie ist die zweitgrößte Landesbank Deutschlands und kommt in der Gesamtwertung aller Banken auf den sechsten Platz. Der alleinige Träger der BLB ist die BayernLB Holding AG, über die der Freistaat Bayern (94%) und der Sparkassenverband Bayern (6%) mittelbare Eigentümer der Bank sind.[43] Eine Bankübernahme ist der BLB ebenfalls, wie im Falle der HRE, zum Verhängnis geworden. Die österreichische Bank Hypo Group Alpe Adria (HGAA) wird 2007 zur Intensivierung des Ost- und Südosteuropageschäfts gekauft.[44] Im Jahr 2008 erfordert die Bank 900 Mio. EUR aus dem österreichischen Rettungsfonds. Als weitere 1,5 Mrd. EUR bis Ende 2009 benötigt werden, lehnt es die bayerische Staatsregierung als Haupteigentümer der BLB ab, weitere Mittel in die österreichische Tochtergesellschaft einzuschießen.[45] Schließlich wird sie Mitte Dezember 2009 mit einem symbolischen Wert von einem Euro an die Bundesrepublik Österreich verkauft. Ferner ermittelt die Staatsanwaltschaft auch bei der BLB seit Oktober 2009.[46] Der frühere Vorstandsvorsitzende der BLB, Werner Schmidt, steht unter dem Verdacht der Untreue. Die österreichische HGAA sei absichtlich zu teuer gekauft und es sei in unüblicher Weise ein hohes Schuldenrisiko übernommen worden. Inzwischen ist bekannt geworden, dass Schmidt nach dem Ausscheiden bei der BLB einen Beratervertrag von der HGAA mit einem Honorar i.H.v. 50.000 EUR erhielt.[47] Infolge der Finanzmarktkrise stellt der Freistaat Bayern 3 Mrd. EUR in 2008 und weitere 7 Mrd. EUR in 2009 der Bank zur Verfügung.[48] Aus dem Rettungsschirm des Bundes erhält die BLB 15 Mrd. EUR als vorbeugende Garantie für ihre riskanten Wertpapiere. Ferner wird ein umfassendes Sparpaket beschlossen, bei dem die Bank 5.600 Arbeitsplätze streicht. Als öffentlich-rechtliche Kreditinstitute gehören die Landesbanken der öffentlichen Hand und unmittelbar dem Bürger. Da sie mit Steuergeldern finanziert werden, sind sie durch ihre Investitionen in den US-Hypothekenmarkt ins Kreuzfeuer der Kritik geraten.[49]

4. Analyse der Bankenbilanzen

4.1. Finanzielle Vermögenswerte und Verbindlichkeiten

4.1.1. Die Kategorien von originären Finanzinstrumenten

4.1.1.1. Überblick

Ein Finanzinstrument ist per Definition nach IAS 32.11 eine vertragliche Vereinbarung, die bei dem einen Unternehmen zur Entstehung eines finanziellen Vermögenswerts und gleichzeitig bei dem anderen Unternehmen zur Entstehung einer finanziellen Verpflichtung oder eines Eigenkapitalinstruments führt. Ein Eigenkapitalinstrument ist ein Vertrag, der einen Residualanspruch am Reinvermögen eines Unternehmens beinhaltet. Die Aktie ist ein typisches Eigenkapitalinstrument, das bei dem Inhaber aktiviert wird und beim Emittenten zum Eigenkapital gehört. Für die Bilanzierung von Eigenkapitalinstrumenten sind die Kriterien für finanzielle Verbindlichkeiten gleichermaßen entscheidend, da hierfür keine abschließenden Ansatzkriterien existieren.[50][51] Als Negativbeispiele für die finanziellen Aktiva sind beispielsweise das immaterielle Vermögen, Sachanlagevermögen und Steueransprüche zu nennen. Keine finanziellen Passiva sind hingegen das Eigenkapital, Sachleistungsverpflichtungen oder Rückstellungen. Des Weiteren lassen sich Finanzinstrumente des IAS 39 in originäre und derivative Finanzinstrumente unterscheiden. Während originäre Finanzinstrumente eigenständig sind, ist ein Derivat dadurch gekennzeichnet, dass dessen Wert sich vornehmlich in Folge der Änderung eines bestimmten Basiswertes verändert. Zunächst wird auf die originären Finanzinstrumente eingegangen, bevor in den Kapiteln 4.1.3. bis 4.1.5. Finanzderivate abgehandelt werden.

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Tab. 2: Bewertungskategorien von Finanzinstrumenten nach IAS 39

Quelle: Eigene Darstellung; in Anlehnung an Kuhn/Scharpf, Rechnungslegung von Financial Instruments, 2006, 271.

Im Zugangszeitpunkt sind alle Finanzinstrumente mit ihrem fair value zu bewerten, der regelmäßig dem Transaktionspreis bzw. den Anschaffungskosten entspricht. Die Folgebewertung ist jedoch nach IAS 39.45 davon abhängig, in welche der in IAS 39.9 definierten Bewertungskategorien sie zu klassifizieren sind. Daher ist die Differenzierung der Kategorien ausschlaggebend, die gemäß dem Standard in der Tabelle 2 dargestellt ist.

Die Kategorie afv auf der Aktivseite sowie die Kategorie lfv der Passiva unterteilen sich in zwei Unterkategorien. In die erste Unterkategorie held-for-trading (hft) ist zwingend einzuordnen, wenn das Finanzinstrument mit einer kurzfristigen Wiederveräußerungsabsicht erworben wurde oder wenn es als Bestandteil eines Portfolios einer kurzfristigen Gewinnerzielungsabsicht dient. Zusätzlich sind Derivate stets in diese Kategorie einzuordnen, es sei denn, sie stellen Sicherungsderivate dar, bei denen die Vorschriften des hedge accounting Anwendung finden bzw. es sich um Finanzgarantien handelt. In bestimmten Fällen besteht das Wahlrecht ein Finanzinstrument im Zugangszeitpunkt gemäß der fair value -Option unabhängig von dessen Merkmalen und Verwendungsabsichten in die zweite Unterkategorie designated as at fair value (fvo) einzuordnen, falls der fair value verlässlich bestimmbar ist. Die Finanzderivate, das hedge accounting und die fair value -Option werden in den folgenden Kapiteln näher erläutert. Die Zugangs- und Folgebewertung von Finanzinstrumenten der Bewertungskategorien afv und lfv erfolgt zum fair value. Die Wertänderungen sind unmittelbar ergebniswirksam in der GuV zu erfassen.

Finanzinstrumente der Kategorie htm sind gem. IAS 39.9 finanzielle Vermögenswerte, die feste oder bestimmbare Zahlungen aufweisen. Ferner müssen sie eine feste Laufzeit besitzen, die ein Unternehmen bis zur Endfälligkeit einhalten will und dazu auch rechtlich und wirtschaftlich in der Lage ist. Die Zugangsbewertung von Finanzinstrumenten dieser Kategorie erfolgt zu den Anschaffungskosten und die Folgebewertung zu amortised cost, d.h. zu fortgeführten Anschaffungskosten. Im Gegensatz zum Ansatz des Marktwertes werden die amortised cost nach IAS 39.9 mit Hilfe der Effektivzinsmethode berechnet. Sie ergeben sich aus den Anschaffungskosten unter der Berücksichtigung von Tilgungsbeträgen, der Amortisation von Agien und Disagien und von Wertberichtigungen.

Die dritte Kategorie lar umfasst finanzielle Vermögenswerte mit festen oder bestimmbaren Zahlungen. Die Voraussetzung hierbei ist, dass diese Kredite und Forderungen nicht an einem aktiven Markt notiert sind. Die Zugangsbewertung erfolgt zu Anschaffungskosten und die Folgebewertung zu amortised costs nach Maßgabe der Effektivzinsmethode, wie bei Finanzinstrumenten der Bewertungskategorie htm.

Zur Veräußerung verfügbare Finanzinstrumente der Bewertungskategorie afs stellen eine Restkategorie dar. Alle finanziellen Vermögenswerte, die keiner der anderen bisher erwähnten Klassen angehören, fallen in diese Kategorie. Die Zugangsbewertung erfolgt zum fair value. Die Wertänderungen sind im Gegensatz zu denen anderer Kategorien gem. IAS 39.55 erfolgsneutral im Eigenkapital zu erfassen. Erst bei Abgang oder außerplanmäßige Wertminderungen erfolgt die ergebniswirksame Erfassung der kumulierten Wertänderungen. Diese Besonderheit wird unter Kapitel 4.3.5. näher untersucht.

Auf der Passivseite unterscheidet IAS 39 lediglich zwei Kategorien von finanziellen Verbindlichkeiten. Die Kategorie lfv umfasst, wie oben erwähnt, die Handelspassiva und zum fair value designierte finanzielle Verpflichtungen als Unterkategorien. Alle anderen passiven Finanzinstrumente sind der Kategorie lac zuzuordnen. Die Zugangsbewertung erfolgt zum fair value, der im Rahmen der praktischen Anwendung häufig dem vereinnahmten Betrag unter Berücksichtigung von Transaktionskosten entspricht. Die Folgebewertung erfolgt unter Anwendung der Effektivzinsmethode zu amortised cost.

Das Resultat der Bewertungsregeln ist die Anwendung unterschiedlicher Wertansätze, die von der Kategorisierung des Finanzinstruments nach IAS 39 abhängig sind. Die Definition des fair value ist im IAS 32.11 wiedergegeben. Er ist der Betrag, zu dem ein Vermögenswert zwischen sachverständigen, vertragswilligen und voneinander unabhängigen Geschäftspartnern getauscht oder eine Verpflichtung beglichen werden kann. Dabei ist stets von einer Fortführung des Unternehmens (going concern) auszugehen. Es dürfen gem. 39 .AG 69 keine Preise verwendet werden, die aufgrund von erzwungenen Geschäften, zwangsweisen Liquidationen oder Notverkäufen zustande gekommen sind. Dagegen sind die amortised cost nach IAS 39.9 der Betrag, der sich aus den ursprünglichen Anschaffungskosten unter Berücksichtigung von Tilgungsbeträgen, der Amortisierung von Agien oder Disagien nach der Effektivzinsmethode und von Wertberichtigungen oder Abschreibungen aufgrund von Wertminderungen oder Uneinbringlichkeiten ergibt. Die Folgebewertung von Finanzinstrumenten unterliegt daher einem so genannten mixed model, demzufolge eine Bewertung zu amortised cost die Alternative zum fair value ist.[52] Bei einer Bewertung zum fair value ist dann gegebenenfalls noch zu entscheiden, ob die Wertänderungen erfolgswirksam oder erfolgsneutral zu verbuchen sind.

Der neue IFRS 9 wird zukünftig die Einordnung in lediglich zwei Bewertungskategorien verlangen: amortised cost oder fair value.[53] Der Ansatz zu fortgeführten Anschaffungskosten hat hierbei Priorität vor dem Ansatz zum fair value. Zunächst ist zu prüfen, ob die Bedingungen für die Klassifizierung eines Finanzinstruments zu amortised costs erfüllt werden. Falls das nicht der Fall ist, darf eine Zurechnung zum fair value -Bestand erfolgen. Finanzinstrumente müssen gem. IFRS 9.4.2 für die Bewertung zu fortgeführten Anschaffungskosten grundlegende Kreditmerkmale aufweisen und das Instrument muss auf Basis der vertraglichen Leistungen gesteuert werden. Im Einzelnen sind eine subjektive und eine objektive Bedingung zu erfüllen. Die subjektive Bedingung des IFRS 9.4.2a verlangt, dass das Finanzinstrument mit dem Ziel der Realisierung der vertraglichen Geldflüsse gehalten wird. Entsprechend der objektiven Bedingung des IFRS 9.4.2b müssen die vertraglichen Bestimmungen für das Finanzvermögen zu Geldflüssen an festgelegten Zeitpunkten führen, welche ausschließlich Zins- und Tilgungszahlungen auf die ausstehende Kapitalsumme darstellen. Ferner wird ungeachtet dieser Abgrenzungskriterien die Zeitwertoption nach wie vor beibehalten. Wie bereits oben zu den Bewertungskategorien afv und lfv erwähnt und im folgenden Kapitel näher erklärt wird, dürfen demnach finanzielle Vermögenswerte zum fair value designiert werden. Hierbei wird in IFRS 9.4.5 auf IAS 39 verwiesen. Die Wertänderung der zum fair value bilanzierten Finanzinstrumente ist grundsätzlich erfolgswirksam zu verbuchen. Die einzige Ausnahme bilden gem. IFRS 9.5.4.1 i.V.m. 9.5.4.4 Eigenkapitalinstrumente, die nicht die Definition von hft -Finanzinstrumente im Sinne von IAS 39.9 erfüllen.[54] Die Gewinne oder Verluste dieser Finanzinstrumente sind erfolgsneutral im Eigenkapital zu erfassen.

4.1.1.2. Analyse

Bei der Analyse der Bewertungskategorien gemäß den geltenden Vorschriften des IAS 39 zeigt sich zunächst, dass Banken im Allgemeinen einen hohen Anteil an Finanzinstrumenten in ihren Bilanzen ausweisen. Im untersuchten Zeitraum sind 87 - 98% aller Vermögenswerte und Verbindlichkeiten Finanzinstrumente, die in den Anwendungsbereich des IAS 39 fallen. In der folgenden Tabelle 3 wird die Aufteilung der originären Finanzinstrumente auf die verschiedenen Bewertungskategorien zum 31.12.2007 dargestellt. Die gesamten Auswertungen für den Zeitraum 2006 bis 2009 können im Anhang dieser Arbeit eingesehen werden. Die jeweiligen Prozentzahlen ergeben sich aus der Gewichtung der Finanzinstrumente in der Bewertungskategorie zu der Gesamtsumme an originären Finanzinstrumenten. Bei der Auswertung der Bankenbilanzen wurde die Barreserve zu keiner der Bewertungskategorie hinzugerechnet. Nach Barz, Eckes, Weigel (PwC, IFRS für Banken, 2008, 890) gilt es, die Barreserve grundsätzlich der zum fair value bewerteten Kategorie afs zuzuordnen. Da der fair value dieses Vermögenswertes aufgrund seiner Kurzfristigkeit dem Nennwert entspricht, wird er bei allen Banken aus der Analyse der Bewertungskategorien von Finanzinstrumenten ausgenommen.

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Tab. 3: Aufteilung der originären Finanzinstrumente gemäß den Bewertungskategorien zum 31.12.2007

Die Kategorisierung von Finanzprodukten in htm wird grundsätzlich nicht vorgenommen. Die BLB hat lediglich Finanzprodukte i.H.v. 40 Mio. EUR seit 2007 in ihren Bilanzen, die mit einem Anteil von 0,01% nicht in die Tabelle 3 aufgenommen sind. Die HRE hingegen bewertete 2006 Finanzprodukte i.H.v. 8 Mrd. EUR gemäß der Kategorie htm, die 5,2% der originären Finanzprodukte entsprechen. Im Anhang des Jahresabschlusses 2007 erklärt die Bank, dass die Absicht geändert wurde, die htm -Vermögenswerte bis zum Ende ihrer Laufzeit zu halten. Das gesamte Portfolio ist gem. IAS 39.51 zum 1. Juli 2007 in die Kategorie afs umklassifiziert.[55] Die Möglichkeit zur Umwidmung von Finanzvermögen beschränkte sich zu diesem Zeitpunkt auf die Kategorien afs und htm. Die im Oktober 2008 neu eingeführten Erweiterungen aufgrund der Finanzmarktkrise sind Thema des Kapitels 4.3.7. Die Finanzinstrumente i.H.v. 8 Mrd. EUR werden von diesem Zeitpunkt an gemäß ihres fair value bewertet.

Während die weitaus vermögendste DBK in der Verteilung der Finanzinstrumente ein anderes Muster aufweist, sind die vier weiteren deutschen Banken ähnlich aufgestellt. Der Großteil des Vermögens ist bei der DBK in afv kategorisiert. Bei Hinzurechnung des afs -Vermögens ergibt sich ein Anteil von 83% des gesamten Finanzvermögens, das mit dem fair value bewertet wird. Die Verbindlichkeiten der DBK werden hingegen lediglich zur Hälfte mit dem Marktwert bilanziert.

Bei allen vier weiteren Banken überwiegt die Bewertung zu amortised cost sowohl beim Vermögen, als auch bei den Verbindlichkeiten. Die CBK und BLB bewerten etwa 60%, die LBW und CBK annähernd 70% ihres Vermögens mit den fortgeführten Anschaffungskosten. Das mit dem fair value bewertete Finanzvermögen unterteilt sich in die Kategorie afv und afs. Dabei enthält die afs -Kategorie der CBK, HRE und LBW etwa 20 - 22% und die afv -Kategorie einen geringeren Anteil von 7 - 17% des Gesamtvermögens. Lediglich die BLB hält die Verteilung des fair value bewerteten Vermögens in verkehrter Weise. Es ist mehr fair value -Vermögen gemäß der Kategorie afv (23%) als der Kategorie afs (17%) bewertet. Eine deutlichere Tendenz zeigt sich in den Verbindlichkeiten dieser Banken. Von allen finanziellen Verbindlichkeiten bewerten diese vier Banken 83% (BLB) bis hin zu 96% (HRE) mit den amortised cost.

4.1.2. Die fair value -Option

4.1.2.1. Überblick

Finanzinstrumente können auf Grundlage einer Entscheidung des Bilanzierenden unabhängig vom Vorliegen einer Handelsabsicht den Bewertungsregeln der Kategorien afv bzw. lfv unterzogen werden. Mit der Ausübung der fair value -Option gem. IAS 39.11A-13 sollen relevantere Informationen vermittelt werden und die Komplexität der Bewertung vermindert bzw. die Zuverlässigkeit der Bewertung erhöht werden.[56] Zur Konkretisierung hat das IASB drei Kriterien formuliert, von denen eins erfüllt sein muss, um ein Finanzinstrument in die fvo -Kategorie zu designieren:

(a) Accounting Missmatch
(b) Portfolio-Steuerung auf fair value -Basis
(c) Eingebettete Derivate

Unter Accounting Missmatch versteht man eine Ansatz- und Bewertungsinkongruenz. Sie entsteht bei einem finanziellen Vermögenswert, der aufgrund seiner Kategorie mit dem fair value bewertet wird, aber die hierzu korrespondierende finanzielle Verbindlichkeit der Bewertung zu amortised cost unterliegt. Die Inkongruenz kann vermieden werden, indem beide Posten in die Kategorie fvo eingeordnet werden. Die nötige Voraussetzung ist, dass zwischen den Finanzinstrumenten ein nachweisbarer ökonomischer Zusammenhang besteht.

Falls das Management und die Performance-Messung eines Portfolios von Finanzinstrumenten, wie in IAS 39.9b(ii) erläutert, auf fair value -Basis erfolgen, kann das gesamte Portfolio einschließlich aller enthaltenen Finanzinstrumente der fvo -Kategorie zugeordnet werden. Als weitere Voraussetzungen gelten in diesem Falle die Dokumentation der Risikomanagement- oder Anlagestrategie und eine Überwachung durch beispielsweise den Geschäftsführer. Eine derartige Portfolio-Steuerung geschieht z.B. wenn die Bank festverzinsliche Kredite (lar) vergibt und das sich hieraus entstehende Zinsrisiko durch derivative und originäre Finanzinstrumente auf fair value -Basis steuert.

Ein eingebettetes Derivat ist gem. IAS 39.10 ein Bestandteil eines strukturierten (zusammengesetzten) Finanzinstruments, das auch einen nicht derivativen Basisvertrag enthält, welches gemeinsam mit dem Derivat zu einer rechtlichen und wirtschaftlichen Einheit verbunden ist. Der IAS 39.11 regelt die Voraussetzungen für eine Trennung und gesonderte Bilanzierung der beiden Bestandteile. Die Wesensmerkmale von Finanzderivaten und ihre funktionale Abgrenzung werden in den folgenden drei Kapiteln näher untersucht. Oftmals sind bei Verträgen, in denen mehr als ein Derivat eingebettet ist, die Anforderungen zu komplex oder die einzelnen Komponenten lassen sich nicht verlässlich bewerten. Aus diesem Grund kann das komplette strukturierte Produkt gem. IAS 39.11A. bei Erstansatz auch als fvo kategorisiert werden. Die Designation ist jedoch nicht zulässig, wenn das Derivat die ansonsten aus dem Basisvertrag resultierenden Zahlungsströme nicht signifikant verändert oder durch Vergleich mit ähnlichen strukturierten Produkten es offensichtlich ist, dass eine getrennte Bilanzierung unzulässig ist.

[...]


[1] Vgl. Bloss/Ernst/Häcker/Eil, Von der Subprime-Krise zur Finanzkrise, 2009, 15 ff.

[2] Das sind durch Immobilien besicherte Wertpapiere, die eine spezielle Form von asset backed securities (ABS), d.h. forderungsbesicherte Wertpapiere darstellen.

[3] Es handelt sich um collateralised debt obligations (CDO), d.h. um Fonds, in denen Kredite unterschiedlichster Qualität gebündelt werden.

[4] Vgl. Bloss/Ernst/Häcker/Eil, Von der Subprime-Krise zur Finanzkrise, 2009, 17 ff.

[5] Es handelt sich um die New Century Financial. Vgl. Bloss/Ernst/Häcker/Eil, Von der Subprime-Krise zur Finanzkrise, 2009, 21.

[6] Vgl. Braunberger, FAZ v. 11.08.2007, Nr. 185, 1.

[7] Vgl. Kuhls, FAZ v. 02.09.2009, Nr. 203, 12.

[8] Vgl. Tolkmitt, Neue Bankbetriebslehre, 2007, 3 ff.

[9] Vgl. Tolkmitt, Neue Bankbetriebslehre, 2007, 80 ff.

[10] Auch § 340k I 1 HGB schreibt Kredit- und Finanzdienstleistern unabhängig von ihrer Rechtsform und Größe die Prüfung durch einen Abschlussprüfer vor.

[11] Vgl. § 340a I HGB i.V.m. § 315a HGB.

[12] Vgl. F. 35 i.V.m. IAS 8.10.

[13] Vgl. Lüdenbach/Hoffmann, in: Lüdenbach/Hoffmann, IFRS-Kommentar, 2009, §1, Rz. 107.

[14] Vgl. IAS 27.13 i.V.m. SIC 12.

[15] Vgl. Kap. 4.3.2. Das entspricht den Baseler Eigenkapitalvorschriften die von allen Kredit- und Finanzdienstleistungsunternehmen in der EU angewandt werden müssen. Vgl. auch Bloss/Ernst/Häcker/Eil, Von der Subprime-Krise zur Finanzkrise, 2009, 52 f.

[16] Vgl. Hoffmann/Lüdenbach, DB 2007, 2213, 2218. Vgl. auch Dobler/Kuhner, WPg 2009, 24, 27.

[17] Vgl. IAS 39 .AG 76, AG 76A.

[18] Vgl. Schildbach, DStR 2008, 2381, 2385. Vgl. auch Ritter, FAZ v. 29.04.2008, Nr. 100, 18.

[19] Vgl. LBW, GB 2006, 140; GB 2007, 141. Vgl. auch BLB, GB 2006, 174; GB 2007, 84.

[20] Vgl. Coenenberg/Haller/Schultze, Jahresabschluss und Jahresabschlussanalyse, 2009, 856 f.

[21] Vgl. IASB, IFRS 9 Financial Instruments, 2009, 7. Vgl. auch Lüdenbach/Freiberg, BB 2009, 2750, 2750 f.

[22] Vgl. Karsch, Die Bank, 08/2009, 26, 28.

[23] Vgl. Bloss/Ernst/Häcker/Eil, Von der Subprime-Krise zur Finanzkrise, 2009, 119.

[24] Vgl. DBK, Pressemitteilung v. 02.07.2008, www.deutsche-bank.de/presse, Stand: 10.01.2010.

[25] Vgl. DBK, Ad-hoc-Mitteilung v. 22.09.2008, www.deutsche-bank.de/presse, Stand: 10.01.2010.

[26] Vgl. Ruhkamp, FAZ v. 09.03.2009, Nr. 57, 12.

[27] Vgl. DBK, Ad-hoc-Mitteilung v. 28.10.2009, www.deutsche-bank.de/presse, Stand: 10.01.2010.

[28] Vgl. CBK, GB 2008, 10.

[29] Vgl. Bundesministerium der Finanzen, Pressemitteilung v 17.10.2008, www.bundesfinanz ministerium.de/nn_54090/DE/Presse/node.html?__nnn=true, Stand: 10.01.2010.

[30] Vgl. CBK, IR-Nachrichten v. 08.10.2009, www.commerzbank.de/de/hauptnavigation/

aktionaere/nachrichten/ir-nachrichten.html, Stand: 10.01.2010

[31] Vgl. SoFFin, Pressenotiz v. 22.07.2009, www.soffin.de/presse, Stand: 10.01.2010.

[32] Vgl. CBK, Zwischenbericht zum 31.März 2009, 10.; Vgl. auch o.V., Commerzbank gründet interne „Bad Bank“, Handelsblatt v. 27.03.2009, www.handelsblatt.com, Stand: 10.01.2010.

[33] Vgl. Deutsche Börse AG, Pressemitteilung v. 03.12.08, http://deutsche-boerse.com/press, Stand: 10.01.2010.

[34] Vgl. HRE, Zwischenbericht zum 30.09.2008, 5. Vgl. auch Braunberger/Tigges, FAZ v. 29.09.2008, 1.

[35] Vgl. Deutsche Bundesbank, Pressenotiz v. 29.09.2008, www.bundesbank.de/presse, Stand: 10.01.2010. Vgl. auch Paul, FAZ v. 30.09.2008, 13.

[36] Vgl. Kofner, Hypotheken- und Finanzmarktkrise, 2009, 123. Vgl. auch HRE, GB 2008, 33f.

[37] Vgl. SoFFin, Pressenotiz v. 06.10.2009, Mitteilung v. 14.10.2009, www.soffin.de/presse, Stand: 10.01.2010.

[38] Vgl. LBW, Halbjahresfinanzbericht 2009, 51.

[39] Vgl. LBW, Presseinformation v. 26.08.2007, www.lbbw.de/presse, Stand: 10.01.2010.

[40] Vgl. LBW, Halbjahresfinanzbericht 2009, 22.

[41] Vgl. EU-Kommission, Pressemitteilung v. 30.06.2009, http://europa.eu/press_room, Stand: 10.01.2010. Vgl. auch LBW, Halbjahresfinanzbericht 2009, 29.

[42] Vgl. Preuß, FAZ v. 12.12.2009, 19.

[43] Vgl. BLB, Eigentümerschaft, www.bayernlb.de/internet/de/InvestRela/InvestRela.html, Stand: 10.01.2010.

[44] Vgl. BLB, Presseinfo v. 09.10.2007, www.bayernlb.de/internet/de/presse/presse.html, Stand: 10.01.2010.

[45] Vgl. BLB, Presseinfo v. 14.12.2009, www.bayernlb.de/internet/de/presse/presse.html, Stand: 10.01.2010.

[46] Vgl. Peitsmeier, FAZ v. 28.10.2009, 18.

[47] Vgl. o.V., Beratervertrag belastet Rettung, Handelsblatt v. 09.12.2009, www.handelsblatt.com, Stand: 10.01.2010.

[48] Vgl. BLB, Konzern-Zwischenbericht 1. Halbjahr 2009, 74.

[49] Vgl. Lutter, BB 2009, 786, 786.

[50] Vgl. Kuhn/Scharpf, Rechnungslegung von Financial Instruments, 2006, 101 ff. , 255 ff.

[51] Vgl. Kuhn/Scharpf, Rechnungslegung von Financial Instruments, 2006, 89.

[52] Vgl. Lüdenbach, in: Lüdenbach/Hoffmann, IFRS-Kommentar, 2009, §28, Rz. 3.

[53] Vgl. IASB, IFRS 9 Financial Instruments, 2009, 9. Vgl. auch Christian, PiR 2009, 364, 365.

[54] Vgl. Christian, PiR 2009, 364, 368.

[55] Vgl. HRE, GB 2007, 111. Vgl. auch Anhang C.

[56] Vgl. Kuhn/Scharpf, Rechnungslegung von Financial Instruments, 2006, 14ff.

Details

Seiten
Erscheinungsform
Originalausgabe
Erscheinungsjahr
2010
ISBN (eBook)
9783836644723
DOI
10.3239/9783836644723
Dateigröße
1 MB
Sprache
Deutsch
Institution / Hochschule
Albert-Ludwigs-Universität Freiburg – Volkswirtschaftslehre, Betriebswirtschaftliche Steuerlehre
Erscheinungsdatum
2010 (April)
Note
1,0
Schlagworte
finanzmarktkrise bankenbilanzen bankenkrise finanzinstrumente
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Titel: Die fair value-Bilanzierung von Finanzinstrumenten in der aktuellen Finanzmarktkrise
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