Lade Inhalt...

Chancen und Risiken einer Deregulierung des Buslinienfernverkehrs in Deutschland

©2009 Studienarbeit 98 Seiten

Zusammenfassung

Inhaltsangabe:Einleitung:
Eines der vorrangigen Ziele der Verkehrspolitik ist die Erhöhung des Modal-Split-Anteils des öffentlichen Personenverkehrs mit Bussen und Bahnen, da dieser unter ökologischen, sozialen und ökonomischen Gesichtspunkten gegenüber dem motorisierten Individualverkehr und dem Luftverkehr zu bevorzugen ist.
Dennoch verlor der öffentliche Personenverkehr mit Bussen und Bahnen über Jahrzehnte an Bedeutung, während der motorisierte Individualverkehr sowie der Luftverkehr von einem enormen Verkehrswachstum und steigenden Marktanteilen profitierten. Besonders auffällig ist die negative Entwicklung im Schienenpersonenfernverkehr, welcher sogar durch rückläufige Fahrgastzahlen gekennzeichnet ist. Dies wird häufig mit dem fehlenden intramodalen Wettbewerb im Schienenpersonenfernverkehr und der daraus resultierenden unzureichenden Angebotsqualität sowie der Preishöhe und Preisgestaltung begründet.
Eine mögliche intermodale Alternative in Form des Buslinienfernverkehrs existiert aufgrund der Restriktionen des Personenbeförderungsgesetzes in Deutschland derzeit nicht. Es stellt sich die Frage, ob die bestehende Regulierung gerechtfertigt werden kann bzw. ob eine Deregulierung zu einer Verbesserung des öffentlichen Verkehrs beitragen könnte. Im Rahmen dieser Arbeit soll daher die volkswirtschaftliche und verkehrliche Sinnhaftigkeit einer möglichen Deregulierung des Buslinienfernverkehrs in Deutschland untersucht werden.
Gang der Untersuchung:
Zu Beginn der Arbeit (Abschnitt 2) wird zunächst der Untersuchungsgegenstand genauer definiert, danach werden die rechtlichen und verkehrlichen Rahmenbedingungen dargestellt.
Im ersten Abschnitt des Hauptteils (Abschnitt 3) erfolgt die ökonomische Beurteilung der bestehenden Regulierung des Buslinienfernverkehrs. Im Rahmen einer normativ-theoretischen Analyse wird geprüft, ob die Regulierung mittels bestimmter Kriterien des Marktversagens gerechtfertigt werden kann. Bei der folgenden positiv-theoretischen Analyse wird die Entstehung und der Fortbestand der Regulierung mit den Zielsetzungen und Verhaltensweisen der beteiligten Akteure erklärt. Anschließend werden die volkswirtschaftlichen Auswirkungen des staatlichen Eingriffs aufgezeigt.
Im zweiten Abschnitt des Hauptteils (Abschnitt 4) werden die erwartbaren verkehrlichen Auswirkungen einer Deregulierung des Buslinienfernverkehrs beurteilt. Die Analyse erfolgt anhand praktischer Erfahrungen in Großbritannien, theoretischer Überlegungen zur […]

Leseprobe

Inhaltsverzeichnis


Benjamin Tiedtke
Chancen und Risiken einer Deregulierung des Buslinienfernverkehrs in Deutschland
ISBN: 978-3-8366-4447-1
Herstellung: Diplomica® Verlag GmbH, Hamburg, 2010
Zugl. Technische Universität Berlin, Berlin, Deutschland, Studienarbeit, 2009
Dieses Werk ist urheberrechtlich geschützt. Die dadurch begründeten Rechte,
insbesondere die der Übersetzung, des Nachdrucks, des Vortrags, der Entnahme von
Abbildungen und Tabellen, der Funksendung, der Mikroverfilmung oder der
Vervielfältigung auf anderen Wegen und der Speicherung in Datenverarbeitungsanlagen,
bleiben, auch bei nur auszugsweiser Verwertung, vorbehalten. Eine Vervielfältigung
dieses Werkes oder von Teilen dieses Werkes ist auch im Einzelfall nur in den Grenzen
der gesetzlichen Bestimmungen des Urheberrechtsgesetzes der Bundesrepublik
Deutschland in der jeweils geltenden Fassung zulässig. Sie ist grundsätzlich
vergütungspflichtig. Zuwiderhandlungen unterliegen den Strafbestimmungen des
Urheberrechtes.
Die Wiedergabe von Gebrauchsnamen, Handelsnamen, Warenbezeichnungen usw. in
diesem Werk berechtigt auch ohne besondere Kennzeichnung nicht zu der Annahme,
dass solche Namen im Sinne der Warenzeichen- und Markenschutz-Gesetzgebung als frei
zu betrachten wären und daher von jedermann benutzt werden dürften.
Die Informationen in diesem Werk wurden mit Sorgfalt erarbeitet. Dennoch können
Fehler nicht vollständig ausgeschlossen werden und der Verlag, die Autoren oder
Übersetzer übernehmen keine juristische Verantwortung oder irgendeine Haftung für evtl.
verbliebene fehlerhafte Angaben und deren Folgen.
© Diplomica Verlag GmbH
http://www.diplomica.de, Hamburg 2010

Aufgabenstellung
I
B. Tiedtke: Chancen und Risiken einer Deregulierung des Buslinienfernverkehrs in Deutschland
Aufgabenstellung
Eines der vorrangigen Ziele der Verkehrspolitik ist die Erhöhung des Modal-Split-
Anteils des öffentlichen Personenfernverkehrs. In den letzten Jahrzehnten musste
hierbei jedoch gerade der Eisenbahnverkehr sinkende Marktanteile verzeichnen. Dies
wird häufig durch ein schlechtes Angebot hinsichtlich Preishöhe, Preisgestaltung und
Qualität im Eisenbahnverkehr begründet. Aufgrund von Restriktionen des
Personenbeförderungsgesetzes existiert in Deutschland, im Gegensatz zu anderen
Ländern, derzeit kein flächendeckendes Netz des Buslinienfernverkehrs. Der
Buslinienfernverkehr könnte aber eine sinnvolle Erweiterung im öffentlichen
Verkehr darstellen und den Modal Split positiv beeinflussen.
Ziel der Studienarbeit soll es sein, eine mögliche Deregulierung des
Buslinienfernverkehrs in Deutschland zu untersuchen. Dabei sollen zunächst die
aktuellen verkehrlichen und rechtlichen Rahmenbedingungen dargestellt werden.
Anschließend sind die Rechtfertigungsgründe der Regulierung zu analysieren und
mögliche Effekte einer Deregulierung aufzuzeigen. Dabei soll auch untersucht
werden, ob die Deregulierung aus verkehrsökonomischer bzw. verkehrspolitischer
Sicht eine Chance oder ein Risiko darstellt. Abschließend sind mögliche Wege für
eine Umsetzung der Deregulierung aufzuzeigen.

Kurzfassung
II
B. Tiedtke: Chancen und Risiken einer Deregulierung des Buslinienfernverkehrs in Deutschland
Kurzfassung
Innerdeutsche Buslinienfernverkehre sind aufgrund von Restriktionen des
Personenbeförderungsgesetztes kaum vorhanden. Gegenstand der vorliegenden
Arbeit ist die Untersuchung der volkswirtschaftlichen und verkehrlichen
Sinnhaftigkeit einer Deregulierung des Buslinienfernverkehrs in Deutschland.
Einleitend werden die rechtlichen und verkehrlichen Rahmenbedingungen
dargestellt. Im Hauptteil werden zunächst mögliche ökonomische Gründe für die
bestehende Regulierung normativ-theoretisch und positiv-theoretisch analysiert und
die volkswirtschaftlichen Wirkungen des staatlichen Eingriffs aufgezeigt. Danach
werden die verkehrlichen Auswirkungen einer Deregulierung anhand praktischer
Erfahrungen in Großbritannien, theoretischer Überlegungen zur Verkehrsmittelwahl
und zum Verkehrsangebot sowie den Ergebnissen einer empirischen Erhebung
beurteilt. Abschließend wird eine mögliche Gestaltung der Deregulierung
vorgeschlagen.
Die Untersuchung zeigt, dass staatliche Eingriffe in den Buslinienfernverkehr nicht
mit einem möglichen Versagen des Marktes sondern vielmehr mit
interessengeleiteten Politikentscheidungen zu erklären sind. Die dabei entstehenden
Negativwirkungen, wie etwa Ineffizienzen bei der Leistungserstellung im Bus- und
Bahnverkehr, schaden der gesamten Volkswirtschaft.
Bei einer Deregulierung des Buslinienfernverkehrs sind neben der teilweisen
Aufhebung ökonomischer Ineffizienzen auch positive verkehrliche Effekte zu
erwarten. Die Deregulierung führt zu einer Verbesserung des Angebots und des
Marktanteils des nachhaltigen öffentlichen Personenfernverkehrs mit Bussen und
Bahnen.

Inhaltsverzeichnis
III
B. Tiedtke: Chancen und Risiken einer Deregulierung des Buslinienfernverkehrs in Deutschland
Inhaltsverzeichnis
Aufgabenstellung ... I
Kurzfassung...II
Inhaltsverzeichnis ... III
Abbildungsverzeichnis...V
Tabellenverzeichnis ... VI
Abkürzungsverzeichnis ...VII
1
Einleitung ...1
1.1
Problemstellung und Zielsetzung ...1
1.2
Aufbau der Arbeit und Vorgehensweise ...1
2
Begriffsdefinitionen und Darstellung der rechtlichen und
verkehrlichen Rahmenbedingungen...3
2.1
Begriffe und Definitionen...3
2.1.1 Buslinienfernverkehr ...3
2.1.2 Deregulierung ...5
2.2
Regulatorische Rahmenbedingungen ...6
2.3
Derzeitige Buslinienfernverkehre in Deutschland...9
2.4
Verkehrsentwicklung und heutige Eckwerte des Personenfernverkehrs...11
3
Ökonomische Untersuchung der bestehenden Regulierung...18
3.1
Vorgehensweise...18
3.2
Normativ-theoretische Betrachtung...19
3.2.1 Das Argument des natürlichen Monopols ...21
3.2.2 Das Argument des ruinösen Wettbewerbs ...26
3.2.3 Das Argument der externen Effekte ...27
3.2.4 Das Argument des öffentlichen Gutes...33
3.2.5 Das Argument des Informationsmangels ...34
3.2.6 Das Argument der gemeinwirtschaftlichen Zielsetzungen...35
3.2.7 Ergebnis der normativ-theoretischen Betrachtung ...36
3.3
Positiv-theoretische Betrachtung...37
3.3.1 Staat und Politiker ...38
3.3.2 Busunternehmer...40

Inhaltsverzeichnis
IV
B. Tiedtke: Chancen und Risiken einer Deregulierung des Buslinienfernverkehrs in Deutschland
3.3.3 Deutsche Bahn AG ...41
3.3.4 Ergebnis der positiv-theoretischen Betrachtung...41
3.4
Ökonomische Negativwirkungen der Regulierung ...42
4
Auswirkungen einer Deregulierung auf das Verkehrsangebot und die
Verkehrsmittelwahl...44
4.1
Buslinienfernverkehre in anderen Ländern Europas ...44
4.2
Verkehrliche Wirkungen der Deregulierung in Deutschland...51
4.2.1 Einflussfaktoren der Verkehrsmittelwahl...51
4.2.2 Intermodaler Vergleich von Preis, Reisezeit und Komfort im Fernverkehr ...55
4.2.3 Auswirkungen der Deregulierung auf den Modal Split des Fernverkehrs ...61
4.3
Ergebnis der Untersuchung der verkehrlichen Wirkungen ...67
5
Gestaltung der Deregulierung ...68
5.1
Änderungen der regulatorischen Rahmenbedingungen...70
5.2
Infrastrukturbenutzungsgebühren, Busbahnhöfe und Barrierefreiheit ...71
5.3
Einheitlichkeit von Fahrplaninformation und Vertrieb ...72
6
Fazit und Ausblick...75
Literaturverzeichnis ... IX

Abbildungsverzeichnis
V
B. Tiedtke: Chancen und Risiken einer Deregulierung des Buslinienfernverkehrs in Deutschland
Abbildungsverzeichnis
Abbildung 1: Liniennetz in Deutschland der Berlin Linien Bus GmbH ...10
Abbildung 2: Entwicklung der Verkehrsleistung des Personenverkehrs ...12
Abbildung 3: Entwicklung des Modal Split im Personenverkehr
(Verkehrsleistung)...12
Abbildung 4: Entwicklung des Verkehrsaufkommens des
Schienenpersonenfernverkehrs ...13
Abbildung 5: Entwicklung der Verkehrsleistung des
Schienenpersonenfernverkehrs ...14
Abbildung 6: Modal Split im Personenfernverkehr (Verkehrsaufkommen)...17
Abbildung 7: Durchschnittliche externe Kosten der Verkehrsmittel des
Personenverkehrs in Deutschland ...30
Abbildung 8: Durchschnittliche Stau-/Verspätungskosten der Verkehrsmittel
des Personenverkehrs in Deutschland ...30
Abbildung 9: Spezifische CO2-Emissionen der Verkehrsmittel des
Personenverkehrs in Deutschland ...32
Abbildung 10: Die Bedeutung des Buslinienfernverkehrs in europäischen
Ländern ...45
Abbildung 11: Entwicklung der Verkehrsleistung im britischen
Schienenpersonenverkehr ...50
Abbildung 12: Schematische Darstellung der Kriterien Reisepreis,
Reisegeschwindigkeit und Komfort im intermodalen Vergleich...61
Abbildung 13: Schätzung des Modal Split im Personenfernverkehr (Szenario 1)...63
Abbildung 14: Schätzung des Modal Split im Personenfernverkehr (Szenario 2)...64

Tabellenverzeichnis
VI
B. Tiedtke: Chancen und Risiken einer Deregulierung des Buslinienfernverkehrs in Deutschland
Tabellenverzeichnis
Tabelle 1:
Eckdaten des öffentlichen Personenfernverkehrs ...16
Tabelle 2:
Subadditivität und Irreversibilität im Verkehrsbereich...24
Tabelle 3:
Fahrgastzahlen von National Express ...48
Tabelle 4:
Fahrgastzahlen von British Rail und National Express zwischen
London und den Städten Nottingham, Leicester und Derby...49
Tabelle 5:
Wichtigkeit verschiedener Nutzenelemente bei der
Verkehrsmittelwahl ...53
Tabelle 6:
Nutzenorientierte Segmentierung der Nachfrager ...53
Tabelle 7:
Intermodaler Vergleich auf der Relation Berlin ­ Hamburg ...58
Tabelle 8:
Intermodaler Vergleich auf der Relation Berlin ­ Nürnberg ...58

Abkürzungsverzeichnis
VII
B. Tiedtke: Chancen und Risiken einer Deregulierung des Buslinienfernverkehrs in Deutschland
Abkürzungsverzeichnis
ABMG
Autobahnmautgesetz für schwere Nutzfahrzeuge
AU
Abgasuntersuchung
BMV
Bundesministerium für Verkehr
BMVBS
Bundesministerium für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung
BVG
Berliner Verkehrsbetriebe
DB
Deutsche Bahn
ECMT
European Conference of Ministers of Transport
FTD
Financial Times Deutschland
Fzgkm
Fahrzeugkilometer
HU
Hauptuntersuchung
HVV
Hamburger Verkehrsverbund
IC
InterCity
ICE
InterCity-Express
IFMO
Institut für Mobilitätsforschung
MautHV
Mauthöheverordnung
Mio.
Million(en)
MIV
motorisierter Individualverkehr
Mrd.
Milliarde(n)
NBC
National Bus Company
NTS
National Travel Survey
ÖBB
Österreichische Bundesbahnen
PBefG
Personenbeförderungsgesetz
Pkm
Personenkilometer

Abkürzungsverzeichnis
VIII
B. Tiedtke: Chancen und Risiken einer Deregulierung des Buslinienfernverkehrs in Deutschland
RegG
Regionalisierungsgesetz
SBB
Schweizerische Bundesbahnen
SNCF
Société nationale des chemins de fer français
SBG
Scottish Bus Group
Umst.
Umsteigevorgang
VGN
Verkehrsverbund Großraum Nürnberg

1 Einleitung
1
B. Tiedtke: Chancen und Risiken einer Deregulierung des Buslinienfernverkehrs in Deutschland
1
Einleitung
1.1 Problemstellung und Zielsetzung
Eines der vorrangigen Ziele der Verkehrspolitik ist die Erhöhung des
Modal-Split-Anteils des öffentlichen Personenverkehrs mit Bussen und Bahnen, da
dieser unter ökologischen, sozialen und ökonomischen Gesichtspunkten gegenüber
dem motorisierten Individualverkehr und dem Luftverkehr zu bevorzugen ist.
Dennoch verlor der öffentliche Personenverkehr mit Bussen und Bahnen über
Jahrzehnte an Bedeutung, während der motorisierte Individualverkehr sowie der
Luftverkehr von einem enormen Verkehrswachstum und steigenden Marktanteilen
profitierten.
Besonders
auffällig
ist
die
negative
Entwicklung
im
Schienenpersonenfernverkehr, welcher sogar durch rückläufige Fahrgastzahlen
gekennzeichnet ist. Dies wird häufig mit dem fehlenden intramodalen Wettbewerb
im Schienenpersonenfernverkehr und der daraus resultierenden unzureichenden
Angebotsqualität sowie der Preishöhe und Preisgestaltung begründet.
Eine mögliche intermodale Alternative in Form des Buslinienfernverkehrs existiert
aufgrund der Restriktionen des Personenbeförderungsgesetzes in Deutschland derzeit
nicht. Es stellt sich die Frage, ob die bestehende Regulierung gerechtfertigt werden
kann bzw. ob eine Deregulierung zu einer Verbesserung des öffentlichen Verkehrs
beitragen könnte. Im Rahmen dieser Arbeit soll daher die volkswirtschaftliche und
verkehrliche
Sinnhaftigkeit
einer
möglichen
Deregulierung
des
Buslinienfernverkehrs in Deutschland untersucht werden.
1.2 Aufbau der Arbeit und Vorgehensweise
Zu Beginn der Arbeit (Abschnitt 2) wird zunächst der Untersuchungsgegenstand
genauer definiert, danach werden die rechtlichen und verkehrlichen
Rahmenbedingungen dargestellt.
Im ersten Abschnitt des Hauptteils (Abschnitt 3) erfolgt die ökonomische
Beurteilung der bestehenden Regulierung des Buslinienfernverkehrs. Im Rahmen

1 Einleitung
2
B. Tiedtke: Chancen und Risiken einer Deregulierung des Buslinienfernverkehrs in Deutschland
einer normativ-theoretischen Analyse wird geprüft, ob die Regulierung mittels
bestimmter Kriterien des Marktversagens gerechtfertigt werden kann. Bei der
folgenden positiv-theoretischen Analyse wird die Entstehung und der Fortbestand der
Regulierung mit den Zielsetzungen und Verhaltensweisen der beteiligten Akteure
erklärt. Anschließend werden die volkswirtschaftlichen Auswirkungen des
staatlichen Eingriffs aufgezeigt.
Im zweiten Abschnitt des Hauptteils (Abschnitt 4) werden die erwartbaren
verkehrlichen Auswirkungen einer Deregulierung des Buslinienfernverkehrs
beurteilt. Die Analyse erfolgt anhand praktischer Erfahrungen in Großbritannien,
theoretischer Überlegungen zur Verkehrsmittelwahl, einem intermodalen Vergleich
der Angebote im Personenfernverkehr und den Ergebnissen einer empirischen
Schätzung des Modal Split.
Am Ende der Arbeit (Abschnitt 5) werden eine mögliche Gestaltung der
Deregulierung und sinnvolle begleitende Maßnahmen vorgeschlagen.
Die verwendeten Informationen entstammen dabei im Wesentlichen der wirtschafts-
und verkehrswissenschaftlichen Fachliteratur, den Ergebnissen entsprechender
Fachtagungen sowie den bestehenden wissenschaftlichen Arbeiten zum
Buslinienfernverkehr. Das Ziel ist die Informationen der verschiedenen
wissenschaftlichen, politischen und unternehmerischen Bereiche mit ihren
unterschiedlichen Schwerpunkten zusammenzuführen und auszuwerten, um eine
umfassende und objektive Beurteilung der Deregulierung des Buslinienfernverkehrs
in Deutschland zu erreichen.

2 Begriffsdefinitionen und Darstellung der rechtlichen und verkehrlichen Rahmenbedingungen
3
B. Tiedtke: Chancen und Risiken einer Deregulierung des Buslinienfernverkehrs in Deutschland
2
Begriffsdefinitionen und Darstellung der rechtlichen
und verkehrlichen Rahmenbedingungen
2.1 Begriffe und Definitionen
Die Begriffe Buslinienfernverkehr und Deregulierung sollen zunächst näher definiert
werden, um den Gegenstand der Untersuchung zu verdeutlichen und einzugrenzen.
2.1.1 Buslinienfernverkehr
Der betrachtete innerdeutsche Buslinienfernverkehr ist vom internationalen
Buslinienfernverkehr, vom Gelegenheitsverkehr und vom Nahverkehr abzugrenzen.
Eine Definition des Buslinienfernverkehrs und eine Abgrenzung von anderen
Verkehrsmarktsegmenten werden vom Gesetzgeber nicht explizit vorgenommen, sie
lassen sich aber mit dem Personenbeförderungsgesetz (PBefG) und dem
Regionalisierungsgesetz (RegG) anhand der Kriterien ,,eingesetzte Fahrzeuge",
,,Linienmäßigkeit" und ,,Beförderungsweite" herleiten [vgl. M
AERTENS
2005, S. 8].
Bei den eingesetzten Fahrzeugen handelt es sich um Kraftomnibusse, dies sind
,,Kraftfahrzeuge, die nach ihrer Bauart und Ausstattung zur Beförderung von mehr
als neun Personen (einschließlich Führer) geeignet und bestimmt sind" [§ 4 Abs. 4
Nr. 2 PBefG].
Das Merkmal Linienmäßigkeit umfasst einerseits den Linienverkehr als eine
,,zwischen bestimmten Ausgangs- und Endpunkten eingerichtete regelmäßige
Verkehrsverbindung, auf der Fahrgäste an bestimmten Haltestellen ein- und
aussteigen können" [§ 42 PBefG] und andererseits die Beachtung und Einhaltung der
Betriebspflicht, der Beförderungspflicht, der Tarifpflicht sowie der Fahrplanpflicht.
Das heißt das Verkehrsangebot ist allgemein zugänglich und verlässlich. Zudem sind
die Bedingungen der Beförderung wie beispielsweise die Fahrpläne und die Tarife
verbindlich festgehalten und veröffentlicht. Vom Linienverkehr abzugrenzen ist der
Gelegenheitsverkehr. Dies ist die entgeltliche oder geschäftsmäßige Beförderung von
Personen mit Kraftfahrzeugen, die nicht Linienverkehr nach dem PBefG ist [vgl. §

2 Begriffsdefinitionen und Darstellung der rechtlichen und verkehrlichen Rahmenbedingungen
4
B. Tiedtke: Chancen und Risiken einer Deregulierung des Buslinienfernverkehrs in Deutschland
46 (1) PBefG]. Für diese Ausarbeitung sind jedoch nur die Gelegenheitsverkehre mit
Kraftomnibussen relevant, dazu zählen Ausflugsfahrten und Ferienziel-Reisen
1
nach
§ 48 PBefG sowie die Verkehre mit Mietomnibussen
2
nach § 49 PBefG. Bei diesen
Verkehren entfallen die Beförderungs- und Betriebspflicht [vgl. §§ 48 Abs. 4, 49
Abs. 3 PBefG].
Die Unterscheidung des innerdeutschen vom internationalen Buslinienfernverkehr
kann einfach durch das Kriterium des Grenzübertritts erfolgen. Bei der
Unterscheidung des hier betrachteten Fernverkehrs vom Nahverkehr sind
verschiedene Abgrenzungskriterien denkbar. In der Regel jedoch wird die
Entfernung von Ausgangs- und Zielpunkt als Kriterium genutzt [vgl. Z
UMKELLER
et
al. 2005, S. 23]. Das Regionalisierungsgesetz nennt als Abgrenzung zwischen Nah-
und Fernverkehr eine Reiseweite von 50 Kilometer oder eine Reisezeit von einer
Stunde für die Mehrzahl der Beförderungsfälle eines Verkehrsmittels [vgl. § 2
RegG]. Quantitative Definitionen, die sich nur auf die Reiseweite oder die Reisezeit
beziehen sind jedoch relativ pauschal und demzufolge ungenau, da der tatsächliche
Zweck des Verkehrs nicht berücksichtigt wird.
Für die Beurteilung müsste daher auch eine qualitative Unterscheidung des Nah- und
Fernverkehrs hinzugezogen werden. Eine entsprechende Beschreibung des
öffentlichen Personennahverkehrs findet sich bereits im Regionalisierungsgesetz,
demnach handelt es sich um ,,die allgemein zugängliche Beförderung von Personen
mit Verkehrsmitteln im Linienverkehr, die überwiegend dazu bestimmt sind, die
Verkehrsnachfrage im Stadt-, Vorort- oder Regionalverkehr zu befriedigen" [vgl. § 2
RegG].
Im Rahmen dieser Arbeit werden folglich die qualitative und die quantitative
Definition des Regionalisierungsgesetztes berücksichtigt. Im Buslinienfernverkehr
darf demnach keine Verkehrsnachfrage im Stadt-, Vorort- oder Regionalverkehr
1
Die Ausflugsfahrten und Ferienziel-Reisen müssen zu einem für alle Fahrgäste gleichen
Reisezweck bzw. Reiseziel erfolgen und mit einer über die bloße Beförderung hinausgehenden
Funktion verbunden werden, z. B. mit einem touristischen Ausflug oder einem
Erholungsaufenthalt. Zudem müssen die Fahrgäste an den Ausgangspunkt der Reise
zurückbefördert werden (Rückkehrpflicht) [vgl. § 48 (1) und (2) PBefG]. Es ist bei diesen Fahrten
im Allgemeinen unzulässig, unterwegs Fahrgäste aufzunehmen (Zusteigeverbot) [vgl. § 48 (3)
PBefG].
2
Beim Verkehr mit Mietomnibussen muss der Omnibus von einem zusammengehörigen
Personenkreis im Ganzen zur Beförderung angemietet werden [vgl. § 49 (1) PBefG].

2 Begriffsdefinitionen und Darstellung der rechtlichen und verkehrlichen Rahmenbedingungen
5
B. Tiedtke: Chancen und Risiken einer Deregulierung des Buslinienfernverkehrs in Deutschland
befriedigt werden. Im Zweifelsfall muss sichergestellt werden, dass in der Mehrzahl
der Beförderungsfälle die gesamte Reiseweite 50 Kilometer oder die gesamte
Reisezeit eine Stunde übersteigt.
Es gibt jedoch einzelne Verkehre, die per Definition zum Fernverkehr gehören, bei
denen es sich aber um Fahrten in gewachsenen großen Ballungsräumen handelt.
Besonders aufgrund von Suburbanisierung können Regionalverkehre große
durchschnittliche Reiseweiten und Reisezeiten aufweisen. Nach eigener
Einschätzung führen diese vereinzelten Ausnahmen aber nicht zu einer
Beeinträchtigung regionaler Verkehrssysteme.
Eine Deregulierung des Busliniennahverkehrs ist deshalb nicht Gegenstand der
Untersuchung,
weil
sich
die
Rahmenbedingungen
des
öffentlichen
Personennahverkehrs grundsätzlich vom Fernverkehr unterscheiden. Im Bereich des
Nahverkehrs besteht eine zentrale Planung und Koordination der Linienverläufe, der
Fahrpläne
und
der
Beförderungsentgelte.
Zudem
werden
die
meist
gemeinwirtschaftlichen Verkehre von der öffentlichen Hand ausgeschrieben und
finanziert. Demzufolge kann das zentral geplante und finanzierte System nicht ohne
weiteres dem freien Wettbewerb durch eigenwirtschaftlich agierende Anbieter
ausgesetzt werden.
2.1.2 Deregulierung
Deregulierung
,,bezeichnet
eine
Abschwächung
oder
Abschaffung
ordnungspolitischer Ausnahmeregelungen, d. h. markt- oder wettbewerbswidriger
Regulierungen
bzw.
kartellrechtlicher
Branchenfreistellungen,
um
die
Freiheitsspielräume der Marktteilnehmer zu erweitern und das Wettbewerbspotential
auf Märkten zu mobilisieren" [S
OBANIA
2003, S. 22]. Das Ziel einer Deregulierung
ist dabei die Verringerung ökonomischer Ineffizienzen, welche durch übermäßige
staatliche Eingriffe entstandenen sind.
L
AASER
sieht Möglichkeiten für die Befreiung von staatlichen Regulierungen dabei
in den Bereichen Marktzutritts- und ­austrittsbeschränkungen, Preiskontrollen,
Qualitäts-, Kapazitäts- und Konditionsfestsetzung sowie Kontrahierungszwang [vgl.
L
AASER
1991, S. 4].
Diese Begriffsbeschreibung soll dabei nur den grundsätzlichen Ansatz einer

2 Begriffsdefinitionen und Darstellung der rechtlichen und verkehrlichen Rahmenbedingungen
6
B. Tiedtke: Chancen und Risiken einer Deregulierung des Buslinienfernverkehrs in Deutschland
Deregulierung aufzeigen. Die tatsächliche Abschwächung oder Abschaffung von
ordnungspolitischen Regelungen muss stets anhand des betrachteten Bereichs
bestimmt werden. Eine mögliche Ausgestaltung der Deregulierung für den
untersuchten Buslinienfernverkehr soll am Ende dieser Ausarbeitung diskutiert
werden, um mit den gesammelten Erkenntnissen einen Entwurf zu erstellen, der
einerseits flächendeckenden Buslinienfernverkehr ermöglicht und andererseits
möglichen Problemen weitestgehend vorbeugt.
Die bestehenden staatlichen Regulierungen werden im folgenden Abschnitt
dargestellt.
2.2 Regulatorische Rahmenbedingungen
Die Ordnungspolitik als ein Teil der Wirtschaftspolitik setzt die Rahmenbedingungen
innerhalb derer Anbieter und Nachfrager am Markt agieren. Als Instrumente werden
dabei vor allem die Kapazitätsbeeinflussung über Marktzugangsregeln sowie die
Koordinierung der Preispolitik angewendet [vgl. A
BERLE
2003, S. 116 f.].
Der
ordnungspolitische
Eingriff
des
Staates
in
den
gewerblichen
Straßenpersonenverkehr
erfolgt
über
die
Regulierungen
des
Personenbeförderungsgesetzes. Die entgeltliche oder geschäftsmäßige Beförderung
von Personen mit Kraftfahrzeugen im Linien- oder Gelegenheitsverkehr erfordert
demnach den Besitz einer Genehmigung [vgl. §§ 1 Abs. 1, 2 Abs. 1 PBefG]. Die
Erteilung einer Genehmigung hängt von subjektiven und objektiven
Zulassungsvoraussetzungen ab.
Die subjektiven Zulassungskriterien des § 13 Abs. 1 PBefG sind auf den
Unternehmer bzw. den Betrieb bezogen und müssen sowohl für Linienverkehre als
auch für Gelegenheitsverkehre erfüllt werden. Für eine Genehmigung müssen die
Sicherheit und die finanzielle Leistungsfähigkeit des Betriebs gewährleistet werden
[vgl. § 13 Abs. 1 Nr. 1. PBefG]. Zudem bedarf es der Zuverlässigkeit und der
fachlichen Eignung des Unternehmers [vgl. § 13 Abs. 1 Nr. 2 und 3 PBefG]. Diese
subjektiven Zulassungsvoraussetzungen stellen nach M
AERTENS
überwindbare
Markteintrittsschranken dar und sind folglich aus ökonomischer Sicht
unproblematisch [vgl. M
AERTENS
2005, S.6].

2 Begriffsdefinitionen und Darstellung der rechtlichen und verkehrlichen Rahmenbedingungen
7
B. Tiedtke: Chancen und Risiken einer Deregulierung des Buslinienfernverkehrs in Deutschland
Die objektiven Zulassungskriterien des § 13 Abs. 2 PBefG sind auf den beantragten
Verkehr bezogen und gelten nur für Linienverkehre. Die Genehmigung ist zu
versagen, wenn der beantragte Verkehr die öffentlichen Verkehrsinteressen
beeinträchtigt [vgl. § 13 Abs. 2 Nr. 2 PBefG]. Dies ist der Fall, wenn bereits eine
befriedigende Bedienung mit vorhandenen Verkehrsmitteln besteht, der beantragte
Verkehr die Verkehrsbedienung nicht wesentlich verbessert oder vorhandene
Unternehmer oder Eisenbahnen bereit sind die entsprechenden Verkehre selbst
durchzuführen. Aufgrund des dichten Eisenbahnnetzes in Deutschland ist die
Ablehnung eines Genehmigungsantrags mit Verweis auf eine Beeinträchtigung
öffentlicher Verkehrsinteressen stets leicht begründbar [vgl. M
AERTENS
2005, S.6 f.].
So werden Buslinienfernverkehre, welche Eisenbahnstrecken nur teilweise tangieren
bereits als unzulässig angesehen
3
[vgl. M
ONOPOLKOMMISSION
1990, S. 296]. Die
objektiven Zulassungsvoraussetzungen stellen demnach deutliche, kaum
überwindbare Marktzugangsschranken dar [vgl. M
AERTENS
2005, S.6]. Nach
B
ASEDOW
bewirken
die
objektiven
Zulassungsvoraussetzungen
eine
,,Monopolisierung des Linienverkehrs" und den ,,Schutz der Marktinsider gegen den
Wettbewerb der Außenseiter" [B
ASEDOW
1989, S. 80].
Die besondere Berücksichtigung der Rechte der etablierten Unternehmen wird durch
das vorgeschriebene Anhörverfahren nach § 14 Abs. 1 Nr. 1 PBefG unterstrichen.
Nach dieser Regelung müssen die vorhandenen Unternehmer vor der Entscheidung
über einen Genehmigungsantrag angehört werden, ihre Stellungsnahmen sind zu
berücksichtigen [vgl. § 14 Abs. 4 PBefG]. Dadurch erhalten konkurrierende
Unternehmen einen Einblick in den Genehmigungsantrag, welcher unternehmerische
Daten wie den Linienverlauf, die eingesetzten Fahrzeuge und die
Beförderungsentgelte enthält.
Die Geltungsdauer einer Genehmigung im Linienverkehr beträgt höchstens acht
Jahre [vgl. § 16 Abs. 2 PBefG]. Die Genehmigung kann jedoch wieder erteilt
werden, was im Regelfall auch geschieht. Dafür muss der Unternehmer den Verkehr
3
Die Formulierung der bisherigen Regelung birgt jedoch auch juristische Unsicherheiten und
erschwert eine konsistente Rechtssprechung. Es ist somit bereits zu widersprüchlichen
Entscheidungen bei ähnlichen Genehmigungsanträgen gekommen. Während in einigen Fällen
Genehmigungen aufgrund von Parallelverkehren versagt wurden, konnten in anderen Fällen
Genehmigungen trotz bestehender paralleler Zugverbindungen erteilt werden [vgl. W
ALTER
et al.
2009, S. 115].

2 Begriffsdefinitionen und Darstellung der rechtlichen und verkehrlichen Rahmenbedingungen
8
B. Tiedtke: Chancen und Risiken einer Deregulierung des Buslinienfernverkehrs in Deutschland
jahrelang entsprechend dem öffentlichen Verkehrsinteresse betrieben haben. Bei der
Neuvergabe der Genehmigung für eine Linie wird dieser Aspekt entsprechend
berücksichtigt [vgl. § 13 Abs. 3 PBefG]. Der Genehmigungsinhaber wird
demzufolge gegenüber dem Neubewerber bevorzugt [vgl. B
ASEDOW
1989, S. 81].
Der Altunternehmer verfügt faktisch über einen Besitzstandsschutz [vgl.
M
ONOPOLKOMMISSION
1990, S. 296].
Das heißt, die bisherigen Regulierungen schützen die Eisenbahn und bestehende
Anbieter von Buslinienfernverkehren gegen Konkurrenz. Aber auch der Luftverkehr
und der motorisierte Individualverkehr werden so vor dem Buslinienfernverkehr
geschützt.
Neben dem Marktzugang werden bei Linienverkehren auch die Beförderungsentgelte
reguliert. Sie sind Bestandteil der Liniengenehmigung. Ihre Höhe sowie Veränderung
bedürfen der Zustimmung bei der zuständigen Genehmigungsbehörde [vgl. § 39 Abs.
1 PBefG]. Die Genehmigungsbehörde prüft die Beförderungsentgelte. In der Regel
werden sie akzeptiert, wenn das Unternehmen sie durch Kosten rechtfertigen kann
[vgl. § 39 Abs.2 PBefG; M
ONOPOLKOMMISSION
1990, S. 296]. Die genehmigten
Beförderungsentgelte dürfen nicht über- oder unterschritten werden [vgl. § 39 Abs. 3
PBefG]. Demzufolge sind Veränderungen der Beförderungsentgelte zwar möglich,
allerdings nur in einem eingeschränkten Rahmen und mit einem gewissen
administrativen Aufwand. M
AERTENS
sieht diese Regelungen kritisch, da sie den
Preiswettbewerb erschweren [vgl. M
AERTENS
2005, S. 7].
Zusätzlich zu den bereits erwähnten regulatorischen Rahmenbedingungen bestehen
für den Linienverkehr mit Bussen weitere Regelungen, beispielsweise die
Betriebspflicht [vgl. § 21 PBefG], die Beförderungspflicht [vgl. § 22 PBefG], die
Tarifpflicht [vgl. § 39 PBefG] und die Fahrplanpflicht [vgl. § 40 PBefG]. Diese
Pflichten
stellen
die
grundlegenden
Charakteristika
des
öffentlichen
Personenverkehrs dar und sind sinnvoll für einen allgemein zugänglichen,
verlässlichen und transparenten öffentlichen Verkehr. Sie sollten daher im
Zusammenhang mit einer möglichen Deregulierung des Buslinienfernverkehrs nicht
in Frage gestellt werden.

2 Begriffsdefinitionen und Darstellung der rechtlichen und verkehrlichen Rahmenbedingungen
9
B. Tiedtke: Chancen und Risiken einer Deregulierung des Buslinienfernverkehrs in Deutschland
2.3 Derzeitige Buslinienfernverkehre in Deutschland
Im vorherigen Abschnitt konnte gezeigt werden, dass der Markteintritt in den
innerdeutschen Buslinienfernverkehr nahezu unmöglich ist. Dennoch soll kurz auf
die wenigen existierenden Ausnahmen eingegangen werden.
Hier sind vor allem die
Buslinienfernverkehre von und nach Berlin, einige Flughafenzubringer und
nächtliche Fernbusverbindungen zu nennen. Zudem bestehen internationale
Busverbindungen, welche durch die Verordnung (EWG) Nr. 684/92 ermöglicht
werden. Für die deutsche Teilstrecke muss jedoch eine Liniengenehmigung nach
dem PBefG beantragt werden. Dafür sind die gleichen Voraussetzungen wie bei
nationalen Linienverkehren erforderlich [vgl. § 52 Abs. 1 und 2 PBefG]. Demzufolge
werden zwar die grenzüberschreitenden Verkehre genehmigt, die innerdeutsche
Beförderung ist auf diesen Linien aber untersagt.
Von den erwähnten Ausnahmen haben nur die Buslinienfernverkehre von und nach
Berlin mit 29 innerdeutschen Linien eine gewisse Relevanz [vgl. B
ERLIN
L
INIEN
B
US
G
MB
H 2009a, S. 67]. Eine grobe Übersicht des derzeitigen Angebots ist in
Abbildung 1 dargestellt.
Diese Verkehre basieren größtenteils auf Liniengenehmigungen, die aus den Zeiten
der Teilung Deutschlands stammen. Ursprünglich wurden diese Genehmigungen für
die Transitverkehre von Westberlin durch die DDR in die alten Bundesländer
genutzt. Gründe für diese Ausnahmen waren einerseits die zur damaligen Zeit
schlechten Schienenverkehrsverbindungen zwischen Berlin und den westdeutschen
Bundesländern [vgl. S
CHAUBE
2005, S. 1] und andererseits das Interesse der BRD an
öffentlichen Verkehren nach Westberlin, welche unabhängig von der Reichsbahn
waren [vgl. M
AERTENS
2005, S. 8]. Einige wenige Liniengenehmigungen entstanden
nach der deutschen Wiedervereinigung, so konnte z. B. im Jahr 2008 die Relation
zwischen Berlin und Dresden eingerichtet werden. Für die Zwischenhalte der
Berlin-Verkehre gilt ein Zusteige- bzw. Aussteigeverbot. Folglich dürfen bei Fahrten
ab Berlin keine Fahrgäste an Zwischenhalten aufgenommen werden und bei Fahrten
nach Berlin keine Fahrgäste bei Zwischenhalten verfrüht aussteigen. Beispielsweise
ist es auf der Linie von Berlin nach Frankfurt am Main mit Zwischenhalt in
Göttingen nicht möglich nur den Abschnitt zwischen Göttingen und Frankfurt am
Main zu nutzen [vgl. B
ERLIN
L
INIEN
B
US
G
MB
H 2009a, S. 26].

2 Begriffsdefinitionen und Darstellung der rechtlichen und verkehrlichen Rahmenbedingungen
10
B. Tiedtke: Chancen und Risiken einer Deregulierung des Buslinienfernverkehrs in Deutschland
Abbildung 1: Liniennetz in Deutschland der Berlin Linien Bus GmbH
Quelle: B
ERLIN
L
INIEN
B
US
G
MB
H 2009b
Die Berlin-Verkehre werden von der Berlin Linien Bus GmbH ausgeführt. Dabei
handelt es sich um einen Verbund der Verkehrsunternehmen Bayern Express & P.
Kühn Berlin GmbH (BEX), ein hundertprozentiges Tochterunternehmen der DB
Fernverkehr AG, Haru Reisen OHG, Bus-Verkehr-Berlin KG (BVB) und Autokraft
GmbH, ein hundertprozentiges Tochterunternehmen der DB Regio AG [vgl.
M
AERTENS
2005, S. 8]. Die Tochterunternehmen der Deutschen Bahn AG betreiben
den größten Teil der Verkehre in diesem Kooperationsverbund. Demnach wird neben
dem Schienenpersonenfernverkehr auch der innerdeutsche Buslinienfernverkehr fast
vollständig durch die Deutsche Bahn AG geprägt.
Zusammenfassend betrachtet besteht in Deutschland kein flächendeckendes Angebot
von Buslinienfernverkehren. Neben der mangelnden räumlichen Verfügbarkeit ist
das derzeitige Verkehrsangebot mit Fernbussen auch durch eine ungenügende
zeitliche Verfügbarkeit gekennzeichnet. Taktfahrpläne, wie sie im Schienen-
personenfernverkehr üblich sind, gibt es eigentlich nur auf der Strecke zwischen

2 Begriffsdefinitionen und Darstellung der rechtlichen und verkehrlichen Rahmenbedingungen
11
B. Tiedtke: Chancen und Risiken einer Deregulierung des Buslinienfernverkehrs in Deutschland
Berlin und Hamburg. Auf den anderen Relationen wird häufig nur eine Abfahrt pro
Tag angeboten
.
[vgl. W
ALTER
et al. 2009, S. 115].
2.4 Verkehrsentwicklung und heutige Eckwerte des
Personenfernverkehrs
Die
Gesamtverkehrsleistung
bzw.
das
Gesamtverkehrsaufkommen
des
Personenverkehrs in Deutschland hat sich von 262,0 Mrd. Personenkilometern (Pkm)
bzw. 23,78 Mrd. beförderten Personen im Jahre 1960 auf 1105,8 Mrd. Pkm bzw.
67,94 Mrd. beförderte Personen im Jahre 2007 entwickelt [vgl. BMV 2000,
S. 214 ff.; BMVBS 2008, S. 210 ff.]. Die großen Steigerungen sind neben dem
Effekt der Wiedervereinigung hauptsächlich auf den motorisierten Individualverkehr
zurückzuführen, der unter anderem aufgrund des sprunghaften Anstiegs der
Motorisierung in weiten Teilen der Bevölkerung seine Marktanteile am
Verkehrsaufkommen und der Verkehrsleistung immens ausbauen und so seine
dominierende Stellung im Personenverkehr weiter festigen konnte.
Ein starkes Wachstum war auch im Luftverkehr festzustellen. Die zunehmenden
internationalen Verflechtungen bedingt durch die Globalisierung sowie die
gestiegene
Wettbewerbsintensität
mit
aggressiven
Preisstrategien
der
Fluggesellschaften aufgrund von Deregulierungs- und Privatisierungsmaßnahmen
führten in diesem Bereich zu einem enormen Anstieg von Verkehrsaufkommen und
Verkehrsleistung, dies aber ausgehend von einem sehr niedrigen Niveau.
Der öffentliche Verkehr mit Bussen und Bahnen konnte hingegen nicht vom starken
Wachstum des Personenverkehrsmarktes profitieren und seine absolute Verkehrs-
leistung und sein absolutes Verkehrsaufkommen kaum steigern
.
Der Marktanteil
nahm dementsprechend immer weiter ab.
Bei der grafischen Betrachtung der absoluten Verkehrsentwicklung in Abbildung 2
und der Marktanteile in Abbildung 3 wird die problematische Lage des öffentlichen
Personenverkehrs noch deutlicher
4
.
4
Die Angaben für die Jahre bis einschließlich 1990 beziehen sich auf den Gebietsstand der
Bundesrepublik Deutschland. Die Daten für die Jahre ab 1991 beziehen sich auf das
Verkehrsgeschehen im vereinten Deutschland.

2 Begriffsdefinitionen und Darstellung der rechtlichen und verkehrlichen Rahmenbedingungen
12
B. Tiedtke: Chancen und Risiken einer Deregulierung des Buslinienfernverkehrs in Deutschland
Abbildung 2: Entwicklung der Verkehrsleistung des Personenverkehrs
0
200
400
600
800
1000
1200
1
9
60
1
9
65
1
9
70
1
9
75
1
9
80
1
9
85
1
9
90
1
9
95
2
0
00
2
0
05
Jahr
V
er
ke
hr
sl
ei
st
un
g
in
M
rd
. P
km
Busse und Bahnen
Luftverkehr
MIV
Gesamt
Quelle: eigene Darstellung nach BMV 2000, S. 216 f. und BMVBS 2008, S. 212 f.
Abbildung 3: Entwicklung des Modal Split im Personenverkehr (Verkehrsleistung)
0%
20%
40%
60%
80%
100%
1960 1965 1970 1975 1980 1985 1990 1995 2000 2005
Jahr
MIV
Luftverkehr
Busse und Bahnen
Quelle: eigene Darstellung nach BMV 2000, S. 216 f. und BMVBS 2008, S. 212 f.

Details

Seiten
Erscheinungsform
Originalausgabe
Jahr
2009
ISBN (eBook)
9783836644471
Dateigröße
893 KB
Sprache
Deutsch
Institution / Hochschule
Technische Universität Berlin – Fakultät für Verkehrs- und Maschinensysteme, Studiengang Verkehrswesen
Erscheinungsdatum
2014 (April)
Note
1,0
Schlagworte
personenfernverkehr deregulierung buslinienfernverkehr fernbus liberalisierung
Zurück

Titel: Chancen und Risiken einer Deregulierung des Buslinienfernverkehrs in Deutschland
Cookie-Einstellungen