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Leistungsorientierte Vergütungssysteme

Chancen und Risiken unter Berücksichtigung aktueller Forschungsergebnisse

©2009 Masterarbeit 114 Seiten

Zusammenfassung

Inhaltsangabe:Einleitung:
Leistungsorientierte Vergütungssysteme machen derzeit in den Medien vor allem negative Schlagzeilen. Grund sind exorbitante Bonuszahlungen an Manager, die in der Öffentlichkeit auf breites Unverständnis stoßen. Das Unverständnis ist umso größer, wenn ein Bonus trotz offensichtlicher Erfolglosigkeit eines Unternehmens gewährt wurde. Sogar der Präsident des Deutschen Industrie- und Handelskammertages (DIHK) bezeichnete exzessive Manager-Boni erst kürzlich als ‘unanständig’ und erkennt ein ‘ethisches Problem’. In einer internationalen Studie gaben 70 % der befragten Führungskräfte aus der Finanzindustrie an, dass die bisher genutzten Vergütungssysteme einen wesentlichen Einfluss auf die aktuelle Finanzmarktkrise gehabt hätten. Die Auswüchse haben nun sogar die Politik zum Handeln bewegt. So haben die G-20-Finanzminister vor kurzem beschlossen, dass sich Bonuszahlungen zukünftig nur am langfristigen Erfolg eines Unternehmens orientieren und die Ausschüttungen über mehrere Jahre gestreckt werden sollen. Außerdem sollen Boni zurückgefordert werden können, falls sich zunächst lukrative Geschäfte später doch noch als verlustträchtig erweisen. Statt einer absoluten Obergrenze für Boni, wird ein Limit für das Verhältnis von Fixgehältern zu Bonuszahlungen diskutiert. Dies würde die Bedeutung der fixen Vergütung stärken.
Leistungsorientierte Vergütungssysteme umfassen jedoch nicht nur Bonuszahlungen für Manager. Die Leistungsvergütung hat viele Erscheinungsformen. So bezeichnen Begriffe wie ‚Provisionen’, ‚Boni’, ‚Stock Options’, ‚Tantiemen’, ‚Gratifikationen’, ‚Prämien’ usw. in der Regel Formen leistungsorientierter Vergütung. Das Grundprinzip ist bei allen Erscheinungsformen gleich: ein variabler Vergütungsanteil, dessen Höhe nicht ex ante feststeht, wird auf Basis eines Leistungskriteriums ausbezahlt, wenn ein bestimmtes Leistungsziel erreicht wurde. Mit Hilfe der Leistungsvergütung sollen Mitarbeiter vorrangig zu höheren Leistungen motiviert werden. Das Konzept entspricht der bekannten Idee des Akkordlohnes, die vor allem in der industriellen Produktion unter dem Einfluss des Taylorismus große Verbreitung fand. Die Frage ist nun, ob das Konzept der Leistungsvergütung problemlos auf alle Tätigkeiten übertragen werden kann und welche Chancen und Risiken aus der Leistungsvergütung erwachsen. Diese Fragen sollen in dieser Arbeit betrachtet werden.
In dieser Arbeit sollen die wichtigsten Chancen und Risiken von […]

Leseprobe

Inhaltsverzeichnis


Rainer Kumlin
Leistungsorientierte Vergütungssysteme
Chancen und Risiken unter Berücksichtigung aktueller Forschungsergebnisse
ISBN: 978-3-8366-4410-5
Herstellung: Diplomica® Verlag GmbH, Hamburg, 2010
Zugl. Frankfurt School of Finance & Management, Frankfurt am Main, Deutschland, MA-
Thesis / Master, 2009
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© Diplomica Verlag GmbH
http://www.diplomica.de, Hamburg 2010

2
Inhaltsverzeichnis
Tabellenverzeichnis ... 6
Abbildungsverzeichnis ... 7
A. Einleitung ... 8
I. Ausgangslage ... 8
II. Zielsetzung... 9
III. Aufbau der Arbeit ... 9
B. Erklärungsansätze für menschliches Verhalten... 10
I. Menschenbilder... 10
II. Verhaltenswissenschaftliche Ansätze... 11
1. Einführung ... 11
2. Determinanten menschlichen Verhaltens... 12
3. Grundlagen der Motivationspsychologie ... 13
3.1 Motiv, Anreiz, Motivation... 14
3.2 Volition ... 15
3.3 Intrinsische und extrinsische Motivation... 16
4. Motivationstheorien... 17
4.1 Allgemeines... 17
4.2 Inhaltstheorien... 18
4.2.1 Maslows Modell der Bedürfnishierarchie ... 18
4.2.2 Herzbergs Zwei-Faktoren-Theorie... 20
4.3 Prozesstheorien ... 21
4.3.1 Vrooms VIE-Theorie... 21
4.3.2 Adams' Gleichheitstheorie... 24
III. Betriebswirtschaftliche Ansätze... 25
1. Ökonomische Grundlagen ... 25
1.1 Erkenntnisobjekt der Betriebswirtschaftslehre ... 25
1.2 Faktorisierung der menschlichen Arbeitsleistung... 26
1.3 Shareholder Value vs. Stakeholder Value ... 26
2. Wissenschaftliche Betriebsführung (Taylorismus)... 28
2.1 Taylors Konzept ... 28
2.2 Kritik ... 29
2.3 Historische Entwicklung... 30
2.4 Bedeutungsverlust des Akkordlohns... 31

3
3. Agenturtheorie ... 32
3.1 Einführung... 32
3.2 Einordnung und Ursprung... 33
3.3 Grundkonzepte und Annahmen... 34
3.3.1 Vertragstheoretisches Organisationskonzept ... 34
3.3.2 Charakterisierung von Prinzipal und Agent... 34
3.3.3 Interaktionsbeziehung zwischen Prinzipal und Agent ... 35
3.4 Agenturprobleme... 36
3.5 Mechanismen zur Lösung der Agenturprobleme ... 37
3.5.1 Informations- und Kontrollsysteme ... 37
3.5.2 Anreizsysteme... 38
3.6 Kritik ... 38
3.6.1 Konzeptionelle Kritik... 38
3.6.2 Empirische Befunde ... 40
C. Leistungsorientierte Vergütungssysteme ... 42
I. Definitionen und Erläuterungen ... 42
1. Betriebliche Anreize ... 42
2. Betriebliche Anreizsysteme... 43
3. Leistungsorientierte Vergütungssysteme ... 44
II. Anforderungen an leistungsorientierte Vergütungssysteme... 46
1. Wirtschaftlichkeit... 46
2. Transparenz ... 47
3. Gerechtigkeit... 47
4. Leistungsorientierung... 49
5. Flexibilität... 49
III. Parameter leistungsorientierter Vergütungssysteme ... 50
1. Leistungsbeurteilung... 50
1.1 Terminologie... 50
1.2 Leistungskriterien ... 52
1.2.1 Definition und Bedeutung ... 52
1.2.2 Anforderungen... 52
1.2.3 Dimensionalität... 53
1.2.4 Leistungskriterien in Managementanreizsystemen ... 54
2. Anreize ... 57
2.1 Höhe der variablen Vergütung... 57
2.2 Zeithorizont... 59

4
3. Kriteriums-Anreiz-Relation ... 61
D. Chancen, Risiken und Lösungsansätze... 63
I. Funktionen leistungsorientierter Vergütungssysteme ... 63
II. Motivationsfunktion ... 64
1. Leistungssteigerung... 64
2. Leistungsrückgang... 65
2.1 Standardökonomik vs. Psychologische Ökonomik... 65
2.2 Verdrängung intrinsischer Motivation... 66
2.3 Erklärungsansätze... 67
2.4 Empirische Befunde ... 69
2.5 Bedingungen für einen Verdrängungseffekt... 70
III. Zielorientierungsfunktion ... 71
1. Leistungssteigerung durch verstärkte Zielbindung ... 72
1.1 Zielsetzungstheorie ... 72
1.2 Zielbindung... 72
1.3 Einfluss finanzieller Anreize... 73
1.4 Implikationen für ein leistungsorientiertes Vergütungssystem... 75
2. Einseitige Zielorientierung und erhöhte Risikobereitschaft ... 75
3. Stimulation unethischen Verhaltens ... 77
3.1 Unethische Handlungen zur Zielerreichung ... 77
3.2 Manipulationen der Leistungskriterien ... 78
3.2.1 Manipulationen bei Bonussystemen ... 79
3.2.2 Manipulationen bei aktienbasierten Vergütungssystemen ... 80
IV. Selektionsfunktion... 81
1. Auswahl der besten Mitarbeiter... 81
2. Schädigung des Teamgedankens... 82
V. Exzessive Managementvergütungen ... 83
1. Entwicklung der Managementvergütungen ... 83
2. Anstieg der variablen Vergütungskomponenten... 84
3. Erklärungsansätze ... 85
3.1 Marktthese... 85
3.2 Machtthese... 85
VI. Lösungsansätze... 86
E. Zusammenfassung der Ergebnisse... 89

5
F. Fazit ... 92
Literaturverzeichnis ... 93

6
Tabellenverzeichnis
Tab. 1: Leistungskriterien der Managemententlohnung... 54
Tab. 2: Operative, taktische und strategische Ziele ... 59

7
Abbildungsverzeichnis
Abb. 1: Determinanten menschlichen Verhaltens ... 12
Abb. 2: Motivpyramide (nach Maslow)... 19
Abb. 3: Phasen der Motivation (nach Vroom) ... 22
Abb. 4: Klassifikation betrieblicher Anreize... 42
Abb. 5: Anreizsysteme ... 43
Abb. 6: Bestandteile der zusammengesetzten Vergütung ... 45
Abb. 7: Wirkungsdauer materieller Anreize ... 61
Abb. 8: Verlauf unterschiedlicher Leistungslohnlinien... 61
Abb. 9: Wirkungsweise von Einkommensgrenzen ... 62
Abb. 10: Reiz-Reaktionsverknüpfung zur Erklärung des Verdrängungseffektes ... 67
Abb. 11: Durchschnittliche CEO-Vergütung in S&P 500-Unternehmen (1992 ­ 2002) ... 84

8
A. Einleitung
I. Ausgangslage
Leistungsorientierte Vergütungssysteme machen derzeit in den Medien vor allem negative
Schlagzeilen. Grund sind exorbitante Bonuszahlungen an Manager, die in der Öffentlich-
keit auf breites Unverständnis stoßen. Das Unverständnis ist umso größer, wenn ein
Bonus trotz offensichtlicher Erfolglosigkeit eines Unternehmens gewährt wurde.
1
Sogar
der Präsident des Deutschen Industrie- und Handelskammertages (DIHK)
2
bezeichnete
exzessive Manager-Boni erst kürzlich als ,,unanständig" und erkennt ein ,,ethisches
Problem".
3
In einer internationalen Studie gaben 70 % der befragten Führungskräfte aus
der Finanzindustrie an, dass die bisher genutzten Vergütungssysteme einen wesentlichen
Einfluss auf die aktuelle Finanzmarktkrise gehabt hätten.
4
Die Auswüchse haben nun
sogar die Politik zum Handeln bewegt. So haben die G-20
5
-Finanzminister vor kurzem
beschlossen, dass sich Bonuszahlungen zukünftig nur am langfristigen Erfolg eines
Unternehmens orientieren und die Ausschüttungen über mehrere Jahre gestreckt werden
sollen. Außerdem sollen Boni zurückgefordert werden können,
falls sich zunächst
lukrative Geschäfte später doch noch als verlustträchtig erweisen.
Statt einer absoluten
Obergrenze für Boni, wird ein Limit für das Verhältnis von Fixgehältern zu Bonuszah-
lungen diskutiert.
6
Dies würde die Bedeutung der fixen Vergütung stärken.
Leistungsorientierte Vergütungssysteme umfassen jedoch nicht nur Bonuszahlungen für
Manager. Die Leistungsvergütung hat viele Erscheinungsformen. So bezeichnen Begriffe
wie ,Provisionen', ,Boni', ,Stock Options', ,Tantiemen', ,Gratifikationen', ,Prämien' usw. in
der Regel Formen leistungsorientierter Vergütung. Das Grundprinzip ist bei allen Erschei-
nungsformen gleich: ein variabler Vergütungsanteil, dessen Höhe nicht ex ante feststeht,
wird auf Basis eines Leistungskriteriums ausbezahlt, wenn ein bestimmtes Leistungsziel
erreicht wurde.
7
Mit Hilfe der Leistungsvergütung sollen Mitarbeiter vorrangig zu höheren
Leistungen motiviert werden. Das Konzept entspricht der bekannten Idee des Akkordloh-
nes, die vor allem in der industriellen Produktion unter dem Einfluss des Taylorismus
große Verbreitung fand.
8
Die Frage ist nun, ob das Konzept der Leistungsvergütung
problemlos auf alle Tätigkeiten übertragen werden kann und welche Chancen und Risiken
aus der Leistungsvergütung erwachsen. Diese Fragen sollen in dieser Arbeit betrachtet
werden.
1
Vgl. O. V. (2009a):
2
Der DIHK ist die Dachorganisation der 80 deutschen Industrie- und Handelskammern (IHKs) und übernimmt
die Interessenvertretung der deutschen Wirtschaft gegenüber den Entscheidern der Bundespolitik und den
europäischen Institutionen. Vgl. Deutscher Industrie- und Handelskammertag e. V. (2009).
3
Vgl. von Borstel (2009).
4
Vgl. PricewaterhouseCoopers (2008).
5
Die G-20 sind die 20 wichtigsten Industrie- und Schwellenländer.
6
Vgl. Kurm-Engels/Maisch/Afhüppe (2009); O. V. (2009b).
7
Vgl. Bernard (2006), S. 1.
8
Vgl. Rost/Osterloh (2009), S. 120.

9
II. Zielsetzung
In dieser Arbeit sollen die wichtigsten Chancen und Risiken von leistungsorientierten Ver-
gütungssystemen dargestellt werden. Die Chancen und Risiken können jedoch nur dann
richtig verstanden und eingeordnet werden, wenn man sie im Kontext der wissenschaft-
lichen Erklärungsansätze sieht, die in der Regel zur Rechtfertigung der Leistungsvergü-
tung angeführt werden. Aus diesem Grund soll sich ein großer Teil dieser Arbeit der
kritischen Beleuchtung der verschiedenen verhaltenswissenschaftlichen und betriebswirt-
schaftlichen Erklärungsansätze für menschliches Verhalten widmen. Da Chancen und
Risiken auch aus dem Design der leistungsorientierten Vergütungssysteme erwachsen
können, sollen auch die wichtigsten Gestaltungsparameter eines solchen Systems kurz
betrachtet werden. Keinesfalls sollen in dieser Arbeit aber einzelne leistungsorientierte
Vergütungssysteme detailliert dargestellt werden. Dies würde einerseits den Rahmen der
Arbeit sprengen und ist andererseits nicht erforderlich, um die Chancen und Risiken zu
beleuchten.
Kognitive Prozesse sind unabhängig von der Stellung eines Individuums im Unternehmen.
Dies ist der Grund warum in dieser Arbeit grundsätzlich keine getrennte Betrachtung von
leistungsorientierten Vergütungssystemen für Manager (sog. Managementanreizsysteme)
und solchen für alle Mitarbeiter erfolgt. Wenn Ausführungen nur bzw. besonders für
bestimmte Personengruppen gelten, wird der Autor dies entsprechend hervorheben.
III. Aufbau der Arbeit
Nach der Einleitung im
Kapitel A werden im Kapitel B die wichtigsten theoretischen
Erklärungsansätze erläutert, mit Hilfe derer die Einführung und Gestaltung leistungsorien-
tierter Vergütungssysteme begründet werden kann. Es werden sowohl verhaltenswissen-
schaftliche als auch betriebswirtschaftliche Konzepte betrachtet. Im
Kapitel C erfolgt
zunächst eine Definition und Abgrenzung der leistungsorientierten Vergütungssysteme,
bevor die bedeutsamsten Gestaltungsparameter dargestellt werden. Das
Kapitel D be-
leuchtet die wichtigsten Chancen und Risiken, die die Einführung eines leistungsorien-
tierten Vergütungssystems mit sich bringen kann. Schließlich werden im
Kapitel E die we-
sentlichen Ergebnisse der Arbeit zusammengefasst. Ein Fazit des Autors im
Kapitel F
rundet die Arbeit ab.

10
B. Erklärungsansätze für menschliches Verhalten
I. Menschenbilder
Jedem Erklärungsansatz für menschliches Verhalten liegen implizite Annahmen über die
Natur des Menschen zugrunde, d. h. Annahmen über seine Eigenschaften, Bedürfnisse,
Motive, Erwartungen und Einstellungen. Diese Annahmen sind
vereinfachender und
verallgemeinernder Art und werden ,Menschenbilder' genannt. Menschenbilder dienen
einerseits als Grundlage, auf der Wissenschaftler unterschiedlicher Forschungsrichtungen
Theorien über das menschliche Verhalten entwickeln. Andererseits beeinflussen
Menschenbilder die Art und Weise wie Manager in der betrieblichen Praxis mit den Mitar-
beitern umgehen. Menschenbilder dienen dabei als Orientierungsrahmen, an dem sich
Manager (oft unbewusst) ausrichten.
9
Vor allem die Bilder in den Köpfen der Manager be-
stimmen letztlich die betriebliche Realität.
10
Neben dem dualistischen Ansatz von McGregor
11
, der mit seinen Theorien X und Y in
einer karikaturhaften Übervereinfachung zwei komplett gegensätzliche Menschenbilder
unterscheidet, hat vor allem der
Ansatz von Schein
12
weite Verbreitung gefunden.
13
Schein verdichtet seine Annahmen zu insgesamt vier Menschenbildern:
14
1) Economic man: Dieses Bild sieht den Menschen als verantwortungsscheu und
passiv. Er handelt rational kalkulierend nach der Maxime des größten Gewinns.
Deshalb wird er auch in erster Linie durch monetäre Anreize motiviert. Emotionen
werden ihm nicht unterstellt. Der Mensch wird vom Unternehmen manipuliert, motiviert
und kontrolliert.
Unter der Bezeichnung
,Homo Oeconomicus'
15
hat dieses Menschenbild Eingang in
die Betriebswirtschaftslehre gefunden. Der größte Teil der ökonomischen Modelle
geht vom Menschenbild des Homo Oeconomicus aus. Einer der frühesten und
bekanntesten Ansätze der Organisationstheorie, das den Homo Oeconomicus
zugrunde legt, ist das von Frederick W. Taylor begründete Konzept der ,Wissenschaft-
lichen Betriebsführung' (kurz: ,Taylorismus'). Da Taylors Ansatz bis in die heutige Zeit
nachwirkt, wird er später im Rahmen dieser Arbeit noch dargestellt werden.
2) Social man: Der Mensch wird in diesem Bild als soziales Wesen gesehen, das in
erster Linie durch soziale Bedürfnisse motiviert wird. Befriedigung dieser Bedürfnisse
erlangt er aus den sozialen Beziehungen zu seinen Kollegen. Die sozialen Normen an
seinem Arbeitsplatz beeinflussen ihn stärker als Anreize oder Kontrollen. Das
9
Vgl. Berthel/Becker (2007), S. 12 f.; von Rosenstiel (2007), S. 12; Staehle (1999), S. 191 f.
10
Vgl. von Rosenstiel (2007), S. 12.
11
Vgl. McGregor (1960).
12
Vgl. Schein (1980).
13
Vgl. Staehle (1999), S. 191 ff.; von Rosenstiel (2007), S. 12.
14
Vgl. Staehle (1999), S. 194; Berthel/Becker (2007), S. 13, Ulich (2005), S. 7 ff.
15
Vgl. Kirchgässner (2000).

11
Menschenbild des ,social man' war ein Ergebnis der bekannten Hawthorne-Studien
16
von Mayo, Roethlisberger und Dickson. Die Forschungsansätze, die sich mit diesem
Menschenbild befassen, werden als Human Relations-Ansätze bezeichnet.
3) Self-actualizing man: Der Mensch strebt nach Selbstverwirklichung und Autonomie.
Seine Bedürfnisse lassen sich hierarchisch anordnen, wobei das Endziel die Selbst-
verwirklichung ist. Der Mensch bevorzugt Selbst-Motivation und Selbst-Kontrolle.
Ausgehend von diesem Menschenbild entwickelten Forscher die Humanistischen
Ansätze. Als Vertreter dieser Forschungsrichtung werden u. a. Maslow und Herzberg
genannt, deren Modelle im Verlauf dieser Arbeit vorgestellt werden.
4) Complex man: Der Mensch wird als komplexes Wesen gesehen, das rationale Züge
hat, soziale Beziehungen sucht, aber auch nach Selbstverwirklichung strebt. Dieses
Menschenbild hat sich aus der Erkenntnis heraus gebildet, dass die Wirklichkeit
komplexer ist als dies in den drei anderen Menschenbildern zum Ausdruck kam.
Bei der Beurteilung der einzelnen Menschenbilder muss man sich immer vergegen-
wärtigen in welcher Zeit sie entstanden.
17
Unter den entsprechenden Umweltbedingungen
haben sie durchaus eine Daseinsberechtigung. Modernen Konzeptionen liegt richtiger-
weise vor allem das Bild des ,Complex man' zugrunde, denn die Komplexität der mensch-
lichen Eigenart erlaubt keine zu starken Vereinfachungen.
18
Dies sollte man sich bei der
nachfolgenden Betrachtung der Ansätze zur Erklärung menschlichen Verhaltens kritisch
ins Gedächtnis rufen.
II. Verhaltenswissenschaftliche Ansätze
1. Einführung
Wer Einfluss auf das Verhalten von Menschen nehmen möchte, muss zunächst ver-
stehen, welche Faktoren das menschliche Verhalten bestimmen.
19
Aus diesem Grund
sind verhaltenswissenschaftliche Erkenntnisse auch und vor allem für das Management
von Unternehmen unerlässlich.
20
Die Verhaltenssteuerung von Mitarbeitern durch Motiva-
tion gilt heute als zentrale und nicht delegierbare Führungsaufgabe.
21
Die Verhaltenswissenschaften analysieren das menschliche Verhalten und speziell auch
das Verhalten von Menschen in Organisationen.
22
Die Verhaltenswissenschaften sind ein
Teil der Sozialwissenschaften und umfassen die Einzeldisziplinen Ethnologie, Anthropo-
16
Vgl. Roethlisberger/Dickson (1970).
17
Für eine ausführliche Darstellung der Menschenbilder im historischen Kontext und der aus ihnen
entstandenen Ansätze vgl. Ulich (2005), S. 7 ff.
18
Vgl. Berthel/Becker (2007), S. 13, Ulich (2005), S. 56 f.
19
Vgl. Berthel/Becker (2007), S. 12; Nerdinger (2003b), S. 1.
20
Vgl. Staehle (1999), S. 149.
21
Vgl. Wunderer (2006), S. 112; Comelli/von Rosenstiel (2009), S. 28; Nerdinger (2003b), S. 1.
22
Vgl. Nerdinger (2003a), S. 19.

12
logie, Psychologie und Soziologie.
23
In der Psychologie beschäftigen sich insbesondere
die Subdisziplinen Arbeitspsychologie, Organisationspsychologie und Personalpsycho-
logie mit den für diese Arbeit interessanten Fragen. Für eine Abgrenzung dieser Subdiszi-
plinen verweist der Autor auf die einschlägige Literatur.
24
2. Determinanten menschlichen Verhaltens
Das Verhalten eines Menschen ergibt sich immer aus dem Zusammenspiel von Person
und Situation. Auf der Seite der
Person unterscheidet man ,Persönliches Können' und
,Individuelles Wollen', während die
Situation aus den Komponenten ,Soziales Dürfen und
Sollen' und ,Situatives Ermöglichen' besteht. Zwischen den Komponenten besteht eine
Vielzahl von Wechselwirkungen.
25
Graphisch veranschaulicht ergibt sich die nachfolgende
­ vereinfachte ­ Darstellung:
­
Situation: ,Soziales Dürfen und Sollen' umfasst die geschriebenen und ungeschrie-
benen Regeln unseres Verhaltens, z. B. die Unternehmenskultur. ,Situatives Ermög-
lichen' weist auf die Bedingungen in der Umgebung hin, in der das Verhalten statt-
findet, z. B. auf die von einem Arbeitgeber geschaffenen Arbeitsbedingungen oder
andere äußere Umstände. Eine Person wird trotz Können und Wollen kein Verhaltens-
ergebnis erzielen, wenn die Situation es nicht zulässt und ermöglicht.
26
­
Person: ,Persönliches Können' umfasst die angeborenen und erlernten Fähigkeiten
und Kenntnisse des Individuums. Um zu einem gewünschten Verhaltensergebnis zu
gelangen, reicht Können allein nicht aus. Die handelnde Person muss das Verhalten
23
Vgl. Staehle (1999), S. 149.
24
Vgl. von Rosenstiel (2007), S. 1 ff.
25
Vgl. Comelli/von Rosenstiel (2009), S. 1 ff.
26
Vgl. Comelli/von Rosenstiel (2009), S. 3; Nerdinger (2003b), S. 2.
Abb. 1: Determinanten menschlichen Verhaltens
(in Anlehnung an Comelli/von Rosenstiel (2009), S. 3)

13
auch wollen, ansonsten kann kein Ergebnis erzielt werden. Umgekehrt reicht aber
auch Wollen allein nicht aus. Das Ergebnis wird auch hier Null sein, wenn das Können
fehlt. Man kann sich vereinfacht vorstellen, dass ,Persönliches Können' und ,Indivi-
duelles Wollen' multiplikativ miteinander verknüpft sind. Das Produkt der beiden Fak-
toren wird auch als ,Leistung' bezeichnet. Ist ein Faktor Null, ist auch die Leistung Null.
Die beiden Faktoren sind bis zu einem gewissen Grad gegeneinander austauschbar.
Dies führt dazu, dass ein hoch motivierter Mensch, der nur über geringe Fachkennt-
nisse verfügt, durchaus das gleiche Ergebnis erzielen kann wie ein hoch qualifizierter
Mensch, der wenig motiviert ist.
27
,Persönliches Wollen' wird in der Psychologie unter
den Überschriften
Motivation und Volition untersucht.
28
Leistungsorientierte Vergü-
tungssysteme zielen darauf, Motivation und Volition im Sinne der Unternehmensziele
zu beeinflussen.
Die Quintessenz dieses Abschnittes liegt in der Erkenntnis, dass das Verhalten von
diversen Faktoren abhängt, die nur teilweise von der Person beeinflussbar sind. Arbeit-
geber können ihre Mitarbeiter deshalb auch nicht grundsätzlich allein dafür verantwortlich
machen, wenn sie nicht das erreichen, was von ihnen erwartet wird.
29
Allerdings wird
auch umgekehrt ein Schuh daraus: Positive Leistungsergebnisse sind nicht immer das
Verdienst der Mitarbeiter.
3. Grundlagen der Motivationspsychologie
Der französische Schriftsteller Antoine de Saint-Exupéry schrieb in einem seiner Romane:
,,Wenn Du ein Schiff bauen willst, so trommle nicht die Männer zusammen, um Holz zu
beschaffen, Aufgaben zu vergeben und die Arbeit einzuteilen, sondern lehre die Männer
die Sehnsucht nach dem weiten, endlosen Meer."
30
De Saint-Exupéry liefert damit einen
schönen, wenn auch sehr wagen ersten Zugang zum Begriff der Motivation. Erkennbar ist
dennoch, dass Motivation offensichtlich zum Handeln bewegen (lat. ,movere' = bewe-
gen
31
) und das Handeln auf Ziele ausrichten soll.
32
In der Wissenschaft beschäftigt sich das Fachgebiet der Motivationspsychologie mit der
Frage, warum Menschen in spezifischen Situationen Handlungen wählen, beginnen und
aufrecht halten.
33
Am meisten Interesse findet dabei der Bereich der Arbeitsmotivation,
27
Vgl. Comelli/von Rosenstiel (2009), S. 2; Nerdinger (2003b), S. 2; Kleinbeck (2002), S. 347.
28
Vgl. Comelli/von Rosenstiel (2009), S. V.
29
Vgl. Nerdinger (2003b), S. 2.
30
Antoine de Saint-Exupéry zitiert bei Comelli/von Rosenstiel (2009), S. 5.
31
Vgl. Rudolph (2003), S. 1.
32
Vgl. Comelli/von Rosenstiel (2009), S. 1.
33
Vgl. Rudolph (2003), S. 5; Hacker (2005), S. 308.

14
der zu klären versucht, was Menschen in der Arbeitswelt motiviert.
34
Theorien zur Arbeits-
motivation versuchen Erklärungen für zielorientiertes Handeln zu finden.
35
Der Motivationsbegriff gehört zu den psychologischen Begriffen, die Eingang in die allge-
meine Umgangssprache gefunden haben. Diese allgemeine Verwendung ging allerdings
auf Kosten der Klarheit des Begriffs.
36
Zunächst soll deshalb eine wissenschaftliche
Begriffsklärung vorgenommen werden.
3.1 Motiv, Anreiz, Motivation
Menschen können unterschiedliche Handlungsziele verfolgen, welche prinzipiell in unend-
lich vielen Formen und Ausprägungen in Erscheinung treten können. Die Handlungsziele
werden deshalb nach inhaltlich gemeinsamen Themen klassifiziert. Die gebildeten
Klassen nennt man
Motive. Beispielsweise können die Klassen ,Leistung', ,sozialer
Anschluss' oder ,Macht' jeweils ein Motiv bilden. Psychologisch gesehen sind Motive Wer-
tungsdispositionen, die charakteristisch für einzelne Menschen sind.
37
Motive können
angeboren sein oder sich im Laufe der Sozialisation entwickeln.
38
Herausragend ist, dass
Motive personenbezogen sind.
39
Trotz intensiver Forschung sind viele Fragen zu den
menschlichen Motiven bis heute ungeklärt.
40
Es wurde bereits darauf hingewiesen, dass Verhalten immer unter Berücksichtigung der
Situation betrachtet werden muss, in der es stattfindet.
41
Dies gilt auch für die Moti-
vation.
42
Situationen können auf Motive einwirken und dadurch Verhalten auslösen. Merk-
male einer Situation, die Verhalten anregen können, bezeichnet man als
Anreize. Anreize
fordern dazu auf, bestimmte Handlungen vorzunehmen oder zu unterlassen.
43
Durch die
bewusste Gestaltung einer Situation, d. h. durch die Entwicklung von Anreizen, können
bestehende Motive intensiviert und gezielt aktiviert werden. Dieser Umstand macht die
Motivationslehre für die Wirtschaft interessant und ist Basis für die leistungsorientierten
Vergütungssysteme. Da Motive personenbezogen sind, müssen die Anreize jedoch mit
den individuellen Motiven korrespondieren, um wirksam zu sein.
44
Unter
Motivation versteht man das Produkt aus den individuellen Merkmalen eines
Menschen, seinen Motiven und den Merkmalen der aktuell wirksamen Situation, in der
34
Vgl. Weinert (2004), S. 188; Hacker (2005), S. 308 f.; Korndörfer (1999), S.220.
35
Vgl. Nerdinger/Blickle/Schaper (2008), S. 434.
36
Vgl. Nerdinger (1995), S. 9.
37
Vgl. Nerdinger/Blickle/Schaper (2008), S. 426; von Rosenstiel (2007), S. 240; Hacker (2005), S. 308 ff.
38
von Rosenstiel (2007), S. 240.
39
Vgl. Nerdinger (1995), S. 11; von Rosenstiel (2007), S. 240; Berthel/Becker (2007), S. 19.
40
Vgl. Berthel/Becker (2007), S. 18.
41
Vgl. Kapitel B. II. 2.
42
Vgl. Heckhausen/Heckhausen (2006), S. 3; Nerdinger/Blickle/Schaper (2008), S. 426.
43
Vgl. Nerdinger/Blickle/Schaper (2008), S. 426; Nerdinger (2003a), S. 3; Beckmann/Heckhausen (2006),
S. 106.
44
Vgl. Nerdinger (2003a), S. 9 f.

15
Anreize auf die Motive einwirken und sie aktivieren.
45
Motivation vereinigt personen-
bezogene und situationsbezogene Faktoren und Prozesse.
46
Auch die antizipierten Hand-
lungsergebnisse und ihre Folgen gehören dazu.
47
Motivation bestimmt Richtung, Intensität
und Ausdauer menschlichen Verhaltens. Aus Sicht eines Unternehmens beantwortet die
Motivation die Frage nach den Ursachen für den Einsatz und die Leistung der Mitar-
beiter.
48
3.2 Volition
Die handlungspsychologische Forschung hat festgestellt, dass eine starke Motivation
allein meistens nicht ausreicht, um ein Handlungsziel zu erreichen. Häufig treten bei der
Handlungsdurchführung Schwierigkeiten oder Ablenkungen auf und die Handlungsdurch-
führung (z. B. das tägliche Arbeiten) bereitet auch nicht immer reine Freude. Deshalb
kommt es auf den
Willen des Handelnden an. Der Wille hilft ihm, seinen Blickwinkel auf
das Handlungsziel zu verengen, um es trotz aller Widrigkeiten zu erreichen.
49
Der Wille
wird in der modernen Psychologie als Volition bezeichnet.
50
Volition wird vor allem dann
wichtig, wenn die Wechselwirkung von Motiv und Anreiz nicht ausreicht, um eine Hand-
lung zur Zielerreichung zu initiieren.
51
Der willenspsychologische Forschungsstrang, der sehr von der Würzburger Schule um
Narziß Ach geprägt wurde, war etwas in Vergessenheit geraten bis Gollwitzer
52
und Heck-
hausen die Diskussion Ende der 1980er-Jahre neu belebten.
53
Der wohl bedeutendste
volitionstheoretische Ansatz der letzten Jahre ist allerdings die
Zielsetzungstheorie von
Locke & Latham. Die Hauptaussage dieses Ansatzes ist, dass die Leistung eines Han-
delnden mit zunehmender Zielschwierigkeit ansteigt.
54
Dies ist unter anderem darauf zu-
rückzuführen, dass schwer zu erreichende Ziele beim Handelnden eine hohe Zielbindung
bewirken.
55
Die Theorie von Locke & Latham ist eine der empirisch am besten belegten
Ansätze überhaupt.
56
45
Vgl. Nerdinger/Blickle/Schaper (2008), S. 427.
46
Vgl. Berthel/Becker (2007), S. 19.
47
Vgl. Heckhausen/Heckhausen (2006), S. 3.
48
Vgl. Nerdinger/Blickle/Schaper (2008), S. 426; von Rosenstiel (2007), S. 241.
49
Vgl. Achtziger/Gollwitzer (2006), S. 278; Comelli/von Rosenstiel (2009), S. 6 f.; von Rosenstiel (2007),
S. 243.
50
Vgl. von Rosenstiel (2007), S. 243.
51
Vgl. Nerdinger (1995), S. 13.
52
Vgl. Gollwitzer (1991).
53
Vgl. Heckhausen (2006), S. 14 ff.; von Rosenstiel (2007), S. 243; Nerdinger (1995), S. 13.
54
Vgl. Latham/Locke (1991), S. 212 ff.
55
Vgl. Schmidt/Kleinbeck (1999), S. 296.
56
Vgl. Seijts et al. (2004), S. 227 ff.

16
3.3 Intrinsische und extrinsische Motivation
Handlungsziele müssen für den Handelnden einen Anreiz haben, um ihn zum Handeln zu
motivieren.
57
Leistungsorientierte Vergütungssysteme gehen beispielsweise davon aus,
dass die Aussicht auf eine höhere Vergütung die Mitarbeiter zu höheren Leistungen
motiviert. Der Anreiz liegt hier in den Folgen der Handlung. Die Handlungsphase muss
quasi wie ein Hindernis durchdrungen werden, um die höhere Vergütung zu erhalten. Die
Aussicht auf eine höhere Vergütung ist ein zweckzentrierter Anreiz. Nun gibt es jedoch
auch Handlungen, die um ihrer selbst willen durchgeführt werden. Der Anreiz zum
Handeln liegt hier nicht im Erreichen eines Endergebnisses, sondern in der Tätigkeit
selbst. Meistens sind diese Tätigkeiten in der Freizeit zu finden, z. B. Ski fahren, Brief-
marken sortieren oder Angeln. Die Handlungen üben auf den Handelnden einen tätig-
keitszentrierten Anreiz aus.
58
Menschen, die vor allem von zweckzentrierten Anreizen angesprochen werden, bezeich-
net man auch als
extrinsisch motiviert. Sie finden Befriedigung im Erreichen des Ziels,
dem sog. konsummatorischen Akt. Bei tätigkeitszentrierten Menschen spricht man hinge-
gen von
intrinsischer Motivation. Sie erleben Befriedigung im Gehen des Weges, dem
sog. Appetenzverhalten.
59
Leider existiert in der Psychologie keine eindeutige Abgrenzung der beiden Begriffe
,extrinsisch' und ,intrinsisch'.
Viele Forscher haben versucht, die intrinsische Motivation zu
definieren und dabei haben sie verschiedene Erklärungsansätze gewählt. Die drei bedeu-
tendsten sind:
60
­
Zweckfreiheit: Diese Erklärungslinie spricht von intrinsischer Motivation, wenn der
Anreiz einer Handlung nicht in den erwarteten Ergebnisfolgen, sondern im Tätigkeits-
vollzug an sich liegt. Die höchste Stufe des Erlebens liegt für den Handelnden in
einem Flow-Erleben, bei dem er völlig in der Tätigkeit aufgeht und ein tiefes Gefühl
der Freude empfindet. Handlungen, die hingegen auf das Erreichen eines Ergeb-
nisses gerichtet sind, werden als extrinsisch motiviert bezeichnet.
61
Wegbereiter des
Ansatzes sind u. a. Bühler
62
und Csikszentmihalyi
63
.
­
Übereinstimmung von Mittel und Zweck: Nach diesem Ansatz kann eine Handlung
durchaus auf ein Ergebnis ausgerichtet und dennoch intrinsisch motiviert sein. Dies
gilt aber nur dann, wenn Handlung und Ergebnis innerhalb desselben Themas liegen
57
Vgl. Uhl (2000), S. 153.
58
Vgl. Rheinberg (2008), S. 140 ff.
59
Vgl. Rheinberg (2008), S. 140 ff.; Comelli/von Rosenstiel (2009), S. 10.
60
Für eine vollständige Übersicht vgl. Rheinberg (2006), S. 331 ff.
61
Vgl. Rheinberg (2006), S. 333 f.; Rheinberg (2008), S. 140 ff.; Uhl (2000), S. 155 ff.; Martini (2008), S. 26.
62
Vgl. Bühler (1922).
63
Vgl. Csikszentmihalyi (1987); Csikszentmihalyi (1992).

17
und die Handlung nicht nur Mittel zu einem andersartigen Zweck ist.
64
Es war zualler-
erst Heckhausen
65
, der diesen Erklärungsweg gewählt hat.
­
Selbstbestimmung: Dieser von de Charms
66
begründete und von Deci und Ryan
67
später aufgegriffene Ansatz sieht eine Handlung dann als intrinsisch motiviert an,
wenn sie vom Handelnden als autonom, d. h. selbst verursacht empfunden wird. Fühlt
sich der Handelnde jedoch von äußeren Kräften gesteuert, dann ist sein Verhalten
extrinsisch motiviert.
68
Die unterschiedlichen Erklärungsansätze enthalten zwar interessante Gesichtspunkte,
aber das Durcheinander macht den Begriff der intrinsischen Motivation wissenschaftlich
problematisch. In jüngster Zeit hat sich nun zunehmend die Tendenz herausgebildet, den
Begriff der intrinsischen Motivation für solche Tätigkeiten zu verwenden, die
tätigkeits-
zentriert sind. Analog werden zweckzentrierte Tätigkeiten als extrinsisch motiviert be-
trachtet.
69
Diese Sichtweise wird auch in dieser Arbeit verwendet.
4. Motivationstheorien
4.1 Allgemeines
Nachdem bisher die motivationspsychologischen Grundbegriffe geklärt wurden, ist immer
noch nicht klar, durch
was und wie Menschen zu Handlungen motiviert werden. Motiva-
tionstheorien versuchen die Faktoren, die Motivation entstehen lassen zu beschreiben
und ihren Einfluss auf die individuelle Leistung zu untersuchen.
70
Der Nutzen der Motiva-
tionstheorien hängt entscheidend vom Zweck ab, den man mit den Theorien verfolgt. Der
Wissenschaftler sucht nach allgemeinen Erklärungen für menschliches Verhalten,
während der Praktiker instrumentelle Hilfen bei der Mitarbeiterführung erwartet. Der letzt-
genannte Punkt gilt insbesondere für die Theorien zur Arbeitsmotivation. Um es gleich
vorweg zu nehmen: Keine Motivationstheorie wird alle Anforderungen erfüllen können,
denn jeder Ansatz betrachtet nur Teilaspekte der Motivation.
71
Üblicherweise werden die Motivationstheorien in sog. Inhalts- und Prozesstheorien
klassifiziert:
72
­
Inhaltstheorien versuchen zu erklären, was einen Menschen motiviert. Sie beschäf-
tigen sich mit den Bedürfnissen und Motiven der Menschen.
64
Vgl. Rheinberg (2006), S. 336 f.; Rheinberg (2008), S. 149 f.; Martini (2008), S. 26 f.
65
Vgl. Heckhausen (1989).
66
Vgl. DeCharms (1968).
67
Vgl. Deci/Ryan (1980); Deci/Ryan (1985).
68
Vgl. Rheinberg (2006), S. 334 f.; Rheinberg (2008), S. 150 f.; Martini (2008), S. 28 ff.
69
Vgl. Rheinberg (2008), S. 152 f.
70
Vgl. Oechsler (2006), S. 339.
71
Vgl. Drumm (2008), S. 407 f.; Berthel/Becker (2007), S. 17 f.
72
Vgl. Drumm (2008), S. 407 f.; Weinert (2004), S. 190 f.; Berthel/Becker (2007), S. 26 f.

18
­
Prozesstheorien machen keine Aussagen zu Motivinhalten. Stattdessen versuchen
zu beschreiben,
wie Motivationsprozesse ablaufen. Diese kognitiven
73
Theorien unter-
suchen die Entscheidungen, die die Menschen im Laufe des Motivationsprozesses
treffen.
Nachfolgend werden einige wichtige Motivationstheorien in ihren Grundzügen und
Kernaussagen dargestellt. Jede Motivationstheorie wird daraufhin untersucht, ob sie als
Begründung für die Einführung von leistungsorientierten Vergütungssystemen dienen
kann. Besonderes Augenmerk wird auf die VIE-Theorie gelegt werden, da vor allem sie
zur Begründung von leistungsorientierten Vergütungssystemen dienen kann.
4.2 Inhaltstheorien
4.2.1 Maslows Modell der Bedürfnishierarchie
Maslows Bedürfnistheorie
74
versucht die Vielzahl menschlicher Motive zu ordnen und ihre
Wirkmechanismen zu erläutern. Die Bedürfnistheorie war ursprünglich nicht als Motiva-
tionstheorie angelegt. Als klinischer Psychologe interessierte sich Maslow nicht für wirt-
schaftliche Fragen. Er untersuchte die Wachstumsmöglichkeiten des Individuums und
dessen Gestaltungsmöglichkeiten. Die Frage der ,psychologischen Gesundheit' des Men-
schen stand für ihn im Mittelpunkt. Diesen Zustand sah er beim sich selbst verwirklich-
enden Menschen.
75
Populär wurde Maslows Modell vor allem als McGregor
76
sie für seine
Führungstheorien aufgriff und sie für universell gültig erklärte.
77
Nach Maslow wird menschliches Handeln durch zwei Arten von Motiven bestimmt:
Defizit- und Wachstumsmotive. Die Befriedigung der Defizitmotive kann dabei zwar ver-
hindern, dass der Mensch krank wird, führt aber nicht zur ,psychologischen Gesundheit'.
Das Ziel der ,psychologischen Gesundheit' kann nach Maslow nur durch die Befriedigung
der Wachstumsmotive erreicht werden. Wachstumsmotive dienen der Selbstverwirk-
lichung des Menschen. Nach weiterer Unterteilung der Defizit- und Wachstumsmotive
definiert Maslow letztlich fünf Motivklassen, die er hierarchisch anordnet und grafisch in
der bekannten Motivpyramide darstellt.
78
73
Kognition = Erkenntnisleistungen eines Individuums (z. B. Wahrnehmung, Denken, ...).
Vgl. Berthel/Becker (2007), S. 27.
74
Vgl. Maslow (1943); Maslow (1954).
75
Vgl. Nerdinger (1995), S. 37; Staehle (1999), S. 221; Oechsler (2006), S. 340.
76
Vgl. McGregor (1960).
77
Vgl. Staehle (1999), S. 221 ff.; Berthel/Becker (2007), S. 21.
78
Vgl. von Rosenstiel (2007), S. 403 f.; Nerdinger (1995), S. 37 ff.

19
Maslow postuliert in seiner Theorie u. a.:
79
­ Eine Bedürfnisklasse motiviert einen Menschen nur so lange bis sie befriedigt ist.
­ Eine höhere Bedürfnisklasse kann erst dann verhaltenswirksam werden, wenn die
niedrigeren Bedürfnisklassen befriedigt wurden (Rangfolgethese).
­ Je höher eine Bedürfnisklasse in der Hierarchie ist, desto weniger dringlich ist sie für
das direkte Überleben des Menschen und desto länger kann er ohne ihre Befriedigung
auskommen.
Maslow stützt seine Theorie auf eigene klinische Beobachtungen und weniger auf
empirische Ergebnisse.
80
Der Hauptkritikpunkt an der Bedürfnistheorie richtet deshalb
auch auf die mangelnde empirische Belegbarkeit.
81
Maslow selbst wandte sich schon
frühzeitig gegen die Übertragung seiner Theorie auf den Bereich der Arbeitsmotivation,
solange sie nicht empirisch belegt sei.
82
Trotz dieser und vieler weiterer Kritikpunkte
83
ent-
wickelte sich Maslows Modell dennoch zu einem der in der Managementliteratur am
weitesten verbreiteten motivationstheoretischen Ansätze.
84
Leistungsorientierte Vergü-
tungssysteme lassen sich allein mit Maslows Modell dennoch schlecht begründen.
Unternehmen sorgen zwar indirekt über die Zahlung der Vergütung und über Sozialleis-
tungen für die Befriedigung der Defizitbedürfnisse der Mitarbeiter und ein entsprechender
Arbeitsplatz kann einem Mitarbeiter auch helfen sich selbst zu verwirklichen, aber eine
79
Vgl. Scheffer/Heckhausen (2006), S. 58 ff.; Berthel/Becker (2007), S. 21 ff.
80
Vgl. Drumm (2008), S. 392.
81
Vgl. Staehle (1999), S. 222; Berthel/Becker (2007), S. 24; Nerdinger (1995), S. 40; Oechsler (2006), S. 341;
Scheffer/Heckhausen (2006), S. 58 ff.
82
Vgl. Maslow (1965), S. 55 f.
83
Für weitere Kritikpunkte vgl. Berthel/Becker (2007), S. 22 ff.
84
Vgl. Berthel/Becker (2007), S. 21.
Abb. 2: Motivpyramide (nach Maslow)
(in Anlehnung an von Rosenstiel (2007), S. 403)

20
Kernaussage der Humanistischen Psychologie ­ zu der Maslows Theorie gezählt wird ­
lautet, dass der Mensch nicht vorrangig auf äußere Anreize reagiert.
85
Maslow stellt
Fragen des Lebenssinns und der Wertorientierung in den Mittelpunkt seiner Forschung
und nicht die Motivation durch äußere Anreize.
86
Heckhausen erkennt deshalb einen
humanistischen Wert von Maslows Theorie, den er in anderen Modellen vermisst.
87
Nerdinger sieht Maslows Theorie als philosophisch-anthropologisches Modell, das eine
doppelte Funktion erfüllt: erstens sei es ein einfach zu verstehendes Motivationsmodell
und zweitens rücke es die Tatsache ins Bewusstsein, dass motivationale Fragen immer
auch mit philosophischen Fragen der Wertung verbunden seien.
88
4.2.2 Herzbergs Zwei-Faktoren-Theorie
Für seine Zwei-Faktoren-Theorie ließ sich Herzberg deutlich von Maslows Bedürfnishie-
rarchiemodell inspirieren. Während Maslow jedoch durch anthropologische Überlegungen
zu seinem Modell gelangte, gingen Herzberg und seine Mitarbeiter
89
empirisch vor.
90
Herzberg untersuchte in einer Studie (sog. ,Pittsburgh-Studie'
91
) den Zusammenhang
zwischen Arbeitsleistung und Arbeitszufriedenheit. Für die Studie wurden 200 Angestellte
gefragt, welche Faktoren bei ihnen Unzufriedenheit und welche Faktoren bei ihnen Zufrie-
denheit bewirkten. Bei der Auswertung wurde festgestellt, dass manche Faktoren nur
Unzufriedenheit beseitigen (sog.
,Hygienefaktoren'
92
), während andere Zufriedenheit
schaffen können (sog.
,Motivatoren'). Dem entsprechend entwickelte Herzberg ein zwei-
dimensionales Kontinuum mit den Dimensionen ,Unzufriedenheit ­ Nicht-Unzufriedenheit'
und ,Zufriedenheit ­ Nicht-Zufriedenheit'. Im Ergebnis seiner Studie ordnete Herzberg alle
äußeren Arbeitsbedingungen (z. B. Status, interpersonelle Beziehungen, Führungsstil,
Arbeitsplatzsicherheit, Bezahlung) den Hygienefaktoren zu, während sich die Merkmale
der Arbeit (z. B. Leistungserlebnisse, Anerkennung, Arbeitsinhalt, Verantwortung, Auf-
stieg, Selbstentfaltung) als Motivatoren darstellten. Das Ergebnis der Studie war also,
dass Zufriedenheit überwiegend durch intrinsische Aspekte bewirkt wird, während zum
Beispiel die (extrinsische) Bezahlung nur ein Hygienefaktor ist, d. h. bestenfalls Unzufrie-
denheit vermeiden kann.
93
Herzbergs Theorie fand in der Praxis und in der theoretischen Diskussion einen erstaun-
lichen Widerhall. Seine Theorie hatte beispielsweise maßgeblichen Einfluss, dass Stellen
85
Vgl. Comelli/von Rosenstiel (2009), S. 14; von Rosenstiel (2007), S. 403 f.
86
Vgl. Scheffer/Heckhausen (2006), S. 58.
87
Vgl. Heckhausen (1989), S. 71.
88
Vgl. Nerdinger (1995), S. 41; Nerdinger F. W. (2003), S. 17.
89
Vgl. Herzberg/Mausner/Snyderman (1959).
90
Vgl. Nerdinger (1995), S. 41.
91
Nach dem Ort, ihrer Entstehung. Vgl. Nerdinger/Blickle/Schaper (2008), S. 429.
92
Der Begriff ,Hygienefaktor' wurde in Anlehnung an die medizinische Hygiene gewählt, die zwar Krankheiten
vermeiden, jedoch Gesundheit nicht aktiv schaffen kann. Vgl. von Rosenstiel (2007), S. 89.
93
Vgl. Uhl (2000), S. 152; Berthel/Becker (2007), S. 25 f.

21
interessanter gemacht wurden (sog. ,Job Enrichment').
94
Kritisiert wurde u. a. dass einige
Hygienefaktoren doppeldeutig seien. So könne zum Beispiel das Gehalt subjektiv auch
als Anerkennung, d. h. als Motivator interpretiert werden. Die vielfältige empirische Über-
prüfung der Zwei-Faktoren-Theorie führte letztlich zu der Erkenntnis, dass sich Herzbergs
Ergebnisse nur dann empirisch nachweisen lassen, wenn die gleichen Untersuchungs-
methoden angewandt werden, die auch Herzberg zugrunde legte.
95
Drumm sieht in der Theorie Herzbergs keinen konstruktiven Beitrag zu Lösung des
Problems der Motivation.
96
Nerdinger hingegen gesteht der Zwei-Faktoren-Theorie trotz
einiger Begrenzungen auch heute noch große Bedeutung zu. Widerspreche sie doch der
weit verbreiteten Ansicht, dass Mitarbeiter ausschließlich durch ökonomische, d. h. finan-
zielle Anreize motiviert werden können.
97
4.3 Prozesstheorien
4.3.1 Vrooms VIE-Theorie
Vrooms VIE-Theorie
98
zählt zur Familie der Erwartungs-Wert-Theorien und ist die bedeu-
tendste dieser Theorien.
99
So gut wie alle neueren Motivationstheorien entsprechen in
ihren Grundzügen dem Modelltyp der Erwartungs-Wert-Theorien.
100
Die Erwartungs-Wert-Theorien postulieren, dass der Mensch vorausschaut und sein Ver-
halten an vorweggenommenen, d. h. erwarteten Zielzuständen orientiert. Die erwarteten
Zielzustände werden mit positiven oder negativen Affekten verknüpft und werden so zum
Anreiz (Wert). Menschen werden sich nur dann entscheiden zu handeln, wenn sie er-
warten, dass ein Handlungsergebnis für sie einen subjektiven Wert schafft. Bei der Wahl
zwischen mehreren Handlungsalternativen wird jene bevorzugt werden, bei der das
Produkt aus erzielbarem Wert und der Wahrscheinlichkeit, ihn zu erzielen, maximal ist.
101
Alle Erwartungs-Wert-Theorien nehmen an, dass der Mensch ein rational kalkulierendes
Wesen ist, das versucht, seinen Nutzen zu maximieren.
102
Schon der französische
Philosoph Blaise Pascal (1623 ­ 1662) verknüpfte die Konstrukte Wert und Erwartung, um
Verhalten zu erklären.
103
Weitere frühe Wegbereiter der Erwartungs-Wert-Theorien waren
u. a. Tolman
104
und Lewin
105
, die beide Einfluss auf Vrooms VIE-Theorie hatten.
106
94
Vgl. Drumm (2008), S. 395 f.
95
Vgl. Drumm (2008), S. 395 f.; Nerdinger/Blickle/Schaper (2008), S. 430.
96
Vgl. Drumm (2008), S. 396.
97
Vgl. Nerdinger/Blickle/Schaper (2008), S. 430 f.
98
Vgl. Vroom (1964).
99
Vgl. Nerdinger/Blickle/Schaper (2008), S. 434.
100
Vgl. Beckmann/Heckhausen (2006), S. 125.
101
Vgl. Beckmann/Heckhausen (2006), S. 105 f.; Heckhausen (2006), S. 23.
102
Vgl. von Rosenstiel (2007), S. 411.
103
Vgl. Beckmann/Heckhausen (2006), S. 107.
104
Vgl. Tolman (1932).
105
Vgl. Lewin (1938).
106
Vgl. Heckhausen (2006), S. 23.

22
VIE bezeichnet die Anfangsbuchstaben, der drei Größen, die Vrooms Theorie bestimmen:
Valenz (V), Instrumentalität (I) und Erwartung (E). Die drei Variablen sind in der VIE-Theo-
rie multiplikativ miteinander verknüpft. Dies bringt zum Ausdruck dass Motivation nur ent-
stehen kann, wenn alle drei Größen vorhanden sind.
107
­
Valenz (V): Nach Vroom nehmen Menschen eine Handlung wegen der erwünschten
Handlungsfolgen auf. Vroom bezeichnet den subjektiv wahrgenommenen Wert einer
Handlung als
Valenz (V). Handlungsergebnisse mit positiver Valenz strebt der Han-
delnde an, Handlungsergebnisse mit negativer Valenz versucht er zu vermeiden und
Handlungsergebnisse mit einer Valenz von Null sind irrelevant.
108
Hervorzuheben ist
die
Subjektivität des Valenzbegriffs.
109
Innerhalb der VIE-Theorie sind die Begriffe Handlung, Handlungs
ergebnis (HE) und
Handlungs
folgen (HF) voneinander abzugrenzen.
110
Das Handlungsergebnis (z. B.
eine Beförderung) ist das direkte Ergebnis einer durchgeführten Handlung (z. B. einer
höheren Arbeitsleistung). Aus dem Handlungsergebnis können sich weitere indirekte
Handlungsfolgen ergeben (z. B. ein höheres Einkommen). Valenzen können für den
Handelnden auf Ebene des Handlungsergebnisses (= Valenz der 1. Ebene) oder auf
Ebene der Handlungsfolgen (= Valenz der 2. Ebene) bestehen.
111
Handlungsergeb-
nisse dienen (bei extrinsisch motivierten Personen) als Anreize, während die Hand-
lungsfolgen die vom Individuum selbst angestrebten Ziele und Bedürfnisse dar-
stellen.
112
Motivierend wirken deshalb vor allem die erwarteten Handlungsfolgen. Bei-
spielsweise wird ein Sachbearbeiter (sofern er extrinsisch motiviert ist) nicht dadurch
motiviert, dass der Antragsstapel durch seine Arbeit immer kleiner wird (= Handlungs-
ergebnis), sondern durch das Geld, das er für seine Arbeit bekommt (= Handlungs-
folge).
113
­
Instrumentalität (I): Nach Vroom kalkuliert ein Mensch vor seiner Handlung, wie
wahrscheinlich es ist, dass die Handlungsfolge durch das Handlungsergebnis erreicht
107
Vgl. Oechsler (2006), S. 347; Berthel/Becker (2007), S. 28.
108
Vgl. Beckmann/Heckhausen (2006), S. 136 f.; Berthel/Becker (2007), S. 27.
109
Vgl. Beckmann/Heckhausen (2006), S. 106; Ridder (2007), S. 293.
110
Die Unterscheidung bleibt bei Vroom implizit. Er verwendet den gemeinsamen Terminus ,outcome'.
Vgl. Beckmann/Heckhausen (2006), S. 136.
111
Vgl. Beckmann/Heckhausen (2006), S. 136.
112
Vgl. Oechsler (2006), S. 347.
113
Vgl. Ridder (2007), S. 293.
Abb. 3: Phasen der Motivation (nach Vroom)
(in Anlehnung an Ridder (2007), S. 293)

23
wird. Die Beziehung zwischen Handlungsergebnis und Handlungsfolge nennt Vroom
Instrumentalität (I). Sie kann zwischen - 1 und + 1 variieren.
114
Ein Wert von - 1 sagt
beispielsweise aus, dass zwischen Handlungsergebnis und Handlungsfolge überhaupt
kein Zusammenhang besteht. Die Variable ,Instrumentalität' unterscheidet die VIE-
Theorie von anderen Erwartungs-Wert-Theorien, die allein die Größen ,Erwartung' und
,Wert' berücksichtigen.
115
­
Erwartung (E): Die letzte situative Variable, die in der VIE-Theorie das Motivationsge-
schehen beeinflussen kann, ist die Erwartung (E). Man versteht darunter die subjek-
tive Wahrscheinlichkeit, mit der ein Handlungsergebnis erreicht wird. Auch die
,Erwartung' ist also eine subjektive Größe.
116
Der Handelnde berücksichtigt bei seiner
Einschätzung u. a. sein Fachwissen und seine Kenntnisse. Als Wahrscheinlichkeitsva-
riable kann die ,Erwartung' einen Wert zwischen 0 und 1 annehmen.
117
Wie entscheidet eine Person nun, ob sie eine Handlung durchführen soll oder nicht?
Jedes Handlungsergebnis zieht verschiedene Handlungsfolgen nach sich. Vroom pos-
tuliert, dass die Person für jede einzelne Handlungsfolge deren spezifische Instrumenta-
lität I(HF) berechnet und sie mit den Valenzen V(HF) der einzelnen Handlungsfolgen mul-
tipliziert. Die Summe der Einzelvalenzen ergibt dann die Gesamtvalenz V(HE) des Hand-
lungsergebnisses.
118
V(HE) = [V
1
(HF
1
) · I
1
(HF
1
)] + [V
2
(HF
2
) · I
2
(HF
2
)] + ... + [V
n
(HF
n
) · I
n
(HF
n
)]
Um zu einer Entscheidung zu gelangen, wird nun noch die Gesamtvalenz V(HE) des
Handlungsergebnisses mit der Wahrscheinlichkeit des Handlungsergebnisses E(HE) mul-
tipliziert.
Entscheidung = V(HE) · E(HE)
Beispiel: Ein Angestellter rechnet damit, dass er durch Mehrarbeit (= Handlung) in abseh-
barer Zeit eine Beförderung (= Handlungsergebnis) erreichen könnte. Eine Beförderung
hätte mehrere Konsequenzen (= Handlungsfolgen), z. B. mehr Verantwortung, mehr Geld,
weniger Freizeit. Für jede Handlungsfolge würde der Angestellte nach Vrooms Theorie
nun ermitteln, wie sie mit der Beförderung zusammenhängt und er würde die ermittelten
Instrumentalitäten mit den subjektiven Valenzen der Handlungsfolgen verknüpfen. Die
Gesamtvalenz des Handlungsergebnisses verknüpft er dann mit der Erwartung für das
Eintreten des Handlungsergebnisses. Anschließend führt er dieselben Überlegungen für
die anderen Handlungsalternativen (z. B. ,keine Mehrarbeit leisten') durch. Einem ökono-
114
Vgl. Ridder (2007), S. 294; Berthel/Becker (2007), S. 27.
115
Vgl. Nerdinger/Blickle/Schaper (2008), S. 434.
116
Vgl. Nerdinger/Blickle/Schaper (2008), S. 434; Beckmann/Heckhausen (2006), S. 107.
117
Vgl. Beckmann/Heckhausen (2006), S. 136.
118
Vgl. Beckmann/Heckhausen (2006), S. 137 f.; Ridder (2007), S. 294 f.

24
mischen Kalkül entsprechend wird der Angestellte die Handlungsalternative mit dem
höchsten Wert wählen.
119
Durch die Annahme eines rational kalkulierenden Handelnden kann die VIE-Theorie
bestenfalls das Verhalten erklären, das auch rational erklärbar ist.
120
Deshalb liegt hier
auch der erste konzeptionelle Kritikpunkt an der VIE-Theorie, denn nicht alle Menschen
verhalten sich rational kalkulierend.
121
Des Weiteren wird kritisiert, dass sich in der Modell-
konstruktion die Valenzen aus den Handlungs
folgen ableiten. Das Modell ignoriert somit,
dass es intrinsisch motivierte Handelnde gibt, die schon durch das Handlungs
ergebnis
motiviert werden.
122
Trotz der konzeptionellen Kritik konnten die Grundannahmen der VIE-
Theorie in empirischen Studien weitgehend bestätigt werden.
123
4.3.2 Adams' Gleichheitstheorie
Der Grundgedanke der Austauschtheorien ­ zu der auch Adams' Gleichheitstheorie zählt
­ lautet, dass der Mensch nach Harmonie strebt und ein inneres und äußeres Gleichge-
wicht sucht. Adams' Ansatz ist dabei die bekannteste derartige Motivationstheorie.
124
Weitere Theorien stammen von Thibaut/Kelley
125
, sowie von Homans
126
.
Bei der Gleichheitstheorie von Adams
127
rückt neben dem Handeln einer Person zusätz-
lich der
interpersonelle Vergleich in den Fokus der Betrachtung. Adams postuliert, dass
ein Mitarbeiter einer Organisation seine Bemühungen (Input) und die dafür erhaltenen
Belohnungen (Output) ins Verhältnis setzt und dieses dann mit dem Verhältnis der
Bemühungen und Belohnungen einer Vergleichsperson vergleicht. Unter Input versteht
man die Leistung, Erfahrung, Ausbildung, etc. und unter Output Entgeltzahlungen, Sozial-
leistungen, Statussymbole, Ansehen, etc., wobei eine eindeutige Betonung auf der Ent-
lohnung liegt. Wichtig ist, dass die Definition der Input-Output-Größen und deren Bewer-
tung durch den Betroffenen erfolgt und sie somit sehr
subjektiv sind. Weicht sein eigenes
kognitives Input-Output-Verhältnis von dem seiner Vergleichsperson ab, entsteht ein
inneres Spannungsverhältnis. Diese Spannung wird als Motivation interpretiert, denn der
Mitarbeiter wird laut Adams versuchen durch Handlungen ein Gleichgewicht der Input-
Output-Verhältnisse herzustellen. Der Mitarbeiter kann als Reaktion auf das Ungleich-
gewicht z. B. seinen Arbeitseinsatz steigern oder senken, einen höheren Lohn fordern
119
Vgl. Nerdinger/Blickle/Schaper (2008), S. 435.
120
Vgl. von Rosenstiel (2007), S. 411.
121
Vgl. Cropanzo/Goldman/Folger (2005); Berthel/Becker (2007), S. 28; Ridder (2007), S. 296.
122
Vgl. Ridder (2007), S. 296.
123
Vgl. van Eerde/Thierry (1996); Pinder (1998), S. 351 ff.; Campbell/Pritchard (1976), S. 91 f.
124
Vgl. von Rosenstiel (2007), S. 418; Staehle (1999), S. 239.
125
Vgl. Thibaut/Kelley (1959).
126
Vgl. Homans (1961).
127
Vgl. Adams (1963).

Details

Seiten
Erscheinungsform
Originalausgabe
Jahr
2009
ISBN (eBook)
9783836644105
DOI
10.3239/9783836644105
Dateigröße
1.2 MB
Sprache
Deutsch
Institution / Hochschule
Frankfurt School of Finance & Management – Banking, Finance, and Accounting & Taxation, Unternehmenskultur und Personalführung
Erscheinungsdatum
2010 (März)
Note
1,3
Schlagworte
vergütungssystem anreizsystem managementanreizsystem performance prozesstheorien
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Titel: Leistungsorientierte Vergütungssysteme
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