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Schöpfung im 104. Psalm

©2008 Bachelorarbeit 54 Seiten

Zusammenfassung

Inhaltsangabe:Einleitung:
‘Konflikt in Georgien: Das Leid, die Opfer und der Krieg’ So lautete die Überschrift einer Reportage der ARD, die seit Anfang August 2008 in ähnlicher Weise die Nachrichtensendungen beginnen und Zeitungen füllen lässt. Die erschreckenden Filmbeiträge zeigen das Ausmaß eines schon Jahrzehnte lang schwelenden Konfliktes, der am 7. August 2008 zu eskalieren begann: Hungersnöte, Krankheiten, Flüchtlingsströme und viele unschuldige Opfer. Und dies ist nur eines der aktuellen Beispiele, denn täglich reihen sich die Schreckensnachrichten der ganzen Welt nahtlos aneinander.
Wer dies nicht sehen will, vergrößert und zentriert seine persönlichen Problemlagen mit der Überschrift ‘Ungerechtigkeit’, sei es zum Beispiel durch finanzielle Schwierigkeiten, gesundheitliche Einschränkungen oder gar die täglich auftretenden, kleinen Missbehagen und Unannehmlichkeiten.
Der Mensch scheint in einem Zustand zu sein, in dem er nicht mehr zur vollkommenen Gerechtigkeit und zum Frieden finden kann.
Wer will bei diesen Verhältnissen noch an einen liebenden und schaffenden Gott glauben?
Dass das Vorherrschen schwerer und problematischer Zustände jedoch nicht im Widerspruch zum Schöpfer-Gott stehen muss, zeigt der unbekannte Verfasser des 104. Psalms. Der Schreiber kannte die Situation seiner Zeit und hatte realistisch erfasst, dass Böses in der Welt ist. Trotzdem und gerade deswegen sprach er von Gott als dem Schöpfer, nicht zuletzt, um auf ein zukünftiges, lohnendes Leben zu verweisen, welches in der gegenwärtigen Situation Hoffnung spenden sollte. Eine Hoffnung, die die Schöpfung bewahren soll, die auf eine bessere Zukunft zielen soll und Schwierigkeiten und Probleme überwinden kann.
Eine Hoffnung – ist es nicht das, was uns in Zeiten des Krieges und der Ungerechtigkeit helfen kann? Denn die Schreckensmeldungen der Nachrichten werden sich nicht verringern, es wird weiterhin Gewalt und Missstände geben. Auch im Privaten wird keine absolute Gerechtigkeit zu finden sein.
Der Autor des 104. Psalms beschreibt, worin eine Hoffnung bestehen kann. Dieser Zukunftsglaube basiert auf dem Glauben an Gott, der alles neu schaffen und gut machen wird. Diese Hoffnung lässt die tägliche Angst überwinden und auf etwas Vollkommenes blicken.
Der Psalm-Schreiber beschreibt, über die eigentliche Information der Schöpfung hinaus, auch die Zweckmäßigkeiten und Funktionen der einzelnen Werke in ihrem durchdachten Zusammenhang, und offenbart dabei sehr […]

Leseprobe

Inhaltsverzeichnis


Susann Koch
Schöpfung im 104. Psalm
ISBN: 978-3-8366-4394-8
Herstellung: Diplomica® Verlag GmbH, Hamburg, 2010
Zugl. Universität Hildesheim, Hildesheim, Deutschland, Bachelorarbeit, 2008
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© Diplomica Verlag GmbH
http://www.diplomica.de, Hamburg 2010

2
Inhaltsverzeichnis
Schöpfung im 104.Psalm
1. Einführung Psalm ... 5
1.1 Der Name ,,Psalmen" ... 5
1.2 Formale Betrachtung... 5
1.3 Theologische Aussagen... 8
2. Glaubenserfahrungen in den Psalmen ... 10
2.1 Monotheismus... 10
2.2 Der Gott der Psalmen... 11
2.2.1 Definitionsversuch ,,Glaube" ... 11
2.2.2 Attribute des Glaubens... 12
2.2.3 Das Glaubens-Ich... 13
2.2.4 Das Glaubens-Ich in den Psalmen ... 14
2.2.5 Das Lob... 16
3. Schöpfung in den Psalmen ... 18
3.1 Einführung ... 18
3.2 Psalm 104 ... 18
3.2.1 Auslegung Psalm 104 ... 20
3.2.2 Utopie... 28
3.2.3 Kritik ... 30
4. Schöpfungsgeschichten im Genesis ... 32
4.1 Schöpfung ... 32
4.2 Genesis 1... 33
4.3 Genesis 2f... 35
5. Vergleich der Schöpfungsaspekte aus Psalm 104 zu den Schöpfungsgeschichten
im Buch Genesis ... 37
5.1 Schreibstil... 37
5.2 Ansatz und Kontext... 38
5.3 Schöpfungswerke ... 39
5.4 Gottesbeschreibung... 40
6. Fazit... 42
7. Literaturverzeichnis ... 44
Anhang... 47

3
Schöpfung im 104. Psalm
,,Konflikt in Georgien: Das Leid, die Opfer und der Krieg"
1
So lautete die Überschrift
einer Reportage der ARD, die seit Anfang August 2008 in ähnlicher Weise die
Nachrichtensendungen beginnen und Zeitungen füllen lässt. Die erschreckenden
Filmbeiträge zeigen das Ausmaß eines schon Jahrzehnte lang schwelenden Konfliktes,
der am 7. August 2008 zu eskalieren begann: Hungersnöte, Krankheiten,
Flüchtlingsströme und viele unschuldige Opfer. Und dies ist nur eines der aktuellen
Beispiele, denn täglich reihen sich die Schreckensnachrichten der ganzen Welt nahtlos
aneinander.
Wer dies nicht sehen will, vergrößert und zentriert seine persönlichen Problemlagen mit
der Überschrift ,,Ungerechtigkeit", sei es zum Beispiel durch finanzielle Schwierigkeiten,
gesundheitliche Einschränkungen oder gar die täglich auftretenden, kleinen Missbehagen
und Unannehmlichkeiten.
Der Mensch scheint in einem Zustand zu sein, in dem er nicht mehr zur vollkommenen
Gerechtigkeit und zum Frieden finden kann.
Wer will bei diesen Verhältnissen noch an einen liebenden und schaffenden Gott
glauben?
Dass das Vorherrschen schwerer und problematischer Zustände jedoch nicht im
Widerspruch zum Schöpfer-Gott stehen muss, zeigt der unbekannte Verfasser des 104.
Psalms. Der Schreiber kannte die Situation seiner Zeit und hatte realistisch erfasst, dass
Böses in der Welt ist. Trotzdem und gerade deswegen sprach er von Gott als dem
Schöpfer, nicht zuletzt, um auf ein zukünftiges, lohnendes Leben zu verweisen, welches
in der gegenwärtigen Situation Hoffnung spenden sollte. Eine Hoffnung, die die
Schöpfung bewahren soll, die auf eine bessere Zukunft zielen soll und Schwierigkeiten
und Probleme überwinden kann.
Eine Hoffnung ­ ist es nicht das, was uns in Zeiten des Krieges und der Ungerechtigkeit
helfen kann? Denn die Schreckensmeldungen der Nachrichten werden sich nicht
verringern, es wird weiterhin Gewalt und Missstände geben. Auch im Privaten wird keine
absolute Gerechtigkeit zu finden sein.
Der Autor des 104. Psalms beschreibt, worin eine Hoffnung bestehen kann. Dieser
Zukunftsglaube basiert auf dem Glauben an Gott, der alles neu schaffen und gut machen
1
http://www.tagesschau.de/ausland/reportagekaukasus100.html, Stand: 17.08.2008.

4
wird. Diese Hoffnung lässt die tägliche Angst überwinden und auf etwas Vollkommenes
blicken.
Der Psalm-Schreiber beschreibt, über die eigentliche Information der Schöpfung hinaus,
auch die Zweckmäßigkeiten und Funktionen der einzelnen Werke in ihrem durchdachten
Zusammenhang, und offenbart dabei sehr persönliche Emotionen, z.B. durch lobende
Worte. Diese individuelle Gestaltungsform gibt dem Leser einen zusätzlichen, viel
menschlicher wirkenden Blickwinkel und dadurch eine andere Perspektive zum Thema
Schöpfung, als die der ersten Kapitel im Buch Genesis, den Schöpfungsgeschichten
schlechthin.
Der Psalmist zeigt in seiner Beschreibung die kommende Schöpfung auf, wie sie einmal
werden soll. Der Schöpfungsglaube dient damit als utopische Vorstellung auch zur
Aufmunterung in der derzeit gewaltvollen Welt, in der kein solidarisches
Zusammenleben aller Lebewesen vorherrscht. Das Chaos, welches auf der Erde besteht,
ist vom Menschen nicht überwindbar. Dieses kann aber auch nicht völlig Überhand
nehmen, so beruhigt der Psalmist die Empfänger seiner Zeilen, da Gott dem Chaos eine
Grenze gesetzt hat.
Meine Motivation zum Thema ,,Schöpfungsaspekte im 104. Psalm" lag darin, mich
kritisch mit dem Inhalt des Textes auseinander zu setzen, den Grund des Schöpfungslobs
zu entdecken, den Kontext und die Denkweise des damaligen Glaubens und der
Schöpfung der Zeit zu betrachten und mögliche Differenzen zu den Genesis-
Schöpfungsgeschichten herauszuarbeiten, aber auch zu bedenken, wie der Text mit dem
Thema ,,Missstände" der heutigen Zeit in Zusammenhang steht.
So beginnt diese Arbeit zunächst mit allgemeinen Angaben zum Buch der Psalmen und
spezialisiert sich mehr und mehr bis hin zur Auslegung der einzelnen Verse des 104.
Psalms bezogen auf die Schöpfungselemente. Diese Ergebnisse werde ich, nach einer
kleinen Einführung der Schöpfungsgeschichten aus dem Buch Genesis, mit diesen kurz
gegenüberstellen. Der Ertrag dieser Arbeit ist nicht nur der abschließende Vergleich.
Gemäß dem Motto ,,Der Weg ist das Ziel" weisen besonders die ersten zwei
ausführlichen Kapitel auf die interessanten Hintergründe hin, die den Psalm inhaltlich
geprägt haben. Erst wenn man den ,,Gott der Psalmen" zu beschreiben weiß, lässt sich der
Glaube und die Absicht des Autors besser verstehen. So steht die ausführliche
Hinführung zur Auslegung des 104. Psalms nicht für eine zu lange Einleitung, sondern
gehört zur direkten Betrachtung und Analyse des Themas: ,,Schöpfung im 104. Psalm".

5
1. Einführung Psalm
1.1 Der Name ,,Psalmen"
Die Psalmen sind eine Sammlung von 150 Einzelstücken von Liedern und Gebeten, die
zurückgehen auf die griechische Überlieferung des Alten Testamentes. In der hebräischen
Überlieferung trug das Buch bzw. diese Buchrolle zunächst keine Gesamtüberschrift
(,,Psalmen" oder ,,Psalter"), wie wir sie heute kennen. Erst im nachkanonischen Gebrauch
der jüdischen Gemeinde erhielt die Sammlung die Bezeichnung, die wir als ,, Buch der
Lob- und Preislieder" oder ,,Hymnen" übersetzen können. Der unter anderem
mitwirkende Autor David beendet eine Teilsammlung selbst mit der Bezeichnung
,,Gebete": Psalm 72,20: ,,Zu Ende sind die Gebete Davids, des Sohnes Isais".
2
Sämtliche
vorhergehende Psalme wurden hier also unter dem Namen ,,Gebete" zusammengefasst,
obwohl die einzelnen oft anders überschrieben waren, beziehungsweise gar keine Anrede
an Gott enthielten und demnach nicht die Form von typischen Gebeten hatten. Trotzdem
bleibt der Gesamtname passend, denn das Wesen des Gebets ist der gerade und
unverwandte Hinblick auf Gott und die Versenkung des Geistes in den Gedanken an ihn,
der sich in allen Einzelstücken wieder findet. So erklärt sich auch die Gesamtüberschrift
,,Psalmen" oder ,,Psalter", die, wie schon oben genannt, als "Hymnen" übersetzt werden
können. Die einzelnen Psalme sind in der Mehrzahl zwar keine eigentlichen Hymnen, die
meisten sind elegisch oder didaktisch, trotzdem haben alle Psalmen Teil am Wesen des
Hymnus, nämlich den Zweck zu verfolgen, Gott zu verherrlichen.
3
Sie schildern den
göttlichen Glanz, der alles erfüllt. Zudem wird hier nicht nur aufgezeigt wie Gott ist,
sondern auch berichtet, wie er sich seinem Volk zu erfahren gegeben hat. So gibt es eine
Gleichstellung von geschichtlicher Erinnerung und mythologischer Motive. Die
verschiedenen Dichter treten dabei als Lehrer auf, die dies an das Volk vermitteln
wollten.
4
1.2 Formale Betrachtung
Durch die formale Betrachtung sollen Aspekte, die den Aufbau, die Autoren, die
Stilmittel, die Datierung und die Gattungen betreffen, näher betrachtet werden.
Die einzelnen 150 Texte bilden eine Auswahl aus dem Lied- und Gebetegut des alten
Israel. So finden sich im Alten Testament verstreut auch zusätzliche Psalme, wie zum
Beispiel in Exodus 15, dem Lobgesang des Moses. Die zusammenhängende
2
Vgl., Seybold, Psalmen, S. 1366-1367.
3
Vgl. Delitzsch, Psalmen, S.4-6.
4
Vgl. Ohler, dtv Atlas, S.113.

6
Psalmensammlung, wie wir sie noch heute vorfinden, besteht aus fünf Büchern (Kapitel
1-41; 42-72; 73-89; 90-106, 107-150). Diese Einteilung ist jung und beruht nicht auf der
Verbindung mit Lesezyklen des Pentateuchs in vorkanonischer Zeit. Die Reihenfolge der
Psalmen zeigt diverse Wachstumsprozesse auf. Beispielsweise lassen sich
Entwicklungsstadien zwischen ersteren und letzteren Psalmen entdecken. Doch jeder
Psalm hat seine ganz individuelle Geschichte durch verschiedene Autoren
(charismatische Männer und Frauen aus dem einfachen Volk, aber auch von hoch
gelehrten Priestern und Weisheitslehrern, Kultpropheten und oppositionellen
Einzelpropheten, Hofdichtern, Leitern von der Chorgemeinschaft, von Gesunden und
Kranken, Alten und Jungen, aus der Stadt und aus dem Dorf)
5
, verschiedene Anlässe
(Psalmen als ,,Auftragsarbeit" für besondere Anlässe, als überarbeitete Volkslieder, zur
Wiederverwendung,
für
die
individuelle
Bewältigung
von
Lebens-
und
Leidenserfahrungen und ­zuständen)
6
, Entstehungszeiten (vorexilisch, nachexilisch,
spätnachexilisch) oder dem Zeitpunkt der Aufbewahrung im Kanon. Der letztendliche
Kanon ist durch einen langen Überlieferungsprozess geprägt. Dieser brachte
Umstellungen, sowie Ergänzungen und Rezeptionen von Teilstücken mit sich, die
(teilweise) zu Textschäden führten. So wurde zum Beispiel ein mündlich gesprochenes
Gebet, welches in einer bestimmten Notsituation gesprochen wurde, durch seine zeitlich
versetzte Niederschrift mit Stilisierungen und der Tendenz zur poetischen Prägung
ergänzt und verändert (zum Beispiel Psalm 42), wie es in der hebräischen Poesie üblich
war. Diese wies ganz besondere Kennzeichen auf, die wir auch in anderen
alttestamentlichen Einzelschriften wieder finden: So ziehen sich das besondere
Versmaß/Metrum, der Parallelismus und Satzreim, sowie die Assonanz, Alliteration und
der Stabreim als Stilmittel quer durch die Psalmen. Der Sprachstil des gesamten Psalters
ist trotz ähnlicher Stilmittelverwendung von großer Vielfalt und reicht von der
Umgangssprache bis hin zur komplizierten rhythmischen Gestaltung.
7
Besonders der
Gebrauch eines spezifischen Versmaßes war in den Psalmen Ausdruck dafür, dass die
Menschen ihren Gott miteinander suchen wollten. Bestimmte metrische Regulierungen
betonten die Regelmäßigkeit und so konnten Texte und Lieder gemeinsam gesprochen
und gesungen, demnach auch gedacht werden. In der Spätzeit der altorientalischen
Literatur, in der das Alte Testament entstand, wurden in der Form des Parallelismus' oft
Doppelverse verwendet. Dabei umspielte der zweite Versteil den ersten mit
5
Vgl. Zenger, Psalmenauslegungen, S. 12.
6
Vgl. ebd.
7
Vgl., Seybold, Psalmen,, S. 1367-1371.

7
sinnverwandten Worten. Dadurch wurde jeder Tatbestand durch Gedankenreime von
zweierlei Seiten beleuchtet. Die gewöhnlich kurzen Satzpartien in den Psalmen
verweisen auf den Redestil der altorientalischen Prosa, in der die Einzelworte großes
Gewicht trugen. Über den Rhythmus und den Klang der Psalmen ist nur wenig bekannt.
Zu erkennen sind aber vor allem die vielen Alliterationen bei nah aneinander gelegenen
Wörtern (gleiche Konsonanten), die zum Ausdrucksträger wurden. Das Metrum der
Psalmen ist akzentuierend, das heißt, dass die Silbenbetonung eine wesentliche Rolle
spielt. Eingeschobene, ungleiche (seltener auftauchende) Rhythmen ziehen trotzdem die
Aufmerksamkeit, gerade wegen ihrer Andersartigkeit, auf sich.
8
Genannte Stilmittel
finden sich in dieser besonderen Form in der Ursprache der Psalmen wieder. Der
deutschen Übersetzung konnten diese stilisierten Elemente oft nicht hinzugefügt werden.
Ein Beispiel dafür ist der bekannte Psalm 119: im Grundtext tragen je 8 Verse den
gleichen Anfangsbuchstaben nach der Ordnung des Alphabets (22 Buchstaben). Dieses
Stilmittel (besondere Form des Akrostichon, bedeutet Versspitze oder Versanfang, hier:
Alphabetgedicht) konnte im Deutschen nicht wiedergegeben werden, obwohl es neben
der ästhetischen Form auch andere Funktionen trug, wie die pädagogische (im
Schreibunterricht), die mnemotechnische (als Gedächtnisstütze beim Auswendiglernen),
möglicherweise eine strukturelle (Einteilung in Themenbereiche) und nicht zuletzt eine
inhaltliche (Zeichen der Vollständigkeit des Themas durch Anfang und Ende).
9
Die Datierung der Abfassung der Psalmentexte ist nur teilweise möglich. So sind als
älteste Texte die so genannten ,,Königs-Psalmen" und ,,Kult-Hymnen" zu zählen (Ps. 2;
110), welche aus vorexilischer Zeit stammen (ca.10.-11.Jhd. v.Chr.). Exilische Texte
scheinen unter den ,,Psalmen des Asaphs" (Ps. 50, 74, 80) zu sein. Die große Mehrzahl
der überlieferten Individualpsalmen stammt aus nachexilischer und zum Teil wohl
spätnachexilischer Zeit.
10
Der Heimatort des Psalters ist Jerusalem. In der Zeit nach der Tempelzerstörung (587 v.
Chr.) werden hier als Kultersatz höchstwahrscheinlich die ersten Psalmensammlungen
entstanden sein. In den folgenden Jahrhunderten wurden sie stufenweise zu einem Buch
ausgebaut. Damit wurde den Diasporajuden die Gebetsgemeinschaft mit dem zweiten
Tempel ermöglicht.
11
8
Vgl. Ohler, dtv Atlas, S.107.
9
Vgl. http://www.bibelwissenschaft.de/wibilex/das-
bibellexikon/details/quelle/WIBI/referenz/12961///cache/2889f8f6c2/, Stand: September 2006.
10
Vgl. Seybold, Psalmen, S. 1368-1373.
11
Vgl. Ohler, dtv Atlas, S.111.

8
Die eben verwendeten Bezeichnungen der Psalmen (unter anderem Hymnen-, Königs-,
Asaphspsalmen) wurden nach Autor, Gestaltung, Formensprache, Sachgehalt,
Redemuster, Motiv oder Lebenszusammenhang des Psalms gewählt. Hermann Gunkel
(1862-1932) erarbeitete objektive Kriterien für eine Klassifikation nach Gattungen. Diese
Gattungsbezeichnungen zeigen besonders die Vielfalt der gewählten Formen in den
Psalmen auf: Hymnen (mit Thronbesteigungsliedern), die Klagelieder des Volkes, die
Königspsalmen, die Klagelieder des Einzelnen, die Danklieder des Einzelnen, Kleinere
Gattungen (Segens- und Fluchworte, Wallfahrtslieder, Siegeslieder, Danklieder Israels,
Legenden), Prophetische Psalmen, Weisheitsdichtung, ,,Mischungen, Wechselgedichte,
Liturgien"
Claus Westermann reduzierte die Psalmengattungen auf das Schema ,,individuelle oder
kollektive Klage oder Lob" und fand elementare Differenzierungen bei der Klage
(Gottesklage, Feindesklage, Ich-Klage).
Es herrschen also verschiedene Gattungsbegriffe vor, die je nach Intention
unterschiedlich verwendet werden können und nicht gänzlich festgelegt sind. Auch die
Überschriften und ihre Bedeutungen sind noch nicht abschließend geklärt. Sicher ist, dass
es sich hierbei (wie bei allen Überschriften der Bibel) um einen sekundären Zusatz
handelt, der eine späte Klassifikation bzw. Verwendungsweise anzeigt.
12
Die am häufigsten verwendete Redeweise in den Psalmen ist der Ruf. Gebetsrufe wurden
besonders bei Überraschungen ausgestoßen: durch Ausrufe, Zurufe oder Hilferufe. Die
Hauptform des Betens in der Not Israels (wie in Babel) ist eindeutig die Klage. Diese
Form lässt sich dadurch erklären, dass die Sammlungen der Psalmen erst dann entstanden
sind, als Israel politisch unfrei und innerlich gespalten war, also als große Probleme
bestanden. Die Klage verwandelte sich in den Psalmen aber immer in Gotteslob und
wurde in den individuellen Gebeten der Autoren Israels stets einbezogen. Zusätzlich sei
bemerkt, dass Rachebitten und Anklagen an Gott außerisraelitisch überhaupt nicht belegt
sind.
13
1.3 Theologische Aussagen
Die theologischen Aussagen der Psalmen werden in ihren Einzelstücken vielfältig
dargeboten und lassen sich nicht in einen festen Interpretationsrahmen zwingen. Jeder
Psalm hat sein individuelles Profil und Denkgefüge durch die Aussagen der
unterschiedlichen Verfasser in ihrem jeweiligen Kontext. So gesehen spiegelt sich hier
12
Vgl. Seybold, Psalmen, S. 1368-1373.
13
Vgl. Ohler, dtv Atlas, S. 109,113.

9
eine vielstimmige theologische Diskussion wieder, zu deren Grundcharakter das
,,dialogische Prinzip" (Martin Buber) vorherrscht, weil die Texte immer wieder das Gebet
in Lob und Klage als Basis hatten. Diverse Traditionsströme im alten Israel, gefüllt von
gefühlsintensiven Lebenserfahrungen zwischen Gelingen und Zerbrechen, ergeben ein
Stück dynamisch bewegte Theologie innerhalb eines Buches der Bibel. So sind die
Psalmen Zeugnisse lebendigen Glaubens, da viele Lebensentwicklungen oder ­erlebnisse
Gegenstand der Texte sind. Dem Glauben wird dadurch Sprache und Logik verliehen. So
dienen die Psalmen theologisch zur Erbauung, Erkenntnis und Nachahmung.
14
Deshalb,
meint Erich Zenger, sollten die Psalmen nicht nur in ihren Einzelstücken, sondern als
ganzes, zusammengehöriges Buch betrachtet werden (wie die ganze Bibel ansich). Die
Zusammenstellung sei höchst plan- und kunstvoll, da jeder Psalm sein eigenes Profil
habe. Die Redaktoren des Psalmenbuches haben die Einzelteile so miteinander
verbunden, dass programmatische Kompositionen entstanden sind. Demnach solle dieses
geistliche Lesebuch als Ganzes gelernt, rezitiert und meditiert werden.
15
Besonders für die Juden zur Zeit Jesu war dieses Buch sehr wichtig, da sich alle Gruppen
(auch das einfache Volk) in ihnen wieder finden und sich mit ihm identifizieren konnten.
Das ,,Lebensbuch" wurde tagtäglicher Begleiter in Nöten und Leiden und half als
Trostspender und Hoffnungsgeber. Hier wurde den Menschen die eschatologisch-
messianische Hoffnung zugesprochen. Der Psalter ist zudem ein sehr oft zitiertes Buch
im Neuen Testament, zur Zeit des entstehenden Christentums.
16
Wenn die Christinnen
und Christen die Psalmen mitsangen, dann im Bewusstsein, dass diese zuerst die Gebete
Israels waren, sind und immer bleiben würden. Als Gebete der Menschen in Jesu
Nachfolge, der für diese als der Messias galt, wurden die ,,Lobpreisungen" (so nannte die
jüdische Tradition das Buch der Psalmen) Teil der christlichen Tradition.
17
Zudem sind
die Psalmen bis heute ohne Unterbrechung Gebrauchsliteratur geblieben. Immer wieder
hat es Menschen betroffen und berührt, immer wieder wurden Erfahrungen und
Hoffnungen in ihnen gefunden.
18
14
Vgl. ebd.
15
Vgl. Zenger, Psalmenauslegungen, S.12-13.
16
Vgl. ebd., S. 13-14.
17
Vgl. Bail(u.a.), Psalmenkommentar, S.1040-1041.
18
Vgl. Ohler, dtv Atlas, S.107.

10
2. Glaubenserfahrungen in den Psalmen
Welche Erfahrungen gaben die Autoren und Dichter in ihren Texten weiter?
Bevor ich näher auf diese Frage eingehen werde, muss der alttestamentliche Glaube an
Gott in etwa definiert werden, um ihn von anderen, abweichenden Vorstellungen des
Glaubens durch andere Religionen (und anderen Göttern) abzugrenzen. Dies ist
notwendig, um die beschriebenen Erlebnisse, die in den Psalmen geschildert werden, in
ihrem Kontext verstehen und interpretieren zu können.
2.1 Monotheismus
Der Monotheismus war eng mit dem jüdischen Volk verwurzelt. Der biblische Glaube an
den einen Gott umschließt dabei auch die Gottesvorstellungen der damaligen heidnischen
Nachbarvölker Israels. Durch diese Spannungen hat er sich in seiner langen Geschichte
reich entfaltet. Der Glaube an den persönlichen Gott war in der Alltags- und
Familienreligion weit verbreitet. So bezeugen schon Gebete aus Vorderasien und
Ägypten, dass sich Menschen in ihrer Not an Gottheiten wandten, die sie als ,,ihre
Gottheit" gewählt hatten. Der Glaube an den Gott des Volkes, den wir bei Israel als ,,Volk
Jahwes" bezeichnen, fand sich schon bei den Völkern der frühen Eisenzeit. Auch sie
nannten sich Volk des einen Gottes. In den so genannten Staatsreligionen der alten Welt
herrschte eine Über- und Unterordnung statt einer Gegenseitigkeit vor. Gefeiert wurde
der Gott, der das Chaos besiegte, als der König der Götter. Der irdische König galt als
,,Sohn Gottes", da er göttliche Pläne durch- und umsetzte. Entgegen dieser
Staatsreligionen entstand durch die Erfahrung des kleinen Volkes Israels im Alten
Testament der Glaube an den Gott der Unterdrückten. Hierbei wurde dem Königtum sehr
misstrauisch entgegen geblickt. Der biblische Glaube an einen Gott wurde jedoch nicht
Staatsreligion. Der Glaube an den einen Gott für die ganze Welt ist im Alten Testament
erst nach dem Untergang der Staaten Israel und Juda entstanden. So sind also
Vorstellungen vom göttlichen Chaossieger verbunden mit den geschichtlichen
Untergangserfahrungen Israels, wie es in Jesaja 45,7 zu lesen ist: ,, Außer Jahwe gibt es
keine Gottesmacht, darum wirkt nur er allein, ob Menschen Licht und Heil oder
Finsternis und Unheil erfahren."
19
Mit dieser kleinen Zusammenschau soll verdeutlicht werden, dass der Monotheismus zur
Zeit des Alten Testamentes im Zusammenhang mit anderen Religionen stand. Es gab also
19
Vgl. Ohler, dtv Atlas, S. 21.

11
durchaus Parallelen zu Gottesvorstellungen von Nachbarvölkern Israels und somit bleibt
die hebräische Bibel Ergebnis und Zeugnis eines multikulturellen Reichtums.
2.2 Der Gott der Psalmen
Im Folgenden möchte ich versuchen, den Glauben an den ,,Gott der Psalmen" und die
darin beschriebenen Glaubenserfahrungen darzustellen und ihn somit auch von den
Staats- und Volksreligionen abzugrenzen, die zu dieser Zeit ebenfalls vorherrschten.
Durch die Vielfalt der einzelnen Psalmen, durch unterschiedliche Autoren,
Entstehungszeiten und Kontexte, haben wir folglich auch eine Vielfalt an
Glaubenserfahrungen, die uns weitergegeben wurden.
2.2.1 Definitionsversuch ,,Glaube"
Grundlegend muss geklärt werden, was der Begriff Glaube impliziert: Zur Zeit des Alten
Testamentes kannte man nicht einmal ein Nomen für den heute gebräuchlichen Begriff
,,Glauben". Er wurde nur in verbaler Konstruktion, also immer als ein Vorgang
betrachtet. Dies verrät viel über die Definition des Glaubens, denn dies würde heißen,
dass es auf den gelebten und praktizierten Glauben ankomme, da ein Verb immer eine
Handlung beschreibt.
20
Die Bibel ist auf vielerlei Weise Grundstock für den Glauben. Besonders drei
Grundprobleme kristallisieren sich (nach Dierken) heraus. Die Kategorien, die er dem
Glauben zuordnet, definieren diesen wie folgt: Die Bestimmung der Glaubensinhalte
(meint das verbindliche Glaubenswissen), die Klärung des Glaubensgeschehens (betrifft
die Konstruktion, den Vollzug und das Subjekt des Glaubens) und die Beschreibung des
Glaubenlebens
(meint die Art und Weise, wie Glauben individuell und gemeinsam zu
praktizieren ist). Je nach Gewichtung dieser Probleme wird die doktrinale, spirituale oder
praktische Dimension des Glaubens betont und Glaube demnach als Lehre, Gabe
und/oder Lebensform begriffen. Diese Mehrdimensionalität zeigt, dass es weder eine
enge Definition von Glauben gab noch gibt, da die Begriffe viel Interpretationsspielraum
lassen und ineinander übergehen oder sich voraussetzen und ergänzen.
21
Die Psalmen stellen Gott als Schöpfer und sich Erbarmender dar. Für die Juden teilte der
Glaube existentielle Haltungen wie Vertrauen und Verpflichtungen gegenüber
Verheißungen und Forderungen der Gottheit. Geschehen und Gehalt des Glaubens
implizieren innere Umkehrungen gegenteiliger Umstände.
22
Grund des Glaubens ist
20
Vgl. Dalferth, Glauben, S. 194.
21
Vgl. ebd.
22
Vgl. Dierken, Glauben, S.134.

12
(nach Gunda Schneider-Flume) die Bewegung Gottes bis zum tiefsten Punkt
menschlicher Existenz und Wirklichkeit. Glauben bedeutet, eine Festigkeit zu haben,
weil dies dazu führt, sich nicht auf sich selbst zu verlassen, sondern sich von außerhalb
begründen zu lassen. Um Gott als diese feste Größe anzunehmen, muss man ihn zunächst
als einen allgemeinen plausiblen Begriff annehmen. Anselms von Canterbury formulierte
die Unendlichkeit und Unbegreiflichkeit Gottes in der Aussage: ,,etwas Größeres, als
gedacht werden kann". Dieser Gottesbegriff ist zunächst unabhängig von der
Erbarmungsgeschichte, die sich im neutestamentlichen Sterben Jesu am Kreuz
konkretisierte. Und somit bleibt dieser Gottesbegriff eine mögliche Denkweise der
Psalmenschreiber, da Gott auch ohne diese Konkretisierung als plausibler Begriff gedacht
werden konnte. Das Annehmen Gottes als feste Größe war eine Entscheidung und damit
verbanden sich lebensgeschichtliche Bedingungen des Glaubens mit seinem
theologischen Grund, oder wie es Schneider-Flume ausdrückt: ,,Die Bewegung der
Barmherzigkeit Gottes ist konkret Glauben gründend in den lebensgeschichtlichen
Bedingungen."
23
Der Grund des Glaubens und der Glaube gehören von Anfang an
zusammen. Zudem ist die Entscheidung für Gott ständig neu zu treffen, um sich immer
wieder von Gottes Barmherzigkeit anrühren zu lassen und die Geschichte Gottes in die
eigene Lebenspraxis eingehen und wirken zu lassen. Der Grund des Glaubens hat keinen
,,Beweis", bis auf den, dass er sich immer wieder gegen die Infragestellung und
Bestreitung bewahrheitet, denn er behält seine eigene Strittigkeit in sich (da er bestritten
und verdrängt werden kann) und bewahrheitet sich einzig in Gott und dem Glauben im
Widerstreit der Wirklichkeiten. Fehlerquellen in der Begrifflichkeit um Gott bestehen in
Illusionen und Projektionen, die sich Menschen von Gott machen. Hierbei kann schnell
ein (verfälschtes) Götterbild nach Menschenvorstellung entstehen.
24
2.2.2 Attribute des Glaubens
Im Alten Testament lassen sich dem Glauben viele Attribute zuordnen. Unter anderem
spielt die Festigkeit eine wesentliche Rolle im Glauben:
Schon die hebräische Wortform für Glauben verweist auf die Bedeutung von Festigkeit
oder Bestand. Diese Eigenschaften sind dem Glauben also konkret zuzuordnen. In den
Psalmen werden diese besonders in dem metaphorisch gebräuchlichen Ausdruck
,,Felsen" verwendet. In Palästina gab es die so genannten Fliehfelsen, die besseren Schutz
vor Feinden boten. Auch der Jerusalemer Tempelberg hatte eine Asylfunktion und gab
23
Schneider-Flume, Glaubenserfahrungen in den Psalmen, S. 36.
24
Vgl. ebd., S. 33-39.

Details

Seiten
Erscheinungsform
Originalausgabe
Jahr
2008
ISBN (eBook)
9783836643948
Dateigröße
543 KB
Sprache
Deutsch
Institution / Hochschule
Universität Hildesheim (Stiftung) – Erziehungs- und Sozialwissenschaften, BA Geistes-, Sprach-, Kultur- und Sportwissenschaften
Erscheinungsdatum
2014 (April)
Note
1,0
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Titel: Schöpfung im 104. Psalm
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