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Umgangsrecht aus Frauensicht

©2007 Diplomarbeit 227 Seiten

Zusammenfassung

Inhaltsangabe:Einleitung:
Frauen sind durch das reformierte Umgangsrecht einer ständigen Belastung im Rechtsstreit ausgesetzt, unter der auch die Kinder leiden. Obwohl das reformierte Umgangsrecht dem Kindeswohl dienen und das bestmögliche Ergebnis für das Kind erzielen sollte, werden ungeachtet der Kosten zunächst die väterlichen Rechte durchgesetzt. Die Vater-Kind-Beziehung hat eine starke Aufwertung im justiziellen und wissenschaftlichen Diskurs erfahren.
Problemstellung:
2004 sind 395.992 Ehen geschlossen worden, davon sind wiederum 213.691 geschieden worden. Allein 160.585 Kinder waren 2004 von Scheidungen betroffen, ohne die Kinder aus nicht verheirateten Familien mitzuzählen. Zwar ermittelt das Statistische Bundesamt Kinder aus nichtehelichen Gemeinschaften (2.417.000 Millionen) die 2005 bei 682.000 lag, doch werden die Kinder aus den Trennungsfamilien nicht erfasst. Dabei kann nur vermutet werden, wie viele Kinder pro Jahr von Trennungen betroffen sind. Die gesellschaftlichen und öffentlich-rechtlichen Veränderungen gingen mit steigenden Scheidungszahlen, nichtehelichen Lebensgemeinschaften sowie Alleinerziehenden und gleichgeschlechtlichen Lebensgemeinschaften einher. Die Scheidungsquoten belegen eindeutig die Veränderungen der familiären Lebensformen und deren Wertvorstellungen.
Der Gesetzgeber hat erkannt, dass sich die familienrechtlichen Vorschriften nicht mehr ausschließlich auf die ehelichen Familien beziehen lassen, da immer mehr Kinder in so genannten pluralisierten Familienformen aufwachsen. Die stetige Zunahme von Scheidungen und Trennungen hatte zur Folge, dass immer mehr Ein-Eltern-Familien oder andere Formen des Zusammenlebens entstanden sind und die Anzahl der Kinder, die nicht in traditionellen Familienmodellen aufwuchsen, gestiegen sind. Gleichzeitig sind Väter, die meistens die Versorgerrolle einnahmen, zunehmend dazu verpflichtet worden, Unterhalt für ihre Kinder und deren Mütter zu leisten. Doch mit ansteigenden Unterhaltsverpflichtungen sank die Zahlungsmoral der Väter, was wiederum den Staat dazu verpflichtete, für diese Unterhaltslücken aufzukommen. Es stellt sich an dieser Stelle die Frage, ob der Gesetzgeber durch die Reformen des Kindschaftsrechts diese staatlichen Belastungen durch verpflichtende Umgangsregelungen der Väter verhindern wollte? Vielleicht wird angenommen, dass Väter, die persönlichen Kontakt zu ihren Kindern haben, bereitwilliger Unterhalt zahlen. Fest steht, dass das Quotenniveau der […]

Leseprobe

Inhaltsverzeichnis


Christina Aman
Umgangsrecht aus Frauensicht
ISBN: 978-3-8366-4376-4
Herstellung: Diplomica® Verlag GmbH, Hamburg, 2010
Zugl. Universität Kassel, Kassel, Deutschland, Diplomarbeit, 2007
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© Diplomica Verlag GmbH
http://www.diplomica.de, Hamburg 2010

4
INHALTSVERZEICHNIS
Abkürzungsverzeichnis ... 9
Persönliches Interesse und Problemstellung ... 10
1
Einleitung ... 13
1.1
Die Reaktion des Gesetzgebers auf die steigenden Zahlen von ...
Elterntrennungen ... 13
1.2
Grundsatzregelung gilt für Sorge- und Umgangsrecht ... 15
1.3
Väterrechtliche Orientierungen ... 16
1.4
Problemstellung der Mütter ... 17
1.5
Inhalt und Struktur ... 18
1.6
Ziel der Arbeit ... 19
2
Frauen in der Rechtsentwicklung des BGB bis zur ...
Kindschaftsrechtsreform ... 20
2.1
Frauen während der Entstehungszeit des BGB ... 21
2.1.1
Stellung der Frau in der Ehe ... 21
2.1.2
Elterliche Gewalt ... 22
2.1.3
Scheidung ... 24
2.1.4
Kinder ... 26
2.1.5
Recht auf persönlichen Verkehr ... 26
2.1.6
Nichtverheiratete Mütter ... 27
2.2
Die ,,alte" Frauenbewegung vor dem 2. Weltkrieg ... 28
2.3
Frauen in der Weimarer Republik ... 28
2.4
Frauen im Nationalsozialismus ... 29
2.5
Die ,,neue" Frauenbewegung nach dem 2. Weltkrieg ... 32
2.6
Frauenbewegung als Antrieb der Rechtsreformierungen im ...
Familienrecht ... 33
2.6.1
Einlösung der Gleichberechtigungsgrundsätze ... 34
2.6.2
Nichtehelichengesetz ... 35
2.6.3
Eherechtsreform ... 36

5
2.6.4
Ablösung des Terminus der elterlichen Gewalt durch die elterliche
Sorge ... 37
2.6.5
Umgangsrecht ... 37
2.6.6
Namensrecht ... 38
2.6.7
Kindschaftsrechtsreformierung ... 38
2.6.7.1
Anliegen der Kindschaftsrechtsreformierung...39
2.6.7.2
Sorge- und Umgangsrecht ...40
2.7
Frauen und Familienrecht heute ... 41
2.7.1
Diskriminierung der Gleichheitsgrundsätze ... 43
2.7.2
Ein neuer Feminismus? ... 44
2.7.3
Gleichstellungspolitik im rechtlichen Diskurs ... 46
2.8
Zusammenfassung: Gleichberechtigung der Frau im ...
Familienrecht heute ... 49
3
Theoretische Grundlagen des Umgangsrechts ... 56
3.1
Der ,Umgang' im ,Umgangsrecht' ­ Versuch einer ...
Begriffsklärung ... 56
3.1.1
,,Umgang" ... 57
3.1.2
,,Umgangsrecht" ... 58
3.1.3
,,Verkehrsrecht" und ,,Besuchsrecht" ... 58
3.2
Juristische Grundlagen zum Umgangsrecht ... 59
3.2.1
Relevante gesetzliche Vorschriften zum Umgangsrecht im ...
Wortlaut ... 60
3.2.2
Sinn und Zweck des Umgangs ... 63
3.2.3
Ziel des Umgangsrechts ... 64
3.2.4
Grundsatzregelung ... 65
3.2.5
Recht des Kindes auf Umgang ... 65
3.2.6
Pflicht und Recht der Eltern auf Umgang ... 67
3.2.7
Umgangsrecht Dritter ... 68
3.2.8
Unterstützung und Beratung in umgangsrechtlichen Fragen ... 69
3.2.8.1
Eltern gemäß §§ 17, 18 SGB VIII ...70
3.2.8.2
Kinder und Jugendliche gemäß § 18 SGB VIII...71
3.2.9
Wohlverhaltensklausel ... 71
3.2.9.1
Umgangsrecht bei gemeinsamer Sorge ...72

6
3.2.9.2
Umgangsrecht des Nichtsorgeberechtigten ...73
3.2.9.3
Gegenmaßnahmen bei Missachtung der Umgangspflicht ...74
3.2.9.4
Zusammenfassung ...74
3.3
Umgangsrecht und Sorgerecht ... 75
3.3.1
Das Umgangsrecht bei gemeinsamer elterlicher Sorge ... 75
3.3.2
Das Umgangsrecht beim alleinigen Sorgerecht ... 76
3.3.3
Das Umgangsrecht des Nichtsorgeberechtigten ... 77
3.3.4
Wechselwirkung zwischen Umgangs- und Sorgerecht ... 78
3.4
Umgangsregelungen/-vereinbarungen ... 79
3.5
Problematische Umgangskonstellationen ... 80
3.5.1
Weigerungshaltung eines Elternteils ... 81
3.5.2
Kinder ... 83
3.5.2.1
Kind verweigert Umgang ...83
3.5.2.2
Beachtung des Kindeswillen ...84
3.5.3
Kind wünscht Umgang ... 85
3.6
Instrumente zur Durchsetzung des Umgangsrechts ... 87
3.6.1
Familiengericht ... 87
3.6.1.1
Hinwirkungs- und Hinweispflicht ...88
3.6.1.2
Vermittlungsverfahren ...89
3.6.1.3
Verfahrenspfleger ...90
3.6.1.4
Gutachter ...92
3.6.1.5
Zusammenfassung ...94
3.6.2
Jugendamt ... 94
3.6.3
Einschränkung und Ausschlussmöglichkeiten des Gerichts ... 97
3.6.4
Zwangsmittel ... 99
4
Reformierung des Umgangsrechts ... 101
4.1
Wegfall des § 1634 BGB aF ... 102
4.1.1
Kinder erhalten ein eigenes Umgangsrecht ... 103
4.1.2
Vom Recht zur Pflicht der Eltern ... 104
4.1.3
Wohlverhaltensgebot ist übernommen und erweitert worden ... 105
4.1.4
Zusammenfassung ... 106
4.2
Wegfall des § 1711 BGB aF ... 106
4.2.1
Nicht verheiratete Väter im alten Umgangsrecht ... 107

7
4.2.2
Mütter im alten Umgangsrecht ... 109
4.2.3
Zusammenfassung ... 110
4.3
Erweiterung der Einschränkung oder des Ausschlusses ... 111
4.4
Zwangsmittel zur Durchsetzung des Umgangsrechts ... 112
4.5
Veränderung der Rechtsposition der Mutter ... 115
4.6
Anstieg der Umgangsrechtsverfahren ... 116
4.7
Zusammenfassung ... 116
5
Problembereiche der Mütter im Umgangsrecht ... 120
5.1
Gründe das Umgangsrecht abzulehnen ... 121
5.1.1
Probleme in der Umgangsregelung ... 121
5.1.2
Schwerwiegende Gefährdungen des Kindeswohls ... 123
5.2
Umgangsverweigerung der Mutter ... 124
5.2.1
Fallbeispiel der Umgangsverweigerung einer Mutter ... 125
5.2.2
Bei häuslicher Gewalt ... 131
5.2.3
Beim Verdacht des sexuellen Missbrauchsverdacht ... 136
5.3
Umgangsverweigerung des Kindes ... 139
5.3.1
Die Ablehnung des Kindes unter der Voraussetzung seines ...
Willens ... 139
5.3.2
PAS - elterliches Entfremdungssyndrom (Ein Erklärungsmodell ..
für die Verweigerungshaltung eines Kindes?) ... 142
5.3.3
Zusammenfassung ... 147
5.4
Grenzen bei der Durchsetzung des Umgangsrechts ... 147
5.4.1
Folgen für die Mütter ... 148
5.4.2
§ 1684 Abs. 4 BGB ... 149
5.4.3
Auswirkungen von Zwangsanordnungen ... 150
5.4.4
Beschützter Umgang ... 152
5.4.5
Zusammenfassung ... 153
5.5
Die Rolle der Wissenschaft und Forschung in gesetzgeberischen
Bestimmungen ... 154
5.5.1
Der notwendige Erhalt einer Vater-Kind-Beziehung ... 156
5.5.2
Untersuchungen zur Vater-Kind-Qualität nach einer Trennung 157
5.5.3
Zusammenfassung ... 159

8
6
Schlussbetrachtung ... 163
6.1
Das Verhältnis von Recht und Frauen ... 164
6.1.1
Zum Stand der Gleichberechtigung der Frauen ... 165
6.1.2
Forderungen der Väter ... 167
6.1.3
Forderungen der Mütter ... 168
6.2
Gesetzgeberische Intention ... 170
6.2.1
Stärkung der Väterrechte ... 171
6.2.2
Patriarchale Rückführung ... 172
7
Vorschlag ... 174
Literaturverzeichnis ... 177
Rechtsprechungen ... 194
Anhang 1 - Chronologischer Überblick: ...
Geschichte der Gleichstellung der Frau ... 198
Anhang 2 - Verwendete Gesetzestexte ... 216

9
Abkürzungsverzeichnis
Abs.
Absatz
aF
alte Fassung
Aflg.
Auflage
BGB
Bürgerliches Gesetzbuch
BVerfG
Bundesverfassungsgericht
BVerfGE
Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts
bzw.
beziehungsweise
destatis
Statistisches Bundesamt, Wiesbaden
d.h.
das heißt
FamRZ
Zeitschrift für das gesamte Familienrecht
FGG
Gesetz über die Angelegenheiten der freiwilligen
Gerichtsbarkeit
FPR
Familie, Partnerschaft, Recht
Halbs.
Halbsatz
KindRG
Kindschaftsrechtsreformgesetz (Gesetz zur Reform
des Kindschaftsrechts)
KJHG
Kinder- und Jugendhilfegesetz
nF
neue Fassung
OLG
Oberlandesgericht
S.
Satz
SGB VIII
Sozialgesetzbuch 8
UF
Urfassung
ultimo ratio
letztes Mittel
w.z.B.
wie zum Beispiel
z.B.
zum Beispiel

10
Persönliches Interesse und Problemstellung
Diese Arbeit entstand aus Gründen der Benachteiligung von Frauen in
Rechtsverhältnissen nach Trennung oder Scheidung. In meiner praktischen
Tätigkeit in frauenspezifischen Einrichtungen konnte ich sehr oft erleben,
dass Frauen, egal welchen Alters oder welcher sozialen Herkunft, den
Folgen einer Scheidung hilflos ausgeliefert waren. Bereits die rechtliche
Aufklärung über die Trennungs- und Scheidungsfolgen konnte die Frauen,
in der Erwägung einer Trennung verunsichern. Ebenso belastete die Frauen
die Ungewissheit nach einer Trennung (,,was sie dann tun sollen", ,,wo sie
hingehen sollen" oder ,,was mit ihnen geschehen wird"). Nicht selten
entschieden sich Frauen genau aus diesen Gründen dafür, bei ihren Männern
zu bleiben, da sie Angst hatten, nach einer Trennung finanziell schlechter da
zu stehen oder gar ihre Kinder zu verlieren. Ebenso befürchteten sie, keine
Chance auf einen Wiedereinstieg in den Arbeitsmarkt zu bekommen. Eine
Trennung birgt für Frauen immer auch das Risiko zu verarmen. Diese
ungeheuerlichen Benachteiligungen werden den meisten Frauen erst nach
dem Trennungsentschluss bewusst. Im Vertrauen zum Partner oder wegen
der Familienarbeit waren Frauen oft von dem wesentlichen Geschehen, vor
allem der Regelung der Finanzen, abgelenkt.
Zu allen anderen Schwierigkeiten kam oft noch hinzu, dass die Väter damit
drohten, die Kinder weg zu nehmen. Diese Schwierigkeiten potenzieren sich
noch einmal bei einem gewalttätigen Partner. Dramatische Fälle konnten
sich abspielen, wenn häusliche Gewalt gegen Mütter oder sexueller
Missbrauch an Kindern verübt worden ist, denn auch in diesen Fällen
konnte der persönliche Kontakt zu den Vätern bewilligt werden. Bei
Verweigerung der Umgangsregelung mit dem Vater drohte der Mutter die
Anwendung von Zwangsmitteln, die sogar bis zum Sorgerechtsentzug
reichen konnten. Gerade diese Hilflosigkeit, Ohnmachtgefühle und die
Machtlosigkeit der Frauen stellte für mich eine enorme Herausforderung
dar. Solche Situationen verlangten einfühlendes Verständnis und viel
Feingefühl, um den Frauen Sicherheit in ihren Entscheidungen zu geben und
sie möglichst nicht zu vertreiben oder allein zu lassen.

11
Aus Sicht der Frauen gelang die Durchführung einer gerechten Trennung
oder Scheidung selten, auch wenn die Absicht für die einvernehmliche
Trennungen/Scheidung vorhanden war. Männer hingegen waren immer sehr
schnell über ihre Rechte informiert. Besonders gewalttätige Männer wussten
ihre Rechte durch das Sorge- oder Umgangsrecht sehr schnell
durchzusetzen. Gewalttätige Ex-Männer erwiesen sich als besonders
gefährlich. Diese Männer konnten ihre Frauen auch nach einer Trennung
weiterhin bedrohen oder schlagen. Doch bei den Behörden wussten diese
Männer konkret ihren Charme einzusetzen, so dass ihnen die Rolle des
guten Vaters meistens abgenommen werden konnte. Und dabei spielte es
keine Rolle, ob die Mütter ihre Situation glaubwürdig darstellen konnten
und die Kinder ihre Angst vor dem Vater mit ablehnenden Willen äußerten.
Die Väter erhielten dennoch ein Umgangsrecht.
Frauen hingegen standen nach einer Trennung häufig unter Druck, die
rechtlichen Auflagen im Umgangsrecht (Sorgerecht) genauestens zu
befolgen. Bei Verstoß gegen die Umgangsregelung oder bei nicht
Beteiligung an einer gemeinsamen orientierten Lösung der Eltern, drohte
den Frauen der Verlust ihrer Glaubwürdigkeit und somit auch ihrer Rechte.
Sehr häufig berichteten Mütter, dass die Ansichten der beteiligten Instanzen,
wie Anwälte, Jugendamtsmitarbeiter und Gerichte sehr subjektiv und
väterorientiert waren. Es bestanden z.B. die Jugendämter auf die
Beteiligung beider Elternteile an einem Beratungsgespräch, auch wenn dies
auf freiwilliger Basis geschehen sollte. Doch hatten Frauen, die zuvor
Gewalt von ihrem Ex-Partner erfahren haben, ungeheuere Angst, ihrem
gewalttätigen Ex-Partner wieder gegenüber zutreten. Dennoch sind sie
gezwungen worden, sich an gemeinsamen Treffen mit dem Ex-Mann zu
beteiligen. Haben Frauen sich geweigert den Ex-Mann zu treffen, dann
konnte sich dies in einer gerichtlichen Sorge- oder Umgangsrechtsaus-
einandersetzung nachteilig auf die gerichtliche Entscheidung auswirken.
Dementsprechend kam es häufiger vor, dass Frauen bei gemeinsamen
Treffen mit ihren Ex-Männern weiterhin bedroht oder tätig angegriffen
worden sind. Hier haben Frauen wenig oder kaum Schutz vor ihren
gewalttätigen und uneinsichtigen Ex-Männern erfahren, die diese Treffen
zur Machtdemonstration missbrauchten.

12
Die Problembereiche, die den Müttern im Umgangsrecht entstanden sind,
bestehen aus einem komplexen Gefüge. Unterschiedliche wissenschaftliche
Untersuchungen teilen sich in zwei Lager, die einerseits die Benachteilig-
ungen ignorieren und den Väterrechten Vorrang gewähren, sowie sich
andererseits intensiv mit den verheerenden Auswirkungen und Folgen der
Reformierung des Kindschaftsrechts auf Mütter und deren Kinder
beschäftigen. Es erscheint ein Kampf unterschiedlicher Erklärungsmodelle
im Umgangsrecht und Sorgerecht entfacht zu sein, der kein Ende finden will
und die Kinder sehr oft aus den Augen verliert.

13
1
Einleitung
Frauen sind durch das reformierte Umgangsrecht einer ständigen Belastung
im Rechtsstreit ausgesetzt, unter der auch die Kinder leiden. Obwohl das
reformierte Umgangsrecht dem Kindeswohl dienen und das bestmögliche
Ergebnis für das Kind erzielen sollte, werden ungeachtet der Kosten
zunächst die väterlichen Rechte durchgesetzt. Die Vater-Kind-Beziehung
hat eine starke Aufwertung im justiziellen und wissenschaftlichen Diskurs
erfahren.
1.1
Die Reaktion des Gesetzgebers auf die steigenden
Zahlen von Elterntrennungen
2004 sind 395.992 Ehen geschlossen worden, davon sind wiederum 213.691
geschieden worden. Allein 160.585 Kinder waren 2004 von Scheidungen
betroffen, ohne die Kinder aus nicht verheirateten Familien mitzuzählen.
Zwar ermittelt das Statistische Bundesamt Kinder aus nichtehelichen
Gemeinschaften (2.417.000 Millionen) die 2005 bei 682.000 lag, doch
werden die Kinder aus den Trennungsfamilien nicht erfasst. Dabei kann nur
vermutet werden, wie viele Kinder pro Jahr von Trennungen betroffen sind.
1
Die gesellschaftlichen und öffentlich-rechtlichen Veränderungen gingen mit
steigenden Scheidungszahlen, nichtehelichen Lebensgemeinschaften sowie
Alleinerziehenden
und
gleichgeschlechtlichen
Lebensgemeinschaften
einher. Die Scheidungsquoten belegen eindeutig die Veränderungen der
familiären Lebensformen und deren Wertvorstellungen.
Der Gesetzgeber hat erkannt, dass sich die familienrechtlichen Vorschriften
nicht mehr ausschließlich auf die ehelichen Familien beziehen lassen, da
immer mehr Kinder in so genannten pluralisierten Familienformen
aufwachsen. Die stetige Zunahme von Scheidungen und Trennungen hatte
zur Folge, dass immer mehr Ein-Eltern-Familien oder andere Formen des
Zusammenlebens entstanden sind und die Anzahl der Kinder, die nicht in
traditionellen Familienmodellen aufwuchsen, gestiegen sind.
2
Gleichzeitig
1
Vgl
Statistisches Bundesamt Wiesbaden 2006
2
Vgl.
Leyhausen, 2000, S. 47

14
sind Väter, die meistens die Versorgerrolle einnahmen, zunehmend dazu
verpflichtet worden, Unterhalt für ihre Kinder und deren Mütter zu leisten.
Doch mit ansteigenden Unterhaltsverpflichtungen sank die Zahlungsmoral
der Väter, was wiederum den Staat dazu verpflichtete, für diese
Unterhaltslücken aufzukommen. Es stellt sich an dieser Stelle die Frage, ob
der Gesetzgeber durch die Reformen des Kindschaftsrechts diese staatlichen
Belastungen durch verpflichtende Umgangsregelungen der Väter verhindern
wollte? Vielleicht wird angenommen, dass Väter, die persönlichen Kontakt
zu ihren Kindern haben, bereitwilliger Unterhalt zahlen. Fest steht, dass das
Quotenniveau der Elterntrennungen weiterhin stetig steigt und der
Gesetzgeber den Interessen der Kinder gerecht werden muss. Den Eltern
sollte bewusst werden, dass sie für diese Veränderungen der Familien-
systeme verantwortlich sind und sie für ihre Kinder aufkommen müssen, da
es immer mehr Kinder gibt, die der Trennung der Eltern ausgeliefert sind.
An dieser Stelle möchte der Gesetzgeber die Verantwortung abgeben und
die Eltern dazu verpflichten sich um ihre Kinder nach einer Trennung
verantwortungsbewusster zu kümmern. Das würde die fest verankerten
wissenschaftlichen Annahmen in den Gesetzesauffassungen erklären, die
besagen, dass nach einer Trennung ein Kind für eine gesunde Entwicklung
beide Elternteile braucht. In den §§ 1684 und 1626 BGB ist die Notwen-
digkeit der Eltern-Kind-Beziehung nach einer Trennung gesetzlich festlegt.
Für gewöhnlich ist der abwesende und umgangsberechtigte Elternteil der
Vater, d.h. dass der Gesetzgeber von der Notwendigkeit der Vater-Kind-
Bindung nach einer Trennung ausgeht, auch wenn er dies nicht ausdrücklich
formuliert.
Durch die Reformierung des Umgangsrechts ist es nun möglich, den
Umgang des Kindes mit dem Vater gegen den Willen des Kindes oder der
Mutter durchzusetzen. Das hat zur Folge, dass besonders die Mutter, die in
der Regel die Obhut über das Kind hat, für eine weigernde Haltung des
Kindes verantwortlich gemacht werden kann und durch gesetzlich
vollstreckbare Zwangsandrohungen gemäß § 33 FGG in Form von Geld-
strafen oder eines Sorgerechtsentzugs bedroht wird. Väter hingegen haben

15
in den seltensten Fällen Sanktionen zu befürchten, wenn sie den Umgang
ablehnen.
1.2
Grundsatzregelung gilt für Sorge- und Umgangsrecht
Der § 1626 Abs. 3 BGB ist um einen Grundsatz erweitert worden, in dem es
heißt, dass der Umgang mit beiden Elternteilen und anderen engen
Bezugspersonen in der Regel zum Wohl des Kindes gezählt wird. Dieser
Grundsatz gilt sowohl für die elterliche Sorge als auch für das Umgangs-
recht. Hier wird vermutet, dass die Einigkeit der Eltern und die angestrebte
Lösung beider als die für das Kind sinnvollste Variante darstellt.
3
In der
Praxis sieht die Einigkeitsvariante ganz anders aus. So wird von Eltern, die
nur noch streiten und überhaupt nicht mehr mit einander kommunizieren
können, erwartet, dass sie einvernehmlich die gemeinsame Sorge ausüben.
Seit dem KindRG werden in hochstreitigen Sorgerechtsverfahren die Eltern
dazu gezwungen, die gemeinsame elterliche Verantwortung im Sorgerecht
selbst dann zu praktizieren, ,,wenn sie sich nicht einmal mehr grüßen".
4
Die
gemeinsame Sorge hat sich als Regelfall etabliert und Entscheidungen, die
mit der Wahl der gemeinsamen Sorge der Eltern nicht übereinstimmen,
werden dennoch getroffen, in der Hoffnung, dass der Vater auch nach einer
Trennung dem Kind als fürsorgliche und unterhaltzahlende Bezugsperson
erhalten bleibt. Doch dies ist zu bezweifeln, da wissenschaftliche Unter-
suchungen ergeben haben, dass sich bei erzwungener gemeinsamer Sorge
der Streit der Eltern gewöhnlich in gerichtlichen Verfahren auf den Umgang
und Einzelfragen der elterlichen Sorge verlagert.
5
Damit hat die Gesetz-
gebung eine Auslegungsregel nicht nur für streitige Sorgerechtsfälle
sondern auch für streitige Umgangsfälle geschaffen.
6
Das neue Sorgerecht
scheint den Frauen weit weniger Schwierigkeiten zu bereiten als die
Änderungen im Bezug auf das neue Umgangsrecht.
7
Denn ein abwesender
Vater muss kein Sorgerecht haben, um sein Kind zu sehen. Die Gesetz-
gebung hat jedem Vater, egal ob verheiratet oder nicht, nun ein gestärktes
3
Vgl.
Parr, 2005, S. 165
4
Vgl.
Strasser, Cornelia, in: Heiliger/Wischnewski, 2003, S. 221
5
Vgl.
Strasser, Cornelia, in: Heiliger/Wischnewski, 2003, S. 221
6
Vgl.
Parr, 2005, S. 160
7
Vgl.
Richard, 2006. S. 10, in: Frauenhaus Reader, 02.2007, S. 96

16
Umgangsrecht eingeräumt. Das bedeutet, dass trotz eines langen Kampfes
um das Sorgerecht dem anderen Elternteil dennoch ein Umgangsrecht
gemäß § 1684 BGB verbleibt. Ebenso bedeutet dies, dass der Vater
weiterhin Zugriff auf die familiäre Situation der Mutter hat, da er gemäß §
1686 BGB ein Auskunftsrecht über die Lebensverhältnisse des Kindes
besitzt.
8
1.3
Väterrechtliche Orientierungen
In den gegenwärtigen Rechtsprechungen sind Tendenzen zu beobachten, die
Gefahren für das Kindeswohl bergen. Wissenschaft und Forschung
investieren viel, um die umfangreichen Behauptungen über eine gesunde
Entwicklung der Kinder in Bezug auf die Unentbehrlichkeit der Väter,
beweiskräftig darzustellen.
Einige Forschungsgruppen verwenden ihre gesamte wissen-
schaftliche Aufmerksamkeit sowie hohe Forschungsgelder für
die umfangreich publizierten Beweise, dass Väter für eine
gesunde Entwicklung der Kinder nicht nur wichtig, sondern
sogar unersetzlich seien.
9
Die Erziehungsfähigkeit der Mutter und die Mutterrolle insgesamt werden
infrage gestellt, angegriffen und für wissenschaftliche Väterforschungs-
arbeiten verwendet. Faktoren für Fehlentwicklungen und Verhaltensstör-
ungen der Kinder werden darauf zurückgeführt, dass den Kindern die nötige
Vater-Bindung fehlt. Und das, obwohl die Vergangenheit beweisen konnte,
dass z.B. nach dem 2. Weltkrieg eine ganze Generation trotz der Abwesen-
heit der Väter ohne Fehlentwicklungen aufwachsen konnte. Die Wissen-
schaft scheint hier nicht das Ziel der Verbesserung der Vater-Kind-
Beziehung zu verfolgen und die Konkretisierung der Rolle des Vaters
innerhalb der Familie zu betonen, z.B. dadurch dass die Väter zu mehr
Verantwortung und Verlässlichkeit motiviert werden. Sondern es wird der
Eindruck erweckt, dass die publizierten Erkenntnisse dieser väterspe-
zifischen Forschungsarbeiten die Forderungen der Väterrechtler dazu
benutzen, um ,,für ein umfassendes Recht auf das Kind nach einer
8
Vgl.
Salgo, in: Fegert, 1999, S. 52f.
9
Zitat: Ostbomk-Fischer, im Reader, 2006, S. 14

17
missglückten Familienzeit (zu unterstützen), berechtigte Vorwürfe zu
entkräften und Fehlverhalten zu entschuldigen".
10
Ostbomk-Fischer führt
diese Ansicht auf die Untersuchungen der Entwicklungspsychologie zur
Bindungsforschung zurück, die zeitgleich mit der Reform des Kindschafts-
rechts auftrat und die wesentliche Bedeutung des Vaters hervorhebt.
Auffallend ist, dass die Ergebnisse der Forschungen mit den Forderungen
militanter Väterorganisationen übereinstimmen, die sich bereits vor der
Reformierung massiv organisiert haben. Unterstützung fanden diese
Väterorganisationen von psychologischen Gutachtern, Juristen, einigen
Vertretern aus der Sozialwissenschaft und bei Männerrechtlern. Besonders
kritisch zu sehen sind die Aussagen der Sozialwissenschaftler, die eine
Idealisierung der Väter darstellen. So z.B. Fthenakis, ein bekannter Sozial-
wissenschaftler, der bereits seit den 80er Jahren Väterforschung betreibt und
die Annahme vertritt, dass Väter für die kindliche Entwicklung unent-
behrlich sind. Vertreter dieser Annahmen sind dafür verantwortlich, dass
Väter schon jetzt mehr Rechte erhalten haben. Doch sollte nicht vergessen
werden, dass diese Meinungen und die Durchsetzung der Rechte der Väter
auch auf Personen Einfluss haben, die in Väterorganisationen unentdeckt
ihren Neigungen nachgehen können, w.z.B. die pädophile Szene.
11
1.4
Problemstellung der Mütter
Immer noch sind es Frauen, die nach einer Trennung/Scheidung die
Verantwortung für ihre Kinder tragen. Sie möchten ihre Kinder beschützen,
müssen sich aber zugleich mit rechtlichen Bestimmungen auseinandersetzen
und möglicherweise auch noch befürchten, dass der Ex-Partner nicht dazu
bereit ist, finanzielle Unterstützung gegenüber der Familie zu leisten.
Ebenso müssen sie befürchten, dass sie das Sorgerecht verlieren oder ein
Umgangsrecht nicht abwenden können, auch wenn sie vom Partner jahre-
lang geschlagen wurden. Die Reformierung des Umgangsrechts hat bewirkt,
dass alle Väter egal ob verheiratet oder nicht ein durchsetzbares Umgangs-
recht erhalten haben. Weiterhin sind die Väterrechte insoweit gestärkt
10
Zitat: Ostbomk-Fischer, im Reader, 2006, S. 14f.
11
Vgl. Ostbomk-Fischer, im Reader, 2006, S. 14ff.

18
worden, dass sie unabhängig von dem Sorgerecht einen Rechtsstreit allein
durch das Umgangsrecht initiieren können. Erhält ein Vater kein Sorgerecht,
dann kann er immer noch durch das Umgangsrecht an das Kind herantreten.
Väter behaupten, dass sie sich um ihre Kinder kümmern wollen, Gerichte
behaupten, dass Väter für die kindliche Entwicklung sehr wichtig sind, die
Gesetzgebung meint, dass nach einer Trennung die Beziehung zu beiden
Elternteilen bestehen bleiben muss und Kinder erhalten eigene Rechte.
Doch was ist mit den Müttern?
Bisher gibt es keine Statistiken, die belegen, dass Väter sich mehr an der
Familienarbeit sprich Haushalt und Kinderbetreuung beteiligen. Dennoch
wird in der Bevölkerung ein anderes Bild der Väter verbreitet und die
Forderungen beziehen sich auf die Rechte der Väter am Kind. Dies
entspricht nicht der Realität, im Gegenteil, die meisten Väter übernehmen
nach einer Trennung kaum Verantwortung für die Kinder, da sie eher dazu
neigen, ihre eigenen Ziele nach einer Trennung zu verfolgen. Nicht selten
ergreifen sie die Flucht und sind unauffindbar oder mittellos.
Insbesondere nach einer Trennung bzw. Scheidung laufen Frauen Gefahr zu
verarmen. Ihnen wird auferlegt, dass sie nach einer Trennung und Scheid-
ung schnellstmöglich für ihren Unterhalt zu sorgen haben, obwohl sie sich
um die Erziehung der Kinder kümmern müssen.
Einige Änderungen im Umgangsrecht sind zweifelhaft und zeigen deutlich,
dass Männer wieder mehr Macht und Kontrolle erhalten. Schon zu Beginn
des BGB's hatte die Frau eine schwache Rechtsposition und ihr wurde der
gesetzlich festgelegte Zuständigkeitsbereich für die Familien-, Hausarbeit
und Kindererziehung zugewiesen. Es stellt sich hier die Frage, wo die
ganzen Reformierungen im Familienrecht noch hinführen sollen?
1.5
Inhalt und Struktur
In Kapitel zwei soll auf der Grundlage der Rechtsentwicklung der Frauen im
BGB und der Verwirklichung gleicher Rechten, die immer noch bestehende
Problematik der geschlechtsspezifischen Rechtssituation der Frauen ver-
deutlicht werden. Gegenwärtig bestehen im politischen Gleichstellungs-
diskurs immer noch geschlechtsspezifische Diskriminierungen, die zeigen,

19
dass die rechtsspezifische Situation der Frauen immer noch nicht gefestigt
ist und der Diskurs noch lange nicht beendet ist. Es gibt sogar bereits
rückschrittliche Tendenzen, die sich aus den Reformierungen des Kind-
schaftsrechts ergeben. Anhand der Polarisierungen zwischen Frauen, Recht
und traditioneller Strukturen sollen diese Anomalien der Geschlechterver-
hältnisse in der Rechtsgeschichte untersucht und dargestellt werden.
Kapitel drei geht auf die theoretischen Grundlagen des Umgangsrechts ein,
die die Basis in umgangsrechtlichen Auseinandersetzungen darstellen.
Kapitel vier soll anhand der Reformierungen im Umgangs- und Sorgerecht,
die veränderte Rechtsposition der Mütter verdeutlichen, um in Kapitel fünf
die einzelnen Problembereiche, die sich aus den Reformierungen ergeben,
zu verdeutlichen. Im Schlussteil werden die spezifischen Problembereiche
in einer zusammengefassten Darstellung kritisch betrachtet.
1.6
Ziel der Arbeit
Fester Bezugspunkt dieser Arbeit war immer die Sichtweise der Frauen im
Umgangsrecht, die aus der feministischen Perspektive die derzeitigen un-
fassbaren Ungerechtigkeiten im Umgangsrecht aufdecken sollen.
Ziel der Arbeit ist es anhand der Rechtsentwicklung der Frauen in
Verbindung mit den Reformierungen im Umgangsrechts die Veränderungen
und deren Auswirkungen auf die Frauen darzustellen, die verdeckt durch
alle Ebenen des Familienrechts verlaufen und die Frauen offensichtlich
benachteiligen sollen.

20
2
Frauen in der Rechtsentwicklung des BGB bis zur
Kindschaftsrechtsreform
Die Frauen unserer Zeit leben in einem Spannungsfeld zwischen
,,Modernisierung" der Frauenrolle und Stabilisierung der ,,Geschlechter-
hierarchie". Zum einen bedeutet dies, dass Frauen in den letzten hundert
Jahren Gleichberechtigung und Angleichung der Lebenswelten erfahren
haben, und zum anderen, dass konservative Mannhaftigkeiten patriarchaler
Strukturen weiterhin standhalten und diese sogar rückwirkende Forderungen
stellen.
12
Die bereits erreichte Gleichberechtigung der Frauen scheint nicht
vollkommen gefestigt zu sein, und erfährt derzeit eine unterschwellige
Eliminierung bereits erbrachter Gleichstellungspositionen.
13
Besonders
hervorzuheben sind unauffällige und subtile Rechtsreformierungen, die sich
auf familiäre Verhältnisse auswirken und Frauen in ihrer Mutterrolle
benachteiligen, so dass sie gezwungen sind, in traditionellen Rollenmustern
zu verweilen. D.h. Gleichberechtigungsgesetze und Gleichstellungsver-
hältnisse zwischen Mann und Frau sind zwar formal formuliert, werden aber
in der Praxis nicht immer in dieser Weise angewendet, da das deutsche
Familienecht nicht wenige unbestimmte Rechtsbegriffe aufweist, die in
ihren Auslegungen recht flexibel verwendbar sind, w.z.B. das Kindeswohl,
das als Maßstab richterlicher Entscheidungen im familiären Rechtsstreit gilt.
Ebenso deutlich lassen novellierte Gesetzgebungen vermuten, w.z.B. das
Sorge- und Umgangsrecht, sowie das Unterhalts-recht oder die Kinder-
betreuung, dass es Ehefrauen schwerer fallen soll, sich vom Ehemann zu
trennen. Es werden Hürden in den Weg gestellt, die die Ehefrau von einer
Scheidung abhalten soll und sie in die Hausfrauenrolle zurückdrängt. Die
Rechte der Väter und Ehemänner werden durch Reformierungen im
Familienrecht wieder gestärkt und Frauen werden dadurch benachteiligt.
Doch wo bleiben die feministischen Proteste? Der Fachöffentlichkeit ist
12
Vgl. Becker, Maren, Lebenssituation von Frauen heute, 2001, S. 1
13
Vgl. Baer, Susanne, Rezension, 2000, Online unter: http://www.querelles-
net.de/2000-1/baer.html 17.09.2007

21
offensichtlich nicht bekannt, welche Entwicklung in Deutschland gerade
durch die Väterlobbyisten vorangetrieben wird.
Im Folgenden soll diese Thematik aus Sicht der Frauen untersucht und
anhand der Entwicklung der Frauenrechte in der Rechtsentwicklung des
BGB verdeutlicht werden, wo wir Frauen heute stehen und wohin die
derzeitige Entwicklung in Deutschland führt.
2.1
Frauen während der Entstehungszeit des BGB
14
Das Bürgerliche Gesetzbuch (BGB) ist am 01.01.1900 in Kraft getreten und
enthielt im 4. Buch des BGB das Familienrecht. Das BGB baut auf dem
Privatrecht, das die Beziehungen der Menschen untereinander regeln soll.
Speziell die Beziehungen zwischen Mann und Frau, sowie zwischen Eltern
und Kindern innerhalb einer Familie sollen geregelt werden. Es ist ein Werk
der Väter und Großväter des 19. Jahrhunderts.
15
2.1.1
Stellung der Frau in der Ehe
Nach der Französischen Revolution forderten die männlichen Bürger die
Festigung der Stellung der Frau im Haushalt, um den Mann zu unterstützen
und zu versorgen, indem sie sich dem Manne unterordneten. Die Aufgaben
der Frauen umfassten die Fernhaltung von unwichtigen alltäglichen
Angelegenheiten, um dem Mann den Rücken freizuhalten, damit er sich in
der Öffentlichkeit auf die Wahrnehmung seiner Rechte konzentrieren
konnte. Aus diesem Verlangen der Männer entwickelte sich eine Familien-
ideologie, ,,die die strikte Rollenteilung zwischen Frauen und Männern zum
Inhalt hatte..." So war der Mann für Öffentlichkeit und materielle Ver-
sorgung zuständig und die Frau als Untergebene, für Familie, Haushalt und
Kinder.
16
Der Mann sorgte für Recht, Zucht und Ordnung innerhalb der
Familie und repräsentierte die Familie als Oberhaupt nach außen, dabei
hatte er die alleinige ,,Entscheidungsgewalt". Der § 1354 Abs. 1 BGB aF
lautet folgend: ,,Dem Manne steht die Entscheidung in allen das
14
Anhang 1 Chronologischer Überblick: Geschichte der Gleichstellung der Frau
15
Vgl. Frauen und Recht, Reader, 2003, S. 30
16
Vgl. Wiegmann, Barbelies, im Reader: Frauen und Recht, 2003, S. 30

22
gemeinschaftliche Eheleben betreffenden Angelegenheiten zu; er bestimmt
insbesondere Wohnort und Wohnung".
17
An der Entstehung des BGB waren
ausschließlich Männer beteiligt und dementsprechend fielen die Gesetze
zum Vorteil des männlichen Geschlechts aus. Damals war eine Frau an der
Spitze der Regierung undenkbar: ,,Stehen Frauen an der Spitze der
Regierung, so ist der Staat in Gefahr, denn sie handeln nicht nach den
Anforderungen der Allgemeinheit, sondern nach zufälliger Neigung und
Meinung."
18
Die Unterordnung der Ehefrau war im BGB in den §§§ 1355,
1356, 1358 BGB festgeschrieben, und verpflichtete die Ehefrau den
Haushalt zu leiten, die Familienarbeit und die Kinderbetreuung zu
übernehmen. Ebenso konnte der Ehemann über die Erwerbstätigkeit, den
Wohnort und die Vermögens-, Arbeits- und Rechtsverhältnisse der Frau
verfügen. Die Verfügung über die Vermögensverhältnisse der Ehefrau
beinhaltete, dass der Ehemann das gesamte Vermögen - auch wenn es nicht
sein Vermögen war - verwalten und nutzen konnte wie es ihm passte. Im §
1363 BGB aF heißt es: ,,Das Vermögen der Frau wird durch die
Eheschließung der Verwaltung und Nutznießung des Mannes unter-
worfen".
19
All diese Ungerechtigkeiten und Ungleichheiten der Geschlechter und der
Elternschaft verstärkten den Protest der Frauen im letzten Jahrhundert. Der
hervorgerufene Kampf der Frauenbewegung forderte die Rechtsgleichheit
von Mann und Frau im Familienrecht und die ersatzlose Streichung von
Benachteiligungen der Frauen.
20
2.1.2
Elterliche Gewalt
Der Mann hatte das alleinige Entscheidungsrecht in allen familiären
Angelegenheiten, auch wenn in der Urfassung des § 1627 BGB von der
,,elterlichen" und nicht von der ,,väterlichen" Gewalt die Rede ist. Es
erschien zwar so, als ob den Müttern ebenso die elterliche Gewalt zustand,
17
Zitat: Wiegemann, im Reader: Frauen und Recht, 2003, S. 31
18
Ebd.
19
Ebd.
20
Vgl. Limbach, im Reader: Frauen und Recht, 2003, S. 43f.

23
doch diese Bedeutung der mütterlichen Gewalt war der väterlichen Gewalt
untergeordnet.
§ 1627 BGB: "Der Vater hat kraft der elterlichen Gewalt das
Recht und die Pflicht, für die Person und das Vermögen des
Kindes zu sorgen"; weiter in § 1631 Absatz 2 BGB: "Der Vater
kann kraft des Erziehungsrechtes angemessene Zuchtmittel
gegen das Kind anwenden. Auf seinen Antrag hat das
Vormundschaftsgericht ihn durch Anwendung geeigneter
Zuchtmittel zu unterstützen".
21
Der Frau und Mutter galt als vorrangige Aufgabe, für die gemeinsamen
Kinder zu sorgen (§ 1634 BGB aF). Der Vater erhielt das alleinige Bestim-
mungsrecht in erzieherischen Fragen, insbesondere wenn Meinungsver-
schiedenheiten zwischen den Eltern bestanden, dann war die Meinung des
Vaters ausschlaggebend. Der § 1634 BGB in der Urfassung besagte, dass
bei Meinungsverschiedenheiten der Vater das letzte Wort erhält und die
ausschlaggebende Entscheidung fällen darf (Stichentscheid).
22
Die Ent-
stehung des BGB ließ Frauen vollkommen außer Acht und legte für die
Ehemänner das alleinige Vorrecht in der Ehe und in der Kindererziehung
fest.
23
Die Mutter nahm lediglich eine Nebenrolle ein und hatte nur dann die
elterliche Gewalt, wenn der Vater zustimmte, verhindert (vorübergehend
z.B. durch Krankheit) oder umgekommen war.
24
Sie war in ihren Rechten
durch die Entscheidungsgewalt des Vaters eingeschränkt, obwohl ihr die
prinzipiellen Mutterrechte und -pflichten anerkannt wurden. Ihr stand die
Personensorge zu, die sie dazu berechtigte, das Kind zu umsorgen, zu
betreuen und zu erziehen. Aber es fehlten ihr die Rechte der Vertretung des
Kindes, der Vermögensverwaltung und ­nutznießung und der Einwilligung
zur Eheschließung eines unmündigen Kindes.
25
Der Mutter war es nicht
gestattet, in wichtigen Angelegenheiten w.z.B. über den Schulbesuch oder
die Berufswahl mitzuentscheiden.
21
Zitat: Deinert, Horst, Die Entwicklung des Kindschaftsrecht unter Einbeziehung
sozialpolitischer Aspekte, Kapitel 1.3, 1998
22
Vgl. Limbach, im Reader: Frauen und Recht 2003, S. 45f.
23
Vgl.: Kohler-Gehrig, Die Geschichte der Frau im Recht, 2003, S. 53
24
Vgl. Limbach, im Reader: Frauen und Recht 2003, S. 45f.
25
Vgl. Meder, Stephan: Forschung, Quellentexte zur rechtlichen Stellung der Frau um
1900, Elterliche Gewalt, Online vom 17.09.2007

24
2.1.3
Scheidung
Bereits während der Ehe waren die Rechte der Frauen recht unbedeutend
und nur besondere Umstände, wie der Tod des Mannes oder ein Verbrechen
des Mannes an dem Kind, begünstigten die Ehefrau in der elterlichen
Gewalt. Zudem ergaben sich in der Folge einer Scheidung zusätzliche
Schwierigkeiten für Mütter und deren Kinder hinsichtlich der elterlichen
Gewalt. War es nach einer Scheidung gleichgültig, ob der Vater schuld war
oder nicht, er hat die elterliche Gewalt weiterhin behalten. Dabei fiel nicht
ins Gewicht, dass die schuldlos geschiedene Mutter das Erziehungsrecht
und das Recht mit den Kindern zusammen zu leben behielt. Dem Vater
blieb das Bestimmungsrecht über die Kinder, das z.B. das Einwilligungs-
recht zur Eheschließung, das Nutznießungsrecht am Vermögen der Kinder
beinhaltete. Nicht nur die elterliche Gewalt erwies sich als ein Problem nach
einer Scheidung, sondern auch die finanzielle familiäre Versorgung im
Zusammenhang mit den Unterhaltsregelungen im BGB. Die Entscheidung
einer Frau, sich vom Ehemann zu trennen, war besonders problematisch, da
sich die Schwierigkeiten nach einer Scheidung vervielfältigten. Dies sind
Gründe dafür, dass die Ehefrauen von dem Recht, auf Scheidung Gebrauch
zu machen, abhielten und sie zwangen, in einer zerrütten Ehe zu ver-
weilen.
26
Patriarchale Einschränkungen, die Frauen nicht nur an die Ehe
banden, sondern auch eine Scheidung seitens der Frau unmöglich
erschienen ließen, weil die Folgen beängstigend und einschüchternd
wirkten.
27
,,Relative" und ,,absolute" Scheidungsgründe
Eine Scheidung der Ehe erforderte gewichtige Gründe, die sich in ,,relative"
und ,,absolute" Gründe gesetzlich einteilen ließen. Den absoluten
Scheidungsgründen unterlagen Ehebruch (§ 1565 BGB aF), böswillige
Verlassung (§ 1567BGB aF), Geisteskrankheit (§ 1569 BGB aF) und
Lebensnachstellung (§ 1566 BGB aF). Lagen tatsächliche absolute
26
Ebd.
27
Ebd.

25
Scheidungsgründe vor, dann musste der Richter der Scheidung stattgeben.
Lagen nur relative Scheidungsgründe (§ 1568 BGB) wie
Mißhandlung, Drohungen, Unverträglichkeit und Zanksucht des
einen Theils, die sich in vorsätzlichen, das Leben oder die
Gesundheit des anderen Theils gefährdenden Handlungen
äußern, absichtliche Entziehung des Unterhalts, sowie hart-
näckige Verweigerung der ehelichen Pflicht
28
§ 1568 BGB: Ein Ehegatte kann auf Scheidung klagen, wenn der
andere Ehegatte durch schwere Verletzung der durch die Ehe
begründeten Pflichten oder durch ehrloses oder unsittliches
Verhalten eine so tiefe Zerrüttung des ehelichen Verhältnisses
verschuldet hat, daß dem Ehegatten die Fortsetzung der Ehe
nicht zugemutet werden kann. Als schwere Verletzung der
Pflichten gilt insbesondere grobe Mißhandlung.
29
Der Richter konnte abwägen ob im konkreten Fall eine so tiefgründige
Zerrüttung des ehelichen Verhältnisses in der Weise bestand, dass dem
klagenden Teil eine Fortführung der Ehe nicht zu zumuten war, oder ob die
Ehe weiter geführt werden konnte. Maßgeblich für die richterliche Ent-
scheidung war das Verschuldensprinzip. Die richterliche Entscheidung
konnte über Scheidung, Trennung auf Zeit aber auch den Fortbestand der
Ehe entscheiden.
30
Die Scheidung anhand dieser Gründe seitens der Frau
war schwerlich durchzusetzen, insbesondere wenn es sich um relative
Scheidungsgründe handelte, die schwer zu beweisen waren. Frauen, die in
der Stellung des Rechts, dem Manne untergeordnet waren und sich diesem
auch noch widersetzten, wer sollte dieser Frau vor Gericht glauben
schenken, insbesondere wenn die Scheidungsgründe von einem männlichen
Richter beurteilt werden sollten. Nur mit absoluten und erkennbaren
Beweisen, die eine Trennung begründeten konnte eine Ehe letztlich geschie-
den werden. Dem Staat kam dies zugute, da Scheidungen gesellschaftlich
nicht gefördert werden sollten. Die Ehe sollte als eine auf Lebenszeit
angelegte sittliche Gemeinschaft fixiert werden. Das Interesse des Staates an
der Institution Ehe bestand in der Gewährleistung der Kindererziehung und
am Erhalt des öffentlichen Wohlstandes. Der Staat hätte die daraus
folgenden ökonomischen Probleme einer Scheidung verantworten müssen.
28
Zitat: Meder, Stephan, Online vom 17.09.2007
29
Ebd.
30
Ebd.

26
Er wollte mit der Erschwerung der Scheidung, dem Umstand entfliehen,
gegebenenfalls bei einer Scheidung der Ehe, für den Unterhalt der Frauen
und Kinder aufkommen zu müssen.
31
2.1.4
Kinder
Erst seit 100 Jahren wird Frauen ein Sorgerecht für ihre Kinder gewährt. Bis
zum Beginn des 20. Jahrhunderts ist das Sorgerecht automatisch dem Vater
oder seiner Familie zugesprochen worden. Er konnte mit seinem Recht
umgehen, wie es ihm passte und die Verantwortung an eine beliebige Frau,
wie z.B. der neuen Ehefrau oder der Großmutter übertragen und die Kinder
im Stich lassen.
32
Doch nicht nur die Mutter war rechtlich benachteiligt auch hatten Kinder
kaum Rechte, bis sie die Volljährigkeit erlangten. Dabei sind geschlechts-
spezifische Unterschiede in der Vormundschaft zu berücksichtigen, denn
eine Tochter war dem Vater solange untergeordnet, bis der Vater einen
passenden Ehemann aussuchte oder den Heiratsambitionen der Tochter
zustimmte. Falls die Mutter vorzeitig verstarb, konnte der Vater bestimmen,
dass die Tochter die Haushaltsführung zu übernehmen hatte. Eine Heirat
bedeutete für Frauen gewöhnlich eine nächste Etappe der Unterordnung.
Die Söhne mussten den Berufswünschen des Vaters folgen und hatten
ebenso zu gehorchen, bis sie wegen der Ausbildungswünsche des Vaters,
das Haus verließen oder heirateten.
33
2.1.5
Recht auf persönlichen Verkehr
Vor dem Inkrafttreten des BGB galt das ,,Zutrittsrecht", wonach Eltern, die
von der Erziehung ihrer Kinder ausgeschlossen waren, der Zutritt zu den
Kindern nicht völlig verwehrt werden sollte. Dies regelte das allgemeine
Landrecht für die Preußischen Staaten (ALR) von 1794 im zweiten Titel in
§ 101, und diese Vorschrift unterlag richterlichem Ermessen. Der Richter
konnte über Dauer, Termine und Aufsicht der Besuche entscheiden. Die
31
Ebd
32
Vgl. Arte, Gemeinsames elterliches Sorgerecht ­ Im Namen der Frauen?, S. 1, Online
vom 23.08.2007
33
Vgl. Plett, in: Recht und Geschlecht, 2004, S. 114f.

27
Gesetze galten jedoch nur für eheliche Kinder, die nach einer Scheidung bei
dem an der Scheidung unschuldigen Elternteil lebten.
34
Vor dem Inkrafttreten des BGB, wurde dem ausgeschlossenen Elternteil der
Umgang mit dem Kind gewährt, dennoch war von einer ,,Befugnis" oder
einem ,,Recht" noch nicht die Rede. Mit dem Inkrafttreten des BGB ist der
§ 1636 BGB aF eingeführt worden, der dem nichtsorgeberechtigten Eltern-
teil nach einer Scheidung gemäß § 1635 BGB aF die Befugnis zum Umgang
vorbehaltlos gewährte.
35
Demnach hatte nur der ehemals verheiratete Eltern-
teil einen Rechtsanspruch auf Umgang. In anderen Fällen wie bei uneheli-
chen Kindern erkannte die Rechtsprechung des nichtsorgeberechtigten
Elternteils den Anspruch auf Umgang nicht an. Diese hatte der sorge-
berechtigte Elternteil im Ermessen des Kindeswohls allein zu entscheiden.
36
2.1.6
Nichtverheiratete Mütter
Die allgemeinen Ehebestimmungen im BGB waren Ausdruck einer
Benachteiligung aller Ehefrauen. Während die unverheirateten Frauen für
gewöhnlich selbst über ihr Leben bestimmen konnten. Unverheiratete
Frauen erschienen im Vergleich zu den Ehefrauen viel freier und selbst-
ändiger zu sein, da sie nicht der Vormundschaft des Mannes unterstellt
waren. Männer bewerteten diesen Zustand der Frauen ganz anders und so
äußerte Jellinek in Bezug auf das BGB.
37
Die Beziehungen der ehelosen Individuen sind grundsätzlich
ohne Ansehen des Geschlechts geregelt. Die Ehefrau dagegen ist
dem Manne wesentlich untergeordnet.
38
Die Mutter behielt für ihr uneheliches Kind die alleinige elterliche Gewalt.
Der Vater hatte keine Möglichkeit, die elterliche Gewalt zu erwerben, wenn
er nicht die Mutter heiratete oder eine Ehelichkeitserklärung abgab.
39
Bis
zur Einführung des Nichtehelichengesetzes von 1969, hatte der nicht-
34
Vgl. Schulze, 2001, S. 29
35
Vgl. Schulze, 2001, S. 173f
36
Vgl. Schulze, 2001, S. 97
37
Vgl. Meder, Stephan, Online vom 17.09.2007
38
Zitat: Jellinek, in: Die Stellung der Frau im Recht der Kulturstaaten, 1912, S. 20; Meder,
Stephan, Online vom 17.09.2007
39
Vgl. Deinert, Horst, Die Entwicklung des Kindschaftsrecht unter Einbeziehung
sozialpolitischer Aspekte, Kapitel 1.3, 1998, Online vom 04.10.2007

28
verheiratete Vater kein Recht auf Umgang mit seinem Kind. Lediglich mit
der Zustimmung der Mutter konnte er die Befugnis auf den persönlichen
Verkehr mit dem Kind erhalten.
40
2.2
Die ,,alte" Frauenbewegung vor dem 2. Weltkrieg
Der Kampf gegen die Vorherrschaft des Mannes, die im BGB festge-
schrieben worden ist, fand bereits vor dem Erscheinen des BGB statt.
Frauenvereinigungen forderten bereits im 19. Jahrhundert Rechtsgleichheit,
aber es fehlte an weiblichen Rechtswissenschaftlerinnen, die die kompli-
zierte Rechtssprache der Männer hätten verstehen können. Frauen sind erst
1908 an juristischen Fakultäten in Deutschland zugelassen worden. Ebenso
war es Frauen verwehrt, an politischen Handlungen teilzunehmen. Sie
waren weder im Bundesrat noch im Reichstag vertreten. Ihnen blieb nur der
Weg der Einreichung von Petitionen und die Teilnahme an der außerpar-
lamentarischen Opposition.
41
Bereits 1877 reichte der ,Allgemein Deutsche
Frauenverein' die erste Petition gegen die Entwürfe des Bürgerlichen
Gesetzbuches ein. Doch blieben auch weitere Petitionen weitgehend
unbeachtet. Die Frauen verstärkten ihren Einsatz und studierten die schwer
verständliche Sprache der Gesetze, um sie aus ihrer Position kritisieren zu
können. Frauenvereine versuchten ihre Kritik in die Öffentlichkeit zu
tragen, um aufzuklären und Anhänger/Anhängerinnen zu gewinnen. Vor der
Gesetzgebung konnten die Forderungen der Frauen, trotz Unterstützung von
männlichen Beratern und einigen Sozialdemokraten, kein Gehör finden. Die
patriarchalen Prinzipien des Entwurfs sind unberührt geblieben.
42
Die breite
der Masse im Reichstag waren an dem Thema der Gleichberechtigung der
Frau überhaupt nicht interessiert, da sie die Auffassung vertraten, ,,die
Institution der Ehe als sittliche Einheit vertrage sich nicht mit der
Selbständigkeit der Frau".
43
2.3
Frauen in der Weimarer Republik
40
Vgl. Schulze, 2001, S. 176
41
Vgl. Limbach, im Reader: Frauen und Recht 2003, S. 44
42
Vgl. Limbach, im Reader: Frauen und Recht 2003, S. 44f.
43
Zitat: Hohmann-Dennhardt, Gleichberechtigung im Familienrecht, 2005, S. 4

29
Die Weimarer Reichsverfassung gestand den Frauen zwar gleiche
staatsbürgerliche Rechte zu und forderte die gleichberechtigte Stellung der
Frau in der Ehe, das änderte aber nichts an den Vorrechten der männlichen
Vertreter eines patriarchalen Systems und gleichermaßen auch nichts am
Familienrecht.
44
Diese Regelungen betrafen keine unmittelbar geltende
Rechtsnorm und gehörten zu den nicht justiziablen Programmsätzen, so dass
die weitere gültige Fassung des BGB mit seinen geschlechtsvormund-
schaftlichen Regelungen beibehalten worden ist.
45
Deutsche Richter und
Anwälte warnten aus Furcht vor weiblicher Konkurrenz mit dem Argument,
dass
übermäßige Gehirntätigkeit Frauen nicht nur verkehrt, sondern
auch krank mache. Solle das Weib das sein, wozu es die Natur
bestimmt habe, dürfe es nicht mit dem Manne wetteifern. Die
modernen Närrinnen, die dies erstrebten, seien schlechte
Gebärerinnen und schlechte Mütter.
46
Frauen blieben an die familienrechtlichen Fesseln gebunden, wie es Hoh-
mann-Dennhardt nennt, die sie an Haushalt und Entscheidungen des
Mannes banden.
47
Nach dem ersten Weltkrieg erlangten Frauen im Januar 1918 das Wahlrecht.
Sie konnten zum ersten Mal in Deutschland wählen oder gewählt werden.
1920 zogen Frauen in den Deutschen Reichstag der Weimarer Republik (37
Frauen = 8 %). Diese Frauen sorgten dafür, dass soziale Probleme öffentlich
diskutiert werden konnten. 1919 gestand die Weimarer Reichsverfassung
Frauen und Männern die gleichen staatsbürgerlichen Rechte und Pflichten
zu. In der Praxis waren Frauen dennoch weit von den formal gefestigten
Gesetzestexten entfernt, da das BGB die Unterordnung der Frau vor-
schrieb.
48
2.4
Frauen im Nationalsozialismus
44
Vgl. Hohmann-Dennhardt, Gleichberechtigung im Familienrecht, 2005, S. 4f.
45
Vgl. Schweikert, /Schirrmacher, 12/2001, S. 4.
46
Zitat: Hohmann-Dennhardt, Gleichberechtigung im Familienrecht, 2005, S. 4.
47
Vgl. Hohmann-Dennhardt, Gleichberechtigung im Familienrecht, 2005, S. 4f.
48
Vgl. Notz, Gisela, Streifzug durch die Geschichte der Frauenbewegung ­ wo stehen wir
heute?, S. 2f.

30
Nach den gesetzlich formalen Errungenschaften der ,,alten" Frauen-
bewegung in der Weimarer Republik, die im BGB leider nicht konkretisiert
worden sind, sind Frauen in ihrer emanzipatorischen Entwicklung im
Nationalsozialismus wieder zurückgeworfen worden. Die ,,neue Familie" ist
von nationalsozialistischen Vertretern propagiert worden, die als die
,,Keimzelle des Volkes" galt.
49
Das nationalsozialistische System ließ eman-
zipatorische Absichten der Frauen durch völkisches Gedankengut verdrän-
gen. Die Ehe diente der Volkserhaltung und ­vermehrung. Der Zweck
dieser staatlich kontrollierten Institution war die Reproduzierung der
(arischen) Gene, mit der vom Staat vorgegeben Erziehung der Nachkommen
im Sinne des Nationalsozialismus.
50
Um Eheschließungen attraktiver zu
gestalten, sind Eheförderungsprogramme eingeführt worden, wie das Ehe-
standsdarlehen, Freibeträge bei Einkommens- und Erbschaftssteuer, Kinder-
beihilfen und Finanzierungshilfen, die nach gründlicher medizinischer
Prüfung (frei von Erbkrankheiten, Zeugungsfähigkeit, Empfängnisfähigkeit)
der Ehepaare, grundsätzlich den Ehemännern gewährt worden sind. Mutter
sein, ist belohnt worden, je nach Anzahl der Geburten innerhalb der Familie,
z.B. bei mehr als vier Kindern erhielten sie das Ehrenkreuz, ab sieben
Kindern erhielten sie eine Sonderehrung. Abtreibungen und Verhütungs-
mittel waren strickt verboten.
Den Müttern gebührte die Anerkennung, den Vätern der Lohn.
Der Mutterkult des Nationalsozialismus war auf der finanziellen
Seite ein Vaterkult. Heirats- und Geburtenziffern stiegen
zwischen 1934 und 1939 von 14, 7 auf 19 pro Tausend und
fielen im Zweiten Weltkrieg wieder ab.
51
Ab 1933 versuchte der deutsche Nationalsozialismus ein Frauenbild zu
schaffen, das dem Ideal einer traditionellen Familie entsprechen sollte.
Aufgrund der politischen, sowie wirtschaftlichen und finanziellen Situation
der Bevölkerung, erreichte diese Ideologie nur die gehobenen Schichten.
(Verheiratete) Frauen sollten aus dem Arbeitsmarkt, der Wirtschaft und
Verwaltung verdrängt werden, das galt insbesondere für Frauen in höheren
(Verwaltung-) Positionen. 1936, vierzehn Jahre nachdem Frauen es erreicht
49
Vgl. Kohler-Gehrig, Online-Dokumente BGB, 08/2003, S. 28, Online vom 17.09.2007
50
Vgl. Schweikert/Schirrmacher, 12/2001, S. 4. S. 4f.
51
Zitat: Kohler-Gehrig, Die Geschichte der Frau im Recht, 2003, S. 28

31
hatten, Ämter der Rechtspflege zu besetzen, sind alle Frauen besonders
verheiratete, aus den akademisch wichtigen Bereichen entweder entlassen
oder benachteiligt eingeschränkt worden. Mit der Heirat sind Frauen von
ihren beruflichen Absichten entbunden worden, um ihren ehelichen und
staatlichen Pflichten nachzukommen. Erst mit steigendem Bedarf an
Arbeitskräften erkannte das nationalsozialistische Regime 1936, dass
weibliche Arbeitskräfte von Vorteil waren. So musste der Mutterkult hinter
wirtschaftliche und militärische Interessen zurückgestellt werden.
Immer mehr Frauen gingen einer Erwerbsarbeit nach. Wie in
anderen Industriestaaten auch, wurden die Frauen jedoch auf
schlechter qualifizierte und bezahlte Stellen verdrängt und
häufig auf reine weibliche Tätigkeiten.
52
1937 ist das Ehestandsdarlehen auf Landarbeiterinnen und Hausangestellte
ausgedehnt worden und die Bedingungen für das Heiratsdarlehen sind
umgekehrt worden. So konnte ein Ehepaar dieses Darlehen nur dann
beanspruchen, wenn die Frau versprach, nach der Heirat weiterhin einer
Erwerbsarbeit nachzugehen. Die Aufrüstung für den Krieg kannte keine
geschlechtsspezifischen Unterschiede und brauchte dringend alle zur Verfü-
gung stehenden Arbeitskräfte.
53
Zunächst galt 1933 die Absicht der staatlichen Intervention in Familien-
angelegenheiten, um den Mutterkult zu propagieren, damit Frauen sich
ausschließlich des Gebärens und der Erziehung widmeten. Doch mit den
kriegerischen Absichten wandelte sich das Bild der Ehefrau als Gebär-
maschine zur staatlich geförderten mitverdienenden Ehefrau, die aus Vater-
landsliebe die Doppelbelastung der Mutterschaft/Haushalt/Ehefrau und
Erwerbstätigkeit auf sich nahm. 1943 sind Frauen zwischen 17 und 45 (50)
Jahren zur Arbeit verpflichtet worden.
54
Während dieser Zeit hatte die
Frauenbewegung keine Chance gleichberechtigte formale Gesetzesausfüh-
rungen durchzusetzen. Die Frauenbewegung in Deutschland stagnierte in
der Öffentlichkeit. Gleichberichtigte Forderungen der Frauen zu Zeiten des
52
Zitat: Kohler-Gehrig, Die Geschichte der Frau im Recht, 2003, S. 29
53
Vgl. Kohler-Gehrig, Die Geschichte der Frau im Recht, 2003, S. 29
54
Vgl. Kohler-Gehrig, Die Geschichte der Frau im Recht, 2003, S. 29f.

32
Nationalsozialismus sind nicht gebilligt und bestraft worden. Frauen, die
nicht der Funktionalisierung von Frauen als Gebärerinnen und Erziehe-
rinnen künftiger Soldaten dem Regime zur Verfügung standen und Wider-
standsarbeit leisteten, waren Verfolgungen ausgesetzt oder endeten in Kon-
zentrationslagern.
55
2.5
Die ,,neue" Frauenbewegung nach dem 2. Weltkrieg
Nach dem 2. Weltkrieg trat die Frauenbewegung mit ihren Forderungen
wieder in den Vordergrund. Über- und außerparteiliche Frauenausschüsse
fanden wieder zusammen, die sich am Aufbau einer demokratischen
Republik als gleichberechtigte Individuen beteiligen wollten. Ebenso
beteiligten sich Frauen an der Versorgung der Bevölkerung und dem
Wiederaufbau Deutschlands. Wegen der beiden Sozialdemokratinnen
Elisabeth Selbert und Frieda Nadig ist der Art. 3 Abs. 2 S. 1 GG in der
Entstehung des Grundgesetzes 1949 festgeschrieben worden.
56
Nun galt es
den Art. 3 Abs. 2 GG zu verwirklichen, der besagte, dass Männer und
Frauen gleichberechtigt sind. Erstmals in der Geschichte des deutschen
Rechts und im Gegenzug zur Weimarer Reichsverfassung besaß der Art. 3
Abs. 2 GG unmittelbare Rechtsgeltung. Endlich waren Gesetzgebung,
Exekutive und Rechtsprechung daran verbindlich gebunden.
57
Aus der ,,alten" Frauenbewegung entwickelte sich mit den gesellschaft-
lichen Veränderungen und Anpassungen demokratischer Absichten eine
,,neue" Frauenbewegung. Diese trat erstmals Ende der sechziger Jahre in
Verbindung mit der Studentenbewegung öffentlich in Erscheinung, die aus
der Not der Nachkriegszeit und der widersprüchlichen sozialen Lage der
Frauen im Westen Deutschlands entstanden ist. 1968 stellten Frauen
Forderungen auf, die ihre spezifische Ausbeutung im öffentlichen und
privaten Bereich betrafen. Diese Forderungen blieben zunächst unbeachtet
und aus Protest schlossen sich Weiberräte und Frauengruppierungen
unterschiedlicher Universitätsstädte zusammen. Die ,,neue" Frauenbewe-
55
Vgl. Notz, Gisela, Streifzug durch die Geschichte der Frauenbewegung ­ wo stehen wir
heute?, S. 3
56
Vgl. Notz, Gisela, Streifzug durch die Geschichte der Frauenbewegung ­ wo stehen wir
heute?, S. 4
57
Vgl. Schweikert/Schirrmacher, 12/2001, S. 4. S. 5

33
gung grenzte sich von der traditionellen ,,alten" Frauenbewegung ab und
vertrat den Anspruch auf Autonomie, die mit Selbstbestimmung, Befrei-
ung aus patriarchaler Bevormundung und wirtschaftlicher Unabhän-
gigkeit gleichgesetzt worden ist, wie auch die Unabhängigkeit von den
Ideologien und Institutionen des Staates und den Parteien bedeutete.
Frauenpolitik lehnte strikt Hierarchien ab. Die erreichten rechtlichen und
politischen Forderungen der Frauenbewegung bewirkten, dass seit den
siebziger Jahren aktive rechtliche Gleichstellungspolitik betrieben wird.
Auch die Medien griffen die Themen der Frauenbewegung auf und machten
die Forderungen in der Öffentlichkeit bekannt. Zunehmend etablierten
Universitäten geschlechtsspezifische Themen und betrieben Frauen-
forschungen. Die Gegner/-innen kritisierten die Integration von feministi-
schen Forderungen in Politik und Recht, und bezeichneten die Einbeziehung
feministischer Gleichstellungspolitik als Staatsfeminismus.
58
2.6
Frauenbewegung als Antrieb der
Rechtsreformierungen im Familienrecht
Auch lange nach dem Inkrafttreten des Grundgesetzes von 1949 entsprach
das Familienrecht immer noch dem seit 1900 geltenden Ehe- und
Familienrecht des BGB. Die ersten zwei großen Reformen, die den
Ehefrauen mehr Selbstbestimmung boten, traten erst nach siebenundfünfzig
Jahren (1958) mit dem Gleichberechtigungsgesetz und wahrhaftig nach
mehr als siebzig Jahren (1977) mit der Ehe- und Scheidungsrechtsreform
ein. Nach Jahrzehnte langem formalrechtlichem und konfliktlastigem
Gleichstellungsdiskurs im Ehe- und Familienrecht ist der Art. 3 GG, der die
Gleichberechtigung von Männer und Frauen gewähren sollte, ein- bzw.
ausgeführt worden. Damit ist der Auftrag des Bundesverfassungsgerichts
zur Verwirklichung der angestoßenen Gesetzesänderungen endlich erfüllt
worden.
59
Bedeutende Veränderungen im Bereich des Familienrechts brachten das
58
Vgl. Notz, Gisela, Streifzug durch die Geschichte der Frauenbewegung ­ wo stehen wir
heute?, S. 4f.
59
Vgl. Lucke/Beuter, Genderaspekte von Familienrecht und Sozialgesetzgebung, S. 15

34
·
,,Gleichberechtigungsgesetz" vom 18. Juni 1957, das am 1. Juli
1958 in Kraft getreten ist;
·
das ,,Nichtehelichengesetz" von 1969;
·
die große ,,Ehe- und Scheidungsrechtsreform" vom 14. Juni 1976,
die am 1. Juli 1977 in Kraft getreten ist;
·
die ,,Kindschaftsrechtsreform" von 1997, die am 1. Juli 1998
größtenteils in Kraft getreten ist.
2.6.1
Einlösung der Gleichberechtigungsgrundsätze
Mit dem Inkrafttreten des Grundgesetzes von 1949 und der formalen
Festlegung des Art. 3 Abs.2 GG, ist ein Grundstein für viele der darauf
folgenden Gesetzesregelungen gelegt worden.
60
Im Zuge der Frauenbewegung, die das Recht der Scheidung und die
zunehmende Berücksichtigung der Belange des Kindes forderten, gestanden
die Gerichte den Müttern und Ehefrauen fortwährend mehr Rechte zu. Erste
Schritte fielen mit dem Gleichberechtigungsgesetz auf dem Gebiet des
bürgerlichen Rechts. Damit entfiel zunächst das ehe-männliche Entscheid-
ungsrecht in Fragen des ehelichen Lebens.
61
Das hatte zur Folge, dass der
Ehefrau die alleinige Verantwortung über die Haushaltsführung zukam.
Weiterhin entfiel 1957 das Bestimmungsrecht (§ 1354 BGB + § 10 BGB)
des Ehemanns über den Wohnort und erhöhte die Mobilitätschancen der
Familienmitglieder, denen sich die Ehefrau nicht mehr unterordnen musste.
Es erfolgte die Anerkennung des Rechts der Ehefrau auf ein selbstbestim-
mtes Erwerbsleben. Bis zu diesem Zeitpunkt konnte das Arbeitsverhältnis
der Ehefrau vom Ehemann auch gegen ihren Willen gekündigt werden,
wenn er der Meinung war, dass die Haushaltsführung und das Familienleben
unter der berufsbedingten Abwesenheit der Ehefrau leide. Der Frau ist end-
lich eine eigenständige und unabhängige Lebensführung innerhalb der Ehe
ermöglicht worden.
62
60
Vgl. Schweikert/Schirrmacher, 12/2001, S. 4. S. 5
61
Vgl. Lucke, Doris/Beuter, Isabel, Genderaspekte von Familienrecht und
Sozialgesetzgebung, S. 16
62
Vgl. Lucke/Beuter, Genderaspekte von Familienrecht und Sozialgesetzgebung, S. 16

35
Der Bereich der elterlichen Gewalt blieb bis 1959 bei den väterlichen
Vorrechten. Auch wenn die Mutter während der Ehezeit das Recht der
elterlichen Sorge (Personensorge) besaß, konnte sie im Falle einer
Scheidung, diese nur dann erhalten, wenn der Vater entweder dem
zustimmte, krank war oder gestorben ist. Mit dem Wegfall des väterlichen
Sichtentscheids (1959 - Letztentscheidungsrecht) bei Meinungsverschieden-
heiten in Fragen der Kindererziehung und seinem Alleinvertretungsrecht für
das Kind fiel auch die alleinige Macht des Vaters über die elterliche Gewalt
nach einer Scheidung, das vom Bundesverfassungsgericht für verfassungs-
widrig und nichtig erklärt worden war.
63
Die Erweiterung rechtlicher Mög-
lichkeiten von Frauen ist gegen den Widerstand männlicher Besitzstands-
wahrer durchgesetzt worden. Das galt als konsequent betriebener Macht-
abbau des Patriarchats. Diese Demontage des Familienpatriarchats
(,,meurtre du père") ging in die Geschichte des deutschen Familienrechts ein
und entzog dem Vater und Ehemann das letzte Wort.
64
2.6.2
Nichtehelichengesetz
Mit dem Nichtehelichengesetz vom 19.08.1969 hat der Gesetzgeber
versucht, einen Teil seines Verfassungsauftrages aus dem Art. 6 Abs. 5 GG
zur Schaffung gleicher Lebensbedingungen für uneheliche Kinder zu
erfüllen. Dennoch waren die unehelichen Kinder bis zur Kindschaftsreform
im Erb-, Abstammungs-, Kindschafts- und Unterhaltsrecht den ehelichen
Kindern nicht gleichgestellt.
65
Zuvor sprach das BGB von dem unehelichen
Kind, das gesetzlich den ehelichen Kindern nicht gleichgestellt war. Heute
verwendet das BGB den Terminus ,,nichtehelich", der die unterschiedliche
Herkunft der Lebensform der Kinder gesetzlich ausblenden soll.
66
Auch ist dem unehelichen Kind die Verwandtschaft mit seinem Vater
rechtlich anerkannt worden, was auch dem Kind das Recht auf Feststellung
63
Vgl. Schweikert/Schirrmacher, 12/2001, S. 4. S. 5
64
Vgl. Lucke/Beuter, Genderaspekte von Familienrecht und Sozialgesetzgebung, S. 16
65
Vgl. Berghahn, Aufsatz in: Koreuber/Mager, Schriften zur Gleichstellung der Frau,
Recht und Geschlecht 2004, S. 69
66
Vgl. Deinert, Die Entwicklung des Kindschaftsrecht unter Einbeziehung
sozialpolitischer Aspekte, Kapitel 1.3,1998, Online vom 04.10.2007

36
des biologischen Vaters einräumte (gesetzliche Vaterschaftsvermutung §
1591 BGB aF).
67
Die Bevormundung nicht verheirateter Mütter ist allmählich abgeschafft
worden, indem die Amtsvormundschaft für nichteheliche Kinder durch die
Amtspflegschaft ersetzt worden ist. Die diskriminierende Bevormundung
der Mütter durch die Hineinredung des Jugendamts hat sich lediglich auf die
Fragen der Vaterschaftsfeststellung, des Unterhalts und der Erbansprüche
der Kinder reduziert. Erst das Kindschaftsrechtsreformgesetz brachte die
Umwandlung des Zwangsinstituts in eine freiwillige Beistandschaft.
68
2.6.3
Eherechtsreform
Mit dem Inkrafttreten des ersten Eherechtsreformgesetzt am 01.07.1977,
verabschiedete sich der Gesetzgeber vom Leitbild der so genannten Haus-
frauenehe
und
entfernten
restlichen
Etappen
der
patriarchalen
Bestimmungs-macht des Ehemannes. Ein sehr bedeutender Schritt für die
Frauen war die Änderung im Scheidungsrecht, das ihnen die Ehescheidung
vereinfachte. Dabei ist das Schuldprinzip des alten Ehegesetzes durch das
Zerrüttungsprinzip ersetzt worden. Zugleich ist der Versorgungsausgleich
eingeführt worden, der zur Folge hatte, dass nach einer Scheidung
Unterhaltsansprüche nicht mehr nach Schuld oder Unschuld bestimmt
werden sollten, sondern grundsätzlich nach Bedürftigkeit (§§ 1570 ff
BGB).
69
Letztlich erwirkte die Emanzipation der Frauen auch die Anerkennung von
Kindern als Rechtssubjekte. Die fortlaufenden Reformierungen im BGB
brachten Frauen zunehmend mehr Freiheit, Rechtsgerechtigkeit und
Unabhängigkeit vom Ehemann. Ebenso gingen auch Reformierungen im
rechtlichen Bereich der Kinder einher und gewährte auch den Frauen mehr
67
Vgl. Deinert, Die Entwicklung des Kindschaftsrecht unter Einbeziehung
sozialpolitischer Aspekte, Kapitel 1.3,1998, Online vom 04.10.2007
68
Vgl. Berghahn, Aufsatz in: Koreuber/Mager, Schriften zur Gleichstellung der Frau,
Recht und Geschlecht, 1.Auflg. Baden-Baden, 2004, S. 68
69
Vgl. Schweikert/Schirrmacher, 12/2001, S. 4. S. 5f.

37
Rechte an ihren eigenen Kindern, die sich nicht mehr auf die Personensorge
der Kinder beschränkte.
2.6.4
Ablösung des Terminus der elterlichen Gewalt
durch die elterliche Sorge
Die Neuregelung des Rechts der elterlichen Sorge vom 18.07.1979, sollte
die Eltern innerhalb ihres elterlichen Erziehungsauftrags dazu befähigen, auf
die Menschenwürde und das Recht auf Entfaltung der Persönlichkeit des
Kindes zu achten. Ebenso ist der Terminus der ,,elterlichen Gewalt" durch
den der ,,elterlichen Sorge" ersetzt worden. Die verheirateten Eltern, Vater
und Mutter hatten während der Ehezeit gleichermaßen die gemeinsame
Sorge über das minderjährige Kind. Hatte ein Elternteil kein Sorgerecht, so
konnte er den persönlichen Umgang mit dem Kind einfordern. Nach der
Scheidung bestimmte das Familiengericht über das alleinige Sorgerecht im
Zwangsverbund, das am Maßstab des Kindeswohls entschieden worden ist
und in der Regel der Mutter zugesprochen wurde.
Im Verlauf der Entwicklung des BGB nahm die mütterliche Anerkennung
im gesetzlichen Rahmen zu. Die väterliche Machtstellung im Sorgerecht hat
bis zum KindRG einen vollständigen Perspektivenwechsel erfahren. Das
BGB gestand der Mutter zunehmend mehr Rechte zu und machte sie zur
ausschließlichen Inhaberin der elterlichen Sorge. Nach dem KindRG hatte
eine Umkehrung der Rechtsanwendung stattgefunden. Noch kurz vor der
Reformierung entschied das BVerfG, dass die ausschließliche alleinige
Sorge nach einer Trennung/Scheidung unvereinbar mit Art. 6 Abs. 2 S 1 GG
sei. Seit dem gilt die Regelung der gemeinsamen Sorge auch nach einer
Scheidung.
70
2.6.5
Umgangsrecht
Erst mit der Einführung des Nichtehelichengesetzes von 1969 ist die
Stellung des nichtehelichen Vaters gestärkt worden und nahm ihn in den
Personenkreis der Umgangsberechtigten auf. Nun konnte er vor dem Vor-
mundschaftsgericht gemäß § 1711 BGB UF eine Umgangsregelung zu
70
Vgl. Schweikert/Schirrmacher, 12/2001, S. 4. S. 6

38
seinen Gunsten erwirken. Vorher war der nichteheliche Vater nicht umga-
ngsberechtigt, lediglich ein Unterhaltsanspruch des Kindes ist anerkannt
worden.
71
1979 ist der Personenkreis der umgangsberechtigten erneut ausgeweitet
worden und man sprach vom ,,persönlichen Verkehr" mit dem Kind. Der
bezeichnete einen Restbestand der elterlichen Sorge, der dem Elternteil
verblieben ist, der kein Sorgerecht erhielt. Die Regelungen für eheliche
Kinder befanden sich in § 1634 BGB, für nichteheliche Kinder in § 1711
BGB. Durch das Sorgerechtsgesetz von 1979 ist der Begriff des
,,persönlichen Umgangs" eingeführt worden. Heute spricht man vom
Umgangsrecht, der im § 1684 BGB den Umgang zwischen dem abwesenden
und nichtsorgeberechtigten Elternteil und dem Kind regelt.
72
2.6.6
Namensrecht
1993 fiel schließlich endgültig mit der Reform das Namensrecht des
männlichen Ehe- und Familiennamenprivilegs. Der Entfall des § 1355 BGB
bewirkte, dass die Übertragung des Mannesnamen auf Ehefrau und Kind
nicht mehr automatisch vollzogen wurde.
73
2.6.7
Kindschaftsrechtsreformierung
Der demographische und gesellschaftliche Wandel machten die
,Modernisierung' des Kindschaftsrechts dringend erforderlich.
74
Am ersten
Juli 1998 ist nach langen politischen Überlegungen das KindRG in Kraft
getreten. Vor der Kindschaftsrechtsreform schenkte die Gesetzgebung
dieser Tatsache nicht ausreichend Beachtung. Der Gesetzgeber ging vor
dem KindRG davon aus, ,,dass es zum Wohl des Kindes legitim sei,
zwischen
ehelichen
und
nichtehelichen
Lebensgemeinschaften
zu
unterscheiden."
75
Die Ehegemeinschaft galt als die bevorzugte familiäre
Lebensform, die für Dauerhaftigkeit und Verbindlichkeit stand. Das BVerfG
stellte Eltern und deren Kinder unter den verfassungsrechtlichen Schutz der
71
Vgl. Schulze, 2001, S. 99f
72
Vgl. Schulze, 2001, S. 29
73
Vgl. Lucke/Beuter, Genderaspekte von Familienrecht und Sozialgesetzgebung, S. 18
74
Vgl. Schulze, 2001, S. 19
75
Zitat: Schimke, 1998, S. 6

39
Ehe und Familie nach Art. 6 GG. Demnach waren Kinder, die außerehelich
zur Welt kamen, benachteiligt. Diese Rechtsprechung entsprach nicht mehr
der realen gesellschaftlichen Entwicklung, da sich die Lebensverhältnisse
von jungen Familien grundlegend verändert hatten.
76
Diese Tatsache
erhöhte den Druck auf den Gesetzgeber, da schon vor über 50 Jahren nach
Inkrafttreten des Art. 6 Abs. 5 GG die Gleichbehandlung nichtehelicher
Kinder vorgesehen war.
77
Insgesamt betrafen die Neuregelungen alle Bereiche des KindRG:
78
das
Abstammungsrecht, das Sorgerecht, das Unterhaltsrecht nicht verheirateter
Eltern, das Namensrecht, das Adoptionsrecht, das Erbrecht, das gerichtliche
Verfahrensrecht im Zusammenhang kindschaftsrechtlicher Angelegenheiten
sowie die Ersetzung der Amtspflegschaft durch die freiwillige Beistand-
schaft und im beträchtlichen Umfang das ,Umgangsrecht'.
2.6.7.1
Anliegen der
Kindschaftsrechtsreformierung
Zentrales Anliegen des Gesetzgebers zur Reformierung des Kindschafts-
rechts war das Kindeswohl und die rechtliche Absicherung von ehelichen
und nicht ehelichen Kindern. Die Absicht bestand darin, die Rechte der
Kinder zu stärken, um das Kindeswohl auf die bestmögliche Art und Weise
zu fördern. Die Rechte aller Kinder sollten unabhängig von der
Lebensgemeinschaft der Eltern gestärkt werden und ein Recht auf Umgang
mit beiden Elternteilen nach einer Trennung sowie mit nahstehenden
Bezugspersonen ausdrücklich garantieren. Bis zur Reformierung war das
Kindeswohl als Entscheidungsmaxime nicht in allen maßgeblichen Normen
ausdrücklich benannt.
79
Ebenso sind die Rechtspositionen der Eltern
gestärkt worden, die sie als Erziehungsbeauftragte in der Ausübung der
elterlichen Sorge von sinnlosen staatlichen Eingriffen schützen sollte, indem
mehr Autonomie und Entscheidungsbefugnisse zugesprochen wurden. Den
76
Vgl. Schulze, 2001, S. 20
77
Vgl. Parr, 2005, S. 158
78
Vgl. Schulze, 2001, S. 20; Schimke, 1998, S. 20ff.; Online-Familienhandbuch, S. 2
79
Vgl. Parr, 2005, S. 159f.

40
Eltern sollte ihre Verantwortung gegenüber ihrem Kind nach einer
Trennung bewusst werden, um ihr Kind nicht mehr als Werkzeug ihrer
Streitigkeiten zu benutzen.
2.6.7.2
Sorge- und Umgangsrecht
Die Reformierung des Sorge- und Umgangsrechts ergab, dass den Kindern
eigene Rechte im Umgang mit beiden Elternteilen zugestanden wurden und
die Elterautonomie weiter in den Vordergrund gerückt worden ist. Erst das
KindRG konnte eine Regelung schaffen, die das Umgangsrecht verein-
heitlichte und keine Unterschiede zwischen ehelichen und nichtehelichen
Kindern machte. Vorher war für die Ausgestaltung des Umgangsrechts
maßgeblich, ob die Eltern miteinander verheiratet waren und es sich um die
Umgangsregelung eines geschiedenen Elternteils handelte oder ob die
Eltern nie miteinander verheiratet waren. Heute werden die Begriffe ehelich
und nichtehelich im Gesetz vermieden.
80
Nichtverheiratete Väter sind in ihren Rechten im Sorge- und Umgangsrecht
gestärkt worden und den verheirateten Vätern gleichgestellt worden. Als
einzige Bedingung der nicht verheirateten Väter setzt der Erhalt der gemein-
samen Sorge die Sorgeerklärung der Mutter voraus. Nichtverheiratete
Mütter, die keine Sorgeerklärung abgegeben haben, behalten das alleinige
Sorgerecht. Dennoch hat der Vater ein Umgangsrecht mit seinem Kind. Das
Umgangsrecht wird vorbehaltlos gewährt, solange es das Kindeswohl nicht
gefährdet. Nur noch in seltenen Fällen wird das Umgangsrecht ausge-
schlossen, ansonsten kann es durch betreuten, beschützen oder begleiteten
Umgang eingeschränkt werden.
81
Das Familiengericht übernimmt nach einer Scheidung nicht mehr auto-
matisch die Entscheidung über das Sorgerecht (Zwangsverbund), sondern es
gilt das Antragsprinzip, das den Eltern nur noch auf Antrag die
Entscheidung über die Sorgeform gewährt. Ansonsten bleibt es nach einer
Scheidung bei der gemeinsamen Sorgerechtsform. Demzufolge zeigt die
80
Vgl. Hönig, 2004, S. 13
81
Vgl. Schweikert/Schirrmacher, 12/2001, S. 4. S. 7

41
Praxis heute eine deutliche Zunahme der gemeinsamen Sorge. Bei einer
Trennung bzw. Scheidung sind die Eltern dazu angehalten Entscheidungen,
die das Kind und sein Wohlbefinden betreffen, gemeinsam und konsens-
orientiert zu treffen. Anlass dieser Regelungen waren die heftigen Forder-
ungen der Väterorganisationen, die die Gleichstellung der Väterrechte ver-
langten. Vor der Reform räumte die Rechtspraxis in streitigen Fällen den
Müttern in der Regel das alleinige Sorgerecht ein, da sie als Hauptbezugs-
person der Kinder fast immer die Obhut übernahmen.
82
2.7
Frauen und Familienrecht heute
Bis heute bestehen traditionelle und selbstverständliche Vorstellungen von
weiblichen und männlichen Lebensentwürfen, die im privaten und öffent-
lichen Bereich als Normalbiographien bezeichnet und gelebt werden. Diese
beinhalten die Vorstellungen über einen typischen Familienzyklus, den
Maren Becker als ein aufeinander folgendes Phasenmodell beschreibt. Die
Phasen reichen von Phase eins, in der man unverheiratet und jung ist, über
Phase zwei und drei Phase in denen man verheiratet ist und zuerst jüngere,
später dann heranwachsende Kinder hat, bis Phase vier, in der man ver-
heiratet ist und die Kinder bereits das Elternhaus verlassen haben. Diese in
unseren Köpfen gefestigten Normalbiografien, an denen sich insbesondere
Männer aber auch Frauen weiterhin orientieren, beinhalten Lebensentwürfe,
die die Erwerbsarbeit für Männer und die Familienarbeit für Frauen voraus-
setzt. Ein traditionelles und konservatives Schema, das der praktischen
Umsetzung nicht mehr entspricht, da neben Ehe und Familie andere Fami-
lienformen existieren, wie nicht verheiratete oder geschiedene Alleinerzie-
hende, Patchworkfamilien, gleich- und gemischtgeschlechtliche Lebensge-
meinschaften und weitere neu entstehende Mischformen, die sich ständig
modifizieren können.
Lothar Schneider führt als Ursachen hierfür die soziale Mobilität
(welche die allgemeine Zuständigkeit sozialer Positionen und
Lebensmöglichkeiten umschreibt), die Relativierung der Normen
(auch in Bezug auf die Familie), ökonomische Veränderungen
(die Funktionen sozialer Absicherung durch die Familien werden
zunehmend von Staat übernommen), der Wertewandel sowie der
82
Vgl. Schweikert/Schirrmacher, 12/2001, S. 4. S. 7

42
Wandel in den Geschlechtsrollen und das Unvermögen der
Gesellschaft, angemessen darauf zu reagieren, an.
83
Traditionelle Wertvorstellungen können nicht mehr auf alle Familienformen
angewendet und generalisiert werden, da das Phasenmodell von ledig und
jung bis zum Verheiratetsein mit Kindern als einzige Option ausgedient hat,
denn fast jede dritte Ehe in Deutschland wird heute geschieden oder die
Partner heiraten erst gar nicht. Eine Heirat ist, um Kinder zu bekommen,
nicht mehr erforderlich.
84
Demnach entspricht das traditionelle Frauenbild,
in dem die verheiratete Frau ihre Kinder versorgt und der Vater für den
materiellen Erwerb zuständig ist, nicht mehr der gesellschaftlichen Realität,
die ein Resultat der Frauenbewegung der sechziger des zwanzigsten Jahr-
hundert ist. Die Frauenbewegung stellte Forderungen, die die Selbstbe-
stimmung der Frauen in allen Bereichen des privaten, öffentlichen und
rechtlichen Lebens betrafen und bis heute Schritt für Schritt einlösten. So ist
es heute möglich, dass Frauen ihr Leben selbstbestimmt gestalten können.
Dennoch hat sich der selbstbestimmte Lebensentwurf der Frauen immer
noch nicht im Bewusstsein der Bevölkerung etabliert. Besonders in politi-
schen und rechtlichen Positionen, die zum größten Teil von Männern besetzt
sind, ist dies deutlich zu erkennen. Frauen wird der Weg in die oberen
Positionen (Politik, Wirtschaft, Arbeitsmarkt, Managerposten, Recht, Wis-
senschaft) weiterhin erschwert, um Machtstellungen, die Veränderungen zu
Gunsten der Frauen ermöglichen würden, zu verhindern. Frauen sind in
allen wichtigen gesellschaftlichen Bereichen unterrepräsentiert (auch wenn
eine Frau Bundeskanzlerin ist) und Männer bestimmen weiterhin über
gesellschaftliche und rechtliche Entwicklungen, wie z.B. Frauen und Kinder
im Familienrecht, insbesondere im Unterhaltsrecht sowie im Sorge- und
Umgangsrecht. Ebenso sind sie aus sozialen und finanziellen Gründen
immer öfters gezwungen, zum Lebensunterhalt beizutragen. Becker meint,
dass ,,eine exklusive Ausrichtung auf diese Rollen letztlich ins Leere
führt".
85
83
Zitat: Becker, Lebenssituation von Frauen heute, 2001, Online Text, S. 1
84
Vgl. Becker, Lebenssituation von Frauen heute, 2001, Online Text, S. 1f.
85
Zitat: Becker, Lebenssituation von Frauen heute, 2001, Online Text, S. 2

43
2.7.1
Diskriminierung der Gleichheitsgrundsätze
Diskriminierungen im Familienrecht gehören weiterhin nicht der Vergan-
genheit an. Gleichberechtigung ist durch die Herstellung formaler Gleich-
heit erst jüngst erreicht worden. Die gesetzliche Wirklichkeit der tatsäch-
lichen Gleichstellung scheint noch nicht in allen gesellschaftlichen
Bereichen angekommen zu sein.
Susanne Baer beschreibt Gleichheit als ein grundlegendes Prinzip jeder
Rechtsordnung, denn erst die allgemeine Gleichbehandlung aller Menschen
sichert Gerechtigkeit, wie es in Art. 3 GG formuliert wird. Demnach wird
das Gleichheits- und Gleichbehandlungsrecht dann verletzt, ,,wenn
Menschen benachteiligt oder diskriminiert werden".
86
Diskriminierung liegt vor, wenn Menschen Nachteile erleiden,
weil sie eine Frau oder ein Mann sind, also auch: weil sie keiner
Frau oder kein Mann sind. Sinnvoll lässt sich das
Diskriminierungsverbot also als Verbot jeder geschlechts-
bezogenen Benachteiligung verstehen.
87
Eine Benachteiligung und somit eine Diskriminierung bedeutet z.B., dass
Frauen bei Erwerbstätigkeit trotz gleicher Qualifikation weniger verdienen.
Oder dass Frauen nach jahrelanger Vollzeitarbeit im Haushalt und der
Kinderbetreuung keine gesetzliche Anerkennung finden. Während dieser
Zeit bilden Mütter wegen der Familienarbeit kaum oder nur geringe
Vermögen und Rentenanwartschaften. Durch lange Abwesenheit vom Beruf
hat eine Frau Schwierigkeiten den Berufseinstieg oder eine Stelle entspre-
chend ihrer Qualifikation zu finden. Folglich besteht die Gefahr, dass im
Falle einer Trennung, die Frau von der einen wirtschaftlichen Abhängigkeit,
in die nächste fällt, also vom Partner zum Staat. Armut bei alleinstehenden
Frauen und Müttern ist keine Seltenheit. Die wirtschaftliche Lage der
Frauen nach einer Trennung verschlechtert sich um ein Drittel, während die
Ehemänner zu einem Zehntel Vermögenseinbußen haben. War die Frau
auch während des familiären Zusammenlebens für den Haushalt zuständig
und die Hauptbezugsperson des Kindes, so wirkt sich die geschlechts-
86
Zitat: Baer, Susanne, im Reader: Frauen und Recht, 2003, S. 25
87
Zitat: Baer, Susanne, im Reader: Frauen und Recht, 2003, S. 25

Details

Seiten
Erscheinungsform
Originalausgabe
Jahr
2007
ISBN (eBook)
9783836643764
DOI
10.3239/9783836643764
Dateigröße
2.2 MB
Sprache
Deutsch
Institution / Hochschule
Universität Kassel – Sozialwesen
Erscheinungsdatum
2010 (März)
Note
1,0
Schlagworte
frauenrecht kindschaftsrecht frauenbewegung rechtsgeschichte familienrecht
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Titel: Umgangsrecht aus Frauensicht
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