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Langzeiteffekte eines tiergestützten Kompetenztrainings

Eine katamnestische Studie an einer Wiener Volksschule

©2008 Diplomarbeit 147 Seiten

Zusammenfassung

Inhaltsangabe:Einleitung:
Der Mensch und die Natur sind untrennbar miteinander verbunden – sie sind eins. Trotzdem scheint sich der Mensch, in vielen Teilen dieser Welt immer mehr von der Natur zu distanzieren und verschließt sich damit der grundlegenden Quelle für Wohlbefinden und Lebensfreude. Der Kontakt zu Tieren bereitet den meisten Menschen große Freude – so gut wie jeder kann eine Geschichte aus seinem Leben dazu erzählen. Die wissenschaftliche Erforschung dieser einzigartigen Beziehung ist allerdings ein relativ neues Gebiet. Das Thema verlangt nach methodischer und theoretischer Originalität, denn so wie alle Beziehungen ist auch die Beziehung zwischen Mensch und Tier alles andere als rein rational erklärbar. Mittlerweile gibt es zwar etliche Studien, die den positiven Einfluss von Tieren auf das Wohlbefinden des Menschen belegen – Langzeitstudien stellen auf diesem Forschungsgebiet allerdings mehr die Ausnahme als die Regel dar. Ziel dieser Diplomarbeit ist es, mögliche Langzeiteffekte eines tiergestützten Kompetenztrainings (MTI) an einer Wiener Volksschule zu evaluieren. Das Konzept MTI steht für ‘Multiprofessionelle tiergestützte Intervention’ und wurde im Jahr 2004 mit dem Ziel ins Leben gerufen, eine tiergestützte Intervention erstmals als Gesundheitsförderungsmaßnahme zu etablieren. Mittels Übungen an und mit einem speziell ausgebildeten Hund sollen bei den TeilnehmerInnen soziale, emotionale Kompetenzen und andere Fertigkeiten gefördert werden, da diese Konstrukte mit Wohlbefinden und daher mit Lebensqualität in Verbindung stehen. Das MTI Training hat sich als Förderungsmaßnahme für soziale und emotionale Kompetenzen bei Volksschulkindern bewährt.
Ob sich die positiven Effekte als stabil erweisen, wird in dieser Arbeit überprüft.
Im ersten Kapitel dieser Arbeit wird das Thema Katamnestik eingehend behandelt. Nach einer Definition und Begriffsabklärung (Abschnitt 1.1.) folgt die Begründung für die Notwendigkeit katamnestischer Studien (Abschnitt 1.2.) sowie eine Aufzählung von Problemen, die im Rahmen katamnestischer Studien entstehen können (Abschnitt 1.3.). Abschließend werden die Herangehensweise und Durchführung solcher Studien erörtert (Abschnitt 1.4.) und die dazugehörigen Qualitätskriterien charakterisiert (Abschnitt 1.5.). In Abschnitt 1.6. wird auf die Evaluation psychologischer Interventionsmaßnahmen im Allgemeinen, sowie auf die Konzepte der sozialen und emotionalen Kompetenz näher eingegangen.
Kapitel 2 dieser […]

Leseprobe

Inhaltsverzeichnis


Yvonne Glaser
Langzeiteffekte eines tiergestützten Kompetenztrainings
Eine katamnestische Studie an einer Wiener Volkshochschule
ISBN: 978-3-8366-4295-8
Herstellung: Diplomica® Verlag GmbH, Hamburg, 2010
Zugl. Universität Wien, Wien, Österreich, Diplomarbeit, 2008
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© Diplomica Verlag GmbH
http://www.diplomica.de, Hamburg 2010

INHALTSVERZEICHNIS
EINLEITUNG...
3
1. MENSCH ­ TIER ­ BEZIEHUNG ...
5
1.1. B
IOPHILIE ALS
G
RUNDLAGE DER
M
ENSCH
­ N
IER
­ E
EZIEHUNG
... 5
1.2. K
OMMUNIKATION ZWISCHEN
M
ENSCH UND
T
IER
... 9
1.3. D
ER
H
UND ALS BESONDERER
W
EGBEGLEITER DES
M
ENSCHEN
... 10
1.3.1. Kommunikation zwischen Mensch und Hund... 11
2. DER EINSATZ DES TIERES ZUM WOHLE DES
MENSCHEN ...
16
2.2. B
EGRIFFSABGRENZUNG
... 17
2.3. H
ISTORISCHER
A
BRISS
... 18
2.4. E
INSATZBEREICHE
... 20
2.4.1. Therapeutisches Reiten... ............................................... 20
2.4.1.1. Hippotherapie
... 21
2.4.1.2. Heilpädagogisches Voltigieren/Reiten (HPV/R) ...
22
2.4.1.3. Behindertenreiten...
23
2.4.2. Delphintherapie... ............................................... 24
2.4.3. Einsatz von Hunden... ............................................... 27
2.5. A
RTGERECHTER
U
MGANG MIT
T
IEREN
... 29
2.6. A
USGEWÄHLTE
S
TUDIEN ZUM
E
INSATZ VON
T
IEREN ZUR
F
ÖRDERUNG SOZIALER
UND EMOTIONALER
K
OMPETENZEN
... 31
3. PROJEKTBESCHREIBUNG ...
34
3.1. KATAMNESTIK ... 34
3.1.1. B
EGRIFFSABKLÄRUNG UND
D
EFINITION
... 34
3.1.2. N
OTWENDIGKEIT VON
K
ATAMNESTIK
... 35
3.1.3. P
ROBLEME DER
K
ATAMNESEFORSCHUNG
... 36
3.1.4. H
ERANGEHENSWEISE UND
D
URCHFÜHRUNG
... 37
3.1.5. Q
UALITÄTSKRITERIEN
... 38
3.2. E
VALUATION PSYCHOLOGISCHER
I
NTERVENTIONSMAßNAHMEN
... 39
3.2.1. Kompetenzen... ............................................... 40
3.2.1.1. Definition und Begriffsabklärung ...
40
3.2.1.2. Soziale und emotionale Kompetenzen...
42
3.3. K
ONZEPT DER
MTI ... 44
3.3.1. E
CKPFEILER DER
MTI ... 44
3.3.2. A
UFBAU UND
A
BLAUF DES
T
RAININGS
... 46
4. METHODIK ...
47
4.1. S
TICHPROBE
... 47
4.2. A
BLAUF DER
I
NTERVENTION DER
K
ATAMNESEUNTERSUCHUNG
... 48
4.3. U
NTERSUCHUNGSINSTRUMENTE
... 49

2
4.4. F
RAGESTELLUNGEN UND
H
YPOTHESEN
... 56
4.4.1 Hypothesen zur Erfassung des Selbstkonzeptes und des Selbstwertes
(Soziale Kompetenzen)... ............................................... 57
4.4.1.1. Vergleich Versuchsgruppe und Kontrollgruppe zu T2 ...
57
4.4.1.2. Vergleich der Versuchsgruppe zu T0, T1 und T2...
58
4.4.1.3. Vergleich der Kontrollgruppe zu T0, T1 und T2...
59
4.4.2 Hypothesen zur Erfassung des Wohlbefindens ... 60
4.4.2.1. Vergleich Versuchsgruppe und Kontrollgruppe zu T2 ... 61
4.4.2.2. Vergleich der Versuchsgruppe zu T0, T1 und T2...
61
4.4.2.3. Vergleich der Kontrollgruppe zu T0, T1 und T2...
62
4.4.3 Hypothesen zur Erfassung der emotionalen Kompetenzen... 62
4.4.3.1. Vergleich Versuchsgruppe und Kontrollgruppe zu T2 ...
62
4.4.3.2. Vergleich der Versuchsgruppe zu T0, T1 und T2...
63
4.4.3.3. Vergleich der Kontrollgruppe zu T0, T1 und T2...
64
4.4.4 Hypothesen zur Einstellung und Empathie gegenüber Tieren... 66
4.4.4.1. Vergleich Versuchsgruppe und Kontrollgruppe zu T2 ...
66
4.4.4.2. Vergleich Versuchsgruppe zu T0, T1 und T2 ...
67
4.4.4.3.
Vergleich der Kontrollgruppe zu T0, T1 und T2 ...
67
4.5. U
NTERSUCHUNGSDESIGN
... 68
4.6. A
USWERTUNG
... 68
5. ERGEBNISDARSTELLUNG ...
70
5.1.
S
OZIALE
K
OMPETENZEN
... 70
5.2. A
LLGEMEINES
W
OHLBEFINDEN
... 82
5.3. E
MOTIONALE
K
OMPETENZEN
... 86
5.4. E
INSTELLUNG UND
E
MPATHIE
T
IEREN GEGENÜBER
... 98
6. INTERPRETATION UND DISKUSSION...
101
6.1. S
OZIALE
K
OMPETENZEN
... 101
6.2. A
LLGEMEINES
W
OHLBEFINDEN
... 104
6.3. E
MOTIONALE
K
OMPETENZEN
... 106
6.3.1. Einstellung und Empathie gegenüber Tieren ... 106
6.3.2. Erfassung emotionaler und sozialer Schulerfahrungen ... 106
6.3.3. Erkennen von Emotionen... ............................................. 106
6.3.4. Emotionsregulation... ............................................. 107
7. KRITIK UND AUSBLICK ...
110
8. ZUSAMMENFASSUNG ...
112
9. ABSTRACTS ...
115
10. LITERATURVERZEICHNIS...
117
11. TABELLENVERZEICHNIS ...
127
12. ABBILDUNGSVERZEICHNIS ...
128
ANHANG...
129
LEBENSLAUF ...
143

3
EINLEITUNG
Der Mensch und die Natur sind untrennbar miteinander verbunden ­ sie sind eins.
Trotzdem scheint sich der Mensch, in vielen Teilen dieser Welt immer mehr von
der Natur zu distanzieren und verschließt sich damit der grundlegenden Quelle für
Wohlbefinden und Lebensfreude. Der Kontakt zu Tieren bereitet den meisten
Menschen große Freude ­ so gut wie jeder kann eine Geschichte aus seinem
Leben dazu erzählen. Die wissenschaftliche Erforschung dieser einzigartigen
Beziehung ist allerdings ein relativ neues Gebiet. Das Thema verlangt nach
methodischer und theoretischer Originalität, denn so wie alle Beziehungen ist auch
die Beziehung zwischen Mensch und Tier alles andere als rein rational erklärbar.
Mittlerweile gibt es zwar etliche Studien, die den positiven Einfluss von Tieren auf
das Wohlbefinden des Menschen belegen ­ Langzeitstudien stellen auf diesem
Forschungsgebiet allerdings mehr die Ausnahme als die Regel dar. Ziel dieser
Diplomarbeit
ist
es,
mögliche
Langzeiteffekte
eines
tiergestützten
Kompetenztrainings (MTI) an einer Wiener Volksschule zu evaluieren. Das
Konzept MTI steht für ,,Multiprofessionelle tiergestützte Intervention" und wurde im
Jahr 2004 mit dem Ziel ins Leben gerufen, eine tiergestützte Intervention erstmals
als Gesundheitsförderungsmaßnahme zu etablieren. Mittels Übungen an und mit
einem speziell ausgebildeten Hund sollen bei den TeilnehmerInnen soziale,
emotionale Kompetenzen und andere Fertigkeiten gefördert werden, da diese
Konstrukte mit Wohlbefinden und daher mit Lebensqualität in Verbindung stehen.
Das MTI Training hat sich als Förderungsmaßnahme für soziale und emotionale
Kompetenzen bei Volksschulkindern bewährt (Burger, 2007; Turner, 2007).
Ob sich die positiven Effekte als stabil erweisen, wird in dieser Arbeit überprüft.
Kapitel 1 dieser Arbeit behandelt das breit gefächerte Thema der Mensch-Tier-
Beziehung. Es wird versucht anhand der Biophiliehypothese die Verbundenheit
zwischen Mensch und Natur begreiflich zu machen (Abschnitt 1.1.). Es folgt eine
Einführung in die Materie der Mensch-Tier-Kommunikation (Abschnitt 1.2.) ­ der
Schwerpunkt liegt allerdings bei der Interaktion zwischen Mensch und Hund, da
auf diesem Forschungsfeld in letzter Zeit beeindruckende Erkenntnisse gewonnen
wurden (Abschnitt 1.2.1.). Kapitel 2 stellt eine Abhandlung der Thematik ,,Tiere im
Einsatz zum Wohle des Menschen" dar. Neben einem historischen Abriss über die

4
Entwicklungen auf diesem Forschungsgebiet (Abschnitt 2.3.), werden die am
weltweit populärsten Formen der tiergestützten Therapie ausführlich vorgestellt
(Abschnitt 2.4.): Das therapeutische Reiten, die Delphintherapie und der
(therapeutische) Einsatz von Hunden. Das Kapitel wird abgeschlossen mit einem
Appell an einen artgerechten Umgang mit Tieren (Abschnitt 2.5.) und einem
Überblick über den Stand der Forschung in Bezug auf den Einfluss von Tieren auf
soziale und emotionale Kompetenzen sowie auf das allgemeine Wohlbefinden
(Abschnitt 2.6.).
Im dritten Kapitel dieser Arbeit wird das Thema Katamnestik im Rahmen der
Projektbeschreibung eingehend behandelt. Nach einer Definition und
Begriffsabklärung (Abschnitt 3.1.) folgt die Begründung für die Notwendigkeit
katamnestischer Studien (Abschnitt 3.2.) sowie eine Aufzählung von Problemen,
die im Rahmen katamnestischer Studien entstehen können (Abschnitt 3.3.).
Abschließend werden die Herangehensweise und Durchführung solcher Studien
erörtert (Abschnitt 3.4.) und die dazugehörigen Qualitätskriterien charakterisiert
(Abschnitt 3.5.). In Abschnitt 3.6. wird auf die Evaluation psychologischer
Interventionsmaßnahmen im Allgemeinen, sowie auf die Konzepte der sozialen
und emotionalen Kompetenz näher eingegangen. Weiters ist dieses Kapitel der
Präsentation des Konzeptes ,,MTI" gewidmet. In den darauf folgenden Kapiteln
wird der empirische Teil dieser Arbeit vorgelegt, das heißt, es werden die
Untersuchungsinstrumente vorgestellt, das Untersuchungsdesign skizziert, die
Hypothesen und Fragestellungen dargestellt, die Verfahren der Auswertung
umrissen und zuletzt die Resultate dargelegt. Alle relevanten Ergebnisse werden
abschließend in Kapitel 6 interpretiert und diskutiert. Eine kritische Betrachtung der
Studie und eine Zusammenfassung bilden den Abschluss dieser Arbeit (Abschnitt
7. und 8.).

5
1. Mensch ­ Tier ­ Beziehung
Einige Konzepte aus der Ethologie und ihr verwandten Gebieten finden
Anwendung in Bezug auf die Betrachtungen der Mensch-Tier-Beziehung
(Turner, 2003). Dazu zählen unter anderem die Hypothesen rund um die Biophilie
und die Kommunikation ­ auf beide Konzepte wird in Folge näher eingegangen.
1.1. Biophilie als Grundlage der Mensch ­ Tier ­
Beziehung
Mit dem Wissen um die sogenannte Biophilie ermöglicht uns die Soziobiologie ein
besonderes Verständnis für die Verbundenheit zwischen Mensch und Natur.
Erstmals wurde der Begriff Biophilie von dem Psychologen Erich Fromm
verwendet. In seinem Werk Anatomie der menschlichen Destruktivität definiert
Fromm Biophilie als ,,...die leidenschaftliche Liebe zum Leben und allem
Lebendigen; sie ist der Wunsch, das Wachstum zu fördern, ob es sich nun um
einen Menschen, eine Pflanze, eine Idee oder eine soziale Gruppe
handelt" (Fromm, 1974, S. 331).
Der amerikanische Soziobiologe Edward O. Wilson hat die Bezeichnung
aufgegriffen und definiert 1984 Biophilie in seinem Buch Biophilia: The Human
Bond with Other Species als ,,...the innate tendency to focus on life and lifelike
processes." (Wilson 1984, S. 1). Er postuliert darin die These einer physischen,
emotionalen und kognitiven Hinwendung des Menschen zu allem Lebendigen, die
durch die evolutionäre Parallelentwicklung des Menschen mit der Tier- und
Pflanzenwelt entstanden ist. Mit anderen Worten: Wilson (1984) geht davon aus,
dass sich die Menschen in der Evolution stets gemeinsam mit anderen
Lebewesen entwickelt haben und sich so über Millionen Jahre hinweg eine
biologisch fundierte Affinität zum Leben und zur Natur entwickelt hat. Er gibt damit
dem bis dahin nur psychologisch definierten Begriff eine umfassendere Bedeutung,
da er auch Biologie und Ökologie mit einbezieht, um die Verbundenheit zwischen
Mensch und Natur zu beschreiben. 1993 halten Wilson und sein Kollege S.R.
Kellert aufgrund von Beobachtungen in einem gemeinsamen Sammelwerk fest,

6
dass Menschen sowohl das Bedürfnis haben, mit der Vielfalt von Lebewesen als
auch mit Landschaften, Ökosystemen und Habitaten in Verbindung zu treten. Im
selben Jahr noch fasst Kellert diese These einer umfassenden Form von
Verbundenheit zwischen Mensch und Natur in neun Perspektiven zusammen, die
seiner Meinung nach gegenwärtig die Mensch-Tier/Natur-Beziehungen
auszeichnen (Olbrich & Otterstedt, 2003). Jede Perspektive wird laut Kellert (1993)
sehr intensiv erlebt und hat ihren ganz spezifischen adaptiven Wert für den Erhalt
der eigenen Existenz, sowie für den Erhalt des ökologischen Systems:
1. Die utilitaristische Perspektive: Die Natur wird bewertet bezüglich
ihrer Nützlichkeit für das menschliche Überleben (Nahrung, Medizin,
Kleidung, Werkzeug,...);
2. Die naturalistische Perspektive: Erleben von Zufriedenheit durch
Naturkontakte; Neugier die Natur zu entdecken; Ehrfurcht vor dem
Leben;
3. Die ökologisch-wissenschaftliche Perspektive: Motivation die
Beschaffenheit der Natur präzise zu studieren und systematisch zu
erforschen zum Zweck des Wissenserwerbs und der Kontrolle von
Natur;
4. Die ästhetische Perspektive: Genuss der physischen Harmonie und
Schönheit der Natur und ihrer Lebewesen;
5. Die symbolische Perspektive: Bildung von Kategorien zur
Interpretation der Wirklichkeit; Verwendung von natürlichen
,,Codes" (Schemata) um die Kommunikation zu erleichtern
1. Die humanistische Perspektive: Tendenz zu Fürsorge, Altruismus
und Bindung aufgrund eines starken Verbundenheitsgefühls mit der
Natur;
2. Die moralistische Perspektive: Erleben von Gemeinsamkeit und
Verantwortlichkeit bis hin zu Ehrfurcht vor dem Leben;
3. Die dominierende Perspektive: Bedürfnis die Natur zu kontrollieren
und zu beherrschen;
4. Die negativistische Perspektive: Gefühle der Angst, Aversion und
Antipathie gegenüber verschiedenster Aspekte der Natur.

7
1997 betont Kellert in einem weiteren Werk noch einmal wie wichtig es für eine
gesunde Entwicklung des Menschen ist, seine laut Biophiliehypothese natürliche,
aus der evolutionären Entwicklungsgeschichte entstandenen Verbindung zu allem
Lebendigen aufrecht zu erhalten und zu pflegen. Auch Aaron H. Katcher und Alan
M. Beck beziehen sich laut Greiffenhagen (1991) in ihren medizinischen
Versuchen auf Wilsons Theorie, wo sie nachweisen, dass der menschliche
Blutdruck in Gegenwart von Tieren sinkt und dies von den Autoren dahingehend
interpretiert wird, dass die Anwesenheit von friedlichen Tieren ein evolutionär
bedingtes Sicherheitsgefühl auslöst.
Der US-amerikanische Humanökologe Paul Shepard (1993) geht der Frage nach,
ob es die spezielle Partnerschaft ist, die wir zu Tieren pflegen, die Wilson (1984)
die ,,angeborene Tendenz uns mit dem Leben zu verbinden" nennt. Für ihn sind
Haustiere von heute nur Überbleibsel aus einer Zeit, in der die Menschen noch
,,echten" Respekt vor den Tieren hatten. Nach Shepard (1993) ist das Halten von
Haustieren Ausdruck einer Sehnsucht nach Natur und Kompensation für etwas,
dass die Menschen stark vermissen. So sind für Shepard Haustiere nicht mehr als
Sklaven, die dem Willen ihres Besitzers unterworfen sind und er scheut auch
keine harten Worte, um seiner Meinung Kund zu tun:
,,Less than kindly euphemisms for ,,companion animals" come to mind ­ crutches
in a crippled society, candy bars, substitutes for necessary and nurturant others of
the earth, not simply simulations but overrefined, bereft of truly curative potency,
peons in the miasma of domesticated ecosystems." (Shepard 1993, S. 287)
Abschließend lässt sich sagen, dass unsere derzeitige Beziehung zu Tieren und
zu unserer lebenden Umwelt historisch gesehen einzigartig und durch zwei
extreme Positionen gekennzeichnet ist. Einerseits sind Tiere in diesem
Jahrhundert so nebensächlich geworden, wie nie zuvor. Gründe dafür gibt es
mehrere: Die Migration immer größer werdender Fraktionen der Population in
Städte, die Ablöse von Zugtieren, die Vertreibung von Produktionstieren aus den
Städten, die Mechanisierung der Landwirtschaft und die fortschreitende
Zerstörung der Wälder und der Wildnis. Auch ein unglaublich hohes Ausmaß an
Gewalt im Umgang Tieren (Massentierhaltung, Tiertransporte, Tierversuche,...) ist

8
zu verzeichnen. Auf der anderen Seite steigt das Interesse an Tier- und
Naturschutz stetig.
Eine Lösungsmöglichkeit gegen die ansteigende Entfremdung von der Welt
besteht nach Katcher und Wilkins (1993) darin, eine Verbindung zwischen
Erziehung beziehungsweise Bildung und direkten sensorischen Erfahrungen mit
der Natur herzustellen. Mit diesen Überlegungen stehen Katcher und Wilkins nicht
alleine da. Wenn man sich über die Bedeutung dieser Interaktion im Klaren ist, ist
es notwendig, Programme und Ideen zu generieren, die die Bindung zwischen
Mensch, Tier und Umwelt fördern. Lernt man, so Bustad (1996) für anderes Leben
zu sorgen, fördert man damit Kooperation, Einfühlungsvermögen und die
Fähigkeiten, die Bedürfnisse anderer zu erkennen und sich in angemessener Art
und Weise um sie zu kümmern. Bustad (1996) plädiert für eine Lehrplanänderung
im Schulsystem. Auch Erich Fromm (1973) ist der Meinung, dass sich uns in einer
Epoche zunehmender Umwelt- und Naturzerstörung die Frage nach den
Grundlagen der Erziehung neu stellt. Denn die Umwelt- und Naturzer-störung
zerstört nicht ,,nur" Umwelt und Natur, sondern auch die Grundlagen unseres
Menschseins und damit die Grundlagen jeder Erziehung und Sozialisation. Er sagt,
dass nur die ,,Liebe zum Leben" und die ,,Liebe zum Lebendigen" eine Umkehr von
der bedrohlichen Entwicklung der Menschheit einleiten kann. Diese ,,Liebe zum
Lebendigen", so betont er, ist auch die Grundlage für den Erziehungsprozess bei
jedem einzelnen Menschen (Huschke-Rhein, 1987).
.
Die Geburt des Projektes MTI folgt in gewisser Hinsicht diesem Aufruf und setzt
damit einen Schritt in diese von vielen Autoren gewünschte Richtung.

9
1.2. Kommunikation zwischen Mensch und Tier
Die Art der Kommunikation macht die Mensch-Tier-Beziehung unter anderem zu
etwas Außergewöhnlichen. Die Ausdrucksformen in der Mensch-Tier-
Kommunikation sind sehr vielschichtig und entsprechen in vielen Punkten der
einer zwischenmenschlichen Kommunikation. Allerdings gibt es einige
beachtenswerte und markante Merkmale der Mensch-Tier-Kommunikation. Dazu
gehört unter anderem die relativ schnelle Entwicklung einer Vertrautheit, die
sowohl emotionale Ausdrucksformen zulässt wie auch nahen Körperkontakt
(Otterstedt, 2003). Das wohl vordergründlichste Merkmal der Mensch-Tier-
Kommunikation ist allerdings, dass es sich um eine Form von Verständigung
,,ohne Worte" handelt (Rheinz, 1994). Tiere nehmen unsere Worte zwar wahr,
aber nicht den Inhalt unserer Äußerungen sondern wie sie gesprochen werden.
Tiere achten auf die nonverbalen Signale, das heißt Gesten, Blicke, Bewegungen
und Berührungen sind für sie ausschlaggebend. Die Kommunikationswissenschaft
spricht in diesem Fall von analoger Kommunikation (Watzlawick, 1996). Es ist die
Form von Kommunikation, mit der Bezogenheit zum Ausdruck gebracht wird. Ihr
gegenübergestellt wird die digitale Kommunikation (Watzlawick, 1996), welche nur
über verbale Sprache stattfindet und ausschließlich das Ziel verfolgt, Wissen zu
vermitteln beziehungsweise Informationen weiterzuleiten. Sie ist im Gegensatz zur
analogen Kommunikation bewusst steuerbar und somit manipulierbar (Bauer,
2003).
Wenn Tiere nur auf die analogen Anteile unserer Kommunikation reagieren, wird
verständlich, weshalb ein Umgang mit ihnen sehr förderlich sein kann. Sie fordern
den Menschen zu einer echten, authentischen Kommunikation heraus und
verlangen damit von ihrer Bezugperson eine stimmige Bezogenheit
(Olbrich, 2003). Ziel ist es letztendlich beim Menschen die digitalen und die
analogen Anteile der Kommunikation in Einklang zu bringen. Eine in diesem Sinne
ausgewogene Kommunikation ermöglicht, dass sich eine Person selbst einfach
und wahr erfahren kann und sich auf diese Weise auch mit ihrem Gegenüber
austauschen kann (Olbrich, 2003).

10
1.3. Der Hund als besonderer Wegbegleiter des
Menschen
,,Aber es ist eben so, dass es kein Tier auf der Welt gibt, das in den
Grundelementen seines Wesens den wesensmäßigen Grundelementen des
Menschen so den Spiegel vors Gesicht hält." (Trumler, 2007, S. 209). Im Rahmen
der Multiprofessionellen Tiergestützten Intervention (MTI) zur Förderung sozialer,
emotionaler und anderer Kompetenzen wurde an einer Wiener Volkschule ein
speziell ausgebildeter Agility-, Therapie- und Begleithund als Co-Trainer
eingesetzt.
Mit dieser und den vielen Arbeiten, die in jüngster Vergangenheit zu dem Thema
und Projekt ,,Multiprofessionelle tiergestützte Intervention" an der Fakultät für
Psychologie verfasst wurden, steigen die Chancen und Hoffnungen, tiergestützte
Arbeit als Gesundheitsförderungsmaßnahme im Schulbereich zu etablieren. Neue
wissenschaftliche Studien versuchen, die einzigartige Beziehung zwischen
Mensch und Hund zu entschlüsseln und können damit möglicherweise einen
weiteren wichtigen Beitrag zur Erreichung dieses Zieles liefern. Auch gilt es, sich
in Erinnerung zu rufen, dass laut IAHAIO - International Association of Human-
Animal Interaction Organisation (2007) der Einsatz von domestizierten Tieren (z.B.
Hund) dem Einsatz von nicht domestizierten Tieren (z.B. Delphin) vorzuziehen ist,
da sie in ihrem natürlichen Lebensstil nicht so stark eingeschränkt werden. Einige
(neue) Erkenntnisse rund um den Hund sollen in Folge vorgestellt werden, um
ersichtlich zu machen, wie sehr diese Tiere für das Zusammenarbeiten und -leben
mit dem Menschen geeignet sind.
Die Wortschöpfung für den Hund, Canis familiaris, geht auf den schwedischen
Naturforscher Carl von Linné zurück, der mit der so genannten binären
Nomenklatur eine neue systematische Einteilung von Lebewesen ermöglichte. Die
Schätzungen über das tatsächliche Alter des Hundes beruhen derzeit auf vielen
Spekulationen. Die Belege für die Existenz von Hunden reichen genau 14 000
Jahre zurück und nicht weiter (Schönberger, 2006). Die Domestikation des Wolfes
gründet sich, darüber ist man sich mittlerweile einigermaßen einig, wohl kaum auf
einer Planung des Menschen, sondern man geht davon aus, dass Mensch und
Wolf sich aufgrund von harmonierenden sozialen Grundmustern gefunden haben

11
(Schönberger, 2006). Hunde sind nach Hare und Tomasello (2005) besonders gut
darin, soziales und kommunikatives Verhalten von Menschen zu erfassen
beziehungsweise zu ,,lesen".
1.3.1. Kommunikation zwischen Mensch und Hund
Besonderes Augenmerk wird seit einiger Zeit auf die zwischenartliche
Kommunikation gelegt, wie unter anderem von Serpell (1983), der sich
eingehender mit der Mensch-Hund-Beziehung auseinandersetzt. Gefragt wird
auch - in den letzten Jahren sogar besonders intensiv - danach, welche Signale
Tiere während den Interaktionen mit ihren Besitzern einsetzen (Feddersen-
Petersen 2003; Rugaas 2001) und welche Signale speziell für die Interaktion mit
dem Menschen modifiziert und durch Selektion genetisch verankert wurden (Hare
& Tomasello 2005; Miklósi et. al. 2005; Schönberger 2006). Kommunikation ist
eine Chronologie lautlicher, verbaler und nonverbaler Kommunikationselemente.
Eine der erfolgreichsten Methoden der Kommunikation in der Mensch-Tier-
Beziehung ist die Beobachtung des anderen, das bedingte Nachahmen seiner
Kommunikationselemente und die Beobachtung seiner Reaktion auf diese
Nachahmung (Otterstedt, 2003). Neuere Studien (Kubinyi et al., 2003; Miklósi &
Soproni, 2005) deuten darauf hin, dass eine grundsätzliche Tendenz bei Hunden
vorhanden ist, den Menschen zu beobachten und Informationen aus seinem
Verhalten zu beziehen. Sie könnten dazu bestimmt sein, menschliches Verhalten
zu kopieren und tun dies sogar dann, wenn ihnen dadurch Nachteile entstehen.
Für Miklósi (zit. nach Schönberger 2006) ist der Mensch für den Hund als
,,Mediator" tätig. Eines der Experimente konnte demonstrieren, dass Hunde zu
einem hohen Maße über die Fähigkeit verfügen, von ihrem Besitzer zu lernen,
auch wenn sie dafür nicht postwendend belohnt werden. Damit wird ein altes
Erklärungsmodell ins Schwanken gebracht, wonach sich das Verhalten der Hunde
als bloße Reaktion auf konkrete Reize deuten lässt.
Der Hund musste sich, durch Eintritt in die komplexe Welt des Menschen, in
dieser zurechtfinden und sich Gewohnheiten einer für ihn fremden Kultur
unterordnen. Die Gesetzmäßigkeiten der menschlichen Welt sind für einen Hund
nicht nachvollziehbar, deshalb ist er auf der sicheren Seite, wenn er sich im

12
Zweifelsfall an den Menschen hält. Auch die gut organisierte soziale Hierarchie
der Wölfe setzt die Fähigkeit voraus, anderen Rudelmitgliedern zu folgen.
Domestizierte Hunde haben diese Veranlagung scheinbar behalten und haben sie
auf ihre menschlichen Begleiter ausgeweitet, denn es wäre für sie unvorteilhaft,
sich nicht wie Menschen zu verhalten (Schönberger, 2006).
Das Lernen durch Beobachtung dürfte dem Hund die Integration und das
Überleben im menschlichen Umfeld ermöglicht haben. Hunde besitzen die
Fähigkeit, menschliches Verhalten präzise zu deuten (Miklósi & Soproni, 2005)
und haben so eine feine Wahrnehmung für Signale der Bedrohung
(Rugaas, 2001). Weiters scheint es, dass Hunde den Menschen nicht nur imitieren
sondern dass sie auch mit ihm kooperieren. Die Bereitschaft und Fähigkeit zur
Kooperation mit dem Menschen und zur Abstimmung des eigenen Verhaltens auf
das seine scheint im Hund tief verwurzelt zu sein. Hunde können scheinbar ihr
Verhalten so organisieren, dass es kompatibel ist mit dem Verhalten ihrer
Bezugspersonen (Hare & Tomasello, 2005).
Nach Miklósi und Soproni (2005) sind Hunde eindeutig in der Lage, menschliche
Gesten des Zeigens zu verstehen und völlig richtig zu interpretieren und es
besteht kein Zweifel, dass Hunde und Menschen lernen können, erfolgreich
miteinander zu kommunizieren. Weiters hat sich herausgestellt, dass Hunde die
Zeigegesten nicht nur verstehen, sondern auch deren Zuverlässigkeit nicht
anzweifeln. Überprüft wurde diese Annahme in dem die kommunikative Geste des
Menschen und der Geruchssinn des Hundes in Konflikt gebracht wurden. Es
zeigte sich, dass der olfaktorische Hinweis nicht genug war, um sich gegenüber
der Tendenz menschlichen Gesten zu folgen, durchzusetzen. Es scheint, dass
sich Hunde im Fall von widersprüchlichen Hinweisen gerne auf die Signale des
Menschen verlassen. Es stellt sich die Frage, warum gerade Hunde bestimmte
Formen menschlicher Kommunikation so gut verstehen.
Im Vergleich zu Schimpansen und Wölfen haben Hunde bewiesener Maßen weit
aus weniger Übersetzungsschwierigkeiten mit menschlichen Ausdrucksweisen.
Hare und Tomasello (2005) erklären diese Tatsache damit, dass sich die sozialen
Fähigkeiten der Hunde über viele tausende Jahre während des Prozesses der
Domestikation entwickelt haben.

13
Die Eingliederung des Hundes in die menschliche Gesellschaft verbunden mit
einem genetischen Wandel, haben sehr wahrscheinlich jene soziale Kompetenzen
begünstigt und ausgeprägt, die eine effektive Kommunikation zwischen Mensch
und Hund ermöglichen.
Wenn Hunde in die Lage gebracht wurden, ihrem Besitzer zeigen zu müssen, wo
es Futter gibt, beobachteten Hare (1998 zitiert nach Schönberger 2006) bei den
Tieren ein komplexes System der Benachrichtigung in Form einer gezielt
eingesetzten Choreographie aus Bellen, Blicken und Blickwechseln. Diese höhere
Form der Kommunikation, die einen Informationsaustausch mit dem Menschen
ermöglicht, dürfte sich, wie bereits erwähnt, im Zuge der Domestikation entwickelt
haben. Sie dient als effektive Strategie für ein annehmliches Leben unter
Menschen.
Auch die Sprache des Menschen ist von Bedeutung für Hunde und hat großen
Einfluss auf sie. Hunde dürften ziemlich feine Antennen für semantische und
emotionale Nuancen haben. (Pongrácz et al. 2004; Rugaas 2001). Die Studie von
Pongrácz et al. (2004) deutet an, dass sich Hunde in manchen Situationen mehr
auf die sozialen und kommunikativen Signale (vor allem auf die Sprache) ihres
menschlichen Partners verlassen, als auf ihre Nase.
Da in Zukunft möglicherweise oder hoffentlich vermehrt Tiere in den
Schulunterricht miteinbezogen werden, ist es für die Personen, die sich dafür
entschließen, mit einem Tier zu arbeiten, erforderlich und unumgänglich sich mit
dessen Attributen auseinanderzusetzen.
Deshalb soll abschließend kurz die Kommunikation unter Hunden etwas näher
betrachtet werden. Hunde setzen viele ihrer Signale auch Menschen gegenüber
ein und dieser kann sich diese Signale wiederum für eine bessere Kommunikation
mit dem Vierbeiner zu Eigen machen.
Hunde kommunizieren über ihr Ausdrucksverhalten, welches mit unserer analogen
Kommunikation vergleichbar ist und mehr oder weniger abstammungsähnlich.
Unter Hunden herrscht eine interaktionale Kommunikation vor. Das bedeutet Co-
Orientierung: Sender und Empfänger sind nicht beliebige, sondern ganz
bestimmte Individuen, die sich einander so zuwenden, dass die bestmögliche
Ausnutzung der kommunikativen Übertragungskanäle garantiert ist. Hunde sind

14
dazu fähig, sehr differenziert über verschiedene Kanäle ihres Ausdrucksverhaltens
ganzheitlich zu kommunizieren. Die einzelnen Kanäle des hundlichen
Ausdrucksverhaltens sind (Feddersen-Petersen 2003):
a) Visuelle Kommunikation. Grundsätzlich kommunizieren Hunde sehr
ausgeprägt im optischen Bereich und verfügen über eine
differenzierte Signalmotorik, allerdings kam es im Laufe der
Domestikation (Züchtung) zu einer Reduktion mimischer und
gestischer Signale. Die hoch nuancierte optische Kommunikation der
Wölfe ist beim Haushund weniger stark bis kaum ausgeprägt.
b) Akustische Kommunikation. Bellen ist unter Haushunden viel
häufiger zu verzeichnen als unter Wildcaniden. Man geht davon aus,
dass das Bellen bei Haushunden eine zunehmende Differenzierung
erfährt, als Anpassung an den sich primär verbal verständigenden
Menschen. Das Bellen hat sich in seiner Struktur und Funktion im
Laufe der Domestikation verändert und dient dem Hund offenbar
exzellent für ein Zusammenleben mit dem Mensch.
c) Olfaktorische Kommunikation. Kot, Urin und Sekrete der
Zirkumanaldrüsen werden von Hunden als Träger olfaktorischer
Signale eingesetzt. Sie dienen der territorialen Besitzanzeige sowie
dem Anzeigen des Ranges. Zu den biologischen Funktionen des
Geruchsinns gehören Ernährung, Fortpflanzung und Sozialverhalten
sowie das Erkennen von Reviergrenzen und die Möglichkeit einer
Orientierung im Gelände. Für die Langzeitkommunikation ist der
Geruchssinn sozusagen verpflichtend.
d) Taktile Kommunikation. Unter Bindungspartnern spielt die taktile
Kommunikation eine wichtige Rolle. Hunde verbringen viel Zeit mit
gegenseitigem Lecken. Taktile Kommunikation kommt aber auch oft
bei Rangauseinandersetzungen zum Einsatz. Da diese Form von
Kommunikation eine große Rolle spielt, sollte die Hand in der
tiergerechten Mensch-Hund-Kommunikation mehr, im Sinne von
streicheln etc., genutzt werden.

15
Probleme in der Hund-Mensch-Kommunikation basieren häufig auf unbedachtem
und inkonsequentem Ausdrucksverhalten seitens der Menschen
(Feddersen-Petersen 2003).
Die norwegische Hundetrainerin Turid Rugaas (2001) beschäftigt sich seit vielen
Jahren mit der nonverbalen Verständigung unter Hunden und vor allem mit deren
Beschwichtigungssignalen
(engl.:
calming
signals).
Hunde
setzen
beschwichtigende Signale als Vorbeugungsmaßnahmen ein, um Konflikte im
Voraus abzuwehren und/beziehungsweise um frühzeitig zu verhindern, dass eine
Situation eskaliert. Die Signale dienen sowohl zur Beruhigung aller Beteiligten als
auch zur eigenen Beschwichtigung. Hunde, die während ihres Aufwachsens
normale Möglichkeiten hatten, ihre ,,Sprache" zu entwickeln, sind in der Regel
sozialverträgliche Tiere mit der Fähigkeit, Konflikte zu lösen. Wenn nicht der Fall
eintritt, dass Hunde, meist durch Bestrafung von Menschen, ihre Sprache verloren
haben, so ist ihr Sozialverhalten zu einem großen Teil durch Konfliktvermeidung
bestimmt.
Es gilt zu unterscheiden zwischen distanzfordernden Signalen und
beschwichtigenden Signalen. Erstere beinhalten Drohgebärden (Zähnefletschen,
Knurren, Bellen,...) und dienen dazu, das Unbehagen auslösende Element auf
Abstand zu halten. Bevor es allerdings zum Einsatz dieser Signale kommt,
versuchen Hunde den Bedroher zu beschwichtigen. Es ist für einen Hund
wichtiger, einen möglichen Konflikt zu vermeiden als zu gehorchen
(Rugaas, 2001).
Die häufigsten Beschwichtigungssignale von Hunden sind Kopf abwenden,
Gebrauch der Augen (hastiges blinzeln; verkürzter Blick, Sich abwenden (Flanke
oder Hinterteil zudrehen), Nase lecken, Erstarren/Einfrieren, langsame
Bewegungen, Wedeln, Vorderkörpertiefstellung, Hinsetzen, Hinlegen, Gähnen, im
Bogen gehen, am Boden schnüffeln und Dazwischengehen. Viele Hunde trauen
sich gar nicht mehr beziehungsweise haben es verlernt, ihre natürlichen
Beschwichtigungssignale einzusetzen, weil sie für deren Einsatz häufig Strafen
geerntet haben. Dabei ist es für jede Tierart, den Menschen eingeschlossen,
unglaublich wichtig, die eigene Sprache zu benutzen, denn ohne sie ist man
ziemlich hilflos (Rugaas, 2001).

16
Abschliessend lässt sich sagen, dass für eine erfolgreiche Zusammenarbeit
zwischen Mensch und Hund sind die Qualität ihrer Beziehung, ihre Bindung und
die gegenseitige Bereitwilligkeit zu kommunizieren entscheidend. Verständigung,
Verständnis, Vertrauen und Verbundenheit bilden das Fundament für eine
Bindung zwischen Mensch und Hund. Sind diese Voraussetzungen gegeben, wird
der Hund das Vertrauen haben, seiner Bezugsperson sein Befinden zu
kommunizieren. Nun liegt es am Menschen, ob er die Signale des Hundes
wahrnimmt und richtig deutet (Rauschenfels & Otterstedt, 2003).
2. Der Einsatz des Tieres zum Wohle des
Menschen
Seit geraumer Zeit werden Tiere erfolgreich in pädagogischen, sozialen und
therapeutischen Projekten eingesetzt (Olbrich & Otterstedt, 2003). Zahlreiche
empirische Studien belegen wie weit gefächert der Einfluss von Tieren auf die
menschliche Gesundheit ist. McCulloch (1983) liefert einen theoretischen
Rahmen, in welchem die hilfreichen Effekte, welche Tiere auf Menschen haben
können, kategorisiert werden. Nach seinem Modell (Biopsychosoziales Modell)
werden zwischen physischen/physiologischen, psychologischen und sozialen
Wirkungen von Tieren auf Menschen unterschieden. Sein Modell stellt auch die
Basis des MTI -Konzeptes dar (Stetina, Handlos & Kryspin-Exner, 2005). Viele
Arbeiten sind an der Fakultät für Psychologie in Wien in den vergangenen
Monaten zu dem Thema ,,Mensch-Tier-Beziehung" verfasst worden, weshalb hier
bewusst auf eine detaillierte Auflistung der betreffenden Studien verzichtet wurde.
Es soll allerdings auf einige dieser Arbeiten verwiesen werden: Burger, 2007;
Sinabell, 2007; Turner 2007.
Es scheint, als sehnten sich die Menschen in einer zunehmend technologisierten
Welt immer häufiger nach etwas ,,Ursprünglichem" oder Authentischem zurück.
Denn nicht nur die Welt generell wird immer digitaler, auch unsere
Kommunikation gerät in Gefahr, immer ,,unechter" zu werden. Tiere können
helfen, die Kommunikation zu verbessern. Sie fordern uns dazu heraus,

17
authentisch zu kommunizieren, weil für sie eine andere Art von Kommunikation
gar nicht möglich ist (Olbrich, 2003).
2.2. Begriffsabgrenzung
Die Begriffe der tiergestützten Therapie stammen aus der angloamerikanischen
Fachliteratur, da tiergestützte Sozialisationen und Therapien zuerst in
angelsächsischen Staaten erprobt und angewandt wurden (Greiffenhagen, 1991).
Unter tiergestützter Therapie werden alle Arten von Therapien zusammengefasst,
in denen in irgendeiner Form Tiere eingesetzt werden. Der Begriff "tiergestützt"
macht deutlich, dass die eingesetzten Tiere den Therapeuten oder die
Therapeutin nicht ersetzen sollen, sondern eine unterstützende Rolle, im Sinne
von Co-Therapeuten, in seiner oder ihrer Arbeit übernehmen (Chandler, 2005).
Die tiergestützte Therapie (engl.: Animal Assisted Therapy beziehungsweise AAT)
wird in der Fachliteratur von den tiergestützten Aktivitäten (engl.: Animal Assisted
Activities beziehungsweise AAA) abgegrenzt (Delta Society, 2008):
AAA (Animal Assisted Activities) beziehungsweise tiergestützte Aktivitäten
beinhalten zielgerichtete Aktivitäten mit Zuhilfenahme der Mensch-Tier-
Verbindung, um die Lebensqualität der Patienten zu verbessern. Sowohl das Tier
als auch sein Besitzer sollten trainiert sein. Die Aktivitäten sind zwar unter
Umständen ,,therapeutisch", werden allerdings nicht, wie in der AAT, von einem
ausgebildeten Therapeuten in die Wege geleitet. Normalerweise beinhalten AAA
solche Besuchsprogramme (z.B. Tierbesuche in Altenheimen), die spielerische
Aktivitäten mit Tieren oder Wissensvermittlung über das eingesetzte Tier anbieten.
AAT (Animal Assisted Therapy) beziehungsweise tiergestützte Therapie
verwendet die Mensch-Tier-Verbindung, um zielgerichtete Interventionen
durchzuführen. Das Tier ist in diesem Fall fixer Bestandteil des therapeutischen
Prozesses. Tiergestützte Therapie wird nur von speziell ausgebildeten Menschen
aus dem Gesundheits- oder Sozialbereich ausgeführt. Zu ihrer Arbeit gehört es,
therapeutische Ziele zu setzen, die Interaktion zwischen Mensch und Tier zu

18
überwachen und zu begleiten, den Erfolg des Prozesses in Bezug auf die
gesetzten Ziele kontinuierlich zu überprüfen, sowie letztendlich das Programm zu
evaluieren. Mit Hilfe des Tieres soll der Mensch gezielt psychisch, physisch oder
sozial gefördert werden. AAT Sessions können sowohl in Gruppen- als auch in
Einzeltherapie integriert werden.
2.3. Historischer Abriss
Bereits im 8. Jahrhundert wurden in Belgien Tiere gezielt für therapeutische
Zwecke eingesetzt. Dort wurde die so genannte "therapie naturelle" durchgeführt,
bei der sozioökonomisch benachteiligte Menschen durch die Arbeit mit Tieren auf
dem Land eine bessere Lebensbasis und höhere Lebenszufriedenheit erlangen
sollten. Aber auch psychiatrische beziehungsweise sozialtherapeutische
Einrichtungen, wie zum Beispiel das ,,York Retreat" in England (1792) oder
,,Bethel" in Deutschland (1867) integrierten die Versorgung von Tieren und die
emotionale Bindung der Patienten zu ihnen in ihre Arbeit. Das Problem war, dass
diese ersten Versuche nicht dokumentiert wurden und somit für die Wissenschaft
ohne Bedeutung waren und schnell in Vergessenheit geraten sind
(McCulloch, 1983; Greiffenhagen, 1991).
Die wissenschaftliche Erforschung der therapeutischen Effekte von Tieren beginnt
Mitte des 20. Jahrhunderts. Der amerikanische Kinderpsychiater Boris Levinson
berichtet 1961 von seinen persönlichen Erfahrungen, die er mit seinem Hund in
seiner Praxis macht. Der Hund, so Levinson (1962), erwies sich des Öfteren als
erster Ansprechpartner für viele Kinder und so erkannte der Kinderpsychiater
relativ bald, dass sich Tiere gut als ,,soziale Katalysatoren" eignen. Tiere treten
dem Menschen unvoreingenommen gegenüber, werten und urteilen nicht und
bieten damit vielen Menschen (aber vor allem Kindern), die das Vertrauen in
andere Menschen verloren haben, die Chance zu lernen, sich wieder zu öffnen.
Nach Levinson (1962) können über das zwischengeschaltete Medium Tier eigene
Befindlichkeiten und Belastungen leichter verbalisiert und somit einer Bearbeitung
leichter zugänglich gemacht werden. Levinsons Veröffentlichungen stellen somit
den Startschuss für die Erforschung eines neuen Wissenschaftszweiges, der

19
,,Mensch-Tier-Beziehung" dar. So erschien kurze Zeit später die beeindruckende
Studie von dem Psychologenehepaar Sam und Elisabeth Corson (1975) über die
positive Wirkung von Tieren auf psychiatrische Patienten, gefolgt von den
erstaunlichen Berichten von Friedmann, Katcher, Lynch und Thomas (1980) über
die besseren Überlebenschancen von Patienten nach Herzinfarkten, wenn diese
ein Haustier besitzen. So wie Levinson stellen auch die Corsons fest, dass Tiere
die Rolle als ,,sozialer Katalysator" übernehmen können
(Fine, 2000; Greiffenhagen, 1991; McCulloch, 1983).
In den 70er Jahren entstanden vor allem in den USA, in England und Kanada
immer mehr Organisationen, die tiergestützte Aktivitäten (Animal Assisted
Activities) anboten. Schließlich gründete sich 1989 in den USA die ,,Delta
Society" durch den Zusammenschluss diverser Berufsgruppen (Zoologen,
Tierärzte, Psychologen,...), die seither Programme der AAA und der AAT
erarbeitet und evaluiert. Als Dachverband wurde 1992 die ,,International
Association of Human-Animal Interaction Organisation" (kurz: IAHAIO) ins Leben
gerufen, der mittlerweile Organisationen aus allen fünf Kontinenten angehören. In
Österreich etablierte sich 1977 das ,,Institut für interdisziplinäre Erforschung der
Mensch-Tier-Beziehung" (kurz: IEMT), mit der Zielsetzung, die Erkenntnisse von
Konrad Lorenz und anderen Wissenschaftlern zu erweitern, sie der Öffentlichkeit
bekannt zu machen und deren praktische Anwendung zu fördern (Bauer, 2003).
Heute werden Tiere auf der ganzen Welt in unzähligen von Programmen
eingesetzt. Es sollen in Folge drei sehr beliebte Formen tiergestützter Therapie
vorgestellt werden. Jede Therapieform könnte eine Arbeit an sich darstellen,
weshalb nur ein begrenzter Überblick möglich ist.

20
2.4. Einsatzbereiche
2.4.1. Therapeutisches Reiten
Therapeutisches Reiten ist die Form der tiergestützten Therapie, die schon am
längsten in Europa durchgeführt wird. Die Wurzeln des Therapeutischen Reitens
liegen in zahlreichen ärztlichen Zeugnissen des 16. bis 18. Jahrhunderts, die
wiederholt eine Gesundheit erhaltende als auch eine gesundheitsfördernde
Wirkung des Reitens postulieren. Somit stand das therapeutische Reiten anfangs
noch weitgehend unter medizinisch-bewegungstherapeutischen Aspekten. Die
heilende Wirkung von Pferden ist also im Vergleich zu anderen tiergestützten
Therapien in Deutschland und Österreich schon lange bekannt. Deutschland hat
sogar eine Vorreiterrolle auf diesem Gebiet (Greiffenhagen, 1991; Fitzpatrick &
Tebay, 1998). Das Pferd hat sich im Laufe der Jahre unter den Menschen den
wahrscheinlich höchsten Rang in der sozialen und emotionalen Wertschätzung
von Tieren erobert. Die sehr sympathische Natur und die schöne Gestalt dieser
Tiere haben sicher viel dazu beigetragen. Weiters sind Pferde als Fluchttiere nicht
aggressiv und können berechtigterweise als große Kuscheltiere beschrieben
werden, da sie sehr auf Pflege und Fürsorge angewiesen sind
(Greiffenhagen, 1991). Weiters sind sie in ihrem Verhalten überwiegend konstant
und verlässlich und somit gut in Erziehungsprozesse integrierbar. Pferde haben
ein ausgesprochen feines Gespür für Stimme und Stimmungen und reagieren
schnell auf falsche Behandlung, wodurch sie die Menschen um sie herum zum
Handeln und Reagieren auffordern (Gäng, 2004). Das Pferd ,,...spiegelt in einem
multidimensionalen Bewegungs- und Beziehungsdialog die Echtheit oder auch die
Nicht-Echtheit des Beziehungsangebots des Menschen einschließlich seiner
unbewussten Anteile." (Scheidhacker, 2003, S. 177).
Im Jahre 1978 erschien in der Zeitschrift ,,Praxis der Psychomotorik" ein Artikel, in
dem die fachliche Ausrichtung des therapeutischen Reitens in die drei Bereiche,
Hippotherapie (medizinischer Bereich), Heilpädagogisches Voltigieren und Reiten
(pädagogischer Bereich) und Reiten (sportlicher Bereich) für Behinderte
beschrieben und definiert wurde
(Deutsches Kuratorium für therapeutisches Reiten, 2007).

21
2.4.1.1. Hippotherapie
Bei der Hippotherapie steht die medizinische Verwendung des Pferdes im
Vordergrund, denn sie basiert in erster Linie auf einem Transfer von Bewegungen
von Pferd zu Patient (Fitzpatrick & Tebay, 1998). Allerdings kann und wird über
diese Bewegungsübertragung (aber auch aufgrund anderer Faktoren) die Psyche
des Patienten angesprochen beziehungsweise beeinflusst. Basierend auf jenen
Erfahrungen/Überlegungen definiert die American Hippotherapy Association (AHA)
Hippotherapie folgendermaßen:
,,Hippotherapy is used primarily to achieve physical goals but may also effect
psychological, cognitive, behavioral and communication outcomes. "
(AHA, 1995 zitiert nach Fitzpatrick & Tebay, 1998, S. ).
Zurück den Faktoren, die, neben der Bewegungsübertragung, dem Menschen von
Nutzen sein können. Das Vertrauen zu einem so großen und imponierenden Tier
herzustellen, ist mit Sicherheit eine wichtige und große Erfahrung für jeden
Klienten. Zu den Hauptzielen in der equine-assisted psychotherapy zählen unter
anderem die Ego-Stärkung und der Aufbau beziehungsweise die Stärkung von
Selbstbewusstsein und sozialer Kompetenz (Fitzpatrick & Tebay, 1998). Pferde
zeichnen sich Menschen gegenüber durch Zurückhaltung aus, doch es ist genau
diese Eigenschaft, die sozial beeinträchtigten Menschen (vor allem Kindern) eine
Chance bietet zu wachsen, denn für eine Beziehung bedarf es einem gewissen
Ausmaß an Einfühlungsvermögen und aktivem Beobachten. Der Umgang mit
Pferden
kann
also
unter
Umständen
dazu
beitragen,
positive
Sozialisationsprozesse anzukurbeln und Störungen zu beheben, in dem das
Bedürfnis nach positiver Zuwendung befriedigt wird und soziale Fertigkeiten
trainiert werden (Baum, 1981 zit. nach Gäng, 2004). Das Pferd bietet weit mehr
als nur seinen Körper an. Alle Ausdrucksformen wie Körperhaltung, Gestik, Mimik
und Stimmäußerungen sind bei einem Zusammentreffen beteiligt und somit wird
der Mensch direkt zu einer emotionalen und verbalen Kontaktaufnahme und
Auseinandersetzung herausgefordert (Gäng, 2004). Es bietet sich im Umgang mit
Tieren die Möglichkeit, Körperbewusstsein zu entwickeln, das wiederum eine

22
Grundform des Selbstbewusstseins darstellt (Gäng, 2004). Die dreidimensionale,
diagonal verlaufende Bewegung des Pferdes spielt eine entscheidende Rolle,
denn sie kommt der menschlichen Bewegungsform sehr nahe und kann
demzufolge Prozesse in Gang bringen beziehungsweise unterstützen, die zum
Beispiel bei Multiple-Sklerose-Kranken oder Spastikern nicht vorhanden oder
unterentwickelt sind (Tauffkirchen 1992 zit. nach Fitzpatrick & Tebay, 1998). Das
ist einer der großen Vorteile bei der Arbeit mit Pferden: Der Körperkontakt ist einer
der dichtesten im Rahmen von Therapien mit Tieren (Greiffenhagen, 1991).
Ausschließlich
diplomierte
Physiotherapeuten
mit
abgeschlossener
Zusatzausbildung in der Hippotherapie dürfen in dieser Weise arbeiten. Diese
Behandlung muss ärztlich verordnet, für den Patienten individuell angepasst und
dem Therapieplan entsprechend aufgebaut sein. Wie bereits erwähnt, ist einer der
Hauptpunkte, der AAT von AAA unterscheidet jener, dass bei AAT zielgerichtet
gearbeitet wird. Dies wird auch in der Literatur zum Thema Hippotherapie
wiederholt betont: ,,If the evaluation indicates that the client is a candidate for
hippotherapy, the equine-based treatment programm is planned and initial goals
are established. (...). The therapist sets the client goals and decides how the client
and horse will interact to achieve those goals. "(Fitzpatrick & Tebay, 1998, S. 49).
2.4.1.2. Heilpädagogisches Voltigieren/Reiten (HPV/R)
Unter dem Begriff Heilpädagogisches Reiten und Voltigieren werden vornehmlich
pädagogische,
psychologische,
psychotherapeutische,
rehabilitative
und
soziointegrative Angebote mit Hilfe des Pferdes bei Kindern, Jugendlichen und
Erwachsenen
mit
verschiedenen
Behinderungen
oder
Störungen
zusammengefasst (Gäng, 2004). Beim heilpädagogischen Voltigieren/Reiten
(HPV/R) steht die individuelle Förderung über das Medium Pferd im Vordergrund,
das heißt vor allem eine günstige Beeinflussung der Entwicklung, des Befindens
und des Verhaltens. Beim HPV/R wird der Mensch ganzheitlich, sprich körperlich,
emotional, geistig und sozial gefördert (Gäng, 2004). HPV/R ist demnach eine
sehr komplexe Maßnahme, da der Mensch intensiv über alle Sinne auf mehreren
Ebenen angesprochen wird. HPV/R verfolgt Ziele im motorischen (z.B.

23
Verbesserung der Eigenwahrnehmung als Grundvoraussetzung für den Aufbau
eines
Körperschemas),
im
emotional-kognitiven
(z.B.
Stärkung
des
Selbstwertgefühls und des Vertrauens in die eigene Leistungsfähigkeit) und im
sozialen Bereich (z.B. Anerkennen und Einhalten gemeinsam erstellter Regeln)
(Gäng, 2004). Wie bei allen Formen der tiergestützten Therapie ist auch das Pferd
nur als "Co-Therapeut" zu sehen. Es nimmt jeden so an, wie er ist, wertet nicht
und ist frei von Vorurteilen. Es reagiert aber sehr wohl artgerecht und spontan auf
gute oder schlechte Behandlung und setzt somit natürliche Grenzen (Gäng, 2004).
Auch HPV/R darf nur von ausgebildeten Personen (HeilpädagogInnen,
PsychologInnen, SonderpädagogInnen etc. mit Zusatzausbildung im HPV/R) auf
einem speziell ausgebildeten Therapiepferd durchgeführt werden, um
größtmögliche Erfolge und minimalstes Risiko zu gewährleisten (Österreichisches
Kuratorium für therapeutisches Reiten, 2007). Als ,,Vater des heilpädagogischen
Voltigierens" ist Antonius Kröger zu nennen, dessen Artikel ,,Mit Pferden
erziehen" bereits 1969 veröffentlicht wurde. Für Kröger (1989 zitiert nach
Greiffenhagen 1991) gibt es kein besseres Medium als das Pferd, das Motivation
zum und Freude am Lernen erzeugt. Das Pferd besitzt über die Fähigkeit
Selbstsicherheit zu geben, da es am Menschen liegt, das Pferd zu beruhigen, das
heißt ihm den Fluchtimpuls zu nehmen und somit sich selbst in eine sichere Lage
zu bringen. Diese Erfahrung, als kleiner Mensch ein so großes Tier
beschwichtigen zu können, ist von essentieller Bedeutung (Greiffenhagen, 1991).
2.4.1.3. Behindertenreiten
Der Behindertenreitsport bildet den dritten Bereich des therapeutischen Reitens
und kann sowohl als Freizeitbeschäftigung als auch als Leistungssport betrieben
werden. Wenn die entsprechenden Hilfsmittel eingesetzt werden, sind im
Behindertenreitsport alle Formen des Reitens (Dressur, Gelände, Springen)
möglich. Reitlehrer oder Reitlehrerinnen sollten geschult sein, was die Bedürfnisse
von Reitern mit Behinderungen betrifft, um angemessene Hilfsmittel oder
Lehrmethoden einsetzen zu können (Eltze 1995 zitiert nach Bauer 2003).

24
2.4.2. Delphintherapie
Delphintherapie ist eine interdisziplinäre Therapieform (rehabilitative Therapie,
Pädagogik, und Psychologie) die über den Einsatz von Delphinen
1
versucht,
geistig und körperlich behinderten Menschen (vor allem Kindern) in ihrer
Entwicklung weiterzuhelfen (Weitzmann, 2006). Häufige Berichte in den Medien
und viele positive Publikationen zum Erfolg der Delphintherapie lassen vermuten,
dass diese Form der tiergestützten Therapie besonders erfolgreich ist. Allerdings
konnte bis heute nicht bewiesen werden, dass eine Therapie mit Delphinen
bessere Resultate erzielt als die Therapie mit domestizierten Tieren. Auch liegen
bis jetzt keine gesicherten wissenschaftlichen Erkenntnisse vor, die einen
nachhaltigen Erfolg von Delphintherapien beweisen. Es gibt sogar eine Hand voll
Argumente die gegen den Einsatz von Delphinen als CO-Therapeuten sprechen.
Bevor diese genannt werden, soll diese sehr populär gewordene Therapieform
zunächst vorgestellt werden.
Die Delphintherapie wurde vor ca. 25 Jahren in den USA ins Leben gerufen und
wird im angelsächsischen Sprachraum als ,,dolphin assisted therapy" bezeichnet.
Zwei Personen gelten als Begründer dieser Therapieform: Dr. Betsy Smith,
Professorin an der School of Social Work der Florida International University und
Dr. David E. Nathanson, Neuropsychologe und Verhaltensforscher sowie
Präsident des Dolphin Human Therapy Centers in Florida (Weitzmann, 2006).
Veröffentlichungen, die den therapeutischen Wert der Delphintherapie zu belegen
versuchen, gibt es sehr viele. Eine der ersten Publikationen zu diesem Thema ist
eine Fallstudie von Dr. Betsy Smith aus dem Jahr 1984, in der ein positiver
Einfluss der Delphintherapie auf ein autistisches Kind dokumentiert werden konnte.
Dr. Betsy Smith hat sich allerdings relativ bald aus ethischen Gründen von der
Forschung mit gefangenen Delphinen zurückgezogen. Etwa zur selben Zeit
erscheinen in den USA die ersten Publikationen von Dr. David E. Nathanson.
Studien von Nathanson (1989; 1998) wollen belegen, dass Patienten, meist geistig
1
Die Delfine (Delphinidae) gehören zu den Zahnwalen (Odontoceti) und sind somit Säugetiere (Mammalia),
die im Wasser leben. Delfine sind die vielfältigste und mit rund 40 Arten größte Familie der Wale (Cetacea).
Sie sind in allen Meeren verbreitet. Der große Tümmler (tursiops truncatus) ist eine in allen Ozeanen
verbreitete Art der Delfine. Es ist diese Art, die in Delfinarien vorgeführt wird und am häufigsten bei
Delphintherapien zum Einsatz kommen. (http://de.wikipedia.org/wiki/Delfine)

25
und /oder körperlich behinderte Kinder, durch die Therapie mit Delphinen besser
lernen und sich ihre motorischen Fähigkeiten verbessern lassen
(Weitzmann,
2006).
Nathansons
verhaltenstherapeutisch
orientiertes
Therapiekonzept
definiert
sich
vor
allem
über
eine
Aufmerksamkeitsdefizithypothese, anhand welcher die Lernschwierigkeiten und
Motivationsprobleme von behinderten Menschen erklärt werden sollen. Die
Lernleistungen der Betroffenen fallen nach dieser Hypothese nicht deshalb so
schlecht aus, weil ein Defizit in der Informationsverarbeitung vorliegt sondern weil
sie ihre Aufmerksamkeit nur sehr kurz auf eine Tätigkeit fokussieren können. In
Bezug auf diese Annahmen setzt Nathanson einen trainierten Delphin als
positiven Verstärker zur Verhaltensmodifikation bei betroffenen Menschen ein.
Mittels operanter Konditionierungsmethoden sollen dem Patienten neue
Verhaltensweisen
antrainiert
werden
(Trompisch,
2005).
Das
Aufmerksamkeitsdefizitmodell, welches Nathanson als Erklärung für bestimmte
kognitive Defizite heranzieht, wird von Marino und Lilienfeld (1998) stark kritisiert,
da einige Sichtweisen von Nathanson bzgl. bestimmter Störungen nicht mehr
aktuell sind. Die Autoren heben hervor, dass Aufmerksamkeitsleistung, kognitive
Informationsverarbeitungskapazität,
Gedächtnis
und
Raum-Lage-
Orientierungsfähigkeiten unabhängige Intelligenzfaktoren sind, die a) je nach
Behinderung unterschiedlich betroffen sein können, b) einander nicht bedingen
müssen und c) gemäß der Störung differenziert behandelt werden müssen. Dass
eine Steigerung der Aufmerksamkeit auch zu besseren kognitiven Leistungen führt
kann Nathanson nicht beweisen.
Resultate in Bezug auf den Erfolg von Delphintherapie sind schon allein deshalb
kritisch zu betrachten, da in den meisten Fällen Idee, Durchführung und
Forschung aus einer Hand kommen/stammen und Forschung und Kommerz leider
oft Hand in Hand gehen (Brensing, 2003). Auch methodische Mängel werden
vielen Untersuchungen vorgeworfen. So wurde gerade bei Nathansons
Langzeitstudie (1998) keine Kontrollgruppe eingesetzt (Marino und Lilienfeld,
1998). Delphintherapie wird eigentlich nie solo angeboten. Die meisten Anbieter
offerieren ein ganzes Urlaubspaket mit Freizeit ­und Erholungsprogrammen für
die ganze Familie. Berücksichtigt man diese Umstände, so ist die Frage

26
angebracht, wie viel von den positiven Effekten tatsächlich auf eine Interaktion mit
dem Delphin zurückzuführen ist (Brensing, 2003).
Zurück zu den Argumenten, die gegen den Einsatz von gefangenen Delphinen
sprechen. Delphine sind Wildtiere, die zur menschlichen Nutzung ihrer Freiheit
beraubt werden. Die Haltung von Delphinen in Gefangenschaft kann nicht
artgerecht erfolgen, da die Bedingungen der Haltung weder ihrem natürlichen
Verhalten, ihrer natürlichen Bewegungsfreiheit noch ihrem natürlichen
Sozialgefüge entsprechen. (Ocean Care, 2006). Die Haltungsbedingungen von
Delphinen sind Beobachtungen zu Folge extrem unterschiedlich und haben nach
Brensing, Linke, Busch, Matthes & van der Woude (2005) sehr wahrscheinlich
einen maßgeblichen Einfluss auf das Verhalten der Tiere. So zeigen Delphine aus
dem ,,Dolphin Reef" in Israel weit mehr Interesse an Menschen als Delphine aus
dem ,,Dolphin Plus" in Florida/USA. Die Unterschiede liegen darin, dass ,,Dolphin
Reef" viel größer ist und die Delphine jederzeit die Möglichkeit haben das Gehege
zu verlassen. Weiters gibt es einen Bereich in dem keine Schwimmer erlaubt sind.
Ziel einer weiteren Arbeit von Brensing und Linke (2004) war es die Interaktion
zwischen Delphinen und Menschen sowie mögliche Wirkungen aufeinander zu
untersuchen. Es wurde beobachtet, dass die Tiere versuchen, den Menschen
auszuweichen. Die Bildung und Intensivierung einer Subgruppe, ein allgemein
unkoordinierteres Verhalten sowie die Erhöhung der Geschwindigkeit und der
Tauchtiefe deuten darauf hin, dass die Tiere während der Anwesenheit von
Menschen unter Stress stehen und einer gewissen Belastung unterliegen. Ein
respektvoller und artgerechter Umgang mit Mensch und Tier sollte die Basis jeder
tiergestützten Therapie darstellen ­ dies scheint bei der Delphintherapie eher die
Ausnahme zu sein.
Viele Anbieter von Delphintherapien berufen sich auf die Hypothese, dass der
Ultraschall der Delphine eine positive Wirkung auf den Menschen hat (Cole 1996;
Birch 1997, zitiert nach Brensing, 2003). Ultraschalltherapie wird seit längerem in
der modernen Medizin erfolgreich eingesetzt, und tatsächlich konnte aufgrund
theoretischer Überlegungen und Berechnungen belegt werden, dass der
Ultraschall von Delfinen unter bestimmten Umständen eine Wirkung auf
biologisches Gewebe haben kann. Aufgrund der bisherigen Erfahrungen im
Einsatz von Ultraschall ist aber die Zeit der einzelnen Therapiebehandlungen von

27
entscheidender Bedeutung. Ein Patient müsste während der Therapie für mehrere
Minuten in einer geeigneten Position zu dem Delfin stehen. So können laut
Brensing, Linke und Todt (2003) die realen Wirkungen des Ultraschalls der
Delphine im Rahmen der Therapie, wegen der kurzen Wirkdauer, ausgeschlossen
werden. Die Hypothese von Cole und Birch kann auf Grund der gemachten
Beobachtungen
nicht
bestätigt
werden.
2.4.3. Einsatz von Hunden
Hunde gehören weltweit zu den am meisten eingesetzten Tieren im Rahmen von
tiergestützten Aktivitäten und tiergestützter Therapie. In Amerika wurden
Richtlinien eingeführt für die Auswahl und das Training von Hunden, die in AAA/T
Programmen eingesetzt werden sollen. Die Auswahl findet anhand von Screening
Verfahren beziehungsweise Tests satt, die vor allem auf das Temperament, die
Gesundheit, das Durchhaltevermögen und andere allgemeinen Fähigkeiten der
Tiere achten (Fine, 2000). Im Gegensatz zu vielen Menschen, erweisen sich
Hunde meist als sehr interaktiv und als sehr aufmerksame Wesen, die es
bevorzugen, so viel Zeit wie möglich mit ihrem Besitzer zu verbringen. Hunde sind
sehr begierig nach Zuwendung und sehr kompatible Wesen, was sie zu idealen
Arbeitspartnern macht. Außerdem werden sie immer häufiger für verschiedenste
Spezialaufgaben trainiert (Hart & Hart, 1998 zitiert nach Fine, 2000). Ihre enorme
und offensichtliche Bereitschaft mit Menschen zu arbeiten wird noch unterstützt
durch
ihre
besondere
Sinneswahrnehmung
und
ihre
besonderen
Muskelkapazitäten, die jene des Menschen übertreffen. Doch genau hier besteht
Gefahr, die Ressourcen des Tieres zu überschätzen (Fine, 2000). Obwohl die
meisten Tiere einen Sozialisationseffekt unter Menschen auslösen, so sind
dennoch Hunde ausgesprochen gut dafür geeignet. Neben einem 24 Stunden
Bereitschaftsdienst, den sie (mehr oder weniger freiwillig) anbieten, sind sie
soziale Magneten was Annäherungen und Konversationen betrifft, sogar für
Menschen mit eingeschränkten physischen oder kommunikativen Kapazitäten. Es
konnte nachgewiesen werden, dass Hunde die Beliebtheit einer Person mehr
erhöhen als Katzen oder Vögel (Geries-Johnson & Kennedy, 1995 zitiert nach
Fine, 2000). Generell gibt es keine spezielle Hunderasse, die im therapeutischen

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Setting zum Einsatz kommt. Es gibt allerdings Rassen, die dafür bekannt sind,
leichter trainierbar zu sein, ,,freundlicher" zu Menschen und anderen Hunden zu
sein, ein ruhigeres Temperament besitzen beziehungsweise mehr als andere
Rassen den Wunsch und die Toleranz für vermehrte Aktivität aufbringen (Coile,
1998 zit. nach Chandler, 2005). Fakt ist, dass fast jeder Hund ein guter
Therapiehund sein kann, wenn er die notwendigen Kriterien erfüllt. Was zählt ist
weniger die Rasse, sondern die Erziehung (Chandler, 2005).
Die Vorteile mit Hunden zu arbeiten bestehen also unter anderem darin, dass
diese Tiere von den meisten Menschen sehr geschätzt werden (Chandler, 2005;
Gatterer & Urianek, 2002) und das sie sehr trainierbare Tiere sind. Weiters können
Hunde ihrem emotionalen Befinden sehr gut Ausdruck verleihen und verstecken
ihre Gefühle nicht, was die Kommunikation mit ihnen erleichtert. Auf der anderen
Seite gibt es viele Menschen, die auf Hunde allergisch sind oder Angst vor ihnen
haben. Außerdem ist zu bedenken, dass Hunde spezielle Pflege und spezielles
Training benötigen (Chandler, 2005).
Erste systematische Ausbildungen von Blindenführhunden sind aus dem Jahr
1780 bekannt: Patienten aus dem Pariser Blindenhospital ,,Les Quinze-Vingts"
sollen zu dieser Zeit bereits von abgerichteten Hunden durch die Stadt begleitet
worden sein. Auch Wien war Vorreiter auf diesem Gebiet. So existieren ziemlich
genaue Berichte aus dem Jahr 1788 von einem blinden Siebmacher namens
Josef Reisinger aus Wien über die Abrichtung seines Blindenführhundes. Des
Weiteren macht ein gewisser Johann Wilhelm Klein, der Gründer des Wiener
Blinden Erziehungsinstituts, in seinem Werk ,,Lehrbuch zum Unterricht der
Blinden" (1819) den Vorschlag, Hunde für seine Schule abrichten zu lassen. Bis
zum ersten Weltkrieg, der einen sehr markanten Punkt in der Geschichte des
Einsatzes von Führhunden darstellt, gab es eigentlich nur vereinzelte Fälle von
Selbstausbildung von Führhunden. Die Idee, Hunde in Führhundeschulen
systematisch zu Blindenführhunden auszubilden und so Kriegsverletzten zu
helfen, stammt von dem Wiener Arzt Senfelder und fand anfangs kein Gehör.
Kurze Zeit später wurde der Vorschlag allerdings vom Deutschen Verein für
Sanitätshunde umgesetzt. So wurde 1916 der erste systematisch ausgebildete
Blindenführhund einem Kriegsblinden übergeben. Er stammte aus der ersten

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Führhundeschule der Welt in Oldenburg. Im Jahr 1931 lassen sich bereits 2900
Kriegsblinde von einem Führhund begleiten. In Potsdam wird 1923 eine zweite
Führhundeschule gegründet, mit dem Ziel, das Monopol der ,,Oldenburg-Schule"
zu brechen. Diese zweite Schule verzeichnet relativ bald große Erfolge und erfreut
sich an wachsendem Interesse, auch aus dem Ausland. So arbeitet 1927 eine
gewisse Amerikanerin namens Dorothy Harrison Eustis, spätere Mitbegründerin
der Schule "The Seeing Eye" in Morristown/New Jersey, einige Monate
unentgeltlich mit, um sich mit der Methodik dieser Schule vertraut zu machen. In
den 30er Jahren veröffentlicht der Schwede Dr. Jakob von Uexküll, der am
damaligen Institut für Umweltforschung der Universität Hamburg tätig war, zum
ersten
Mal
eine
wissenschaftliche
Methode
der
Abrichtung
von
Blindenführhunden. Nach 1945 verlagert sich der Schwerpunkt in die USA, wo
dann die großen Schulen, wie "The Seeing Eye" und "Guide Dogs for the Blind",
entstanden. In Österreich gibt es derzeit drei Schulen für die Ausbildung von
Führhunden: Blindenführhundeschule Bürger, Blindenführhundschule Ferstl Karl
Heinz und das Internationale Blindenführ- und Begleithunde-Zentrum.Die
Internationalisierung des Führhundewesens kam eher langsam ins Rollen. Erst im
Jahr 1989 wurde die internationale Vereinigung der Führhundeschulen gegründet.
2004 zählt die ,,International Guide Dog Federation" bereits 70 Mitglieder
(International Guide Dog Federation, 2007).
2.5. Artgerechter Umgang mit Tieren
Die Basis und einen der wichtigsten Eckpfeiler des Projektes MTI stellt der
respektvolle Umgang mit Mensch und Tier dar (Stetina et al., 2005). AAT und AAA
erfreuen sich weltweit immer größerer Beliebtheit und Akzeptanz. Es muss
allerdings berücksichtigt werden, dass die eingesetzten Tiere in den meisten
Fällen in höchstem Maße vom Menschen abhängig sind. Ein wahrer Erfolg durch
das Aufeinandertreffen von Mensch und Tier kann eigentlich nur zutage treten,
wenn die Bedürfnisse von Mensch und Tier berücksichtigt werden
(Chandler, 2005). Um Tiere wirklich schützen zu können, ist eine ausreichende
Kenntnis über die Natur der jeweiligen Tierart von Nöten. Nur wer diese Kenntnis

Details

Seiten
Erscheinungsform
Originalausgabe
Jahr
2008
ISBN (eBook)
9783836642958
DOI
10.3239/9783836642958
Dateigröße
1.4 MB
Sprache
Deutsch
Institution / Hochschule
Universität Wien – Psychologie
Erscheinungsdatum
2010 (Februar)
Note
1,0
Schlagworte
kompetenztraining katamnese delphintherapie hippotherapie therapie
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Titel: Langzeiteffekte eines tiergestützten Kompetenztrainings
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