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Das Essen und die Religion

Dargestellt am Beispiel des Judentums

©2009 Bachelorarbeit 65 Seiten

Zusammenfassung

Inhaltsangabe:Einleitung:
Die vorliegende Bachelorarbeit wird im Rahmen des Studiengangs Bachelor of Science Technical Education in der Fachrichtung Ökotrophologie an der Philosophischen Fakultät im Institut für Theologie und Religionswissenschaften an der Leibniz Universität Hannover angefertigt. Es wird herausgearbeitet, welche allgemeine Bedeutung das Essen innerhalb einer Religion (Rel.) einnehmen kann. Dieses ist am Beispiel des Judentums dargestellt. Die für die Bearbeitung zitierten Bibelstellen sind aus der revidierten Fassung der deutschen Bibelübersetzung Martin Luthers, aus dem Jahr 1912, entnommen.
Im Folgenden behandelt 1.1 den Aktualitätsbezug der Thematik und begründet die Themenauswahl. Des Weiteren definiert 1.2 das Ziel der vorliegenden Bachelorarbeit. Zudem wird in 1.3 ein kurzer Überblick über den wesentlichen strukturellen und inhaltlichen Aufbau der Ausarbeitung gegeben.
Aktualitätsbezug der Thematik:
Das Essen, welches wir zu uns nehmen, verkörpert einen unentbehrlichen Aspekt des menschlichen Lebens. Ohne einen regelmäßigen Verzehr können lebenswichtige Körperfunktionen nicht aufrecht erhalten werden.
In einer Gesellschaft, die den Fair-Aspekt der Ernährung entdeckt hat und in der sich zunehmend Organisationen im weltwirtschaftlichen Ausmaß um mehr soziale Gerechtigkeit bemühen (vgl. Fairtrade Labelling Organizations International, elektron. Pub.), ist die Bedeutung des Essens im Wortsinne zu einem Thema in jedermanns Munde geworden.
Trotz des unterschiedlichen technologischen Aufwandes bei der Ernte und des langen Transportweges zwischen den Nationen, kostet in vielen Supermärkten und Discountern Deutschlands eine in Südamerika erzeugte Orange ebenso viel wie eine Orange aus Spanien. Der Lebensmittelpreis scheint nur noch wenig mit den Arbeitsstunden des jeweiligen Bauern, dem Nährwertgehalt des Produkts oder seiner Essentiellität für einen Menschen gemein zu haben. Das Preis-Leistungs-Verhältnis ist schwer in eine nachvollziehbare Beziehung zu setzen. Heutzutage ist die Entscheidungsfindung, welche LM aus welchen Geschäften jemanden zum rücksichtsvollen Käufer machen, für einen durchschnittlichen Verbraucher hochkomplex. Besonders unter Berücksichtigung des fairen Handels, der Lebensmittelqualität und der saisonalen Verfügbarkeit.
Wie viel übersichtlicher gestaltet es sich scheinbar für Mitglieder mancher Religion, bei denen genau geregelt ist, welche LM erlaubt bzw. nicht erlaubt sind. Mit einschlägigen […]

Leseprobe

Inhaltsverzeichnis


Stephen Guy
Das Essen und die Religion
Dargestellt am Beispiel des Judentums
ISBN: 978-3-8366-4267-5
Herstellung: Diplomica® Verlag GmbH, Hamburg, 2010
Zugl. Leibniz Universität Hannover, Hannover, Deutschland, Bachelorarbeit, 1933
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© Diplomica Verlag GmbH
http://www.diplomica.de, Hamburg 2010

2
Inhaltsverzeichnis
Inhaltsverzeichnis ... 2
Abkürzungsverzeichnis ... 3
1 Einleitung ... 4
1.1 Aktualitätsbezug der Thematik ... 4
1.2 Zielsetzung der Arbeit ... 5
1.3 Aufbau und Gliederung ... 6
2 Einführung in unterschiedliche Aspekte des Essens und Trinkens ... 7
2.1 Allgemeine Überlegungen zur Bedeutung der Lebensmittel ... 7
2.2 Generelle Zusammenhänge zwischen Religion und Essen... 12
3 Religiöse Quellen des Judentums ... 15
3.1 Die Tora - Heilige Schrift des Judentums und Wurzel der christlichen Religion ... 15
3.2 Der Talmud - Die mündliche Überlieferung... 20
4 Die Rolle des Essens im Judentum ... 24
4.1 Einführung in die Begriffe koscher und tameh ... 24
4.2 Kaschrut, das koschere Regelwerk ... 25
4.2.1 Die Essens- und Speisevorschriften ... 26
4.2.2 Die Bedeutungsebenen der Kaschrut ... 30
4.2.3 Die zeremonielle Ummantelung der Mahlzeit ... 35
4.3 Der Weg zum koscheren Fleisch ... 39
4.3.1 Das Schächten - Die rituelle Schlachtung ... 39
4.3.2 Verbotene Bestandteile - Cheleb, Gid hanasche und das Blut ... 44
4.4 Die Rolle des Essens innerhalb des Pessachfestes ... 47
5 Schlussbetrachtung ... 53
5.1 Reflexion im Kontext der jüdisch-christlichen Beziehung ... 53
5.2 Zusammenfassung und Schlussfolgerung ... 56
6 Quellenverzeichnis ... 60

3
Abkürzungsverzeichnis
Apg.
Apostelgeschichte
AT
Altes Testament
Aufl.
Auflage
Bd.
Band
bspw.
beispielsweise
bzw.
beziehungsweise
chrl.
christlich
d. Verf.
der Verfasser
Dtn.
Deuteronomium
ed.
editor
elektron. Pub.
elektronische Publikation
Ex.
Exodus
f.
folgende Seite
ff.
folgende Seiten
Gen.
Genesis
HB
Hebräische Bibel
Hg.
Herausgeber
HS
Heilige Schrift
Jes.
Jesaja
Jh.
Jahrhundert
jüd.
jüdisch
Lev.
Leviticus
LM
Lebensmittel
Mt.
Matthäus
n. Chr.
nach Christus
NT
Neues Testament
Rel.
Religion
Theol.
Theologie
u.a.
und andere, unter anderem
vgl.
vergleiche
z. B.
zum Beispiel

4
1 Einleitung
Die vorliegende Bachelorarbeit wird im Rahmen des Studiengangs Bachelor of Science Tech-
nical Education in der Fachrichtung Ökotrophologie an der Philosophischen Fakultät im Insti-
tut für Theologie und Religionswissenschaften an der Leibniz Universität Hannover angefer-
tigt. Es wird herausgearbeitet, welche allgemeine Bedeutung das Essen innerhalb einer Reli-
gion (Rel.) einnehmen kann. Dieses ist am Beispiel des Judentums dargestellt. Die für die
Bearbeitung zitierten Bibelstellen sind aus der revidierten Fassung der deutschen Bibelüber-
setzung Martin Luthers, aus dem Jahr 1912, entnommen.
Im Folgenden behandelt 1.1 den Aktualitätsbezug der Thematik und begründet die Themen-
auswahl. Des Weiteren definiert 1.2 das Ziel der vorliegenden Bachelorarbeit. Zudem wird in
1.3 ein kurzer Überblick über den wesentlichen strukturellen und inhaltlichen Aufbau der
Ausarbeitung gegeben.
1.1 Aktualitätsbezug der Thematik
Das Essen, welches wir zu uns nehmen, verkörpert einen unentbehrlichen Aspekt des men-
schlichen Lebens. Ohne einen regelmäßigen Verzehr können lebenswichtige Körperfunktio-
nen nicht aufrecht erhalten werden.
In einer Gesellschaft, die den Fair-Aspekt
1
der Ernährung entdeckt hat und in der sich zuneh-
mend Organisationen im weltwirtschaftlichen Ausmaß um mehr soziale Gerechtigkeit bemü-
hen (vgl. Fairtrade Labelling Organizations International, elektron. Pub.), ist die Bedeutung
des Essens im Wortsinne zu einem Thema in jedermanns Munde geworden.
Trotz des unterschiedlichen technologischen Aufwandes bei der Ernte und des langen Trans-
portweges zwischen den Nationen, kostet in vielen Supermärkten und Discountern Deutsch-
lands eine in Südamerika erzeugte Orange ebenso viel wie eine Orange aus Spanien. Der Le-
bensmittelpreis scheint nur noch wenig mit den Arbeitsstunden des jeweiligen Bauern, dem
Nährwertgehalt des Produkts oder seiner Essentiellität für einen Menschen gemein zu haben.
Das Preis-Leistungs-Verhältnis ist schwer in eine nachvollziehbare Beziehung zu setzen.
1
Unter dem Fair-Aspekt ist ein alternatives wirtschaftliches Handeln zu verstehen. Es hat zum Ziel private Le-
bensmittelhersteller aus Entwicklungsländern so zu unterstützen, dass diese aus eigener Kraft heraus einen
menschenwürdigen Lebensstandard erreichen und aufrechthalten können (vgl. Bund für Umwelt und Natur-
schutz Deutschland et al. 2008, 495f).

5
Heutzutage ist die Entscheidungsfindung, welche LM aus welchen Geschäften jemanden zum
rücksichtsvollen Käufer machen, für einen durchschnittlichen Verbraucher hochkomplex.
Besonders unter Berücksichtigung des fairen Handels, der Lebensmittelqualität und der saiso-
nalen Verfügbarkeit.
Wie viel übersichtlicher gestaltet es sich scheinbar für Mitglieder mancher Religion, bei de-
nen genau geregelt ist, welche LM erlaubt bzw. nicht erlaubt sind. Mit einschlägigen Essens-
vorschriften kann Angehörigen religiöser Gruppen Orientierung, sowohl in kognitiver als
auch in emotionaler Hinsicht, angeboten werden. Es kann ein befreiendes Gefühl sein, sich
richtig zu ernähren, besonders wenn es gesund und spritualitätsvertiefend ist.
Wird die Tatsache berücksichtigt, dass 1.02 Milliarden Menschen, also beinahe jedes sechste
Individuum auf der Welt, an Unterernährung leidet (vgl. Food and agriculture organization of
the United Nations 2009, 11) ist der erste Satz des zu bearbeitenden Themas ,,Das Essen und
die Religion. ..." so aktuell wie noch nie. Ferner jährt sich im Jahr 2009 zum 70. Mal der Be-
ginn des zweiten Weltkriegs und wirft die Erinnerung der Gräuel, die gegen das Judentum
begangen wurden, wieder auf. Im Sinne einer großen Ökumene
2
ist gerade das Verstehen an-
derer Rel. bedeutungsvoll. Insbesondere innerhalb der abrahamitischen Glaubensrichtungen,
speziell zwischen dem Judentum und Christentum,
3
ist ein Dialog notwendig. Demzufolge
besitzt aus christlicher (chrl.) Sicht der zweite Satz des Themas ,,... dargestellt am Beispiel
des Judentums", in Anbetracht einer Ökumene und der Notwendigkeit des gegenseitigen Ver-
stehens, heutzutage eine wesentliche Bedeutung.
1.2 Zielsetzung der Arbeit
Die vorliegende Bachelorarbeit soll einem Außenstehenden sowohl den prinzipiellen Zusam-
menhang zwischen Mensch - Essen - Religion verständlich machen als auch die generellen
religiösen Gedankengänge der jüdischen (jüd.) Theologie (Theol.) zur Thematik näher brin-
gen. Hierbei wird Wert darauf gelegt, vermeintliche Vorurteile über die Praktiken des Juden-
tums und falsche Vorstellungen über ihre zugrunde liegenden Beweggründe mit Hilfe von
exemplarisch erörterten Beispielen aufzuklären. Mittels dieser Erläuterungen und anhand der
Darstellung religiöser Bräuche, in welchen die Nahrung im Mittelpunkt steht, soll die zentrale
Bedeutung des Essens für das Leben innerhalb des Judentums vorgestellt werden. Im Hinb-
2
Ulrich Becker (2006, 18f) verdeutlicht, dass der Begriff der ,,großen Ökumene" die Diskussion zwischen den
einzelnen Religionen, chrl. und nicht-christlich, meint. Im Gegensatz dazu die ,,kleine Ökumene", welche
die innerchristlichen Dialoge umfasst.
3
Die besondere Beziehung der beiden Glaubensrichtungen wird innerhalb des Unterpunktes 3.1 angesprochen.

6
lick auf die Aktualität des Themas strebt die Arbeit an, ein Verständnis eines Nicht-Juden für
die jüd. Essenspraktiken zu schaffen und mögliche Fragestellungen zu beantworten. Zusam-
menfassend kann gesagt werden, dass der generelle Zusammenhang zwischen Essen und Le-
ben in kurzer Form festgestellt, die allgemeinen Grundmotive der Verbindung zwischen Es-
sen und Rel. herausgearbeitet und im Wesentlichen die Bedeutung von Essen innerhalb des
Judentums abgeleitet werden. Der Fokus liegt auf den Speisevorschriften, die Konsequenzen,
die für das Judentum hieraus resultieren, sowie die zentrale Bedeutung der LM für diese Reli-
gion.
1.3 Aufbau und Gliederung
Zu Beginn der Arbeit wird ein allgemeines Verständnis der Zusammenhänge zwischen dem
Essen und dem Menschen einerseits sowie dem Essen und der Rel. andererseits geschaffen.
Anschließend werden die zwei wesentlichen religiösen Quellen, aus denen das Judentum
schöpft, diskutiert und prinzipielle Grundlagen erörtert.
Darauf aufbauend wird in Kapitel 4 anhand der Essens- und Speisevorschriften das jüd. Ver-
hältnis zur Nahrung sowie die Konsequenzen dieser Auffassung differenzierter behandelt.
Überdies werden exemplarisch die Merkmale und Bedeutungen des Essens und Trinkens im
Vollzug des Passahfests betrachtet.
Weiter wird im Rahmen des jüdisch-christlichen Dialogs und zum Ausklang der Thematik in
Kapitel 5 die allgemeine Bedeutung der Nahrung für das Christentum thematisiert. Abschlie-
ßend erfolgt eine Zusammenfassung der erörterten Inhalte mit anschließenden Schlussfolge-
rungen.

7
2 Einführung in unterschiedliche Aspekte des Essens und Trin-
kens
Das nachstehende Kapitel erörtert exemplarisch Aspekte des Themenkomplexes ,,Essen". Es
gewährt einen Einblick in verschiedene Perspektiven, aus denen die Thematik betrachtet wer-
den kann. Weiter dient es einer theoretischen Rahmung, die für die vorliegende Arbeit erfor-
derlich ist. In diesem Sinne erörtert 2.1 mittels möglichst weniger Züge ein klares Bild der
Komplexität und bietet zum Ende eine Zusammenfassung an. Anschließend erarbeitet 2.2 die
allgemeine Bedeutung des Essens für die Religion.
2.1 Allgemeine Überlegungen zur Bedeutung der Lebensmittel
Bei einer Gruppenbefragung zu dem Thema Essen ist anzunehmen, dass zu den ersten Asso-
ziationen vermutlich die Befriedigung des Hungergefühls oder die Lebensnotwendigkeit zäh-
len. Dem Gegenstand des Essens kann bei näherer Betrachtung hingegen viel mehr zuge-
schrieben werden.
Neben der Unentbehrlichkeit für jedes Lebewesen ist die Nahrung ein Gesichtspunkt, der uns
eindeutig von dem Tier trennt. Der Mensch hat im Laufe der Zeit die Fähigkeit erlangt, LM
vor dem Verzehr an seine Erfordernisse anzupassen. Im Regelfall bestimmt das Individuum
selbst und nicht mehr die Umwelt was, wann und wo gegessen wird (vgl. Catterall 1999, 23f).
Zaborowski (2007, 15) verdeutlicht in diesem Sinne, dass ein Mensch im Gegensatz zu einem
Tier ebenfalls immer den Aspekt des ,,Angenehmen" erfüllen möchte und dadurch ein we-
sentlicher Unterschied zwischen Tier und Mensch gegeben sei. Menschen verfeinern ihre
Speisen und nehmen anschließend eine Mahlzeit zu sich, bei der der Genuss eine maßgebliche
Rolle einnimmt. Im Gegensatz dazu fressen Tiere ausschließlich, um ihren Energiebedarf zu
decken.
Um die angenehme Empfindung während des Essens zu intensivieren kombinierte der
Mensch die sensorischen Aspekte
4
der Nahrung kunstvoll zu immer neuen kulinarischen Vor-
lieben. Die Funktion des LMs erfuhr auf diese Weise einen Wandel, von einst strikter Ener-
giezufuhr hin zu einer sinnlichen und emotionalen Bedeutung (vgl. Catterall 1999, 23ff). Der
Mensch hat eine Essenkultur erschaffen, welche als ein ,,kultureller Grundakt" verstanden
werden kann (vgl. Schmidt-Leukel 2000, 11). Es ist in diesem Zusammenhang bekanntlich
4
Dies sind u.a. Geruch, Form, Farbe, Geschmack, Oberfläche oder Textur eines LMs.

8
schwer, gegen seine Sinnesempfindungen anzuessen.
5
Demzufolge erschließt sich die Bedeu-
tung des Essens für den Menschen nicht nur im Hinblick auf ernährungsphysiologische Grün-
de, sondern auch das ästhetisch kulturelle Empfinden
6
ist aufzuführen. Nicht umsonst sagt
eine Redensart hierzu ganz deutlich: ,,das Auge isst mit", oder: ,,Ist der Mensch, was er isst?"
Die durch den Menschen verursachte Nahrungsveränderung erreicht heutzutage ein solches
Ausmaß, dass mittels genetischer Verfahren ganz neue LM erzeugt werden können. Diese
sind als Resultat bspw. an widrige Umweltfaktoren angepasst und liefern dennoch einen rei-
chen Ertrag. Infolgedessen scheint es denkbar in naher Zukunft die weltweite Unterernährung
dank speziell angepasster Nahrungsmittel zu verhindern. Leider ist dem nicht so. Ein Grund
hierfür stellt die große Lebensmittelindustrie dar, welche, vergleichbar mit der Autoindustrie,
hohe Summen in Forschungsarbeit, Marketingkampanien, Lebensmittelwissenschaftler und -
technologen investiert, um innovative Produkte
7
zu entwickeln, die dann höhere Umsätze er-
zielen. Diese Investitionskosten müssen durch die Preisgestaltung und die Absatzmenge des
Produktes wieder eingebracht werden. Das Essen ist erstens eine Größe, mit der Gewinne
erzielt werden sollen (vgl. Catterall 1999, 23f), sowie zweitens ein immenser Machtfaktor, der
ein klares Abhängigkeitsgefälle aufzeigt. Einerseits produzieren vergleichsweise wenige Le-
bensmittelproduzenten Produkte, die andererseits von einer großen Anzahl an Abnehmern
zum angebotenen Preis gekauft werden.
In Anbetracht des globalen Ausmaßes des Hungers ist die schiere Tatsache, dass in manchen
Teilen der Welt ein Überangebot an Lebensmittelerzeugnissen angeboten werden kann, nicht
zu vertreten. Zaborowski (2007, 20f) stellt dazu fest, dass das umfassende Angebot an Le-
bensmittelprodukten die Erwartungshaltung des Menschen beeinträchtigt, diesen abstumpft,
da er das zur Verfügung stehende Überangebot als selbstverständlich ansieht. Verursacht
durch die Gedankenlosigkeit erfolgt, insbesondere in den westlichen Industrienationen, ein
mitunter grotesk und krankhaft wirkendes Verhältnis zum Essen und Trinken. Es entstehen
selbstverursachte, ernährungsbedingte Erkrankungen wie bspw. Bulimie, oder der extreme
Gegensatz, die Adipositas. Des Weiteren nehmen die Lebensmittelkenntnisse der heutigen
Kinder und Jugendlichen drastisch ab und manifestieren sich im kulinarischen Analphabetis-
5
Dieser Umstand lässt sich leicht anhand eines Eigenversuches mit grünem Ketchup, gelben Tomaten oder auch
verzehrgeeigneten Insekten überprüfen.
6
Genauso wie eine Person ihren Geist anhand Literatur kultivieren möchte, ist eine kulinarische Kultivierung
in Form von gutem Essen und Trinken zu erreichen (vgl. Heim 1994, 93).
7
Als Beispiel ist hier die Anzahl an neuerschienenen Lebensmittelerzeugnissen des britischen Marktes ange-
führt. Diese betrug 1995 den Wert von 4596 neuen Artikeln, welches 88 neue Produkte pro Tag bedeutet (vgl.
Catterall 1999, 23).

9
mus, welcher dazu führt, dass die Betroffenen das reichhaltige, ausgewogene Angebot an ge-
sunden LM nicht kennen und demnach nicht überblicken können. Hieraus resultiert eine Ver-
armung der Auswahlkompetenz nach ernährungsphysiologischen Aspekten, die sich im äu-
ßersten Fall in einer Fehlernährung ausdrückt. In diesem Sinne können der Bedeutungs-
spannweite des Essens zwei weitere Fassetten hinzugefügt werden. Die Mahlzeit kann als
Luxus das Leben bereichern und bei fehlerhaftem Verhalten ein Risikofaktor für die Gesund-
heit sein.
Bei Modeerscheinungen wie bspw. gelben Zucchini, gelben Tomaten, gelben Möhren (vgl.
Lechner 2009, 33), einen Feinkost-Steak mit einem Kilopreis von bis zu 450 Euro (vgl. Kip-
penberger 2009, 15) sowie dem Beruf des Foodhunters
8
stellt sich die Frage, für welchen
Zweck diese nötig sind? Diese Fragestellung lässt sich mit Hilfe der Bedeutung des Essens für
unsere Identität und Individualität beantworten. Catterall (1999, 26) vertritt die These, dass
genauso wie der Mensch sich mittels seiner Kleidung von anderen abgrenzen will, es auch die
Aufgabe des Essens und Trinkens ist, den Charakter eines Individuums zu inszenieren. Folg-
lich verkörpern ungewöhnliche Lebensmittelprodukte und Folgeerscheinungen das Streben
des Einzelnen bzw. einer Gemeinschaft nach Entfaltung der Persönlichkeit. Laut Zaborowski
(2007, 17ff; 26) ist die Individualitätsausprägung ganz deutlich anhand der Gestaltung von
Mahlzeiten an besonderen Feiertagen erkennbar. Nicht irgendein Essen, sondern viel eher ein
Festmahl ist wesentlicher Bestandteil der Feierlichkeiten. Dieses Festmahl macht familiäre,
regionale oder gar nationale Besonderheiten offensichtlich. Zu diesem Zweck ist die unter-
schiedliche Ausprägung einer Weihnachtsmahlzeit als Beispiel zu nennen, bei der, je nach
Tradition oder auch geschmacklichem Empfinden der Gemeinschaft bspw. Karpfen, Enten-
bzw. Gänsebraten oder auch Wiener-Würstchen mit Kartoffelsalat serviert werden kann.
Überdies verhelfen die bei einem Weihnachtsfest besonderen kulinarischen Vorlieben und
angenehmen Gerüche einer Person, die Erlebnisse in einer speziellen Form zu verinnerlichen.
Bei dem wiederholten Auftreten der Sinneserlebnisse kommt die Erinnerung an das Ereignis
zurück. Das Essen dient hier also als Speicher von Erinnerungen.
Allein anhand des Weihnachtsfestbeispieles lässt sich der Zusammenhang zwischen den LM
einerseits und der Individualität bzw. der Identität des Menschen anderseits herstellen. Somit
ist die gemeinschaftsstiftende und Zusammenhalt symbolisierende Dimension die soziale
Komponente der Lebensmittel. Mittermayr (2002, 9) betont, dass das Essen immer auch
8
Die Tätigkeit eines Foodhunters zeichnet sich dadurch aus, dass diese Person in entlegenen Orten nach innova-
tiven Geschmacksrichtungen, Zutaten und Rezepten sucht, um diese im Anschluss an Feinschmeckerrestau-
rants weiterzuverkaufen (vgl. Blasberg 2009, 42).

10
Kommunikation darstellt und der die Gemeinschaft zusammenhaltende Faktor demzufolge
auch zur Abgrenzung verwendet werden kann. Im Normalfall verkörpert die gemeinschaftli-
che Mahlzeit in allen Kulturkreisen ein Symbol von Nähe und Familiarität. Bei einer Zurück-
weisung dieser Beziehung entsteht zwischen der Gemeinschaft und dem Verweigerer ein
Graben, der zur Abspaltung führen kann. Die Nahrung kann daher parallel als Schauplatz und
Barriere einer Gesellschaft verstanden werden und erhält eine Kommunikationsfunktion.
Hartmann (2007, 151; 155; 160-163) macht dieses mittels eines Staatsbankettes mit seinen
speziellen Tischordnungen deutlich. Zu diesem Zweck müssen im Vorfeld besondere Einla-
dungen erstellt werden, die mit ihrer Gestaltung dem Gast bereits vorab die wesentliche Be-
deutung der Gesellschaft, des Gastgebers sowie des Anlasses mitteilen. Hierfür muss u.a. ein
im hohen Maße repräsentativer Raum zur Verfügung gestellt werden, der den Einfluss des
Gastgebers verdeutlicht. Ein in manchen Fällen hervorgehobener Ehrenplatz wird vergeben,
bei dem die direkt anschließenden Plätze von den Personen mit den höchsten Rängen besetzt
werden. Die verwendeten Platzvergabeverfahren sind je nach Ereignis anders gewählt und
erstellen eine Sitzordnung, die den Teilnehmern bereits vieles über einen jeweiligen Platzin-
haber kommuniziert.
Hunnewell-Leynse und Pérez (2003, 489) fügen der Bedeutung des Essen eine weitere Inter-
pretation hinzu. In Anbetracht der Rolle, die das Essen im alltäglichen Leben verkörpert und
der Tatsache, dass das Verzehren von LM einen gefühlsbetonten Vorgang darstellt, bei dem
neben den primär ernährungsphysiologischen Gesichtspunkten auch ein geistiger Prozess ab-
läuft, ist die Aufnahme der LM in den täglichen Sprachgebrauch eine Frage der Zeit gewesen
und nicht weiter verwunderlich. Infolgedessen wird eine Vielzahl an sozialen und kulturellen
Gesichtspunkten des Lebens in Form von LM-Metaphern
9
ausgedrückt. Zaborowski (2007,
30) erklärt zusätzlich, dass das gesprochene oder gelesene Wort als Nahrung dienen kann,
welches die Bedürfnisse des Geistes befriedigt. Das Essens also als Metapher und geistige
Nahrung. Kellam (2009, 35) vertritt diese Annahme und hebt hervor, dass bestimmte Speisen
die Seele ernähren und bereichern können.
9
Beispiele hierfür sind das Verschlingen mit den Augen, der Ohrenschmaus, das Verdauen einer
schlechten Nachricht, oder der Erkenntnishunger (vgl. Zaborowski 2007, 29f). Weitere Metaphern treten in
Form von kulinarischen Charakteristika von Personen auf und können bspw. Ulknudel, freches Früchtchen,
Dreikäsehoch, Hanswurst, Süßholzraspler, armes Würstchen, Zimtziege, beleidigte Leberwurst, Spargeltarzan,
treulose Tomate, Zuckerschnecke und Suppenkasper sein (vgl. Ben Schott 2005, 52). Den Höhepunkt des Es-
sens innerhalb des menschlichen Sprachgebrauches verkörpert allerdings nachdrücklich die anthropomorphe
Personifizierung des Hungers neben den drei weiteren apokalyptischen Reitern, Tod, Pest und Krieg.

11
Abschließend kann festgestellt werden, dass die Thematik des Essens eine viele Dimensionen
umfassende Komplexität aufweist. Um diese einzugrenzen, ist von Bass et al. (1979, zitiert
nach Kellam 2009, 39) ein Funktionsspektrum entworfen worden, welches insgesamt 17 Be-
deutungen des Essens verzeichnet. Einige der nachfolgenden Inhalte wurden auf Grund des
Umfangs nicht behandelt und werden lediglich der Vollständigkeit halber vorgestellt. Neben
der Befriedigung des Hungers kann die Essenskultur demnach auch:
·
persönliche und geschäftliche Beziehungen aufbauen und pflegen.
·
die Gestaltung und den Umfang einer Beziehung aufzeigen.
·
Fokus für Gemeindeaktivitäten zur Verfügung stellen.
·
Liebe und Fürsorge darstellen.
·
Individualität sichtbar machen.
·
Grenzen einer Gruppe aufzeigen.
·
Gruppenzugehörigkeit demonstrieren.
·
physiologischen Stress erträglich machen.
·
Belohnung oder Strafe verkörpern.
·
sozialen Status und Reichtum darstellen.
·
Selbstachtung unterstützen und Anerkennung erzielen.
·
politische oder wirtschaftliche Macht ausüben.
·
Erkrankungen heilen, verhindern oder diagnostizieren.
·
emotionale Erfahrungen symbolisieren.
·
Trauer darstellen.
·
Sicherheit verkörpern.
·
moralische Meinungen veranschaulichen.
Nicht zuletzt besitzt die Thematik des Essens auch eine allgemeine religiöse bzw. spirituelle
Bedeutung, welche im nachfolgenden Kapitel dargestellt ist. Wird die Tabelle in diesem Sin-
ne genauer betrachtet, so besitzt eine Vielzahl der Aufführungen eine religiöse oder spirituelle
Komponente (vgl. Kellam 2009, 34). Festzustellen ist, dass eine in erster Linie allgemeine
Bedeutung des Essens für den Menschen gleichzeitig eine wesentliche Bedeutung für die Rel.
darstellen kann. Eine Parallele zwischen der allgemeinen sowie der religiösen Bedeutung ei-
ner Speise für den Menschen kann aufgezeigt werden.
Da Verbindungslinien zwischen Essen und Rel. sehr komplex ausfallen, viele unterschiedli-
che Auffassungen dazu existieren und der Rahmen der Bachelorarbeit eine ausführliche Bear-

12
beitung nicht zulässt, orientiert sich die Erörterung im Wesentlichen an den Ausführungen
von Perry Schmidt-Leukel, die für ein erstes, allgemeines Verständnis des Themas hinrei-
chend aufschlussreich und weiterführend sind.
2.2 Generelle Zusammenhänge zwischen Religion und Essen
Im Allgemeinen ist davon auszugehen, dass Mitglieder einer Glaubensrichtung nicht ohne
Weiteres und auf Anhieb einen wesentlichen Zusammenhang zwischen Rel. und LM erken-
nen. Schmidt-Leukel (2000, 9) verdeutlicht in seinen Ausführungen, dass bei genauerer Be-
trachtung die Kombination von Speise und Rel. schnell deutlich werden kann. Es existieren
viele religiöse Riten, bei denen bestimmte Speisen oder im Gegensatz dazu das Verbot von
speziellen LM den zentralen Aspekt der Handlung annehmen.
10
Seine Theorie stellt sogar
einen religionsübergreifenden Zusammenhang fest. Diese Verbindung begründet er damit,
dass zwar jede Glaubensrichtung ihre für sie charakteristischen und spezifischen Bräuche und
Zeremonien besitzt, diese bei näherer Betrachtung jedoch gemeinsame Grundmotive aufwei-
sen. Laut seinen Auslegungen ist diese Verbindung zwischen dem Essen und den Rel. sowie
zwischen den Rel. untereinander mittels drei wesentlicher Bedeutungen der Nahrung für den
Menschen begründet. Lebensmittel im Allgemeinen verkörpern seiner Auffassung nach ers-
tens die Quelle des Lebens, zweitens eine Grundform der Lebensgestaltung und drittens einen
sozialen Grundakt. Alle drei Aspekte weisen eine immense Bedeutung für den Menschen auf
und müssen gerade deshalb zentrale Punkte innerhalb einer Glaubensrichtung verkörpern. Im
Folgenden werden die drei Zusammenhänge zwischen Rel. und Essen kurz erläutert.
Der Mensch steht im fortwährenden Austausch mit der Umwelt und stellt kein isoliertes Sys-
tem dar. Er kann die Verbindung nur trennen, wenn er sich selbst aufgibt und nichts mehr zu
sich nimmt (vgl. Zarabowski 2007, 14f). Nahezu jedes Geschöpf ist auf ein anderes angewie-
sen, wobei die Einverleibung eines Lebewesens, also die Aneignung von Lebensenergie, im
Kannibalismus seinen Höhepunkt erfährt. Aus religiöser Sicht verkörpert die ursprüngliche
Quelle dieser Energie eine göttliche Kraft, die die Erde einschließlich ihrer Lebewesen er-
schaffen hat (vgl. Schmidt-Leukel 2000, 11; 13f). Festzustellen ist, dass mit Hilfe der Einver-
leibung von Lebensenergie eine Verbindung zu der Schöpfungskraft erfolgt. Somit ist einer-
seits die Beziehung zwischen denjenigen Glaubensrichtungen hergestellt, welche eine all-
10
Beispiele hierfür sind die Oblate und der Wein im Vollzug der Eucharistiefeier, die zahllosen Speiseopfer
dargebracht an einem buddhistischen Tempel, die Speisevorschriften im Judentum oder die jüd. und islamisch-
en Verzehrverbote für Schweinefleisch, das Fasten vor Ostern oder der Essensverzicht beim Ramadan im Islam
und das abschließende Festmahl.

13
mächtige Schöpferautorität als Mittelpunkt besitzen. Und andererseits wird die grundlegende
religiöse Funktion des Essens deutlich. Es entsteht ein Doppelsinn, bei dem zum einen die
Mahlzeit als ernährungsphysiologische und zum anderen als religiöse Lebensquelle verstan-
den werden kann. Der erste Zusammenhang zwischen Speise und Rel. ist hergestellt.
Auf Grund der bewussten Zubereitung von LM entstand in der Vergangenheit eine Abgren-
zung zwischen Menschen und Tieren. Schmidt-Leukel (2000, 15) versteht unter einer beab-
sichtigten Zubereitung der Nahrung eine Grundform menschlicher Lebens- und Umweltge-
staltung. In Anbetracht dessen stellt er eine zweite Verknüpfung zwischen Rel. und Essen
fest. Da Glaubensrichtungen ebenfalls eine anweisende und anleitende Komponente beinhal-
ten, mit welcher Menschen aufgefordert werden ihre Umwelt umzugestalten und auf ein höhe-
res Ziel hinzuarbeiten, wird die Lebenswelt eines Individuums verändert. Schmidt-Leukel
setzt die Lebensweltgestaltung, verursacht durch den Menschen und erzeugt durch die Religi-
on, in Parallele. Die gemeinsame Speise einerseits und die religiöse Essenkultur
11
anderer-
seits, verkörpern beide eine Umgestaltung und können im Alltag kombiniert werden. Der
zweite Zusammenhang zwischen Rel. und Essen ist hergestellt.
Die gemeinschaftstiftende, soziale und kommunikative Funktion des LM ist bereits bekannt.
Schmidt-Leukel (2000, 12) stellt dazu fest, dass der soziale Aspekt des Essens annähernd
überall innerhalb einer Glaubensrichtung gefunden werden kann und formuliert den Begriff
,,sozialer Grundakt". Als Beispiel führt er das Verhalten während eines gemeinsamen Ban-
ketts an, welches Einsicht in das Sozialwesen einer Gemeinschaft gewährt. Die Etikette bei
einer gemeinsamen Mahlzeit, also das vom Menschen geschaffene Verhalten während einer
Speise, sei es nun eine Zusammenkunft von alten Freunden oder ein hochoffizieller Staatsbe-
such, ist mit dem sozialen Charakter des Menschen verbunden. Das Essen als sozialer Grun-
dakt ist anhand der Grundordnungen einer gemeinschaftlichen Mahlzeit verdeutlicht.
Wer setzt sich wo als erstes hin? Wann darf mit dem Essen begonnen werden? Müssen sich
dafür alle Teilnehmer am Tisch befinden? Wer serviert? Darf bei dem Essen geredet werden?
Dies alles sind Fragen die das Essen als soziale Handlung darstellen und Differenzen zwi-
schen den Teilnehmern aufzeigen. Laut Schmidt-Leukel (2000, 18f) ist in vielen Glaubens-
richtungen das Ziel eines gemeinsamen Essens oder das Teilen einer Speise die gesellschaftli-
chen Unterschiede für einen Moment aufzuheben und eine Gemeinschaft zu erhalten, in der
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Des Weiteren gewährt die religionsspezifische Essenskultur einen Einblick in die Grundeinstellung einer Glau-
bensrichtung. Vgl. hierzu 4.2.2.

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jedes Individuum gleichgestellt ist. Die gemeinsame Speise als sozialer Grundakt des Men-
schen untereinander. Somit ist die dritte Verknüpfung zwischen Essen und Rel. hergestellt.
Die Auffassung Schmidt-Leukels über die Dreiteilung der Essensbedeutung und ihr wesentli-
cher Stellenwert für den Menschen ist nur dann schlüssig, sofern die jeweilige Glaubensrich-
tung die zentralen Themen ihrer Mitglieder in die religiöse Gestaltung einbezieht. Wird diese
Überlegung vorausgesetzt, kann die These, dass das Essen als Lebensquelle, als Lebenswelt-
gestaltung sowie als sozialer Grundakt des Menschen verstanden wird, ebenfalls für Rel. im
Allgemeinen übernommen werden.
Abschließend unterstreichen die Ausführungen Normans (2003, 175) noch einmal die prinzi-
piellen Zusammenhänge zwischen Nahrung und Religion. Hinsichtlich der vielen Personen,
die an der Erforschung dieser Thematik beteiligt sind, bestehen unterschiedliche Auffassun-
gen. Trotzdem kann festgehalten werden, dass Rel. die Menschheit mit Gemeinschaft erzeu-
genden Strukturen versorgen, in welchen Essen eine besondere Rolle einnimmt. Diese Struk-
turen verdeutlichen anhand ihrer Gestaltung die spirituelle und religiöse Komponente des
Verzehrens, Opferns, Zu- bzw. Vorbereitens und Austeilens von Speisen an andere Men-
schen. Die Akteure erhalten die Möglichkeit zur reflektorischen Betrachtung ihres Verständ-
nisses von Religion, erhalten wiederholt Kontakt mit einer Essenskultur und können die Be-
deutung von LM für ihre religiöse und persönliche Identität ableiten.
Es lässt sich schließen, dass der religiöse Umgang mit der Lebensnotwendigkeit von LM und
der wesentlichen Bedeutung für ein gesellschaftliches Miteinander die prinzipielle Grundhal-
tung einer Rel. zum Leben wiederspiegelt. Wird die Parallele zwischen den einzelnen Glau-
bensrichtungen berücksichtigt, entsteht eine religionsübergreifende Verbindung; die zentrale
Bedeutung des Lebens (vgl. Schmidt-Leukel 2000, 19f). So unterschiedlich die diskutierten
Bedeutungsebenen des Essen und Trinkens auch ausfallen, können sie der Komplexität der
Thematik erst in ihrer Kombination gerecht werden. Essen verkörpert mehr als nur eine ge-
wöhnliche Speise, die den Hunger stillt. Sie kann bspw. als Luxusgegenstand oder auch Risi-
kofaktor, als abgrenzende oder auch gemeinschaftsstiftende Größe verstanden werden. Über-
dies nimmt sie soziale, kommunikative, identitäts- und individualitätsausdrückende Funktio-
nen ein. Ferner wird ein LM als geistige Nahrung angesehen, mit deren Hilfe der Mensch sei-
ne Umwelt charakterisieren und darstellen kann. Folglich sind Nahrungsmittel für den Men-
schen in vielerlei Hinsicht bedeutend und nehmen gerade deshalb eine wesentliche Größe
innerhalb von Rel. ein. Für das weitere Verständnis der Bachelorarbeit ist diese Multidimen-
sionalität als Grundlage zu sehen.

Details

Seiten
Erscheinungsform
Originalausgabe
Jahr
2009
ISBN (eBook)
9783836642675
Dateigröße
612 KB
Sprache
Deutsch
Institution / Hochschule
Gottfried Wilhelm Leibniz Universität Hannover – Philosophie, Ökotrophologie
Erscheinungsdatum
2014 (April)
Note
1,3
Schlagworte
kaschrut lebensmittel schächten pessach tora
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Titel: Das Essen und die Religion
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