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Akquisitionen und Selbstüberschätzung

Eine empirische Studie des deutschen Marktes

©2009 Bachelorarbeit 62 Seiten

Zusammenfassung

Inhaltsangabe:Einleitung:
Die empirische Corporate Finance-Forschung der letzten Jahrzehnte hat zu den Trends und Charakteristika von Fusionen und Übernahmen aufschlussreiche Ergebnisse aufzeigen können. Zahlreiche Event-Studien zeigen, dass Merger Shareholder-Value schaffen, wobei der Großteil des Shareholder Value-Anstiegs dem Zielunternehmen zufällt, und die Aktionäre entweder nur einen geringen Anstieg oder sogar einen Verlust an Shareholder Value verbuchen müssen.
Die Frage nach den Determinanten von Transaktionen kann allerdings bis heute nicht schlüssig erklärt werden. Grundannahme in den meisten Arbeiten war dabei die Rationalität der Marktakteure und Effizienz der Märkte. Dementsprechend standen als Gründe für Fusionen und Akquisitionen harte Faktoren wie Synergien, die Schaffung von Marktmacht, ein schlechtes Management des Zielunternehmens und die Principal-Agent-Thematik im Zentrum der Forschung.
Vernachlässigt wurde in der Empirie lange Zeit, dass die Realität des wirtschaftlichen Handelns sehr oft nicht mit den Modellen der klassischen Volkswirtschaftslehre übereinstimmt: Personen bilden und leiten Unternehmen, und die Annahme, dass diese Individuen allesamt rationale Marktakteure sind, kann die psychologische Forschung in vielen Arbeiten widerlegen.
Die Verhaltensökonomik versucht Aktionen und Entscheidungen, die mit dem klassischen Homo-Oeconomicus-Modell nicht erklärt werden können, auf ihre Ursachen zu untersuchen. Hier hat in den letzten Jahren das Forschungsgebiet Behavioral Corporate Finance als Teilgebiet der Verhaltensökonomik entscheidend an Gewicht gewonnen. Die realitätsferne Annahme rein rationalen Verhaltens bei Akquisitionsentscheidungen wird dabei - zumindest in Teilbereichen - aufgelöst. Irrationales Handeln wird als neue, zusätzliche Determinante für Transaktionen diskutiert, dabei nimmt Selbstüberschätzung im Zusammenhang mit Unternehmensübernahmen unter Managern in der bereits geleisteten Forschung eine zentrale Rolle ein. Selbstüberschätzung bedeutet hierbei zum einen die Überbewertung der eigenen Fähigkeiten, das Akquisitionsobjekt besser als das vorherige Management führen zu können, und zum anderen die Überschätzung der Synergien, die durch eine Übernahme generiert werden können. Ein weiterer Aspekt, der im Zentrum der Aufmerksamkeit steht, ist die Entwicklung von Selbstüberschätzung unter Managern durch ‘Self-Attribution Bias’. ‘Self-Attribution Bias’ bzw. ‘Self-Serving Bias’ beschreibt dabei das in […]

Leseprobe

Inhaltsverzeichnis


Jan Gropp
Akquisitionen und Selbstüberschätzung
Eine empirische Studie des deutschen Marktes
ISBN: 978-3-8366-4266-8
Herstellung: Diplomica® Verlag GmbH, Hamburg, 2010
Zugl. Frankfurt School of Finance & Management, Frankfurt am Main, Deutschland,
Bachelorarbeit, 2009
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© Diplomica Verlag GmbH
http://www.diplomica.de, Hamburg 2010

,,Many managements apparently were overexposed in impressionable childhood years to
the story in which the imprisoned prince is released from a toad's body by a kiss from a
beautiful princess. Consequently, they are certain their managerial kiss will do wonders for
the profitability of company [targets]. (...) We've observed many kisses but very few
miracles. Nevertheless, many managerial princesses are serenely confident about the
future potency of their kisses ­ even after their corporate backyards are kneedeep in
unresponsive toads."
Warren Buffet, Berkshire Hathaway Inc. Annual Report 1981

I
Inhaltsverzeichnis
Abkürzungsverzeichnis ... II
1. Einleitung
... 1
2.
Erklärungsansätze für Fusionen und Übernahmen aus der Verhaltensökonomik ... 3
2.1. Theoretische Ansätze der Behavioral Corporate Finance ... 3
2.2. Selbstüberschätzung
und Akquisitionen ... 4
3.
Modelle zur Messung von Selbstüberschätzung unter Managern ... 9
3.1. Ausübungsverhalten
bei Aktienoptionsplänen ... 10
3.2. FirmenPerformance, Bezahlung und Lob in der Presse ... 11
3.3. Modellierung durch empirische Erhebung ... 12
3.4. Bezeichnung
in der Presse ... 13
3.5. Das Frequent AcquirerModell ... 14
3.6. Auswahl des Modells für den deutschen Markt ... 15
4. Daten
und
Methoden ... 19
4.1. Daten
... 19
4.2. Angewendete Methodik ... 20
4.3. Deskriptive
Statistik
... 21
5.
Untersuchung auf Selbstüberschätzung ... 23
5.1. Kurzfristige
Ankündigungseffekte ... 23
5.1.1. Ankündigungseffekte
und Selbstüberschätzung ... 23
5.1.2. Ankündigungseffekte und SelfAttribution Bias ... 29
5.2. Langfristige
Performance ... 36
6.
Kritische Würdigung und Fazit ... 39
Literaturverzeichnis ... III
Anhang ... VIII

II
Abkürzungsverzeichnis
BHER BuyandHold Excess Returns
EUR Euro
CAR
Cumulative Abnormal Return / Kumulierte Abnormale
Renditen
CEO
Chief Executive Officer
CFO
Chief Financial Officer
EMH
Efficient Market Hypothesis / Effizienzmarkthypothese
HGB Handelsgesetzbuch
Mrd. Milliarden
n Anzahl
NBW Nettobarwert
ROI
Return on Investment
US United
States
USD
United States Dollar
VorstOG VorstandsvergütungsOffenlegungsgesetz
WpHG Wertpapierhandelsgesetz

1
1.
Einleitung
Die empirische Corporate FinanceForschung der letzten Jahrzehnte hat zu den Trends
und Charakteristika von Fusionen und Übernahmen aufschlussreiche Ergebnisse
aufzeigen können. Zahlreiche EventStudien zeigen, dass Merger
1
ShareholderValue
schaffen, wobei der Großteil des Shareholder ValueAnstiegs dem Zielunternehmen
zufällt, und die Aktionäre entweder nur einen geringen Anstieg oder sogar einen Verlust
an Shareholder Value verbuchen müssen (siehe u. a.: Jensen und Ruback, 1983; Bradley
et al., 1988; Mulherin und Boone, 2000; Andrade et al., 2001; Moeller et al., 2005).
Die Frage nach den Determinanten von Transaktionen kann allerdings bis heute nicht
schlüssig erklärt werden. Grundannahme in den meisten Arbeiten war dabei die
Rationalität der Marktakteure und Effizienz der Märkte. Dementsprechend standen als
Gründe für Fusionen und Akquisitionen harte Faktoren wie Synergien, die Schaffung von
Marktmacht, ein schlechtes Management des Zielunternehmens und die PrincipalAgent
Thematik im Zentrum der Forschung.
Vernachlässigt wurde in der Empirie lange Zeit, dass die Realität des wirtschaftlichen
Handelns sehr oft nicht mit den Modellen der klassischen Volkswirtschaftslehre
übereinstimmt: Personen bilden und leiten Unternehmen, und die Annahme, dass diese
Individuen allesamt rationale Marktakteure sind, kann die psychologische Forschung in
vielen Arbeiten widerlegen (Kahneman und Tversky, 2000; Gilovich et al., 2002).
Die Verhaltensökonomik versucht Aktionen und Entscheidungen, die mit dem klassischen
HomoOeconomicusModell nicht erklärt werden können, auf ihre Ursachen zu
untersuchen. Hier hat in den letzten Jahren das Forschungsgebiet Behavioral Corporate
Finance als Teilgebiet der Verhaltensökonomik entscheidend an Gewicht gewonnen. Die
realitätsferne Annahme rein rationalen Verhaltens bei Akquisitionsentscheidungen wird
dabei zumindest in Teilbereichen aufgelöst. Irrationales Handeln wird als neue,
zusätzliche Determinante für Transaktionen diskutiert, dabei nimmt Selbstüberschätzung
im Zusammenhang mit Unternehmensübernahmen unter Managern in der bereits
geleisteten Forschung eine zentrale Rolle ein. Selbstüberschätzung bedeutet hierbei zum
1
Die Begriffe Merger bzw. Fusion und Akquisition bzw. Übernahme haben im Sprachgebrauch leicht
abweichende Bedeutungen, werden in der vorliegenden Arbeit aber nebeneinander als Äquivalente
verwendet.

2
einen die Überbewertung der eigenen Fähigkeiten, das Akquisitionsobjekt besser als das
vorherige Management führen zu können, und zum anderen die Überschätzung der
Synergien, die durch eine Übernahme generiert werden können. Ein weiterer Aspekt, der
im Zentrum der Aufmerksamkeit steht, ist die Entwicklung von Selbstüberschätzung unter
Managern durch ,,SelfAttribution Bias". ,,SelfAttribution Bias" bzw. ,,SelfServing Bias"
beschreibt dabei das in zahlreichen psychologischen Arbeiten beobachtete Phänomen,
dass Individuen bei positiven Resultaten dem Einfluss ihres eigenen Handelns einen zu
großen Anteil zuschreiben, bei schlechten Resultaten hingegen einen zu großen Anteil
externen Faktoren oder Pech. (Gilovich et al., 2002; Kahneman und Tversky, 2000). Erfolg
resultiert automatisch in zunehmender Selbstüberschätzung, da die Ursachen des
Erfolges nicht hinterfragt werden.
Diese Arbeit untersucht den Effekt von Hybris
2
sowie deren Entwicklung durch Self
Attribution Bias bei Akquisitionen deutscher Unternehmen. Zu diesem Zweck werden
kurzfristige Ankündigungseffekte sowie die langfristige Entwicklung von Aktienkursen von
akquirierenden Unternehmen untersucht. Die Datenbasis bildet ein von Rustige und
Grote (2009) zusammengestellter Datensatz, der Akquisitionen von im HDAX gelisteten
Unternehmen im Zeitraum von 1996 bis 2005 enthält.
Die vorliegende Untersuchung gliedert sich wie folgt: In Kapitel zwei wird zunächst ein
kurzer Überblick über das Forschungsgebiet Behavioral Corporate Finance gegeben,
dabei werden zum einen verschiedene Ansätze in diesem Gebiet vorgestellt, zum
anderen wird auf die Ergebnisse bereits geleisteter empirischer Arbeiten zum Thema
Selbstüberschätzung und Akquisitionen eingegangen. Im dritten Abschnitt werden
verschiedene, in der Forschung zur Anwendung kommende Modelle zur Messung von
Selbstüberschätzung beschrieben und auf ihre Anwendbarkeit für den vorliegenden
Datensatz geprüft. Kapitel vier geht kurz auf die Daten und Methoden ein, die dieser
Arbeit zugrunde liegen. Die Ergebnisse der Untersuchung werden in Kapitel fünf
dargelegt, wobei sowohl auf die Auswertung der kurzfristigen Ankündigungseffekte als
auch die langfristige Performance eingegangen wird. Die vorliegende Arbeit endet mit
einer Zusammenfassung und kritischen Würdigung der zentralen Ergebnisse.
2
In der ursprünglichen, altgriechischen Bedeutung kann Hybris als die Selbstüberhebung des Menschen
gegenüber den Göttern übersetzt werden. In diesem Kontext wird Hybris als Selbstüberschätzung der
eigenen Fähigkeiten und Überoptimismus verstanden.

3
2.
Erklärungsansätze für Fusionen und Übernahmen aus der Verhaltensökonomik
2.1.
Theoretische Ansätze der Behavioral Corporate Finance
In dem noch jungen Forschungsgebiet der Behavioral Corporate Finance liegt der Fokus in
erster Linie auf den zentralen Akteuren eines Akquisitions bzw. Fusionsprozesses, den
Managern und Investoren. Es können zwei konzeptionell verschiedene Ansätze in der
Literatur beobachtet werden. Nach Baker et al. (2004) können diese Herangehensweisen
als ,,Irrational Investors Approach" bzw. als ,,Irrational Managers Approach"
unterschieden werden.
Beim ,,Irrational Investors Approach" werden zwei grundlegende Annahmen getroffen:
Die am Markt agierenden Investoren sind nicht rational, Manager allerdings verhalten
sich rational und nutzen das irrationale Verhalten der Investoren zu Gunsten des eigenen
Unternehmens aus. Nach der Effizienzmarkthypothese (EMH) spiegelt in einem
effizienten Markt der Preis eines Wertpapiers immer die vorhandenen Informationen
wider (Fama, 1970). Lange Jahre wurde diese Hypothese, der das rein rationale Handeln
der Marktakteure zu Grunde liegt, für die realen Finanzmärkte als unumschränkt gültig
betrachtet. Im Laufe der Jahre wurden immer mehr Indizien gefunden, dass Finanzmärkte
alles andere als effizient sind, und der Einfluss der Faktoren wie beispielsweise Arbitrage,
die zu mehr Effizienz im Markt führen, wesentlich schwächer zu bewerten sind als von
den Verfechtern der EMH ursprünglich angenommen. Mittlerweile wird von vielen
Wissenschaftlern vermutet, dass in Finanzmärkten signifikante und systematische
Abweichungen von Markteffizienz in Form von Mispricing dauerhaft existieren können
(Shleifer, 2000; Barberis und Thaler, 2003). Manager hingegen als rational agierende
Individuen nutzen diese am Markt auftretenden Ineffizienzen gezielt aus. Vertreter des
,,Irrational Investors Approach" führen als Begründung für die Fähigkeit der Manager,
Mispricing zu identifizieren, unterschiedliche Gründe an: Erstens haben Führungskräfte
Zugriff auf bessere Informationen über das eigene Unternehmen, zweitens haben
Führungskräfte aus der Realwirtschaft größere Freiheiten als Manager aus der
Finanzwirtschaft und drittens wird angeführt, dass Manager auf Heuristiken vertrauen
können, die es ihnen ermöglichen, Mispricing auszumachen ohne einen
Informationsvorsprung vor den Investoren zu besitzen (Baker et al., 2004). Im Kontext von

4
Unternehmensfusionen und ­übernahmen gibt es ebenfalls Hinweise dafür, dass
Marktineffizienz eine Determinante für Übernahmen und Fusionen darstellt bzw. den
Preis für diese Übernahmen mitbestimmt (siehe u. a.: Baker et al., 2007; Shleifer und
Vishny, 2003).
Der ,,Irrational Managers Approach" legt den gegensätzlichen Ansatz zugrunde. Während
Finanzmärkte als effizient angenommen werden, agieren Manager nicht immer so, wie
man es von einem Homo Oeconomicus erwarten sollte. Ihre Aktionen können
dementsprechend von dem abweichen, was den erwarteten Nutzen des Unternehmens
maximieren würde. Allerdings liegt in der Behavioral Corporate Finance der Fokus nicht
auf Maßnahmen, die eingeleitet werden, weil eine Divergenz in der Nutzenmaximierung
des Unternehmens bzw. den Aktionären und der Führungskraft existiert. Dieser Punkt
wird in der Agenturtheorie analysiert. Der ,,Irrational Managers Approach" konzentriert
sich im Gegensatz hierzu auf Unternehmenskäufe, bei denen Manager zwar in bester
Absicht den Nutzen des Unternehmens zu maximieren aber unbewusst gegen das
Interesse des Unternehmens bzw. der Anteilseigner agieren (Baker et al., 2004). Im
Mittelpunkt der Aufmerksamkeit stehen dabei die Faktoren Überoptimismus und
Selbstüberschätzung.
2.2.
Selbstüberschätzung und Akquisitionen
Spieltheoretisch betrachtet stellen Akquisitionen eine klassische Entscheidung unter
Risiko dar. Es kann zwar in der Gegenwart entschieden werden, ob eine Übernahme
getätigt wird, der Erfolg einer Transaktion ist allerdings von vielen verschiedenen
Faktoren abhängig. Ein rationales Individuum würde unter Einbezug aller möglichen
Szenarien die Akquisition durchführen, wenn der Nettobarwert (NBW) der gesamten
Investition einen Wert größer null hat und demnach einen positiven ROI aufweist.
Gegen einen wie oben dargestellten Prozess bei der Akquisitionsentscheidung sprechen
aus der Perspektive der psychologischen und verhaltensökonomischen Forschung
eindeutig folgende drei Punkte: Erstens sind Menschen überoptimistisch in Bezug auf
Entwicklungen, die sie persönlich nicht beeinflussen können, zweitens tendieren sie dazu,

5
ihren eigenen Einfluss auf rein zufällige Entwicklungen zu überbewerten und drittens
überschätzen sie ihre eigenen Fähigkeiten (Langer und Roth, 1975; Taylor und Brown,
1988).
Bei Managern kommt ein weiterer wichtiger Punkt hinzu. Viele Wissenschaftler gehen
davon aus, dass Manager noch optimistischer und selbstüberschätzender sind als die
Grundgesamtheit der Menschen, da durch den sogenannten ,,Selection Bias" nur
diejenigen an die Spitze eines Unternehmens kommen, die aufgrund Ihres Optimismus
und ihrer Selbstüberschätzung besonders riskante Entscheidungen in ihrer beruflichen
Laufbahn getroffen haben (Goel und Thakor, 2006). Bei einem positiven Resultat dieser
riskanten Entscheidungen kommt es immer wieder zur Beförderung, bei negativem
Ausgang folgt die Stagnation bzw. das Ende der Karriere. Das hat zur Folge, dass an der
Spitze von Unternehmen Manager stehen, denen in noch größerem Ausmaß
Überoptimismus und Selbstüberschätzung zu Eigen sind, als es in der durchschnittlichen
Bevölkerung zu beobachten ist (Gervais et al., 2003). Es gibt gute Hinweise darauf, dass
sich selbst überschätzende Manager das Risiko in den Cashflows bei Investitionen
unterschätzen und dadurch auch Projekte forcieren, die einen negativen NBW aufweisen.
Folglich wird angenommen, dass viele Investitionen eingegangen werden, die rationalem
Marktverhalten nicht entsprechen und auf Selbstüberschätzung und Überoptimismus
zurückzuführen sind (Gervais, et al., 2005; Aktas et al., 2005; Hackbarth, 2007).
Der Annahme, dass Selbstüberschätzung einen entscheidenden Einfluss auf das
Akquisitionsverhalten ausübt, werden in erster Linie zwei Argumente entgegengehalten:
Einerseits wird darauf verwiesen, dass irrational handelnde Entscheidungsträger durch
Erfahrung lernen rational zu handeln. Mit einer zunehmenden Zahl an durchgeführten
Transaktionen ist also davon auszugehen, dass die Fähigkeit, gute Akquisitionsobjekte zu
erkennen und Preisverhandlungen zu führen, zunimmt (Aktas et al., 2005). Außerdem
wird angeführt, dass Akquisitionen durch andere Unternehmen oder andere
Marktmechanismen dazu führen, dass HybrisManager aus dem Markt gedrängt werden
(Brown und Sarma, 2007). Diese Punkte müssen aufgrund der Charakteristika des Marktes
für Akquisitionen und Fusionen stark eingeschränkt werden. Einerseits sind für einen
Lerneffekt durch unregelmäßiges, langsames und unklares Feedback keine guten
Voraussetzungen gegeben (Brehmer, 1980; Heaton, 2002). Andererseits involvieren

6
Akquisitionen sehr hohe Transaktionskosten. Potenzielle Arbitrageure wären gezwungen,
ein beträchtliches Risiko einzugehen, um Gewinne aus Marktineffizienzen zu erzielen. Der
Effekt von Arbitrage wird auf diese Weise stark eingeschränkt (Heaton, 2002). Aus diesen
Gründen ist davon auszugehen, dass die angeführten Argumente für die Hybris
Hypothese bei Akquisitionen wesentlich schwächer zu beurteilen sind als in
Finanzmärkten (Heaton, 2002; Gervais et al., 2003).
Wie eine Studie des amerikanischen Marktes für Unternehmenstransaktionen von
Moeller et al. (2005) zeigt, haben Aktionäre akquirierender amerikanischer Unternehmen
im Zeitraum 1980 bis 2001 über USD 220 Mrd. bei Ankündigung eines Übernahmegebots
verloren. Diese Zahl bestätigt den Verdacht, dass nicht nur sinnvolle (NBWpositive)
Akquisitionen getätigt werden, sondern auch irrationales Verhalten wie
Selbstüberschätzung und Überoptimismus eine wichtige Rolle im Rahmen von
Unternehmensakquisitionen einzunehmen scheint.
Richard Roll (1986) stellte als erster die HybrisHypothese im Zusammenhang mit
Unternehmensübernahmen auf. Dabei geht er davon aus, dass der Marktwert eines
Unternehmens sich aus dem Mittelwert der Bewertungen aller Marktakteure ergibt. Dies
gilt unter der Annahme von rationalem wie irrationalem Verhalten. Bei Inexistenz bzw.
nur geringem Synergiepotenzial stellen Übernahmegebote über Marktpreis lediglich
einen individuellen Fehler in der Bewertung dar, der als Hybris bewertet wird. Zur
Überprüfung der Hypothese werden die von Jensen und Ruback (1983)
zusammengetragenen empirischen Resultate aus über 40 Studien zu Akquisitionen auf
Hybris untersucht. Diese empirischen Daten liefern keinen Beleg gegen die Hypothese,
dass Selbstüberschätzung ein entscheidender Faktor bei Unternehmenskäufen ist.
In einer Studie von Hayward und Hambrick (1997) wird der Effekt von
Selbstüberschätzung für 106 Unternehmensakquisitionen der Jahre 1989 und 1992
untersucht, bei denen sowohl das akquirierende Unternehmen als auch das
Zielunternehmen an der Börse gelistet sind. Dabei wird der Zusammenhang von
Selbstüberschätzung mit den drei Faktoren Akquisitionsprämien, kurzfristige
Kursreaktionen und langfristige Kursreaktionen der Firmen analysiert. Die Daten zeigen,
dass die Selbstüberschätzung unter CEOs einen signifikant positiven Zusammenhang mit

7
der Höhe der gezahlten Prämie auf den Aktienkurs eines Unternehmens bei der
Übernahme aufweist. Ebenfalls zeigt diese Studie auf, dass die Höhe der gezahlten Prämie
einen signifikant negativen Einfluss auf die einjährige Performance des akquirierenden
Unternehmens hat. Eine signifikante Auswirkung auf die kurzfristigen kumulierten
abnormalen Rendite (CAR) kann allerdings nicht festgestellt werden. Es kann festgehalten
werden, dass diese Arbeit ein empirischer Hinweis darauf ist, dass Hybris eine
entscheidende Rolle bei Unternehmensakquisitionen zukommt, da durch
Selbstüberschätzung ausgelöste höhere Übernahmeprämien eine negative Auswirklung
auf die Aktienrendite des akquirierenden Unternehmens haben und dadurch keine
Entscheidung im Sinne des Aktionärs darstellen.
BenDavid et al., (2007) nutzen eine empirische Erhebung bei USamerikanischen CFOs im
Zeitraum von März 2001 bis März 2007, um unter anderem den Einfluss von
Selbstüberschätzung auf das Akquisitionsverhalten zu analysieren. Die Ergebnisse zeigen,
dass Selbstüberschätzung, die sich auf Ereignisse bezieht, die in langer Frist (zehn Jahre)
eintreten, unter CFOs zu höheren Investitionen in Unternehmensübernahmen führt.
Außerdem kann festgestellt werden, dass bei diesen Managern der kurzfristige
Ankündigungseffekt sowohl statistisch wie auch ökonomisch signifikant negativ ist. Für
Selbstüberschätzung, die sich auf Ereignisse bezieht, die in kurzer Frist (ein Jahr)
eintreten, können allerdings keine signifikanten Ergebnisse aufgezeigt werden.
In einer weiteren Studie zum Einfluss von Selbstüberschätzung und Dominanz unter CEOs
auf das Akquisitionsverhalten analysieren Brown und Sarma (2007) australische Daten der
Jahre 1994 bis 2003. Sowohl Dominanz als auch Selbstüberschätzung weisen dabei einen
signifikant positiven Zusammenhang mit der Wahrscheinlichkeit eine Akquisition
durchzuführen auf. Hybris spielt demnach auch in diesem Datensatz eine entscheidende
Rolle bei der Akquisitionsentscheidung.
Mit Hilfe eines Datensatzes von 5.334 erfolgreich durchgeführten Akquisitionen zwischen
1980 und 2004, bei denen der Käufer ein börsengelistetes Unternehmen aus dem
Vereinigten Königreich und das gekaufte ein privat gehaltenes Unternehmen ist, wird der
Einfluss von Selbstüberschätzung und SelfAttribution Bias bei Akquisitionen untersucht
(Doukas und Petmezas, 2007). Die Resultate zeigen, dass Akquisitionen von rationalen

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CEOs signifikante Überrenditen gegenüber sich selbst überschätzenden Bietern erzielen,
auf eine Wertvernichtung für die Aktionäre der bietenden Unternehmen weisen die
Daten allerdings nicht hin. Außerdem wird festgestellt, dass CEOs, die in die Hybris
Kategorie einzuordnen sind, eine schlechte langfristige Performance aufweisen. Während
Firmen nach dem ersten Deal dieser sich selbstüberschätzenden Manager eine
langfristige Performance aufweisen, die nicht signifikant von null abweicht, ist diese
Performance bei dem fünften und folgenden Deals signifikant negativ. Diese Ergebnisse
weisen darauf hin, dass Manager durch den SelfServing Bias sich den anfänglichen Erfolg
selbst zuschreiben, als Folge überheblich werden und weitere Transaktionen tätigen.
Malmandier und Tate (2008) analysieren einen Datensatz von 394 USamerikanischen
Unternehmen in der Zeit von 1980 bis 1994. Dieser Arbeit folgend ist Selbstüberschätzung
eine wichtige Determinante im Markt für Unternehmensakquisitionen. Die Ergebnisse
lassen sich unter den folgenden Punkten subsummieren: Sich selbst überschätzende CEOs
führen erstens mit einer signifikant höheren Wahrscheinlichkeit Akquisitionen durch als
der Rest der Manager, zweitens neigen sie signifikant häufiger dazu eine diversifizierende
Unternehmensübernahme durchzuführen und drittens, weisen ihre Akquisitionen einen
signifikant negativen kurzfristigen Ankündigungseffekt auf, während die CAR der
restlichen CEOs nicht signifikant von null abweichen.
Billet und Qian (2008) untersuchen anhand eines Datensatzes von 3.702 Fusionen und
Übernahmen im Zeitraum von 1985 bis 2002, bei denen sowohl der Akquisiteur als auch
das Target USamerikanische börsengelistete Unternehmen sind, den Einfluss von
SelfAttribution Bias und die damit verbundene Selbstüberschätzung unter CEOs im
Rahmen von Unternehmensakquisitionen. An diesem Datensatz wird aufgezeigt, dass
Erfolg bei Akquisitionen in der Vergangenheit zu Selbstüberschätzung bei zukünftigen
Übernahmen führt. Während der kurzfristige CAR bei ersten Deals nicht signifikant von
null abweicht, ist zu beobachten, dass Übernahmen, denen mindestens eine Transaktion
innerhalb von fünf Jahren vorausgegangen ist, signifikant negative kurzfristige abnormale
Renditen aufweisen. Ebenfalls ist aus dem Datensatz ersichtlich, dass die langfristige
Performance von Firmen, die häufig akquirieren, bei ersten Transaktionen signifikant
positiv ist, bei darauf folgenden Akquisitionen hingegen nicht statistisch signifikant von
null abweicht. Firmen, die nur eine Akquisition innerhalb von fünf Jahren durchführen,

9
weisen eine signifikant negative langfristige Entwicklung auf. Diese Ergebnisse lassen die
Schlussfolgerung zu, dass sowohl kurzfristiger als auch langfristiger Erfolg bei einer ersten
Transaktion zur Entwicklung von Selbstüberschätzung und damit einhergehend zu
Akquisitionsentscheidungen in der Zukunft führt, die nicht im Interesse des Investors sind.
Zusammenfassend gilt es festzuhalten, dass sich die HybrisHypothese sowohl für
unterschiedliche Zeiträume als auch für verschiedene Länder bei Unternehmenskäufen
und ­fusionen robust zeigt. Dies scheint bei Akquisitionen der Fall zu sein, die privat
gehaltene Unternehmen zum Ziel haben wie auch bei börsengehandelten
Zielunternehmen. Die Überprüfung der Hypothese in Feldstudien zeigt zwar kein
komplett homogenes Bild, was den Effekt von Hybris auf kurzfristige und langfristige
Auswirkungen bei akquirierenden Unternehmen angeht, allerdings kann folgende
Tendenz festgestellt werden: Selbstüberschätzende Manager neigen mit einer höheren
Wahrscheinlichkeit dazu Unternehmenskäufe durchzuführen. Ebenso festzustellen ist,
dass die Qualität der Transaktionen, gemessen sowohl an den kurzfristigen
Ankündigungseffekten wie an langfristigen Performancezahlen, bei Führungskräften, die
von Hybris betroffen sind, schlechter sind als bei ,,rationalen" Managern. Außerdem
können empirische Belege für die Theorie des SelfAttribution Bias im Kontext von M&A
Transaktionen erbracht werden: Folgetransaktionen scheinen von schlechterer Qualität
als Ersttransaktionen zu sein.
3.
Modelle zur Messung von Selbstüberschätzung unter Managern
Das entscheidende Problem bei der empirischen Messung von Selbstüberschätzung bei
handelnden Personen bleibt, dass sie nicht direkt ermittelt werden kann. Aus diesem
Grund handelt es sich bei jeder HybrisModellierung um einen indirekten Ansatz. Im
Folgenden werden unterschiedliche, in der Forschung verwendete Modelle vorgestellt.

Details

Seiten
Erscheinungsform
Originalausgabe
Jahr
2009
ISBN (eBook)
9783836642668
DOI
10.3239/9783836642668
Dateigröße
505 KB
Sprache
Deutsch
Institution / Hochschule
Frankfurt School of Finance & Management – Betriebswirtschaftslehre
Erscheinungsdatum
2010 (Februar)
Note
1,0
Schlagworte
corporate finance hybris deskriptive statistik frequent acquirer modell
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Titel: Akquisitionen und Selbstüberschätzung
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