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Look for me in the Whirlwind

Marcus Garvey und die UNIA

©2009 Magisterarbeit 112 Seiten

Zusammenfassung

Inhaltsangabe:Gang der Untersuchung:
Diese Arbeit sieht sich als biographische Überblicksdarstellung. Mir erschien es wichtig, aufgrund bisher fehlender Publikationen in deutscher Sprache, das Leben und Schaffen des Marcus Garvey in einer Gesamtdarstellung zu zeigen und zu deuten.
Besondere Schwerpunkte dieser Arbeit sind außer den privaten und unmittelbaren Lebensstationen Garveys, sowie seines Weltbildes und seiner Philosophie vor allem eine ausführliche Betrachtung von Garveys Zeit in den USA 1916-27, die dortigen Geschehnisse rund um seine Massenorganisation UNIA, sowie der wichtigsten Nebenorganisation, der gescheiterten Schifffahrtsgesellschaft ‘Black Star Line’.
Ein für mich weiterer wichtiger und zu analysierender Aspekt ist Garveys überzeugter und oftmals mit aller Härte geführter Kampf gegen seine Feinde bzw. Konkurrenten. Dieser betrifft vor allem Garveys komplexes Verhältnis zur NAACP und W.E.B. DuBois, aber auch die National Urban League und andere elitäre afroamerikanische Organisationen, die aufstrebenden Gewerkschaften, feindlich gesinnte Journalisten und deren Zeitungen und die Vereinigten Staaten insgesamt als Ankläger im Betrugsprozess gegen Garvey und die ‘Black Star Line’.
Zuerst wird jedoch im zweiten Abschnitt dieser Arbeit das Leben Garveys vor seiner Abreise in die USA 1916 betrachtet werden. Beginnend mit seiner Kindheit in St. Anns Bay/Jamaika, seinem Verhältnis zum christlich geprägten Elternhaus und seinen Spielkameraden, seiner frühen Erziehung und Bildung und ersten schmerzlichen Erfahrungen mit der in Jamaika zu dieser Zeit vorherrschenden speziellen Form des Rassismus. Es wird gezeigt, wie der junge Marcus Garvey schon früh ein Bewusstsein für die Erniedrigung der schwarzen Bevölkerung entwickelte, welches ihn in Verbindung mit seinen Erlebnissen als Drucker und später als Publizist zu einem charismatischen Anführer einer bis dato noch nicht gesehenen Massenbewegung von Menschen schwarzer Hautfarbe aufsteigen ließ.
Weitere Schwerpunkte in diesem Abschnitt sind Garveys frühe Reisen durch die Karibik und Lateinamerika zwischen 1907 und 1912, die ihn nachhaltig prägten und seine tiefe Besorgnis über den Zustand der dort lebenden Schwarzen nach dem offiziellen Ende der Sklaverei verstärkten, ihn aber auch darin bekräftigten, selbst etwas für die Gleichberechtigung und das Zusammenstehen seiner Rasse zu unternehmen. Ein zweijähriger Aufenthalt in London, damals die Metropole des Kolonialismus und frühen […]

Leseprobe

Inhaltsverzeichnis


Sebastian Stehlik
Look for me in the Whirlwind
Marcus Garvey und die UNIA
ISBN: 978-3-8366-4264-4
Herstellung: Diplomica® Verlag GmbH, Hamburg, 2010
Zugl. Ruprecht-Karls-Universität Heidelberg, Heidelberg, Deutschland, Magisterarbeit,
2009
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© Diplomica Verlag GmbH
http://www.diplomica.de, Hamburg 2010

Gliederung:
1. Einleitung
S. 3
1.1. Historiographische und sonstige Bemerkungen
S. 3
1.2. Aufbau und Schwerpunkte dieser Arbeit
S. 8
2. Die frühen Jahre
S.12
2.1. Elternhaus in St. Ann´s Bay
S.12
2.2. Garvey in Kingston
S.14
2.3. Reise durch die Karibik, Lateinamerika und nach London
S.16
2.4. Gründung der UNIA
S.19
3. Garvey in den USA
S.23
3.1. UNIA
S.23
3.1.1. Organisation und Mitgliederentwicklung
3.1.2. First International Convention of the Negro Peoples
of the World
3.2. ,,The Negro World"
S.33
3.3. ,,Black Star Line"
S.37
3.4. ,,Garvey vs. USA"
S.48
3.5. ,,Black Intellegentsia" und Ku Klux Klan
S.54
3.6. Völkerbund und Liberia
S.65
2

4. Die späten Jahre
S.76
4.1. Rückkehr nach Jamaika
S.76
4.2. ,,The Black Man"
S.84
4.3. Lebensabend in London
S.88
5. Schlussbetrachtung
S.95
5.1. Die UNIA nach Garveys Tod
S.95
5.2. Garveys Weltbild und seine Bedeutung für die Nachwelt
S.98
6. Bibliographie
S.105
3

1. Einleitung:
,,Look for me in the whirlwind or the storm, look for me all around you, for, with God´s
grace, I shall come and bring with me countless millions of black slaves who have
died in America and the West Indies and the millions in Africa to aid you in the fight
for Liberty, Freedom and Life."
1
1.1. Historiographische und sonstige Bemerkungen:
Marcus Mosiah Garvey (1887-1940) war bis zu seinem Tod ein eifriger Ver-
fasser von politischen, sozialen und religiösen Pamphleten, Reden, Essays,
Kommentaren und Gedichten gewesen. Er publizierte eine Mehrzahl von Zei-
tungen und Zeitungsartikeln. Seine wirtschaftlichen und organisatorischen Akti-
vitäten führten zu einer zusätzlichen Fülle von Dokumenten. Leider existiert bis
heute keine komplette Sammlung der von ihm hinterlassenen Schriftstücke.
Seine eigenen Aufzeichnungen, offizielle Urkunden und Zeugnisse aus seiner
Schulzeit in Jamaika wurden größtenteils bei der Bombardierung Londons
1940/41 zerstört.
Originaldokumente und Manuskripte der ,,United Negro Improvement (Con-
servation) Association and Communities League" (UNIA) wurden unter der Lei-
tung von Robert A. Hill von der Universität Berkeley in der zeit von 1983
2
bis
1987
3
(anlässlich des 100. Geburtstages von Marcus Garvey) zusammenge-
stellt. Aufzeichnungen von Aktivitäten der UNIA finden sich noch vereinzelt in
den Archiven der offiziellen amerikanischen Behörden (zusammengefasst in der
,,Library of Congress"), dem auswärtigen Amt in London und der Panamakanal-
gesellschaft.
4
Unvollständige Ausgaben der von Garvey veröffentlichten Zeitungen ,,Negro
World", ,,Black Man" und der Tageszeitung ,,Negro Times" befinden sich in der
1
Nachricht an Garveys Anhänger nach dessen Inhaftierung in Atlanta 1925, in: Katz, W.; Garvey, A., Philosophy
and Opinions of Marcus Garvey II, p. 239.
2
Hill, Robert A. (Ed.): The Marcus Garvey and Universal Negro Improvement Association Papers, 7 Vol., Berke-
ley, 1983-1990.
3
Hill, Robert A.; Bair, B. (Ed.): Marcus Garvey : Life and Lessons, A Centennial Companion to the Marcus Gar-
vey and Universal Negro Improvement Association, Berkeley, 1987.
4
http://www.fco.gov.uk, http://www.loc.gov, http://www.archives.gov (November 2008).
4

Schomburg Collection der New York Public Library
5
, ebenso Aufzeichnungen
der UNIA New York aus den Jahren 1918-59 (,,Universal Negro Improvement
Association. Central Division, New York. Records, 1918-1959", auf Mikrofilm)
und die ,,Garvey Club Collection" des offiziellen, 1927 in New York gegründeten
,,Garvey Klubs". Bedauerlicherweise sind gerade diese Quellen (noch) nicht on-
line zugänglich.
Eine Zusammenstellung der unregelmäßig erschienenen Ausgaben des
,,Black Man" (1933-39) in Buchform lieferte Robert A. Hill.
6
Das John F. Kennedy
Institut in Berlin
7
ist im Besitz einer unvollständigen Sammlung von Ausgaben
der ,,Negro World" aus den Jahren 1926-33 im Mikrofilmformat.
Wegen der gegen Garvey in den USA geführten gerichtlichen Verfahren
existieren noch heute einige wichtige Dokumente über sein gescheitertes
Schifffahrtunternehmen ,,Black Star Line". Mehrere (aber längst nicht alle) offizi-
elle Dokumente des ,,United States District Court"
8
und des ,,United States Cir-
cuit Court of Appeals" im Hinblick auf den Fall ,,Garvey vs. United States of
America" können in verschiedenen Archiven eingesehen werden und geben ge-
nauere Details über die Geschäftsgebahren Garveys und der ,,Black Star Line"
preis.
9
Die Akten des ,,United States Shipping Board" in den Nationalarchiven
der USA liefern darüber hinaus wichtige Aspekte beim Kauf von Schiffen der
,,Black Star Line".
10
Auch Akten und Dokumente des FBI bezüglich Garvey, der jahrelang be-
schattet wurde, finden sich in den offiziellen Beständen der Vereinigten Staaten
(teils digital aufgearbeitet, teils nur offline als Mikrofilme), einzusehen unter an-
derem über die Archive der Universität Princeton
11
oder die Schomburg Collecti-
on.
Garveys zweite Frau, Amy Jacques (1895-1973), sammelte schon zu des-
sen Lebzeiten wichtige Dokumente, Reden, Zeitungsartikel und Gedichte ihres
Mannes und veröffentlichte, obwohl ursprünglich nur als private Aufzeichnungen
geplant, mehrere dieser Sammlungen in den Jahren 1923 bis 1928. Darunter
5
http://www.nypl.org/research/sc/sc.html (November 2008).
6
Hill, Robert A. (Ed.): The Black Man: A Monthly Magazine of Negro Thought and Opinion, Millwood, New York,
1975.
7
http://www.jfki.fu-berlin.de (November 2008).
8
http://www1.nysd.uscourts.gov/index.php (November 2008).
9
http://www.uscourts.gov/courtsofappeals.html (November 2008).
10
http://www.marad.dot.gov/index.htm (November 2008).
11
http://library.princeton.edu/ (November 2008).
5

befinden sich die für diese Arbeit essentiellen Zusammenstellungen Garveys
früher Schriften, ,,Philosophy and Opinions of Marcus Garvey Vol. I and II", er-
schienen 1923 und 1925 (wiederveröffentlicht 1968 mit einem Vorabschnitt über
,,Black Separatism" von William L. Katz)
12
, sowie ein Essay über Garveys Ge-
richtsprozess und Verurteilung mit dem Titel ,,United States vs. Marcus Garvey:
Was Justice Defeated?". Amy Jacques Garvey veröffentlichte außerdem zwei
Bände mit Gedichten ihres Mannes und verfasste eine (nicht veröffentlichte)
Biographie über die frühen Jahre Garveys in Jamaika. 1963, zehn Jahre vor ih-
rem Tod, brachte sie schließlich das Buch ,,Garvey and Garveyism" (1970 und
1978 wiederveröffentlicht mit einer Einführung von John H. Clarke) heraus.
13
Eine Vielzahl von Reden Garveys in seiner Funktion als Präsident der UNIA
finden sich (teilweise auch online) in zahlreichen städtischen Archiven (v.a. New
York, London) und den oben angesprochenen Zeitungsbeständen und Quellen-
sammlungen.
Garveys kontroverse Stellung als ,,Black Leader" drückt sich auch in vielen
Zeitungsartikeln der schwarzen Konkurrenzpresse der damaligen Zeit aus. Kriti-
sche Artikel über Garvey und die UNIA erschienen in Zeitungen wie ,,Chicago
Defender", ,,Messenger", ,,New York Age", ,,New York Amsterdam News", ,,Wa-
shington Bee", ,,Pittsburgh Courier", ,,Liberator", ,,Crusader" und ,,Crisis", dem
Sprachrohr der mit der UNIA verfeindeten ,,National Association for the Advan-
cement of Colored People" (NAACP), herausgegeben von W.E.B. DuBois, Gar-
veys Erzfeind und sein berühmtester Kritiker. Die Modern Library Harlem Re-
naissance hat unter der Leitung von Dr. Sondra Kathryn Wilson vom W.E.B. Du-
Bois Institute der Universität Harvard wichtige Beiträge einiger dieser Zeitungen
(Crisis, Messenger) als Sammelband wieder veröffentlicht.
14
Auch die ,,New York Times", ,,Washington Post" und ,,New York World"
druckten Artikel über Garveys Aktivitäten, häufige Erwähnung fand er auch im
jamaikanischen ,,Kingston Gleaner" und in der karibischen Zeitung ,,Workman".
Sekundärliteratur über Garvey und die UNIA ist zahlreich und es erscheinen
bis heute immer wieder neue Bücher und Artikel in Fachzeitschriften wie dem
,,Journal of Negro Education", allerdings fast ausschließlich auf Englisch. Eine
Bibliographie zum Thema Marcus Garvey wurde 1980 von Davis und Sims ver-
12
Katz, William L.; Garvey, Amy J. (Ed.): Philosophy and Opinions of Marcus Garvey I and II, New York, 1968.
13
,,Story of Part of the Life of Marcus Garvey", in Privatbesitz.
14
Wilson, Sondra K. (Ed.): The Crisis Reader; The Messenger Reader, New York/Toronto, 1999, 2000.
6

öffentlicht.
15
Herauszuheben und für diese Arbeit wichtig sind die Werke der Historiker
und Garvey-Experten Edmund D. Cronon, Prof. Robert A. Hill und John H. Clar-
ke, alle drei widmeten sich in mehreren Veröffentlichungen dem Leben und
Schaffen von Marcus Garvey.
16
Die erste größere (eindeutig pro-garveyistische)
Untersuchung der Gerichtsprozesse Garveys in den 20er und 30er Jahren ver-
fasste der Jamaikaner Len Nembhard 1940 (1978 wiederveröffentlicht).
17
Die ab den späten Sechzigern auftretende neue Welle von Literatur über
Garvey, welche mit dem neuen Interesse am ,,Black Nationalism" während der
Periode der ,,Black Power"-Bewegung in den USA zusammenhing, beschäftigte
sich verstärkt mit Einzelaspekten der garveyschen Philosophie und Weltan-
schauung und versuchte dabei auch, weg von der reinen Biographie und der oft
einseitig-positiven Bewertung die Bewegung der Garveyisten, diese in einen ge-
samtgesellschaftlichen und wissenschaftlichen Kontext sowohl innerhalb, als
auch außerhalb der afroamerikanischen Welt einzuordnen und auch die negati-
ven Aspekte dieses Themenkomplexes nicht außer acht zu lassen.
Dies führte zu einer sinnvollen Verbreiterung der Literatur über Garvey und
bezog sämtliche Ausprägungen der Bewegung mit ein: Von Tony Martins Ein-
bettung in ideologische und organisatorische Konzepte,
18
Büchern über die Akti-
vitäten der UNIA in der Karibik und in Afrika (letzteres hatte Garvey selbst nie
bereist)
19
, die Stellung Garveys im Konkurrenzkampf mit anderen afroamerika-
nischen Organisationen
20
, die Einbindung des Garveyismus in zeitgenössische
Diskurse (Pan-Afrikanismus, ,,Black Nationalism", ,,Black Separatism", ,,Race",
,,Class", ,,Gender"
21
, und die Rastafari-Bewegung
22
), bis zu erziehungswissen-
schaftlichen Aspekten
23
und die ,,Back-to-Africa" Bewegung
24
wurde und wird bis
heute ein breites Spektrum abgedeckt.
15
Davis, Lenwood G.; Sims, Janet L.: Marcus Garvey: An Annotated Bibliography, Westport 1980.
16
Siehe Bibliographie in Abschnitt 6.
17
Nembhard, Len S.: Trials and Triumphs of Marcus Garvey, Millwood, 1978.
18
Martin, Tony: Race First - The Ideological and Organizational Struggles of Marcus Garvey and The Universal
Negro Improvement Association, Westport, 1976.
19
Lewis, Rupert C.; Warner-Lewis, Maureen (Ed.): Garvey : Africa, Europe, The Americas, Trenton, 1994.
20
Moses, Wilson J.: Creative Conflict in African American Thought: Frederick Douglass, Alexander Crummell,
Booker T. Washington, W.E.B. Du Bois, and Marcus Garvey, New York, 2004.
21
Stein, Judith: The World of Marcus Garvey : Race and Class in Modern Society, Baton Rouge, 1986.
22
Campbell, Horace: Rasta and Resistance: From Marcus Garvey to Walter Rodney, London, 1985.
23
Chapman, Thandcka K.: Foundations of Multicultural Education: Marcus Garvey and the United Negro Im-
provement Association, in: The Journal of Negro Education, Vol. 73, No. 4 (2004), pp. 424-434.
24
Kallen, Stuart A: Marcus Garvey and The Back to Africa Movement, Detroit, 2006.
7

Insgesamt gesehen bietet sich im angloamerikanischen Raum eine wesent-
lich bessere Quellenlage an, als in Europa, wo das Thema Marcus Garvey wei-
testgehend ein Schattendasein führt. Bis auf wenige Zeitungsartikel und Zeit-
schriftenbeiträge vor allem aus dem französischsprachigen Raum existieren
kaum Veröffentlichungen. Eigenständige Texte auf Deutsch sind so gut wie nicht
vorhanden, es existiert lediglich eine von Julia Metzger vom John F. Kennedy
Institut in Berlin verfasste Magisterarbeit von 2003 über den Panafrikanismus
bei Garvey und DuBois.
25
Dass Marcus Garvey auch Jahrzehnte nach seinem Tod noch immer als ei-
ner der wichtigsten afroamerikanischen Persönlichkeiten des 20. Jahrhunderts
gesehen, mitunter auch als Prophet und Visionär verehrt wird, bestätigt dessen
häufige Verwendung in den Liedtexten der Reggae-, Hiphop- und Dub- Künstler
überall auf der Welt, darunter bei Ikonen wie Bob Marley und Burning Spear.
Garvey selbst schrieb neben Gedichten auch Liedtexte, die er von der
UNIA-eigenen Band bei Festivitäten aller Art aufführen ließ, darunter Teile der
Hymne der ,,Black Star Line" und ein von ihm 1927 während seines Gefängnis-
aufenthaltes in Atlanta verfasstes Stück mit dem Namen ,,Keep Cool".
26
2001 erschien der von der WGBH Educational Foundation in Auftrag gege-
bene und von Stanley Nelson produzierte Film ,,American Experience ­ Marcus
Garvey: Look for me in the Whirlwind", welcher unter Mithilfe von Prof. Robert
A. Hill und finanzieller Unterstützung der Ford Foundation zu Stande kam. Er
portraitiert das Leben des Marcus Garvey und zeigt erstmals seltenes Filmma-
terial über ihn und die UNIA in Harlem, sowie Interviews mit Zeitzeugen in den
USA, Jamaika, London und Afrika. Der Film ist als DVD in Deutschland schwie-
rig zu bekommen, allerdings ist er seit kurzem auf dem Internet-Video-Portal
,,Google Video" in voller Länge (134 min.) zu sehen.
27
Markus Garvey gilt heute als jamaikanischer Nationalheld. 1956 wurde im
,,National Heroes Park" von Kingston zu seinen Ehren eine Bronzebüste aufge-
stellt, seine sterblichen Überreste wurden 1964 von London nach Kingston
überführt. Die 50-Cent-Münze Jamaikas zeigt bis heute ein Konterfei Garveys.
In Harlem/New York wurden 1980 ein Park und eine Strasse nach ihm benannt.
Auch in London, Garveys Exil-Heimat, trägt heute eine Strasse (,,Marcus Gar-
25
Metzger, Julia: Der Panafrikanismus bei Marcus Garvey und W.E.B. DuBois ­ ein Vergleich (Magisterarbeit),
Berlin, 2003.
26
http://www.marcusgarvey.com/wmview.php?ArtID=36 (08.09.2008).
27
http://video.google.com (07.10.08).
8

vey Way" im Stadtteil Lambeth) seinen Namen.
Im World Wide Web kursieren aktuell (Stand: November 2008) eine Fülle
von Marcus-Garvey-Gedenkseiten, mehr oder weniger aktuell und oftmals mit
einer sehr einseitigen Darstellung der historischen Leistungen Garveys und der
UNIA. Die ,,UNIA-ACL", offizielle Nachfolgeorganisation von Garveys UNIA und
bis zum heutigen Tag aktiv, bietet auf ihrer Webseite eine kurze Darstellung ih-
rer jüngeren Geschichte und stellt aktuell hinzugekommene Regionalabteilun-
gen vor.
28
Zum Schluss noch ein Hinweis zur generellen Übersetzungsproblematik:
Die englischsprachigen Quellen und die Literatur über das Thema dieser Arbeit
enthalten mitunter Begriffe, deren direkte Übersetzung ins Deutsche zu der ein
oder anderen Schwierigkeit führen kann. Soweit es mir möglich war, habe ich
mit den Übersetzungen gearbeitet bzw. die englischen Begriffe in Anführungs-
zeichen gesetzt.
Der Begriff ,,Race", im angloamerikanischen Sprachraum mit einer Fülle von
Bedeutungen versehen, wird von mir durchgehend mit ,,Rasse" übersetzt, denn
im historischen Kontext der 20er und 30er Jahre des 20. Jahrhunderts gespro-
chen meint er genau das, auch wenn das Wort ,,Rasse" im deutschen zeitge-
nössischen Sprachgebrauch oft kontextbeladen und negativ konnontiert ist. Der
in den Quellen häufig auftauchende Begriff ,,Negro" wird von mir weitest gehend
mit ,,Schwarz(er)" oder ,,Mensch(en) mit schwarzer Hautfarbe" übersetzt.
1.2. Aufbau und Schwerpunkte dieser Arbeit:
Diese Arbeit sieht sich als biographische Überblicksdarstellung. Mir erschi-
en es wichtig, aufgrund bisher fehlender Publikationen in deutscher Sprache,
das Leben und Schaffen des Marcus Garvey in einer Gesamtdarstellung zu zei-
gen und zu deuten.
Besondere Schwerpunkte dieser Arbeit sind außer den privaten und unmit-
telbaren Lebensstationen Garveys, sowie seines Weltbildes und seiner Philoso-
phie vor allem eine ausführliche Betrachtung von Garveys Zeit in den USA
1916-27, die dortigen Geschehnisse rund um seine Massenorganisation UNIA,
28
http://www.unia-acl.org (November 2008).
9

sowie der wichtigsten Nebenorganisation, der gescheiterten Schifffahrtsgesell-
schaft ,,Black Star Line".
Ein für mich weiterer wichtiger und zu analysierender Aspekt ist Garveys
überzeugter und oftmals mit aller Härte geführter Kampf gegen seine Feinde
bzw. Konkurrenten. Dieser betrifft vor allem Garveys komplexes Verhältnis zur
NAACP und W.E.B. DuBois, aber auch die National Urban League und andere
elitäre afroamerikanische Organisationen, die aufstrebenden Gewerkschaften,
feindlich gesinnte Journalisten und deren Zeitungen und die Vereinigten Staa-
ten insgesamt als Ankläger im Betrugsprozess gegen Garvey und die ,,Black
Star Line".
Zuerst wird jedoch im zweiten Abschnitt dieser Arbeit das Leben Garveys
vor seiner Abreise in die USA 1916 betrachtet werden. Beginnend mit seiner
Kindheit in St. Anns Bay/Jamaika, seinem Verhältnis zum christlich geprägten
Elternhaus und seinen Spielkameraden, seiner frühen Erziehung und Bildung
und ersten schmerzlichen Erfahrungen mit der in Jamaika zu dieser Zeit vor-
herrschenden speziellen Form des Rassismus. Es wird gezeigt, wie der junge
Marcus Garvey schon früh ein Bewusstsein für die Erniedrigung der schwarzen
Bevölkerung entwickelte, welches ihn in Verbindung mit seinen Erlebnissen als
Drucker und später als Publizist zu einem charismatischen Anführer einer bis
dato noch nicht gesehenen Massenbewegung von Menschen schwarzer Haut-
farbe aufsteigen ließ.
Weitere Schwerpunkte in diesem Abschnitt sind Garveys frühe Reisen
durch die Karibik und Lateinamerika zwischen 1907 und 1912, die ihn nachhal-
tig prägten und seine tiefe Besorgnis über den Zustand der dort lebenden
Schwarzen nach dem offiziellen Ende der Sklaverei verstärkten, ihn aber auch
darin bekräftigten, selbst etwas für die Gleichberechtigung und das Zusammen-
stehen seiner Rasse zu unternehmen. Ein zweijähriger Aufenthalt in London,
damals die Metropole des Kolonialismus und frühen Pan-Afrikanismus, die Be-
gegnung mit Duse Mohammad Ali und anderen Intellektuellen, ein Job bei einer
Zeitung und der Besuch einer englischen Universität bilden weitere Schwer-
punkte des zweiten Abschnittes. Mit der Rückkehr nach Jamaika 1914 und der
sofort daran anschließenden ersten Gründung der UNIA, deren Aufbau, Grün-
dungsmitglieder und Zielsetzungen ich betrachten werde, schließt der zweite
Abschnitt.
10

Abschnitt 3, Hauptteil dieser Arbeit, befasst sich mit Garveys Zeit in den
USA 1916-27, wo er seine größten Erfolge hatte, aber auch seine schwersten
Niederlagen einstecken musste. Dieser Abschnitt ist in mehrere Teile unterglie-
dert, die sich jeweils auf verschiedene Aspekte des Schaffens von Marcus Gar-
vey in den USA beziehen.
Zuerst wird der Fokus auf der Neugründung und den rasanten Aufstieg der
New Yorker UNIA liegen. Es wird versucht, die quellengeschichtlich unklare Fra-
ge der Mitgliederzahlen der amerikanischen UNIA zu beantworten und die von
der UNIA im Sommer 1920 abgehaltene, erste ,,International Convention of the
Negro Peoples of the World" untersucht und dargestellt.
Der zweite Teil des dritten Abschnittes beschäftigt sich mit Garvey als Publi-
zisten. Anhand von Beispielen aus seiner wichtigsten Publikation, der ,,Negro
World" (1918-1933), wird Garveys journalistischer Stil untersucht, um wichtige
Rückschlüsse auf das Phänomen Garvey und UNIA ziehen zu können.
Im dritten Teil geht es um einen weiteren wichtigen Aspekt des Wirkens
Garveys, die wirtschaftlichen Organisationen. Betrachtet wird hier Garveys
Schiffsunternehmen ,,Black Star Line", eine Aktiengesellschaft, die einen rasan-
ten Aufstieg erlebte und ein noch schnelleres tragisches Ende hatte und deren
kontroverse Maßnahmen zur Kundenaquirierung Garvey ins Gefängnis brach-
ten.
Die Behandlung des komplexen Themas ,,Garvey vs. USA" bildet den
Schwerpunkt des vierten Teiles. Untersucht werden die Gerichtsverfahren we-
gen Betruges im Umgang mit Briefwerbung für den Aktienkauf bei der ,,Black
Star Line" und die Ereignisse während der Verhandlungen, deren Ende die In-
haftierung Garveys in Atlanta und seine spätere Abschiebung aus den USA zur
Folge hatten. Hier werden auch die vorausgegangenen Spionagetätigkeiten des
FBI und der New Yorker Staatsanwaltschaft beleuchtet werden.
Teil 5 befasst sich mit Garveys Konkurrenten in den USA, den schwarzen
Journalisten der vielen wichtigen Zeitungen, die zum Teil in heftigem und mit
Hilfe der Presse ausgetragenen Streit mit der UNIA und vor allem Garvey selbst
standen, darunter sein Erzfeind W.E.B. DuBois und seine Zeitung ,,Crisis", aber
auch mit den Sozialisten, Kommunisten und schwarzen Gewerkschaften, über
die Garvey nie ein gutes Urteil hatte. Außerdem wird die schicksalshafte Bezie-
hung Garveys zum Ku Klux Klan und dessen Anführer Clarke untersucht, eine
11

umstrittene Liaison, durch die Garvey viele Sympathien und Anhänger verlor.
Danach behandle ich im sechsten und letzten Teil des dritten Abschnittes
die außenpolitischen Aktionen der UNIA im Bezug auf Garveys ,,Back to Africa"-
Kampagne und die Versuche der UNIA, in Liberia Fuß zu fassen. Des Weiteren
werden die gescheiterten Bemühungen der UNIA, auf Entscheidungen des Völ-
kerbundes in der Frage der afrikanischen Kolonien Einfluss zu nehmen, darge-
stellt und erörtert.
Der vierte Abschnitt behandelt die Zeit nach Garveys Deportation aus den
USA bis zu seinem Tode 1940 im Londoner Exil. Zuerst werden Garveys Rück-
kehr nach Jamaica 1927, der dortige, anfangs erfolgreiche Wiederaufbau der
UNIA Kingston und Garveys sonstige politischen Ambitionen in seiner Heimat
dargestellt. Garveys zweites großes journalistisches Unternehmen, die panafri-
kanische, überregionale Zeitschrift ,,Black Man" (1933-39), wird danach ausführ-
lich behandelt werden. Schlusspunkt des vierten Abschnittes ist eine Über-
blicksdarstellung von Garveys letzten Jahren in London ab 1934.
Der fünfte und letzte Abschnitt dieser Arbeit gliedert sich noch einmal in
zwei Teile. Zuerst gebe ich einen Überblick über die Entwicklung der UNIA nach
Garveys Tod bis in die Gegenwart (verschiedene Abspaltungen, Abteilungen
und Mitgliederentwicklungen), soweit dies anhand der spärlichen Quellen mög-
lich ist. Danach behandele ich noch einmal gesondert Garveys Weltbild und sei-
ne Bedeutung für die Nachwelt. Im Mittelpunkt dieses letzten Teils der Arbeit
stehen die Frage der Bewertung seiner geschichtlichen Leistung, nach den ver-
schiedenen Teilaspekten seiner ,,Philosophie" und nach der Rolle, welche Gar-
vey für spätere politische Bewegungen der Afroamerikaner wie z.B. die ,,Black
Power"-Bewegung der späten 50er und 60er Jahre des 20. Jahrhunderts ge-
spielt hat und noch heute im andauernden Kampf um Gleichberechtigung und
,,Race Pride" in den USA, der Karibik und Afrika spielt.
12

2. Die frühen Jahre:
,,There is nothing in the world common to man, that man cannot do."
29
2.1. Jugend und Elternhaus in St. Anns Bay:
Marcus Mosiah Garvey wurde am 17. August 1887 in St. Anns Bay im Norden
Jamaikas als jüngstes von 11 Kindern (von denen nur er und seine ältere
Schwester Indiana das Erwachsenenalter erreichten) geboren. Seinen Vorna-
men erhielt er von seinem Vater, einem verschlossenen aber beliebten Maurer-
meister und Handwerker, der von sich selbst behauptete, von den Maroons ab-
zustammen, einem alten Sklavengeschlecht, dessen glorreiche Befreiungs-
kämpfe gegen Spanier und Briten Teil der jamaikanischen Folklore sind und die
unter den schwarzen Jamaikanern stets ein hohes Ansehen genossen.
Seine Mutter, Sarah Garvey, eine sensible und hart arbeitende gläubige Ka-
tholikin, bestand darauf, ihn auf den Zweitnamen Moses zu taufen. Vater und
Mutter einigten sich schließlich auf den ebenfalls biblischen Mittelnamen Mo-
siah (Moziah). Garveys Vater, der als ein störrischer und misstrauischer Zeitge-
nosse beschrieben wird, hatte sich eine kleine Bibliothek eingerichtet, in der er
von Zeit zu Zeit verschwand, um zu lesen, statt einer regelmäßigen Arbeit nach-
zugehen. Dies führte dazu, dass der junge Marcus Garvey frühzeitig lernte, das
Lesen von Literatur als wichtig zu erachten und zu schätzen. Garveys Vater war
beliebt im Ort, er fungierte mitunter als Schlichter bei Rechtsstreitigkeiten und
jeder im Dorf kannte ihn als ,,Mr. Garvey"
30
. Garveys Familie besaß einen star-
ken Zusammenhalt und sein Vater führte deren Geschicke streng und meist
ohne viele Worte. Einmal ließ er seinen Sohn allein in einem frischen geschau-
felten Grab alleine und zog die Leiter weg, um ihm eine Lektion fürs Leben zu
erteilen. Garvey selbst sagte später, er habe dadurch gelernt, dass er nur sich
selber vertrauen könne.
31
29
Katz, Garvey, Philosophy and Opinions I, p. 2.
30
Cronon, Black Moses, p. 6f.
31
Ibid.
13

Seine Mutter wird als gutherzig und sanftmütig beschrieben, eine gut aus-
sehende schwarze Frau, die oft zur Kirche ging und Kuchen und Kekse an die
Einwohner im Dorf verkaufte, um das Familieneinkommen aufzubessern. Sie
war stets überzeugt, dass ihr einziger überlebender Sohn es einmal zu etwas
bringen würde. Marcus Garvey hatte zu ihr ein engeres Verhältnis als zu sei-
nem Vater.
Garveys Familie war zu einem bescheidenen Reichtum gelangt, besaß ein
wenig Land und die Eltern konnten es sich leisten, den jungen Marcus auf die
Grundschule zu schicken und in eine Sonntagsschule, wo er Privatunterricht
bekam. Garvey selber behauptete später, eine exzellente Ausbildung in Jamai-
ka genossen zu haben und einen ,,Highschool"-Abschluss zu besitzen.
32
Im Alter von 14 Jahren, nach Abschluss der Elementarstufe, musste Marcus
Garvey die Schule verlassen und arbeitete bei Mr. Burrows, der eine lokale
Druckerei betrieb, die über eine kleine Bibliothek verfügte. Hier konnte sich Gar-
vey neben seiner Ausbildung als Drucker weiterhin dem Lesen und Studieren
von Büchern widmen. Garveys Familie war zu dieser Zeit nicht mehr im Stande,
die Oberschulkurse zu bezahlen, da sein Vater fast den kompletten Landbesitz
der Familie in einer Reihe von Gerichtsverfahren verloren hatte (nur das eigene
Haus mit Garten war den Garveys zum Schluss geblieben). Er hatte sich in sei-
ner ,,Stubbornness" mit einem Zeitungsverlag wegen eines Abonnements ge-
stritten, war zusätzlich mit seinen Nachbarn in einen Rechtsstreit um Eigen-
tumsrechte getreten und hatte vor Gericht verloren. Garvey behauptete später
von seinem Vater:
,,He once had a fortune; he died poor."
33
Garvey, den alle nur ,,Mose" oder ,,Ugly Mug" nannten
34
, war beliebt, hatte
reichlich Spielkameraden, darunter auch viele weiße Kinder (Garveys Vater ver-
mietete auch Land an zwei weiße Familien). Eine besondere Beziehung pflegte
er zu einem weißen Mädchen, der Tochter eines Methodisten aus der Nachbar-
schaft. Eines Tages sagte sie zu ihm, dass sie nach Schottland ziehen würde,
um dort zur Schule zu gehen und dass sie keinen Kontakt mehr zu ihm haben
32
Cronon, Black Moses, p. 9 f.
33
Cronon, Black Moses, p. 6.
34
Ibid.
14

könne, denn er sei ja ein ,,Nigger".
Dieses Erlebnis prägte den jungen Marcus Garvey. Er hatte bis zu diesem
Zeitpunkt noch nichts von den in Jamaika vorherrschenden Rassebarrieren mit-
bekommen und später sagte er, diese Erfahrung hätte ihn bewusst werden las-
sen, dass es verschieden Rassen auf der Welt gibt, von denen jede ihr eigenes
separates Leben führe.
35
2.2. Garvey in Kingston:
Nach zwei Jahren Tätigkeit in der Druckerei und um nützliche Erfahrungen im
Geschäftsbetrieb einer kleinen Firma reicher, verließ Marcus Garvey seine Hei-
mat und ging nach Kingston, die pulsierende Metropole Jamaikas.
Hier arbeitete er bei einem Onkel in dessen Druckerei und stieg in kürzester
Zeit zu einem hohen Posten als Manager auf, was ihm einen guten Lohn be-
scherte. Bald darauf holte er seine Mutter, inzwischen von seinem Vater ge-
trennt, nach Kingston. Die durch einen Hurrikan 1903 verursachten Schäden
am Familienbesitz in St. Anns Bay hatten Mrs. Garvey gezwungen, ihre Heimat
hinter sich zu lassen und in die unruhige Großstadt zu kommen. Allerdings ge-
wöhnte sie sich nie an das Leben in Kingston und kehrte schon bald enttäuscht
und verbittert wieder in den Norden zurück, wo sie kurze Zeit später verstarb.
36
Garvey selbst fühlte sich vom Trubel der Großstadt angezogen. Er schaffte
es innerhalb von nur zwei Jahren Manager einer der bedeutendsten Druckerei-
en Jamaikas zu werden, der P.A. Benjamin Company
37
. Darüber hinaus zeigte
er sich fasziniert vom politischen Leben der Metropole. Garvey begann, regel-
mäßig Gottesdienste zu besuchen, um sich die Redefähigkeiten der schwarzen
Priester und Prediger abzuschauen und anzueignen. Er nahm an einigen der
vielen öffentlichen Versammlungen und Diskussionsrunden in Kingston teil und
hielt erste kleine Reden, die er vorher zu Hause akribisch vor dem Spiegel ein-
geübt hatte, anfangs noch sehr unbeholfen und unfreiwillig komisch, später
aber mit immer mehr Erfolg.
Als im Januar 1907 ein schweres Erdbeben Kingston erschütterte und
35
Ibid.
36
Stein, The World of Marcus Garvey, p. 25.
37
Ibid.
15

Brände große Teile der Stadt verwüsteten, führte Material- und Nahrungsmittel-
knappheit schnell zu einem enormen Preisanstieg der verbunden mit niedrigen
Löhnen, die Druckergewerkschaft von Kingston, eine der ältesten Gewerkschaf-
ten Jamaikas, zu einem ausgedehnten Streik veranlasste. Garvey wurde von
diesem Streik überrascht, schloss sich aber schnell als einziger der Manager
den Arbeitern an, wurde von ihnen zum Streikführer gewählt (obwohl erst knapp
20 Jahre alt) und veranlasste daraufhin öffentliche Diskussionsrunden, um
Druck auf die Regierung auszuüben, die Löhne zu erhöhen und auf den Import
von Arbeitskräften und Maschinen zu verzichten.
Garveys Bemühungen als Streikführer wurden zunichte gemacht, als der
Schatzmeister der Druckergewerkschaft mit der Streikkasse verschwand und
die eigenen Arbeiter begannen, selbst neue Druckmaschinen zu importieren.
Fast alle durften ihre Jobs behalten, nur Garvey als Streikführer, wurde entlas-
sen und musste sich einen neuen Job bei der Druckerei der jamaikanischen
Regierung suchen, da er im privaten Sektor keine Angebote mehr bekam.
Sein Scheitern als Streikführer weckte in ihm früh ein tiefes Misstrauen ge-
genüber Gewerkschaften, er fühlte sich ausgenutzt und beteuerte sein ganzes
Leben lang, er habe durch diesen Streik gelernt, dass Gewerkschaften nicht in
der Lage seien, die Probleme der Arbeiter, speziell der schwarzen Arbeiter, zu
lösen. Dieses Misstrauen veranlasste Garvey, auch in der Folgezeit nie mit Ge-
werkschaften zusammenzuarbeiten.
38
Garvey engagierte sich jetzt stärker für die Rechte schwarzer Arbeiter, er
nahm auch weiterhin am kulturellen und intellektuellen Leben in Kingston teil
und wurde Mitglied des angesehenen ,,National Club", wo er als Sekretär an der
Veröffentlichung der Zeitschrift ,,Our Own" mitarbeitete. Um diese Zeit hatte er
bereits erste Schritte in Richtung einer eigenen Publikation gemacht. Er brachte
1909 für kurze Zeit die Zeitung ,,Garvey´s Watchman" heraus, welche er aus ei-
gener Kasse finanzierte und selbst druckte.
39
Infolge des Scheiterns seiner Zeitschrift, der schlechten Resonanz auf sei-
ne wenigen öffentlichen Auftritte (Garvey konnte oftmals nicht zu Ende reden,
wurde von Menschen seiner eigenen Hautfarbe verspottet)
40
und ermutigt durch
die Mitarbeit im antikolonialistischen ,,National Club", sah Marcus Garvey nun
38
Cronon, Edmund D. (Ed.): Great Lives Observed ­ Marcus Garvey, 1973, p. 2.
39
Stein, The World of Marcus Gravey, p. 25f.
40
Nembhard, Trails and Triumphs of Marcus Garvey, p. 4ff.
16

die Zeit gekommen, das Schicksal der schwarzen Arbeiter außerhalb Jamaikas
zu erkunden, kündigte seinen Job und begab sich 1910 auf eine ausgedehnte
Reise durch die Karibik und Lateinamerika.
2.3. Reise durch die Karibik, Lateinamerika und nach London:
Schweren Herzens, aber keineswegs entmutigt, verließ Marcus Garvey sei-
ne Heimat per Schiff. Er war nicht der einzige. In der Zeit zwischen 1910 und
1912 kehrten über 13000 Menschen der Insel den Rücken und versuchten ihr
Glück auf den Bananenplantagen der ,,United Fruit Company" oder wirkten als
Zeitarbeiter an einem der bis dato größten Bauprojekte der Menschheit mit,
dem Panamakanal.
Garvey, der später erklärte, er habe nie Probleme gehabt, schnell einen Job
zu finden (,, I had not much difficulty in finding and holding a place for myself, for
i was agressive."
41
), fand zunächst Beschäftigung als Aufpasser und Zeitnehmer
bei einem entfernten Verwandten auf einer der vielen Bananenplantagen in
Costa Rica. Später arbeitete er im Hafen von Limón und veröffentlichte dort für
kurze Zeit die wenig erfolgreiche Zeitung ,,La Nacion" auf Spanisch, in der er auf
die schlechten Arbeitsbedingungen der schwarzen Arbeiter aufmerksam mach-
te. Garvey kritisierte in öffentlichen Lesungen und Reden den britischen Konsul
als Hauptverantwortlichen für die schlimme Situation der ,,British Subjects"
schwarzer Farbe in den Häfen und auf den Plantagen Costa Ricas. Für seine
Umtriebe und den unverhohlenen Aufruf der Arbeiter zum Protest wurde er zeit-
weilig inhaftiert und musste Costa Rica bald (auf behördlichen Druck) verlas-
sen.
42
Garvey war inzwischen davon überzeugt, dass Arbeiter schwarzer Haut-
farbe auch in anderen Ländern des Commonwealth ungleich behandelt werden.
Durch eine Geldspende eines Onkels bekam Garvey die Gelegenheit, Pa-
nama zu besuchen. Er arbeitete kurzzeitig in Bocas-del-Toro, reiste aber bald
nach Colón, um dort erneut eine kleine Zeitung (,,La Prensa") herauszubringen.
Auch hier war die rassische Unterdrückung spürbar. Viele Schwarze aus Jamai-
ka und anderswo schufteten am ,,Isthimus" den ganzen Tag lang für einen Hun-
gerlohn, sei es auf den Plantagen oder am Kanal. Garveys Ruf nach Einigkeit
41
Katz, Garvey, Philosophy and Opinions II, p. 125-127.
42
Martin, Tony: Race First, p. 4.
17

(,,But Unity will bring you Prosperity!"
43
) verhallte jedoch. Vielen Arbeitern war es
wichtig, zunächst einmal Geld zu verdienen und sich nicht irgendeiner Bewe-
gung anzuschließen (,,Prosperity first!"
44
).
Weitere Stationen auf Garveys Reise waren schließlich Ecuador, wo er die
sklavenähnlichen Bedingungen der schwarzen Minenarbeiter mit Sorge verfolg-
te, sowie Nicaragua, Kolumbien, Honduras und Venezuela.
1912 kehrte er nach Jamaika zurück, voller Sorgen und wütend über das
gesehene Leid seiner Landsleute. Auch in Jamaika hatte sich nichts verändert
an der Situation der schwarzen Bevölkerung. Nach wie vor herrschten weiße
Kolonialherren und eine von ihnen installierte kleine Mittelklasse gebildeter
,,Mischlinge" über fast 80 % der schwarzen Bevölkerung. Garvey wollte wissen,
ob Rassenschranken und Unterdrückung auch in Europa existierten und mach-
te sich auf den Weg nach London. Dort arbeitete seit einiger Zeit auch seine
ihm einzig verbliebene Schwester Indiana als Kindermädchen. Europa sollte
eine wichtige Erfahrung für Garvey werden, denn in seiner Zeit in London, Paris
und anderen Orten (1912-1914) wurden die intellektuellen Grundsteine für Gar-
veys spätere Gründung der UNIA gelegt.
London war das Mekka der internationalen intellektuellen Elite dieser Zeit.
Es boten sich dort nie gekannte Freiheiten für Garvey. Er besuchte regelmäßig
das House of Commons und hörte berühmte Leute wie Lloyd George über Poli-
tik und Gesellschaft reden. Dies führte bei ihm zu einer tiefen Zuneigung zur bri-
tischen Demokratie und Rechtsprechung. Der Hyde Park mit den ,,Speakers
Corners" beeindruckte den jungen Garvey, er kam schnell in Kontakt mit ande-
ren schwarzen Studenten, Arbeitern und Journalisten und besuchte anschei-
nend einige Kurse am ,,Kirkbeck College".
45
In den vielen frei zugänglichen Bi-
bliotheken las und lernte er über Afrika und seine Stellung unter der Kolonial-
herrschaft der Europäer, über die Situation der Schwarzen in den USA und den
frühen Panafrikanismus.
Durch seine Leidenschaft für die Presse lernte Garvey den Herausgeber ei-
ner der wichtigsten panafrikanischen Zeitungen, der 1912 gegründeten ,,African
Times and Orient Review" kennen, den Geschäftsmann und Journalisten Duse
Mohammad Ali. Ali war halb ägyptischer, halb sudanesischer Herkunft. Seine
43
Nembhard, Trials and Triumphs, p. 9.
44
Ibid.
45
Cronon, Black Moses, p. 7.
18

erfolgreiche Zeitung beschäftigte sich mit den Problemen der afrikanischen Welt
im Kolonialismus und brachte afrikanische Geschäftsleute mit britischen Geld-
gebern zusammen. Die ,,African Times and Orient Review" war eines der wich-
tigsten Sprachrohre des frühen Panafrikanismus, erfolgreiche amerikanische
Autoren wie W.E.B. DuBois und Booker T. Washington hatten dort breites eige-
ne Artikel veröffentlicht.
46
Garvey begann für diese Zeitung zu arbeiten und veröffentlichte im Oktober
1913 einen Artikel über die Situation der afrikanisch-stämmigen Bevölkerung in
der Karibik. Durch Ali bekam Garvey auch eine Kopie des Buches ,,Up From
Slavery" von Booker T. Washington, dem Begründer der Tuskegee-Schule für
Schwarze in Alabama, zu lesen. Garvey war beeindruckt und sagte später über
die Lektüre dieses Buches:
,,I read Up from Slavery by Booker T. Washington, and then my doom ­ if i may so
call it ­ of being a race leader dawned upon me. (...) I asked: ,,Where is the black
man´s Government? Where is his King and his kingdom? Where is his President, his
country and his ambassador, his army, his navy, his men of big affairs?" I could not
find them, and then I declared ,,I will help to make them"."
47
Garvey war nun endgültig bereit, sein Leben der Verbesserung der Bedingun-
gen der schwarzen Weltbevölkerung zu widmen. Eine Zeit lang verharrte er
noch in London, unternahm Reisen nach Paris und quer durch Europa, kratzte
dann sein letztes Geld zusammen und trat im Juli 1914 seine Rückreise nach
Jamaika an, voller Motivation und Ideen und einem großen Plan: der Gründung
einer internationalen Organisation zur Verbesserung der Stellung schwarzafri-
kanischer Menschen auf der ganzen Welt:
,,I saw before me then, even as I do now, a new world of black men, not peons, serfs,
dogs and slaves, but a nation of sturdy men making their impress upon civilization
and causing a new light to dawn upon the human race. I could not remain in London
any more. My brain was afire. There was a world of thought to conquer."
48
2.4. Gründung der UNIA:
46
Stein, The World of Marcus Garvey, p. 29.
47
Katz; Garvey, Philosophy and Opinions II, p. 126.
48
Ibid.
19

,,For the last ten years I have given my time to the study of the condition of the Negro,
here, there and everywhere, and I have come to realize that he is still the object of
degradation and pity the world over, in the sense that he has no status socially, natio-
nally, or comercially (with amodicum of exception in the United States of America)."
49
Zwischen dem 15. und 17. Juli 1914 erreichte Marcus Garvey Jamaika.
Während der Überfahrt von Southampton nach Kingston führte er lange Ge-
spräche mit einem Passagier, der ihm eindringlich und detailliert von den Leiden
seiner Landsleute in Afrika erzählte. Garvey verbrachte daraufhin Stunden in
seiner Kabine und überlegte sich einen passenden Namen für seine zukünftige,
weltumspannende Organisation:
,,Retiring to my cabin, all day and the following night i pondered about the subject of
that conversation, and at midnight, lying flat on my back, the vision and thought came
to me that I should name the organisation ,,The Universal Negro Improvement and
Conservation Association and African Communities (Imperial) League.""
50
Diese Bezeichnung, abgekürzt ,,UNIA", schien ihm passend zu sein, die Be-
lange aller Schwarzen weltweit zusammenzufassen und sie zu vereinigen. Am
1. August 1914, nachdem Garvey zunächst alte Bekannte in Jamaika kontak-
tiert und zur Mithilfe motiviert hatte, gründete er die UNIA in Kingston. Diese Or-
ganisation sollte sein Lebenswerk werden. Sie wurde eine der größten interkon-
tinentalen Massenbewegungen von Menschen schwarzer Hautfarbe und war
weit über Garveys Tod hinaus aktiv.
Das Kingstoner Gründungspräsidium umfasste neben Garvey, der Präsi-
dent und Reisebeauftragter wurde, Thomas Smikle als Vizepräsident, T. A. Mc
Cormack als Generalsekretär und Eva Aldred als Frauenbeauftragte. Amy As-
hwood, Garveys zukünftige erste Frau (von 1919 bis 1920), wurde Sekretärin
der UNIA. Die Firmenanschrift war Kingston, 30 Charles Street.
51
Im erweiterten
Management saßen A. Daily, E. Ried, T. Brown, J. Murdock, A. Peart, A. Mc
Kenzie, J. Ried, A. Knight, R. Cross, G. Campbell, C. Phillips, Mrs. A. Peart und
Amy Aldred. Dem Gründungsmanifest war ein Mitgliedsantrag beigefügt. Dieser
betrug 6 Pence für den ersten Monat.
52
Die UNIA hatte ursprünglich sowohl generelle, als auch lokale, sich unmit-
49
Martin, Race First, p. 6.
50
Katz; Garvey, Philosophy and Opinions II, p. 126f.
51
Cronon, Black Moses, p. 18.
52
Originaldokument: The Universal Negro Improvement Association Papers, in: Hill, Robert A. (Ed.): The Marcus
Garvey and Universal Negro Improvement Association Papers, 7 Vol., Berkeley, 1983-1990.
20

telbar auf Jamaika beziehende Ziele. Die Primärziele waren unter anderem:
,,To establish a Universal Confraternity among the race.
To promote the spirit of race pride and love.
To reclaim the fallen of the race.
To administer to and assist the needy.
To assist in civilizing the backward tribes of Africa.
To strengthen the imperialism of independent African States.
To establish Commisionaries or Agencies in the principal countries of the world for the pro-
tection of all Negroes, irrespective of nationality.
To promote a conscientious Christian worship among the native tribes of Africa.
To establish Universities, Colleges and Secondary Schools for the further education and
culture of the boys and girls of the race.
To conduct a world-wide commercial and industrial intercourse."
53
Ähnliche Zielsetzungen gab es für Jamaika selbst, darunter den Aufbau von
Schulen nach dem Vorbild von Booker T. Washington, die Unterstützung des
ärmsten Teils der Bevölkerung, Resozialisierungsmaßnahmen für Kriminelle
und eine generelle Stärkung des Zusammenhaltes der Schwarzen in den unte-
ren Gesellschaftsschichten zur weiteren Entwicklung des Landes.
54
Die UNIA besaß somit ein breit gefächertes Programm mit sozialen,
ethisch-religiösen, wirtschaftlichen und erzieherischen Maßnahmen zur Verbes-
serung der Lebenssituation der Schwarzen in Jamaika und weltweit, außerdem
hatte sie das ehrgeizige Ziel der Errichtung eines eigenen Staates für die
Schwarzen auf der Welt in Afrika (,,Africa for the Africans, those at home and
those abroad!"
55
). Die Organisation nannte ihre Anliegen ,,sozial, menschlich,
karitativ, erzieherisch, institutionell, konstruktiv und expansiv." Ihr Slogan lautete
,,One God! One Aim! One Destiny!".
56
Mit der Gründung der UNIA schuf sich Garvey von Beginn an nicht nur
Freunde. Während viele angesehene Jamaikaner, darunter der Bürgermeister
von Kingston, die Ideen Garveys, gerade im erzieherischen Bereich, würdigten
und unterstützten, stand die Mittelklasse der jamaikanischen ,,Mischlinge" ihm
eher skeptisch gegenüber. Sie sahen in seiner Organisation, die ja explizit die
schwarze Unterklasse zu mobilisieren suchte, eine Gefahr für ihre Stellung in
der jamaikanischen Gesellschaft. Garvey sagte später selbst über die Reaktio-
nen auf die UNIA-Gründung:
53
Ibid.
54
Ibid.
55
Katz; Garvey, Philosophy and Opinions I, p. 34.
56
Aus der Präambel der UNIA New York, in: Katz; Garvey, Philosophy and Opinions, p. 102.
21

,,I was openly hated and persecuted by some of these colored men of the island who
did not want to be classified as Negroes but as white."
57
Die weit verbreitete Bezeichnung ,,Nigger" für Schwarze im Unterschied zu
,,Mullatoes" für die helleren Mischlinge wollte Garvey abschaffen und durch den
(nicht neuen) Begriff ,,Negro", der stets groß geschrieben werden sollte, erset-
zen. Nicht nur dafür wurde Garvey, dessen große Ziele und teils arrogantes
Auftreten für viele seiner Gegner auch ein Zeichen von übersteigerter Selbstein-
schätzung war, von Beginn an gehänselt und abschätzig betrachtet. Sie be-
haupteten:
,,Garvey was an impossible man to use openly the term ,,Negro"; yet everyone be-
neath his breath was calling the black man a nigger."
58
Das erste Jahr der UNIA war geprägt von harter Arbeit und dem Kampf um
Aufmerksamkeit in der jamaikanischen Öffentlichkeit. Garvey versuchte einer-
seits, die Skeptiker unter den besser gestellten Schwarzen von der Richtigkeit
seiner Ziele zu überzeugen, aber auch die weiße Oberschicht für seine Anlie-
gen zu gewinnen, denn er wusste aus seiner Erfahrung als Drucker und Publi-
zist, dass diese über die nötigen Mittel verfügte, die UNIA auch über Kingston
hinaus bekannt zu machen. Nach einem Jahr hatte die UNIA allerdings kaum
mehr als 100 Mitglieder rekrutieren können, die Aktivitäten beschränkten sich
auf kleinere Treffen in Kingston, erst im November 1915 kam es zu einem ers-
ten öffentlichen Auftritt außerhalb der Hauptstadt, in Garveys Heimat St. Anns
Bay.
59
Bereits im Frühjahr 1915 hatte Garvey den nächsten Schritt zu einer Ver-
breiterung der UNIA-Anhängerschaft unternommen. Er wandte sich an die Afro-
amerikaner in den USA. In zwei Briefwechseln mit Booker T. Washington An-
fang des Jahres und im April 1915, bat Garvey um Unterstützung für eine ge-
plante Lesereise durch Nordamerika. Er sandte auch das Gründungsmanifest
der UNIA an Booker T. Washington und wurde nach Tuskegee, Alabama einge-
laden.
60
Garvey hatte in der Presse viel über die großzügige finanzielle Unterstüt-
57
Cronon, Black Moses, p. 18 f.
58
Ibid.
59
Stein, The World of Marcus Garvey, p. 34f.
60
Cronon, Marcus Garvey, p. 23.
22

zung für die Tuskegee-Schulen gelesen und sah in einer Reise in die USA die
Möglichkeit, die dort herrschenden besseren sozialen Bedingungen kennen zu
lernen und durch Washington an mehr Spendengelder und Mitglieder zu gelan-
gen. Der Aufbau von UNIA- Abteilungen in den USA war noch nicht vorrangiges
Ziel Garveys, er wollte nach seiner Rückkehr in Jamaika eine Handelsschule
nach dem Vorbild in Tuskegee aufbauen. Der Besuch war ursprünglich für Mai
und Juni 1915 geplant, verzögerte sich aber bis Anfang 1916. Als Garvey
schließlich am 23. März 1916 in Harlem nordamerikanischen Boden betrat, war
Booker T. Washington bereits seit einigen Monaten tot.
23

Details

Seiten
Erscheinungsform
Originalausgabe
Jahr
2009
ISBN (eBook)
9783836642644
DOI
10.3239/9783836642644
Dateigröße
747 KB
Sprache
Deutsch
Institution / Hochschule
Ruprecht-Karls-Universität Heidelberg – Philosophisch-Historische Fakultät, Amerikanische Geschichte
Erscheinungsdatum
2010 (Februar)
Note
3,0
Schlagworte
amerikanistik klux klan jamaika völkerbund
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Titel: Look for me in the Whirlwind
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