Handel und wirtschaftliche Entwicklung in LDCs - ein Paradox?
Theoretische Betrachtung der handelsinduzierten Wachstumseffekte im Hinblick auf die besondere Lage der Least Developed Countries
					
	
		©2009
		Diplomarbeit
		
			
				95 Seiten
			
		
	
				
				
					
						
					
				
				
				
				
			Zusammenfassung
			
				Inhaltsangabe:Einleitung:	
Niemand hat die Absicht eine Mauer zu errichten verkündete Walter Ulbricht im Juni 1961  zwei Monate vor Beginn des Mauerbaus.
Niemand hat die Absicht protektionistische Maßnahmen zu ergreifen hätte das gemeinsame Lippenbekenntnis der Regierungen der G-20 auf dem Weltwirtschaftsforum Ende Januar dieses Jahres in Davos lauten können  und wäre damit ebenso glaubwürdig. Zwei Monate später stellte die Weltbank in der Tat zahlreiche protektionistische Maßnahmen in 17 der G-20-Staaten fest. Ihr Ziel ist der Schutz der heimischen Branchen vor den Folgen der Wirtschaftskrise, etwa durch Zölle, Subventionen oder milliardenschwere Konjunkturpakete, die inländische Unternehmen gegenüber ausländischen bevorzugen. Damit nehmen die Regierungen jedoch eine Verstärkung der Krise in Kauf. Seit Ende des Zweiten Weltkriegs ist der konstant zunehmende Welthandel der Motor globalen Wachstums. Die gegenwärtige Welle des Protektionismus hingegen führt zu einem massiven Handelseinbruch, vor dem die internationalen Finanz- und Handelsorganisationen warnen (WTO 2009: xi, IMF 2009: xiv, World Bank 2009: 2f., UNCTAD 2009: i). Besonders Entwicklungsländer sind von einem Rückgang der Weltnachfrage negativ betroffen, ihre Exporterlöse sanken bereits um durchschnittlich 14 %, in den Industrieländern lediglich um die Hälfte. Die derzeitige Situation illustriert die immense Sensibilität der Entwicklungsländer gegenüber konjunkturellen Schwankungen der Weltwirtschaft und des Welthandels. Sie soll daher als Anlass genommen werden, die Rolle des Außenhandels für die wirtschaftliche Entwicklung der 49 ärmsten Entwicklungsländer, den Least Developed Countries genauer zu untersuchen.
Problemstellung:
Mit diesem Vorhaben begibt man sich zwangsläufig auf ein sowohl wissenschaftlich als auch politisch besonders umstrittenes Gebiet. Denn schon immer stellte Handelspolitik in der politischen Diskussion ein emotional sehr aufgeladenes Thema dar, was sich auch in der wissenschaftlichen Auseinandersetzung niederschlägt. Laut der klassischen und neoklassischen Handelstheorie profitieren Staaten gesamtwirtschaftlich immer von Handel, dieser verursacht jedoch auch eine starke Umverteilung innerhalb der Gesellschaft, die neben Gewinnern auch Verlierer produziert. Potentielle Verlierergruppen opponieren daher einer Handelsöffnung und prangern negative Auswirkungen von Freihandel an, um so ihre Partikularinteressen zu wahren. Selbst wenn gesamtwirtschaftlich ein Land […]
	Niemand hat die Absicht eine Mauer zu errichten verkündete Walter Ulbricht im Juni 1961  zwei Monate vor Beginn des Mauerbaus.
Niemand hat die Absicht protektionistische Maßnahmen zu ergreifen hätte das gemeinsame Lippenbekenntnis der Regierungen der G-20 auf dem Weltwirtschaftsforum Ende Januar dieses Jahres in Davos lauten können  und wäre damit ebenso glaubwürdig. Zwei Monate später stellte die Weltbank in der Tat zahlreiche protektionistische Maßnahmen in 17 der G-20-Staaten fest. Ihr Ziel ist der Schutz der heimischen Branchen vor den Folgen der Wirtschaftskrise, etwa durch Zölle, Subventionen oder milliardenschwere Konjunkturpakete, die inländische Unternehmen gegenüber ausländischen bevorzugen. Damit nehmen die Regierungen jedoch eine Verstärkung der Krise in Kauf. Seit Ende des Zweiten Weltkriegs ist der konstant zunehmende Welthandel der Motor globalen Wachstums. Die gegenwärtige Welle des Protektionismus hingegen führt zu einem massiven Handelseinbruch, vor dem die internationalen Finanz- und Handelsorganisationen warnen (WTO 2009: xi, IMF 2009: xiv, World Bank 2009: 2f., UNCTAD 2009: i). Besonders Entwicklungsländer sind von einem Rückgang der Weltnachfrage negativ betroffen, ihre Exporterlöse sanken bereits um durchschnittlich 14 %, in den Industrieländern lediglich um die Hälfte. Die derzeitige Situation illustriert die immense Sensibilität der Entwicklungsländer gegenüber konjunkturellen Schwankungen der Weltwirtschaft und des Welthandels. Sie soll daher als Anlass genommen werden, die Rolle des Außenhandels für die wirtschaftliche Entwicklung der 49 ärmsten Entwicklungsländer, den Least Developed Countries genauer zu untersuchen.
Problemstellung:
Mit diesem Vorhaben begibt man sich zwangsläufig auf ein sowohl wissenschaftlich als auch politisch besonders umstrittenes Gebiet. Denn schon immer stellte Handelspolitik in der politischen Diskussion ein emotional sehr aufgeladenes Thema dar, was sich auch in der wissenschaftlichen Auseinandersetzung niederschlägt. Laut der klassischen und neoklassischen Handelstheorie profitieren Staaten gesamtwirtschaftlich immer von Handel, dieser verursacht jedoch auch eine starke Umverteilung innerhalb der Gesellschaft, die neben Gewinnern auch Verlierer produziert. Potentielle Verlierergruppen opponieren daher einer Handelsöffnung und prangern negative Auswirkungen von Freihandel an, um so ihre Partikularinteressen zu wahren. Selbst wenn gesamtwirtschaftlich ein Land […]
Leseprobe
Inhaltsverzeichnis
Carolin Mengel 
Handel und wirtschaftliche Entwicklung in LDCs - ein Paradox? 
Theoretische Betrachtung der handelsinduzierten Wachstumseffekte im Hinblick auf die 
besondere Lage der Least Developed Countries 
ISBN: 978-3-8366-4263-7 
Herstellung: Diplomica® Verlag GmbH, Hamburg, 2010 
Zugl. Freie Universität Berlin, Berlin, Deutschland, Diplomarbeit, 2009 
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iii 
,,Aus meiner sozialistischen Jugendzeit habe ich viele Ideen und Ideale ins Alter gerettet. 
Insbesondere:  Jeder  Intellektuelle  hat  eine  ganz  besondere  Verantwortung.  Er  hatte  das 
Privileg und die Gelegenheit, zu studieren. Dafür schuldet er es seinen Mitmenschen (oder 
der  ,Gesellschaft`),  die  Ergebnisse  seiner  Studien  in  der  einfachsten  und  klarsten  und 
verständlichsten Form darzustellen. Das Schlimmste -- die Sünde gegen den heiligen Geist 
-- ist, wenn die Intellektuellen es versuchen, sich ihren Mitmenschen gegenüber als große 
Propheten aufzuspielen und sie mit orakelnden Philosophien zu beeindrucken. Wer`s nicht 
einfach und klar sagen kann, der soll schweigen und weiterarbeiten, bis er's klar sagen kann. 
(...) 
Was ich die Sünde gegen den heiligen Geist genannt habe -- die Anmaßung des dreiviertel 
Gebildeten  --,  das  ist  das  Phrasendreschen,  das  Vorgeben  einer  Weisheit,  die  wir  nicht 
besitzen.  Das  Kochrezept  ist:  Tautologien  und  Trivialitäten  gewürzt  mit  paradoxem 
Unsinn.  Ein  anderes  Kochrezept  ist:  Schreibe  schwer  verständlichen  Schwulst  und  füge 
von  Zeit  zu  Zeit  Trivialitäten  hinzu.  Das  schmeckt  dem  Leser,  der  geschmeichelt  ist,  in 
einem so ,tiefen` Buch Gedanken zu finden, die er selbst schon mal gedacht hat." 
Sir Karl Popper (1971)
iv 
Gliederung 
Abkürzungsverzeichnis _________________________________________________ i 
1. Einleitung __________________________________________________________ 1 
1.1 Relevanz ____________________________________________________1 
1.2 Fragestellung und Variablen _____________________________________2 
1.3 Methodik____________________________________________________4 
2. Stylized Facts: Die Least Developed Countries ____________________________5 
2.1 Klassifikationskriterien und geografische Lage der LDCs _______________5 
2.2 Wirtschaftstruktur und wirtschaftliche Entwicklung der LDCs ___________7 
2.3 Handelsstruktur und Bedeutung des Handels in den LDCs _____________ 12 
Zusammenfassung: Die hohe Abhängigkeit der LDCs vom Welthandel ______ 20 
3.1 Statische Gewinne aus Handel ______________________________________ 22 
3.1.1 Absolute Kostenvorteile und effiziente Ressourcenallokation__________ 23 
3.1.2 Theorem der komparativen Kosten _____________________________ 25 
3.1.3 Modell spezifischer Faktoren __________________________________ 28 
3.1.4 Faktorproportionentheorem ___________________________________ 29 
3.1.5 Neofaktorproportionentheorem ________________________________ 33 
Zusammenfassung: Die (neo-)klassischen Außenhandelstheorien in den LDCs 35 
3.2 Dynamische Gewinne und Wachstum ________________________________ 37 
3.2.1 Kapitalakkumulation und Investitionen als Wachstumskanal_____________ 38 
3.2.1.1 Kapitalakkumulation durch die heimische Sparquote _______________ 40 
3.2.1.2 Kapitalakkumulation durch Exportgewinne ______________________ 42 
3.2.1.3 Ausländische Direktinvestitionen______________________________ 45 
3.2.2 Produktivitätssteigerung als Wachstumskanal ________________________ 47 
3.2.2.1 Technologietransfer ________________________________________ 49 
3.2.2.2 Skaleneffekte: Wissens-Spillover und Learning-by-Doing____________ 50 
Zusammenfassung: Dynamische Handelsgewinne in den LDCs ____________ 52 
4. Binding Constraints für Handelsgewinne und Wachstum __________________ 55 
4.1 Institutionelle Hindernisse und der Einfluss von Interessensgruppen________ 56 
4.2 Nachhaltigkeit von Wachstum durch Rohstoffexporte ___________________ 58 
4.3 Finanzmarktimperfektionen _______________________________________ 60 
4.4 Erziehungszoll und infant-industry-Argument _________________________ 61 
4.5 Steigende Skalenerträge __________________________________________ 62 
4.6 Transportkosten________________________________________________ 65 
4.6 Schädliche Spezialisierung ________________________________________ 66 
4.6.1 Prebisch-Singer-These _______________________________________ 66 
4.6.2 Dutch-Disease-Modelle ______________________________________ 67 
4.6.3 Fallende Skalenerträge in Lamdwirtschaft und Rohstoffabbau _________ 68 
Zusammenfassung: Institutionelle Wachstumshindernisse und Marktversagen ___ 70 
5. Synopsis und Ausblick _______________________________________________ 73 
Literatur_____________________________________________________________ 77 
Internetquellen _______________________________________________________ 85 
Anhang _____________________________________________________________ 87 
v 
Abbildungsverzeichnis 
Abbildung Deckblatt: Geografische Lage der Least Developed Countries 
Abbildung 1: Geografische Lage der Least Developed Countries. ___________________7 
Abbildung 2: Stylized Facts, Vergleich LDCs und Welt ___________________________8 
Abbildung 3: Vergleich des Wachstums des Pro-Kopf-Einkommens (Ländergruppen) ___9 
Abbildung 4: Anstieg des Pro-Kopf-Einkommens (Ländergruppen) ________________ 10 
Abbildung 5: Warenhandel in Prozent des BIP, 1963-2007 (Ländergruppen) _________ 12 
Abbildung 6: Exportstruktur der LDCs, sortiert nach Exportgruppen_______________ 13 
Abbildung 7: Geografische Darstellung der Exportgruppen ______________________ 14 
Abbildung 8: Exportstruktur der afrikanischen LDCs ___________________________ 15 
Abbildung 9: Exportstruktur der asiatischen und Insel-LDCs _____________________ 16 
Abbildung 10: Geografische Darstellung von Lebensmittelex- und importeuren. ______ 18 
Abbildung 11: Stolper-Samuelson Effekt_____________________________________ 32 
Abbildung 12: Faktorausstattung der Industrieländer und Least Developed Countries __ 35 
Abbildung 13: Brutto und Nettoersparnisse in LDCs, 2006_______________________ 41 
Abbildung 14: Finanzflüsse nach und innerhalb LDCs __________________________ 44 
Abbildung 15: Bereinigte Sparquote der LDCs ________________________________ 59 
Abbildung 16: Steigende Skaleneffekte und Spezialisierung _______________________ 64 
Abbildung 17: Bodenschätze in Afrika ______________________________________ 87 
Abbildung 18: Internationaler Korruptionsindex (CPI) __________________________ 88 
Abkürzungsverzeichnis 
AGOA   
African Growth and Opportunity Act 
BIP   
Bruttoinlandsprodukt 
BNE  
Bruttonationaleinkommen 
EBA  
Everything-but-Arms-Initiative 
FDI   
Foreign Direct Investment 
G-20  
Gruppe der zwanzig wichtigsten Industrie- und Schwellenländer 
GSP  
General System of Preferences 
HIC   
High Income Country 
HIPC   
Highly Indebted Poor Country 
IMF   
International Monetary Fund 
LDC  
Least Developed Country 
LLDC   
Landlocked Developing Country 
MDRI   
Multilateral Debt Relief Initiative 
MIC  
Middle Income Country 
MNC   
Multinational Corporation 
OECD   
Organisation for Economic Co-operation and Development 
SIDS  
Small Island Developing State 
TFP   
Total Factor Productivity 
UN   
United Nations 
UNCTAD 
United Conference on Trade and Development 
WD   
World Development Indicators 
WTO   
World Trade Organization 
1 
1. Einleitung 
1.1 Relevanz 
,,Niemand hat die Absicht eine Mauer zu errichten" 
verkündete  Walter  Ulbricht  im  Juni  1961    zwei  Monate  vor  Beginn  des  Mauerbaus 
(Weidenfeld/Korte 1999: 552.).
1
,,Niemand hat die Absicht protektionistische Maßnahmen zu ergreifen" 
hätte  das  gemeinsame  Lippenbekenntnis  der  Regierungen  der  G-20  auf  dem 
Weltwirtschaftsforum  Ende  Januar  diesen  Jahres  in  Davos  lauten  können 
(Kuhr/Zitzelsberger  2009)    und  wäre  damit  ebenso  glaubwürdig.  Zwei  Monate  später 
stellte die Weltbank in der Tat zahlreiche protektionistische Maßnahmen in 17 der G-20-
Staaten  fest  (Gamberoni  /Newfarmer  2009:  1).  Ihr  Ziel  ist  der  Schutz  der  heimischen 
Branchen  vor  den  Folgen  der  Wirtschaftskrise,  etwa  durch  Zölle,  Subventionen  oder 
milliardenschwere  Konjunkturpakete,  die  inländische  Unternehmen  gegenüber 
ausländischen  bevorzugen.
2
  Damit  nehmen  die  Regierungen  jedoch  eine  Verstärkung  der 
Krise in Kauf. Seit Ende des Zweiten Weltkrieg ist der konstant zunehmende Welthandel 
der  Motor  globalen  Wachstums.  Die  gegenwärtige  Welle  des  Protektionismus  hingegen 
führt  zu  einem  massiven  Handelseinbruch,  vor  dem  die  internationalen  Finanz-  und 
Handelsorganisationen  warnen  (WTO  2009:  xi,  IMF  2009:  xiv,  World  Bank  2009:  2f., 
UNCTAD  2009:  i).  Besonders  Entwicklungsländer  sind  von  einem  Rückgang  der 
Weltnachfrage negativ betroffen, ihre Exporterlöse sanken bereits um durchschnittlich 14 
%,  in  den  Industrieländern  lediglich  um  die  Hälfte  (Hagelüken  2009).  Die  derzeitige 
Situation  illustriert  die  immense  Sensibilität  der  Entwicklungsländer  gegenüber 
konjunkturellen Schwankungen der Weltwirtschaft und des Welthandels. Sie soll daher als 
1
  Ehem.  DDR-Staatsratsvorsitzender  Walter  Ulbricht  am  15.  Juni  1961  auf  einer 
internationalen  Pressekonferenz  in  Ost-Berlin  zum  Thema  Friedensvertrag  und  zum 
Westberlin-Problem.  
2
  Ein  bekanntes  Beispiel  ist  die  ,,Buy  American"-Klausel  des  Konjunkturpakets  der 
Vereinigten  Staaten,  welche  für  Infrastrukturmaßnahmen  nur  amerikanischen  Stahl  und 
Eisen vorsah, anstatt diesen zu importieren. 
2 
Anlass genommen werden, die Rolle des Außenhandels für die wirtschaftliche Entwicklung 
der  49  ärmsten  Entwicklungsländer,  den  Least  Developed  Countries
3
  genauer  zu 
untersuchen. 
1.2 Fragestellung und Variablen 
Mit  diesem  Vorhaben  begibt  man  sich  zwangsläufig  auf  ein  sowohl  wissenschaftlich  als 
auch politisch besonders umstrittenes Gebiet. Denn schon immer stellte Handelspolitik in 
der  politischen Diskussion ein emotional  sehr  aufgeladenes Thema dar,  was sich auch in 
der  wissenschaftlichen  Auseinandersetzung  niederschlägt.  Laut  der  klassischen  und 
neoklassischen Handelstheorie profitieren Staaten gesamtwirtschaftlich immer von Handel, 
dieser  verursacht  jedoch  auch  eine  starke  Umverteilung  innerhalb  der  Gesellschaft,  die 
neben  Gewinnern  auch  Verlierer  produziert.  Potentielle  Verlierergruppen  opponieren 
daher einer Handelsöffnung und prangern negative Auswirkungen von Freihandel an, um 
so  ihre  Partikularinteressen  zu  wahren.  Selbst  wenn  gesamtwirtschaftlich  ein  Land  durch 
eine Handelsliberalisierung wächst, kann in der Öffentlichkeit der Eindruck entstehen, die 
Globalisierung  verliefe  nicht  im  Interesse  der  Bevölkerung.  Während  klassische  und 
neoklassische 
Außenhandelstheorien 
die 
Argumentationsgrundlage 
für 
Freihandelsbefürworter  darstellen,  bedienen  sich  Freihandelsgegner  meist  empirischer 
Evidenz von Verlierergruppen um ihren Standpunkt zu unterstützen. Neuere Modelle und 
Theorien zeigen jedoch auch mögliche adverse Effekte von bestimmten Handelsmustern. 
Sie  basieren  meist  auf  Annahmen  älterer  Theorien,  die  jedoch  im  wissenschaftlichen 
Mainstream in den Hintergrung geraten sind. 
Die stark in den Welthandel integrierten Least Developed Countries machen oberflächlich 
betrachtet  den  Eindruck,  weder  gesamtwirtschaftlich  besonders  stark  von  Handel  zu 
profitieren,  noch  Verlierergruppen  ausreichend  zu  schützen.  Im  Gegenteil:  Hunger  und 
3
 Die Übersetzung ,,am wenigsten entwickelte Länder" ist im Deutschen nicht geläufig und 
wird  daher  auch  in  dieser  Arbeit  weniger  sperrig  im  Englischen  belassen.  Weder  im 
Englischen, noch im Deutschen sind die Dysphemismen der so genannten ,,Dritten" oder 
,,Vierten  Welt"  oder  der  unterentwickelten  Länder  angebracht,  daher  wird  auf  deren 
Verwendung  bewusst  verzichtet.  Der  Leser  möge  den  englischen  Begriff  dennoch  nicht 
mit  Entwicklungs-  oder  Schwellenländern  bzw.  Emerging  Countries  verwechseln,  da 
diesen andere wirtschaftliche Voraussetzungen zugrunde liegen. 
3 
Armut herrschen in der breiten Bevölkerung der meisten LDCs, gleichzeitig werden sie im 
Welthandel  marginalisiert  und  wirtschaftlicher  Wohlstand  scheint  ihnen  verwehrt  zu 
bleiben.  In  den  letzten  Jahren  jedoch  wachsen  diese  Länder  seit  langem  wieder.  Daher 
ergibt sich die Fragestellung dieser Arbeit, ob Handel zu einem nachhaltigen Wachstum in 
den LDCs beitragen kann. 
Um den Umfang dieser Arbeit einzuschränken, werden folgende Variablen festgelegt: Als 
unabhängige  Variable  sollen  Umfang  und  Struktur  des  Außenhandels  (Exporte  und 
Importe)  der  LDCs  gewählt  werden.  Abhängige  Variable  sei  die  wirtschaftliche 
Entwicklung der Länder, also ihr Wachstum. Da in den LDCs das Bevölkerungswachstum 
teilweise  sehr  hoch  ist,  muss  das  Wirtschaftswachstum  höher  sein,  damit  sich  der 
durchschnittliche Lebensstandard nicht verringert. Daher soll nicht das einfache Wachstum 
der  Wirtschaftsleistung  betrachtet  werden,  sondern  das  Wachstum  des  Pro-Kopf-
Einkommens. Als Hypothese nehme ich an, dass Handel in LDCs erst ab einem gewissen 
Grad an Entwicklung zugute kommt. 
Statistisch ist es nahezu unmöglich, den Faktor Handel als Wachstumsfaktor zu isolieren 
(u.a.  Rodriguez/Rodrik  2001:  35f.).  Zu  viele  institutionelle,  strukturelle,  politische, 
geografische und historische Faktoren spielen mit hinein. Hingegen ist es zielführend, die 
bekanntesten  Handels-  und  Wachstumstheorien  einmal  näher  zu  betrachten  und  ihre 
Annahmen anhand der real existierenden LDCs zu überprüfen. Ziel dieser Arbeit ist daher 
eine umfassende und differenzierte Betrachtung der wissenschaftlichen Literatur über die 
handelsinduzierten  Wachstumskanäle  und  der  notwendigen  Voraussetzungen  für 
tatsächliches  Wachstum.  Das  bekannte  Problem  der  extremen  Armut  in  den  Least 
Developed  Countries  soll  anhand  der  bekanntesten  Handels-  und  Wachstumstheorien 
analysiert  werden,  ohne  dabei  die  kritische  Hinterfragung  der  Modellannahmen  zu 
vernachlässigen.  Dabei  sollen  die  hermetischen  volkswirtschaftlichen  Modelle  auch  mit 
politischen und politökonomischen Prozessen konfrontiert werden, um somit einen Bogen 
über  beide  Fächer  zu  schlagen.  Die  Auswahl  der  Handels-  und  Wachstumstheorien 
orientiert  sich  dabei  an  der  Bekanntheit  der  Modelle.  Sowohl  die  besprochenen 
Handeltheorien, als auch die wissenschaftliche Literatur zu Wachstumseffekten stellen die 
Grundlage für jedes volkswirtschaftliche Studium dar und prägen damit das Verhalten der 
volkswirtschaftlichen  Experten  maßgeblich.  Eine  differenzierte  Beantwortung  der  Frage 
4 
nach  der  optimalen  Handelspolitik  für  eine  nachhaltige  wirtschaftliche  Entwicklung  der 
LDCs wird den Schlussteil der Arbeit bilden. 
1.3 Methodik 
Die Volkswirtschaft untersucht die optimale Nutzung knapper Ressourcen und sucht nach 
den  notwendigen  politischen  Maßnahmen  für  deren  Erreichung.  Beides  wird  durch 
technische  und  informationelle  Grenzen  erschwert,  zum  Beispiel  durch 
Messschwierigkeiten  oder  Datenmangel.  Ist  die  optimale  Politik  jedoch  einmal  gefunden 
oder  berechnet,  wird  angenommen,  dass  die  Politiker  als  Maximierer  der  öffentlichen 
Wohlfahrt diese auch durchsetzen (Drazen 2000: 6f.). Die politische Ökonomie stellt daher 
zunächst  heraus,  dass  optimale  und  tatsächliche  Politik  nicht  viel  gemein  haben. 
Tatsächliche  Politik  unterliegt  vielmehr  politischen  Beschränkungen,  nämlich  der 
Notwendigkeit  kollektive  Entscheidungen  trotz  konfligierender  Interessen  zu  treffen. 
Daher fragt die positive politische Ökonomie danach, wie politische Entscheidungen und 
ihre  ökonomischen  Konsequenzen  durch  politische  Beschränkungen  erklärt  werden 
können. 
So 
kann 
man 
Erkenntnisse 
darüber 
gewinnen, 
warum 
Entscheidungsmechanismen oft andere Ergebnissen hervorbringen, als ein wohlwollender 
Ökonom  sie  gewählt  hätte  (Ebenda:  16)
.
  Die  normative  politische  Ökonomie  fragt 
daraufhin,  wie  angesichts  der  politischen  Beschränkungen  bestimmte  ökonomische  Ziele 
erreicht  werden  können  und  wie  konfligierende  Interessen  gewichtet  werden  sollen 
(Ebenda: 7, 16).  
Die  politikwissenschaftliche  Untersuchung  soll  sich  Rahmen  dieser  Arbeit  vor  allem  auf 
handelpolitische  Entscheidungen  beschränken.  Eine  Untersuchung  der  Außenpolitik,  der 
Sozial- und Wirtschaftspolitik, der Bildungspolitik, sowie der politischen Institutionen und 
der Regimeform sind zwar durchaus interessant und beeinflussen den Wachstumsprozess 
selbstverständlich stark, doch würde eine solch umfassende Untersuchung zu weit führen 
und den Rahmen einer Diplomarbeit sprengen. 
5 
2. Stylized Facts: Die Least Developed Countries 
Das  folgende  Kapitel  bietet  einen  umfassenden  Überblick  über  die  Least  Developed 
Countries  bezüglich  ihrer  geografischen  Lage,  wirtschaftlichen  Beschaffenheit  und 
Handelsstruktur.  Die  großen  Datenbanken  der  OECD,  des  IMF,  der  UN  und  der 
Weltbank sind sehr lückenhaft, was eine eigenständige statistische Analyse und Auswertung 
erschwert.  Daher  dominieren  bereits  bereinigte  Daten  der  Vereinten  Nationen, 
insbesondere  der  LDC-Reports  die  Bestandsaufnahme  auf  den  nächsten  Seiten,  ergänzt 
durch einige einfache Statistiken basierend auf den World Development Indicators (WDI) 
der Weltbank. 
2.1 Klassifikationskriterien und geografische Lage der LDCs 
Jährlich  prüfen  die  Vereinten  Nationen
4
,  welche  Länder  die  Klassifikationskriterien  als 
Least  Developed  Country  erfüllen.  Im  März  dieses  Jahres  fielen  darunter  49  Länder
5
  die 
eine  besonders  niedrige  Wirtschaftsleistung  (Low-Income-Kriterium),  eine  geringe 
Lebensqualität  bezüglich  der  Bildungs-  und  Gesundheitsstruktur  (Human  Assets 
Weakness)  und  eine  hohe  Verletzlichkeit  gegenüber  externen  Schocks  (Economic 
Vulnerability) aufweisen (UNCTAD 2009: iii).
6
 Das Low-Income-Kriterium setzt ein Pro-
Kopf-Einkommen von weniger als 905 US$ im Dreijahresdurchschnitt voraus. Ab einem 
BIP/Kopf  von  1.086  US$  verliert  ein  Land  seinen  Status  als  LDC.  Dies  entspricht  etwa 
einem Dreißigstel des durchschnittlichen Pro-Kopf-Einkommens der 67 reichsten Länder 
4
  Der  Wirtschafts-  und  Sozialrat  entscheidet  (UN  Economic  and  Social  Council)  auf 
Vorschlag  des  Ausschusses  für  Entwicklungspolitik  (Committee  for  Development  Policy 
(CDP)) über die Erfüllung der Kriterien. 
5
 Afghanistan, Angola, Bangladesch, Benin, Bhutan, Burkina Faso, Burundi, Kambodscha, 
Zentralafrikanische  Republik,  Tschad,  Komoren,  Demokratische  Republik  Kongo, 
Dschibuti,  Äquatorialguinea,  Eritrea,  Äthiopien,  Gambia,  Guinea,  Guinea-Bissau,  Haiti, 
Kiribati,  Laos,  Lesotho,  Liberia,  Madagaskar,  Malawi,  Malediven,  Mali,  Mauretanien, 
Mosambik,  Myanmar,  Nepal,  Niger,  Ruanda,  Samoa,  Sao  Tome  und  Principe,  Senegal, 
Sierra  Leone,  Salomonen,  Somalia,  Sudan,  Osttimor,  Togo,  Tuvalu,  Uganda,  Tansania, 
Vanuatu, Jemen und Sambia. 
6
  Die  Bevölkerungsgröße  der  LDCs  darf  zudem  75  Millionen  Einwohner  nicht 
überschreiten. 
6 
der  Erde  (UNCTAD  2009:  47).
7
  Anhand  des  Human  Assets  Index  (HAI)  wird  die 
Lebensqualität  gemessen.  Dieser  Index  basiert  auf  verschiedenen  Indikatoren  zu 
Unterernährung, Kindersterblichkeit, Einschulungsrate und Alphabetismus. Der Economic 
Vulnerability Index schließlich misst die Stabilität der landwirtschaftlichen Produktion, die 
Auswirkungen von Naturkatastrophen, die Exportstabilität und die Diversifikation, sowie 
die  wirtschaftliche  Größe  und  die  geografische  Abgeschiedenheit  (UNCTAD  2009:  iii). 
Betrachtet man die geografische Lage der 49 LDCs, stellt man fest, dass der Großteil (31) 
in  Afrika  liegt.  8  weitere  Länder  der  Gruppe  liegen  in  Asien,  während  die  restlichen  10 
Staaten  Inseln  sind.
8
  Kein  einziges  LDC  liegt  in  Südamerika,  und  ebenso  wenig  in  den 
reichen  OECD-Regionen  Nordamerika  und  Europa.  Alle  afrikanischen  Least  Developed 
Countries befinden sich geografisch südlich der Sahara, vor allem in West-, Zentral- und 
Ostafrika.  Die  meisten  Staaten  im  südlichen  Afrika  und  rund  um  den  erdölreichen  Golf 
von  Guinea  sind  keine  LDCs.  Angesichts  der  kolonialen  Vergangenheit  lässt  sich  kein 
Zusammenhang  zwischen  einer  bestimmten  ehemaligen  Kolonialzugehörigkeit  und  der 
schwachen Entwicklung im Sinne der LDC-Klassifikation erkennen. Die asiatischen LDCs 
konzentrieren  sich  vor  allem  auf  Süd-  und  Südostasien  (Hinterindische  Halbinsel),  doch 
auch in Vorderasien und zwischen Zentral- und Südasien befinden sich je ein LDC.
9
 Mehr 
als  die  Hälfte  der  über  den  ganzen  Erdball  verstreuten  Insel-LDCs  befinden  sich  im 
südwestlichen Pazifik.
10
 Zwei weitere liegen vor der afrikanischen Küste und je eines mitten 
im indischen Ozean und in der Karibik.
11
7
  Das  durchschnittliche  Pro-Kopf-Einkommen  der  High-Income-Countries  (HIC, 
Klassifikation Weltbank) liegt bei 36.000 US$. 
8
  Madagaskar  ist  zwar  ebenso  ein  Inselstaat,  wird  aber  von  den  Vereinten  Nationen  als 
Afrikanisches Land klassifiziert. 
9
 Vorderasien: Jemen, Grenze zwischen Zentral- und Südasien: Afghanistan. 
10
 Osttimor, Salomonen, Kiribati, Tuvalu, Vanuatu und Samoa 
11
  Afrikanische  Westküste:  Sao  Tome  und  Principe  im  Golf  von  Guinea.  Afrikanische 
Ostküste: Komoren. Indischer Ozean: Malediven. Karibik: Haiti 
7 
Abbildung 1: Geografische Lage der Least Developed Countries. 
Die LDCs sind hier rot eingefärbt. 
Afrika:  
Angola,  Benin,  Burkina  Faso,  Burundi,  Zentralafrikanische  Republik, 
Tschad,  D.R.  Kongo,  Dschibuti,  Äquatorialguinea,  Eritrea,  Äthiopien, 
Gambia,  Guinea,  Guinea-Bissau,  Haiti,  Lesotho,  Liberia,  Madagaskar, 
Malawi,  Mali,  Mauretanien,  Mosambik,  Niger,  Ruanda,  Senegal,  Sierra 
Leone, Somalia, Sudan, Togo, Uganda, Tansania und Sambia (31).  
Asien:  
Afghanistan, Bangladesch, Bhutan, Kambodscha, Laos, Myanmar, Nepal, 
Jemen (8).  
Inselstaaten:   Komoren,  Haiti,  Kiribati,  Malediven,  Samoa,  Sao  Tome  und  Principe, 
Salomonen, Osttimor, Tuvalu, Vanuatu (10).  
Quelle: Eigene Grafik.  
Stellt man fest, dass ein Land zu den LDCs gehört, lassen sich daraus einige erste Aussagen 
ableiten.  In  diesem  Land  ist  der  Durchschnitt  der  Bevölkerung  extrem  arm,  die 
Lebensqualität  stark  eingeschränkt  und  die  Wirtschaft  sehr  instabil.  Es  liegt  mit  hoher 
Wahrscheinlichkeit  in  Afrika,  vielleicht  aber  auch  in  Südostasien  oder  ist  ein  kleiner 
Inselstaat  im  Pazifik.  Um  handelspolitische  Aussagen  über  LDCs  zu  machen,  müssen 
jedoch  einige  weitere  Charakteristika  untersucht  werden.  Im  folgenden  Teil  sollen  die 
wirtschaftlichen Strukturen der LDCs skizziert werden. 
2.2 Wirtschaftstruktur und wirtschaftliche Entwicklung der LDCs 
Weltweit gehört jeder vierte Staat zu den LDCs, jeder achte Mensch lebt in einem LDC. 
Dennoch beträgt die Wirtschaftsleistung der gesamten Gruppe nur einen Bruchteil (0,8%) 
des  Weltwirtschaftsprodukts.  Wie  im  vorherigen  Abschnitt  beschrieben,  ist  das 
durchschnittliche  Pro-Kopf-Einkommen  sehr  niedrig.  Es  liegt  bei  551  US$,  was  einem 
Einkommen  von  1,51  US$  pro  Tag  entspricht  (WDI  2007).  Dieser  Wert  liegt  nur  wenig 
8 
über der Internationalen Armutsgrenze Armut, die bei 1,08 Dollar pro Tag
12
 festgelegt ist 
(The Economist 2008). 
Die  Dominanz  des  Agrarsektors  ist  typisch  für  die  armen  Länder.  Durchschnittlich  72 
Prozent  der  Bevölkerung  in  den  LDCs  leben  auf  dem  Land  (WDI  2007),  knapp  siebzig 
Prozent  der  Beschäftigung  findet  im  agrarischen  Bereich  statt  (UNCTAD  2009:  92). 
Aufgrund der geringen Produktivität der Landwirtschaft umfasst sie jedoch nur weniger als 
ein Drittel der gesamten Wirtschaftsleistung, jedoch immerhin das Doppelte, als in anderen 
Entwicklungsländern (UNCTAD 2009: 92). 
Abbildung 2: Stylized Facts, Vergleich LDCs und Welt 
Quellen: WDI 2007, WTO-Homepage (Mitgliedstaaten) und World Bank-Homepage (Liste 
der HIPC-Länder). (siehe Quellenverzeichnis) 
Effektive wirtschaftliche Entwicklung in den LDCs kann nur vonstatten gehen, wenn das 
Wirtschaftswachstum höher ist, als das Wachstum der Bevölkerung. Andernfalls sinkt das 
Pro-Kopf-Einkommen,  da  der  wirtschaftliche  ,,Kuchen"  auf  mehr  Personen  verteilt 
12
 In Kaufkraftparität von 1993. 
9 
werden muss als zuvor, und die Stücke dadurch zwangsläufig kleiner werden. 2007, vor der 
derzeitigen  Wirtschaftskrise,  wuchs  eben  dieser  Kuchen  um  knappe  acht  Prozent,  die 
Stücke  also das Pro-Kopf-Einkommen  immerhin noch um gute fünf Prozent. Dieser 
starke positive Trend zeigt sich seit Mitte der Neunziger. Die LDCs wachsen seitdem sogar 
meistens  schneller,  als  der  Weltdurchschnitt  und  die  Länder  mit  hohem  Einkommen 
(HIC).  Dennoch  reicht  das  Wachstum  bei  Weitem  nicht  aus,  um  die  anderen  Länder 
einzuholen.  Die  Länder  mit  hohem  Einkommen,  also  die  Industrieländer,  haben  bereits 
eine enorme Wirtschaftsleistung erreicht, die sich selbst durch marginale Wachstumsraten 
noch exponentiell erhöht. Zur Veranschaulichung dienen die beiden Abbildungen 3 und 4, 
die  Wachstumsraten  und  absolutes  Wachstum  der  Länder  mit  hohem  und  mittleren 
Einkommen,  der  Least  Developed  Countries  und  der  Welt  miteinander  vergleicht.  Man 
erkennt,  dass  nicht  einmal  bei  den  beachtlichen  Wachstumsraten  der  Schwellenländer 
(MICs), geschweige denn der LDCs, von einem Aufholprozess gesprochen werden kann. 
Stattdessen 
weitet 
sich 
die 
Einkommensschere 
zwischen 
Industrieländern, 
Schwellenländern und LDCs. 
Abbildung 3: Vergleich des Wachstums des Pro-Kopf-Einkommens 
(Ländergruppen) 
LDCs, MICs, HICs und Welt, 1980-2007 
Quelle: WDI. 
10 
Abbildung 4: Anstieg des Pro-Kopf-Einkommens (Ländergruppen) 
LDCs, MICs, HICs und Welt, 1980-2007  
(in aktuellen US$, Kaufkraftparität) 
Quelle: WDI. 
Ob  die  LDCs  jedoch  den  westlichen  Lebensstandard  mittel-  oder  langfristig  erreichen 
können,  ist  eine  Frage,  die  im  Rahmen  dieser  Arbeit  unbeantwortet  bleiben  wird.  Der 
Wachstumsvergleich  mit  Industrie-  und  Schwellenländern  ist  müßig  und  nicht  unbedingt 
zielführend.  Vielmehr  sollte  man  das  Augenmerk  auf  die  unmittelbare  Verbesserung  der 
ökonomischen und Lebensverhältnisse setzen, unabhängig von der Orientierung an hoch 
entwickelten oder schnell wachsenden Volkswirtschaften.  
Neben  dem  positiven  Wachstumstrend  verbessert  sich  die  wirtschaftliche  Lage  einiger 
LDCs derzeit maßgeblich durch eine Schuldenerlassinitiative. Die Schuldenlast der LDCs 
beträgt  durchschnittlich  42  Prozent  des  Bruttonationaleinkommens.  In  anderen 
Entwicklungsländern  liegt  sie  lediglich  bei  26  Prozent  (UNCTAD  2009:  II).  32  der  49 
Staaten zählen zur Gruppe der hoch verschuldeten Länder (HIPCs)
13
, darunter nahezu alle 
afrikanischen LDCs (29 von 31). 18 HIPCs haben sich letztes Jahr für einen Schuldenerlass 
13
 Heavily Indebted Poor Countries 
11 
durch Weltbank und des IWF
14
 qualifiziert.
15
 Den übrigen hoch verschuldeten LDCs steht 
diese  Möglichkeit  bei  Erfüllung  entsprechender  IWF-Programme  offen.  Diese  besondere 
Chance  dürfte  den  Ländern  zusätzlichen  Anschub  geben,  da  ihr  Staatshaushalt  von 
Zinszahlungen  und  Schuldendienst  entlastet  wird  und  dadurch  finanzielle  Möglichkeiten 
zur Förderung wirtschaftlicher Entwicklung entstehen. 
Der  hohe  Verschuldungsgrad  besonders  der  afrikanischen  LDCs  verwundert,  wenn  man 
die  immensen  Rohstoffvorkommen  des  drittgrößten  Kontinents  betrachtet.  Ein 
Beobachter  ohne  historische  Vorkenntnisse  würde  sicherlich  erwarten,  dass  Afrika  einer 
der reichsten Kontinente sei. Angola, Tschad und Sudan besitzen ertragreiche Ölquellen. 
An der westafrikanische Küste finden sich Diamanten, Gold und Eisen, ebenso wie in den 
zentral- und ostafrikanischen LDCs, die zudem auch über große Vorkommen an Kupfer, 
Coltan  und  Eisen  verfügen.
16
  Der  Rohstoffhandel  sollte  doch  gerade  bei  einer  starken 
Integration in den Weltmarkt ein Garant für hohe Handelsgewinne und Wachstumseffekte 
sein. Anscheinend kommen die Erlöse des Rohstoffabbaus nicht der breiten Bevölkerung 
und einer nachhaltigen wirtschaftlichen Entwicklung zugute. Im vierten Teil dieser Arbeit 
wird diese Frage näher beleuchtet werden. 
Wie  im  einleitenden  Teil  bereits  erwähnt,  trifft  die  derzeitige  Wirtschaftskrise  die  Least 
Developed Countries besonders hart. Eine genauere Betrachtung der Handelstruktur soll 
im nächsten Abschnitt Aufschluss über die hohe Verletzlichkeit der LDCs geben. 
14
 Nähere Hinweise zur HIPC- und MDRI-Initiative dazu auf der Weltbank Webseite, siehe 
Quellenverzeichnis. 
15
  Benin,  Burkina  Faso,  Burundi,  Zentralafrikanische  Republik,  Äthiopien,  Gambia, 
Madagaskar,  Malawi,  Mali,  Mauretanien,  Mosambik,  Niger,  Ruanda,  Sao  Tome  und 
Principe,  Senegal,  Sierra  Leone,  Tansania,  Uganda,  Sambia  sowie  dem  karibischen  Haiti 
wurden  ihre  Schulden  erlassen.  Tschad,  D.R.  Kongo,  Guinea,  Guinea-Bissau,  Liberia, 
Togo, Komoren, Eritrea, Somalia und Sudan, sowie Afghanistan und die Komoren können 
sich noch für einen Schuldenerlass qualifizieren.  
Liste der HIPC-Staaten auf der Weltbank-Homepage, siehe Quellenverzeichnis. 
16
 Siehe dazu Abbildung 17 im Anhang. 
12 
2.3 Handelsstruktur und Bedeutung des Handels in den LDCs 
Wie  eingangs  erwähnt,  sind  die  Least  Developed  Countries  stark  in  den  Welthandel 
integriert. 2007 betrug ihr Handel durchschnittlich 61% des BIP (WDI 2007), so dass sie 
tendenziell  sogar  handelsoffener  sind,  als  die  Industrieländer  (UNCTAD  2009:  II).  Der 
Anstieg des weltweiten Warenaustauschs war in den LDCs seit Mitte der Achtziger stärker 
als  im  Rest  der  Welt,  was  Abbildung  5  gut  veranschaulicht.  Die  Messung  der 
Handelsoffenheit ist  methodisch sehr  schwer zu  bewerkstelligen, zudem  sind  verlässliche 
Daten für die LDCs kaum verfügbar, weshalb diese Arbeit den Anteil des Handelsvolumen 
als Maß verwendet. So kritisieren Rodriguez und Rodrik (2001: 35f.) die Indices, die in den 
bekanntesten empirischen Untersuchungen zur Messung von Handelsoffenheit verwendet 
werden  und  eine  positive  Korrelation  mit  dem  Wirtschaftswachstum  nachweisen  wollen. 
Dies ist ein weiterer Grund, warum in dieser Arbeit auf die Verwendung solcher Indices 
verzichtet wird. 
Abbildung 5: Warenhandel in Prozent des BIP, 1963-2007 (Ländergruppen) 
Quelle: WDI (Merchandise trade in % of GDP). 
Im Folgenden wird nun die Zusammensetzung der Exporte untersucht, um Rückschlüsse 
auf  die  Exportabhängigkeit  der  LDCs  zu  ziehen.  Im  Anschluss  werden  die 
13 
Importstrukturen im Zusammenhang mit der Ernährungssituation in den LDCs skizziert. 
Die LDCs stellen bezüglich ihrer Exportstruktur keine homogene Gruppe dar. Indem man 
den Hauptexportsektor der Länder identifiziert, also der Sektor, der den größten Teil ihrer 
Exporte darstellt, lassen sich Spezialisierungsmuster gut erkennen. Dies ist sinnvoll, da ein 
Land  bei  starker  Spezialisierung  auf  einen  oder  wenige  Sektoren  anfälliger  für 
Preisvolatilitäten
17
  auf  dem  Weltmarkt  wird,  da  ihre  Exportgewinne  schwanken. 
Zahlenmäßig  überwiegen  bei  dieser  Betrachtung  die  Länder,  die  hauptsächlich  Rohstoffe 
und  Agrarprodukte  exportieren  (27)  gegenüber  denjenigen,  die  vor  allem  Fertigprodukte, 
Dienstleistungen exportieren (17) oder eine stärker gemischte Exportstruktur haben (5). 
Abbildung 6: Exportstruktur der LDCs, sortiert nach Exportgruppen 
Die Klassifizierung der LDCs erfolgte durch Untersuchung der Exportsektoren, die 45% 
ihrer Gesamtexporte übersteigen. Übersteigen die Exporte eines Landes in keinem Sektor 
diese Grenze, handelt es sich um einen Mischexporteur. 
Quelle: UNCTAD 2008: xiii. 
17
  Es  ist  natürlich  möglich,  dass  sich  ein  Land  auf  den  Abbau  von  vielen  verschiedenen 
Rohstoffen  innerhalb  des  Rohstoffsektors  spezialisiert  und  so  das  Risiko  von 
Weltmarktpreisschwankungen minimiert,  in  der  Realität dominieren  jedoch  einige wenige 
Rohstoffe, wie Öl, Diamanten oder Gold die Handelsstruktur von Entwicklungsländern. 
14 
Angesichts  der  bereits  erwähnten  Dominanz  des  Agrarsektors  in  den  meisten  LDCs, 
verwundert  auch  der  hohe  Anteil  an  Rohstoffexporten  nicht  weiter.  Viel  mehr  erwartet 
man einen noch geringeren Anteil von Fertigungsindustrien und Dienstleistungen an den 
Exporten.  Die  folgende  Weltkarte  gibt  einen  Einblick  über  geografische 
Spezialisierungsmuster. 
Abbildung 7: Geografische Darstellung der Exportgruppen 
Ölexporteure (orange):   
Angola, Tschad, Äquatorialguinea, Sudan,  
Osttimor, Jemen 
Agrarexporteure (gelb):   
Afghanistan,  Benin,  Burkina  Faso,  Guinea-Bissau, 
Kiribati,  Liberia,  Malawi,  Salomonen,  Somalia, 
Tuvalu, Uganda 
Mineralexporteure (rot):  
Burundi, Zentralafrikanische Republik, D.R.  
Kongo,  Guinea,  Mali,  Mauretanien,  Mosambik, 
Niger, Sierra Leone, Sambia 
Exporteure von Fertigwaren (grün):   Bangladesch, Bhutan, Kambodscha, Haiti, Lesotho, 
Nepal 
Dienstleistungsexporteure (blau):  
Komoren,  Dschibuti,  Eritrea,  Äthiopien,  Gambia, 
Malediven, Ruanda, Samoa, Sao Tome und  
Principe, Tansania, Vanuatu 
Mischexporteure (violett):  
Laos, Madagaskar, Myanmar, Senegal, Togo 
Quelle: Eigene Grafik basierend auf Abbildung 6. 
Tatsächlich lässt sich ein geografischer Zusammenhang mit den Exportmustern erkennen. 
Vor allem große afrikanische Länder fällen als Rohstoff- und Agrarexporteur auf, während 
die  asiatischen  LDCs  zu  Fertigproduktexporten  tendieren.  Insel-LDCs  exportieren 
vornehmlich Dienstleistungen, da Tourismus und Transportwesen dort eine größere Rolle 
spielen.  
15 
Bisher  wurden  nur  die  Hauptexportgruppen  betrachtet,  jedoch  soll  dies  nun  durch  eine 
nähere Untersuchung der disaggregierten Handelsstruktur der LDCs ergänzt werden. Die 
Abbildungen  8  und  9,  geben  einen  etwas ausführlicheren  Einblick  in  die  Exportsektoren 
der LDCs. Auch hier sind Rohstoff- und Agrarexporte in den Farben rot, gelb und orange 
gekennzeichnet, während Dienstleistungen und Fertigwaren grün und blau dargestellt sind. 
Abbildung 8: Exportstruktur der afrikanischen LDCs 
Quelle (beide Grafiken): UNCTAD 2008: xiv. 
Details
- Seiten
- Erscheinungsform
- Originalausgabe
- Erscheinungsjahr
- 2009
- ISBN (eBook)
- 9783836642637
- Dateigröße
- 7 MB
- Sprache
- Deutsch
- Institution / Hochschule
- Freie Universität Berlin – Politik- und Sozialwissenschaften, Politikwissenschaft
- Erscheinungsdatum
- 2014 (April)
- Note
- 1,3
- Schlagworte
- handel entwicklung handelspolitik handelstheorie wachstumstheorie
- Produktsicherheit
- Diplom.de
 
					