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Der Einfluss des Konsums von Pornographie während der frühen und/oder mittleren Adoleszenz auf das Sexualverhalten

Eine qualitative Studie mit jungen Männern

©2009 Diplomarbeit 89 Seiten

Zusammenfassung

Inhaltsangabe:Einleitung:
Am Tag des Verfassens dieser Einleitung führt die Suche nach dem Begriff ‘Porno’ auf der Internetseite von ‘Google Deutschland’ zu ungefähr 169 Millionen Ergebnissen. Diese Suche hat laut ‘Google’ ca. 0,06 Sekunden in Anspruch genommen. Das erste Suchergebnis liefert die Überschrift ‘Free Porn, Free Porno Movies, Share Porn, Free Porn Video’. Ein weiterführender Klick führt auf eine Internetseite, auf dessen Startseite explizite Vorschaubilder für pornographische Videos zu finden sind, die mit einem weiteren Klick zu öffnen sind. Das Video am Kopf der Liste trägt den Titel ‘Sexy Webcam Girl Anal Toying’ und zeigt für 6:15 Minuten, wie sich eine junge Frau auf einem Bett anal selbstbefriedigt. Zwei Videos weiter ist ein 2:00 Minuten langer Film mit dem Titel ‘Big titty whore's pussy work out!’ zu finden. Dort werden ein Mann und eine Frau beim Geschlechtsverkehr präsentiert. Etwas aggressiver geht es auf dem siebten Video der Seite zu. Es wird mit dem Titel ‘Teen blonde gets fucked in incredible gangbang’ über 22:43 Minuten in einer Art Kurzgeschichte dargestellt, wie mehrere Männer eine junge Frau im Umkleideraum einer Turnhalle überraschen, um sie anschließend zum vielfältigen Geschlechtsverkehr mit allen Männern gleichzeitig zu nötigen.
Problemstellung:
Die Wege zur Pornographie können vielfältig sein. Ein leichterer Zugang als der eben beschriebene scheint jedoch kaum vorstellbar. Auch Kinder und Jugendliche legen diesen überschaubaren Weg zur Pornographie immer öfter zurück – insbesondere männliche Jugendliche. Dies zeigen Erfahrungen aus der sexualpädagogischen Praxis. Die Folgen dessen scheinen für viele Erwachsene offensichtlich. Was viele denken, bringt STERN-Redakteur Walter Wüllenweber auf den Punkt: ‘Eltern schauen mit ihren Kindern Hardcore-Filme. 14-Jährige treffen sich zum Gruppensex. Ihre Idole singen von Vergewaltigung. Ein Teil der Gesellschaft driftet ab in die sexuelle Verwahrlosung’.
Hat Pornographie wirklich einen Einfluss auf die eigene Sexualität und wenn ja, mündet er tatsächlich in der sexuellen Verwahrlosung? Und was würden junge erwachsene Männer, die mit Pornos groß geworden sind, selbst auf diese Fragen antworten? Genau dieser Frage wird in der vorliegenden Diplomarbeit nachgegangen. Sie fragt ehemalige Pornographiekonsumenten, wie sie selbst das Gesehene aus heutiger Sicht bewerten und ob es kurz- oder langfristig einen Einfluss auf die eigene partnerschaftsbezogene Sexualität hatte. Die […]

Leseprobe

Inhaltsverzeichnis


Andreas Gloel
Der Einfluss des Konsums von Pornographie während der frühen und/oder mittleren
Adoleszenz auf das Sexualverhalten
Eine qualitative Studie mit jungen Männern
ISBN: 978-3-8366-4235-4
Herstellung: Diplomica® Verlag GmbH, Hamburg, 2010
Zugl. Hochschule für Angewandte Wissenschaften Hamburg, Hamburg, Deutschland,
Diplomarbeit, 2009
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© Diplomica Verlag GmbH
http://www.diplomica.de, Hamburg 2010

ii
Inhaltsverzeichnis
Inhaltsverzeichnis
ii
Vorwort
v
Einleitung
1
I. Theoretischer Teil:
Sexualität, Adoleszenz und Pornographie
1. Sinnkomponenten
von Sexualität
3
2. Adoleszenz
5
2.1
Die männliche Adoleszenz ­ Kurzdarstellung
und
Aufgaben
5
2.2
Phasen der Adoleszenz
8
3. Pornographie
8
3.1
Begriffsklärung und Inhalt
9
3.2
Pornographie und Recht
11
3.3 Gängige
Zugangsmöglichkeiten zu pornographischen
Inhalten
13
3.4
Konsumverhalten von männlichen Jugendlichen
15
II. Empirischer
Teil:
Ein ,,Biologiebuch in Hardcore-Version"
4. Rahmen
der
Untersuchung
18
4.1
Forschungsanliegen ­ Einführung und Konkretisierung
18
4.2
Einordnung in das Forschungsparadigma
19
4.3 Wahl
der
Forschungsmethode
20

iii
4.4 Auswahl
der
Interviewpartner
22
4.5
Entwicklung des Interviewleitfadens
23
4.6 Bericht:
Forschungsphase
26
4.7 Auswertung
27
4.7.1 Transkription
28
4.7.2 Analyse der Interviews
29
5.
Der Porno an sich sagt ja nicht "überdenke mich bitte
kritisch"
30
5.1 Motivation
30
5.2 Pornos
versus
Realität
32
5.2.1 Vor dem ersten Mal
32
5.2.2 Heute
33
5.3 Nutzen
versus
Kosten
35
5.3.1 Nutzen
35
5.3.2 Kosten
37
5.4 Fazit
41
6.
Höchststrafe: Der ist nicht gut im Bett
43
6.1
Zwischen Euphorie und Enttäuschung
43
6.2 Fazit
47
7.
Das Leben geht weiter
49
7.1
Die zweite Chance
49
7.2
Inspiration und Ausgleich
52
7.3 Fazit
53
8. Sozial-/Sexualpädagogische
Praxisrelevanz
55
Literaturverzeichnis
58
Internetquellen
62
Anhang


v
Vorwort
Seit dem Frühjahr 2006 bin ich in der Sexualpädagogischen
Fachabteilung beim pro familia Landesverband Hamburg e.V. und seit
2009 beim pro familia Landesverband Niedersachsen e.V. tätig. Dort
arbeite ich mit Jungengruppen zu den Themen ,,Liebe, Freundschaft,
Sexualität, Pubertät". Unabhängig vom Alter und der Herkunft der Jungen
lässt sich eines fast ausnahmslos feststellen: Die meisten Jungen
konsumieren regelmäßig Pornos und die entsprechenden Darstellungen
dominieren die Inhalte des sexualpädagogischen Austauschs. Die Frage
nach dem Umgang der Sexualpädagogik mit diesem Phänomen und
meine persönliche Unzufriedenheit mit der allgemein recht einseitigen
Bewertung dessen, motivierten mich zum Erstellen der vorliegenden
Forschungsarbeit.
Der Weg, den ich bis zum Druck dieser Diplomarbeit zurückgelegt
habe, war lang und steinig. Ich danke allen, die mich auf diesem Weg
begleitet und unterstützt haben. Mein besonderer Dank geht an meine
Eltern Ingrid und Joachim für ihre Unterstützung während meines Studiums
und meinen Freund und Kollegen Sven Vöth für die vielen Stunden der
Beratung und fachlichen Begleitung.
Ich danke Tim, Peter, Lukas, René und Kim für die offenen und
angenehmen Gespräche und die Bereitschaft, Teil meiner Diplomarbeit zu
sein.

Einleitung
Am Tag des Verfassens dieser Einleitung führt die Suche nach dem
Begriff ,,Porno" auf der Internetseite von ,,Google Deutschland" zu
ungefähr 169 Millionen Ergebnissen. Diese Suche hat laut ,,Google" ca.
0,06 Sekunden in Anspruch genommen. Das erste Suchergebnis liefert die
Überschrift ,,Free Porn, Free Porno Movies, Share Porn, Free Porn Video". Ein
weiterführender Klick führt auf eine Internetseite, auf dessen Startseite
explizite Vorschaubilder für pornographische Videos zu finden sind, die mit
einem weiteren Klick zu öffnen sind. Das Video am Kopf der Liste trägt den
Titel ,,Sexy Webcam Girl Anal Toying" und zeigt für 6:15 Minuten, wie sich
eine junge Frau auf einem Bett anal selbstbefriedigt. Zwei Videos weiter ist
ein 2:00 Minuten langer Film mit dem Titel ,,Big titty whore\'s pussy work
out!" zu finden. Dort werden ein Mann und eine Frau beim
Geschlechtsverkehr präsentiert. Etwas aggressiver geht es auf dem siebten
Video der Seite zu. Es wird mit dem Titel ,,Teen blonde gets fucked in
incredible gangbang" über 22:43 Minuten in einer Art Kurzgeschichte
dargestellt, wie mehrere Männer eine junge Frau im Umkleideraum einer
Turnhalle überraschen, um sie anschließend zum vielfältigen
Geschlechtsverkehr mit allen Männern gleichzeitig zu nötigen.
Die Wege zur Pornographie können vielfältig sein. Ein leichterer
Zugang als der eben beschriebene scheint jedoch kaum vorstellbar. Auch
Kinder und Jugendliche legen diesen überschaubaren Weg zur
Pornographie immer öfter zurück ­ insbesondere männliche Jugendliche.
Dies zeigen Erfahrungen aus der sexualpädagogischen Praxis. Die Folgen

2
dessen scheinen für viele Erwachsene offensichtlich. Was viele denken,
bringt STERN-Redakteur Walter Wüllenweber auf den Punkt: ,,Eltern
schauen mit ihren Kindern Hardcore-Filme. 14-Jährige treffen sich zum
Gruppensex. Ihre Idole singen von Vergewaltigung. Ein Teil der
Gesellschaft driftet ab in die sexuelle Verwahrlosung" (W
ÜLLENWEBER
, 2007:
66).
Hat Pornographie wirklich einen Einfluss auf die eigene Sexualität und
wenn ja, mündet er tatsächlich in der sexuellen Verwahrlosung? Und was
würden junge erwachsene Männer, die mit Pornos groß geworden sind,
selbst auf diese Fragen antworten? Genau dieser Frage wird in der
vorliegenden Diplomarbeit nachgegangen. Sie fragt ehemalige
Pornographiekonsumenten, wie sie selbst das Gesehene aus heutiger Sicht
bewerten und ob es kurz- oder langfristig einen Einfluss auf die eigene
partnerschaftsbezogene Sexualität hatte. Die jungen Männer berichten im
Gegensatz zu vielen Erwachsenen aus ihrem eigenen Erfahrungsschatz als
junge Pornographiekonsumenten im 21. Jahrhundert.
Beabsichtigt ist, dass sich die qualitativen Forschungsergebnisse und
Erkenntnisse dieser Diplomarbeit abschließend in einer sozial- bzw.
sexualpädagogischen Praxisrelevanz niederschlagen.
Diese Diplomarbeit gliedert sich in einen I. Theoretischen Teil (Kapitel
1-3) und einen II. Empirischen Teil (Kapitel 4-8). Der empirische Teil stellt
hierbei das Kernstück der Arbeit dar. Ein Fazit der sozialpädagogischen
bzw. der sexualpädagogischen Praxisrelevanz (Kapitel 8) schließt die
Arbeit.
Der theoretische Teil besteht aus einleitenden wissenschaftlichen
Informationen zu Themenbereichen, die für das Verständnis dieser Arbeit
von Relevanz sind.

3
Der empirische Teil beginnt mit Informationen über den Rahmen der
Untersuchung (Kapitel 4). In den folgenden Kapiteln 5, 6 und 7 werden die
Ergebnisse der Befragungen dargestellt. Jedes dieser Kapitel schließt mit
einem Fazit der im jeweiligen Kapitel erläuterten Erkenntnisse.

4
I. Theoretischer Teil:
Sexualität, Adoleszenz und
Pornographie
1.
Sinnkomponenten von Sexualität
Sexualität soll an dieser Stelle weder im Detail definiert werden noch
soll aufgeschlüsselt werden, was sie alles sein kann und was sie wirklich ist.
Dem ungeachtet sei aber erwähnt, dass Sexualität in dieser Arbeit in einer
erweiterten Sicht verstanden wird, als sie in den meisten Lexika (zumindest
zuerst) beschrieben wird
1
. Der in dieser Arbeit verwendete
Sexualitätsbegriff orientiert sich an der Sicht von Uwe Sielert
2
. Sielert
begreift Sexualität als ,,allgemeine Lebensenergie" (S
IELERT
, 1993: 32), die
sowohl körperlich als auch geistig-seelisch wirksam ist (vgl. ebd.) und mit
allen anderen Lebensäußerungen und Rahmenbedingungen
menschlicher Existenz verwoben ist (vgl. ebd.: 45).
1
Die meisten Lexika orientieren sich bei der Definition in einem hohen Maß an den
biologischen Abläufen von Sexualität. Bsp.: ,,Sexualität [lateinisch] die, Geschlechtlichkeit,
allgemein die Unterscheidung männl. und weibl. Individuen aufgrund ihres Geschlechts und
ihrer Geschlechtsmerkmale sowie die Gesamtheit der Phänomene, die der Fortpflanzung
dienen; i.e.S. das auf die Befriedigung der sexuellen Bedürfnisse und die geschlechtl.
Vereinigung (Geschlechtsverkehr) gerichtete Verhalten (Geschlechtstrieb) beim Menschen
und bei Tieren..." (
M
EYER
'
S
L
EXIKON, 2006: 6963)
2
Prof. Dr. Uwe Sielert ist Geschäftsführer der Gesellschaft für Sexualpädagogik e. V. (GSP) in
Kiel.

5
Für das Forschungsanliegen dieser Arbeit relevant sind Sielerts
Ausführungen über die Frage nach dem ,,Sinn von Sexualität" (ebd). Dieser
ergibt sich nach Sielert aus den vier Ausdrucksformen und
Sinnkomponenten von Sexualität:
Der
(1.) Identitätsaspekt ist die Erfahrung des eigenen Ichs als eine
eigenständige körperliche und seelische Einheit. Sexualität ermöglicht hier
das Geben und Nehmen von Selbstbestätigung als Bedingung zur
Selbstliebe und Voraussetzung zur Achtung anderer.
Die Möglichkeit, im Kontakt zu anderen Menschen Wärme und
Geborgenheit zu geben und zu empfangen, betont der (2.)
Beziehungsaspekt. Intime sexuelle Begegnungen können das Bedürfnis
nach Dauer, Vertrautheit und ,,Wiedererkennen" wecken.
Mit
dem
(3.) Lustaspekt ist Sexualität als Lebensmut erhöhende
Kraftquelle gemeint. In der Leidenschaft und Ekstase findet sie ihren
kraftvollsten Ausdruck.
Der
(4.) Fruchtbarkeitsaspekt meint die lebensspendende Kraft von
Sexualität. Dazu gehört unter anderem die Zeugung eines Kindes (vgl.
ebd.: 45).
Diese vier benannten Sinnkomponenten sind als gleichwertig zu
verstehen. Für eine gelingende Sexualität müssen indes nicht alle vier
Aspekte immer gemeinsam erlebt werden. Zwar kann die dauerhafte
Fixierung auf eine Einzelne problematisch sein, dies schließt jedoch nicht

6
aus, dass eine bestimmte Komponente im Vordergrund stehen darf.
3
Kinder und Jugendliche durchleben diese Komponenten in ihrer
Biographie häufig in einer typischen Reihenfolge
4
. Mehrheitlich steht zu
Beginn der Identitätsaspekt im Vordergrund, der sich mit der Neugierde
auf den eigenen und fremden Körpern begründet. Im Mittelpunkt steht
hier außerdem das Austesten der eigenen Wirkung auf andere und
anderer auf einen selbst. Anschließend gewinnt bei Jungen und Mädchen
entweder der Beziehungs- oder der Lustaspekt
5
an Bedeutung. Der
Fruchtbarkeitsaspekt wird in der Regel erst viel später entdeckt und
ausgelebt (vgl. ebd: 46).
Je nach Gewichtung und Gestaltung dieser Sinnkomponenten kann
eine Vielzahl subjektiven Sexualempfindens und ­erlebens entstehen.
Jedoch kann eine ,,glückliche und den Menschen erfüllende Sexualität"
(V
ÖTH
, 2005: 7) nicht ausschließlich an den o.a. Aspekten festgemacht
werden. ,,Individuelle sexuelle Bedürfnisse und gesellschaftliche
Konventionen und Moralvorstellungen können ein Spannungsverhältnis
erzeugen" (ebd.), denn Sexualität wird kontinuierlich auch durch soziale
(kulturelle), gesellschaftliche und religiöse Bedingungen beeinflusst und
(mit)geprägt. Sie können die Kommunikation und das Ausleben der
eigenen sexuellen Wünsche und Lebensentwürfe erschweren und belasten
(vgl.
PRO FAMILIA
B
UNDESVERBAND
, 2000: 8). Für diese Forschung ist in diesem
Zusammenhang relevant, Pornographie als sozialisationsbedingten Einfluss
zu betrachten. Im Fokus steht dabei, wie Pornographie die Sexualität
junger Männer im Allgemeinen als auch die qualitative und quantitative
Besetzung der zuvor aufgeführten Sinnkomponenten und Ausdrucksformen
3
Sielert wagt sich an die ,,Utopie" (
S
IELERT, 1993: 46) gelungener Sexualität vorsichtig heran.
Er beschreibt in diesem Zusammenhang das Verhältnis der vier Sinnkomponenten als
,,dynamische Balance" (vgl. ebd.: 46)
4
,,Diese Reihenfolge ist zwar typisch, gilt aber nicht für jede individuelle Entwicklung" (ebd.)
5
bei Jungen zumeist erst der Lustaspekt (vgl.
S
IELERT 1993: 46)

7
von Sexualität beeinflusst. Der für diese Arbeit als Konsumzeitraum
festgelegte lebensbiographische Abschnitt der Adoleszenz wird im
Folgenden genauer betrachtet werden.
2. Adoleszenz
2.1 Die männliche Adoleszenz ­ Kurzdarstellung und Aufgaben
Die ,,Adoleszenz" (das Jugendalter, die Jugendzeit) ist der
Lebensabschnitt, der mit dem Einsetzen der Pubertät beginnt und mit dem
Erreichen des Erwachsenenalters endet. Die Pubertät beginnt mit dem
,,ersten Samenerguss" - der Fähigkeit zur Reproduktion. Anfang und Ende
der Adoleszenz können nicht eindeutig einem Alter zugewiesen werden.
Besonders das Ende hängt stark vom jeweiligen kulturellen und
gesellschaftlichen Kontext ab
6
(vgl. Z
IMBARDO
1995: 91). Die
Weltgesundheitsorganisation (WHO) ordnet die Adoleszenz dem
Altersabschnitt von zehn bis neunzehn Jahren zu (vgl.
DE
G
RUYTER
, 2003: 7).
Sprachlich orientieren sich die meisten Menschen bei dem Begriff
,,Pubertät" hauptsächlich an den körperlichen und sexuellen
Veränderungen. So löst aus biologischer Sicht eine verstärkte Produktion
des Sexualhormons Testosteron den pubertären Prozess aus. Die
Geschlechtsreife setzt mit der ersten Ejakulation (Samenerguss) ein und
wird gefolgt von der Herausbildung der sekundären
6
,,Ein Kind in einem Elendsviertel Südamerikas beispielsweise wird notgedrungen früh
selbstständig und unkindlich, ein behütetes Kind gut situierter Eltern darf sich Zeit nehmen, bis
es erwachsen ist" (
N
ITSCH U
.
A., 2003: 22).

8
Geschlechtsmerkmale
7
. Ein deutlicher Wachstumsschub setzt meist etwa
zwei Jahre nach der ersten Ejakulation ein (vgl. B
RAUN
2004, 30 f.).
Unter Berücksichtigung dieser pubertären Veränderungen und mit
ausgelöst durch diese, soll Adoleszenz hier ­ über die biologische Reifung
hinaus ­ als ,,ein Prozeß verstanden werden, in dem das Individuum seine
Identität weiter ausbildet und stabilisiert." (F
RIEDRICH
/T
RAUERNICHT
1991, 15).
So geht der Prozess des sich verändernden Körpers mit psychosexuellen
Veränderungen einher. Diese beiden Entwicklungsprozesse bedingen sich
teilweise gegenseitig, vollziehen sich aber nicht unbedingt gleichzeitig
8
(vgl. Z
IMBARDO
1995, 93). In westlichen Gesellschaften haben sich Jungen
(wie Mädchen) daher mit bestimmten Entwicklungsaufgaben zu
beschäftigen. Diese teilen sich in folgende drei Bereiche:
,,(1)
den intrapersonalen oder persönlichen Bereich,
(2)
den interpersonalen oder zwischenmenschlichen Bereich und
(3)
den kulturell-sachlichen oder gesellschaftlichen Bereich"
(G
ROB
/J
ASCHINSKI
, 2003: 28)
Persönliche Entwicklungsaufgaben ergeben sich zum einen aus ,,den
neuen psychischen Sachverhalten der Adoleszenz, z.B. aufgrund der
Fähigkeit zur Abstraktion ein verändertes Wertesystem und ethische
Prinzipien entwickeln" (ebd.). Zum anderen ergeben sie sich aus den
physischen Veränderungen und fordern ein Akzeptieren des sich
7
,,die sichtbaren wie, z.B. Schambehaarung oder Bartwuchs, aber auch der Stimmbruch
(hörbar)" (
V
ÖTH, 2005: 18)
8
Insbesondere bei Mädchen driften körperliche und seelische Reife auseinander, da bei
ihnen die Pubertät ungefähr zwei Jahre früher als bei Jungen einsetzt (vgl.
P
REIß
/S
CHWARZ
/W
ILSER, 1996).

9
verändernden Körpers und das Erarbeiten der männlichen
Geschlechtsrolle.
Zwischenmenschliche Entwicklungsaufgaben ergeben sich aus den
neuen Beziehungsmustern zu verschiedengeschlechtlichen Gleichaltrigen
(vor allem der Differenzierung zwischen diesen) und der zunehmenden
Symmetrie in der Beziehung zu den Eltern.
Gesellschaftliche Entwicklungsaufgaben resultieren aus der
Konfrontation mit neuen und veränderten sozio-kulturellen Anforderungen.
Jugendliche müssen sich in westlichen Gesellschaften auf eine finanzielle
Selbstständigkeit und die Erwartung, sozial verantwortlich handeln zu
können, einstellen (vgl. ebd.).
Diesen Entwicklungsaufgaben übergeordnet ist die Findung der
eigenen Identität, einer ,,eigenständigen, unverwechselbaren
Persönlichkeit" (N
ITSCH U
.
A
., 2003: 98), die die Identifikation als Teil der
Familie ersetzt bzw. ergänzt (vgl. ebd.). Teil dessen ist die sexuelle Identität,
die aus der sexuellen Sozialisation
9
der Jungen entsteht (vgl. S
IELERT
, 1993:
66).
Aufgrund dieser quantitativen und qualitativen Vielfalt von
Anforderungen, die dieser Lebensabschnitt den Jugendlichen abverlangt,
lässt sich vermuten, dass Jugendliche für jede externe Hilfe, Erklärung,
jedes Vorbild oder jede Anleitung, die sie auf diesem Weg begleitet und
unterstützt, dankbar sind. Der ambivalente und undifferenzierte Zustand
zwischen ,,nicht mehr Kind" aber ,,noch nicht erwachsen" sein lässt
9
,,Sexuelle Sozialisation meint Fragestellungen, die sich um die Aneignung von Sexualität
drehen - also wie Jungen sexuell handlungsfähig werden (oder nicht), was Jungen wo oder
wie über Sexualität lernen, wie Koppelungen ­ etwa zwischen Sexualität und Gewalt
zustande kommen ­ aber auch, wie andere Probleme und Stärken männlicher Sozialisation
auf die sexuelle Sozialisation einwirken" (Winter 1993: 8).

10
außerdem auf eine starke Verunsicherung schließen und unterstreicht,
welch wichtige Rolle erklärende und (zumindest vermeintlich)
identitätsstiftende Medien für Jugendliche spielen können.

11
2.2 Phasen der Adoleszenz
In der Literatur findet man sowohl verschiedene Definitionen von
Adoleszenz als auch verschiedene Aufteilungen der einzelnen Phasen.
Diese variieren mitunter in der zeitlichen Aufteilung und in der Terminologie.
Havinghursts (1953) Phasen reichen von der Prae- bis hin zur
Postadoleszenz. Vöth (2005) beobachtete,
dass besonders
SozialisationstheoretikerInnen gänzlich auf eine zeitliche Unterteilung des
Jugendalters verzichteten (vgl. V
ÖTH
, 2005: 18). Im Rahmen dieser
Diplomarbeit
10
orientiere ich mich in Anlehnung an Vöth (ebd.) an
folgendem Zeitschema:
Frühe
Adoleszenz:
etwa 11. bis 13. Lebensjahr
Mittlere
Adoleszenz:
etwa 14. bis 16. Lebensjahr
Späte
Adoleszenz:
etwa 17. bis 21. Lebensjahr
3. Pornographie
Nachdem der Untersuchungsgegenstand ,,Sexualität" und die
Lebensphase ,,Adoleszenz" erläutert wurden, wird im Folgenden die
relevante Einflussgröße ,,Pornographie" aus verschiedenen Blickwinkeln
betrachtet.
10
Diese Orientierung ist für den späteren Forschungsteil relevant.

12
3.1 Begriffsklärung und Inhalt
Die Definition des Begriffs ,,Pornographie" ist einem geschichtlichen
und kulturellen Wandel ausgesetzt. Ursprünglich war sie die ,,Beschreibung
von Leben und Sitten der Prostituierten und ihrer Kunden" (M
EYER
'
S
L
EXIKON
,
2006: 5972). Im Laufe der Zeit veränderte sich der Gebrauch des Begriffs
und beschreibt bis heute die ,,Darstellung sexueller Akte überhaupt"
(ebd.). Im allgemeinen Sprachgebrauch wird häufig die Abkürzung
,,Porno" verwendet. Sie bezieht sich insbesondere auf Filme, ,,in denen
sexuelle Handlungen u. Abbildungen der Sexualorgane der Darsteller die
zentralen Inhalte bilden
11
" (
DE
G
RUYTER
, 2003: 406).
In westlichen Gesellschaften wird der Begriff seit der Verfügbarkeit
moderner Technologien zur Herstellung
12
, Verbreitung und Vervielfältigung
kontrovers diskutiert (vgl. ebd.). Ausgangspunkt der Debatte war und ist
die Annahme, Pornographie stelle eine Gefahr für die Moral der
Gesellschaft dar (ebd.). Insbesondere die Zeitschrift EMMA
13
engagierte
sich in Deutschland in den achtziger Jahren medial wirksam mit der
,,PorNO" Kampagne. Das Magazin definiert Pornographie als
Verknüpfung von sexueller Lust mit Lust an Erniedrigung und Gewalt"
(E
MMA
, 2007). Versuche, Pornographie zu definieren, beinhalten oft auch
implizite Annahmen über die Wirkung(en) solcher Darstellungen, die meist
als negativ angesehen werden (vgl. Z
ILLMANN
, 2004).
11
Sogenannte ,,Pornofilme" werden überwiegend für männliche Zuschauer produziert und
bilden innerhalb der sie produzierenden Industrie einen bedeutsamen Anteil am
Gesamtumsatz. So werden angeblich in Deutschland fast fünfhundert pornographische Filme
im Monat produziert (vgl. DE
G
RUYTER, 2003, 406)
12
z.B. Fotographie, Film- und Tonaufzeichnungen
13
EMMA ist eine deutschsprachige seit Januar 1977 erscheinende Zeitschrift, die sich
hauptsächlich an Frauen wendet. Sie bezeichnet sich selbst als ,,beste Freundin ihrer
Leserinnen, nationales Frauen-Auskunftsbüro und ­ Synonym für die Sache. Die Sache der
Frauen" (http://www.emma.de/ueber_emma.html)

13
Da die Bewertung von Pornographie vielfach den jeweils gängigen
historisch geprägten Moralvorstellungen unterliegt, haben Definitionen
einen relativen Charakter. Pornographie soll in dieser Untersuchung nicht
bewertend definiert werden. Es werden nur beschreibende Kriterien
verwendet.
,,Die meisten Erkenntnisse über die inhaltlichen Merkmale
pornographischer Medienangebote liegen für Filme vor" (A
LTSTÖTTER
-
G
LEICH
, 2006: 12). Dominant ist der heterosexuelle Geschlechtsverkehr,
wobei der genitale Koitus in verschiedenen Stellungen mit und ohne
Vorspiel
14
gezeigt wird. Charakteristisch ist darüber hinaus, dass Sex keines
besonderen Anlasses bedarf und allen Beteiligten immer und überall Spaß
bereitet. Er findet meist zwischen unbekannten oder flüchtig miteinander
bekannten Personen statt. Häufig sind weitere Personen anwesend. Die
Frauen sind stets willig und genießen den Sex. Die Männer strahlen in der
Regel durch ihre körperliche Haltung eine eindeutige Dominanz aus. Das
Angebot kann weitergehend nach individuellen Neigungen und
Fetischen
15
differenziert werden (vgl. ebd.).
Ein typischer ,,Pornofilm" zeigt diverse aufeinanderfolgende
Szenarien, die jeweils zwischen ca. 5 und 30 Minuten andauern. Folgende
sexuelle Praktiken werden meist dargestellt: Küsse, sexuelle Berührungen,
14
,,Sammelbezeichnung für alle Formen der sexuellen Stimulation, die einem penetrierenden
Geschlechtsverkehr vorangehen, d.h. Küsse, Zärtlichkeiten, Orogenitalkontakte u.a." (DE
G
RUYTER, 2003: 580)
15
,,Fetischismus ist eine durch A. Binet eingeführte Fachbezeichnung für eine als Paraphilie
eingeordnete Form des abweichenden Sexualverhaltens, ,,bei der sexuelle Erregung u.
Befriedigung überwiegend od. ausschließlich erreicht werden durch sexuelle Handlungen in
Verbindung mit bestimmten (...) Gegenständen, Eigenschaften der Partner od. Umständen
der Begegnung" (ebd.: 143).

14
Masturbation, Fellatio
16
, vaginaler und analer Geschlechtsverkehr und
Cunnilingus
17
. Häufig kommt es auch zur ,,double penetration"
(F
LOOD
/H
AMILTON
, 2003: viii), bei der zwei Männer gleichzeitig sowohl
vaginalen als auch analen Geschlechtsverkehr mit derselben Frau
praktizieren. Mittlerweile Standard in den meisten kommerziellen
pornographischen Filmen ist der so genannte ,,cumshot" (ebd.). Bei dieser
Praxis wird der Penis unmittelbar vor der Ejakulation aus dem
Geschlechtsverkehr zurückgezogen, um anschließend auf dem Körper
oder dem Gesicht der Frau zu ejakulieren (vgl. ebd.).
Sielert (1993) spricht von ,,Schablonen männlichen (und weiblichen)
Sexualverhaltens" (S
IELERT
, 1993: 67), die am deutlichsten in Pornographie
produziert werden. Es werde ,,ein Bild männlicher Sexualität gezeichnet,
das weder der Wirklichkeit noch einem wünschenswerten Männerbild
entspricht" (ebd.). Sielert beschreibt die in diesen Medien auftretenden
Männer als vor schier unendlicher Potenz strotzend, die immer ,,vögeln"
(ebd.) wollen und können und die zur Befriedigung ihrer Frauen wie
Maschinen das ihnen auferlegte Soll leisten (vgl. ebd.).
Meist nur im Internet erhältlich sind Filme, die echte oder gestellte
Vergewaltigungsszenen darstellen. Die Frauen sind in der Regel
festgebunden bzw. fixiert. Ihre Gesichter werden schreiend und Schmerz
ausdrückend präsentiert. Die Opfer werden in erläuternden Texten meist
als ,,young", ,,teen", ,,schoolgirl" oder ,,lolita" beschrieben
(F
LOOD
/H
AMILTON
, 2003: viii).
16
,,Fellatio" benennt die orale Befriedigung des Penis bis zum Orgasmus. Umgangssprachlich
wird dieser Akt häufig als ,,Blasen" bezeichnet (vgl. ebd.: 139 f.)
17
,,Cunnilingus" benennt die orale Befriedigung der äußeren weiblichen Sexualorgane bis
zum Orgasmus. Umgangssprachlich wird dieser Akt häufig als ,,Lecken" bezeichnet (vgl. ebd.:
75)

Details

Seiten
Erscheinungsform
Originalausgabe
Jahr
2009
ISBN (eBook)
9783836642354
Dateigröße
709 KB
Sprache
Deutsch
Institution / Hochschule
Hochschule für Angewandte Wissenschaften Hamburg – Wirtschaft und Soziales, Sozialpädagogik
Erscheinungsdatum
2014 (April)
Note
1,0
Schlagworte
sexualpädagogik interview free lustaspekt beziehung
Zurück

Titel: Der Einfluss des Konsums von Pornographie während der frühen und/oder mittleren Adoleszenz auf das Sexualverhalten
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