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Mobbing in der Arbeitswelt

Ursachen, Folgen und mögliche Lösungsansätze

©2009 Diplomarbeit 206 Seiten

Zusammenfassung

Inhaltsangabe:Einleitung:
Die meisten Menschen verbringen einen Großteil ihres Lebens an ihrem Arbeitsplatz. In der Regel sind sie dort nicht allein, sondern treffen auf Kollegen, Vorgesetzte und möglicherweise auch auf Untergebene. Da jeder seine eigenen Ziele, Interessen und Wertvorstellungen mit einbringt, können hier Konflikte entstehen. Streitereien, Auseinandersetzungen und Schwierigkeiten zwischen Beschäftigten und auch Vorgesetzten hat es daher vermutlich schon immer gegeben. Auch Belastungen durch die Arbeit, welche Folgeschäden mit sich bringen können, sind längst bekannt. Während es jedoch früher vor allem um schwere körperliche Belastungen ging, handelt es sich heute zunehmend um psychische Belastungen der Beschäftigten. Dies liegt im Zuge des technologischen Fortschritts unter anderem auch an der vermehrten Übernahme körperlicher Arbeiten durch Maschinen.
Hierbei hat sich nach Angaben der ‘Statistik der Gründe für die Frühverrentung’ der Anteil der Arbeitnehmer, die infolge psychischer Belastungen frühzeitig verrentet worden sind, in einem Zeitraum von zehn Jahren verdoppelt. Während der Anteil der Arbeitnehmer, die frühzeitig verrentet worden sind, im Jahr 1980 bei 7% lag, betrug dieser im Jahr 1990 bereits 14%. Die Gründe für solche psychischen Belastungen werden auf unterschiedliche Ursachen zurückgeführt, wie bspw. auf Mängel in der Arbeitsorganisation sowie auf Stress und psychosoziale Konflikte mit Kollegen und Vorgesetzten.
Mit dem Begriff des ‘Mobbing’ hat sich das Interesse an psychosozialen Konflikten am Arbeitsplatz verstärkt und wird nunmehr auf einer breiteren Ebene diskutiert. ‘Mobbing am Arbeitsplatz’ beschreibt hierzu ein systematisch feindseliges Vorgehen gegen Kollegen und Mitarbeiter, um diese aus ihrem Arbeitsplatz zu verdrängen. Nachdem zu Beginn der achtziger Jahre in Skandinavien erste wissenschaftliche Untersuchungen durch den schwedischen Wissenschaftler Leymann über psychosoziale Konflikte am Arbeitsplatz durchgeführt und veröffentlicht wurden, gab es hierzu ein großes Interesse an dieser Thematik. Seit einigen Jahren ist auch im deutschsprachigen Raum eine ähnlich große Resonanz dazu festzustellen.
Die Problematik, die sich jedoch aus der öffentlichen Diskussion um die Mobbingthematik ergibt, ist die häufig undifferenzierte Verwendung des Mobbingbegriffs für jede Art von Auseinandersetzung am Arbeitsplatz. Gerade im deutschsprachigen Raum wird mit der Verwendung dieses Wortes häufig leichtfertig […]

Leseprobe

Inhaltsverzeichnis


Huma Momand
Mobbing in der Arbeitswelt
Ursachen, Folgen und mögliche Lösungsansätze
ISBN: 978-3-8366-4160-9
Herstellung: Diplomica® Verlag GmbH, Hamburg, 2010
Zugl. Johann Wolfgang Goethe-Universität Frankfurt am Main, Frankfurt am Main,
Deutschland, Diplomarbeit, 2009
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© Diplomica Verlag GmbH
http://www.diplomica.de, Hamburg 2010

I
Inhaltsverzeichnis
1
Einleitung...1
2
Was ist Mobbing?...6
2.1 Herkunft und Entwicklung des Begriffs ...6
2.2 Mobbingdefinitionen in der Literatur ...9
2.3 Die zentralen Merkmale von Mobbing...14
2.4 Verwandte Begriffe ...19
2.5 Mobbinghandlungen...21
3
Abgrenzung zum Konflikt und Verlaufsmodelle ...23
3.1 Konflikt ...23
3.2 Konfliktverlauf ...25
3.3 Konflikt-Eskalationsmodell nach Glasl ...27
3.4 Mobbing-Verlaufsmodell nach Leymann ...33
4
Erscheinungsformen und Ergebnisse der empirischen Mobbingforschung ...36
4.1 Erscheinungsformen ...36
4.1.1 Horizontales Mobbing...37
4.1.2 Vertikales Mobbing ...38
4.2 Ergebnisse der empirischen Mobbingforschung ...42
4.2.1 Verbreitung...43
4.2.2 Geschlecht ...44
4.2.3 Alter ...48
4.2.4 Branchen und Berufsgruppen ...50
5
Die Arbeitswelt: Ein theoretischer Hintergrund...55
5.1 Definition des Begriffs Arbeit...55
5.2 Soziale Beziehungen in der Arbeitswelt ...58
6
Ursachen von Mobbing in der Arbeitswelt und theoretische Erklärungsansätze ...61
6.1 Gesellschaftliche Ursachen ...62
6.1.1 Sozialisations- und Lerntheorie ...62
6.1.2 Zum Wandel in der Arbeitswelt ...67
6.1.2.1 Ambivalenzen in der Subjektivierung von Arbeit ...73

II
6.1.2.2 Auswirkungen veränderter Arbeitsstrukturen...78
6.2 Betriebliche Ursachen...88
6.2.1 Arbeitsorganisation ...91
6.2.2 Führungsverhalten und Führungsstile...93
6.2.3 Personalwirtschaftliche Hintergründe...100
6.3 Personenbedingte Merkmale als Ursachen von Mobbing ...101
6.3.1 Attributions- und Labelingtheorie ...106
6.3.2 Mobbingbetroffene ...108
6.3.3 Mobbingtäter ...112
6.4 Gruppendynamische Interpretation: Zum Sündenbock-Phänomen ...116
6.5 Zusammenfassung ...118
7
Folgen von Mobbing...121
7.1 Folgen auf individueller Ebene ...121
7.1.1 Mobbing und Stress ...121
7.1.2 Auswirkungen auf die Gesundheit der Betroffenen ...125
7.1.3 Auswirkungen auf die berufliche und soziale Situation der Betroffenen ...126
7.2 Folgen auf Unternehmensebene ...130
7.2.1 Veränderungen im Betriebsklima ...133
7.2.2 Innere Kündigung und Änderung des Arbeitsverhaltens ...134
7.2.3 Fehlzeiten und Fluktuation...136
7.3 Zusammenfassung ...137
8
Präventionsmaßnahmen...140
8.1 Organisatorische Maßnahmen...141
8.2 Beispiele aus der Praxis zur Prävention von Mobbing...144
8.2.1 Informations- und Schulungsarbeit...144
8.2.2 Betriebsklimauntersuchungen ...145
8.2.3 Verbesserung kommunikativer und sozialer Strukturen...146
9
Interventionsmaßnahmen ...149
9.1 Betriebliche und individuelle Maßnahmen...150
9.2 Rechtliche Maßnahmen ...154
10 Schlussbetrachtung und Ausblick...160

III
Literaturverzeichnis... IV
Abbildungs- und Tabellenverzeichnis ... XV
Abkürzungsverzeichnis...XVI
Anhang ... XVII
Hinweise ...XXIII

1
1
Einleitung
Die meisten Menschen verbringen einen Großteil ihres Lebens an ihrem Arbeitsplatz. In der
Regel sind sie dort nicht allein, sondern treffen auf Kollegen, Vorgesetzte und möglicherweise
auch auf Untergebene. Da jeder seine eigenen Ziele, Interessen und Wertvorstellungen mit ein-
bringt, können hier Konflikte entstehen. Streitereien, Auseinandersetzungen und Schwierigkei-
ten zwischen Beschäftigten und auch Vorgesetzten hat es daher vermutlich schon immer gege-
ben. Auch Belastungen durch die Arbeit, welche Folgeschäden mit sich bringen können, sind
längst bekannt. Während es jedoch früher vor allem um schwere körperliche Belastungen ging,
handelt es sich heute zunehmend um psychische Belastungen der Beschäftigten. Dies liegt im
Zuge des technologischen Fortschritts unter anderem auch an der vermehrten Übernahme
körperlicher Arbeiten durch Maschinen.
Hierbei hat sich nach Angaben der ,,Statistik der Gründe für die Frühverrentung" der Anteil der
Arbeitnehmer, die infolge psychischer Belastungen frühzeitig verrentet worden sind, in einem
Zeitraum von zehn Jahren verdoppelt. Während der Anteil der Arbeitnehmer, die frühzeitig ver-
rentet worden sind, im Jahr 1980 bei 7% lag, betrug dieser im Jahr 1990 bereits 14%.
1
Die
Gründe für solche psychischen Belastungen werden auf unterschiedliche Ursachen zurückge-
führt, wie bspw. auf Mängel in der Arbeitsorganisation sowie auf Stress und psychosoziale Kon-
flikte mit Kollegen und Vorgesetzten.
Mit dem Begriff des ,,Mobbing" hat sich das Interesse an psychosozialen Konflikten am
Arbeitsplatz verstärkt und wird nunmehr auf einer breiteren Ebene diskutiert. ,,Mobbing am
Arbeitsplatz" beschreibt hierzu ein systematisch feindseliges Vorgehen gegen Kollegen und
Mitarbeiter, um diese aus ihrem Arbeitsplatz zu verdrängen. Nachdem zu Beginn der achtziger
Jahre in Skandinavien erste wissenschaftliche Untersuchungen durch den schwedischen Wissen-
1
Vgl. Resch 1994: 8.
In der Arbeit vergegenständlicht sich der Mensch, hin-
terlässt Spuren seiner Existenz, ,,macht" Geschichte
und wird zum Subjekt durch die Arbeit an einem Objekt,
wird sich seiner selbst bewusst.
Mikl-Horke, Gertraude

Einleitung
2
schaftler Leymann über psychosoziale Konflikte am Arbeitsplatz durchgeführt und veröffent-
licht wurden, gab es hierzu ein großes Interesse an dieser Thematik. Seit einigen Jahren ist auch
im deutschsprachigen Raum eine ähnlich große Resonanz dazu festzustellen.
Die Problematik, die sich jedoch aus der öffentlichen Diskussion um die Mobbingthematik er-
gibt, ist die häufig undifferenzierte Verwendung des Mobbingbegriffs für jede Art von Aus-
einandersetzung am Arbeitsplatz. Gerade im deutschsprachigen Raum wird mit der Verwendung
dieses Wortes häufig leichtfertig umgegangen. Es ist bereits zu einer Art Modewort herange-
wachsen, dessen Gebrauch oftmals in falschem Kontext stattfindet. Eine weitere Problematik ist
darin zu sehen, dass trotz der zahlreichen theoretischen sowie empirischen Untersuchungen die
Debatte über Mobbing einzig auf den Veröffentlichungen von Leymann basiert. Dies ist deshalb
zu bemängeln, da Leymann eine stark opferzentrierte Sichtweise zu Mobbing vertrat und perso-
nenbezogene Merkmale als Ursachen für Mobbing vehement zurückwies. Damit bleibt jedoch
ein wichtiger Bestandteil zur Analyse der Ursachen von Mobbing verborgen.
Ein weiteres Problem, das sich erst im Laufe der Fertigstellung der vorliegenden Arbeit heraus-
stellte war, dass die Veränderungen in der Arbeitswelt, auf welche vermehrt in soziologischen
Schriften hingewiesen wird, in Arbeiten über Mobbing unberücksichtigt bleiben. Diese sind
gerade deswegen interessant zu beleuchten, da die Mobbingthematik erst in den 1990er Jahren
bekannt geworden ist und bis heute nicht an Aktualität verloren hat. Aus soziologischer Sicht
stellt sich hierzu die Frage, warum ein längst bekanntes Thema gerade in einer Zeit an Aktualität
gewinnt, in der grundlegende Veränderungen in der Arbeitswelt stattfinden. Damit verbunden
kommt die Frage auf, welchen Einfluss die gegenwärtige Arbeitsmarkt- und Konjunkturlage auf
die Beschäftigten und die Unternehmen hat. Wie gehen die Unternehmen und die Beschäftigten
mit dem entstehenden Leistungs- und Konkurrenzdruck um bzw. wie wirkt sich dieser auf sie
aus?
Aus den obigen Ausführungen zur Problemstellung ergibt sich folgende Zielsetzung der vorlie-
genden Arbeit: Die zentrale Zielsetzung dieser Arbeit ist es, eine umfassende Analyse von
Mobbing in der Arbeitswelt hinsichtlich der Ursachen und Folgen durchzuführen und mögliche
Lösungsansätze herauszuarbeiten. Hierzu soll aufgezeigt werden, dass Mobbing ein komplexes
Problem in der Arbeitswelt darstellt, welches nicht losgelöst und ungeachtet bereits bestehender
Theorien betrachtet werden kann.

Einleitung
3
Das Auftreten von Mobbing in der Arbeitswelt stellt zwar vordergründig eine Auseinander-
setzung zwischen Mobbern und Mobbingbetroffenen dar. Schaut man jedoch ,,hinter die
Kulissen", wird der große Einfluss sowohl gesellschaftlicher als auch betrieblicher Faktoren auf
die Entstehung von Mobbing in der Arbeitswelt deutlich. Um die Komplexität der Mob-
bingthematik adäquat zu erfassen, dürfen die personenbedingten Merkmale von Mobbing eben-
falls nicht vernachlässigt werden. Diese zeigen nämlich auf, dass es bestimmte Verhaltenswei-
sen und Eigenschaften gibt, welche Mobbingsituationen in der Arbeitsgruppe provozieren
können.
Basierend auf den aufgezeigten Problemen sieht der Gang der vorliegenden Arbeit wie folgt aus:
Kapitel 2 stellt den Begriff des Mobbing näher vor. Ziel ist es, den Leser zunächst für das
Thema zu sensibilisieren und darzulegen, was in der Fachliteratur mit dem Begriff des Mobbing
bezeichnet wird. Beginnend mit der Herkunft und Entwicklung des Begriffs wird die Beteili-
gung der verschiedenen Wissenschaftsdisziplinen an der Thematik skizziert (2.1). Im darauf
folgenden Abschnitt wird ein Überblick über die unterschiedlichen Definitionen von Mobbing
gegeben (2.2). Anschließend werden aus den Definitionen die zentralen Merkmale von Mobbing
herausgearbeitet und hinsichtlich ihrer Bedeutung und Problematik in der praktischen Anwen-
dung untersucht (2.3). Um Überschneidungen zu Mobbing zu klären, werden in Abschnitt 2.4
mit Mobbing verwandte Begriffe geklärt. Abschließend zu Kapitel 2 werden einige Beispiele für
typische Mobbinghandlungen gegeben (2.5).
Um eine Abgrenzung zwischen Mobbing und Konflikt vornehmen zu können, wird im Ab-
schnitt 3.1 der Konfliktbegriff zunächst definiert. Anschließend wird aufgezeigt, wie sich ein
latenter Konflikt zum manifesten Konflikt entwickeln kann (3.2). Anhand des Konflikt-
Eskalationsmodells von Glasl wird darauf folgend dargelegt, wie sich die Fronten zwischen ein-
zelnen Parteien verhärten können (3.3). Den Abschluss des Kapitels 3 bildet das Mobbing-
Verlaufsmodell von Leymann, in dem die Entwicklung zu Mobbing beschrieben wird (3.4).
In Kapitel 4 wird zunächst aufgezeigt, auf welchen hierarchischen Ebenen Mobbing stattfindet
(4.1). Anschließend werden empirische Ergebnisse zu Verbreitung (4.2.1), Geschlecht (4.2.2),
Alter (4.2.3) und zum Vorkommen in unterschiedlichen Branchen und Berufsgruppen (4.2.4)
vorgestellt.

Einleitung
4
In Kapitel 5 wird der theoretische Hintergrund über die Arbeitswelt gegeben. Hierbei wird zu-
nächst der Arbeitsbegriff definiert (5.1), um anschließend die Besonderheiten sozialer Bezie-
hungen in der Arbeitswelt zu erörtern (5.2).
Eine ausführliche Analyse und Evaluierung der Ursachen und theoretischen Erklärungsansätze
wird in Kapitel 6 durchgeführt. Die untersuchten Ursachen sollen ein komplexeres und differen-
zierteres Bild von Mobbing geben, das mehr als nur personenbedingt ist (6.3). Hierzu werden
zunächst die gesellschaftlichen Ursachen untersucht (6.1). Anhand der Sozialisations- und Lern-
theorie wird aufgezeigt, welchen Einfluss Regeln und Normen auf die Sozialisation der gesell-
schaftlichen Akteure haben (6.1.1). Im nächsten Schritt werden die Veränderungen in der
Arbeitswelt dargestellt (6.1.2). Hierbei wird der Schwerpunkt auf die daraus entstehenden
Ambivalenzen in der Subjektivierung von Arbeit gelegt (6.1.2.1). Im Anschluss daran werden
die Auswirkungen veränderter Arbeitsstrukturen auf gesellschaftliche Akteure untersucht
(6.1.2.2).
Ebenfalls wird aufgezeigt, dass insbesondere bestimmte betriebliche Bedingungen Mobbing am
Arbeitsplatz verursachen können (6.2). Zu diesen mangelhaften Rahmenbedingungen zählen
sowohl die Arbeitsorganisation (6.2.1) als auch das Führungsverhalten und die Führungsstile
(6.2.2). Als besonders relevant werden auch die personalwirtschaftlichen Hintergründe als
Ursachen für Mobbing angesehen (6.2.3). Diese zeigen auf, wie Mobbing als gezielte
Maßnahme eingesetzt wird, um persönliche bzw. betriebliche Interessen durchzusetzen.
Zum Abschluss der Ursachen von Mobbing werden die personenbedingten Merkmale unter-
sucht. Hierzu wird zunächst der Interaktionsprozess der Mobbingbeteiligten beschrieben, bei
dem sich erst im Verlaufe des Geschehens die Rollen herauskristallisieren (6.3). Die Attributi-
ons- und Labelingtheorie dienen im nächsten Schritt dazu, die Prozesse der Ursachenwahrneh-
mung bzw. den Entwicklungsprozess abweichenden Verhaltens zu erklären (6.3.1). Anschlie-
ßend werden Persönlichkeitsmerkmale der Mobbingbetroffenen (6.3.2) als auch der Mobbingtä-
ter (6.3.3) diskutiert, die die Entstehung von Mobbing begünstigen können. Abschließend wird
Mobbing aus gruppendynamischer Perspektive interpretiert. Das ,,Sündenbock-Phänomen" soll
hierzu beleuchten, warum einzelne bzw. mehrere Personen in der Gruppe zu Opfern werden
(6.4).

Einleitung
5
Kapitel 7 beschäftigt sich mit den Folgen von Mobbing. Zunächst werden die Folgen auf indivi-
dueller Ebene dargestellt (7.1). Hierzu wird im ersten Schritt der stresstheoretische Zusammen-
hang aufgezeigt (7.1.1), um anschließend sowohl die gesundheitlichen Auswirkungen (7.1.2) als
auch die Auswirkungen auf die berufliche und soziale Situation der Betroffenen (7.1.3) be-
schreiben zu können. In Punkt 7.2 werden die Folgen auf Unternehmensebene erörtert. Neben
einem verschlechterten Betriebsklima (7.2.1) werden die Folgen der ,,Inneren Kündigung" und
der Änderung des Arbeitsverhaltens (7.2.2) als auch die Folgen durch Fehlzeiten und
Fluktuation (7.2.3) beleuchtet.
Kapitel 8 und 9 behandeln mögliche Lösungsansätze zu Mobbing. Hierzu werden in Kapitel 8
mögliche Präventionsmaßnahmen diskutiert. Zunächst werden, bezogen auf die Ursachen in
Kapitel 6, organisatorische Maßnahmen zur Beseitigung der Mängel zusammenfassend vorge-
schlagen (8.1). Anschließend werden Beispiele aus der Praxis zur Prävention von Mobbing vor-
gestellt (8.2). Den Abschluss bilden die möglichen Interventionsmaßnahmen in Kapitel 9.
Neben den betrieblichen und individuellen Maßnahmen (9.1) werden auch die rechtlich zur
Verfügung stehenden Möglichkeiten erörtert (9.2).
Die vorliegende Arbeit versteht sich als theoretische Arbeit. Um eine umfassende Analyse der
Mobbingproblematik durchführen zu können, werden nicht nur Ergebnisse deutschsprachiger
Untersuchungen verwendet, sondern sowohl Ergebnisse aus den skandinavischen als auch
englischsprachigen Ländern. In diesen Ländern ist die wissenschaftliche Forschung über
Mobbing bisher weiter fortgeschritten als in Deutschland.

Was ist Mobbing?
6
2
Was ist Mobbing?
2.1
Herkunft und Entwicklung des Begriffs
Bei dem Begriff ,,Mobbing" handelt es sich um eine Wortschöpfung. Dem englischen Verb ,,to
mob" nach bedeutet Mobbing das Anpöbeln oder das Herfallen über jemanden. Als Substantiv
verwendet kann ,,the mob" mit ,,Mob, Gesindel, Bande, Sippschaft" übersetzt werden.
2
Ein Mob
ist eine spontane, zu Schandtaten bereite Zusammenrottung
3
oder eine soziale Massengruppie-
rung mit geringem oder völlig fehlendem Organisationsgrad, in denen eine triebenthemmte, zu-
meist zerstörerische Verhaltenspotenz vorherrscht.
4
Zudem findet sich in der englischen Sprache
der Begriff ,,mob law", der mit dem Wort ,,Lynchjustiz" übersetzt wird. Der Ursprung des
Wortes liegt letztendlich im lateinischen ,,mobile vulgus", was soviel wie ,,wankelmütige
Masse, aufgewiegelte Volksmenge" bedeutet.
5
Im Rahmen der vergleichenden Verhaltensforschung von Tieren wurde der Mobbingbegriff von
dem österreichischen Ethologen Konrad Lorenz geprägt. Lorenz charakterisierte mit der Be-
zeichnung ,,Mobbing" ein Angriffsverhalten einer Gruppe von Tieren gegen ein einzelnes We-
sen (z.B. einer Gruppe von Gänsen gegen einen Fuchs).
6
Von wem der Begriff auf das mensch-
liche Sozialverhalten übertragen wurde, ist umstritten. Den meisten Autoren nach
geschah dies
durch den schwedischen Mediziner Heinemann.
7
In den 1960er Jahren etablierte sich der Mobbingbegriff durch eine Publikation Heinemanns
auch in der Wissenschaft, in der er ein ähnliches Gruppenverhalten unter Kindern beschrieb und
es ebenfalls als Mobbing bezeichnete. Sein Buch ,,Mobbing ­ Gruppengewalt unter Kindern und
Erwachsenen" wurde in den skandinavischen Ländern zum Bestseller.
8
Dadurch gelang der
2
Vgl. Wolmerath 2000: 13.
3
Vgl. Neuberger 1999: 2.
4
Vgl. Kolodej 1999: 19.
5
Vgl. Wolmerath 2000: 13.
6
Vgl. Niedl 1995a: 12.
7
Vgl. bspw. Niedl 1995: 12; Neuberger 1999: 3; Kollmer 2007: 2f; Kratz 2000: 10; Wolmerath 2000: 14.
8
Vgl. Heinemann 1972.

Was ist Mobbing?
7
Begriff auch in die schwedische Alltagssprache, was zu einer extensiven Verwendung führte
und als Bezeichnung für alle möglichen Arten von Attacken herangezogen wurde.
Anknüpfend an Heinemanns Beobachtungen, griff Leymann den Begriff ,,Mobbing" auf, um mit
ihm gezielte destruktive Verhaltensweisen zwischen Beschäftigten und Vorgesetzten in der Ar-
beitswelt beschreiben zu können.
Hierbei war die Mobbingproblematik in den achtziger Jahren zunächst Gegenstand wissen-
schaftlicher Forschungen in Skandinavien. Das Interesse an dieser Thematik kann vor allem auf
die besondere Arbeitsgesetzgebung in den skandinavischen Ländern Schweden, Finnland und
Norwegen zurückgeführt werden. Im so genannten Arbeitsmilieugesetz wurde ausdrücklich
formuliert, dass jeder Arbeitnehmer neben dem Recht auf körperliche auch das Recht auf psy-
chische Gesundheit am Arbeitsplatz haben soll. Damit wurde nicht nur das Augenmerk auf die
Verhinderung von physikalischen und chemischen Gefährdungen am Arbeitsplatz gelegt,
sondern vor allem auch auf die Ortung und Beseitigung psychosozialer Stressoren. In Schweden
wurden daraufhin Gesundheitsdienste in allen größeren Betrieben eingeführt. Parallel dazu wur-
den Forschungsgelder bewilligt, die für entsprechende Begleituntersuchungen verwendet wer-
den sollten.
9
Leymann, der ab 1979 am Schwedischen Reichsinstitut für Arbeitswissenschaft als Forschungs-
leiter tätig war, nutzte diese Rahmenbedingungen für seine weitere Arbeit. Er wandte sich
schwerpunktmäßig einer Verknüpfung aus einer sozialpsychologisch geprägten Arbeitswissen-
schaft und einer soziobiologisch orientierten Stressforschung zu. Dabei vertrat er die Meinung,
dass die Ursachen für psychische Belastungen von Arbeitnehmern nicht in deren eigenen Per-
sönlichkeit, sondern in den betrieblichen Umfeldbedingungen zu suchen sind. Diese Annahme
war der Ausgangspunkt für seine umfangreichen quantitativen und qualitativen Untersuchungen,
die Leymann in Schweden von Ende der 1970er bis Mitte/Ende der 1980er Jahre durchführte
und deren Ergebnisse er ab 1984 zunächst in Schweden publizierte.
Mit dem von Leymann im Jahr 1993 in Deutschland veröffentlichten Buch ,,Mobbing ­ Psycho-
terror am Arbeitsplatz und wie man sich dagegen wehren kann" wurde eine öffentliche
Diskussion über Konflikteskalationen im betrieblichen Umfeld auch in Deutschland ausgelöst,
9
Arentewicz 2004: 21f.

Was ist Mobbing?
8
die bis heute andauert. Die Medien berichten regelmäßig - teils auch mit sehr reißerischen Fall-
darstellungen über Mobbing.
In den letzten Jahren sind von verschiedenen anderen Forschergruppen ebenfalls Studien zum
Thema Mobbing durchgeführt worden.
10
Diese werden jedoch weniger von der Öffentlichkeit
zur Kenntnis genommen. Vielmehr basiert die öffentliche Mobbingdiskussion überwiegend auf
den Veröffentlichungen von Leymann. Festzuhalten ist dabei, dass es vor Leymanns Untersu-
chungen ebenso Forschungen zu dem Gegenstand des Mobbing gab, diese jedoch nicht unter
dem Begriff des Mobbing stattfanden. Als Beispiel dazu kann die Untersuchung von Brodsky
im Jahr 1976 angeführt werden: Brodsky berichtete über seine Erfahrungen als Leiter von
Schiedskommissionen unter dem Titel ,,The Harassed Worker". Dabei ging es um Klagen von
Arbeitern, welche aussagten, aufgrund exzessiver Leistungsanforderungen krank und arbeitsun-
fähig geworden zu sein. Die Klageführer machten damit lang andauernde, anhaltende oder
völlige Arbeitsunfähigkeit geltend.
11
Weitere Vorreiter waren bspw. Althaus (1979) mit der Untersuchung über die ,,Psychopatholo-
gie des Alltagslebens am Arbeitsplatz" als auch Löffler/Sofsky (1986) mit der Analyse zur
,,Pathologie organisierter Arbeitssituationen".
12
Daneben gab es in den 1980ern und zu Beginn
der 1990er Jahre in Deutschland eine Vielzahl von Untersuchungen zum Thema Stressauslöser
am Arbeitsplatz, die sich z.B. mit Betriebsklima, Stress und Ängsten am Arbeitsplatz sowie
Führungsstilen befassten.
13
Da es keine explizit zu Mobbing existierenden wissenschaftlichen
Ergebnisse gab, wurden die Ergebnisse der schwedischen Untersuchungen hochgerechnet und
auf die Bundesrepublik übertragen.
Eine der ersten Untersuchungen zu Mobbing im deutschsprachigen Raum wurde von Niedl
(1995a) in Österreich durchgeführt. Einbezogen waren zwei Einrichtungen, wobei es sich um
10
Siehe hierzu bspw. Einarsen/Raknes/Matthiesen (1994); Niedl (1995a); Zapf/Knorz/Kulla (1996).
11
Vgl. Brodsky 1976: 2; siehe hierzu auch Neuberger 1999: 3.
12
Vgl. Althaus (1979); Löffler/Sofsky (1986).
13
Siehe hierzu bspw. Semmer 1984; Greif/Bamberg/Semmer 1991.

Was ist Mobbing?
9
ein privates Forschungsinstitut (N=251) und eine öffentliche Krankenanstalt (N=1264) handelte,
in denen die Beschäftigten befragt wurden.
14
Gegen Mitte bis Ende der 1990er Jahre wurden in der Bundesrepublik mehrere Studien
veröffentlicht, wobei es sich hier fast ausschließlich um kleinere, nicht bundesweit repräsen-
tative Erhebungen handelte.
15
Diese Studien ermöglichten jedoch trotz ihrer relativ schmalen
Datenbasis weiterführende theoretische und praktische Erkenntnisse zur Art und Struktur von
Mobbing in der Bundesrepublik. Die Ergebnisse dieser Untersuchungen und die wissen-
schaftliche Auseinandersetzung mit dem von Leymann entwickelten Mobbingkonzept haben
dazu beigetragen, dass insbesondere in Fachkreisen ein differenzierteres Bild zum Problemfeld
Mobbing entstanden ist.
16
Mit der von Meschkutat et al. in Zusammenarbeit mit der Bundesanstalt für Arbeitsschutz und
Arbeitsmedizin veröffentlichten Studie aus dem Jahr 2002 erschien erstmals eine Repräsentativ-
studie zur Mobbingthematik aus Deutschland. In dieser Studie werden Daten zum Ausmaß als
auch zur Struktur von Mobbingfällen vorgestellt, worauf auch in der vorliegenden Arbeit zu-
sammen mit weiteren empirischen Ergebnissen Bezug genommen wird.
Zusammenfassend lässt sich sagen dass Leymann als Vorreiter der Mobbingdiskussion gilt. Für
eine wissenschaftliche Auseinandersetzung mit der Mobbingthematik reicht es jedoch nicht aus,
allein auf Leymanns Sichtweise zurückzugreifen. Daher werden in der vorliegenden Arbeit auch
Ergebnisse oben genannter Studien vorgestellt, die sich differenzierter mit der Mobbingthematik
auseinandergesetzt haben.
2.2
Mobbingdefinitionen in der Literatur
Nach Durchsicht der Literatur zur Mobbingthematik fällt auf, dass es bisher keine allgemein
verbindliche Definition von Mobbing gibt, sondern die Autoren den Begriff des Mobbing
14
Niedl bietet in seiner Untersuchung unter anderem eine umfassende Übersetzung skandinavischer Studien. In der
vorliegenden Arbeit erfolgt daher eine Anlehnung an die Darstellung seiner Ergebnisse, wenn es sich um
unübersetzte Arbeiten aus dem skandinavischen Raum handelt. Vgl. Niedl 1995a.
15
Siehe hierzu bspw. Knorz/Zapf 1996 und Kulla/Gundlach/Zapf 1997.
16
Siehe hierzu bspw. Knorz/Zapf 1996; Neuberger 1999; Wolmerath/Esser 2003.

Was ist Mobbing?
10
uneinheitlich formulieren. Die Problematik des Vorhandenseins unterschiedlicher Mobbingdefi-
nitionen spiegelt zum einen die Komplexität und die Vielfältigkeit der Erscheinungsformen des
Mobbing wider. Zum anderen besteht das Problem der einheitlichen Fassung des Mobbing-
begriffs darin, dass sich in Deutschland eine Bewertung von Mobbing nicht auf dem Hinter-
grund eines eigenen Anti-Mobbing-Gesetzes vollzogen hat (wie bspw. in Schweden und Frank-
reich), sondern vielmehr die Rechtssprechung Mobbing unter allgemeine bereits verankerte
Grundsätze und Sachverhalte zusammenfasst (siehe dazu Abschnitt 9.2).
Da bisher keine einheitliche Mobbingdefinition in der Fachliteratur existiert, wird deshalb im
Folgenden zuerst auf die unterschiedlich vorhandenen Definitionen von Mobbing eingegangen.
Dadurch soll geklärt werden, welche zentralen Merkmale für den Mobbingbegriff entscheidend
sind. Im Anschluss daran werden die zentralen Merkmale dahingehend untersucht, welche kon-
kreten Schwierigkeiten sich damit in der Praxis ergeben (2.3).
Die derzeit am häufigsten verwendete Definition von Mobbing beruht auf Leymann (1995), der
Mobbing beschreibt als:
,,eine konfliktbelastete Kommunikation am Arbeitsplatz unter Kollegen oder zwischen Vorge-
setzten und Untergebenen, bei der die angegriffene Person unterlegen ist (1), von einer oder
einigen Personen systematisch, oft (2) und während längerer Zeit (3) mit dem Ziel und/oder
dem Effekt des Ausstoßes aus dem Arbeitsverhältnis (4) direkt oder indirekt angegriffen wird
und dies als Diskriminierung empfindet. (...) Dabei ist zu beachten, dass die betroffene Per-
son anfänglich durchaus gleich stark oder sogar überlegen sein kann, aber im Verlauf des
Prozesses in die Unterlegenheit gerät.
17
Ein kritischer Punkt an Leymanns Definition ist die Einschränkung von Mobbing auf die Kom-
munikation. Diese wird auch von dem Arbeitspsychologen Zapf (1999) als problematisch ange-
sehen. In der Definition von Leymann wird Mobbing hinsichtlich nichtkommunikativer Hand-
lungen ausgeschlossen, bspw. bei Handlungen, die sich auf die Arbeitsaufgaben beziehen oder
bei denen man unsinnige und demütigende Arbeiten ausführen muss. Auch eine direkte Gewalt-
anwendung, die bei Mobbing nicht ausgeschlossen wird, kann bei Leymanns Definition nur
schwerlich dem Kommunikationsbegriff untergeordnet werden.
18
17
Leymann 1995: 18.
18
Vgl. Zapf 1999: 3.

Was ist Mobbing?
11
Daher definiert Zapf (1999) den Mobbingbegriff in Anlehnung an Einarsen und Skogstad
(1996), Leymann (1995) und Niedl (1995a) wie folgt:
,,Mobbing beinhaltet, dass jemand am Arbeitsplatz von Kollegen/Kolleginnen, Vorgesetzten
oder Untergebenen schikaniert, belästigt, drangsaliert, beleidigt, ausgegrenzt oder bei-
spielsweise mit kränkenden Arbeitsaufgaben bedacht wird und der oder die Mobbing-
betroffene unterlegen ist. Wenn man etwas als Mobbing bezeichnen möchte, dann muss dies
häufig und wiederholt auftreten (z.B. mindestens einmal pro Woche) und sich über einen län-
geren Zeitraum erstrecken (mindestens ein halbes Jahr). Es handelt sich nicht um Mobbing
bei einmaligen Vorfällen. Es handelt sich auch nicht um Mobbing, wenn zwei etwa gleich-
starke Parteien in Konflikt geraten."
19
Einen zentralen Gesichtspunkt von Mobbing sieht Zapf (1999) in der Verknüpfung zwischen
einer betrieblichen Belastungssituation und den ,,zum Teil verheerenden gesundheitlichen Fol-
gen von Mobbingbetroffenen".
20
Über die Mobbingdefinition hinaus stellt Zapf (1999) die
Mobbingproblematik in einen stresstheoretischen Kontext. Hierbei grenzt er Mobbing zu aufga-
ben-, organisations- und umweltbedingten Stressoren ab und ordnet es den sozialen Stressoren
zu. Da er die sozialen Stressoren in den zwischenmenschlichen Beziehungen begründet sieht
und darüber hinaus die Häufigkeit und die Dauer als ausschlaggebend für die Entstehung von
Mobbing ansieht, hebt er Mobbing als eine extreme Form sozialer Stressoren hervor.
Ferner fallen nach seiner Definition vereinzelte Angriffe oder Beleidigungen nicht unter den
Mobbingbegriff. Als weiteres wichtiges Abgrenzungskriterium von anderen Stressoren nennt er,
wie Leymann (1995) auch, die Systematik und die Gerichtetheit von negativen Handlungen
auf eine einzelne Person, welches mit einem Machtgefälle oder einem sich entwickelnden
Machtgefälle einhergeht.
21
Die Zuordnung zu einer ,,extremen Form sozialer Stressoren" er-
folgt nach Zapf deshalb, da soziale Stressoren im allgemeinen Sinn ungerichtet und alle Betei-
ligten gleichermaßen davon negativ betroffen sind. Bei Mobbing richtet sich jedoch der
Stressor zumeist nur gegen die Opfer, bei denen massive psychische und körperliche Beein-
trächtigungen zu beobachten sind, wohingegen die Täter keine Stressmerkmale aufweisen.
22
19
Zapf 1999: 3.
20
Vgl. Zapf 1999: 2f.
21
A.a.O.
22
Vgl. A.a.O.

Was ist Mobbing?
12
Eine aktuelle Mobbingdefinition findet sich in Esser/Wolmerath (2003):
,,Mobbing ist ein Geschehensprozess in der Arbeitswelt, in dem destruktive Handlungen un-
terschiedlicher Art wiederholt und über einen längeren Zeitraum gegen Einzelne vorgenom-
men werden, welche von den Betroffenen als eine Beeinträchtigung und Verletzung ihrer
Person empfunden werden und dessen ungebremster Verlauf für die Betroffenen grundsätz-
lich dazu führt, dass ihre psychische Befindlichkeit und Gesundheit zunehmend beeinträchtigt
werden, ihre Isolation und Ausgrenzung am Arbeitsplatz zunehmen, dagegen die Chancen
auf eine zufriedenstellende Lösung schwinden und der regelmäßig im Verlust ihres bisheri-
gen beruflichen Wirkbereichs endet."
23
Hierbei fällt aus, dass der Zeitaspekt des Mobbing bei Esser/Wolmerath (2003) nicht auf
mindestens sechs Monate festgelegt ist, sondern auf die Angabe ,,über einen längeren Zeitraum"
relativiert wird.
Vartia (1996) sowie Leymann (1995) weisen darauf hin, dass erst von Mobbing gesprochen
werden kann, wenn dieses über einen längeren Zeitraum stattfindet. Vartia (1996) hebt zudem
hervor, dass es oftmals zu einer Hilflosigkeit seitens der Betroffenen kommt, sich zur Wehr zu
setzen.
24
Für Einarsen und Skogstad (1996) ist die hilflose und unterlegene Position sogar we-
sentliches Definitionsmerkmal des Mobbinggeschehens:
,, (...) a person is defined as bullied if he or she is repeatedly subjected to negative acts in the
workplace. However, to be a victim of such bullying one must also feel inferiority in defend-
ing oneself in the situation."
25
In der vorliegenden Arbeit wird ebenfalls davon ausgegangen, dass das Kräfteverhältnis zu Un-
gunsten einer Partei verschoben ist. Dennoch wird dies nicht automatisch damit gleichgesetzt,
dass sich die Betroffenen als hilflos und ausgeliefert empfinden müssen.
Auf diesen Aspekt geht auch Neuberger (1999) ein. Als interessant erweist sich hierbei seine
Definition des Mobbingbegriffs, die beim ersten Eindruck sehr einfach und provokativ er-
scheint. Wie noch in Abschnitt 6.3 aufgezeigt wird, ist sie dennoch von großer Bedeutung, da
sie verschärft auf die Täter-Betroffenen-Perspektive verweist:
23
Esser/Wolmerath 2003: 22.
24
Vgl. Vartia 1996: 205.
25
Einarsen/Skogstad 1996: 187.

Was ist Mobbing?
13
,,Jemand spielt einem übel mit und man spielt wohl oder übel mit."
26
Hierbei setzt Neuberger die Gewinnung von Machtvorteilen in den Vordergrund seiner Interpre-
tation. Er geht davon aus, dass das Opfer nicht passiv leidet, sondern dass es Abwehrstrategien
oder sogar Gegenmobbing einsetzt. Er sieht Mobbing als keine einseitige Täter-Opfer-Relation,
sondern als ein dynamisches Hin und Her von Attacke und Gegenwehr, bei dem erst am (vorläu-
figen) Ende bilanziert und zugeschrieben (Sieger-Verlierer, Täter-Opfer) werden kann.
27
Die
entscheidende Erweiterung zu der Definition von Leymann (1995) liegt hiermit in der Akzent-
setzung auf beiden Parteien, denen Aktivität zugeschrieben wird. Der Betroffene wird nicht zum
passiven Empfänger der Initiativen der anderen Seite (Täter) gemacht.
Ferner ist diese eine wesentliche Bereicherung für die Definition von Leymann, da bei der Ent-
stehung von Mobbing der gruppendynamische Aspekt von Bedeutung ist, in der es durch Stig-
matisierung zu gesundheitlichen Folgen für die Betroffenen kommen kann (auf diesen Aspekt
wird in Abschnitt 6.4 noch detailliert eingegangen).
Zuschlag (2001) erweitert die Definition von Leymann auf Personengruppen, die zu Mobbing-
betroffenen werden können.
28
Angehörige definierbarer Minderheiten wie Ausländer, Menschen
mit einer Behinderung, Homosexuelle etc. können als Sündenböcke stigmatisiert und so zu
Mobbingbetroffenen werden. Diese Erweiterung wird auch in der vorliegenden Arbeit berück-
sichtigt. Aus den oben aufgeführten Definitionen lassen sich demnach folgende Merkmale von
Mobbing herausarbeiten:
·
Ein Prozess mit Systematik und Gerichtetheit
·
Machtungleichgewicht und Unterlegenheit der betroffenen Person
·
Zeitaspekt
·
Ausgrenzung
Auf diese Merkmale soll im Folgenden eingegangen werden, um deren Bedeutung und Proble-
matik in der praktischen Anwendung herauszuarbeiten.
26
Neuberger 1999: 18.
27
Vgl. a.a.O., S. 19.
28
Zuschlag 2001: 14.

Was ist Mobbing?
14
2.3
Die zentralen Merkmale von Mobbing
Ein Prozess mit Systematik und Gerichtetheit
Wie aus den obigen Definitionen herausgearbeitet wurde, ist ein spezifisches Merkmal von
Mobbing, dass es sich um einen Prozess mit systematischen und gerichteten Anfeindungen han-
delt. Esser/Wolmerath (2003) vergleichen es bildhaft mit einer Perlenkette, bei der zwar die ein-
zelne Perle relativ unbedeutend ist, jedoch mit der zunehmenden Zahl weiterer Perlen die Wer-
tigkeit anwächst. D.h., was Mobbing kennzeichnet und charakterisiert, ist in entsprechender
Weise die Verbundenheit einer Vielzahl von einzelnen negativen Handlungen, die für sich
genommen und isoliert betrachtet nicht als Mobbing bezeichnet werden können.
29
Die Beweisbarkeit des Vorhandenseins von Mobbing ist für die Betroffenen gerade dadurch
erschwert, dass jede negative Handlung einzeln betrachtet als noch im Rahmen des zwischen-
menschlichen, sozialadäquaten Verhaltens geduldet werden kann. Dabei kann weder die Bereit-
schaft zur Kommunikation noch die Verpflichtung zu korrektem sozialen Verhalten erzwungen
werden.
Für sich genommen zählt z.B. das einmalige ,,Nicht grüßen" nicht als Mobbing und ist auch für
die Beurteilung durch Dritte erschwert. Weitere Beispiele sind etwa, wenn eine Person von
ihrem Vorgesetzten einmalig ungerecht behandelt wird oder wenn eine harte unsoziale Behand-
lung nur kurzfristig zur Wirkung gelangt, wie z.B. der Ausspruch einer objektiv ungerechtfer-
tigten Abmahnung oder eine unberechtigte Kritik an der Arbeit. Dies ist zwar für den Betroffe-
nen unangenehm, reicht jedoch nicht aus, dieses als Mobbing zu bezeichnen.
Treten jedoch solche negativen Handlungen systematisch auf und sind auf einzelne Personen
gerichtet, kann hier von Mobbing gesprochen werden. Wenn es demnach keine prozesshafte
Verbindung einzelner Mobbinghandlungen gibt oder einzelne Handlungen einmalig, selten, zu-
fällig und unsystematisch erfolgen, kann nicht von Mobbing gesprochen werden. Die Gerichtet-
heit kommt darin zum Ausdruck, dass der bestehende Konflikt zwischen den Parteien personifi-
ziert wird. Daraus lässt sich auch die Systematik, die in den Mobbinghandlungen zutage tritt,
29
Vgl. Esser/Wolmerath 2003: 23.

Was ist Mobbing?
15
erklären. Der Mobber ist davon überzeugt, dass das Problem nicht in äußeren Umständen liegt,
sondern im Mobbingbetroffenen selbst.
30
Machtungleichgewicht und Unterlegenheit der betroffenen Person
Ein weiteres zentrales Merkmal von Mobbing ist das Machtungleichgewicht und die Unterle-
genheit der betroffenen Person. Die Unterlegenheit lässt sich danach spezifizieren, dass es der
betroffenen Person nicht ­ zumindest nicht ohne fremde Hilfe ­ gelingt, dem Mobbing ein Ende
zu bereiten und einen Zustand herzustellen, der weitgehend dem Zustand vor dem Mobbing ent-
spricht.
31
Wie oben bereits ausgeführt, ist jedoch zu beachten, dass die betroffene Person anfänglich
durchaus gleich stark oder sogar überlegen sein kann, aber im Verlauf des Prozesses in die Un-
terlegenheit gerät. Hierbei ist auch zu beachten, dass es sich nicht um Mobbing handelt, wenn
zwei etwa gleichstarke Personen in Konflikt geraten.
32
Die Unterlegenheit des Mobbing-
betroffenen lässt sich auf den Umstand zurückführen, dass der Mobber die Schwachstellen sei-
nes ,,Opfers" genau kennt und ausnutzt sowie grundsätzlich nur dann schädigende Handlungen
ausführt, wenn dies nicht erwartet wird. Darüber hinaus wird häufig bereits vorbeugend ver-
sucht, die Möglichkeiten der Gegenwehr zu vereiteln oder systematisch zu untergraben, um eine
gleichberechtigte Auseinandersetzung auszuschließen.
33
Beim Mobbing, das von Vorgesetzten ausgeht (Bossing), ergibt sich die Unterlegenheit des
Mobbingbetroffenen schon allein aus dem Beschäftigten- bzw. Unterordnungsverhältnis, das vor
allem in dem Weisungsrecht des Vorgesetzten zum Ausdruck kommt. Eine gezielte Über- oder
Unterforderung stellt hierbei eine Methode dar, unliebsame Mitarbeiter zu diskreditieren. Bei-
spiele dafür sind die Zuweisung eines Arbeitsvolumens, das von der betroffenen Person nicht
allein bewältigt werden kann oder die Zuweisung von Aufgaben, die weit unter dem Qualifika-
tionsniveau der betroffenen Person liegen, z.B. das Archivieren von Akten, Kaffeekochen oder
das Anspitzen von Bleistiften.
34
30
Vgl. Wolmerath 2000: 17 und 20.
31
Vgl. Zapf 1999: 3.
32
Vgl. a.a.O.
33
Vgl. Wolmerath 2000: 19.
34
Vgl. a.a.O.

Was ist Mobbing?
16
Zeitaspekt
Als weiteres wichtiges Definitionsmerkmal ist die zeitliche Dauer der destruktiven Handlungen
zu verstehen. Übereinstimmend wird dabei in allen Definitionen betont, dass eine gewisse
Häufigkeit in einem vorgegebenen zeitlichen Rahmen und eine längere Zeitdauer bei destrukti-
ven Handlungen vorliegen muss, die als Mobbing bezeichnet werden können.
Wolmerath (2000) weist darauf hin, dass solche Angaben lediglich einen ungefähren Anhalts-
punkt geben, da jeder Mobbingfall anders gelagert ist und jede Person in einer Mobbingsituation
höchst individuell reagiert. Bei dem einen erfolgt beispielsweise der Ausspruch einer Eigenkün-
digung bereits nach wenigen Monaten, bei dem anderen endet das Mobbing nach vielen Jahren
mit einem Suizid des Betroffenen.
35
Auch Neuberger (1999) kritisiert den Versuch, Mobbing durch eine vorgegebene Zeitdauer und
Auftretenshäufigkeit der Mobbinghandlungen zu operationalisieren. Hierbei bemerkt er, dass bei
einer Fixierung auf den Zeitraum von ,,mindestens einem halben Jahr" oder einer Häufigkeits-
verteilung von ,,mindestens einmal pro Woche" die Frage aufkommt, ob zunächst sechs Monate
vergehen müssen, um dann retrospektiv Mobbing diagnostizieren zu können. Ebenfalls stellt er
die Frage, ob nicht schon anhaltendes und systematisches Schikanieren Mobbing ist, auch wenn
das ,,Opfer" sich erfolgreich wehrt und der ,,Täter" ausgestoßen wird.
36
Aus der Perspektive der Unternehmenspraxis erwägend, formuliert Walter (1993) seine Kritik
hierzu etwas schärfer. Er fragt, ob man zunächst ein halbes Jahr zuschauen soll, wie jemand
schikaniert wird, bis man den Mobber zur Rede stellen darf, es jedoch dann schon für viele
Betroffene zu spät sein kann.
37
Esser/Wolmerath (2003) relativieren daher die Zeitangabe und sprechen von einem Zeitraum,
der abhängig vom jeweiligen Mobbingfall wenige Wochen bis viele Jahre andauern kann. Sie
halten die Festlegung eines Mindestzeitraums von sechs Monaten, wie es Leymann festgelegt
hat, für verfehlt.
38
35
Vgl. a.a.O., S. 17.
36
Vgl. Neuberger 1999: 22.
37
Vgl. Walter 1993: 27.
38
Vgl. Esser/Wolmerath 2003: 31.

Was ist Mobbing?
17
Aus einem Gerichtsurteil des LAG Rheinland Pfalz geht ebenfalls hervor, dass für die
juristische Sichtweise ein ,,Fortsetzungszusammenhang zwischen den einzelnen Handlungen"
bestehen muss. Dabei bedarf es dann ,,keiner Mindestlaufzeit oder Handlungsfrequenz, wenn die
Wirkungen der Einzelhandlungen fortbestehen". Es zählen daher auch kürzere, heftige Hand-
lungen oder Unterlassungen zum Tatbestand des Mobbing.
39
Auch ein Ergebnis aus der Telefonbefragung von Meschkutat et al. (2002) verdeutlicht, dass
eine Festlegung auf die Zeitdauer von mindestens einem halben Jahr zu eng gefasst ist und nicht
den wahren Gegebenheiten entspricht (siehe folgende Abbildung).
15,2%
24,9%
12,2%
12,2%
35,5%
0,0%
10,0%
20,0%
30,0%
40,0%
unter 6
Monate
6 Monate
bis unter 1
Jahre
1 bis unter
2 Jahre
2 bis unter
3 Jahre
3 und mehr
Jahre
Abbildung 1: Dauer des Mobbingprozesses.
(Meschkutat et al. 2002: 52.)
35,5% der Mobbingbetroffenen gaben an, dass das Mobbing in ihrem Fall kürzer als sechs
Monate anhielt. Ein halbes bis unter einem Jahr dauerte er für 15,7% der Betroffenen und circa
jede zehnte Person (12,2%) gab einen Zeitraum von drei und mehr Jahren an. Relativ gesehen
besteht somit die größte Gruppe (35,5%) aus den Personen, die bis zu sechs Monaten Mobbing-
handlungen ausgesetzt waren. Demnach dauert das Mobbing bei ca. jeder dritten Person kürzer
als sechs Monate.
40
39
Vgl. LAG Rheinland Pfalz, Urteil vom 16.8.2001, Aktenzeichen 6 Sa 415/01; unter Entscheidungsgründe:
http://www3.justiz.rlp.de/rechtspr/DisplayUrteil_neu.asp?rowguid={66A95B24-B423-4E98-A009-
B535442B614A}
40
Vgl. Meschkutat/Stackelbeck/Langenhoff 2002: 52.

Was ist Mobbing?
18
Folgendes Beispiel lässt ebenfalls die Festlegung auf die Zeitdauer von mindestens sechs Mona-
ten als fragwürdig erscheinen: Mobber könnten sich von jeder Verantwortung freisprechen,
wenn sie behaupteten, von Mobbing sei in ihrem Fall schon allein deswegen keine Rede, da sie
mit den Mobbinghandlungen bereits nach weniger als sechs Monaten aufgehört haben. Auch
könnte das Mobbingopfer bereits vor Ablauf der besagten sechs Monate aus dem Arbeitsver-
hältnis ausgeschieden sein.
Die oben dargestellten Beispiele zeigen, dass es durchaus Mobbingfälle gibt, die kürzer als
sechs Monate andauern. Aufgrund dessen werden in dieser Arbeit auch solche Fälle zu Mobbing
gezählt, bei denen der Zeitrahmen von sechs Monaten nicht erfüllt ist.
Ausschluss aus dem Arbeitsbereich
Der Ausschluss aus dem Arbeitsbereich ist in einem weiten und umfassenden Sinne zu verste-
hen. Neben dem Herausdrängen aus dem Arbeitsverhältnis infolge einer (Eigen-)Kündigung, der
Verrentung wegen Erwerbsunfähigkeit oder dem Schluss eines Aufhebungsvertrags sind auch
solche Formen gemeint, die nicht nur die Beendigung des Arbeitsverhältnisses bedeuten.
41
Mit
eingeschlossen sind daher sowohl das Herausdrängen aus einer innegehabten Position bzw. dem
Entzug der Handlungsvollmacht über vorherige zugewiesene Arbeitsbereiche als auch der
Wechsel des Arbeitsplatzes durch Versetzung in eine andere Abteilung.
42
Insgesamt charakteristisch für Mobbing ist, dass es den Betroffenen zunehmend erschwert wird,
sich gegen die Feindseligkeiten zu wehren. Die Schikanen werden von den Mobbern oftmals
bagatellisiert, in den Fantasiebereich der Betroffenen verwiesen oder verleugnet.
43
Aus den oben aufgeführten zentralen Merkmalen von Mobbing und ihrem Zusammenhang
untereinander wird auch klar, was Mobbing nicht ist. Gerade unter Berücksichtigung der breiten
Thematisierung der Mobbingproblematik in den Medien wird das Wort ,,Mobbing" inzwischen
oftmals als ein Allerweltsbegriff für jede Art von Intrigen, Vorenthalten von Informationen so-
wie für rücksichtslose und egoistische Verhaltensweisen benutzt. Daher ist es wichtig eine
41
Vgl. Wolmerath 2000: 18.
42
Vgl. a.a.O.
43
Vgl. Meschkutat/Stackelbeck/Langenhoff 2002: 93.

Was ist Mobbing?
19
Abgrenzung von anderen Verhaltensweisen vorzunehmen, die nicht als Mobbing bezeichnet
werden können. Darunter fallen bspw. folgende Situationen:
44
·
Feindseligkeiten und Konflikte zwischen Gruppen mit einer gewissen Personenstärke (z.B.
Abteilung gegen Abteilung, Arbeiter und Angestellte gegen Beamte, Betriebsrat gegen Ge-
schäftsleitung, Beschäftigte gegen Personalrat)
·
Einzelne Straftaten am Arbeitsplatz (z.B. Diebstahl unter Arbeitskollegen, Beleidigung ei-
nes Vorgesetzten)
·
Persönliches Desinteresse sowie Antipathien gegenüber einer einzelnen Person, sofern diese
nicht in einer feindseligen Art und Weise geäußert werden
·
Sozial zu missbilligende, aber hinzunehmende Verhaltensweisen, (z.B. Versagung des Gru-
ßes, unhöfliches Verhalten)
·
Einzelne ungerechte sowie unsoziale Behandlungen, die nur kurzfristig zur Wirkung gelan-
gen (z.B. nicht gerechtfertigte Rüge, Abmahnung, Versetzung, Kündigung des Arbeitsver-
trages)
Des Weiteren ist es wichtig Mobbing von kleineren Reibereien, Meinungsverschiedenheiten und
Streitereien unter Mitarbeitern und Vorgesetzten abzugrenzen. Alltägliche Konflikte im privaten
sowie im beruflichen Alltag sind unvermeidlich und stellen zumeist vorübergehende Ereignisse
dar. Diese können, wenn sie beachtet und fair ausgetragen werden, zu fruchtenden Diskussionen
und Debatten führen, die eine positive Veränderung und Weiterentwicklung nach sich ziehen
können.
45
2.4
Verwandte Begriffe
Im deutschen wie auch im englischen Sprachgebrauch gibt es mittlerweile eine unüberschaubare
Anzahl an Synonymen für systematische Feindseligkeiten am Arbeitsplatz. Viele dieser Begriffe
sind eng mit dem Mobbingbegriff verwandt oder werden synonym dazu angewendet. Um mög-
liche Überschneidungen zum Mobbingbegriff zu klären, werden im Folgenden einige mit
Mobbing eng verwandte Begriffe beschrieben.
44
Vgl. Esser/Wolmerath 2003: 39.
45
Vgl. Groß 2004: 4.

Was ist Mobbing?
20
·
Mit ,,Bullying" wird im angelsächsischen Raum schikanöses Vorgesetztenverhalten be-
zeichnet, was soviel bedeutet wie tyrannisieren. Der Ursprung findet sich im Substantiv
,,bully", was übersetzt werden kann als ,,brutaler Mensch" oder ,,Tyrann". ,,Bullying" be-
zeichnet jedoch im englischsprachigen Raum auch Mobbinghandlungen, die im nicht-
betrieblichen Umfeld geschehen, wie beispielsweise in Schulen.
46
In der wissenschaftlichen
Literatur wird Bullying inzwischen synonym zu Mobbing verwendet.
47
·
,,Bossing" wird in Deutschland als die Variante von Mobbing bezeichnet, bei der Vorge-
setzte allein das Mobbing ausüben (Bossing aus dem englischen ,,boss" = Chef, Vorgesetz-
ter). Niedl (1995b) trennt Mobbing und Bossing klar voneinander ab, indem er Mobbing als
ein oft auch unbewusstes Verhalten bezeichnet. Bossing hingegen unterscheidet er als eine
bewusste Personalabbaustrategie, bei dem das Management schikanöse, feindliche Behand-
lungen gegen Mitarbeiter einsetzt, um Mitarbeiter zu vergraulen. Dabei besteht nach Niedl
(1995b) das strategische Kalkül der personalpolitischen Entscheidungsträger darin, Abfin-
dungszahlungen einzusparen (siehe auch Kap. 6.2.3).
48
·
In den USA gilt ,,employee abuse" (Misshandlung bzw. Missbrauch von Mitarbeitern) als
Dachbegriff für das, was in Deutschland als Mobbing, Belästigung, Psychoterror etc. ge-
nannt wird.
49
·
,,Staffing" bezeichnet das Mobbing, bei dem eine Gruppe von Mitarbeitern (aus dem engli-
schen ,,staff" = Mitarbeiterstab) gegen ihren Vorgesetzten vorgeht, um diesen aus seiner
Stellung zu verdrängen (siehe dazu Kap. 4.1.2).
50
·
Die ,,sexuelle Belästigung" kann in Bezug auf Mobbing als eine von vielen
Mobbinghandlungen verstanden werden, ist aber nicht zwangsläufig Tatbestand des
Mobbing. Hier hat sich übereinstimmend gezeigt, dass Mobbing in erster Linie eine Form
psychischer Aggression darstellt. Körperliche Übergriffe oder sexuelle Belästigung spielen
im Rahmen von Mobbing nur eine untergeordnete Rolle.
51
46
Vgl. Hoel/Sparks/Cooper 2001: 20.
47
Vgl. Brinkmann 2002: 12.
48
Vgl. Niedl 1995b: 62.
49
Vgl. Neuberger 1999: 3.
50
Vgl. Kollmer 2007: 5.
51
Vgl. Zapf /Groß 2000: 23.

Was ist Mobbing?
21
2.5
Mobbinghandlungen
Trotz unterschiedlicher betrieblicher Rahmenbedingungen und agierender Personen können bei
einer Konflikteskalation bis hin zu Mobbing eine Reihe typischer Handlungs- und Verhaltens-
muster analysiert werden. Das Ziel der Mobbinghandlungen liegt darin, die insgesamt für das
Arbeitsleben wichtigen Funktionen und Zustände zu beeinflussen.
52
Leymann (1993a) ermittelte
in 300 Einzelinterviews mit Mobbingbetroffenen insgesamt 45 Mobbinghandlungen, die er in
fünf Gruppen unterteilte.
53
1. Angriffe auf die Möglichkeit sich mitzuteilen
In dieser Gruppe fasst Leymann alle Handlungen zusammen, die die Mitteilungsmöglichkeiten
einschränken und mit denen der Betroffene in seinem Anliegen beschnitten wird, eine sachbe-
zogene, konstruktive Kommunikation einzuleiten. Als Beispiele sind ständige Unterbrechungen
oder eine Kontaktverweigerung durch abwertende Blicke und Gesten zu nennen.
2. Angriffe auf die sozialen Beziehungen
Hier werden Handlungen zusammengefasst, die die systematische Isolierung einer Person zum
Ziel haben, z.B. die Versetzung in einen Raum weitab von den Kollegen, Ausspruch eines Ver-
botes an Mitarbeiter und Kollegen, den Betroffenen anzusprechen etc.
3. Angriffe auf das soziale Ansehen
Diese Gruppe umfasst kränkende, beleidigende und erniedrigende Handlungen, die die Diskre-
ditierung der Betroffenen zum Ziel haben, z.B. die Verbreitung von Gerüchten oder eine Imita-
tion von Gang, Stimme, Gesten.
4. Angriffe auf die Qualität der Berufs- und Lebenssituation
In dieser Gruppe sind Handlungen aufgeführt, in denen die Arbeitsaufgaben der Person in einer
Form abgeändert werden, dass sie einen Bestrafungscharakter erhalten, z.B. die Zuweisung von
überfordernden, unterfordernden oder gar sinnlosen Aufgaben etc.
52
Vgl. Merk 2004: 3.
53
Vgl. Leymann 1993a: 33f. Vollständige Liste siehe Anlage 1 im Anhang.

Was ist Mobbing?
22
5. Angriffe auf die Gesundheit
Hier werden Handlungen zusammengefasst, die sich direkt gegen die körperliche Unversehrtheit
des Betroffenen richten bzw. als Androhung vermittelt werden, z.B. ein Zwang zu gesundheits-
schädigenden Aufgaben, die Androhung körperlicher Gewalt etc.
Während Leymann einen Anspruch auf Vollständigkeit der Mobbinghandlungen erhob, ist dies
von verschiedenen Seiten kritisiert worden.
54
Zudem wurden in empirischen Untersuchungen
weit mehr als 45 Mobbinghandlungen aufgezeigt.
55
Beispielsweise sind in der Auflistung von
Leymann folgende Handlungen nicht mit aufgeführt: ,,Vorenthalten wichtiger Informationen,
Vernichtung von Arbeitsmaterialien und ­unterlagen, Anschwärzen beim Chef etc."
56
Eine Beschränkung auf 45 Mobbinghandlungen ist auch daher fragwürdig, da dem Einfalls-
reichtum des Schädigers ja keine Grenzen gesetzt sind. Demnach braucht der Mobber nicht viel
Raffinesse, wenn er alle erdenklichen Mobbinghandlungen begeht außer solchen, die auf
Leymanns (1993a) Liste vorkommen. Folglich sollte diese Einteilung als nicht zu starr und voll-
ständig verstanden werden. Einzelne der oben aufgeführten Handlungen kann man ebenso ande-
ren Untergruppen zuordnen als auch beliebig erweitern. Ferner ist die Tatsache zu berücksichti-
gen, dass die Wahl der Angriffsbereiche wie auch die Wahl der eingesetzten Handlungen je
nach Situation und dem Verhältnis der Beteiligten zueinander variieren und je nach Ausprägung
und Intensität sich diese auch situativ stark unterscheiden können.
57
Das Gemeinsame aller
Handlungen ist dennoch, dass diese so subtil und unterschwellig feindselig sind, dass ihre Wir-
kung zwar effektiv, aber schwer zu nachzuweisen ist.
54
Siehe hierzu bzw. Niedl 1995a; Neuberger 1999; Esser/Wolmerath 2003.
55
Vgl. Niedl 1995a; Knorz/Zapf 1996.
56
Vgl. Neuberger 1999: 206f.
57
Vgl. Walter 1993: 27; Merk 2004: 4.

Abgrenzung zum Konflikt und Verlaufsmodelle
23
3
Abgrenzung zum Konflikt und Verlaufsmodelle
Um eine Abgrenzung zum Mobbingbegriff vornehmen zu können, wird im folgenden
Kapitel zunächst der Konfliktbegriff definiert. Anschließend soll anhand des Konfliktverlaufs
kurz dargestellt werden, wie sich ein latenter Konflikt zum manifesten Konflikt entwickelt.
Ferner soll anhand des Konflikt-Eskalationsmodells von Glasl aufgezeigt werden, wie sich ein
Konflikt im Verlauf des Geschehens zuspitzt und sich zu Mobbing entwickeln kann. Anhand
des Mobbingverlaufmodells von Leymann soll abschließend dargestellt werden, durch welche
Instanzen die Betroffenen im schlimmsten Fall gehen und welche Veränderungen sich für sie
ergeben können.
3.1
Konflikt
Auf die Schwierigkeit, den Konfliktbegriff eindeutig definieren zu können, wird in der Literatur
immer wieder hingewiesen.
58
Darüber hinaus gibt es aufgrund der Tatsache, dass sich verschie-
dene wissenschaftliche Disziplinen mit der Konfliktforschung beschäftigt haben (z.B. Soziolo-
gie, Psychologie, Betriebswirtschaft, Philosophie etc.) keine einheitliche theoretische Grundla-
ge, sondern verschiedene Ansätze der jeweiligen Fachrichtungen.
59
Zudem erschienen in den
letzten drei Jahrzehnten zahlreiche Arbeiten, die bestehende Ansätze im Bereich der Konflikt-
forschung erweiterten, differenzierten und auch neue wissenschaftliche Sichtweisen eröffneten.
Eine Darstellung der unterschiedlichen Theorien und Konzepte der verschiedenen Fachrichtun-
gen würde den Rahmen dieser Arbeit sprengen. Hier soll der Fokus auf die allgemeine Bedeu-
tung des Konfliktbegriffes gerichtet werden, um daraus die Zusammenhänge wie auch die Un-
terschiede zum Mobbing herstellen zu können.
Der Begriff Konflikt kommt aus dem Lateinischen ,,confligere" und bedeutet in erster Linie
,,Zusammenstoß, Streit oder Auseinandersetzung (confligere = zusammenstoßen, aneinander
geraten).
60
Dabei dient er sowohl zur Beschreibung von inneren psychischen Zuständen, Verhal-
58
Bspw. Krysmanski 1977: 234; Kanning 1997: 62.
59
Vgl. Regnet 2001: 7.
60
Vgl. Reinhold/Lamnek/Recker 2000: 348.

Abgrenzung zum Konflikt und Verlaufsmodelle
24
tens- und Zieldiskrepanzen zwischen zwei oder mehr Personen als auch zur Beschreibung von
Auseinandersetzungen auf einer kollektiven Ebene.
61
Im allgemeinen Sinne kann Konflikt als ein ,,Widerstreit von mindestens zwei untereinander
unvereinbaren Tendenzen"
62
bzw. als ,,Inkompatibilitäten zwischen Zielsetzungen oder Wert-
vorstellungen von Akteuren"
63
verstanden werden.
Galtung (1981) unterscheidet Konflikte danach, ob sie sich innerhalb eines geschlossenen
Systems (Intra-System-Konflikt) oder zwischen Systemen (Inter-System-Konflikt) abspielen
und ob es sich um eine individuelle oder kollektive Austragungsform handelt. Als Systeme wer-
den dabei bspw. verschiedene Hierarchieebenen einer Organisation verstanden.
64
In der folgen-
den Tabelle sind die verschiedenen Konfliktformen aufgeführt:
Intra-System-Konflikt
Inter-System-Konflikt
Individuelle Ebene
z.B. intrapsychischer Konflikt
z.B. Konflikt zwischen Chef und
Mitarbeiter
Kollektive Ebene
z.B. Bürgerkrieg
z.B. Krieg zwischen zwei
Staaten
Tabelle 1: Verschiedene Konfliktformen
(Quelle: Regnet 2001: 10)
Von einem intrapsychischen Konflikt spricht man, wenn nur eine Person betroffen ist. Hierbei
handelt es sich primär um Entscheidungskonflikte dieser Person. Auf der individuellen Ebene
sind noch die Inter-System-Konflikte zu nennen, d.h. Auseinandersetzungen mit einer oder meh-
reren anderen Personen.
Im politischen Kontext ist bspw. auf der kollektiven Ebene der Bürgerkrieg ein Intra-System-
Konflikt und ein Krieg zwischen zwei Staaten ein Inter-System-Konflikt. Im organisationalen
Kontext sind hingegen auf der kollektiven Ebene Intra-System-Konflikte bspw. Auseinander-
setzungen in und zwischen Arbeitsgruppen bzw. in einer Abteilung.
65
61
Vgl. Regnet 2001: 7.
62
Vgl. Hofstätter 1982: 182.
63
Vgl. Galtung 1981: 110.
64
Vgl. a.a.O., S. 112.
65
Vgl. Regnet 2001: 10ff.

Abgrenzung zum Konflikt und Verlaufsmodelle
25
Wichtig ist hierbei zu erwähnen, dass die Konfliktbereiche eng miteinander in Verbindung
stehen. Beispielsweise erscheint ein Konflikt intrapersonal, stellt sich jedoch als gesellschaftlich
vermittelt heraus.
Anhand des Mobbingthemas zeigt sich, wie individuelle und gesellschaftliche Konflikte mitein-
ander verbunden sein können. Beispielsweise haben gesellschaftliche und betriebliche Rahmen-
bedingungen einen großen Einfluss auf das Betriebsklima, welches sich wiederum auf die Mit-
arbeiter auswirkt. Ein schlechtes betriebliches Klima kann folglich Mobbing begünstigen, was
wiederum psychische und physische Auswirkungen auf die Betroffenen haben kann.
Bei der Konfliktanalyse ist demnach der Blickwinkel der Betrachtung entscheidend. Wird der
Fokus ausschließlich auf die Betroffenen gelegt, können diese im schlimmsten Fall als behand-
lungsbedürftig bezeichnet werden. Wird jedoch der Blickwinkel auf das gesamte System mit
seinen wechselseitigen Beziehungen erweitert, können die Interventionen auf mehreren Ebenen
angesetzt werden.
66
Ferner ist zu erwähnen, dass es offen ausgetragene und verdeckte Konflikte gibt. Beim offenen
Konflikt können die widerstreitenden Interessen eines Konflikts klar artikuliert sein und alle
Beteiligten wissen im Prinzip, worum es geht. Beim verdeckten Konflikt wird ein offener Aus-
tausch, d.h. eine Auseinandersetzung oder eine Suche nach einem Kompromiss vermieden. Der
Konflikt wird verdeckt ausgetragen, d.h. es werden Bündnisse geschmiedet, Intrigen gesponnen
etc. Ein solcher verdeckter Ablauf ist nach Esser/Wolmerath (2003) eher bei Mobbing
vorzufinden.
67
3.2
Konfliktverlauf
In der modernen Konfliktforschung werden soziale Konflikte zunehmend aus dynamischer bzw.
prozessualer Sicht betrachtet und im zeitlichen Verlauf charakterisiert.
68
Dies geschieht aus der
Erkenntnis darüber, dass Konflikte im Zeitablauf subjektiven, objektiven, sichtbaren und/oder
unsichtbaren Veränderungen unterliegen, die zu verschiedenen Verläufen, Reaktionen und
66
Vgl. Kolodej 1999: 81.
67
Vgl. Esser/Wolmerath 2003: 72.
68
Bspw. Glasl 1992; Grunwald/Redel 1989; Thomas 1992.

Abgrenzung zum Konflikt und Verlaufsmodelle
26
Dynamiken führen können.
69
Welche verschiedenen Phasen in einem Konflikt durchlaufen wer-
den können, soll im Folgenden kurz veranschaulicht werden:
1. Phase ­ der latente Konflikt:
Latent bestehende Spannungen beginnen zumeist durch ein auslösendes Ereignis. Latent
bedeutet in diesem Zusammenhang, dass der Konflikt unterschwellig vorhanden und es noch
nicht zu einer direkten Konfrontation der Beteiligten gekommen ist. Bemerkbar macht sich ein
latenter Konflikt zumeist durch Störungen wie einer großen Heftigkeit in der Argumentation
und keinem Engagement in der Bearbeitung. Ebenfalls sind das Tuscheln mit anderen Teilneh-
mern, ein wiederholtes Verlassen des Raumes oder auch das Abwerten der Beiträge anderer
Gruppenmitglieder charakteristisch für latent bestehende Konflikte am Arbeitsplatz.
2. Phase ­ der manifeste Konflikt:
Aufgrund eines Auslösers wird der latente Konflikt manifest, d.h. die Beteiligten werden sich
des Konfliktes bewusst und tragen ihn sichtbar aus. Auslöser können sowohl innere als auch
äußere Bedingungen sein (z.B. Ängste, Hoffnungen, Zeitdruck, Rollenvorschriften etc.).
3. Phase ­ Handlungsebene:
Die Bewusstwerdung des Konfliktes aktiviert die Beteiligten zum Handeln. Typische Konflikt-
stile sind hierbei durchsetzen, nachgeben, vermeiden, Kompromisse schließen, kooperativ und
problemzentriert lösen.
4. Phase ­ Interaktion:
Aufgrund des Verhaltens einer Partei kommt es zur Interaktion der anderen Partei. Hierbei
spielen die kommunikativen Fähigkeiten der Beteiligten eine wesentliche Rolle.
5. Phase ­ Regelung:
Der Konflikt ist beendet, wenn es zu irgendeiner Form von Regelung gekommen ist. Wenn eine
Partei die Konfliktregelung als ungerecht empfindet, ist die Wahrscheinlichkeit hoch, dass der
Konflikt über kurz oder lang wieder aufbricht oder aber, sollte er unterdrückt werden, sich
destruktiv auswirkt.
70
69
Vgl. Groß 2004: 11.
70
Vgl. Berkel 1985: 659f.

Abgrenzung zum Konflikt und Verlaufsmodelle
27
3.3 Konflikt-Eskalationsmodell nach Glasl
Wenn sich der Konfliktprozess intensiviert, kann dies zu einer Konflikteskalation führen. Dabei
ist es rückblickend für Außenstehende und gerade für die Beteiligten oft nicht mehr nachvoll-
ziehbar, wie und warum sich die Fronten so verhärtet haben und warum es zur Eskalation des
Konflikts gekommen ist. Hierzu gibt es unterschiedliche Phasenmodelle, von denen das
Konflikteskalationsmodell von Glasl (1992) dem Mobbingverlauf am nächsten kommt. Um die
Dynamik des Konfliktgeschehens darzustellen und darüber hinaus eine Abgrenzung zum
Mobbingverlauf herstellen zu können, werden im Folgenden die einzelnen Phasen des Konflikt-
eskalationsmodells nach Glasl (1992) beschrieben (siehe folgende Abbildung). Es sei hier noch
angemerkt, dass das Schema der Konflikteskalation eine theoretische Systematisierung von
Konfliktverläufen darstellt. Dementsprechend können in realen Konfliktprozessen Konflikt-
stufen ausbleiben und die Kontrahenten können sich auch auf unterschiedlichen Konfliktebenen
befinden.
Abbildung 2: Konflikt-Eskalationsverlauf nach Glasl
(Neuberger 1999: 182)
In dem neunstufigen Phasenmodell von Glasl wird die innere Dynamik hervorgehoben, die
einen Konflikt in seinem Ablauf qualitativ verändert. Dabei werden neun Eskalationsstufen
unterschieden, die durch drei Schwellen in wiederum drei Hauptphasen unterteilt werden. Die
Schwellen stellen Wendepunkte in der Eskalation dar, die sich in einer Veränderung der Verhal-
tensweisen, der Einstellungen, der Wahrnehmungen und des Selbstkonzeptes der Akteure aus-
drücken. Die Abwärtsrichtung der einzelnen Stufen stellt den regressiven Charakter des
Geschehens dar, wobei sich die Situation von Phase zu Phase zuspitzt.

Abgrenzung zum Konflikt und Verlaufsmodelle
28
Phase 1: Win-Win / Verstimmung
Die erste Hauptphase (Verstimmung) wird auch als Win-Win-Phase bezeichnet, da die Mög-
lichkeit, dass alle Parteien aus dem vorherrschenden Konflikt als Gewinner hervorgehen, groß
ist.
71
1. Verhärtung
Es bilden sich verschiedene Meinungen und Standpunkte heraus, die jedoch noch im Rahmen
der zwischenmenschlichen Kommunikation ausgetragen werden, welche gelegentliche
Spannungen und Reibereien beinhaltet. Die Parteien registrieren zwar Verstimmungen im be-
ginnenden Konflikt, glauben jedoch diese mit vernünftigen Auseinandersetzungen in den Griff
zu bekommen.
2. Polarisierung
Es kommt zur Polarisierung der Standpunkte und harte, verbale Konfrontationen werden nicht
gescheut. Die eigene Position wird als legitim bzw. sachlich angesehen, die gegnerische als ille-
gitim, unsachlich. Es wird danach gestrebt, sich zu behaupten und keine Schwächung der eige-
nen Position zuzulassen. Man scheut nicht davor zurück, unfaire Mittel einzusetzen. Selbst der
Einsatz unfairer Mittel wird als legitim angesehen. Bei Gruppenkonflikten wird die Loyalität zur
eigenen Partei stärker und die zur gegnerischen schwächer.
3. Taten statt Worte
Man ist davon überzeugt, dass verbale Kommunikation nicht mehr hilft und nun Taten folgen
müssen. Die non-verbale Kommunikation nimmt zu und provozierende Aktionen werden gestar-
tet, um die eigenen Ziele zu fördern und die der Gegner zu blockieren. Es kommt zu einem
Übergreifen des Konfliktes auf weitere Personen und innerhalb der Partei steigt der Gruppenzu-
sammenhalt mit starkem Konformitätsdruck.
72
Nach Neuberger (1999) ist die erste Hauptphase insgesamt dennoch durch Sachbezogenheit ge-
kennzeichnet. Es geht immer noch um Lösungsversuche mit der anderen Partei, auch wenn die
Parteien zunehmend auf ihrem Standpunkt verharren.
73
71
Vgl. Neuberger 1999: 182ff.
72
Vgl. Groß 2004: 14.
73
Vgl. Neuberger 1999: 183.

Abgrenzung zum Konflikt und Verlaufsmodelle
29
Phase 2: Win-Lose / Schlagabtausch
Die zweite Hauptphase wird auch als Win-Lose Phase bezeichnet, da meist nur noch eine Kon-
fliktpartei unbeschadet aus der Auseinandersetzung hervorgeht. Dieser Konfliktabschnitt ist vor
allem durch den Ebenenwechsel von der Sach- auf die Beziehungsebene gekennzeichnet. Die
Bereitschaft, eine für alle Beteiligten akzeptable Lösung zu finden wird geringer, wohingegen
die Anstrengungen zur Durchsetzung der eigenen Position zunehmen. Darüber hinaus wächst
die Bereitschaft, geltende Normen zu umgehen und auszuhöhlen.
4. Sorge um Image und Koalition
Die Polarisierung verankert sich auf allen Ebenen: im Denken, Fühlen und Handeln. Es findet
eine Etikettierung statt: Die Anderen sind die ,,Bösen, Dummen und Unfähigen". Ferner setzen
sich stereotype Selbstbilder (allmächtig, übermenschlich) und Feindbilder (unfähig, minderwer-
tig) fest, wobei man sich gegenseitig in Rollen drängt und dort fixiert. Es findet eine Konzentra-
tion auf die Verwundung des Gegners statt, bei dem strafbares Verhalten nicht ausbleibt. Der
Hauptpunkt in dieser Phase ist die Sicherung der eigenen Reputation und das Werben um
Außenstehende als Anhänger, wobei unparteiische Personen zu einer Entscheidung gedrängt
werden.
74
5. Gesichtsverlust
Alle positiven Erfahrungen mit und Eindrücke über die Gegenpartei sind vergessen. Der
Konflikt mündet in einen ,totalitären Kampf, vergleichbar einem ,Religionskrieg, in dem es um
die fanatische Verteidigung von Grundüberzeugungen geht'.
75
Diese Phase, in der sich die Par-
teien gegenseitig gar ,,menschliche Züge" absprechen und in dem Anderen nur ,,Böses und
Teuflisches" sehen, kann durch ein Zitat von Haubl (2007) über Hass und Gewaltbereitschaft
gut widergespiegelt werden:
,,Menschen, die hassen, bestreiten die Gleichwertigkeit ihres Hassobjekts. Sie sind von des-
sen Minderwertigkeit oder gar Wertlosigkeit überzeugt, wobei sie sich selbst den Wert zu-
schreiben, die sie ihm absprechen. Diese Entwertung kann zusätzlich dämonisiert sein. Dabei
werden diejenigen Merkmale des Objekts, die als Ausweis seiner Minderwertigkeit oder gar
Wertlosigkeit gelten, auf Kosten aller seiner anderen Merkmale betont, pars pro toto gesetzt
und für unveränderlich erklärt, weil in ihnen sein ,böses Wesen' zum Ausdruck komme. (...)
74
Vgl. Groß 2004: 14.
75
Vgl. Neuberger 1999: 183f.

Abgrenzung zum Konflikt und Verlaufsmodelle
30
Menschen, die hassen, verarbeiten Informationen über ihr Hassobjekt höchst selektiv. Sie
nehmen nur wahr und für wahr, was die vorgenommene Entwertung stützt."
76
Demnach wird die Gegenpartei als minderwertig bzw. wertlos angesehen. Es findet eine selekti-
ve Wahrnehmung über die Eigenschaften und Handlungen der Gegenpartei statt. Alle positiven
Eigenschaften werden ihr abgesprochen und gleichzeitig sich selbst zugeschrieben. Die negati-
ven Eigenschaften werden verstärkt wahrgenommen und bestätigen die Herabsetzung.
77
Um die
Wertlosigkeit des Hassobjekts zu beweisen, wird versucht einen Gesichtsverlust des Gegners zu
erreichen, indem man ihn provoziert. Das Image des Gegners soll nachhaltig geschädigt werden,
damit die Gemeinschaft die dem Gegner unterstellte Niedertracht erkennt.
78
Nach Haubl (2007)
ist es ,,der Führer einer Hassgruppe, der seine Gefolgschaft auf das Hassobjekt ausrichtet. Zu
diesem Zweck muss er alle Zweifel zerstreuen. Er tut dies, indem er absolute Gewissheit in Sze-
ne setzt. Kein Wenn und Aber".
79
Die Geführten sind demnach ebenfalls aufgefordert, Loyalität
zu zeigen und sich ihrem Führer kompromisslos anzuschließen.
Nach Glasl (1992) werden persönliche, aggressive Handlungen durch institutionell-strukturelle
Gewaltausübung überlagert, die dann zu generalisiertem Hass führt.
80
D.h. die zunächst persön-
lichen Indifferenzen zwischen zwei Personen verlagern sich letztendlich auf die institutionelle
Ebene; in diesem Fall dem Arbeitsplatz. Der erlittene Imageschaden wirkt sich dahingehend aus,
dass sich weitere Kollegen gegen die betroffene Person richten.
6. Drohstrategie
In dieser Phase herrscht ein zunehmendes Gewaltdenken und ­handeln. Zudem werden die per-
sönlichen Einstellungen unnachgiebig und resolut vertreten. Die gegenseitigen Drohstrategien
bewirken eine extreme Beschleunigung des Konfliktes. Intrigen und schlimmste Gerüchte wer-
den über den Kontrahenten in Umlauf gebracht. Irrationalität bestimmt dabei unbewusst das
Handeln. Es setzt sich die Auffassung durch, dass eine Lösung mit der anderen Partei nicht mehr
möglich ist. Der Konflikt wird unübersichtlicher und komplexer, die Fronten werden starrer und
die Parteien räumen sich immer weniger Zeit zu reagieren ein.
81
76
Haubl 2007: 22.
77
Vgl. a.a.O.
78
Vgl. Glasl 1992: 284.
79
Haubl 2007: 15.
80
Vgl. Glasl 1992: 284.
81
Vgl. Neuberger 1999: 184.

Abgrenzung zum Konflikt und Verlaufsmodelle
31
Phase 3: Lose-Lose/Vernichtung
Der eigentliche Konflikt, dessen Bewältigung und das Ziel, als Sieger hervorzugehen, tritt in
den Hintergrund. Die Fronten sind gänzlich verhärtet und die Parteien begegnen sich kompro-
misslos mit der gezielten Absicht, den Gegner zu vernichten. Da in dieser Phase alle Parteien
geschädigt aus dem Konflikt hervorgehen, wird diese Phase auch als Lose-Lose-Phase bezeich-
net.
7. Begrenzte Vernichtungsschläge
Das Sicherheitsgefühl der Konfliktparteien ist zerstört,
man traut sich nun gegenseitig alles zu
und versucht die Entmachtung des Anderen durch systematische Zerstörungsschläge zu erwir-
ken.
82
Dabei bleiben Sabotage und Zerstörung von Arbeitsmaterialien und ­unterlagen nicht
aus.
83
Bekannte Angriffsflächen werden gezielt getroffen, um das eigene Machtgefühl zu stär-
ken. Jeder Angriff verstärkt die Diskrepanzen zwischen den Parteien.
8. Zersplitterung
Die Intensität der Vernichtungsschläge nimmt zu. Das Ziel ist die Zersplitterung der Gegenpar-
tei, um dieser ihre Existenzgrundlage zu entziehen.
84
Der Selbstschutz ist zwar noch vorder-
gründig, es werden jedoch auch Angriffe ausgeführt, die Verluste in den eigenen Reihen mit
sich bringen. Der im Verhältnis größere Schaden beim Gegner wird auch mit Verlusten auf der
eigenen Seite hingenommen.
85
9. Gemeinsam in den Abgrund
Eine Umkehr ist kaum noch möglich. Die Kosten einer Umkehr erscheinen ungleich höher als
die Kosten eines Unterganges auf beiden Seiten. Hier herrscht die irrationale Einstellung vor,
lieber selbst in den Abgrund zu fallen und so viele wie möglich mit sich zu reißen als den Geg-
ner triumphieren zu sehen.
86
82
Vgl. Groß 2004: 15.
83
Vgl. Neuberger 1999: 185.
84
Vgl. Groß 2004: 15.
85
Vgl. Neuberger 1999: 185.
86
Vgl. Glasl 1992: 317.

Abgrenzung zum Konflikt und Verlaufsmodelle
32
Glasl (1980) macht in diesem Zusammenhang darauf aufmerksam, dass konflikthafte Inter-
aktionen nicht allein auf der rationalen Sachebene ablaufen. Für ihn ist es ein auszeichnendes
Merkmal der Konflikteskalation, dass sich mit zunehmender Beschleunigung Sachthema und
Emotionen spalten und irrationale Momente immer mehr die Oberhand gewinnen.
87
Neuberger
(1999) merkt hierzu an, dass die letzten drei Eskalationsstufen ursprünglich in Texten zur Kon-
fliktdynamik internationaler Konflikte entwickelt wurden, da sie den Einsatz von Gewalt thema-
tisieren.
88
Nach Glasl (1980) dürften sich innerorganisatorische und interpersonale Konflikte nur selten bis
zu diesen Extremen entwickeln.
89
Neuberger (1999) verweist jedoch darauf, dass gerade die
Mobbingdiskussion das kompromisslose Handeln der Akteure aufzeigt, die bereit sind, bis zur
letzten Konsequenz zu gehen.
90
Hiermit spricht Neuberger ein entscheidendes Merkmal von
Mobbingprozessen an. Während sich nach Glasl (1980) innerorganisatorische oder interpersona-
le Konflikte nur selten über die Stufe zwei des Konflikteskalationsmodells hinaus entwickeln, ist
gerade diese Intensität der Austragung für Mobbingfälle kennzeichnend.
Demnach ist Konflikten wie auch Mobbing die anfängliche Entwicklung, wie sie bspw. in den
ersten fünf Stufen im Modell von Glasl beschrieben wird, gemein. Hierzu ist jedoch festzuhal-
ten, dass ein Konflikt nicht zwangsläufig zu Mobbing führt, während dem Mobbing zumeist
ungelöste Konfliktsituationen zugrunde liegen.
91
Darüber hinaus bietet der Konfliktbegriff einen
größeren Interpretationsrahmen, wobei verschiedene Situationen wie Streitereien, Diskussionen,
Intrigen etc. unter den Konfliktbegriff fallen.
Mit dem Mobbingbegriff werden jedoch ganz konkrete Kriterien angesprochen, die beim Kon-
flikt nicht unbedingt gegeben sein müssen: Personifizierung des Problems, asymmetrische
Rollenverteilung, zunehmende Isolation der Person/Gruppe, sich entwickelndes Machtgefälle
und die schwindenden Verteidigungsmöglichkeiten der angegriffenen Person/Gruppe mit einer
Polarisation in eine Opfer-Täter-Rolle. Aus der konflikttheoretischen Perspektive betrachtet, ist
87
Vgl. Glasl 1980: 321.
88
Vgl. Neuberger 1999: 184.
89
Vgl. Glasl 1980: 311.
90
Vgl. Neuberger 1999: 185.
91
Vgl. Niedl 1995a: 31.

Abgrenzung zum Konflikt und Verlaufsmodelle
33
Mobbing demnach ein ,,chronifizierter Endzustand einer fehlgeschlagenen Konflikt-
handhabung".
92
3.4
Mobbing-Verlaufsmodell nach Leymann
Wie auch beim Konfliktmodell lassen sich bei der Entstehung von Mobbing charakteristische
Phasen erkennen. Um die Veränderungen darstellen zu können, die sich im Verlaufe der
Mobbingsituation für die Betroffenen ergeben, wird im Folgenden das Phasenmodell von
Leymann vorgestellt.
93
Hierzu ist im Vorfeld zu erwähnen, dass Leymann im Gegensatz zum
Konflikteskalationsmodell von Glasl, das sich auf die Psychodynamik der Konflikteskalation
bezieht, vorwiegend die Veränderungen auf den Mobbingbetroffenen ins Blickfeld genommen
hat. Die von ihm befragten Personen waren selbst Mobbingbetroffene, die alle Instanzen des
Mobbingprozesses bis zum Verlust ihres Arbeitsplatzes erfahren haben.
Die erste Phase ist gekennzeichnet durch die am Arbeitsplatz täglich vorkommenden Konflikte.
Zu diesem Zeitpunkt ist es noch offen, wie sich die Situation entwickelt. Bei einer positiven
Konfliktbewältigung (z.B. Aussprache, Einbeziehung der Vorgesetzten etc.) kann die Entste-
hung von Mobbing verhindert werden. Bleibt der Konflikt jedoch unbearbeitet, ist die
Entstehung von Mobbing wahrscheinlicher.
In der zweiten Phase kommt es erstmals zum gezielten Einsatz von Mobbinghandlungen. Der
ursprüngliche Konflikt gerät in den Hintergrund und es kommt zur Personifizierung des Prob-
lems. Durch die gezielten Kränkungen der Mobber gerät der Mobbingbetroffene in die Isolation,
wodurch eine Abwärtsspirale erfolgt. Je länger die Angriffe andauern, umso stärker sind das
Verteidigungsverhalten bzw. die Rechtfertigungsversuche des Mobbingbetroffenen. Dies wird
jedoch von den Außenstehenden als Fehlverhalten missverstanden.
Aufgrund der zunehmenden Feindseligkeiten verschlechtert sich das psychische und physische
Befinden der attackierten Person, so dass sich dieses auch in schlechten Arbeitsergebnissen zeigt
und nun Vorgesetzte, Personalleiter und Betriebsräte aufmerksam werden. Neuberger (1999)
92
Vgl. a.a.O.
93
Zur Abbildung über das Mobbingverlaufsmodell siehe Anlage 2 im Anhang.

Abgrenzung zum Konflikt und Verlaufsmodelle
34
beschreibt die Situation der Betroffenen als einen Teufelskreis: Die Leistungsfähigkeit der Be-
troffenen nimmt aufgrund der ständigen Attacken ab, was zur Bestätigung der ursprünglichen
Kritik bzw. Abwertung führt. Diese Abwertung wirkt sich wiederum leistungsmindernd aus
etc.
94
Für den Betroffenen wird es zunehmend schwieriger, den Teufelskreis zu durchbrechen. Dies ist
darauf zurückzuführen, da die psychischen und physischen Probleme nicht als Folge der ständi-
gen Attacken angesehen werden, sondern als Ursache für die Entstehung des Konfliktes und als
Grund für die schlechten Arbeitsergebnisse. Darüber hinaus werden das mittlerweile zwanghafte
Verteidigungsverhalten und die ständigen Rechtfertigungsversuche der Betroffenen als Charak-
terproblem bzw. psychische Schwäche gedeutet, womit Ursache und Wirkung verwechselt wer-
den.
In der dritten Phase werden die Mobbingbetroffenen zu einem ,,offiziellen Fall" in der Organisa-
tion, wobei sich höhere Instanzen wie bspw. die Personalleitung und der Betriebsrat aufgrund
der Schuldzuweisungen und der verschlechterten Arbeitsergebnisse der Sache annehmen. Da
sich der Gesundheitszustand der Mobbingbetroffenen zusehends verschlechtert, ständige
Krankmeldungen folgen und die unerledigten Aufgaben von anderen Mitarbeitern mit erledigt
werden müssen, schließen sich die höheren Instanzen der Meinung der Mobber an, die Person
sei nicht länger tragbar.
Die Folge davon sind Abmahnungen, Versetzungen und Kündigungsversuche. Da das geltende
Arbeitsrecht die Möglichkeiten der rechtlich durchführbaren Kündigungsmaßnahmen ein-
schränkt, kann es hier Leymann (1993a) zufolge vereinzelt zu Rechtsbrüchen durch Vorgesetzte
und der Personalleitung kommen. Als Rechtsbrüche sind in diesem Zusammenhang bspw. die
Verweigerung der Anhörung der Betroffenen und eine Verschärfung des Mobbing zur Erwir-
kung einer Eigenkündigung zu verstehen als auch Fristsetzungen, welche von vornherein nicht
eingehalten werden können.
95
Die vierte Phase wird als die Phase beschrieben, in der aufgrund der stattfindenden Stigmatisie-
rung von ärztlicher wie auch therapeutischer Seite Fehldiagnosen gestellt werden (z.B. Persön-
94
Vgl. Neuberger 1999: 91.
95
Vgl. Leymann 1993a: 64.

Abgrenzung zum Konflikt und Verlaufsmodelle
35
lichkeitsstörungen, Manische Depression etc.). Zudem verschlimmert sich die Situation für die
Betroffenen, wenn von juristischer Seite bei tatsächlich stattgefundenem Mobbing dennoch den
Mobbern Recht gegeben wird.
Die fünfte Phase ist hauptsächlich gekennzeichnet durch das Ausscheiden der Betroffenen aus
ihrer Arbeitsstätte. Hierbei kann es sich im Vorfeld um mehrfache Versetzungen, Krankschrei-
bungen und Abschiebungen innerhalb ihrer Arbeitsstätte handeln, dem dann der endgültige Aus-
schluss durch langfristige Arbeitsunfähigkeit, Frühverrentung, Kündigung oder gar Suizid der
Betroffenen folgt.
96
Es sei hier nochmals angemerkt, dass die negativen Entwicklungen, die sich im Laufe des
Mobbingprozesses ereignen, nur solche Fälle widerspiegeln, bei denen die Betroffenen sich
nicht rechtzeitig gegen die Angriffe zur Wehr setzen (können). Mit dem Phasenmodell von
Leymann sollte aufgezeigt werden, dass es bei Mobbing nicht nur um das mögliche Endstadium
des Ausschlusses aus dem Arbeitsverhältnis geht, sondern Mobbing als ein umfassender Angriff
auf eine Person zu verstehen ist. Dabei ist vor allem zu beachten, dass es in den monate- oder
jahrelangen Auseinandersetzungen zu einer Verschlechterung des Selbstbildes, der sozialen
Beziehungen und der Arbeitsverhältnisse kommt. Ferner sollten die vorgestellten Ausführungen
zu den Phasenmodellen verdeutlichen, wie Konflikt und Mobbing miteinander in Zusammen-
hang stehen und inwiefern Unterscheidungen gemacht werden müssen.
Um den theoretischen Rahmen der Mobbingthematik vorerst zu verlassen, werden im folgenden
Kapitel sowohl die Erscheinungsformen von Mobbing als auch empirische Ergebnisse aus For-
schungsarbeiten vorgestellt. Dies dient dazu, den aktuellen Stand der Mobbingforschung aufzu-
zeigen.
96
Vgl. Leymann 1993a: 65ff.

Erscheinungsformen und Ergebnisse der empirischen
Mobbingforschung
36
4
Erscheinungsformen und Ergebnisse der empirischen
Mobbingforschung
4.1
Erscheinungsformen
Bei den Erscheinungsformen von Mobbing geht es um die Frage, auf welcher hierarchischen
Position sich die Mobber in Beziehung zu den Betroffenen im betrieblichen Gefüge befinden.
Dabei kann Mobbing am Arbeitsplatz in verschiedenen sozialen Beziehungen vorkommen. Je
nach Hierarchieebene der Beteiligten wird dabei unterschieden in:
·
Horizontales Mobbing (auf derselben hierarchischen Ebene zwischen Kollegen)
·
Vertikales Mobbing (von Vorgesetzten gegenüber Mitarbeitern oder umgekehrt)
In der Studie von Meschkutat et al. (2002) wurde danach gefragt, auf welcher hierarchischen
Position sich die Mobber befanden. Die Ergebnisse sind auf der folgenden Abbildung veran-
schaulicht:
4,2%
2,3%
20,1%
22,3%
12,8%
38,2%
0%
10%
20%
30%
40%
50%
weiß nicht/ keine Angabe
nur "Untergebene"
Gruppe Kollegen
nur ein Kollege
Vorgesetzter und Kollegen
nur Vorgesetzter
Abbildung 3: Hierarchische Position der Mobber
(Um Mehrfachnennungen bereinigt)
(Vgl. Meschkutat et al. 2002: 65.)
Die Abbildung stellt dar, dass in 38,2% der Fälle das Mobbing ausschließlich von Vorgesetzten
betrieben wird. In weiteren 12,8% mobbt der Vorgesetzte gemeinsam mit anderen Kollegen.
Dies macht deutlich, dass in etwas mehr als der Hälfte der Fälle (51,0%) das Mobbing aus-
schließlich von Vorgesetzten ausgeht bzw. unter ihrer Mitwirkung stattfindet.

Erscheinungsformen und Ergebnisse der empirischen
Mobbingforschung
37
Durch eine separate Auswertung konnten Meschkutat et al. (2002) ermitteln, dass unter den
mobbenden Führungskräften der Anteil der direkten Vorgesetzten doppelt so hoch ist, wie der
Anteil der indirekten Vorgesetzten ­ dies unabhängig davon, ob das Mobbing einzeln oder ge-
meinsam mit Anderen erfolgte.
97
Beim Mobbing zwischen Kollegen werden in 22,3% der Fälle eine Einzelperson und in 20,1%
eine Gruppe als Beteiligte angegeben. Werden hierzu die Mobbingfälle addiert, in denen Kolle-
gen und Vorgesetzte gemeinsam agieren (12,8%), ergibt sich eine Mobbingquote von 55,2%, an
dem die Kollegen beteiligt sind. Das Ausmaß von Mobbing mit Kollegenbeteiligung liegt hier-
mit nur gering über dem mit Vorgesetztenbeteiligung.
Die Bedeutsamkeit des vorhandenen Ergebnisses wird jedoch erst deutlich, wenn man sich ver-
gegenwärtigt, dass die Anzahl der Vorgesetzten deutlich unter der Anzahl der Arbeitskollegen
liegt. Demnach ist die Wahrscheinlichkeit erheblich höher, von einem Vorgesetzten als von ei-
nem Arbeitskollegen gemobbt zu werden.
Das Mobbing ,,von unten nach oben" kommt hingegen nach dem hier vorliegenden Ergebnis
eher seltener (2,3%) vor. Ferner war es 4,2% der Mobbingbetroffenen nicht möglich, die
Mobber genau zu identifizieren bzw. dessen hierarchische Position genau anzugeben.
Da sich die Beweggründe von horizontalem und vertikalem Mobbing voneinander unterschei-
den, wird im Folgenden auf beide Erscheinungsformen einzeln eingegangen.
4.1.1
Horizontales Mobbing
Beim horizontalen Mobbing befinden sich die Beteiligten auf derselben hierarchischen Ebene
und sind zumeist in einer Arbeitsgruppe miteinander konfrontiert. Die Beweggründe, die dabei
in einer Arbeitsgruppe zum Mobbing führen, werden von Leymann (1993a) wie folgt beschrie-
ben:
98
97
Vgl. Meschkutat/Stackelbeck/Langenhoff 2002: 65f.
98
Vgl. Leymann 1993a: 35.

Details

Seiten
Erscheinungsform
Originalausgabe
Jahr
2009
ISBN (eBook)
9783836641609
Dateigröße
2 MB
Sprache
Deutsch
Institution / Hochschule
Johann Wolfgang Goethe-Universität Frankfurt am Main – Gesellschaftswissenschaften, Soziologie
Erscheinungsdatum
2014 (April)
Note
1,0
Schlagworte
mobbing bullying bossing subjektivierung konflikt
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Titel: Mobbing in der Arbeitswelt
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