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Theologisieren mit Kindern einer heterogenen vierten Klasse

Über Texte und Bilder die Frage nach Gott stellen

©2009 Examensarbeit 57 Seiten

Zusammenfassung

Inhaltsangabe:Einleitung:
Die behandelte Unterrichtseinheit -’Wer bist du, Gott? - Mit Kindern über Gott sprechen’ ist Basis für die Auseinandersetzung der Schülerinnen und Schüler mit ihrem eigenen Gottesbild. Grundlage sind Bilder, Erzählungen und gezielte Impulse der Lehrkraft, die den zusammengestellten Unterrichtsideen des Pädagogisch-theologischen Instituts Nordelbien entlehnt worden sind. In dieser praktischen Examensarbeit wird der Versuch unternommen, im Religionsunterricht einer vierten Klasse über die Beschäftigung mit Gottesvorstellungen (Theologisieren), allen Kindern die Möglichkeit zu geben ihr eigenes Gottesbild zu finden und zu entwickeln.
Die theoretische Grundlage bildet der strukturgenetische Ansatz von Fritz Oser und Paul Gmünder. Das Ziel dieser Richtung der religiösen Erziehung ist es, eine religiöse Entwicklung bei den Schülern in Gang zu setzen. In der beschriebenen Unterrichtseinheit (UE) sollen die Möglichkeiten und Voraussetzungen geschaffen werden, damit die Vorstellungen der Schüler zu einer nächsthöheren Stufe befördert werden können.
Diese Examensarbeit behandelt eine achtstündige UE für eine heterogene Lerngruppe aus Zehn- bis Zwölfjährigen. Heterogenität ist in der aktuellen Lehrerausbildung ein in der Diskussion befindlicher Begriff, der recht verbreitet ist. In der betrachteten Lerngruppe konnte die Autorin bereits einschlägige Erfahrungen mit den unterschiedlichen Schülern machen, die bei der methodischen Planung Berücksichtigung gefunden haben. Diese Erfahrungen fließen in die Lerngruppenbeschreibung und in die daraus abgeleiteten methodischen Überlegungen ein.
Da GOTT ein sehr abstrakter Begriff ist, muss überlegt werden, wie dieser den Kindern anschaulich nahegebracht werden kann. Wie erfolgreich die Durchführung der Einheit war, wird in Kap. 5 selbstkritisch reflektiert. Auf die vorher behandelten Überlegungen zur Didaktik, Methodik und Lerngruppe wird dabei Bezug genommen.
Diese Arbeit beginnt mit einem theoretischen Teil über die Heranführung von Kindern an die Bildung ihres eigenen Gottesbildes. Das Stufenmodell von Oser und Gmünder bildet dabei den inhaltlichen Bezugsrahmen dieser Arbeit, die auch versucht, die religionspädagogischen Konsequenzen dieses Ansatzes zu skizzieren.
Problemstellung:
Das Ziel der UE ist es, mit den Kindern über Gott zu sprechen und ihnen mit bestimmten Lernangeboten die Möglichkeit zu geben, ihr eigenes Gottesbild zu entwickeln. Darüber hinaus wird die Weiterentwicklung […]

Leseprobe

Inhaltsverzeichnis


Anna Oliwer
Theologisieren mit Kindern einer heterogenen vierten Klasse
Über Texte und Bilder die Frage nach Gott stellen
ISBN: 978-3-8366-4144-9
Herstellung: Diplomica® Verlag GmbH, Hamburg, 2010
Zugl. Landesinstitut für Lehrerbildung und Schulentwicklung, Hamburg, Deutschland,
Staatsexamensarbeit, 2009
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© Diplomica Verlag GmbH
http://www.diplomica.de, Hamburg 2010

1

2
Inhaltsverzeichnis
1. Einleitung ...4
2. Kinder an ihre eigene Gottesvorstellung heranführen ...5
2.1 Problemstellung ...5
2.2 Begründung der Themenwahl ...6
2.3 Zwei Perspektiven der Heterogenität ...6
3. Lernziel der Unterrichtseinheit: Schüler entwickeln ihr eigenes Gottesbild...7
3.1 Stufenmodell von Oser und Gmünder...8
3.2 Schlussfolgerungen für den Religionsunterricht...9
3.3 Konsequenzen für die konkrete Unterrichtseinheit ...11
4. Planung der Unterrichtseinheit ...11
4.1 Lerngruppe ...11
4.1.1 Zusammensetzung ... 12
4.1.2 Lernvoraussetzungen der Schüler ... 13
4.1.3 Arbeitsformen und Arbeitsverhalten ... 13
4.2. Didaktische Entscheidungen ...13
4.2.1 Lehrplanbezug und Kompetenzen ... 13
4.2.2 Relevanz des Themas ... 15
4.2.3 Inhaltliche Schwerpunkte der Unterrichtseinheit... 15
4.2.4 Lernziele der Unterrichtseinheit ... 17
4.3 Methodische Entscheidungen...17
4.3.1 Erzählung... 17
4.3.3 Unterrichtsgespräch ... 17
4.3.4 Bildergalerie ... 18
4.3.5 Lernen an Stationen ... 18
4.3.5 Tippkarten, Helfersystem und Aufgaben für die Schnellen... 18
5. Darstellung und Reflexion ausgewählter Unterrichtssequenzen ...19
5.1 Auswertungskriterien für die Reflexion der Arbeit...19
5.2 Vorverständnis für Gottesbilder...19
5.2.1 Ziele der zweiten Stunde ... 19
5.2.2 Ablauf der zweiten Stunde ... 20
5.2.3 Reflexion der zweiten Stunde ... 20
5.3 Irritationen, Verwunderung, Schlüsselerlebnisse ...22
5.3.1 Ziele der dritten Stunde ... 22
5.3.2 Ablauf der dritten Stunde ... 22
5.3.3 Reflexion der dritten Stunde ... 23
5.4 Freiarbeit an Stationen...26
5.4.1 Ziele einer Station der fünften und sechsten Stunde... 26

3
5.4.2 Ablauf einer Station der fünften und sechsten Stunde ... 26
5.4.3 Reflexion einer Station der fünften und sechsten Stunde ... 26
5.5 Lernfortschritt bei der Gottesbildentwicklung überprüfen ...28
5.5.1 Ziele der siebten und achten Stunde waren ursprünglich: ... 28
5.5.2 Ablauf der siebten und achten Stunde ... 28
5.5.3 Reflexion der siebten und achten Stunde... 28
6. Zusammenfassung und Schlussbetrachtung ...32
7. Literatur...34
8. Anhang ...35

4
1. Einleitung
Die behandelte Unterrichtseinheit -,,Wer bist du, Gott? - Mit Kindern über Gott sprechen" ist Basis
für die Auseinandersetzung der Schülerinnen und Schüler
1
mit ihrem eigenen Gottesbild. Grundlage
sind Bilder, Erzählungen und gezielte Impulse der Lehrkraft, die den zusammengestellten
Unterrichtsideen des Pädagogisch-theologischen Instituts Nordelbien entlehnt worden sind.
2
In dieser
praktischen Examensarbeit wird der Versuch unternommen, im Religionsunterricht einer vierten
Klasse über die Beschäftigung mit Gottesvorstellungen (Theologisieren), allen Kindern die
Möglichkeit zu geben ihr eigenes Gottesbild zu finden und zu entwickeln.
Die theoretische Grundlage bildet der strukturgenetische Ansatz von Fritz Oser und Paul Gmünder.
Das Ziel dieser Richtung der religiösen Erziehung ist es, eine religiöse Entwicklung bei den Schülern
in Gang zu setzen. In der beschriebenen Unterrichtseinheit (UE) sollen die Möglichkeiten und
Voraussetzungen geschaffen werden, damit die Vorstellungen der Schüler zu einer nächsthöheren
Stufe befördert werden können.
Diese Examensarbeit behandelt eine achtstündige UE für eine heterogene Lerngruppe aus Zehn- bis
Zwölfjährigen. Heterogenität ist in der aktuellen Lehrerausbildung
3
ein in der Diskussion befindlicher
Begriff, der recht verbreitet ist. In der betrachteten Lerngruppe konnte die Autorin bereits einschlägige
Erfahrungen mit den unterschiedlichen Schülern machen, die bei der methodischen Planung
Berücksichtigung gefunden haben. Diese Erfahrungen fließen in die Lerngruppenbeschreibung und in
die daraus abgeleiteten methodischen Überlegungen ein.
Da GOTT ein sehr abstrakter Begriff ist, muss überlegt werden, wie dieser den Kindern anschaulich
nahegebracht werden kann. Wie erfolgreich die Durchführung der Einheit war, wird in Kap. 5
selbstkritisch reflektiert. Auf die vorher behandelten Überlegungen zur Didaktik, Methodik und
Lerngruppe wird dabei Bezug genommen.
Diese Arbeit beginnt mit einem theoretischen Teil über die Heranführung von Kindern an die Bildung
ihres eigenen Gottesbildes. Das Stufenmodell von Oser und Gmünder bildet dabei den inhaltlichen
Bezugsrahmen dieser Arbeit, die auch versucht, die religionspädagogischen Konsequenzen dieses
Ansatzes zu skizzieren.
Die folgende Grafik (Abb. 1) gibt einen Überblick über den Aufbau der Arbeit. In ihr wird die
dualistische Sichtweise, nämlich die zwei Perspektiven von Heterogenität in dieser Untersuchung
veranschaulicht.
1
Für die bessere Lesbarkeit beschränke ich mich im Folgenden auf die männliche Form.
2
Von Braunmühl, S.: Wer bist du, Gott? Mit Kindern über Gott sprechen. Unterrichtsideen. O. O., o. Z.
3
Am Landesinstitut für Lehrerbildung in Hamburg

5
Abb. 1: Aufbau der Examensarbeit
Die Reflexion in Kap. 5 wird auf die beiden Perspektiven zugespitzt, und zwar im Hinblick auf die
Heterogenitätsperspektive der Lernvoraussetzungen und auf die Heterogenitätsperspektive der
Gottesbilder.
2. Kinder an ihre eigene Gottesvorstellung heranführen
2.1 Problemstellung
Das Ziel der UE ist es, mit den Kindern über Gott zu sprechen und ihnen mit bestimmten
Lernangeboten die Möglichkeit zu geben, ihr eigenes Gottesbild zu entwickeln. Darüber hinaus wird
die Weiterentwicklung der Gottesbilder in den Schülern beabsichtigt (Veränderung der
Tiefenstrukturen). Für die Anregung sich mit Gott zu beschäftigen, hat sich in der wissenschaftlichen
Literatur der Begriff ,,Theologisieren" herausgebildet.
4
Theologisieren ist ein an das ,,Philosophieren mit Kindern" angelehnter Fachbegriff über Fragen, die
im weitesten Sinne mit dem Glauben und mit Gott zu tun haben.
5
Es wird beabsichtigt, die Religiosität
der Kinder zu erweitern, und nicht bestimmte Glaubensaussagen zu überprüfen oder wissenschaftlich
zu belegen. Im Vordergrund stehen immer die Vorstellungen und Erfahrungen der Kinder. Bestimmte
Glaubensinhalte oder Dogmen sollen ihnen nicht aufgezwungen werden.
Im weiteren Begriffsverständnis umfasst Theologisieren die Anregung anderer, sich mit Religion und
,,den großen Fragen des menschlichen Daseins" auseinander zusetzen.
6
In dieser Arbeit wird das enge
Begriffsverständnis verwendet, das sich auf die Beschäftigung mit Gott bezieht. Dies entspricht der in
Kap. 4.2.3 konkretisierten Themeneingrenzung und somit der inhaltlichen Schwerpunktlegung.
4 Vgl. u. a. Bucher, A. A./Büttner, G./Freudenberger-Lötz, P-/Schreiner, M. (Hrsg.): Mittendrin ist Gott. Kinder
denken nach über Gott, Leben und Tod. Jahrbuch für Kindertheologie, Band 1. Stuttgart 2002.
Dies (Hrsg.): Im Himmelreich ist keiner sauer. Kinder als Exegeten. Jahrbuch für Kindertheologie, Band 2.
Stuttgart, 2003.
5
Freudenberger-Lötz, P.: Theologische Gespräche mit Kindern. Der Ansatz der Kindertheologie. In: Praxis
Grundschule, Heft 6/2008. S.5.
6
Vgl. Oberthür, R.: Kinder und die großen Fragen. Ein Praxisbuch für den Religionsunterricht. München, 1995.
S. 11.
Darstellung und Reflexion U-
Sequenzen
Lernziel der Unterrichtseinheit
Planung der Unterrichtseinheit
Kinder an ihre Gottesvorstellung heranführen
Einleitung
Zusammenfassung und Schlussbetrachtung

6
Kinder sind auf ihre ganz eigene Weise Theologen. Kinder fragen nach Gott. Oberthür geht davon aus,
dass Kinder Gott begegnen und sich ihm annähern wollen. ,,Sie wollen Gott als den Unsichtbaren und
Unabbildbaren schauen, nach Gott als dem Unbegreifbaren tasten, von Gott als dem
Unaussprechbaren reden, Gott in Gegensätzen als nah und fern, groß und klein, allmächtig und
ohnmächtig, hoch und tief erfahren."
7
Zu all den Fragen benötigen Kinder einen Austausch. Sie
brauchen die ,,WIR-Erfahrung im gemeinsamen Fragen und Suchen. Im Dialog können sie Antworten
finden und sich SELBST und GOTT näher kommen."
8
Im Folgenden wird begründet, warum das
Thema in diese Richtung konkretisiert wird.
2.2 Begründung der Themenwahl
Bei der Themenwahl für die UE sind exklusiv philosophische Methoden nicht die Hauptsache.
Vielmehr geht es darum, den Kindern Mut zu machen, ihren Gedanken und Fragen nachzugehen und
diese zuzulassen. Ideengeber für das Thema der UE waren die Kinder selbst und ihre häufig
beobachteten Fragen (Luca: ,,Gibt es dich wirklich, Gott?" Victoria R.: ,,Wieso hat [König] David
immer so ein Glück?").
Die Religionslehrerin Claudia Rosenhammer betont den zunehmenden kritischen Realismus, der es
Kindern immer mehr erschwert, ,,mit ihren kindlichen anthropomorphen Gottesbildern umzugehen."
9
Auch Oberthür spricht von der heutigen Sozialisation der Kinder und betont dabei die Distanz zur
Religion. Die Existenz Gottes wird infrage gestellt. Der RU muss sich darauf einstellen und ,,muß um
der Glaub-Würdigkeit des Glaubens willen die Frag-Würdigkeit Gottes zur Sprache bringen."
10
Diese
heterogene Sozialisation hat Konsequenzen für die Planung der UE, die in Kap. 2.3 erläutert werden.
2.3 Zwei Perspektiven der Heterogenität
Es lassen sich zwei Perspektiven der Heterogenität unterscheiden, die für die Planung und die
Umsetzung dieser UE relevant sind. Die eine ist eine didaktisch-pädagogische Perspektive von
Heterogenität. Sie berücksichtigt die unterschiedlichen Lernvoraussetzungen der Schüler in der
Zusammensetzung der Lerngruppe.
Oberthür betont die vielfältigen Wege der religiösen Lernprozesse und plädiert dafür, in der
Methodenwahl
die
unterschiedlichen
Lerntypen
zu
berücksichtigen
und
verschiedene
Lerneingangskanäle anzusprechen
11
(visueller, auditiver und kinästhetischer Kanal).
7
Oberthür, R.: Die Seele ist eine Sonne: Was Kinder über Gott und die Welt wissen.
München, 2000. S. 165.
8
Ebd.
9
Rosenhammer, C.: Wie ich mir Gott vorstelle. Eine Unterrichtsreihe zum Entwickeln eigener
Gottesvorstellungen. In: Praxis Grundschule, Heft 6/2008. S. 9.
10
Oberthür, 1995. S. 20.
11
Vgl. ebd., S. 137ff.

7
Es gilt, bei der Planung auch weitere lernrelevante Unterschiede zu berücksichtigen. Dazu gehören u. a.
Leistungs- und Arbeitsverhalten, mündliche Beteiligung, Kommunikations- und Sozialkompetenz.
Einigen Schülern fällt es beispielsweise schwer, sich am Unterrichtsgespräch (UG) zu beteiligen. Dazu
gehören Celina, Martin, Marvin, Angelika und Julia. Diese Kinder sollen durch unterschiedliche
Sozialformen, wie Einzelarbeit (EA), Partnerarbeit (PA) und Gruppenarbeit (GA), die Möglichkeit
bekommen, sich zu öffnen. Näheres dazu in Kap. 4.
Die andere Perspektive von Heterogenität wird durch die Anwendung eines Stufenmodells von Oser
und Gmünder (O/G) berücksichtigt.
12
Diese Perspektive betrifft die Gottesbildentwicklung und
ermöglicht die Analyse und Kategorisierung des Entwicklungsstandes in der Gottesbildentwicklung.
Eine Überprüfung eines individuellen Entwicklungsstandes wird in Kapitel 5.1. behandelt.
13
Das
Stufenmodell von O/G ist zentral für die Untersuchung der UE, daher wird es im Folgenden (Kap. 3)
ausführlich dargestellt.
3. Lernziel der Unterrichtseinheit: Schüler entwickeln ihr eigenes Gottesbild
Das Ziel der UE ist es, mit den Kindern über Gott zu sprechen, sodass sie ein eigenes Gottesbild
aufbauen (vgl. Kap 1). Durch ausgewählte Lernangebote soll dieses Gottesbildverständnis
weiterentwickelt werden. Um einen religiösen Entwicklungsstand der Kinder festzustellen, wird nach
dem strukturgenetischen Ansatz von O/G vorgegangen, der die religiöse Entwicklung des Menschen
in Stufen einteilt. Viele andere Wissenschaftler, zum Beispiel Piaget und Kohlberg, arbeiten ebenfalls
mit Stufenmodellen.
O/G ging es bei ihrer empirischen Untersuchung der Stufen des religiösen Urteils um die Frage, wie
der Mensch seine Beziehung zu einer letzten, umfassenden Wirklichkeit (,,dem Letztgültigen" oder
,,Ultimaten"
)
bestimmt. Was dieses Ultimate ist, wird inhaltlich nicht definiert. Es geht bei Osers und
Gmünders Theorie nicht um die inhaltliche Seite von Aussagen, auch nicht darum, ob an Gott
geglaubt wird. Es geht vielmehr um die Begründung dieser Einstellung, welcher eine bestimmte
Tiefenstruktur zugrunde liegt. Diese Tiefenstruktur gibt es nicht nur bei Christen, sondern auch bei
Hindus, Moslems, Buddhisten und Atheisten. Es soll gezeigt werden, dass das Denken in religiösen
Fragen von Regeln des Urteilens bestimmt wird, die als gleich bleibende Struktur sogar bei
Auffassungen zu finden sind, die sich dem Inhalt nach widersprechen. Die Entwicklung des religiösen
Urteils liegt in der Veränderung der Urteilsstrukturen. Das religiöse Urteil ist ein Ausdruck des
Regelsystems, welches in bestimmten Situationen das Verhältnis des Menschen zu Gott überprüft. Bei
12
Oser, F./Gmünder, P.: Der Mensch. Stufen seiner religiösen Entwicklung. Gütersloh, 4. Auflage, 1996.
13
Weiterführende Literatur: Fowler, J.: Stufen des Glaubens. Gütersloh, 2000. Dieses Modell untersucht die
Entwicklung des Glaubens als die Suche nach einem Sinn. Der Glaube ist vielschichtiger und weniger klar
definiert als bei O/G. Auf dieses Modell sei der Übersicht halber nur verwiesen

8
der Reflexion der UE (Kap. 5) werden dabei die Inhalte auf bestimmte Strukturen zurückgeführt, so
dass eine Analyse der jeweiligen Gottesbildentwicklung festgestellt werden kann.
3.1 Stufenmodell von Oser und Gmünder
Zentral für die Stufenbildung ist der Gedanke der Autonomie Gottes in der Beziehung zu der des
Menschen. So bezeichnet die Stufenfolge den Weg von einer Auffassung, Gott habe alle Macht und
Autorität, und der Mensch sei ein fremdbestimmtes Wesen, bis hin ,,zu einem Verständnis, für das sich
göttliche Macht und Autorität gerade in der Freiheit des Menschen ausdrücken."
14
Die Stufenfolge
kann auch unter anderen Aspekten begriffen werden (wie z. B. Vertrauen und Angst; Dauer und
Vergänglichkeit).
15
Wenn man die Stufen vom Verhältnis Transzendenz - Immanenz her begreift,
steht anfangs ,,die unreflektierte Vermischung von Transzendenz und Immanenz, auf die eine radikale
Unterscheidung und schließlich eine neue, reflektierte Versöhnung folgen."
16
Oser-Gmünder-Modell der Stufen der Entwicklung des religiösen Urteils
Es werden die Stufen skizziert.
Stufe 1: Orientierung an absoluter Heteronomie. Diese Stufe schreibt die einseitige Macht und
Autorität Gott zu. Gott greift unvermittelt in die Welt ein, er beeinflusst den Menschen und alle
Lebewesen in direkter Weise.
17
Der Mensch kann nur reagieren.
Stufe 2: Orientierung an ,,DO UT DES"
18
(Wie du mir, so ich dir.) Gott wird immer noch als
allmächtig und external gesehen, dass bestrafen oder belohnen kann. Gott kann jetzt aber durch z.B.
Riten, Erfüllungen, Gebete usw. beeinflusst werden.
19
Die Beziehung zwischen Mensch und Gott hat
zwei Seiten und wird von beiden Seiten her aktiv gestaltet. Allerdings beruht diese Beziehung auf dem
wechselseitigen guten Verhalten.
20
Stufe 3: Der Mensch erlebt sich als eigenständige, autonome Person, die sich von Gott abtrennt. Das
Handeln des Menschen und nicht etwa das von Gott tritt in den Vordergrund. ,,Orientierung an
absoluter Autonomie (DEISMUS)"
21
Der Mensch lenkt seine Geschicke selbst und von Gott
unabhängig. Im Extremfall wird sogar eine atheistische Position eingenommen. Gott ist außerhalb des
14
Schweitzer, F: Lebensgeschichte und Religion. Religiöse Entwicklung und Erziehung im Kindes- und
Jugendalter. Gütersloh, 4. Auflage, 1999. S. 124.
15
Vgl. Oser, F.: Wieviel Religion braucht der Mensch? Erziehung und Entwicklung zur religiösen Autonomie.
Gütersloh, 1988. S. 47.
16
Schweitzer, 1999. S. 125.
17
Vgl. Oser/Gmünder, 1996. S. 19.
18
Ebd., S. 80.
19
Vgl. ebd., S. 19.
20
Vgl. Schweitzer, 1999. S. 127.
21
Oser/Gmünder, 1996. S. 80.

9
Menschen, aber repräsentiert ,,die Grundordnung des Lebens und der Welt."
22
Laut O/G tritt diese
Stufe am häufigsten im späten Jugend- und im frühen Erwachsenalter auf. Nur in Ausnahmefällen
gehören bereits 10-Jährige dieser Stufe an, wie Abb. 2 veranschaulicht.
23
Da der Mensch sich als von
Gott losgelöst empfindet, ist dies der stärkste Bruch in diesem Stufenmodell.
Die letzten beiden Stufen werden nur der Vollständigkeit halber erwähnt, sind aber für diese reine
Untersuchung nicht von Belang, da sie erst im Erwachsenenalter auftreten können (s. Abb. 2).
Stufe 4: Die Freiheit des Menschen wird nicht unabhängig von Gott gesehen, vielmehr ist sie erst
durch ihn bedingt.
24
Die Person kann jetzt auf sich selbst reflektieren. Gott kann dadurch mit dem
eigenen freien Selbst in Verbindung gebracht werden.
Stufe 5: Sicht einer kommunikativ-religiösen Praxis, in der Gott in jedem Handeln Voraussetzung und
Sinngebung bildet. Höchste menschliche Autonomie. Gott ist Bedingung für die menschliche Freiheit.
Diese Freiheit äußert sich in der Intersubjektivität und Kommunikation der Menschen.
Jede Stufe bildet eine eigene Einheit. Die Stufen laufen sequenziell in einer nicht umkehrbaren
Weiterentwicklung von 1 bis 5 ab. Jede Stufe ist zunächst ein stabiler Gleichgewichtszustand, ergibt
sich aus und geht aus der vorigen hervor (Integration und Transformation). Daher sind Irritationen
notwendig, um die Schüler auf die nächsthöhere Stufe zu bringen.
25
O/G gehen davon aus, dass es einen spezifisch religiösen Bereich gibt, der nicht von anderen
Bereichen, wie dem kognitiven oder dem moralischen, abgelöst werden kann. So kann Religion auch
nicht als kindlich oder vorrational abgetan werden. Die höheren Stufen haben eine je eigene rational
durchdrungene Religiosität. Die Entwicklung des religiösen Urteils führt zu einer immer
angemesseneren ,,Integration von Religion in eine kommunikative Wirklichkeit, [...] die von der
Kommunikation mit anderen bestimmt ist."
26
3.2 Schlussfolgerungen für den Religionsunterricht
O/G beschreiben Stufen als Tiefenstrukturen, ,,mit denen Menschen eine neue Situation assimilieren
oder akkommodieren"
27
Diese Strukturen sind aufgrund ihrer Stabilität schwer veränderbar. Religiöse
Erziehung heißt demnach abstrakt, Erziehung zu einer nächsthöheren religiösen Autonomie. Der
Lehrer ist verantwortlich dafür, diese religiöse Entwicklung zu ermöglichen und zu befördern. Dafür
muss er überlegen, ,,wie die fest gefügten religiösen Strukturen seiner Zöglinge durch das Erfahren
ihrer Begründungsgrenzen erschüttert und wie neue Elemente eingebaut werden können."
28
22
Ebd., S. 19.
23
Ebd., S. 175.
24
Vgl. ebd., S. 19.
25
Ebd., S. 75.
26
Schweitzer, 1999. S. 124.
27
Oser, 1988. S. 51.
28
Ebd.

10
Der Übergänge von einer zur Folgestufe werden durch Schlüsselerlebnisse (Irritationen,
Verwunderungen, vgl. Kap. 5) ausgelöst. Der Lehrende muss Konflikte thematisieren, die die Schüler
mit ihrer momentanen Denkstruktur nicht lösen können. So müssen nämlich neue Begründungen
gefunden werden, die vom Kind selbst geleistet werden
29
, und die den Aufbau religiöser
Bewusstseinsstrukturen ermöglichen. Angeregt werden die Schüler außerdem durch die Aussagen der
sich in verschiedenen Tiefenstrukturen befindenden Mitschüler. Es muss ein Ausgleich zwischen den
individuellen (heterogenen) Denkansätzen gefunden werden, damit eine Weiterentwicklung stattfinden
kann.
Schüler einer 4. Klasse befinden sich auf der 1. oder 2. Stufe der religiösen Entwicklung (s. Abb.2).
Nur in Ausnahmefällen können sie sich von einem konkreten Gottesbild lösen: Piaget beschreibt in
seinem Stufenmodell zur Entwicklung der Erkenntnis den kindlichen Egozentrismus: Kinder sehen
sich im Zentrum der Welt und sind nur zu einem bestimmten Teil empathiefähig. ,,Diese Fähigkeit
müssen sich Kinder erst aneignen."
30
Die Kinder können sich nur begrenzt in andere hineinversetzen
und bedenken nicht, dass andere die Welt nicht mit ihren Augen sehen.
Das heißt, die Schüler nehmen Ereignisse aus einem egozentrischen Blickwinkel und in den Mustern
der jeweiligen Stufe wahr. Sie erfassen alles, was ihnen präsentiert wird, durch ein entsprechendes
religiöses Urteil. Der Lehrende sollte bei seiner Unterrichtsplanung also die religiösen Vorstellungen
der Kinder kennen und berücksichtigen. Damit die Schüler sich mit dem Thema auseinandersetzen,
müssen auch ihre Gefühle angesprochen werden. Es gibt keine ,,Reflexion ohne Emotion."
31
Abb. 2: Prozentuale Anteile der Stufen in verschiedenen Altersgruppen
32
29
Ebd., S. 10.
30
Der Egozentrismus des Kindes. Geöffnet am 30.07.2009 um 12:30 Uhr: http://arbeitsblaetter.stangl-
taller.at/KOGNITIVEENTWICKLUNG/Egozentrismus.shtml
31
Oberthür, 1995. S. 17.
32
vgl. Oser/Gmünder, 1999. S. 175.

11
3.3 Konsequenzen für die konkrete Unterrichtseinheit
Damit eine Weiterntwicklung der religiösen Autonomie stattfinden kann, sind drei Punkte zu
bedenken:
1)
Es muss zunächst festgestellt werden, auf welcher Stufe der Gottesbildentwicklung sich der
jeweilige Schüler befindet.
2)
Die Schüler müssen mit problembehafteten Inhalten konfrontiert werden, die zum
Nachdenken anregen (Schlüsselerlebnisse, Irritationen, Verwunderung).
3)
Die Schüler müssen mit unterschiedlichen Gottesvorstellungen konfrontiert werden, unter
anderem mit denen der Mitschüler, um ein freies offenes Angebot für die eigene
Gottesbildentwicklung zu erhalten.
4. Planung der Unterrichtseinheit
4.1 Lerngruppe
Die UE wird in der Klasse 4a an der Katholischen Schule Harburg durchgeführt, in der ich seit Beginn
des Referendariats zwei Stunden Religion und zwei Stunden Deutsch unterrichte. Die Klassenlehrerin
der 4a, Frau Eisele, ist meine Mentorin im Fach Religion. Die Bedingungen im Klassenraum lassen
nicht alle Unterrichtsformen zu. Der Aufbau eines Stuhlkreises ist wegen des sehr kleinen Raumes
ausgeschlossen.
Der Gruppencharakter der Klasse ist sehr lebhaft und diskussionsbereit. Die Mitschüler achten
einander und pflegen meist einen guten Umgang miteinander. Ausnahme ist Joshua. Dieser Schüler
nimmt eine Außenseiterstellung ein. Die Grundlage der Klassengemeinschaft bildet ein
Vertrauensverhältnis, das auch durch Streitigkeiten und Raufereien nicht ins Wanken gerät. Dieses
Grundvertrauen ist die Voraussetzung für die Beschäftigung mit Gott. Eine solche Lernatmosphäre
begünstigt, dass sich die Kinder öffnen können, um ihre Gottesbilder sich und den anderen explizit zu
machen. In dieser achtstündigen UE ist der Meditationsraum (MR) für sechs Stunden Schauplatz, da
hier eine besondere Atmosphäre und Ruhe herrscht. Den Schülern war dieser Raum unbekannt, sodass
zunächst verbindliche Verhaltens- und Umgangsregeln festgelegt werden mussten (wie den Raum in
Stille betreten, leise sprechen, andere ausreden lassen).
Die Stationen waren im MR nicht durchführbar, daher wurden diese im Klassen- und Gruppenraum
bearbeitet.

Details

Seiten
Erscheinungsform
Originalausgabe
Jahr
2009
ISBN (eBook)
9783836641449
DOI
10.3239/9783836641449
Dateigröße
6.7 MB
Sprache
Deutsch
Institution / Hochschule
Landesinstitut für Lehrerbildung und Schulentwicklung Hamburg – Lehramt
Erscheinungsdatum
2010 (Januar)
Note
1
Schlagworte
theologisieren religion unterricht grundschule entwicklung
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Titel: Theologisieren mit Kindern einer heterogenen vierten Klasse
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