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Gewaltkriminalität Jugendlicher

Umfang, Erscheinungsformen, Erklärungsansätze

©2008 Studienarbeit 78 Seiten

Zusammenfassung

Inhaltsangabe:Einleitung:
‘Jugendlicher vergewaltigt 66 Jährige’, ‘14 Jähriger sticht Mitschüler nieder’, ‘16 Jähriger soll kleinen Bruder ermordet haben’ ‘Drei minderjährige Serieneinbrecher gefasst’, ‘Schüler soll Nachbarin ermordet haben’: beinahe täglich kann man in deutschen Tageszeitungen von Gewaltdelikten Jugendlicher lesen. Einen traurigen Höhepunkt stellt dabei der Amoklauf von Winnenden am 11.03.2009 dar, bei dem der 17 jährige Täter in seiner ehemaligen Realschule und auf der anschließenden Flucht 15 Menschen und schließlich sich selbst erschoss. Gewaltkriminalität Jugendlicher ist ein sehr aktuelles Thema. Ein Thema, das interessiert, reizt und diskutiert wird, wie nicht zuletzt in der ARD Sendung ‘Anne Will’, welche anschließend im Internet mehrere hundert Mal kommentiert wurde. Die mediale Vermittlung, illustriert anhand spektakulärer Einzelfälle, scheint klar: Jugendliche sind brutaler und gewalttätiger denn je. Und die Bevölkerung scheint dem, wie eine Umfrage bestätigt, zuzustimmen: 91% der Befragten finden, dass die Jugendlichen von heute gewalttätiger sind als früher.
Doch ist die Gewaltkriminalität Jugendlicher heute tatsächlich so massiv und umfangreich wie von den Medien aufgezeigt? Sind die Jugendlichen besonders brutal? In welchem Umfang findet die Gewalttätigkeit tatsächlich statt? In welchen Erscheinungsformen tritt sie auf und was für Erklärungsansätze gibt es? Genau diese Punkte sollen, unter Berücksichtigung verschiedener Datenquellen, in dieser Arbeit betrachtet werden.
Zentrales Thema dieser Arbeit wird das quantitative Ausmaß der Gewaltkriminalität Jugendlicher sein. Der Betrachtungszeitraum beschränkt sich, unter Berücksichtigung der zur Verfügung stehenden Datenquellen, auf die Jahre 2007/2008. Da es sich bei der Betrachtung nur um einen zeitlich begrenzten Ausschnitt handelt, besteht natürlich die Gefahr, eine nur temporäre Ab- oder Zunahme zu beobachten. Allerdings soll in dieser Arbeit keine Entwicklung, sondern primär der momentane ‘Ist-Stand’ aufgezeigt werden. Des Weiteren beschränkt sich die Analyse auf den Raum der Bundesrepublik Deutschland.
Um die Fragen weitergehend behandeln zu können, muss vorab definiert werden, was ‘Gewaltkriminalität Jugendlicher’ grundsätzlich meint bzw. umfasst. Da der umgangssprachliche, aber auch mediale Begriff des ‘Jugendlichen’ oftmals weitgreifender ist als der rechtliche, ist hier vorab eine Begriffsbestimmung notwendig. Ebenso muss der Begriff der […]

Leseprobe

Inhaltsverzeichnis


Sandra Göke
Gewaltkriminalität Jugendlicher
Umfang, Erscheinungsformen, Erklärungsansätze
ISBN: 978-3-8366-4101-2
Herstellung: Diplomica® Verlag GmbH, Hamburg, 2010
Zugl. Eberhard Karls Universität Tübingen, Tübingen, Deutschland, Studienarbeit, 2008
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© Diplomica Verlag GmbH
http://www.diplomica.de, Hamburg 2010

Inhaltsverzeichnis
Literaturverzeichnis ... I
I. Einleitung... 1
II. Definitionen... 2
1. ,,Jugendliche" ... 2
2. ,,Gewaltkriminalität"... 3
III. Umfang und Erscheinungsformen der Gewaltkriminalität Jugendlicher... 7
1. Vorbemerkungen zur Erfassungsmöglichkeit von Gewaltkriminalität... 7
2. Betrachtung des Hellfeldes ... 9
a) Anmerkungen zur PKS ... 9
b) Erkenntnisse aus der PKS und Exkurs ,,Raufunfälle" ... 11
3. Betrachtung des Dunkelfeldes ... 20
a) Anmerkungen zur Dunkelfeldforschung... 20
b) Anmerkungen zum Forschungsprojekt Nr. 107 des KFN ... 21
c) Erkenntnisse aus dem Forschungsprojekt Nr. 107 des KFN ... 22
4.Weitere Erkenntnisse zur Erscheinungsform der Gewaltkriminalität Jugendlicher ... 25
5. Exkurs: Gewaltszenen... 26
a) Die Hooligan Szene ... 26
b) Die Rechte Szene... 27
c) Die Linke Szene... 27
d) Die interethische Szene... 28
e) Die islamistische Szene... 28
6.Aussagekraft und Deutung... 29
IV. Erklärungsansätze zur Gewaltkriminalität Jugendlicher ... 31
1. Kriminalitätstheorien ... 33
a) Biologische Erklärungsansätze ... 33
b) Die Persönlichkeit... 34
c) Die Kontrolltheorien ... 36
d) Entwicklungskriminologische Erklärungen... 37
2. Soziale Lebensumstände ... 37
a) Familiäre Ursachen ... 38
b) Schulische Ursachen... 39
d) Freizeitverhalten bzw. ,,peer-groups" ... 40
e) Wohnverhältnisse... 41
f) Medieneinflüsse... 41
3. Schlussfolgerung... 42
V. Zusammenfassung... 42

I
Literaturverzeichnis
Albrecht, Hans-Jörg
Jugend und Gewalt
In: Monatsschrift für Kriminologie und
Strafrechtsreform, 81(1998), 6, S. 381 ­ 398
zitiert als: Albrecht
Albrecht, Peter-Alexis
Jugendstrafrecht
2. Auflage, München 1993
zitiert als: Albrecht P.-A.
Antholz, Birger
Dämmerfeld - Empirische Untersuchung zur Größe der
der Polizei gemeldeten, aber nicht in der polizeilichen
Kriminalstatistik registrierten Kriminalität
Hamburg 2006
zitiert als: Antholz
Baier, Dirk
Jugendliche in Deutschland als Opfer und Täter von
Pfeiffer, Christian
Gewalt ­ erster Forschungsbericht zum gemeinsamen
Simonson, Julia
Forschungsprojekt des Bundesministeriums des Innern
Rabold, Susann
und des KFN
Kriminologisches Forschungsinstitut Niedersachsen:
Forschungsberichte; 107
Hannover 2009
zitiert als: Baier
Baurmann, Michael C.
Polizeirelevante Aspekte bei der Auseinandersetzung
Plate, Monika
mit dem Gewaltbegriff
Störzer, Hans Udo
Hrsg: Krey, Volker: Zum Gewaltbegriff im Strafrecht.
Was ist Gewalt? 2. Teil ­ BKA Sonderreiche
Wiesbaden 1988
zitiert als: Baurmann
Blankenburg, Erhard
Die Staatsanwaltschaft im Prozess strafrechtlicher
Sessar, Klaus
Sozialkontrolle
Steffen, Wiebke
Berlin 1978
zitiert als: Blankenburg
Bock, Michael
Kriminologie
3. Auflage, München 2007
zitiert als: Bock
Boers, Klaus
Delinquenz im Jugendalter: Erkenntnisse einer
Münsteraner Längsschnittstudie
Münster 2007
zitiert als: Boers

II
Boers, Klaus
Jugendkriminalität- Keine Zunahme im Dunkelfeld,
Walburg, Christian
kaum Unterscheide zwischen Einheimischen und
Reinecke, Jost
Migranten
In: Monatsschrift für Kriminologie und
Strafrechtsreform, 89. Jahrgang, 2. Heft, S. 63-87
Köln 2006
zitiert als: Boers et al.
Bundesministerium des Innern
Verfassungsschutzbericht 2008 ­Vorabfassung-
Berlin 2009
zitiert als: Verfassungsschutzbericht 2008
Bundesministerium des Innern
1. Periodischer Sicherheitsbericht 2001
Bundesministerium der Justiz
Berlin 2001
zitiert als: PSB 2001
2. Periodischer Sicherheitsbericht 2006
Berlin 2006
zitiert als: PSB 2006
Bundesverband der Unfallkassen
Gewalt an Schulen. Ein empirischer Beitrag zum
gewaltverursachenden Verletzungsgeschehen an
Schulen in Deutschland 1993-2003
Online-Publikation unter:
http://www.dguv.de/inhalt/zahlen/documents/Gewalt_an_Schulen.pdf
abgerufen am: 21.05.2009
Cierpka, Manfred
Möglichkeiten der Gewaltprävention
Göttingen 2005
zitiert als: Cierpka
Dölling, Dieter
Grundstrukturen der Jugenddelinquenz
In: Forensische Psychiatrie, Psychologie, Kriminologie
Band 2, Heft 3, August 08, S. 155- 161
Heidelberg 2008
zitiert als: Dölling
Dörmann, Uwe
Dunkelfeldforschung im Dunkeln
Zum Problem der statistikbegleitenden
Dunkelforschung: Eine vergleichende Betrachtung.
In: Kriminalistik, Jg. 42, Nr. 7, S. 403-405
Heidelberg 1988
zitiert als: Dörmann
Zahlen sprechen nicht für sich
Aufsätze zu Kriminalstatistik, Dunkelfeld und
Sicherheitsgefühl aus drei Jahrzehnten
aus der Reihe: Polizei + Forschung ; 28
Neuwied 2004
zitiert als: Dörmann 2

III
Eisner, Manuel
Erklärung von Jugendgewalt - eine Übersicht über
Ribeaud, Denise
zentrale Forschungsbefunde
In: Raithel, Jürgen; Mansel, Jürgen (Hrsg.): Kriminalität
und Gewalt im Jugendalter. Hell- und
Dunkelfeldbefunde im Vergleich; S. 182-206
Weinheim 2003
zitiert als: Eisner
Essau, Cecilia
Child and adolescent psychopathology: theoretical
and clinical implications
London 2006
zitiert als: Essau
Feist, Jenny
,,Happy Slapping" ­ eine Facette der Gewalt unter
Jugendlichen
In: Forum Kriminalprävention 1/2008 S. 8-12
zitiert als: Feist
Fischer, Thomas
Kommentar zum Strafegesetzbuch und Nebengesetze
55. Auflage, München 2008
zitiert als: Fischer
Göppinger, Hans (Begr.)
Kriminologie
6. Auflage, München 2008
zitiert als: Göppinger
Der Täter in seinen sozialen Bezügen : Ergebnisse
aus der Tübinger Jungtäter-Vergleichsuntersuchung
Heidelberg 1983
zitiert als: Göppinger 2
Heinz, Wolfgang
Kriminalitätsentwicklung in Deutschland unter
besonderer Berücksichtigung der Jugend- und
Gewaltkriminalität
Hrsg. von Helmut Kury: Kriminalität und
Kriminalprävention in Ländern des
Umbruchs: Beiträge einer Internationalen Konferenz in
Baku/Aserbaidschan in: Kriminalität und
Kriminalpolitik in Europa Band 2, S. 3-22
Bochum 2006
zitiert als: Heinz
Bei Gewaltkriminalität junger Menschen helfen nur
härtere Strafen - Fakten und Mythen der
gegenwärtigen Jugendkriminalpolitik
In: Neue Kriminalpolitik 02/ 2008 S. 50-59
Heidelberg 2008
zitiert als: Heinz 2

IV
Harrendorf, Stefan
Rückfälligkeit und kriminelle Karrieren von
Gewalttätern
In: Göttinger Studien zu den Kriminalwissenschaften; 1
Göttingen 2007
zitiert als: Harrendorf
Hurrelmann, Klaus
Gewalt an Schulen: pädagogische Antworten auf
Bründel, Heidrum
eine soziale Krise
Weinheim 2007
zitiert als: Hurrelmann
Imbusch, Peter
Der Gewaltbegriff
In: Internationales Handbuch der Gewaltforschung
S. 26-57
Wiesbaden 2002
zitiert als: Imbusch
Joecks, Wolfgang
Studienkommentar StGB
7. Auflage, München 2007
zitiert als: Joecks
Kromrey, Helmut
Empirische Sozialforschung : Modelle und Methoden
der Datenerhebung und Datenauswertung
8. Auflage, Wiesbaden 1998
zitiert als: Kromrey
Kaiser, Günther
Kriminologie
3. Auflage, Heidelberg 1996
zitiert als: Kaiser
Kerner, Hans-Jürgen
Empirische Polizeiforschung in Deutschland
In: Hans-Heiner Kühne u.a. (Hrsg.); Neue
Strafrechtsentwicklungen im deutsch-japanischen
Vergleich. IUS Criminale. Schriftenreihe zum
europäischen Strafrecht. Hrsg. von Ulrich Sieber.
Band 2
Köln 1995
zitiert als: Kerner
Jugendkriminalität zwischen Gelegenheitstaten und
krimineller Karriere: Eine Bestandaufnahme zu
Bedarf, Möglichkeiten und Grenzen von Sanktionierung,
Behandlung und Förderung
In: Fördern, Fordern, Fallenlassen S. 31-53
Hannover, 2008
zitiert als: Kerner 2
Knodel, Klaus-Dieter
Der Begriff der Gewalt im Strafrecht
München/Berlin 1962
zitiert als: Knodel

V
Kunz, Karl-Ludwig
Die Wissenschaftliche Zugänglichkeit von
Kriminalität
Wiesbaden 2008
zitiert als: Kunz
Landeskriminalamt
Das Anzeigeverhalten von Kriminalitätsopfern :
Nordrheinwestfalen
Einflussfaktoren pro und contra Strafanzeige
In: Kriminalistisch Kriminologische Forschungsstelle
PKS Analysen 02/2006
Düsseldorf 2006
zitiert als: LKA-NRW
Lackner, Karl
Kommentar Strafgesetzbuch, StGB
Kühl, Kristian
26. Auflage, München 2007
zitiert als: Lackner/Kühl
Leipziger Kommentar
Kommentar zum Strafgesetzbuch
Band 6
11. Auflage, Berlin 2005
zitiert als LK-Autor
Mansel, Jürgen
Aggressives und delinquentes Verhalten
Hurrelmann, Klaus
Jugendlicher im Zeitvergleich. Befunde der
'Dunkelfeldforschung' aus
den Jahren 1988, 1990 und 1996
In: Kölner Zeitschrift für Soziologie und
Sozialpsychologie, 50 (1998), 1, S. 78 ­ 109
zitiert als: Mansel/Hurrelmann
Mansel, Jürgen
Verzerrungsfaktoren im Hell- und Dunkelfeld und
Raithel, Jürgen
die Gewaltentwicklung.
In: Kriminalität und Gewalt im Jugendalter. Hell- und
Dunkelfeldbefunde im Vergleich. S. 7-24
Weinheim 2003
Meier, Bernd-Dieter
Kriminologie
2. Auflage, München 2005
zitiert als: Meier
Meier, Bernd-Dieter
Jugendstrafrecht
Rössner, Dieter
2. Auflage, München 2007
Schöch, Heinz
zitiert als: Meier/Rössner/Schöch
Oerter, Ralf
Entwicklungspsychologie
Montada, Leo
5. Auflage, Weinheim 2002
zitiert als: Oerter/Montada

VI
Pfeiffer, Christian
Anstieg der Jugendkriminalität?
In: Zeitschrift für Erlebnispädagogik 17, Heft 10
S. 27-53
Lüneburg 1997
zitiert als: Pfeiffer
Raithel, Jürgen
Delinquenzbegünstigende Bedingungen in der Mansel,
Jürgen
Entwicklung Jugendlicher
In: Kriminalität und Gewalt im Jugendalter. Hell- und
Dunkelfeldbefunde im Vergleich. S. 25-40
Weinheim 2003
zitiert als: Raithel/Mansel
Reimann, Helga
Die Jugend
Reimann, Horst
Opladen 1987
zitiert als: Reimann
Rengier, Rudolf
Strafrecht, Besonderer Teil II
7. Auflage, München 2006
zitiert als: Rengier
Saß, Henning
Diagnostisches und statistisches Manual psychischer
Störungen
Göttingen 2003
zitiert als: Saß
Schneider, Hans Joachim
Kriminologie für das 21. Jahrhundert
In: Wissenschaftliche Paperbacks Band 4
München 2001
zitiert als: Schneider
Schönke, Adolf
Kommentar zum StGB
Schröder, Horst
27. Auflage, München 2006
zitiert als: Schönke/Schröder-Autor
Schulz, Felix
Die Entwicklung der Delinquenz von Kindern,
Jugendlichen und Heranwachsenden in Deutschland:
Eine vergleichende Analyse von Kriminalstatistiken
und Dunkelfelduntersuchungen zwischen 1950 und
2000
In: Kriminalwissenschaftliche Schriften 11
Berlin 2007
zitiert als: Schulz
Schwind, Hans Dieter
Kriminologie
19. Auflage, Heidelberg 2009
zitiert als: Schwind

VII
Schwind, Hans Dieter
Kriminalitätsphänomene im Langzeitvergleich
Fetchenhauer, Detlef
am Beispiel einer deutschen Großstadt: Bochum
Ahlborn, Wilfried
1975-1986-1998
Weiß, Rüdiger
Neuwied 2001
zitiert als: Schwind et al.
Skepenat, Marcus
Jugendliche und Heranwachsende als Tatverdächtige
und Opfer von Gewalt
In: Schriften zum Strafvollzug, Jugendstrafrecht und
zur Kriminologie, Band 8
Greifswald 2000
zitiert als: Skepenat
Thomas, Jürgen
Familie und Delinquenz. Empirische
Stelly, Wolfgang
Untersuchungen zur Brauchbarkeit einer
Kerner, Hans-Jürgen
entwicklungsdynamisch orientierten
Weitekamp, Elmar G.
sozialen Kontrolltheorie
In: Kölner Zeitschrift für Soziologie und
Sozialpsychologie, 50 (1998), 2, S. 310 ­ 326
Köln 1998
zitiert als: Thomas et al.
Wahl, Klaus
Täter oder Oper? Jugendgewalt- Ursachen und
Hess, Katja
Prävention
München, Basel 2009
zitiert als: Wahl
Walter, Michael
Gewaltkriminalität
2. Auflage
Köln 2008
zitiert: Walter, GK
Walter, Michael
Jugendkriminalität
2. Auflage
Köln 2001
zitiert: Walter, JK
Wessels, Johannes
Strafrecht Besonderer Teil I
Hettinger, Michael
32. Auflage, Heidelberg 2008
zitiert als: Wessels-Hettinger
Wetzels, Peter
Jugend und Gewalt
Enzmann, Dirk
Eine repräsentative Dunkelfeldanalyse in München,
Mecklenburg, Eberhard
und acht anderen Deutschen Städten
Pfeiffer, Christian
In: Interdisziplinäre Beiträge zur kriminologischen
Forschung Band 17
Baden-Baden 2001
zitiert als: Wetzel et al.

1
I. Einleitung
,,Jugendlicher vergewaltigt 66 Jährige"
1
, ,,14 Jähriger sticht Mitschüler
nieder"
2
, ,,16 Jähriger soll kleinen Bruder ermordet haben"
3
,,Drei
minderjährige Serieneinbrecher gefasst"
4
, ,,Schüler soll Nachbarin ermordet
haben"
5
: beinahe täglich kann man in deutschen Tageszeitungen von
Gewaltdelikten Jugendlicher lesen. Einen traurigen Höhepunkt stellt dabei
der Amoklauf von Winnenden am 11.03.2009 dar, bei dem der 17 jährige
Täter in seiner ehemaligen Realschule und auf der anschließenden Flucht 15
Menschen und schließlich sich selbst erschoss. Gewaltkriminalität
Jugendlicher ist ein sehr aktuelles Thema. Ein Thema, das interessiert, reizt
und diskutiert wird, wie nicht zuletzt in der ARD Sendung ,,Anne Will"
6
,
welche anschließend im Internet mehrere hundert Mal
7
kommentiert wurde.
Die mediale Vermittlung, illustriert anhand spektakulärer Einzelfälle,
scheint klar: Jugendliche sind brutaler und gewalttätiger denn je. Und die
Bevölkerung scheint dem, wie eine Umfrage
8
bestätigt, zuzustimmen: 91%
der Befragten finden, dass die Jugendlichen von heute gewalttätiger sind als
früher.
Doch ist die Gewaltkriminalität Jugendlicher heute tatsächlich so massiv
und umfangreich wie von den Medien aufgezeigt? Sind die Jugendlichen
besonders brutal? In welchem Umfang findet die Gewalttätigkeit tatsächlich
statt? In welchen Erscheinungsformen tritt sie auf und was für
Erklärungsansätze gibt es? Genau diese Punkte sollen, unter
Berücksichtigung verschiedener Datenquellen, in dieser Arbeit betrachtet
werden.
Zentrales Thema dieser Arbeit wird das quantitative Ausmaß der
Gewaltkriminalität Jugendlicher sein. Der Betrachtungszeitraum beschränkt
1
Spiegel Online, 19.01.2009, siehe Anhang
2
Focus Online, 23.03.09, siehe Anhang
3
Stern.de, 14.04.2009, siehe Anhang
4
Welt Online, 17.04.2009, siehe Anhang
5
Spiegel Online, 19.04.2009, siehe Anhang
6
ARD, Sendung vom 05.04. 2009, Thema: ,,Die Kinder-Gangster- Harte Hand statt sanfter
Worte"?
7
http://annewill.blog.ndr.de/ - 20.04.09 ,,Die Kinder Gangster" (341 Kommentare);
http://forum.spiegel.de/showthread.php?t=6790 - 20.04.09 Spiegel Online Forum
,,Jugendgewalt bei Anne Will: Viel Spaß mit Mami im Knast" (134 Kommentare);
http://www.welt.de/fernsehen/article3509630/Die-Kinder-Gangster-bei-der-Talklady-
Anne-Will.html?page=16#article_readcomments 20.04.09 (85 Kommentare)
8
http://www.welt.de/fernsehen/article3509630/Die-Kinder-Gangster-bei-der-Talklady-
Anne-Will.html Welt Online, 20.04.2009, 14.20 Uhr, siehe Anhang

2
sich, unter Berücksichtigung der zur Verfügung stehenden Datenquellen,
auf die Jahre 2007/2008. Da es sich bei der Betrachtung nur um einen
zeitlich begrenzten Ausschnitt handelt, besteht natürlich die Gefahr, eine nur
temporäre Ab- oder Zunahme zu beobachten. Allerdings soll in dieser
Arbeit keine Entwicklung, sondern primär der momentane ,,Ist-Stand"
aufgezeigt werden. Des Weiteren beschränkt sich die Analyse auf den Raum
der Bundesrepublik Deutschland.
Um die Fragen weitergehend behandeln zu können, muss vorab definiert
werden, was ,,Gewaltkriminalität Jugendlicher" grundsätzlich meint bzw.
umfasst. Da der umgangssprachliche, aber auch mediale Begriff des
,,Jugendlichen" oftmals weitgreifender ist als der rechtliche, ist hier vorab
eine Begriffsbestimmung notwendig. Ebenso muss der Begriff der
,,Gewaltkriminalität" eingegrenzt werden, damit unmissverständlich klar ist,
welche Handlungen darunter zu fassen sind und welche nicht.
Nach diesen inhaltlichen Definitionen muss betrachtet werden, welche
Möglichkeiten zur Messbarkeit der Gewaltkriminalität Jugendlicher
vorhanden sind bzw. nach welcher Methodik vorgegangen werden kann.
Anschließend stellt sich die Frage, welche Datenquellen zur Verfügung
stehen und wie diese inhaltlich zu werten sind. Besonders problematisch ist
an dieser Stelle die ,,Hellfeld/Dunkelfeld" Thematik. Im Anschluss werden
konkrete Befunde aus verschieden Datenquellen dargestellt, um die Fragen
nach dem Umfang und den Erscheinungsformen der Gewaltkriminalität
Jugendlicher beantworten zu können. Die verschiedenen Daten werden
alsdann gedeutet, ihr Aussagewert analysiert und nach Ursachen gesucht.
Letztlich werden mögliche Erklärungsansätze für die Gewaltkriminalität
Jugendlicher erarbeitet.
II. Definitionen
1. ,,Jugendliche"
Im heutigen Sprachverständnis ist es selbstverständlich, den Begriff des
,,Jugendlichen" zu verwenden. Dabei wird er umgangssprachlich, vor allem
auch in den Medien, sehr weitläufig genutzt. Sowohl Dreizehnjährige
9
als
9
Bsp.:
http://www.morgenpost.de/berlin/polizeibericht/article1074992/Betrunkener_13_Jaehriger_
in_Klinik_eingeliefert.html, 17.04.2009, siehe Anhang

3
auch Neunzehnjährige
10
werden als Jugendliche bezeichnet. Meist wird mit
dem
Begriff
des
,,Jugendlichen",
durch
die
jeweilige
Erwachsenengeneration, die Übergangszeit von der Kindheit zum
Erwachsenendasein und physisches Jungsein generell und nicht ein strikt
abgegrenzter Alterzeitraum gemeint.
11
Eine klare Definition mit
Allgemeinverbindlichkeit dieses Begriffes gibt es nicht.
12
Da die Jugend ein
Phänomen multidisziplinären Interesses ist, kann gelten: unterschiedliche
wissenschaftliche Disziplinen = unterschiedliche Definitionen.
13
Der strafrechtliche Begriff des ,,Jugendlichen" wird üblicherweise nach dem
Jugendgerichtsgesetz (JGG) bestimmt.
14
Hier ist der Jugendliche in § 1 II
als eine Person definiert, die zur Zeit der Tat vierzehn, aber noch nicht
achtzehn Jahre alt ist. Diese strafrechtliche Definition wird auch in dieser
Arbeit als Definition der ,,Jugendlichen" genutzt, obwohl gem. § 105 I JGG
das Jugendstrafrecht auch auf die 18 bis unter 21 jährigen
,,Heranwachsenden" angewandt werden kann
15
und somit eine starre und
eindeutige Abgrenzung zwischen Jugendlichen und Heranwachsenden nach
dem JGG nicht möglich ist. Ebenso nicht berücksichtigt werden noch nicht
14 Jahre alte Kinder, die nach § 19 StGB schuldunfähig sind.
2. ,,Gewaltkriminalität"
Einen Konsens zu erzielen, was unter ,,Gewaltkriminalität" zu verstehen ist,
scheint noch schwerer, da es keinen vorgegebenen Begriff gibt, sondern die
Auslegung des Gewaltbegriffes davon abhängt, inwiefern er in einem
bestimmten Kontext die ihm zugedachte Aufgabe erfüllt, er also nicht ohne
normative Wertungen auskommt.
16
So gibt es bei der Begriffsbestimmung
der Gewalt sowohl umgangssprachlich als auch fachlich keine Einigkeit.
17
Der Begriff der ,,Gewaltkriminalität" entstammt als Forschungsprinzip der
10
Bsp.: http://www.finanznachrichten.de/nachrichten-2009-03/13392713-19-jaehriger-
schiesst-mit-schreckschusswaffe-um-sich-003.htm 18.03.2009, siehe Anhang
11
Walter, JK, Rn. 46; Skepenat, S. 93; Reimann, S. 18; Schulz, S.8
12
Göppinger, Rn. 36; Reimann, S. 18; Skepenat, S. 90;
13
Oerter/Montada, S. 259; Skepenat S. 91
14
Göppinger, Rn. 38
15
Wenn gem. § 105 I JGG die Gesamtwürdigung der Persönlichkeit des Täters ergibt, dass
dieser zur Zeit der Tat nach seiner sittlichen und geistigen Entwicklung noch einem
Jugendlichen gleichstand oder es sich nach Art, Umständen oder Beweggründen seiner Tat
um eine Jugendverfehlung gehandelt hat.
16
Walter, GK, Rn. 55; Göppinger, § 28 Rn. 2; Imbusch, (S. 27; Wetzels et al. S. 51
17
Göppinger, § 28 Rn. 1; Walter, GK Rn. 23; Kaiser, § 58 Rn. 5

4
Wissenschaft und dort genauer aus der Kriminologie.
18
In der Kriminologie,
welche dem Problem der Gewaltkriminalität viel Aufmerksamkeit schenkt,
wird der Begriff der Gewaltkriminalität allerdings häufig auf die
kriminalisierte Gewalt beschränkt.
19
Obschon dieser Eingrenzung ,,widmet
das kriminologische Schrifttum der Problematisierung des Gewaltbegriffes
keine große Sorgfalt"
20
und man beschränkt sich darauf aufzuzählen, welche
Gewalttaten zur Gewaltkriminalität zu zählen sind.
21
Andere Disziplinen dahingegen setzen sich diesbezüglich auch mit
Zusammenhängen zu verbalen Aggressionen, Herrschaft und Macht,
institutioneller
und
struktureller
Gewalt
auseinander.
22
Diese
Auseinandersetzungen wären hier allerdings fehl am Platz, da schon die
Verknüpfung der Gewalt mit dem Kriminalitätsbegriff erkennen lässt, dass
es sich nur um Gewalt im Sinne des Aktionsbegriffs handeln kann. Denn
schließlich meint der strafrechtliche (formelle) Kriminalitätsbegriff
,,Handlungen mit strafrechtlichen Rechtsfolgen".
23
Zunächst einen Blick auf das strafrechtliche Schrifttum: hier widmet man
sich, da auch das StGB keine Legaldefinition von ,,Gewalt" anbietet und
aufgrund der ,,tief greifenden strafrechtlichen Interventionen ein fester,
verbindlicher
Rahmen
benötigt
wird"
sehr
ausführlich
der
Begriffsbestimmung.
24
Das StGB kennt zwar Begriffe wie ,,Gewalt" (§ 249
StGB) oder ,,Gewalttätigkeit" (§ 125 StGB) aber keine Straftatengruppe, die
alle Gewaltdelikte umfasst, mit der Folge, dass die Diskussion überwiegend
im Rahmen des § 240 StGB stattfindet.
25
Dabei zeichnen sich zwei
unterschiedliche Richtungen ab, zum einen ein rein normativer Ansatz,
26
der
in jedem Eingriff in garantierte Rechte eine Gewalt sieht, zum anderen gibt
es restriktive Tendenzen,
27
welche sich bei ,,Gewalt" auf einen körperlichen
Zwang beschränken wollen. Insgesamt ist ,,die Entwicklung des
18
Kaiser, § 58 Rn. 12; Skepenat, S. 16
19
Harrendorf, S.1 f.; Göppinger, § 28 Rn. 7
20
Kaiser, § 58 Rn. 13
21
so auch Bock, Rn. 953; Harrendorf, S. 8;
22
Skepanat, S. 17 ff.; Göppinger, § 28 Rn. 2; Harrendorf, S. 2
23
Schwind, § 1 Rn. 2
24
Walter, GK, Rn. 58; Göppinger, § 28 Rn. 3; Skepenat, S. 16
25
Göppinger, § 28 Rn. 3; Harrendorf, S. 9 f.; Diskutiert wird der ,,Gewaltbegriff in § 240
Bsp. in: Fischer, StGB, § 240 Rn. 8 ff.; Lackner/Kühl, StGB, § 240 Rn. 5 ff.
26
siehe Knodel; Schönke/Schröder-Eser Rn. 8 vor § 234;
LK-Herdegen Rn. 4 zu § 249
27
Lackner/Kühl, § 10; Rengier, § 23 Rn. 5

5
strafrechtlichen Gewaltbegriffs dabei gekennzeichnet durch seine
zunehmende Ausweitung zu einem Sammelbecken für alle Zwangsformen
außerhalb der Drohungsalternative".
28
Zu schauen ist nun, wie die Rechtsprechung mit dem Begriff der Gewalt
verfährt. Zunächst herrschte in der Rechtsprechung des Reichgerichts (RG)
zu § 240 StGB eine sehr konkrete, enge Definition vor, die man heute auch
als ,,klassischen Gewaltbegriff" bezeichnet.
29
Diese Definition besagt, dass
,,unter Gewalt ausschließlich die durch Anwendung körperlicher Kraft
erfolgte Beseitigung eines tatsächlich geleisteten oder bestimmt erwarteten
und deshalb von vornherein durch Körperkraft zu unterdrückenden
Widerstandes" verstanden wird.
30
Dieser ,,klassische" Gewaltbegriff wurde
Zeit
seines
Bestehens,
unter
einzelnen
Aufweichungen
in
Problembereichen,
31
durch das RG beibehalten.
32
Die Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes (BGH) hob dagegen die vom
RG für wesentlich gehaltenen Kriterien des Gewaltbegriffes auf und folgt
einer weiten Auslegung des Gewaltbegriffes.
33
Dieser Gewaltbegriff wurde
so weit ausgedehnt, dass der BGH in der sogenannten ,,Laepple-
Entscheidung"
34
das Kriterium der Körperlichkeit der Zwangswirkung
völlig aufgab und eine psychische Zwangswirkung für ausreichend
erachtete.
35
Diese als ,,vergeistigt"
36
bezeichnete Auslegung des
Gewaltbegriffes wurde bis zur Bundesverfassungsgerichtsentscheidung
BVerfGE 92, 1 von 1995, nach der Gewalt nicht vorliegt solange sie nur aus
körperlicher Anwesenheit besteht und die Zwangswirkung auf den
Genötigten nur psychischer Natur ist, zur ständigen Rechtsprechung des
BGH.
37
Nach dieser Entscheidung war der BGH gezwungen seinen
Gewaltbegriff anzupassen, was aber mit der sogenannten ,,Zweite-Reihe"
Rechtsprechung,
38
die bisher keiner verfassungsrechtlichen Überprüfung
28
Skepenat S. 16; Fischer, § 240 Rn. 12 f.
29
Schönke-Schröder-Eser, vor § 234 Rn. 9; Harrendorf, S. 10
30
RGSt 46, 56, 87, 88
31
RGSt 23, 60, 66, 157
32
Harrendorf, S. 10
33
Kaiser, § 58 Rn. 7; Wessels/Hettinger Rn. 385; BGHSt, 18, 330; 23, 126
34
BGHSt 23, 46
35
Fischer, § 240 Rn. 10 ff.
36
Baurmann S. 11, 19; Joecks Vor § 232 Rn. 22 f.
37
BVerfGE 92, 1; Joecks, Vor § 232 Rn. 26, Fischer, § 240 Rn. 14
38
Harrendorf, S.13; Skepenat, S. 20/21;

6
unterzogen wurde, wohl noch nicht gelungen ist, sodass der Gewaltbegriff
im Strafrecht noch immer als ungeklärt gelten kann.
Fraglich ist nun, welche Delikte unter den Gewaltbegriff fallen. In der
Polizeilichen Kriminalstatistik
39
(PKS) werden unter dem Oberbegriff
,,Gewaltkriminalität" mit dem Summenschlüssel ,,8920" folgende
Straftatbestände des StGB zusammengefasst: Mord (§ 211), Totschlag/
Tötung auf Verlangen (§ 212, 213, 216), Vergewaltigung und sexuelle
Nötigung (§ 177 II, III und IV, 178), Raubdelikte (§ 249-252, 255, 316 a),
Körperverletzung mit Todesfolge (§ 227, 231), gefährliche und schwere
Körperverletzung ( § 227, 231), erpresserischer Menschenraub (§ 239 a),
Geiselnahme (§ 239 b) und Angriff auf den Luft- und Seeverkehr (§ 316 c).
Diesen Delikten gemein ist die Konzentration auf gravierende
Tatbestände mit personenbezogener Gewalt. Allerdings blendet diese
Zusammenstellung einzelne mit Gewalt verbundene Delikte aus. Nicht
erfasst sind u.a. Straftaten gegen die persönliche Freiheit (§ 239, 240, 241),
Widerstand gegen die Staatsgewalt (insb. § 113), Vandalismus (§ 303) und
natürlich die ,,einfache" Körperverletzung (§ 223). Gerade aber die
,,einfache" Körperverletzung ist mit 44%
40
der von Jugendlichen
begangenen Delikte das quantitativ bedeutendste Delikt, welches mit
körperlicher Gewalt gegen Personen einhergeht und gerade auch durch die
Öffentlichkeit als eines der typischen Gewaltdelikte Jugendlicher
wahrgenommen wird. Mithin ist der in der PKS verwendete Gewaltbegriff
zu eng und es ist zu schauen, um welche Delikte diese Definition für die
Betrachtung in dieser Arbeit zu erweitern ist.
Aus pragmatischer und kriminologischer Sicht ist es sinnvoll, die
Betrachtung auf die ausgeübte vorsätzliche Gewalt gegen Personen zu
beschränken und die Gewalt gegen Sachen auszublenden. Unter anderem
auch, weil es sich bei einer Vielzahl der Delikte gegen Sachen um einfache
Sachbeschädigungen handelt, welche eher unter ,,leichter" als ,,schwerer"
Kriminalität zu fassen sind und in dieser Arbeit, in Anlehnung an die
Definition der PKS, nicht von dem Begriff der Gewaltkriminalität erfasst
werden sollen. Nicht betrachtet wird folglich die Gewalt gegen Sachen, bei
der es auch in der Literatur strittig ist, ob sie überhaupt in den Bereich der
39
BKA 2007, S. 16
40
siehe Abbildung 2.8

7
Gewaltdelinquenz einzuordnen ist.
41
Zu weit wäre außerdem die
Einbeziehung der Nötigung (§ 240 StGB),
42
des Widerstandes gegen
Vollstreckungsbeamte (§ 113), der
Bedrohung (§ 241) des
Landfriedensbruches (§ 125, 125 a StGB), der ,,verbalen" Gewalt (§ 185,
186 StGB) und die der Fahrlässigkeitstaten.
Im Ergebnis wird in dieser Arbeit, neben den in der PKS definierten
Delikten, wovon allerdings der Angriff auf den Luft- und Seeverkehr -der
nicht gerade jugendtypisch ist- auszunehmen ist, auch die einfache
Körperverletzung (§ 223 StGB) zum Begriff der Gewaltkriminalität
hinzugezählt.
III. Umfang und Erscheinungsformen der Gewaltkriminalität
Jugendlicher
1. Vorbemerkungen zur Erfassungsmöglichkeit von Gewaltkriminalität
Um die Frage nach dem Umfang und den Erscheinungsformen der
Gewaltkriminalität
Jugendlicher
beantworten
zu
können,
wird
entsprechendes Datenmaterial benötigt, mit dem dies eruiert werden kann.
Fraglich ist also, welche Datenquellen zur Verfügung stehen bzw.
verwendet werden können.
Zunächst einmal ist ,,Kriminalität kein Sachverhalt, der einfach gemessen
werden könnte, wie etwa die Länge, das Gewicht oder die Temperatur eines
Gegenstandes".
43
Die Erfassung ist also, aus verschiedenen Gründen,
schwierig.
44
Zum einen gibt es die registrierte Kriminalität. Die registrierte
Kriminalität, das sogenannte ,,Hellfeld", erfasst allerdings nur diejenige
Form der Kriminalität, die von den Strafverfolgungsbehörden erfasst wird.
Welche Delikte der Polizei bekannt werden, hängt stark vom
Anzeigeverhalten der Bevölkerung ab. Im Schnitt beruhen 90% der
polizeilichen Kenntnisse über Eigentums- und Vermögenskriminalität auf
Anzeigen und Alarmierungen aus der Bevölkerung.
45
Resultierend aus der
hohen Abhängigkeit der Polizei von Anzeigen und Informationen aus der
Bevölkerung, kann die registrierte Kriminalität nahezu als direkte Funktion
41
Dafür sprechen sich aus: Schneider, S. 177; Kaiser, § 58 Rn. 13, Schwind, § 2 Rn. 26-
Dagegen: Göppinger, § 28 Rn. 5; Bock, § 22 Rn. 953; siehe auch PSB 2006, S. 63
42
Die Drohung mit einem ,,empfindlichen Übel" muss keine Gewaltdrohung sein
43
Heinz, S. 4
44
Vgl. Kunz, S. 7 ff.
45
Blankenburg, S. 119 ff.; Heinz 2, S. 51; Skepenat, S. 145

8
der Anzeigebereitschaft der Bevölkerung begriffen werden.
46
Die
Anzeigebereitschaft der Bevölkerung unterliegt indes sowohl zeitlichen -
zurückführbar u.a. auf Änderungen sozialer Toleranzen- als auch
deliktsspezifischen Schwankungen.
47
Straftaten werden durch die Opfer in
der Regel nur angezeigt, wenn sie auch einen Sinn in der Anzeige sehen,
sich Beistand und Hilfe von der Polizei erhoffen, die Anzeige benötigen, um
Versicherungsschutz zu erlangen oder den Wunsch nach Sanktionierung
hegen.
48
Die Gründe, warum auf eine Anzeige verzichtet wird, sind
allerdings genauso vielschichtig: viele Opfer verzichten aus Angst oder
Scham auf eine Anzeige, sehen keinen Sinn in der Anzeige, haben selber
strafbare Handlungen begangen, die noch unentdeckt sind oder wollen die
Sache lieber inoffiziell klären.
49
Weitere Faktoren, die sich neben der Anzeigebereitschaft der Bevölkerung
auf die Registrierung von Kriminalität auswirken, sind Änderungen des
Strafrechts, die angewandten Strategien, die Personalstärke, die
Kontrolldichte sowie die Ermittlungsintensität der Polizei.
50
Speziell bei der
Erfassung von Gewaltkriminalität Jugendlicher müssen aber noch andere
Aspekte beachtet werden. Taten Jugendlicher, für die es typisch ist, eher
spontan mit mangelnder Planung sowie einer geringen Rücksichtnahme auf
mögliche Entdeckung durchgeführt zu werden, werden vermutlich öfter
entdeckt als delinquente Taten Erwachsener.
51
Des Weiteren gestehen bei
einer Vernehmung jüngere Tatverdächtige leichter bzw. schneller eine Tat,
sodass die Taten Jugendlicher öfter aufgeklärt werden, was wiederum zu
einem überproportionalen Anstieg der Tatverdächtigen-Belastungszahlen
(TVBZ) führt.
52
Auch verüben Jugendliche ihre Straftaten häufiger im
öffentlichen Raum, wo Gewaltkriminalität naturgemäß mehr auffällt, was zu
einer systematischen Überpräsentation gewalttätiger Jugendlicher gegenüber
Erwachsenen führt.
53
Letztlich muss bei Auswertung von Hellfeldstatistiken
auch berücksichtig werden, dass mit den öffentlichen Debatten um die
Gewaltkriminalität Jugendlicher auch die Anzeigebereitschaft innerhalb der
46
Heinz, S. 4;
47
Skepenat, S. 146; Heinz, S. 4
48
Kerner, S. 249; Skepenat, S. 146
49
Brüchert, S. 93; LKA-NRW, S. 2 ff.;
50
Brüchert, S. 89/90; Pfeiffer, S. 30
51
Dölling, S. 155 ; Heinz, S. 21; Albrecht P.-A., S. 12; Meier/Rössner/Schöch, § 3 Rn. 17
52
Kerner2, S. 33, 34; Göppinger, § 24 Rn. 47; Meier/Rössner/Schöch, § 5 Rn. 40
53
Heinz, S. 21

Details

Seiten
Erscheinungsform
Originalausgabe
Jahr
2008
ISBN (eBook)
9783836641012
DOI
10.3239/9783836641012
Dateigröße
1.8 MB
Sprache
Deutsch
Institution / Hochschule
Eberhard-Karls-Universität Tübingen – Juristische Fakultät 03, Rechtswissenschaften
Erscheinungsdatum
2010 (Januar)
Note
1,5
Schlagworte
kriminologie jugendkriminalität gewaltkriminalität jugendgewalt straftat
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Titel: Gewaltkriminalität Jugendlicher
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