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Funktionsweise des Emissionszertifikatehandels

In Theorie unter umweltökonomischer Betrachtung und am Praxisbeispiel des EU-Emissionshandelssystems

©2009 Diplomarbeit 148 Seiten

Zusammenfassung

Inhaltsangabe:Einleitung:
Es gibt wenige Themen, die in den letzten Jahren so omnipräsent waren wie der Klimawandel. Und dies ist auch nicht verwunderlich, denn die dramatischen Auswirkungen der Klimaveränderung sind nicht nur durch die Arbeitsgruppe I des Intergovernmental Panel on Climate Change (IPCC) in ihrem vierten Sachstandsbericht von 2007 nachgewiesen worden, sondern auch für jeden spürbar. So ist es heute wissenschaftlich erwiesen, dass die veränderten Temperaturen beispielsweise das Abschmelzen der Gletscher und Eiskappen verursachen, für veränderte Niederschlagsmengen sorgen und „…bei Aspekten von extremen Wetterereignissen wie Trockenheit, Starkniederschlägen, Hitzewellen und der Intensität von tropischen Wirbelstürmen“ eine bedeutende Rolle spielen. Die durch extreme Wetterereignisse hervorgerufenen volkswirtschaftlichen Schäden beliefen sich im Jahr 2007 auf circa 64 Milliarden US-Dollar und forderten mehr als 15.000 Menschenleben. Unter Wissenschaftlern herrscht heute fast einstimmig die Überzeugung, dass eine der Hauptursachen für die globale Erwärmung die vom Menschen verursachte Zunahme der Treibhausgaskonzentration ist, die den sogenannten Treibhauseffekt verstärkt.
Die Notwendigkeit zum Handeln ist mittlerweile nicht mehr alleine von Umweltorganisationen erkannt worden, sondern auch die internationale Staatengemeinschaft hat sich auf Maßnahmen zur Einschränkung bzw. Reduktion von Treibhausgasemissionen geeinigt. In diesem Zusammenhang werden als eines der Hauptinstrumente die, im internationalen Klimaschutzabkommen von Kyoto vereinbarten, sogenannten „flexiblen Mechanismen“ eingesetzt. Die marktwirtschaftliche Konzeption dieser Instrumente erlaubt es Möglichkeiten der Emissionsreduktion zu nutzen, die der jeweiligen Situation der Staaten angepasst ist. Eine herausragende Rolle bei der Erreichung der festgelegten Treibhausgasminderungsziele spielt der flexible Mechanismus des „internationalen Emissionsrechtehandels“. Dabei werden festgelegte Reduktionsziele sowohl effektiv, als auch effizient erreicht. Aber bereits vor Inkrafttreten des internationalen Klimaschutzabkommens wurde in der Europäischen Union, Anfang 2005, ein Emissionshandelssystem für Kohlenstoffdioxid (CO2) eingeführt. Dieses Emissionshandelssystem stellt, gemessen am Umsatz der gehandelten CO2-Mengen, weltweit das bedeutendste seiner Art dar.
Ziel dieser Arbeit ist es den ökonomisch interessierten Leser zum Einen die umweltökonomischen Hintergründe der […]

Leseprobe

Inhaltsverzeichnis


Tommy Piemonte
Funktionsweise des Emissionszertifikatehandels
In Theorie unter umweltökonomischer Betrachtung und am Praxisbeispiel des EU-
Emissionshandelssystems
ISBN: 978-3-8366-4088-6
Herstellung: Diplomica® Verlag GmbH, Hamburg, 2010
Zugl. Hochschule für Wirtschaft und Umwelt Nürtingen-Geislingen (ehemals FH
Nürtingen), Nürtingen, Deutschland, Diplomarbeit, 2009
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,,Tantummodo incepto opus est, cetera res expediet."
(Es bedarf nur eines Anfangs, das Übrige wird sich erledigen.)
Gaius Sallustius Crispus
(86 v. Chr. bis 35 v. Chr.)

I
Inhaltsverzeichnis
Tabellen- und Abbildungsverzeichnis
...
IV
Abkürzungsverzeichnis
...
V
1 Einleitung
... 1
2 Treibhauseffekt und Marktversagen als Begründung für
die Notwendigkeit von Klimaschutzpolitik
... 3
2.1 Treibhauseffekt
... 3
2.2 Marktversagen
... 7
3 Emissionszertifikatehandel als Instrument der
Klimaschutzpolitik
... 12
3.1 Internalisierung externer Effekte durch umweltökonomische
Instrumente
... 12
3.1.1 Eine Preislösung - Das Pigou-Modell ... 18
3.1.2 Eine Verhandlungslösung - Das Coase-Theorem ... 22
3.2 Ausgestaltung des Emissionshandels
... 30
3.3 Hauptkritikpunkte am Emissionshandel
... 37
3.3.1 Gefahr von Wettbewerbsverzerrung und Carbon Leakage ... 37
3.3.2 Tatsächliche Emissionsreduktion ist fraglich ... 41

II
4 Internationale Klimaschutzpolitik
... 43
4.1 Die UN-Klimarahmenkonvention
... 43
4.2 Das Kyoto-Protokoll
... 44
4.2.1 Reduktionsziele ... 44
4.2.2 Flexible Mechanismen zur Zielerreichung ... 47
4.3 Weltweite Emissionshandelssysteme
... 52
5 Das Emissionshandelssystem der
Europäischen Union
... 55
5.1 Rechtliche Rahmenbedingungen
... 55
5.2 Teilnehmerkreis und Ausgestaltung des Emissionshandels auf
Anlagenebene
... 60
5.3 Allokation der Emissionsrechte - Primärmarkt
... 65
5.4 Handel mit Emissionszertifikaten - Sekundärmarkt
... 68
5.4.1 Emissionshandelsregister ... 68
5.4.2 Übersicht über die Marktsegmente und handelbaren
Emissionszertifikate ... 70
5.4.3 Handelsformen, -produkte und Akteure des Emissionshandels ... 76
5.5 Banking und Borrowing von Emissionszertifikaten
... 83
5.6 Emissionsüberwachung und Sanktionsmaßnahmen
... 86
6 Fazit
... 88

III
Anhang
... 91
Anhang 1: Ratifikation der Klimarahmenkonvention ... 92
Anhang 2: Ratifikation des Kyoto-Protokolls ... 99
Anhang 3: Annex I-Staaten ... 107
Anhang 4: Annex II-Staaten ... 108
Anhang 5: Annex A ... 109
Anhang 6: Annex B-Staaten und deren Reduktionsziele ... 111
Anhang 7: EU-Emissionshandelsrichtlinie ... 112
Anhang 8: Exkurs - Kapitalanlagemöglichkeiten in einer neuentstandenen
Anlageklasse ... 127
Literaturverzeichnis
... 133
Stichwortverzeichnis
... 138

IV
Tabellen- und Abbildungsverzeichnis
Tabelle 1:
Bedeutende Treibhausgase im Vergleich...
4
Tabelle 2:
Wichtige Rahmenbedingungen des Emissionshandels... 30
Tabelle 3:
Emissionsminderungsziele für EU-15 nach dem Burden Sharing
Agreement...
58
Tabelle 4:
Handel- und Anrechenbarkeit von Emissionszertifikaten...
72
Tabelle 5:
Übersicht der projektbasierten Handelsaktivitäten...
76
Tabelle 6:
Kalkulation zur Vermeidung einer Unterdeckung mit Emissions-
zertifikaten...
87
Abbildung 1:
Güterarten...
6
Abbildung 2:
Wirkung von negativen externen Effekten...
11
Abbildung 3:
Wirkung von Auflagenpolitik...
15
Abbildung 4:
Berücksichtigung der individuellen Grenzvermeidungskosten bei
Auflagenpolitik...
17
Abbildung 5:
Internalisierung von negativen Externalitäten im Pigou-Modell...
19
Abbildung 6:
Die Pigou-Steuer als Lenkungssteuer...
21
Abbildung 7:
Internalisierung von negativen Externalitäten nach dem Coase-
Theorem...
23
Abbildung 8:
Wirkungsweise: Preismethode vs. Mengenmethode...
24
Abbildung 9:
Kosteneffiziente Internalisierung externer Effekte durch den
Handel mit Emissionsrechten ...
28
Abbildung 10:
Baseline and Credit-System...
36
Abbildung 11:
Leakage-Effekt durch Emissionshandel...
42
Abbildung 12: Zusammenhang der flexiblen Mechanismen...
51
Abbildung 13: Marktsegmente des Emissionshandels...
74
Abbildung 14: Akteure im Emissionszertifikatemarkt...
83

V
Abkürzungsverzeichnis
AAU
Assigned Amount Unit
CDM
Clean Development Mechanism
CER
Certified Emission Reduction
CH
4
Methan
CITL
Community Independent Transaction Log
CO
2
Kohlenstoffdioxid (im normalen Sprachgebrauch auch Kohlendioxid)
CO
2
-Äqui
CO
2
-Äquivalente
CPR
Commitment Period Reserve
DEHST
Deutsche Emissionshandelsstelle
E
Emissionsmenge
ECX
European Climate Exchange
EE
Externe Effekte
EH
Emissionshandel bzw. Emissionszertifikatehandel
EH-RL
EU-Emissionshandelsrichtlinie
ERs
Emission Reductions
ERU
Emission Reduction Unit
ETC
Exchange Traded Commodity
EUA
EU-Berechtigungen bzw. EU-Allowances
EU-ETS
EU-Emissionshandelssystem bzw. EU-Emission Trading System
FKW/PFC
Perfluorierte Kohlenwasserstoffe
FM-EUAs
Force-Major-Emissionsberechtigungen
gCER
garantierter CER
GK
Grenzkosten
GVK
Grenzvermeidungskosten
H-FKW/HFC
teilhalogenierte Fluorkohlenwasserstoffe
IPCC
Intergovernmental Panel on Climate Change
ITL
International Transaction Log
JI
Joint Implementation
KKW
Steinkohlekraftwerk
KP
Kyoto-Protokoll
lCER
longterm Certified Emission Reduction
LD
Linking Directive
N
2
O
Distickstoffoxid
NAP
Nationaler Allokationsplan
NEE
Negative externe Effekte
NO
x
Stickstoffoxide
NSW-GGAS
Greenhouse Gas Abatement Scheme
OTC
Over-The-Counter Handel
pCER
CER auf dem CDM primary market
ppm
Partikel pro Millionen (entspricht einem Massenanteil von 0,0001%)
RGGI
Regional Greenhouse Gas Initiative

VI
RMU
Removal Unit
sCER
CER auf dem CDM secondary market
SF
6
Schwefelhexafluorid
SO
2
Schwefeldioxid
t CO
2
-Äqui
eine Tonne CO
2
-Äquivalente
tCER
temporary Certified Emission Reduction
TEHG
Treibhausgasemissionshandelsgesetz
THG
Treibhausgas(e)
UN
Unternehmen
UNFCCC
Klimarahmenkonvention
US-CCX
Emissionshandelssystem der Chicago Climate Exchange
VER
Verified Emission Reductions

1
1 Einleitung
Es gibt wenige Themen, die in den letzten Jahren so omnipräsent waren wie der Kli-
mawandel. Und dies ist auch nicht verwunderlich, denn die dramatischen Auswirkun-
gen der Klimaveränderung sind nicht nur durch die Arbeitsgruppe I des Intergovern-
mental Panel on Climate Change (IPCC) in ihrem vierten Sachstandsbericht von
2007 nachgewiesen worden, sondern auch für jeden spürbar. So ist es heute wis-
senschaftlich erwiesen, dass die veränderten Temperaturen beispielsweise das Ab-
schmelzen der Gletscher und Eiskappen verursachen, für veränderte Nieder-
schlagsmengen sorgen und ,,...bei Aspekten von extremen Wetterereignissen wie
Trockenheit, Starkniederschlägen, Hitzewellen und der Intensität von tropischen Wir-
belstürmen" eine bedeutende Rolle spielen
(IPCC 2007: 7)
. Die durch extreme Wetter-
ereignisse hervorgerufenen volkswirtschaftlichen Schäden beliefen sich im Jahr 2007
auf circa 64 Milliarden US-Dollar und forderten mehr als 15.000 Menschenleben. Un-
ter Wissenschaftlern herrscht heute fast einstimmig die Überzeugung, dass eine der
Hauptursachen für die globale Erwärmung die vom Menschen verursachte Zunahme
der Treibhausgaskonzentration ist, die den sogenannten Treibhauseffekt verstärkt
(IPCC 2007: 10; Janssen 2006: 2; Münchner Rück 2008: 45)
.
Die Notwendigkeit zum Handeln ist mittlerweile nicht mehr alleine von Umweltorgani-
sationen erkannt worden, sondern auch die internationale Staatengemeinschaft hat
sich auf Maßnahmen zur Einschränkung bzw. Reduktion von Treibhausgasemissio-
nen geeinigt. In diesem Zusammenhang werden als eines der Hauptinstrumente die,
im internationalen Klimaschutzabkommen von Kyoto vereinbarten, sogenannten "fle-
xiblen Mechanismen" eingesetzt. Die marktwirtschaftliche Konzeption dieser Instru-
mente erlaubt es Möglichkeiten der Emissionsreduktion zu nutzen, die der jeweiligen
Situation der Staaten angepasst ist. Eine herausragende Rolle bei der Erreichung
der festgelegten Treibhausgasminderungsziele spielt der flexible Mechanismus des
"internationalen Emissionsrechtehandels". Dabei werden festgelegte Reduktionsziele
sowohl effektiv, als auch effizient erreicht. Aber bereits vor Inkrafttreten des interna-
tionalen Klimaschutzabkommens wurde in der Europäischen Union, Anfang 2005,
ein Emissionshandelssystem für Kohlenstoffdioxid (CO
2
) eingeführt. Dieses Emissi-
onshandelssystem stellt, gemessen am Umsatz der gehandelten CO
2
-Mengen, welt-
weit das bedeutendste seiner Art dar
(World Bank 2008: 7; Janssen 2006: 3 ff.)
.

2
Ziel dieser Arbeit ist es den ökonomisch interessierten Leser zum Einen die umwelt-
ökonomischen Hintergründe der Klimaproblematik aufzuzeigen und die zur Verfü-
gung stehenden umweltpolitischen Instrumente zur dessen Lösung zu vergleichen. In
diesem Zusammenhang soll die theoretische Funktionsweise des Emissionszertifika-
tehandels bzw. Emissionshandels (EH) erläutert und dessen Hauptkritikpunkte unter-
sucht werden. Zum Anderen, soll ein Überblick über die internationalen Klimaschutz-
bemühungen gegeben werden, um das EU-Emissionshandelssystem in seiner Pra-
xisrelevanz einordnen zu können. Dabei sollen die zentralen Ausgestaltungsmerkma-
le dieses Handelssystems bekannt werden. Das sich ergebende Gesamtbild soll da-
zu befähigen die Komplexität des EH in Theorie und Praxis zu überschauen und
einen Eindruck über die damit verbundenen Chancen und Probleme zu erhalten.
Hierzu werden eingangs, die für die weitere Untersuchung relevanten naturwissen-
schaftlichen Hintergrundinformationen zum Treibhauseffekt gegeben. Daran anknüp-
fend folgt die Analyse der Klimaproblematik aus umweltökonomischer Perspektive.
Anschließend werden in Kapitel 3 die zur Lösung des beschriebenen Problems zur
Verfügung stehenden umweltpolitischen Instrumente miteinander verglichen. Dabei
wird die Wirkungsweise des Emissionshandels unter wissenschaftlich-theoretischen
Aspekten analysiert und die in der öffentlichen Diskussion bedeutendsten Kritikpunk-
te betrachtet. In Kapitel 4 werden die maßgeblichen internationalen Klimaabkommen,
ihre Beschlüsse und Instrumente zum Klimaschutz vorgestellt. Darauf aufbauend
werden die wichtigsten internationalen Emissionshandelssysteme präsentiert, um
dann in Kapitel 5 die praktische Ausgestaltung des EH am Beispiel des EU-
Emissionshandelssystems zu untersuchen. Dabei wird etwas intensiver auf den ei-
gentlichen Handel, als Kern des EH eingegangen. In diesem Zusammenhang wer-
den die technischen und regulatorischen Gegebenheiten und das Marktumfeld be-
trachtet. Zusätzlich wird in einem Exkurs ein kurzer Einblick in die durch den Emissi-
onshandel neu entstandenen Kapitalanlagemöglichkeiten gegeben.
Zur Bearbeitung des Themas werden umweltökonomisch-theoretische, als auch pra-
xisnahe Überlegungen und Daten herangezogen. Dabei wird für den Bereich der Ka-
pitalanlagemöglichkeiten, das Know-How der Investmentfondsmanagements der
Aquila Capital Concepts GmbH und der KlimaINVEST Management GmbH genutzt.

3
2 Treibhauseffekt und Marktversagen als Begründung für
die Notwendigkeit von Klimaschutzpolitik
2.1 Treibhauseffekt
Mittlerweile sind sich die führenden Klimawissenschaftler sicher, dass der sogenann-
te Treibhauseffekt für den seit Jahren zu beobachtenden Klimawandel bzw. Tempe-
raturanstieg verantwortlich ist
1
. Der durch Treibhausgase
2
(THG) in der Atmosphäre
bewirkte Treibhauseffekt ist aber per se nicht klimaschädlich. Ganz im Gegenteil,
denn ohne den natürlich existierenden Treibhauseffekt würde eine mittlere globale
Oberflächentemperatur von circa -18 °C auf der Erde herrschen. Denn Treibhausga-
se reflektieren einen bedeutenden Teil der von der Erde ausgestrahlten Wärme und
führen so zu einem Temperaturanstieg. Das eigentliche durch den Treibhauseffekt
verursachte Klimaproblem, entsteht allerdings durch den dramatischen Anstieg der
Konzentration der Treibhausgase, seit dem Beginn der Industrialisierung
3
. Diese
durch Menschen verursachte (anthropogene) Zunahme von THG-Emissionen ver-
stärkt den natürlichen Treibhauseffekt in dem Maße, dass es zu einem zusätzlichen
Temperaturanstieg, mit dramatischen Folgen kommt
(John / Rübbelke 2005: 18 f.; Erdmann
/ Zweifel 2008: 346 ff.)
.
Es gibt verschiedene Treibhausgase, die sich unter anderem durch ihre Konzentrati-
on und Verweildauer in der Atmosphäre unterscheiden lassen. Vor allem das bei der
Verbrennung von fossilen Energieträgern freigesetzte Treibhausgas Kohlenstoffdio-
xid gilt als Hauptverantwortlicher für den weltweiten Temperaturanstieg. Um eine
einheitliche Basis für Messungen und Vergleiche bezüglich des Effekts von THG auf
die Erderwärmung zu schaffen, hat es sich international eingebürgert, die Treibhaus-
gase über ihr Erwärmungspotential in CO
2
-Äquivalente
4
(CO
2
-Äqui) umzurechnen
1
Eine eingehendere naturwissenschaftliche Untersuchung des Treibhauseffektes, die Beweisführung
des Zusammenhangs mit dem Klimawandel und dessen Folgen sind nicht Bestandteil dieser Aus-
arbeitung. Siehe hierzu unter anderem (IPCC 2007: 2 ff.; Schneider 2005: 12 ff.).
2
Wasserdampf (H
2
O), Kohlendioxid (CO
2
), Methan (CH
4
), Distickstoffoxid (N
2
O), teilhalogenierte
Fluorkohlenwasserstoffe (H-FKW/HFC), perfluorierte Kohlenwasserstoffe (P-FKW/PFC), Fluor-
Chlor-Kohlenwasserstoffe (FCKW), Fluor-Kohlenwasserstoffe (FKW), Schwefelhexafluorid (SF
6
)
und Ozon (O
3
) (Lueg 2007: 1).
3
So hat beispielsweise seit der Industrialisierung, die Konzentration von CO
2
in der Atmosphäre um
circa 30 Prozent, die von Methan (CH
4
) um etwa 120 Prozent und die von Distickstoffoxid (N
2
O),
um ungefähr 10 Prozent zugenommen (John / Rübbelke 2005: 19).
4
Im Folgenden werden alle Treibhausgase als CO
2
-Äquivalente angegeben.

4
(John / Rübbelke 2005: 18 f.; Erdmann / Zweifel 2008: 346 ff.)
. Die nachfolgende Tabelle ver-
deutlicht, im Vergleich zu anderen bedeutenden Treibhausgasen, die hervorstechen-
de Stellung von Kohlendioxid bezüglich seines Anteils am Treibhauseffekt:
Treibhausgas
Konzentration
heute (ppm)
Kohlendioxid-
Äquivalente (ppm)
(100 Jahre)*
Anteil am
Treibhauseffekt
(100 Jahre)*
Kohlendioxid (CO
2
)
380
380
61 %
Methan (CH
4
)
1,8
26,3
15 %
FCKW
0,0009
14,3
11 %
Ozon (O
3
)
0,015-0,05
18,9
9 %
Lachgas (N
2
O)
0,3
8,5
4 %
THG-Emissionen im Allgemeinen und CO
2
-Emissionen im Speziellen, lassen sich
anhand dreier Merkmale ihrer Entstehung und Wirkung, von anderen atmosphäri-
schen Emissionen unterscheiden
(Erdmann / Zweifel 2008: 347 f.; Sinn 2008: 25)
:
·
Im Gegensatz zu lokal wirkenden Schadstoff-Emissionen ist der Ort der THG-
Entstehung nicht von Belang für den Ort der Schädigung; d.h. sie entfalten ei-
ne globale umweltbelastende Wirkung.
·
Ein Großteil der Folgen durch die anthropogenen CO
2
-Emissionen wird wahr-
scheinlich erst in den kommenden Jahrzehnten eintreten und damit die zu-
künftigen Generationen stärker belasten, als die existierende Generation. An-
dere atmosphärische Emissionen können in ihrer Wirkung unmittelbarer sein.
·
Aus physikalischer Sicht ist Wasserdampf das bedeutendste THG. Trotzdem
spielen CO
2
-Emissionen bei der Bekämpfung der Klimaproblematik eine ent-
scheidendere Rolle. Denn die Emissionen von Kohlenstoffdioxid, werden an-
ders als Wasserdampf, nicht nur von natürlichen Prozessen bestimmt.
Aufgrund der naturwissenschaftlichen Untersuchungsergebnisse zum Klimawandel
und zur Klimaentwicklung ist der dringende Bedarf der globalen Verringerung der
Treibhausgasemissionen offen gelegt
(Sinn 2008: 61)
. Aber aus welchem Grund kommt
es überhaupt zur Emission einer klimaschädigenden Menge an Treibhausgasen? Um
* Temperatureffekt über eine Zeitspanne von 100 Jahren zugrunde gelegt.
Ohne Berücksichtigung von Wasserdampf.
Tabelle 1: Bedeutende Treibhausgase im Vergleich
Quelle: In Anlehnung an (Sinn 2008: 30)

5
eine Antwort auf diese Frage zu finden, ist eine umweltökonomische Betrachtung des
Klimaproblems sinnvoll. Dabei muss die Ursache in der Charakteristik von Umweltgü-
tern, zu denen auch im weiteren Sinne das Klima als Solches gehört, gesucht wer-
den
(Sieg 2007: 129 f.)
. Aus diesem Grund bilden Umweltgüter für die weitere Analyse
die Ausgangsbasis. Um den Unterschied von Umweltgütern zu anderen Gütern deut-
lich zu machen, werden in diesem Kapitel kurz die Merkmale der verschiedenen Gü-
terarten beschrieben, um dann im nächsten Kapitel konkret auf die Fragestellung
einzugehen.
Güter können aufgrund ihrer Verfügbarkeit, ihrer Ausschließbarkeit vom Konsum und
aufgrund ihrer Rivalität im Konsum unterschieden werden
(Sieg 2007: 129 f.; Hohlstein /
Sperber / Sprink u.a. 2003: 551):
Verfügbarkeit:
·
Güter, die aufgrund ihrer Nachfrage, in ihrer Menge und Qualität nur begrenzt
verfügbar sind, werden als knappe Güter bezeichnet. Durch diese begrenzte
Verfügbarkeit, bei einer gegebenen Nachfrage, bildet sich ein Marktpreis
5
.
·
Wenn es sich dagegen um sogenannte freie Güter handelt, stehen diese in ih-
rer Menge und Qualität unbegrenzt zur Verfügung und können kostenlos in
Anspruch genommen werden.
Ob Umweltgüter freie Güter sind, hängt von der Perspektive und der Situation ab.
Wenn beispielsweise das Umweltgut "saubere bzw. mit Schadstoffen unbelastete
Luft"
6
als unbegrenzt angesehen werden kann, wird es zum freien Gut. Wird die Luft-
qualität bzw. Klimastabilität aufgrund steigender Luftverschmutzung gefährdet, wird
sie zum knappen Gut. Aufgrund der nach heutiger Ausgangslage begrenzten Qualität
von Umweltgütern, sind diese als knappe Güter einzuordnen. Dies gilt im Besonde-
ren für die Erdatmosphäre, da ihre maximale Aufnahmefähigkeit von THG exogen
beschränkt ist und nicht technisch erweitert werden kann
(Binder 1999: 2 f.; Hermeier
5
Unter Umständen ist aber der Marktpreis nicht direkt ermittelbar. Zur Erläuterung siehe weiter unten
im Text und Kapitel 2.2.
6
Wenn im weiteren Verlauf von Luftverschmutzung durch Schadstoffe gesprochen wird, ist damit eine
Emissionsmenge an Treibhausgasen gemeint, die zu einer Klimaschädigung führt. Wobei es sich
bei THG, wie bereits beschrieben, nicht um Schadstoffe per se handelt und eine Luftverschmutzung
durch andere atmosphärische Emissionen nicht direkt bzw. zwangsläufig den Klimawandel beeinf-
lusst.

6
2007: 71)
. Einer ökonomischen Betrachtung werden aufgrund der "Preiseigenschaft",
lediglich knappe Güter unterzogen.
Ausschließbarkeit vom Konsum und Rivalität im Konsum:
Wenn ein Individuum bei nicht Bezahlung des Marktpreises eines Gutes, von dessen
Konsum ausgeschlossen werden kann, besteht die sogenannte Ausschließbarkeit
vom Konsum. Die Rivalität im Konsum bedeutet, dass der Konsum eines Gutes bzw.
einer bestimmten Menge eines Gutes durch ein Individuum, die Konsumierbarkeit
des Gutes durch ein anderes Individuum einschränkt oder komplett verhindert
(Brüm-
merhoff 2007: 79 ff.; Bofinger 2007: 270 ff.)
:
·
Sind beide Bedingungen erfüllt, handelt es sich um ein sogenanntes privates
Gut.
·
Wenn ein Individuum nicht vom Konsum ausgeschlossen werden kann, han-
delt es sich um ein öffentliches Gut.
Ein Umweltgut ist aufgrund seiner "freien Zugänglichkeit" und der damit verbundenen
fehlenden Verpflichtung einen Marktpreis für deren Konsum zu entrichten, den öffent-
lichen Gütern zu zurechnen
(Sieg 2007: 129 f.)
. Abbildung 1 verdeutlicht und unterglie-
dert den dargestellten Sachverhalt noch weiter:
Ausschluss-Prinzip
Ja
Nein
Konsum
rivalisierend
Private Güter
z.B. Tasse Kaffee
Öffentliche Güter im
weiteren Sinne
z.B. "saubere" bzw. mit
Schadstoffen unbelastete
nicht-rivalisierend
Mautgüter
7
z.B. Theater mit freien Sitz-
plätzen
Öffentliche Güter im
engeren Sinne
z.B. Straßenbeleuchtung
7
Mautgüter sind für diese Ausarbeitung zum Emissionshandel nicht relevant und werden deshalb hier
nicht weiter behandelt.
Abbildung 1: Güterarten
Quelle: In Anlehnung an (Bofinger 2007: 272)

7
Zusammenfassend lässt sich festhalten, dass Umweltgüter als knappe Güter einzus-
tufen sind und den öffentlichen Gütern im weiteren Sinne
8
zu zuordnen sind. Daraus
ergibt sich eine besondere Konstellation. Denn obwohl wie zuvor festgestellt knappe
Güter einen Marktpreis besitzen, ist die Ermittlung des Selbigen nicht möglich, wenn
es sich dabei gleichzeitig um ein öffentliches Gut handelt. Der Grund hierfür ist in der
Nicht-Ausschließbarkeit vom Konsum zu suchen und wird zusammen mit dessen
Konsequenzen im folgenden Kapitel untersucht.
2.2 Marktversagen
Zur Nicht-Ausschließbarkeit vom Konsum eines Umweltgutes kommt es, wenn ihm
kein oder kein genau definiertes Eigentumsrecht bzw. Verfügungsrecht zugeordnet
werden kann, oder dass die Durchsetzung des Eigentumsrechts nicht sinnvoll er-
scheint. Eine genaue Definition der Eigentumsrechte oder deren Durchsetzung kann
dadurch verhindert sein, dass entweder die erforderlichen technischen Möglichkeiten
nicht vorhanden sind oder die damit verbundenen Transaktionskosten
9
zu hoch wä-
ren
(Brümmerhoff 2001: 74)
.
Wie bereits in Kapitel 2.1 dargestellt, führt die Nicht-Ausschließbarkeit vom Konsum
eines Umweltgutes dazu, dass kein Marktpreis für dessen Nutzung entsteht. Diese
Erkenntnis ist deshalb von Bedeutung, da die Existenz eines Preises in einem Markt
bei vollständiger Konkurrenz und geeignetem Ordnungsrahmen, zu einer pareto-
effizienten Allokation der Güter bzw. der Ressourcen führt
(Ahlheim / Stephan 1996: 51)
.
Anders ausgedrückt bedeutet dies, dass ,,(s)olange Preise ihre Funktion als Knap-
pheitssignale erfüllen, werden Ressourcen dorthin gelenkt, wo sie die größte Produk-
tivität entfalten und Güter dort konsumiert, wo sie den größten Nutzen stiften"
(Wei-
mann 1995: 30)
. Dieser Zusammenhang wird als Preismechanismus bezeichnet. Wenn
dieser Mechanismus nicht wirkt, hat dies zur Folge, dass der Markt sich nicht selbst
reguliert und es somit zum sogenannten Marktversagen kommt
(Ahlheim / Stephan 1996:
51)
.
8
Es ist denkbar, manche Umweltgüter auch einer anderen Güterkategorie zu zuteilen. In dieser Aus-
arbeitung wird aber der beschriebene Sachverhalt angenommen.
9
Diese Transaktionskosten entstehen beispielsweise durch die Informationsbeschaffung, die Ver-
tragsverhandlungen, -abschlüsse und -kontrollen (Brümmerhoff 2001: 74).

8
Um die im vorherigen Kapitel gestellte Frage, ,,warum es überhaupt zur Emission ei-
ner klimaschädigenden Menge an Treibhausgasen kommt?" zu beantworten, müssen
nunmehr lediglich noch die bisher festgestellten theoretischen Erkenntnisse auf das
Treibhausgasproblem angewendet werden:
Solange niemand aufgrund von durchsetzbaren Eigentumsrechten vom Konsum von
"sauberer bzw. mit Schadstoffen unbelasteter Luft" ausgeschlossen werden kann,
kommt es zu einem Marktversagen. Folglich kann jeder diese schadstofffreie Luft
konsumieren bzw. als Produktionsfaktor nutzen, indem er Treibhausgase emittiert,
ohne dafür einen Marktpreis entrichten zu müssen. Anders ausgedrückt heißt das,
dass ein Emittent aufgrund des fehlenden Preises den Verbrauch an sauberer Luft
bzw. die Klimaschädigung nicht in sein ökonomisches Kalkül einbeziehen muss. Der
Emittent der Schadstoffe erzielt also beim Verbrauch der "sauberen Luft" einen posi-
tiven Grenznutzen, ohne dabei die Grenzkosten, in Form der verbrauchten Ressour-
ce, zu berücksichtigen. Dadurch wird ein ökonomisch-rational handelndes
10
Indivi-
duum die Luftqualität bzw. Klimastabilität in dem Umfang mindern, wie es für die Ma-
ximierung seines persönlichen Nutzens nötig ist. Dieses Verhalten hat dann zur Fol-
ge, dass es zu einer ineffizienten Nutzung des Umweltgutes "saubere Luft" bzw. zu
einer Ressourcenverschwendung kommt. Dieser Zusammenhang wird als Nicht-
Erfüllung der sogenannten Effizienzbedingung bezeichnet. Diese Bedingung ist dann
erfüllt, wenn die Summe der Grenznutzen gleich der Summe der Grenzkosten ist
(Brümmerhoff 2001: 74 f.; Feess 2007: 38)
. Bei dem dargestellten Fall lässt sich exempla-
risch festhalten, dass eine aus ökonomischer Perspektive ineffiziente Allokation, oft-
mals auch zu einem ökologisch unerwünschten Ergebnis führt
(Wiesmeth 2003: 44 f.)
.
Der aufgezeigte Sachverhalt rund um die Effizienzbedingung lässt sich noch um die
Entstehung von sogenannten technologischen externen Effekten (EE) bzw. techno-
logischen Externalitäten
11
erweitern. Auch hier liegt die eigentliche Ursache in feh-
lenden oder unvollkommenen Verfügungsrechten. Externe Effekte kommen durch
ökonomische Aktivitäten, also durch Produktion oder Konsum von Gütern zustande,
10
Siehe zur Erklärung der theoretischen Hintergründe von ökonomisch-rationalem Handeln (Kirch-
gässner 2000: 1 ff.).
11
Es existieren desweiteren pekuniäre und psychologische Externalitäten, die aber für diese Untersu-
chung nicht von Belang sind. Zur Vertiefung siehe (Feess 2007: 41 f.). Im weiteren Verlauf wird von
externen Effekten gesprochen bei denen es sich um technologische EE handelt.

9
bei denen eine Nutzenbeeinflussung, mindestens eines anderen Individuums bzw.
Wirschaftssubjekts stattfindet, ohne dass diese Beeinflussung über einen Marktpreis
abgegolten wird
(Wiesmeth 2003: 55 f.)
.
Grundsätzlich werden negative und positive externe Effekte unterschieden
12
. Um ne-
gative Externalitäten (NEE) handelt es sich, wenn die Auswirkungen wirtschaftlicher
Aktivitäten eines Wirtschaftssubjekts das Nutzenniveau eines anderen Wirtschafts-
subjekts mindern. Bei positiven EE wird im Gegensatz dazu das Nutzenniveau des
anderen Wirtschaftssubjekts erhöht. In der weiteren Betrachtung, werden lediglich
negative externe Effekte untersucht, da diese im besonderen Maße für die Klima-
problematik von Belang sind. Dabei wird davon ausgegangen, dass der Treibhausef-
fekt, hervorgerufen durch Konsum- und Produktionsprozesse, die Gesellschaftsmitg-
lieder in ihren Nutzenniveaus negativ beeinflusst
13
. Angenommen es existiert eine
soziale Wohlfahrtsfunktion
14
, in der die positiven und negativen Nutzen aller Gesell-
schaftsmitglieder eingehen, dann stellt sie sich bei Existenz von NEE wie folgt dar
(Feess 2007: 37 ff.; Bofinger 2007: 272 ff.)
:
Soziale Wohlfahrt = Grenznutzen des Emittenten durch Nutzung des Gutes "saubere
Luft" - Grenzkosten der durch die negative Externalität entsteht
Um die Wirkung von NEE zu verdeutlichen, lässt sich die dargestellte soziale Wohl-
fahrtsfunktion umarbeiten
15
(Brümmerhoff 2001: 73)
:
Soziale Grenzkosten = Private Grenzkosten + aggregierte Kosten der negativen EE
Daraus folgt bei Existenz von NEE: Soziale Grenzkosten > Private Grenzkosten
12
Die Einteilung ergibt sich aus der Differenz zwischen den privaten Kosten/Erträgen der Aktivität und
den sozialen Kosten/Erträgen. Näher nachzulesen in (Bofinger 2007: 272 ff.).
13
Im weiteren Verlauf dieser Arbeit auch als Kosten bezeichnet. Selbstverständlich ist es aber auch
denkbar, dass der anthropogene Treibhauseffekt das Nutzenniveau eines Individuums kurzfristig
erhöhen kann (z.B. Eine größere Ernte durch mildere Temperaturen in bisher kalten Regionen).
Dieser Überlegung wird hier aber nicht weiter nachgegangen.
14
In dieser Ausarbeitung wird nicht näher auf die soziale Wohlfahrtsfunktion, ihre Kriterien und die
damit verbundenen Probleme der Operationalisierbarkeit eingegangen. Siehe hierzu wohlfahrts-
ökonomische Literatur.
15
Dazu wird ungeachtet der Schwierigkeiten einer monetären Bewertung von EE, von dieser Möglich-
keit ausgegangen. Zu den methodischen und konzeptionellen Aspekten der Monetarisierung von
EE siehe (Brümmerhoff 2001:150 ff.).

10
Da nutzenmaximierende Wirtschaftssubjekte lediglich ihre privaten Grenzkosten
16
bei
Ausübung einer ökonomischen Aktivität berücksichtigen und die nicht zu bezahlen-
den Kosten der NEE vernachlässigen, wird die Effizienzbedingung nicht erfüllt. Hie-
raus lässt sich ableiten, dass die bereits dargestellte Effizienzbedingung bei Nutzung
von Umweltgütern und die Effizienzbedingung bei Existenz von negativen externen
Effekten analog zu sehen sind. Somit sind ebenfalls externe Effekte mit einem Markt-
versagen verbunden und es kommt auch hier zu einer ineffizienten Allokation der
Ressourcen bzw. Güter
(Feess 2007: 42)
.
Im folgenden Beispiel und in Abbildung wird der eben beschriebene Zusammenhang
verdeutlicht: Angenommen ein ökonomisch-rational handelnder Betreiber eines
Steinkohlekraftwerkes (KKW), verbraucht bei der Produktion einer Mengeneinheit
Strom, "saubere Luft" indem er eine Tonne CO
2
emittiert
17
. Für ihn stellt die Emission
bzw. der Verbrauch an schadstofffreier Luft ein kostenloser Produktionsfaktor dar,
der ihm durch eine positive Grenzproduktivität einen Nutzenzuwachs ermöglicht
(Feess 2007: 43)
. Bei der Produktion von Strom berücksichtigt er lediglich seine priva-
ten Grenzkosten
18
. Denn aufgrund fehlender Eigentumsrechte an schadstofffreier
Luft, muss der Betreiber des KKW weder die unmittelbar entstehenden Kosten der
Externalität (z.B. Luftverschmutzung durch Ruß), noch diejenigen, die für zukünftige
Generationen
19
erwachsen (z.B. Klimaschädigung) tragen. In der Abbildung lassen
sich die Kosten des negativen externen Effekts aus der Differenz der sozialen
Grenzkostenkurve und der privaten Grenzkostenkurve ablesen. Die Vernachlässi-
gung der Kosten der EE bzw. dem Bedarf des KKW lediglich die privaten Grenzkos-
ten zu beachten, veranlasst es eine Strommenge (X
0
) zum markträumenden Preis
von (p
0
) anzubieten. Denn an diesem Punkt maximiert es seinen Nutzen. Wenn das
KKW die sozialen Grenzkosten mit in seine Kostenkalkulation einbeziehen müsste,
würde es aufgrund der gestiegenen Kosten den Strom zu einem höheren Preis am
16
Das sind solche Grenzkosten die beispielsweise durch die Beschaffung und Verarbeitung der Pro-
duktionsfaktoren oder den Konsum der Güter beeinflusst werden.
17
Für die weitere Arbeit wird angenommen, dass sich das Emissionsniveau proportional zum Produk-
tionsniveau verhält.
18
Diese Kosten werden beispielsweise durch die Förderung und Verbrennung der Steinkohle beeinf-
lusst.
19
Auch wenn es möglich wäre/ist einen Preis und somit einen Markt für externe Effekte zu schaffen,
bleibt es den zukünftigen Generationen trotzdem verwehrt, sich auf diesem "heutigen" Markt, mit in
die Preisverhandlungen einzubringen (Brümmerhoff 2001: 74 f.).

11
Markt anbieten. Was dazu führen würde, dass sich ein neues Marktgleichgewicht bei
(p
opt
) einfindet. Zu diesem neuen Markträumungspunkt wird nun eine gesamtwirt-
schaftlich wünschenswerte, geringere Menge (X
opt
) an Strom produziert bzw. an CO
2
emittiert
(Endres 2007: 16 ff.; Farmer / Stadler 2005: 124 ff.)
.
Wie hier nachgewiesen wurde, sind die Marktkräfte alleine nicht in der Lage eine ge-
sellschaftlich erwünschte Menge an Umweltgüternutzung bzw. an THG-Emissionen
herbei zu führen. Somit ist ein staatliches Eingreifen notwendig. Es besteht ein inter-
nationaler Konsens darüber, dass dem Temperaturanstieg durch klimapolitische
Maßnahmen entgegengewirkt werden muss. Allerdings ist im Vergleich zu Umwelt-
schädigungen durch "andere" atmosphärische Emissionen das Treibhausgasproblem
erst seit den 1980er Jahren Gegenstand der Umweltpolitik. Daraus folgt, dass es
bisher nur wenige Erkenntnisse über die Wirkungen von politischen Strategien und
Instrumenten zur Emissionsvermeidung bzw. -reduktion von THG gibt
(Erdmann / Zwei-
fel 2008: 347 f.)
.
private Grenzkosten
NEE
Abbildung 2: Wirkung von negativen externen Effekten
Quelle: In Anlehnung an (Bofinger 2007: 274)
soziale Grenzkosten
Strommenge bzw. Emissionsmenge
Nachfrage
Preis,
GK
X
0
X
opt
p
opt
p
0

12
3 Emissionszertifikatehandel als Instrument der
Klimaschutzpolitik
3.1 Internalisierung externer Effekte durch umweltökonomische
Instrumente
Im vorangegangenen Kapitel wurde aufgezeigt, dass solange die Wirtschaftssubjekte
nicht alle tatsächlich entstandenen gesamtwirtschaftlichen Kosten in ihre Produkti-
ons- bzw. Konsumentscheidungen einbeziehen, es weder zu einer ökonomischen
noch ökologischen pareto-effizienten Allokation von Umweltgütern bzw. THG-
Emissionen kommt. Es muss also Ziel der Umweltpolitik sein, Mittel einzusetzen, die
die Verursacher eines NEE (Konsumenten bzw. Produzenten) dazu veranlasst, sämt-
liche Kosten ihrer Handlung ins Kalkül zu ziehen. Sodass dann der Preis des Um-
weltgutes die tatsächliche Knappheit und die Knappheitsfolgen anzeigt. Dieses Vor-
gehen wird als Internalisierung von negativen externen Effekten nach dem Verursa-
cherprinzip bezeichnet
(Mussel / Pätzold 1996: 38 ff.; Endres 2007: 22 ff.)
.
Im nachfolgenden werden die zwei umweltökonomischen Konzepte zur Internalisie-
rung von NEE vorgestellt. Zur Vervollständigung und um eine Aussage treffen zu
können, welches umweltpolitische Instrument für die Lösung der Klimaproblematik
am erfolgversprechendsten scheint, ist zusätzlich noch eine weitere umweltpolitische
Handlungsalternative zu betrachten
20
. Zur Beurteilung der Instrumente werden zum
Einen mit dem Pareto-Kriterium wohlfahrtsökonomische Überlegungen angestellt,
zum Anderen werden mit der Analyse der Kosteneffizienz und des ökologischen
Zielerreichungsgrades umweltökonomische Überlegungen herangezogen.
Grundsätzlich sind zwei umweltpolitische Handlungsweisen möglich, die ein ökolo-
gisch gewünschtes Ergebnis herbeiführen können
(Mussel / Pätzold 1996: 40)
:
·
Intervention bei Bedarf und / oder
·
Implementierung eines geeigneten Ordnungsrahmens
20
Es werden nur solche umweltpolitischen Instrumente analysiert, die eine ökonomische Beurteilung
zulassen. Somit sind Instrumente, wie beispielsweise die Moral suasion nicht Gegenstand dieser
Arbeit. Siehe hierzu unter anderem (Mussel / Pätzold 1996: 95 ff.).

13
Bei der erstgenannten Variante greift der Staat kontinuierlich in das Marktgeschehen
ein, um ökologisch unerwünschte Ergebnisse zu vermeiden. Dazu bedient er sich
ordnungsrechtlicher Instrumente, die er ständig an die jeweilige Situation bzw. das
individuelle Problem anpassen muss. Im zweiten Fall dagegen, beschränkt sich der
Staat darauf, einmalig geeignete "ökologische" Rahmenbedingungen zu schaffen, die
eine Internalisierung der NEE durch den Marktmechanismus gewährleisten. Bei die-
ser rein ordnungspolitischen Handlungsweise, wird durch den Einsatz von marktwirt-
schaftlichen Instrumenten, eine permanente Intervention überflüssig.
Ordnungsrechtliche Instrumente:
Sie stellen das traditionelle umweltpolitische Instrumentarium dar und werden am
häufigsten eingesetzt
21
. Dabei handelt es sich um staatlich festgelegte Auflagen zur
Einhaltung ökologischer Normen. Zu diesen Auflagen zählen alle Gebote und Verbo-
te in den unterschiedlichsten Ausformungen. Umweltauflagen können beispielsweise
die Güterproduktion regeln, in dem entsprechende Auflagen für Produktionsverfah-
ren, Produktnormen, Produktions- und Emissionsmengen erlassen werden. Bei ei-
nem Verstoß gegen die Auflagen wird der Verursacher von Seiten des Staates be-
straft. Ordnungsrechtliche Instrumente haben durch ihren Zwangscharakter, inner-
halb des umweltpolitischen Instrumentariums, die für die Wirtschaftssubjekte am
stärksten einengende Wirkung. Damit Auflagen das gewünschte ökologische Verhal-
ten der Wirtschaftssubjekte garantieren, müssen allerdings zwei Bedingungen erfüllt
sein. Zum Einen muss die Bestrafung, zum Beispiel in Form eines Bußgeldes, min-
destens gleich hoch sein, wie der monetäre Nutzen den das Wirtschaftssubjekt hat,
wenn es dagegen verstößt. Zum Anderen muss garantiert sein, dass die Einhaltung
der Auflagen kontrolliert und dass Verstöße gegen die Auflagen geahndet werden.
Andernfalls würde sich ein ökonomisch-rational handelndes Wirtschaftssubjekt nicht
an die Auflagen halten
(Feess 2007 59 ff.; Farmer / Stadler 2005: 281 ff.)
.
Ordnungsrechtliche Maßnahmen erfüllen einen gewissen "Gerechtigkeitsaspekt",
denn die Auflagen gelten für jedermann im gleichen Maße. Aufgrund dieser Tatsa-
che und dem Zwangscharakter von Auflagen scheinen ordnungsrechtliche Maßnah-
21
Ungefähr 90 Prozent der umweltpolitischen Maßnahmen fußen auf dem Ordnungsrecht (Mussel /
Pätzold 1996: 56).

14
men dort sinnvoll zu machen, wo es sich um die Abwehr unmittelbarer Umweltzerstö-
rung geht. Handelt es sich allerdings nicht um die Vermeidung akuter Umweltbedro-
hungen, liegt aus ökonomischer Sicht in dem beschriebenen "Gleichbehandlungs-
prinzip" auch der größte Nachteil ordnungsrechtlicher Instrumente. Die ökonomische
Schwachstelle ergibt sich aus der Vernachlässigung der Tatsache, dass die Emitten-
ten unterschiedliche Grenzkosten für die Emissionsvermeidung bzw. -reduktion, so-
genannte Grenzvermeidungskosten
22
(GVK), besitzen. Dadurch kann es bei einer
Gleichbehandlung der Emittenten nicht zu einer aus gesamtwirtschaftlicher Perspek-
tive kosteneffizienten Emissionsreduktion kommen
23
. Denn es ist ökonomisch ineffi-
zient, bei unterschiedlichen GVK jeden Emittenten mit den gleichen Auflagen zur
Reduktion einer bestimmten Menge an THG-Emissionen zu belegen
(Endres 2007: 122
ff.; Farmer / Stadler 2005: 281 ff.)
. Dies soll in Abbildung 3 verdeutlicht werden
(Mussel / Pät-
zold 1996: 56 ff.)
:
Ausgehend von dem politisch gewollten Ziel die Gesamtemissionsmenge (E
0
) um die
Hälfte zu reduzieren, wird eine Auflage erlassen, die alle Emittenten dazu verpflichtet
ihre individuellen Emissionen (E) zu halbieren. Angenommen in der Volkswirtschaft
existieren lediglich zwei Emittenten (UN 1 und UN 2) mit unterschiedlichen Grenz-
vermeidungskostenkurven (GVK
UN1
und GVK
UN2
). So entstehen dem UN 1 bei Hal-
bierung seiner Emissionsmenge Kosten in Höhe der Fläche A
24
und dem UN 2 Kos-
ten in Höhe der Flächen A+B. Das UN 2 hat also in diesem Fall deutlich höhere
Grenzvermeidungskosten (GVK
UN2; 1
) als UN 1 (GVK
UN1; 1
). Es gilt aber, dass Kos-
teneffizienz nur dann gegeben ist, wenn beide Unternehmen die gleichen Grenzver-
meidungskosten besitzen. Es wird also zwar das umweltpolitische Ziel der gesamt-
wirtschaftlichen Emissionshalbierung erreicht, allerdings zu einem nicht kostenmini-
malen Preis
25
.
22
Die GVK hängen beispielsweise von dem Einsatz von Technologien zur Emissionsreduktion ab, der
sehr unterschiedlich bei den Emittenten sein kann (Endres 2007: 124).
23
Ein Sonderfall ergibt sich bei einem kompletten Verbot der umweltverschmutzenden Aktivität. Denn
dann ist die Frage der GVK-Unterschiede der Unternehmen irrelevant (Feess 2007: 61 f.).
24
Alle Flächen der Abbildungen 3 und 4 ergeben sich aus dem Raum begrenzt durch die Punkte E
opt
,
½ E
0
, E
0
und unterhalb bzw. zwischen den GVK-Kurven.
25
Beim Einsatz von Auflagen entstehen der Wirtschaft und damit der Gesellschaft in etwa doppelt so
hohe Kosten der Emissionsvermeidung wie beim Einsatz marktwirtschaftlicher Instrumente (Mussel
/ Pätzold 1996: 56).

15
Somit kann bei einer Auflagenpolitik eine kosteneffiziente Emissionsminderung nur
dann erreicht werden, wenn der in der Praxis unrealistische Fall gilt, dass die Emit-
tenten im Ausgangszeitpunkt die gleichen GVK aufweisen. Oder entgegen dem ge-
setzlichen Gleichbehandlungsgebot, gegenüber Unternehmen entsprechend ihrer
jeweiligen Grenzvermeidungskosten, individuelle Auflagen angeordnet werden. Al-
lerdings besteht hier das Problem der asymmetrischen Informationsverteilung, dass
es unwahrscheinlich macht, dass dem Politiker die jeweiligen GVK der Emittenten
bekannt sind. Um aber den theoretischen Beweis zu erbringen, dass es möglich ist,
die umweltpolitisch gewollte Emissionsmenge bei gleichzeitiger Kosteneffizienz mit
einer Auflagenpolitik zu erreichen, wird angenommen, dass diese Unwägbarkeiten
nicht bestehen. Zudem wird unterstellt, dass eine horizontale Aggregation der unter-
nehmensindividuellen Grenzvermeidungskostenkurven möglich ist
(Wiesmeth 2003: 150
ff.; Feess 2007: 60 ff.)
. Unter diesen Annahmen ergibt sich das in Abbildung 4 dargestell-
te Szenario
(Endres 2007: 126 ff.)
:
Ausgehend von dem Ziel einer kosteneffizienten Halbierung der Gesamtemissions-
menge (bei GVK
opt
) müsste UN 1, das geringere Grenzvermeidungskosten hat als
UN 2, per Auflage eine marginale Emissionseinheit mehr reduzieren (bis E
opt
). Dafür
würde sich für das UN 2 die Erlaubnis ergeben, eine marginale Emissionsmenge
Auflage ½ E
0
GVK
UN1
E
E
0
½ E
0
Abbildung 3: Wirkung von Auflagenpolitik
Quelle: In Anlehnung an (Mussel / Pätzold 1996: 59)
GVK
UN2
GVK
B
A
GVK
UN2; 1
GVK
UN1; 1

16
mehr auszustoßen (bis E
opt
). Bei dieser Verschiebung der Emissionsmengen kommt
es zwar zu einem kostensteigernden Effekt der Emissionsvermeidung für UN 1 in
Höhe der Fläche C, aber zu reduzierten Kosten für UN 2 in Höhe der Fläche D. Für
die Volkswirtschaft kommt es zu einer Kostenentlastung, deren Höhe sich aus der
Differenz der Flächen C und D errechnet. Zu beachten ist, dass das gewünschte
umweltpolitische Ziel trotz der Umschichtung der Emissionsmengen zwischen den
Unternehmen erreicht wird.
Beim Einsatz ordnungspolitischer Instrumente ist aber zu betonen, dass die politisch
festgelegte Gesamtemissionsmenge in der Praxis nicht der gesellschaftlich er-
wünschten entspricht. Denn hierzu müsste der Staat einen Emissionsgrenzwert fixie-
ren, der sich auf Basis der sozialen Grenzkosten ergibt. Dieses Unterfangen scheitert
aber an unvollständigen Informationen über die individuellen Grenzkostenfunktionen.
Somit kommt es bei ordnungsrechtlichen Instrumenten zu keiner Internalisierung von
externen Effekten bzw. keiner pareto-optimalen Allokation
(Feess 2007: 62 ff.)
.
Zusätzlich zur fehlenden Internalisierung EE und bestehender Kostenineffizienz wird
durch ordnungsrechtliche Instrumente ein weiteres Problem hervorgerufen, und zwar
die sogenannte dynamische Ineffizienz. Damit ist gemeint, dass durch Auflagen die
Anreizwirkung zur Entwicklung umweltschonenderer Technologie zurückgeht. Dies
liegt daran, dass sich die Auflagen am aktuellen Stand der Technik orientieren. Da-
durch ergibt sich für die Unternehmen, die lediglich die Auflagen einhalten wollen,
keinerlei Anreiz die vorgeschriebenen Emissionshöchstwerte mit noch effizienterer
Technologie zu unterschreiten. Der Unternehmer müsste sogar bei Einführung neuer
Technologien fürchten, dass die Auflagen an den neuen Stand der Technik ange-
passt würden. Eine Reduzierung der Emissionen über die festgelegten Grenzwerte
würde sich allenfalls zufällig bei Einführung einer produkttechnischen Neuerung er-
geben
(Mussel / Pätzold 1996: 61; Endres 2007: 134)
.

1
7
Beide Unternehmen Unternehmen 1 Unternehmen 2
GVK
UN1+2
E
E
0
½ E
0
GVK
GVK
opt
GVK
UN2
Auflage ½ E
0
E
E
0
½ E
0
D
E
opt
E
opt
C
Auflage ½ E
0
GVK
UN1
E
E
0
½ E
0
GVK
GVK
Abbildung 4: Berücksichtigung der individuellen Grenzvermeidungskosten bei Auflagenpolitik
Quelle: In Anlehnung an (Endres 2007: 128)

18
Internalisierungskonzepte externer Effekte und daraus abgeleitete
marktwirtschaftliche Instrumente:
Wie bereits erwähnt, versucht die Politik mit der Setzung von geeigneten "ökologi-
schen" Rahmenbedingungen eine Internalisierung der NEE über den Marktmecha-
nismus herbeizuführen und damit das Marktversagen zu beheben. Dazu bedient sich
die Politik marktwirtschaftlicher Instrumente, die im Folgenden vorgestellt werden.
3.1.1 Eine Preislösung - Das Pigou-Modell
Eine der zwei Internalisierungskonzepte ist in der wissenschaftlichen Literatur auch
als Preismethode bekannt und basiert auf dem sogenannten Pigou-Modell. Dabei
wird anders als bei der Auflagenpolitik nur einen bestimmten Emissionsgrenzwert
vorzuschreiben, dem Umweltgut ein Preis zugeordnet. Damit wird zum Einen ermög-
licht die Knappheit des Gutes anzuzeigen und zum Anderen, wird es möglich die
Emittenten für die verursachten Kosten der NEE zur Zahlung zu verpflichten. Diese
Zwangszahlung erfolgt in Form einer Abgabe bzw. Steuer
26
und entspricht im Modell
von Pigou den Grenzkosten der Geschädigten. Dadurch muss der Emittent bei sei-
ner Produktion die sozialen Grenzkosten berücksichtigen und es kommt somit zu ei-
ner pareto-effizienten Produktions- bzw. Emissionsmenge
(Wigger 2006: 68 f.)
. Die
Funktionsweise der Internalisierungsvariante nach Pigou wird durch Abbildung 5 de-
taillierter dargestellt
(Mussel/Pätzold 1996: 41 f.)
:
Es wir angenommen, dass das aus Kapitel 2.2 erwähnte Steinkohlekraftwerk (KKW)
bei der Produktion von Strom lediglich seine privaten Grenzkosten (GK
priv
) berück-
sichtigt. Dadurch bildet sich aufgrund der Nachfrage ein Marktgleichgewicht bei einer
Strom-bzw. Emissionsmenge von X
1
, zu einem Preis von P
1
.
Allerdings entstehen
durch die Emission von Treibhausgasen negative externe Effekte, die die sozialen
Grenzkosten (GK
soz
) über den privaten GK liegen lassen. Die Politik erhebt nun eine
Steuer (t) für jede Emissionseinheit beim KKW in der Höhe der verursachten Grenz-
26
In dieser Ausarbeitung wird aus Vereinfachungsgründen kein Unterschied zwischen Steuern und
Abgaben vorgenommen und sie werden als Synonyme verwendet. Obwohl eine differenzierte Be-
trachtung für die Praxis von Relevanz ist. Hauptunterschied ist, dass die Aufwendungen für die Ab-
gaben zweckgebunden sind und zur Beseitigung der verursachten Umweltschäden verwendet
werden müssen. Während die Steueraufwendungen, gemäß dem sogenannten Non-
Affektationsprinzip, nicht zweckgebunden sind. Für eine vertiefende Betrachtung siehe (Feess
2007: 71 ff.; Brümmerhoff 2001: 70 ff.).

19
kosten der Geschädigten und erreicht somit eine Internalisierung der Externalitäten
und eine pareto-optimale Preis-Mengen-Kombination. Denn durch die Einführung
dieser sogenannten Pigou-Steuer (t*) sind für den Verursacher nun nicht mehr die
privaten Grenzkosten das Entscheidungskriterium seiner Produktions- bzw. Emis-
sionsmenge, sondern die sozialen Grenzkosten. Dies führt zu der gesellschaftlich
erwünschten Produktion der pareto-effizienten Gütermenge (X
opt
), die niedriger aus-
fällt als zuvor, bei einem höheren Preis (P
opt
).
Das besondere an der Pigou-Steuer ist, dass nicht die optimale Emissionsmenge
vorgeschrieben wird, sondern eine Steuer auf jede Emissionseinheit erhoben wird.
Dabei soll die Steuer das Verhalten der Emittenten in die ökologisch gewünschte
Richtung lenken. Bei der Pigou-Steuer handelt es sich damit um eine Art "Lenkungs-
steuer". Wobei es dem Verursacher überlassen wird, ob er die Steuer zahlt oder ob
und in welchem Ausmaß er die Emission vermeidet
(Brümmerhoff 2001: 88)
. Die Überle-
gung wann sich der Emittent für welche Handlungsalternative entscheidet wird in Ab-
bildung 6 näher betrachtet
(Mussel/Pätzold 1996: 42 f.; Feess 2007: 72 ff.)
:
X
opt
Nachfrage
Preis, t,
GK
Abbildung 5: Internalisierung von negativen Externalitäten im Pigou-Modell
Quelle: In Anlehnung an (Brümmerhoff 2001: 86)
GK
priv
+ t = t*
P
opt
GK
priv
GK
soz
P
1
NEE
X
1
Strommenge bzw. Emissionsmenge

20
Wie bereits beschrieben, wird die pareto-optimale Emissionsmenge (E
opt
) bei einem
Preis (P
opt
) erreicht. Dies ist dann der Fall, wenn die Grenzkosten des NEE (GK
NEE
)
27
genau gleich hoch sind, wie die Grenzvermeidungskosten (GVK) des Emittenten. Ab
welchem Zeitpunkt sich der Emittent dazu entschließt seine Emissionsmenge (E) zu
reduzieren und wann er bereit ist für die ausgestoßene Emissionsmenge eine Steuer
zu zahlen, hängt von seinen Grenzvermeidungskosten ab. Angenommen er emittiert
im Ausgangszeitpunkt eine Emissionsmenge E
1
, so hätte er für jede zusätzlich ein-
gesparte Emissionseinheit Grenzvermeidungskosten die oberhalb von GVK
1
liegen.
Ein ökonomisch-rational handelnder Emittent würde aber anstatt beispielsweise teure
Emissionsminderungstechnik einzusetzen, seine Emissionen bis E
opt
ausdehnen und
die günstigere Steuer pro zusätzlicher Emissionseinheit in Höhe von t* zahlen. An-
dersherum verhält sich der Emittent, wenn seine ursprüngliche Emissionsmenge bei
E
2
liegt. Hier würde jede eingesparte Emissionseinheit nur Grenzvermeidungskosten
verursachen, die oberhalb von GVK
2
liegen. Er würde solange weniger emittieren, bis
seine GVK gleich hoch sind wie die zu zahlende Steuer t*. Auch in diesem Fall stellt
sich die pareto-optimale Emissionsmenge E
opt
ein. Alle Emittenten passen also so-
lange ihre Emissionen an bis ihre Grenzvermeidungskosten dem Steuersatz ent-
sprechen. Dadurch sind bei einem einheitlich geltenden Steuersatz, im Schnittpunkt
die Grenzvermeidungskosten der Emittenten identisch. Und wie bereits an anderen
Stellen erwähnt, stellen einheitliche Grenzvermeidungskosten die Bedingung für eine
kosteneffiziente Internalisierung von NEE dar.
27
Die Grenzkostenkurve des NEE ergibt sich, ausgehend von Abbildung 5, aus dem senkrechten Ab-
stand der Kurven der GK
soz
und der GK
priv
.

21
Anders als bei der Auflagenpolitik ergibt sich bei Erhebung einer Pigou-Steuer keine
dynamische Ineffizienz. Das bedeutet, dass unabhängig eines bestimmten Emissi-
onsgrenzwertes, ein ständiger Anreiz zur Entwicklung effizienterer Technologien zur
Emissionsvermeidung besteht. Denn ökonomisch-rational handelnde Unternehmen
sind bestrebt Technologien einzusetzen, die die Kosten der Emissionsreduktion unter
die Steuerbelastung drücken. Anders ausgedrückt versuchen die Emittenten durch
umwelttechnische Innovationen ihre GVK-Kurven nach links zu verschieben
(Endres
2007: 136)
.
Allerdings ist das Pigou-Modell trotz der vielversprechenden Wirkungsweise in seiner
praktischen Anwendbarkeit nur bedingt geeignet, da es mit einer nicht zu überbrü-
ckenden Informationsasymmetrie verbunden ist. Denn für die Erzielung einer pareto-
effizienten Allokation muss der Staat den Steuersatz genau in Höhe der Grenzkosten
des negativen externen Effekts erheben. Allerdings ist dieses in der Realität nicht
möglich, da lediglich die Geschädigten über diese Information verfügen
28
. Zum ande-
ren ist es nur schwer möglich, alle Verursacher von externen Effekten eindeutig zu
identifizieren. Denn oft bestehen Verflechtungen der Umweltschädigung auf mehre-
28
Selbst wenn der Staat über diese Information verfügen würde, so wäre es ihm aber nicht möglich
diese in eine gesamtwirtschaftliche Präferenzordnung zu bringen (Mussel/Pätzold 1996: 44).
t*, P
opt
GK
NEE
E
E
opt
E
1
Abbildung 6: Die Pigou-Steuer als Lenkungssteuer
Quelle: In Anlehnung an (Mussel / Pätzold 1996: 43)
GVK
GK, GVK,
Preis, t
E
2
GVK
1
GVK
2

22
ren Wirtschaftsebenen
29
. Selbst wenn von einer pareto-optimalen Allokation abgese-
hen wird, birgt das Pigou-Modell einen weiteren Schwachpunkt. Dieser zeigt sich da-
hingehend, dass ein von der Politik gewünschtes Emissionsmengenziel nicht auf An-
hieb bzw. garantiert erreicht wird. Denn aufgrund von Informationsmängeln über die
GVK-Verläufe der Emittenten, kann der Staat lediglich in einem Trial-and-error Pro-
zess den Steuersatz erheben, der die Emittenten dazu veranlasst ihre Emissionen
auf das gewünschte Niveau zu reduzieren. Die Verbindung der Pigou-Steuer mit der
Vorgabe eines zu erreichenden Umweltstandards ist als sogenannter Standard-
Preis-Ansatz bekannt
(Brümmerhoff 2001: 87; Mussel/Pätzold 1996: 44 ff.)
.
3.1.2 Eine Verhandlungslösung - Das Coase-Theorem
Das zweite Internalisierungskonzept setzt an dem bereits erläuterten Sachverhalt an,
dass Marktversagen dadurch entsteht, dass keine bzw. unvollkommene Eigentums-
rechte an den entsprechenden Umweltgütern existieren. Angenommen es bestehen
aber vollkommene Verfügungsrechte, deren Durchsetzung und Übertragbarkeit
staatlich garantiert sind, dann wird nicht nur eine Überbeanspruchung des Umweltgu-
tes verhindert, sondern auch bestehende externe Effekte über den Marktpreis abge-
golten. Denn durch die durchsetzbaren Eigentumsrechte würde das vormals öffentli-
che Gut Umwelt in ein privates Gut umgewandelt werden. Was zur Folge hätte, dass
die Geschädigten und die Verursacher der Umweltverschmutzung über den Preis der
Externalität verhandeln. Das Problem des Marktversagens wäre beseitigt und die
Marktkräfte würden infolgedessen selbstständig eine pareto-effiziente Verbrauchs-
menge des Umweltgutes finden. Dabei spielt es aus ökonomischer Sicht keine Rolle,
ob die Eigentumsrechte an dem Umweltgut in den Händen des Verursachers oder
des Geschädigten sind. Es kommt gleichermaßen zu einer pareto-effizienten Ver-
wendung der Umweltgüter und somit zu einer Maximierung der gesamtwirtschaftli-
chen Wohlfahrt
30
. Diese Theorie ist als Coase-Theorem bekannt
(Endres 2007: 136)
.
Der beschriebene Zusammenhang wird in Abbildung 7 veranschaulicht
(Wigger 2006:
64 ff.)
:
29
Für eine umfassendere Betrachtung siehe (Brümmerhoff 2001: 86 ff.).
30
Allerdings bleiben Aspekte der sozialen Gerechtigkeit dabei unberücksichtigt.

23
Angenommen die Eigentumsrechte liegen beim Geschädigten "B", dann müsste der
Schädiger "A" für beispielsweise jede ausgestoßene Emissionseinheit eine Kompen-
sation an B bezahlen. In diesem Fall der Eigentumsrechteverteilung handelt es sich
um das sogenannte Verursacherprinzip. Die Höhe der Entschädigung richtet sich
dabei nach den Grenzkosten des NEE (GK
NEE
) die dem B entstehen. Für A ist es so-
lange günstig diese Entschädigungszahlungen vorzunehmen, solange seine Grenz-
vermeidungskosten (GVK) höher liegen. Dies ist beispielsweise bei der Emissions-
menge E
2
der Fall. Sobald die Ausgleichszahlungen aber höher als seine Grenzver-
meidungskosten sind (so beispielsweise in E
1
), wird der Verursacher seine Emissio-
nen drosseln bzw. in emissionsreduzierende Technologien investieren. Dadurch be-
wegen sich unabhängig der Ausgangssituation die Emissionen zur pareto-effizienten
Menge E
opt
.
Sind die Eigentumsrechte andersherum verteilt, wird dieses als Nutznießerprinzip
bezeichnet. Bei dieser Konstellation wird der Geschädigte B dem Verursacher A so-
lange Geld für die Emissionsvermeidung bzw. -reduktion zahlen, solange seine durch
die Emission zu tragenden Grenzkosten höher als diese "Unterlassungszahlungen"
sind (so zum Beispiel in E
1
). Nach der gleichen Methode wie zuvor beschrieben, wird
sich unabhängig der Ausgangslage eine pareto-effiziente Emissionsmenge in E
opt
einfinden
(Mussel / Pätzold 1996: 46 ff.)
.
GK
NEE B
E
E
opt
E
2
Abbildung 7: Internalisierung von negativen Externalitäten nach dem Coase-Theorem
Quelle: In Anlehnung an (Mussel / Pätzold 1996: 47)
GVK
A
GK,
GVK
E
1

Details

Seiten
Erscheinungsform
Originalausgabe
Jahr
2009
ISBN (eBook)
9783836640886
DOI
10.3239/9783836640886
Dateigröße
5.1 MB
Sprache
Deutsch
Institution / Hochschule
Hochschule für Wirtschaft und Umwelt Nürtingen-Geislingen; Standort Nürtingen – Volkswirtschaft, Studiengang Volkswirtschaft
Erscheinungsdatum
2010 (Januar)
Note
1,3
Schlagworte
emmissionszertifikatehandel eu-emissionshandelssystem emissionshandel klimawandel co2-markt
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Titel: Funktionsweise des Emissionszertifikatehandels
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