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Short Selling - Grundlagen, Strategien und Implikationen für den Kapitalmarkt

©2009 Diplomarbeit 91 Seiten

Zusammenfassung

Inhaltsangabe:Einleitung:
Short Selling steht im umgangssprachlichen Sinne für den Leerverkauf kurshabender Wertpapiere; eine Investmentstrategie, bei der vermeintlich überbewertete Wertpapiere in Erwartung fallender Kurse am Markt veräußert werden, jedoch ohne dass sich diese bestandsmäßig im Besitz des Verkäufers befinden.
Die Konzeption des klassischen Leerverkaufs ist weder hochgradig komplex noch ein Phänomen der jüngeren Vergangenheit. Dennoch wird eine derartige Transaktion von vielen Investoren nach wie vor als intransparent und fragwürdig angesehen. Im Zuge der Ausbreitung der internationalen Finanzkrise im Jahre 2008 sind es vor allem die Aktien-Leerverkäufe, die wiederholt in den Fokus von Öffentlichkeit und Regulierungsbehörden geraten sind. Mitunter werden jene Geschäfte für den Zusammenbruch der US-amerikanischen Investmentbank Lehman Brothers im September des gleichen Jahres verantwortlich gemacht.
Während Leerverkäufe in Deutschland bis dato ausschließlich als ein charakteristisches und spekulatives Instrument von Hedge-Fonds wahrgenommen wurden, so gaben Marktbeobachter ihnen nun eine Mitschuld an den drastischen Kursverlusten ausgewählter Finanzdienstleister. Neben bereits bestehenden Regularien sahen sich die zuständigen Aufsichtsbehörden weltweit dazu veranlasst, weitere Leerverkaufsbeschränkungen zu implementieren, um die Stabilität der internationalen Kapitalmärkte zu gewährleisten. Insbesondere die sogenannten ‘ungedeckten Leerverkäufe’ können nach Ansicht der Regulierungsbehörden zur Manipulation von Marktpreisen eingesetzt werden und damit erhebliche Nachteile für den gesamten Finanzmarkt bewirken. Entgegen dieser Betrachtungsweise sehen viele Marktteilnehmer und Ökonomen in der Möglichkeit des Leerverkaufs ein notwendiges Instrumentarium für die Funktionsfähigkeit der globalen Kapitalmärkte. Sowohl bei der praktischen Umsetzung unterschiedlicher Handelsstrategien als auch im Hinblick auf die Theorie effizienter Kapitalmärkte wird der Einsatz von Leerverkäufen als unverzichtbar angesehen.
Vor dem Hintergrund dieser Thematik stellt sich primär die Frage, inwieweit Investoren mittels Short Selling überhaupt an den Wertveränderungen der veräußerten Wertpapiere partizipieren können, und welche Rahmenbedingungen für die Durchführung von Leerverkäufen in der Praxis erfüllt sein müssen. In diesem Zusammenhang gilt es, sich auch mit den verschiedenen Marktleih-Systemen für Wertpapiere auseinanderzusetzen. Die Anwendung der […]

Leseprobe

Inhaltsverzeichnis


Andre Hergt
Short Selling - Grundlagen, Strategien und Implikationen für den Kapitalmarkt
ISBN: 978-3-8366-3917-0
Herstellung: Diplomica® Verlag GmbH, Hamburg, 2010
Zugl. Johannes Gutenberg-Universität Mainz, Mainz, Deutschland, Diplomarbeit, 2009
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© Diplomica Verlag GmbH
http://www.diplomica.de, Hamburg 2010

INHALTSVERZEICHNIS
Inhaltsverzeichnis
Abbildungsverzeichnis
III
Tabellenverzeichnis
III
Abkürzungsverzeichnis
V
1 Einleitung
1
2 Short Selling als Handelsstrategie
3
2.1 Der traditionelle Leerverkauf . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
3
Spekulation auf fallende Kurse . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
5
Hedging von Risiken . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
7
Arbitragestrategien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 10
2.2 Abwicklung von Leerverkaufstransaktionen . . . . . . . . . . . . . . . 13
Broker und Intermediäre . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 14
Margin Account und Rebate Rates . . . . . . . . . . . . . . . . 15
2.3 Risikomanagement beim Short Selling . . . . . . . . . . . . . . . . . . 16
Buy-In/Recall - Risiko . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 16
Short Squeeze am Beispiel der VW-Aktie . . . . . . . . . . . . . 17
Short Interest und SI-Ratio . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 19
3 Securities Lending and Borrowing
21
3.1 Die Wertpapierleihe im weiteren Sinne . . . . . . . . . . . . . . . . . 21
3.2 Wertpapierleihe im engeren Sinne (Wertpapierdarlehen) . . . . . . . . 22
Besicherte und unbesicherte Wertpapierdarlehen . . . . . . . . . 24
Determinanten der Leihgebühr . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 26
Motivation der Vertragsparteien . . . . . . . . . . . . . . . . . . 27
3.3 Repurchase Agreement (Wertpapierpensionsgeschäft) . . . . . . . . . 28
Echte und unechte Pensionsgeschäfte . . . . . . . . . . . . . . . 29
Charakteristische Merkmale von Repos . . . . . . . . . . . . . . 30
3.4 Sell/Buy Back-Transaktion . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 33
4 Synthetische Leerverkäufe
35
4.1 Optionsstrategien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 35
Short Call und Long Put . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 36
Synthetic Short Stock . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 37
4.2 Single Stock Futures (SSFs) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 38
Clearing und Margining im Terminhandel . . . . . . . . . . . . . 40
I

INHALTSVERZEICHNIS
4.3 Contracts for Dierence (CFDs) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 41
Wesentliche Eigenschaften von CFDs . . . . . . . . . . . . . . . 42
5 Naked Short Selling: Ungedeckte Leerverkäufe
45
5.1 Denition eines ungedeckten Leerverkaufs . . . . . . . . . . . . . . . 45
5.2 Marktmanipulation im elektronischen Handelsverkehr . . . . . . . . . 46
Das Clearing- und Settlement-System . . . . . . . . . . . . . . . 47
Automatische Wertpapierleihprogramme . . . . . . . . . . . . . 49
Regulierungslücken in den USA . . . . . . . . . . . . . . . . . . 50
5.3 Naked Short Selling eine reale Gefahr? . . . . . . . . . . . . . . . . . 51
Empirische Erkenntnisse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 53
6 Leerverkaufsrestriktionen in der Praxis
55
6.1 Uptick Rule . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 55
6.2 Circuit Breaker . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 57
6.3 Leerverkaufsverbote . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 57
7 Short Selling im Lichte der Kapitalmarktezienz
59
7.1 Ecient Market Hypothesis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 59
7.2 Der Ezienzbeitrag von Leerverkäufen . . . . . . . . . . . . . . . . . 61
Bewertungsezienz und Preisstabilität . . . . . . . . . . . . . . 61
Liquidität und Markttiefe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 62
7.3 Leerverkäufe im Capital Asset Pricing Model (CAPM) . . . . . . . . 64
CAPM in seiner Grundform . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 64
Zero-Beta CAPM nach Black . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 66
CAPM bei positiver Zinsspanne . . . . . . . . . . . . . . . . . . 67
8 Zusammenfassung und Würdigung
69
Anhang
VII
Literaturverzeichnis
XIII
II

ABBILDUNGSVERZEICHNIS
Abbildungsverzeichnis
2.1 Ablaufschema eines Leerverkaufs. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
5
2.2 Zahlungsprol eines gedeckten Short Put. . . . . . . . . . . . . . . .
8
2.3 Tages-Kerzenchart der VW-Aktie zum Jahresende 2008. . . . . . . . . 19
3.1 Varianten und Terminologie der Wertpapierleihe. . . . . . . . . . . . 22
3.2 (Reverse) Repurchase Agreement. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 32
4.1 Zahlungsprol eines synthetischen Leerverkaufs. . . . . . . . . . . . . 37
5.1 Das elektronische Handelssystem in den USA. . . . . . . . . . . . . . 47
7.1 Marktportefeuille und Finanzmarktgerade im CAPM. . . . . . . . . . 65
7.2 Zero-Beta-Portefeuille im CAPM nach Black. . . . . . . . . . . . . . 66
7.3 CAPM bei unterschiedlichen Zinssätzen. . . . . . . . . . . . . . . . . 67
Tabellenverzeichnis
4.1 Duplikationsportefeuille eines synthetischen Leerverkaufs. . . . . . . . 38
5.1 Failures-to-Deliver für Bear Stearns und Lehman Brothers. . . . . . . 54
6.1 Notfall-Restriktionen von Leerverkäufen. . . . . . . . . . . . . . . . . XI
III


ABKÜRZUNGSVERZEICHNIS
Abkürzungsverzeichnis
AG
Aktiengesellschaft
AktG
Aktiengesetz
ASL
Automated Securities Lending and Borrowing Service
BaFin
Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht
BGB
Bürgerliches Gesetzbuch
CAPM
Capital Asset Pricing Model
CBF
Clearstream Banking Frankfurt
CFD
Contract for Dierence
CSD
Central Securities Depositary
DAX
Deutscher Aktienindex
DJIA
Dow Jones Industrial Average
DTB
Deutsche Terminbörse
DTC
Depositary Trust Company
DTCC
Depositary Trust and Clearing Corporation
EMA
European Master Agreement for Financial Transactions
EMH
Ecient Market Hypothesis
EONIA
Euro Overnight Index Average
Eurex
European Exchange
ETF
Exchange Traded Fund
FAB
Frankfurt Automated Borrowing
FTD
Failure to Deliver
GC
General Collateral
HGB
Handelsgesetzbuch
IOU
I Owe You
IPO
Initial Public Oering
MDAX
Mid-Cap DAX Deutscher Aktienindex für mittelgroÿe Unternehmen
NSCC
National Securities Clearing Corporation
NYSE
New York Stock Exchange
OTC
Over The Counter
Repo
Repurchase Agreement
SEC
Securities and Exchange Commission
SIR
Short Interest Ratio
SSF
Single Stock Future
SBP
Stock Borrow Program
TecDAX Technology DAX
WpHG
Wertpapierhandelsgesetz
V


1 Einleitung
Short Selling steht im umgangssprachlichen Sinne für den Leerverkauf kurshabender
Wertpapiere; eine Investmentstrategie, bei der vermeintlich überbewertete Wertpa-
piere in Erwartung fallender Kurse am Markt veräuÿert werden, jedoch ohne dass
sich diese bestandsmäÿig im Besitz des Verkäufers benden.
1
Die Konzeption des klassischen Leerverkaufs ist weder hochgradig komplex noch ein
Phänomen der jüngeren Vergangenheit. Dennoch wird eine derartige Transaktion
von vielen Investoren nach wie vor als intransparent und fragwürdig angesehen. Im
Zuge der Ausbreitung der internationalen Finanzkrise im Jahre 2008 sind es vor
allem die Aktien-Leerverkäufe, die wiederholt in den Fokus von Öentlichkeit und
Regulierungsbehörden geraten sind. Mitunter werden jene Geschäfte für den Zusam-
menbruch der US-amerikanischen Investmentbank Lehman Brothers im September
des gleichen Jahres verantwortlich gemacht.
Während Leerverkäufe in Deutschland bis dato ausschlieÿlich als ein charakteris-
tisches und spekulatives Instrument von Hedge-Fonds wahrgenommen wurden, so
gaben Marktbeobachter ihnen nun eine Mitschuld an den drastischen Kursverlusten
ausgewählter Finanzdienstleister. Neben bereits bestehenden Regularien sahen sich
die zuständigen Aufsichtsbehörden weltweit dazu veranlasst, weitere Leerverkaufs-
beschränkungen zu implementieren, um die Stabilität der internationalen Kapital-
märkte zu gewährleisten. Insbesondere die sogenannten ungedeckten Leerverkäufe
können nach Ansicht der Regulierungsbehörden zur Manipulation von Marktprei-
sen eingesetzt werden und damit erhebliche Nachteile für den gesamten Finanzmarkt
bewirken. Entgegen dieser Betrachtungsweise sehen viele Marktteilnehmer und Öko-
nomen in der Möglichkeit des Leerverkaufs ein notwendiges Instrumentarium für die
Funktionsfähigkeit der globalen Kapitalmärkte. Sowohl bei der praktischen Um-
setzung unterschiedlicher Handelsstrategien als auch im Hinblick auf die Theorie
ezienter Kapitalmärkte wird der Einsatz von Leerverkäufen als unverzichtbar an-
gesehen.
Vor dem Hintergrund dieser Thematik stellt sich primär die Frage, inwieweit Inves-
toren mittels Short Selling überhaupt an den Wertveränderungen der veräuÿerten
Wertpapiere partizipieren können, und welche Rahmenbedingungen für die Durch-
führung von Leerverkäufen in der Praxis erfüllt sein müssen. In diesem Zusammen-
hang gilt es, sich auch mit den verschiedenen Marktleih-Systemen für Wertpapiere
auseinanderzusetzen. Die Anwendung der Wertpapierleihe ist nicht nur für den
1
Vgl. Kaiser (2004, S. 28).
1

1 Einleitung
traditionellen Leerverkauf am Kassamarkt rechtlich wie technisch eine Grundvor-
aussetzung, sondern bietet darüber hinaus in ihren vielseitigen Ausgestaltungsfor-
men weitere Einsatzmöglichkeiten für die Marktteilnehmer. Des Weiteren erscheint
es gerade unter Bezugnahme auf die aufsichtsrechtlichen Reaktionen als notwendig,
die unterschiedlichen Formen eines Leerverkaufs systematisch herauszustellen, und
sowohl den Nutzen als auch die Risiken für die an den Transaktionen beteiligten
Parteien näher zu beleuchten. Erst ein ausgeprägtes Verständnis über die relevan-
ten Zusammenhänge und Marktgegebenheiten erlaubt eine kritische Beurteilung der
beeinussenden Wirkung, die das Short Selling auf den Kapitalmarkt im positiven
wie im negativen Sinne entfalten kann.
Die Intention der vorliegenden Arbeit besteht also in erster Linie darin, neben ei-
ner umfassenden Ausarbeitung über die Systematik von Leerverkaufstransaktionen
auch die Motive und Handelstechniken der Marktteilnehmer zu verdeutlichen. Ferner
möchte diese Niederschrift einen kritischen Beitrag zu der anhaltenden und kontro-
vers geführten Diskussion über die nanzwirtschaftliche Bedeutung von Leerverkäu-
fen in der Theorie und Praxis liefern. Englischsprachige Fachtermini werden dabei
mitunter synonym zu ihrer deutschen Übersetzung verwendet, da diese Begrie dem
interessierten Leser in Wissenschaft und Praxis häuger begegnen werden.
Der konzeptionelle Aufbau dieser Arbeit ist in acht Kapitel unterteilt. Im Anschluss
an diese einführende Erläuterung erfolgt im zweiten Kapitel zunächst eine umfas-
sende Beschreibung und Darstellung der handelstechnischen Verwendung von Leer-
verkäufen. Dabei wird neben der Notwendigkeit einer Wertpapierleihe auch auf die
unterschiedlichen Handelsstrategien sowie die Abwicklung und Risiken von Leerver-
kaufstransaktionen eingegangen. Das nachfolgende Kapitel 3 beschäftigt sich dann
noch einmal im Detail mit den unterschiedlichen Ausgestaltungsformen von Wert-
papierleihgeschäften und ihren wesentlichen Merkmalen. Im vierten Kapitel werden
alternative Handelsinstrumente vorgestellt, durch welche der Investor auf deriva-
tivem Wege eine ähnliche und mitunter identische Position wie beim klassischen
Short Selling einnimmt, allerdings auf einen realen Verkauf von Wertpapieren ver-
zichtet. Kapitel 5 und 6 widmen sich anschlieÿend dem manipulativen Potential
von ungedeckten Leerverkäufen und den herrschenden Leerverkaufsrestriktionen
bzw. Beschränkungsabsichten. Im Kontrast dazu untersucht Kapitel 7 die positiven
Eekte des Short Selling auf die Kapitalmarktezienz und auf die Gültigkeit des
Capital Asset Pricing Model (CAPM). Den Abschluss bildet Kapitel 8 mit einer
zusammenfassenden Diskussion über die Gefahren und Nutzen von Leerverkäufen.
2

2 Short Selling als Handelsstrategie
Kapitalmarktteilnehmer verfügen über die unterschiedlichsten Handelsstrategien und
Investitionsalternativen. So kann ein Investor mit seinem Vermögen beispielsweise
in börsengängige Wertpapiere investieren, um diese bei einer günstigen Marktent-
wicklung in der Zukunft wieder gewinnbringend zu verkaufen.
2
Der Anleger verfolgt
mit dieser Investition eine Buy-and-Hold - Strategie, indem er in Erwartung stei-
gender Preise (Kurse) einen mengenmäÿig positiven Bestand eine so genannte
Long Position in den betreenden Wertpapieren hält. Kommt es nun im Laufe der
Zeit am Kapitalmarkt zu einer Überbewertung ausgewählter Finanztitel, so stellt
sich für den gewöhnlichen Investor der Verkauf seiner Long Position als die einzige
Möglichkeit dar, zukünftige Verluste zu vermeiden. Das Short Selling im deutsch-
sprachigen Raum weitestgehend als Leerverkauf bezeichnet bietet hingegen nicht
nur die Möglichkeit, in der Zukunft keine Verluste zu erleiden, sondern darüber hin-
aus von einer Überbewertung der Wertpapiere zu protieren. Im Gegensatz zu einem
herkömmlichen Wertpapierkauf besitzt der Investor bei dieser Handelsstrategie eine
sogenannte Short Position in den entsprechenden Finanzkontrakten, d. h. der men-
genmäÿige Bestand ist negativ.
3
Auch wenn die Funktionsweise des Short Selling im
Vergleich zu einer normalen Transaktion zunächst kompliziert erscheint, so stellt
sich das Resultat als ebenso konsequent wie plausibel dar: Der Investor erzielt genau
dann einen nanziellen Vorteil, wenn die (leer-)verkauften Finanztitel im Zeitverlauf
an Wert verlieren.
Der erste Abschnitt dieses Kapitels erläutert zunächst die Funktionsweise eines klas-
sischen Leerverkaufs und zeigt anschlieÿend die damit verbundenen Handelsstrate-
gien auf. Abschnitt 2.2 befasst sich mit der Durchführung und Abwicklung von
Leerverkaufstransaktionen in der Praxis. Im abschlieÿenden Abschnitt 2.3 werden
Risikoaspekte und Marktkennziern des Short Selling näher beleuchtet.
2.1 Der traditionelle Leerverkauf
Der traditionelle Leerverkauf (Short Sale) steht per denitionem für den Verkauf
von Wertpapieren (für gewöhnlich Aktien oder Anleihen), die sich zum Zeitpunkt
2
Neben einer erwarteten Preissteigerung kann es für den Investor auch noch weitere Grün-
de geben, die für den Erwerb von Wertpapieren sprechen. In erster Linie sind hierbei die
Stimmrechte und Dividendenansprüche (bei Aktien) oder die Erwirtschaftung regelmäÿiger
Zinserträge (bei Anleihen) zu nennen.
3
Vgl. Trautmann (2006, S. 11 f).
3

2 Short Selling als Handelsstrategie
der Transaktion (
) nicht eigentümlich im Besitz des Verkäufers benden.
4
Dem
Verkäufer mangelt es demnach bei Geschäftsabschluss an entsprechendem Eigentum,
d. h. die Wertpapiere werden leer verkauft. Da es sich hierbei allerdings um ein ge-
wöhnliches Kassageschäft handelt, ist der Verkäufer zu einer Lieferung (Settlement)
der veräuÿerten Stücke innerhalb der marktüblichen Fristen verpichtet.
5
Aus die-
sem Grund setzt die Durchführung einer derartigen Transaktion in der Praxis den
Abschluss einer Wertpapierleihe voraus.
Im Rahmen einer Wertpapierleihe werden dem Leerverkäufer (Short Seller) die an-
visierten Wertpapiere von einem gegenwärtigen Besitzer z. B. einer Bank oder
einer Versicherung leihweise zur Verfügung gestellt; mit der Verpichtung, die-
se zu einem späteren Zeitpunkt wieder zurückzugeben. Depotbanken oder Broker
agieren hierbei häug als Intermediäre, die entsprechende Leihgeschäfte zwischen
Leerverkäufern und Wertpapierinhabern vermitteln. Per vertraglicher Vereinbarung
hat der Entleiher in aller Regel adäquate Sicherheiten (Collateral) bereitzustellen
und dem originären Inhaber jegliche entgangenen Dividenden, Zinsen oder sons-
tigen Rechte, die während der Laufzeit der Wertpapierleihe anfallen, zeitnah zu
ersetzen. Kommt es beispielsweise bei einer Aktienleihe in der Zwischenzeit zu ei-
nem Aktiensplit im Verhältnis 2:1, so ist der Entleiher zur Rückgabe der doppelten
Menge der ursprünglich entliehenen Aktien verpichtet. Des Weiteren wird für die
temporäre Überlassung der betreenden Wertpapiere zwischen beiden Parteien eine
Leihgebühr vereinbart, die sich am Marktwert und der Laufzeit des Wertpapierleih-
geschäfts orientiert.
6
Durch den Abschluss einer Wertpapierleihe kann der Leerverkäufer nunmehr die am
Kassamarkt veräuÿerten Wertpapiere an den jeweiligen Käufer liefern und die Ver-
kaufstransaktion vollenden. Spätestens am Ende der vereinbarten Leihfrist (
)
ist der Leerverkäufer allerdings zu einem Eindeckungskauf (engl.: short covering)
am Markt gezwungen, um die Short Position durch einen äquivalenten Wertpa-
pierkauf zu schlieÿen und seiner Rückgabeverpichtung gegenüber dem Verleiher
nachzukommen. Eine schematische Darstellung der soeben beschriebenen Zusam-
menhänge liefert die nachstehende Abbildung 2.1.
4
Umgangssprachlich wird der Leerverkauf auch als Blankoverkauf, Verkauf à découvert oder
als Spekulation à la Baisse bezeichnet.
5
Während Kassageschäfte in Deutschland binnen zwei Bankarbeitstagen nach Abschluss erfüllt
werden müssen, schreibt die US-amerikanische Börsenaufsichtsbehörde (SEC ) ein Settlement
nach spätestens drei Geschäftstagen vor.
6
Eine systematische Darstellung der Wertpapierleihgeschäfte erfolgt in Kapitel 3.
4

2.1 Der traditionelle Leerverkauf
Abb. 2.1: Ablaufschema eines Leerverkaufs.
Leerverkäufer
Spekulanten, Hedgefonds,
Derivatehändler,
Investmentbanken
(Leer-)Verkauf
Wertpapiere
Rückkauf
Wertpapiere
t = 0
t = T
Börse
Kassamarkt
Wertpapierverleiher
(Depot-)Banken
Wertpapierleihe
Rückgabe
Inhaber
Banken, Versicherungen,
Pensions-/ Investmentfonds,
vermögende Privatpersonen
Wertpapiere
Leihgebühr
Wertpapiere
Wertpapiere, Leihgebühr
Broker
Quelle: Eigene Darstellung in Anlehnung an Kaiser (2004, S. 28).
Spekulation auf fallende Kurse
Die wohl bekannteste Handelsstrategie in Verbindung mit Leerverkäufen ist die
Spekulation auf fallende Marktpreise. Der spekulative Investor erhot sich durch
einen Leerverkauf, von einem zwischenzeitlichen Preisverfall protieren zu können,
indem er die entliehenen Wertpapiere in der Zukunft zu einem niedrigeren Preis
(Kurs) zurückkaufen kann. Die Dierenz zwischen dem erzielten Verkaufserlös im
ersten Schritt und den bei Rückkauf anfallenden Kosten im zweiten, verbleibt dem
Leerverkäufer als reiner Spekulationsgewinn.
7
Auf der anderen Seite kann der Leer-
verkäufer aufgrund des Kursrisikos aber auch einen Verlust erleiden, wenn die Preise
wider Erwarten steigen und der Rückkauf nur mit einem Verlust realisiert werden
kann. In der Praxis werden spekulative Leerverkäufe in der klassischen Variante vor-
wiegend von Hedge-Fonds und den Eigenhandelsabteilungen von Investmentbanken
getätigt. Privatanleger spielen bislang nur eine untergeordnete Rolle.
7
Transaktionskosten sowie steuerliche Aspekte bleiben in dieser Arbeit aus Gründen der
Vereinfachung unberücksichtigt. De facto unterliegen Leerverkäufe in Deutschland seit dem
01.01.2009 der pauschalen Abgeltungssteuer.
5

2 Short Selling als Handelsstrategie
Formal ergibt sich der (Netto-)Gewinn bzw. Verlust
aus einem Leerverkauf wie
folgt:
8
(2.1)
wobei
den Preis des Wertpapiers im Verkaufszeitpunkt (
),
eine Kom-
pensationszahlung im Zeitpunkt für entgangene Bezugsrechte (Dividenden),
den entsprechenden Preis im Erfüllungszeitpunkt (
) und
die Leihgebühr
bezeichnet.
Die Auswahl geeigneter Wertpapiere und das richtige Timing sind für die Protabi-
lität der Transaktionen von entscheidender Bedeutung. Daher verwenden professio-
nelle Leerverkäufer viel Zeit auf das Studieren von Geschäftsmodellen und Unterneh-
mensberichten, um eine eventuelle Überbewertung zu identizieren. Auf kurze Sicht
kann sich auch die Chart-Analyse als sinnvoll erweisen. Hierbei ndet das sogenannte
Countertrend-Trading eine häuge Anwendung. Bei dieser Handelsstrategie wer-
den Leerverkäufe in einen übergeordneten Aufwärtstrend hinein durchgeführt, um
von zwischenzeitlichen Konsolidierungen protieren zu können.
Beispiel 2.1 (Spekulativer Leerverkauf von Aktien)
Investor A glaubt, dass die Aktie der Deutschen Bank AG momentan überbewertet sei. Er
spekuliert auf einen baldigen Kursrückgang und möchte daher 100 Aktien zum derzeitigen
Kurs von
EUR leerverkaufen. Zu diesem Zweck schlieÿt er mit Investor B einen
Vertrag über die Wertpapierleihe von 100 Aktien für die festgeschriebene Dauer von zwei
Monaten (
). Als Leihgebühr (bezogen auf den Marktwert in
) werden 3 % p. a.
auf Basis der 30/360-Methode vereinbart. Nach dem Vertragsabschluss verkauft Investor
A die entliehenen Aktien sofort am Kassamarkt. Der Aktienkurs (in EUR) werde sich je
nach Wirtschaftslage in den nächsten zwei Monaten wie folgt entwickeln:
Zeitpunkte
(Szenario 1 )
50
47
45
(Szenario 2 )
50
51
53
Ferner wird angenommen, dass im Zeitpunkt
eine Dividendenzahlung in Höhe von
EUR je Aktie anfällt. Am Ende der vereinbarten Vertragslaufzeit wird Investor
A seine Short Position schlieÿen und die entliehenen Aktien an Investor B zurückgeben.
8
In Anlehnung an Kauter (2006, S. 94).
6

2.1 Der traditionelle Leerverkauf
Aus dieser vereinfachten Darstellung ergibt sich für Investor A der folgende Gewinn/Verlust
(in EUR):
Zeitpunkte Transaktionen
Szenario 1 Szenario 2
Kassaverkauf 100 Aktien
5.000
5.000
Kompensationszahlung an Investor B
100
100
Kassakauf 100 Aktien
4.500
5.300
Leihgebühr (60 Tage) zu 3 % p. a.
25
25
Gewinn/Verlust
375
425
Das einzige Risiko für Investor A besteht in diesem Beispiel in einer für ihn ungünstigen
Kursentwicklung. Die zu leistende Kompensationszahlung in Höhe der ausgeschütteten
Dividende erscheint für den Leerverkäufer zumindest aus theoretischer Sicht als unproble-
matisch, da es am Dividendenabschlagstag zu einem erwünschten Kursrückgang in eben
selbiger Höhe kommen sollte. Des Weiteren können unter Umständen zusätzliche Kapital-
erträge aus einer Kapitalanlage im Zeitpunkt
erwirtschaftet werden.
Hedging von Risiken
Neben dem reinen Spekulationsmotiv werden Leerverkäufe auch regelmäÿig zur
Absicherung (Hedging) von Risiken aus oenen Marktpositionen eingesetzt. In der
Praxis sind es vor allem die Derivatehändler und spezialisierten Hedgefonds, die sich
entsprechender Hedging-Strategien bedienen.
Emittenten (Stillhalter oder Schreiber) von klassischen Optionen
9
und anderen
derivativen Finanzprodukten versuchen üblicherweise ihre eingegangenen Risiko-
positionen durch geeignete Gegengeschäfte zu neutralisieren. Dadurch sollen die
möglichen Verluste, die bei einer unvorteilhaften Preisentwicklung des Basiswer-
tes (Underlyings) entstehen können, auf ein Minimum reduziert werden. So kann
beispielsweise durch den Verkauf eines Aktien-Put (Short Put) eine beachtliche und
über die vereinahmte Optionsprämie hinausgehende Abnahme- bzw. Zahlungsver-
pichtung in der Zukunft entstehen, falls der Aktienkurs bei Ausübung weit unter
den Basispreis gefallen ist. Aus diesem Grund wird sich in der Praxis der Emittent
mit einer entsprechenden Handelsstrategie gegen eine derartige Entwicklung absi-
chern. Im Falle eines Short Put besteht die Absicherung in erster Linie darin, eine
9
Optionen verbriefen für den Käufer das Recht, eine bestimmte Menge des Basisinstruments
am Fälligkeitstag (europäischer Stil) oder innerhalb der Laufzeit (amerikanischer Stil) zu
einem im Voraus festgelegten Ausübungspreis (Strike Price) zu kaufen (Call-Option) oder zu
verkaufen (Put-Option).
7

2 Short Selling als Handelsstrategie
gewisse Anzahl der zugrunde liegenden Aktie leerzuverkaufen, um das Zahlungsrisi-
ko auszugleichen (siehe Abbilung 2.2). Die Anzahl wird sich dabei normalerweise am
Delta
10
des betrachteten Optionsscheins orientieren, weshalb diese Strategie auch als
Delta-Hedging bezeichnet wird. Da sich das Delta sowohl bei schwankenden Kursen
als auch mit abnehmender Restlaufzeit verändert, muss diese Strategie allerdings
dynamisch angepasst werden.
Gewinn
Verlust
Kurs des
Basiswertes
Short Put
Basispreis
Optionsprämie
Leerverkauf
Basiswert
Break-Even-Poin
t
Abb. 2.2: Zahlungsprol eines
gedeckten Short Put.
Durch den Leerverkauf des Basis-
wertes (Aktie) können mögliche
Verluste aus dem Short Put
unterhalb des Break-Even-Point
ausgeglichen werden.
Quelle: Eigene Darstellung.
Eine weitere Gruppe von Marktteilnehmern, die sich in der Praxis regelmäÿig der
Verwendung von Leerverkäufen bedienen, sind die viel gescholtenen Hedgefonds.
11
Diese nutzen das Instrumentarium des klassischen Leerverkaufs sowohl zu Zwecken
der Spekulation als auch zur Begrenzung von Risiken. Dabei verfolgen die Hedge-
fonds-Manager in aller Regel einen Absolute Return-Ansatz, der ihnen in jeder
Marktlage einen positiven Ertrag einbringen soll. Um diesen Ansatz in der Rea-
lität zu verwirklichen, betreiben die meisten Fondsmanager Long/Short Equity-
Hedging. Bei dieser Handelsstrategie werden vermeintlich überbewertete Aktien
einer zuvor ausersehenen Branche leerverkauft, während gleichzeitig Aktien von
scheinbar unterbewerteten Aktien der gleichen Branche gekauft werden.
12
Oft ge-
schieht dies auch unter Aufnahme von zusätzlichem Fremdkapital zur Ausnutzung
des Leverage-Eektes (Hebelwirkung). Das Ziel dieser Anlagestrategie besteht nun
darin, das systematische Marktrisiko im Gesamtportfolio zu eliminieren und aus
dem unsystematischen bzw. individuellen Risiko der Einzelpositionen einen ange-
10
Das Delta ( ) einer Option misst die Sensitivität des Optionspreises bezüglich einer Preis-
änderung des Basiswertes. Mathematisch entspricht dies der ersten partiellen Ableitung des
Optionspreises ( ) nach dem Preis ( ) des Underlyings:
. Bei einem Put (Call) liegt
dieser Wert zwischen 0 und 1 (0 und +1).
11
Seit dem 01.01.2005 dürfen Leerverkäufe in Deutschland auch von traditionellen Investment-
fonds in einem gewissen Umfang durchgeführt werden.
12
Vgl. Kaiser (2004, S. 131).
8

2.1 Der traditionelle Leerverkauf
messenen Prot zu erwirtschaften. Eine detaillierte Marktanalyse sowie eine gezielte
Aktienauswahl (Stock Picking) sind auch hier Grundvoraussetzung für eine erfolg-
reiche Umsetzung. Trotz der prinzipiell marktneutralen Ausrichtung werden in der
Praxis die Long Positionen üblicherweise die Short Positionen wertmäÿig überstei-
gen, weshalb die Gesamtposition nicht in vollem Umfang marktneutral gestaltet ist.
Ein solcher Kaufüberhang wird auch als Long Bias bezeichnet.
Beispiel 2.2 (Long/Short Equity-Hedge)
Der auf Hedging-Strategien spezialisierte Investor H analysiert die heimische Automobil-
branche und kommt zu dem Schluss, dass die Aktien der Daimler AG momentan unter-
bewertet sind, während er die Aktien der BMW AG für überbewertet hält. Der Investor
geht folglich davon aus, dass sich die Aktien der erstgenannten Gesellschaft unabhängig
von der allgemeinen Marktentwicklung besser entwickeln werden als die der anderen. Der
gegenwärtige Aktienkurs beider Gesellschaften liege bei
EUR.
Aufgrund seiner Überzeugung entschlieÿt sich der Investor zum Kauf von 100 Daimler-
Aktien sowie zum gleichzeitigen Leerverkauf von 100 BMW -Aktien für die Dauer von drei
Monaten. Es werden keine Dividenden gezahlt und die Leihgebühr möge 1 % p. a. betra-
gen. Der Gesamtmarkt und die jeweiligen Aktienkurse entwickeln sich nun wie folgt (in
EUR):
13
Aktienkurse in
Bullenmarkt ( 10 % )
33,60 ( 12 %)
32,40 ( 8 %)
Bärenmarkt ( 20 % )
25,50 ( 15 %)
22,50 ( 25 %)
Unter Berücksichtigung der Leihgebühr ergibt sich für den Investor der folgende Gewinn
(in EUR):
Marktentwicklung in
Bullenmarkt ( 10 %) Bärenmarkt ( 20 %)
Long Position in Daimler
360,00 ( 12 %)
450,00 ( 15 %)
Short Position in BMW
240,00 (
8 %)
750,00 ( 25 %)
Leihgebühr zu 1 % p. a. (90/360)
7,50
7,50
Gewinn
112,50
292,50
Der Long/Short Equity-Hedge erzielt in diesem Beispiel unabhängig vom Gesamtmarkt
einen Gewinn. Unsystematische (Kurs-)Risiken bleiben allerdings bestehen und können
gegebenenfalls auch zu Verlusten führen.
13
Das hier dargestellte Beispiel orientiert sich an den Ausführungen von Jacobs und Levy (1997).
9

2 Short Selling als Handelsstrategie
Darüber hinaus können Leerverkäufe auch ein kurzfristiges Liquiditätsbedürfnis be-
friedigen, falls gehaltene Wertpapiere aufgrund von steuerlichen Bestimmungen oder
einer unzureichenden Markttiefe derzeit nur mit höheren Einbuÿen veräuÿert wer-
den können.
14
In diesem Falle kann sich der Investor durch einen entsprechenden
Leerverkauf von identischen oder anderen Wertpapieren vorübergehend Liquidität
verschaen, während die eigenen Wertpapiere als Sicherheiten für die notwendige
Wertpapierleihe dienen. Der Beleihungswert der hinterlegten Wertpapiere wird sich
hierbei an der jeweiligen Risikoklasse orientieren.
Arbitragestrategien
Eziente Kapitalmärkte sind im Allgemeinen dadurch gekennzeichnet, dass Preis-
abweichungen vom fundamental gerechtfertigten Niveau von Marktteilnehmern er-
kannt und mittels Arbitrage ausgenutzt werden. Während die Arbitrageure durch
geeignete Handelsstrategien einen risikolosen Gewinn erwirtschaften können, be-
wirken deren Transaktionen gleichzeitig eine Korrektur der Fehlbewertungen am
Markt. Sowohl für die Theorie ezienter Märkte als auch für die Realisierung aus-
gewählter Arbitrage-Strategien ist die Durchführbarkeit von Leerverkäufen von ent-
scheidender Bedeutung.
Signikante Preisunterschiede für einen homogenen Finanztitel auf unterschiedlichen
Teilmärkten sind mittlerweile aufgrund des automatisierten Handels recht selten und
unter Berücksichtigung der interlokalen Transaktionskosten nur wenig protabel. In
der Praxis kann eine mögliche Arbitragestrategie nun aber darin bestehen, unge-
wöhnliche Preisanomalien am Kassamarkt zwischen (nahezu) identischen Finanz-
titeln im Rahmen einer sogenannten Cash and Cash-Arbitrage auszunutzen. Der
überwiegende Teil der Arbitrageure konzentriert sich hierbei auf die Renditedierenz
(Spread) zwischen ausstattungsgleichen festverzinslichen Wertpapieren. Dabei wird
in der Annahme einer baldigen Angleichung der Renditen das überbewertete Wert-
papier in ausreichender Stückzahl leerverkauft, während gleichzeitig ein Kauf des
unterbewerteten Wertpapiers in entsprechender Höhe getätigt wird. Verringert sich
in der Folge der Spread in einem gewünschten Ausmaÿ, so wird aufgrund der Kurs-
anpassungen die Short Position mehr an Wert gewinnen als die Long Position an
Wert verliert.
15
14
Möchte sich der Investor lediglich gegen Kursrisiken bis zu dem gewünschten Veräuÿerungs-
termin absichern, so ist der Erwerb von Put-Optionsscheinen vorzuziehen. Auf diese Weise
partizipiert der Investor auch an weiteren Kursanstiegen, falls diese über die bezahlten Opti-
onsprämien hinausgehen.
15
Ein entsprechendes Beispiel ndet sich bei Edelmann/Eller (1996, S. 17).
10

2.1 Der traditionelle Leerverkauf
Des Weiteren ist der Einsatz von Leerverkäufen auch für die Anwendung einer so-
genannten Reverse Cash and Carry-Arbitrage unverzichtbar. Hierbei handelt es sich
um eine Arbitragestrategie zwischen dem Kassa- und Terminmarkt, bei der ein
unterbewerteter Futures-Kontrakt
16
gekauft und der zugrunde liegende Basiswert
per Kassa (leer)verkauft wird. Dieser Zusammenhang wird durch das nachstehende
Beispiel 2.2 anhand eines Aktien-Futures verdeutlicht, wobei die folgende Notation
verwendet wird:
risikolose Kassazinsrate (bei acher Zinsstruktur);
Erfüllungszeitpunkt des Futures-Kontraktes;
Kassapreis des Basisinstruments zum Zeitpunkt ;
Futures-Preis zum Zeitpunkt ;
Barwert einer im Zeitpunkt anfallenden Dividendenzahlung
zum Zeitpunkt , mit (
).
Nach dem Cost of Carry-Ansatz für die theoretisch korrekte Preisermittlung in
vollkommenen Finanzmärkten ergibt sich der faire Futures-Preis gemäÿ:
17
(2.2)
Beispiel 2.3 (Reverse Cash and Carry-Arbitrage)
Am Kassamarkt notieren die Aktien der Siemens AG zu einem aktuellen Kurs von
EUR. Für diese mögen in einem Monat (
) Dividenden in Höhe von
EUR
je Aktie gezahlt werden. Ferner sei angenommen, dass am Terminmarkt entsprechende
Futures-Kontrakte mit einer (Rest-)Laufzeit von 2 Monaten (
) zu einem gegen-
wärtigen Terminpreis von
EUR gehandelt werden. Die risikolose Zinsrate
möge
% p. a. betragen, während Wertpapierleihgeschäfte zu 1 % p. a. abgeschlossen
werden können.
Der auf Aktien-Futures spezialisierte Investor F vermutet eine Fehlbewertung am Termin-
markt. Hierzu berechnet er zunächst den Barwert der Dividende (in EUR):
16
Bei einem Future handelt es sich um einen standardisierten Terminkontrakt, der das Recht
und die Picht verbrieft, einen bestimmten Basiswert (Aktien, Waren, Devisen etc.) an einem
zukünftigen Zeitpunkt zu einem bereits heute festgelegten Preis zu kaufen oder zu verkaufen.
17
Für eine ausführliche Darstellung der theoretischen Zusammenhänge siehe Kapitel 4.2. In der
Realität sind Finanzmärkte nicht vollkommen. Es bestehen Marktrestriktionen in Form von
Transaktionskosten, Geld-Brief-Spannen, Steuern, unterschiedlichen Zinsraten für Geldanlage
und -aufnahme sowie Leerverkaufsbeschränkungen. Daher lässt sich für Futures-Preise in der
Praxis allenfalls eine Bandbreite bestimmen, innerhalb derer Arbitrage nicht protabel ist.
11

2 Short Selling als Handelsstrategie
Unter Verwendung der Gleichung (2.2) folgt für den theoretisch korrekten Terminpreis:
Der Investor lag demnach mit seiner Vermutung richtig und verfolgt nun die folgende
Reverse Cash and Carry-Arbitragestrategie:
1. (Leer)Verkauf von 1000 Aktien am Kassamarkt zu
;
2. Terminkauf (Long Future) von 1000 Aktien zu
;
3. Geldanlage für einen Monat in Höhe des Barwerts der Kompensationszahlung;
4. Geldanlage für zwei Monate in Höhe der restlichen Cash-Position aus dem Leerver-
kauf.
Die Durchführung der Leerverkaufstransaktion erfordert den Abschluss einer Wertpapier-
leihe. Deshalb ist der Investor in
zu einer Kompensationszahlung für entgangene
Dividenden verpichtet. Die aus dem Terminkauf erworbenen Aktien werden zur Erfüllung
der Rückgabeverpichtung verwendet. Es ergibt sich nun (in EUR):
Zeitpunkte der Transaktionen
(Leer)Verkauf 1000 Aktien
55.000
Kompensationszahlung
2.000
Terminkauf 1000 Aktien
53.000
Geldanlage 1 zu 3 % p. a.
1.995
2.000
Geldanlage 2 zu 3 % p. a.
53.005
53.271
Leihgebühr zu 1 % p. a. (60/360)
92
Arbitragegewinn
0
0
179
Das in diesem Beispiel dargestellte Arbitrageportefeuille ist durch eine Selbstnanzierung
im Zeitpunkt
gekennzeichnet, d. h. es müssen keine Eigenmittel aufgebracht werden.
In der Realität müssen allerdings bei einem Leerverkauf in aller Regel adäquate Sicherheiten
hinterlegt werden. Erfolgt keine separate Sicherheitenstellung, so werden die Verkaufserlöse
aus dem Leerverkauf üblicherweise vom Broker für die Dauer der Transaktion gesperrt
(siehe Abschnitt 2.2).
12

Details

Seiten
Erscheinungsform
Originalausgabe
Jahr
2009
ISBN (eBook)
9783836639170
DOI
10.3239/9783836639170
Dateigröße
1.1 MB
Sprache
Deutsch
Institution / Hochschule
Johannes Gutenberg-Universität Mainz – Rechts- und Wirtschaftswissenschaften, Betriebswirtschaftslehre
Erscheinungsdatum
2009 (Dezember)
Note
1,7
Schlagworte
ungedeckte leerkäufe wertpapierleihe leerverkauf short interest capital asset pricing model
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Titel: Short Selling - Grundlagen, Strategien und Implikationen für den Kapitalmarkt
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