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CSR Berichterstattung am Limit?

Nachhaltigkeitsberichterstattung von Unternehmen in Zeiten der Finanzkrise am Beispiel der Allianz Gruppe

©2009 Bachelorarbeit 90 Seiten

Zusammenfassung

Inhaltsangabe:Einleitung:
Nachhaltigkeitsberichterstattung scheint eine Grenzmarke erreicht zu haben. Das anfangs ehrgeizige Ziel, Nachhaltigkeitsberichterstattung als Repräsentation von Unternehmenswerten, zur Steigerung von Akzeptanz und Vertrauen in der Gesellschaft und bei Investoren, zu etablieren, scheint erfolglos geblieben zu sein. Die Finanzkrise sorgt durch ihr globales Ausmaß für einen weltweiten Vertrauensschwund in die Akteure der Wirtschaft. Menschen bangen um ihre Arbeitsplätze, übermäßige Bonuszahlungen an Manager und Vorstandsmitglieder in der Finanzwelt lassen den Ruf nach einer gerechteren Verteilung des Wohlstandes sowie mehr Transparenz und Kontrolle laut werden. Unternehmerische Managementkonzepte - wie der auf kurzfristige Unternehmenswertsteigerung angelegte Shareholder Value-Ansatz - werden öffentlich kritisiert und Aufsichtsbehörden attestieren dem Risikomanagement von Unternehmen massive Mängel sowie unternehmerisches Missmanagement.
Der aus der Finanzkrise folgende Vertrauensschwund ist nicht minder relevant für die jetzt notwendigen Ansätze einer nachhaltigen Unternehmensführung. Aktuell bilden Themen wie Nachhaltigkeit, Unternehmenswertschöpfung, CSR, Reputation und Risikomanagement, nicht zuletzt aufgrund neuer Regulierungen im Banken- und Versicherungssektor, die Agenda der Wirtschaft. In der Wahrnehmung der Werbung finden sich kaum noch Produkte die scheinbar keinen Nachhaltigkeitswert besitzen oder ökologisch bedenklich sind. Die Einführung von Solvency II führt auf Unternehmensseite zu einer gestiegenen Beschäftigung mit dem Thema Risikomanagement. CSR und Nachhaltigkeit bilden jedoch die Speerspitze der Unternehmen in Bezug auf das Management von ökonomischen, ökologischen und sozialen Themen. Die stetig steigende Anzahl von Nachhaltigkeitsberichten verdeutlicht die stärkere Auseinandersetzung der Unternehmen mit der Thematik. Dies liegt nicht zuletzt daran, dass Unternehmen zunehmend an ihrer Bereitschaft zur Übernahme gesellschaftlicher Verantwortung gemessen werden. Transparenz, Vergleichbarkeit und Glaubwürdigkeit sind Größen, an denen Nachhaltigkeitsberichte gemessen werden können. Nachhaltigkeitsberichte ermöglichen es Unternehmen, ihre gesellschaftlichen, ökologischen und ökonomischen Aktivitäten für alle sichtbar zu machen und somit ihre Verantwortung gegenüber der Gesellschaft zu demonstrieren.
Diese Arbeit beschäftigt sich mit der Frage, wie die CSR Berichterstattung den Unternehmen Möglichkeiten […]

Leseprobe

Inhaltsverzeichnis


Inhaltsverzeichnis

Einleitung

1. Das Unternehmen im Spannungsfeld von Wirtschaft und Gesellschaft
1.1. Anspruchsgruppen des Unternehmens – Stakeholder und Shareholder
1.2. Der ehrbare Kaufmann – Die Entwicklung eines historischen Leitbildes
1.3. Unternehmensethik, Reputation und öffentliche Kommunikation
1.4. Zusammenfassung

2. Corporate Social Responsibility
2.1. Corporate Social Responsibility – Ein Konzept und seine Entwicklung
2.1.1. Corporate Social Responsibility – Begriffe, Modelle und Theorien
2.1.2. Sustainable Development/Nachhaltige Entwicklung
2.1.3. Corporate Citizenship
2.1.4. Corporate Giving, Corporate Sponsoring und Corporate Volunteering
2.1.5. Corporate Social Performance
2.1.6. Corporate Governance
2.2. Handlungsfelder und Dimensionen von CSR
2.3. Corporate Responsibility (CR) als Managementkonzept
2.4. Zusammenfassung

3. Nachhaltigkeitsberichterstattung
3.1. Nachhaltigkeit kommunizieren? Eine Aufgabe der Unternehmenskommunikation
3.1.1. Das Konzept der integrierten Unternehmenskommunikation
3.1.2. Wertschöpfung durch Nachhaltigkeitskommunikation
3.1.3. Investor Relations – Kommunikation mit Kapitalgebern
3.2. Modelle der Nachhaltigkeitsberichterstattung
3.2.1. ISO 14000, WBCSD, AA1000 und SIGMA
3.2.2. Die Nutzung nichtfinanzieller Leistungsindikatoren in Lageberichten
3.2.3. Flexibilität und Vergleichbarkeit
3.3. Nachhaltigkeitsindizes und -ratings
3.3.1. Dow Jones Sustainability Index (DJSI)
3.3.2
3.3.3. Oekom research corporate rating
3.4. Die GRI-Leitlinien zur Nachhaltigkeitsberichterstattung
3.4.1. Der GRI-Berichtsrahmen
3.4.1.1 Prinzipien zur Bestimmung des Berichtsinhaltes
3.4.1.2 Prinzipien der Berichterstattung zur Qualitätssicherung
3.4.1.3 Bestimmung der Berichtsgrenze
3.4.1.4 Das Financial Services Sector Supplement
3.4.2. Die GRI-Anwendungsebenen
3.4.3. Entwicklung und Überarbeitung der GRI-Leitlinien
3.5. Risikomanagement
3.5.1. Reputationsrisiken auf Platz 10 der Risiken des Jahres 2009
3.5.2. Risikomanagement und Solvency II bei Versicherungsunternehmen
3.5.3. Die Quantifizierung von Reputationsrisiken
3.6. Zusammenfassung

4. Der Nachhaltigkeitsansatz der Allianz Gruppe
4.1. Was bedeutet ‚Nachhaltigkeit‘ bei der Allianz Gruppe?
4.2. Der Allianz Nachhaltigkeitsbericht 2008
4.3. Die Bewertung von Reputationsrisiken bei der Allianz Gruppe

5. Fazit und Ausblick

Abbildungsverzeichnis

Literaturverzeichnis

Anhang

Einleitung

Nachhaltigkeitsberichterstattung scheint eine Grenzmarke erreicht zu haben. Das anfangs ehrgeizige Ziel, Nachhaltigkeitsberichterstattung als Repräsentation von Unternehmens­wer­ten, zur Stei­ger­ung von Akzeptanz und Vertrauen in der Gesellschaft und bei Investoren, zu etablier­en, scheint erfolglos geblieben zu sein. Die Finanzkrise sorgt durch ihr globales Aus­maß für einen weltweiten Vertrauensschwund in die Akteure der Wirtschaft. Menschen bangen um ihre Arbeits­plätze, übermäßige Bonuszahlungen an Manager und Vorstands­mitglieder in der Finanzwelt lassen den Ruf nach einer gerechteren Verteilung des Wohl­standes sowie mehr Transparenz und Kontrolle laut werden. Unternehmerische Management­konzepte − wie der auf kurzfristige Unternehmens­wert­stei­ger­ung angelegte Share­holder Value-Ansatz − werden öffentlich kritisiert und Auf­sichts­behörden attestieren dem Risiko­management von Unter­neh­men massive Mängel sowie unterneh­mer­isches Missmanagement.

Der aus der Finanzkrise folgende Vertrauensschwund ist nicht minder relevant für die jetzt notwendigen Ansätze einer nachhaltigen Unternehmensführung. Aktuell bilden Themen wie Nach­haltigkeit, Unternehmenswertschöpfung, CSR, Reputation und Risikomanagement, nicht zuletzt aufgrund neuer Regulierungen im Banken- und Versicherungssektor, die Agenda der Wirtschaft. In der Wahrnehmung der Werbung finden sich kaum noch Produkte die scheinbar keinen Nachhaltigkeitswert besitzen oder ökologisch bedenklich sind. Die Einfüh­rung von Solvency II führt auf Unternehmensseite zu einer gestiegenen Beschäftigung mit dem Thema Risikomanagement. CSR und Nachhaltigkeit bilden jedoch die Speerspitze der Unternehmen in Bezug auf das Management von ökonomischen, ökologischen und sozialen Themen. Die stetig steigende Anzahl von Nachhaltigkeitsberichten verdeutlicht die stärkere Auseinandersetzung der Unternehmen mit der Thematik. Dies liegt nicht zuletzt daran, dass Unternehmen zunehmend an ihrer Bereitschaft zur Übernahme gesellschaftlicher Verant­wortung gemessen werden. Transparenz, Vergleichbar­keit und Glaubwürdigkeit sind Größen, an denen Nachhaltigkeitsberichte gemessen werden können. Nachhaltigkeitsberichte ermög­lichen es Unternehmen, ihre gesellschaftlichen, ökolo­gischen und ökonomischen Aktivitäten für alle sichtbar zu machen und somit ihre Verant­wortung gegenüber der Gesellschaft zu demon­strieren.

Diese Arbeit beschäftigt sich mit der Frage, wie die CSR Berichterstattung den Unter­nehmen Möglichkeiten eröffnet, um die verschiedenen Bezugsgruppen des Unter­neh­mens umfassend über die Nachhaltig­keits­­aktivitäten zu informieren und Investoren eine zu­ver­lässige Ent­scheidungsgrund­lage für nachhaltige Investitionen zu gewährleisten.

In Kapitel 1 werden die Bezugs­gruppen des Unternehmens sowie deren Ansprüche an das Unter­nehmen dargestellt. Ebenfalls werden die Themen Unternehmensethik, Moral und Verant­wortung im Rahmen des unter­nehmerischen Selbstverständnisses betrachtet. In Kapitel 2 wird das Corporate Social Responsi­bility (CSR) Konzept sowie Begriffe, Modelle und Theorien aus dem Themen­bereich vorgestellt. An dieser Stelle findet ebenfalls eine Betrachtung von CSR als Managementkonzept statt, welches in Verbindung mit der Unter­nehmenskomm­unikation Handlungsmöglichkeiten für Unternehmen vorstellt und somit den Business Case von CSR betont. Kapitel 3 verdeutlicht die Möglichkeiten der Unter­nehmenskommunikation nachhaltige Unter­neh­mensziele durch das Kommunikations­instru­ment der Nachhaltigkeitsbericht­er­stattung zu erreichen. Hierzu werden Nachhaltigkeit­s­modelle und -indizes vorgestellt. Darüber hinaus werden Risiken für das Unternehmen benannt, die sich auf­grund der aktuellen Finanzkrise und den damit einher­gehenden regula­torischen Neuer­ungen entwickelt haben. In Kapitel 4 wird die Bedeutung des Themas Nach­haltigkeit bei der Allianz Gruppe näher betrachtet. Dies geschieht durch die Untersuchung der Art und Weise, wie das Unter­nehmen Nachhal­tigkeitsthemen an verschiedene Stake­holder kommuni­ziert und diese in den Prozess der Be­richterstattung mit einbezieht.

Ziel dieser Arbeit ist es, mittels einer kritischen Betrachtung des Nachhaltigkeits­berichts der Allianz Gruppe, zu hinterfragen, ob CSR Berichterstattung in der aktuellen Krise, als Instrument der Unternehmenskommunikation, einen herausragenden Stellen­wert einneh­men kann oder ob die Nachhaltigkeitsberichterstattung aufgrund wirtschaftlicher Umstände bzw. einer unzureichenden Kommunikationspolitik an ein Limit stößt.

1. Das Unternehmen im Spannungsfeld von Wirtschaft und Gesellschaft

1.1 Anspruchsgruppen des Unternehmens – Stakeholder und Shareholder

Ein Unternehmen muss sich sowohl extern als auch intern multiplen Interessengruppen stellen. Neben den unternehmensinternen Mitarbeitern umgeben das Unternehmen eine Vielzahl externer Bezugsgruppen, die durch ihre Beziehung zum Unternehmen jeweils anders geartete Ansprüche an dieses haben (vgl. Meckel/Schmid 2008, 68f). Als solche Bezugsgruppen sind zu nennen: die Lieferanten, Behörden, Kunden, Banken und Versicherungen, Anteilseigner und Gläubiger, die Öffentlichkeit und auch Wettbewerber (vgl. Clausen et al. 2001, 13).

An dieser Stelle ist eine Erläuterung der Begriffe Stakeholder und Shareholder hilfreich, damit die An­sprüche der verschiedenen Gruppierungen klar differenziert werden können. Edward R. Freeman gilt als der Begründer der Stakeholdertheorie. Er beschrieb bereits 1984 Stakeholder als „any group or individual who is affected by or can affect the achievement of an organization’s objectives“ (Hitt/Freeman/Harrison 2001, 189). Freemans Stakeholdertheorie ist für die CSR-Diskussion von hoher Bedeutung, da diese erstens in mehrere Richtungen interpretiert werden kann und zweitens, weil sie in vielen Fällen der Ausgangpunkt für weitere CSR-Ansätze ist und drittens, im Laufe der Entwicklung neuerer CSR-Theorien maßgeblich dafür verantwortlich war, dass es einen Para­digmenwechsel weg von den Shareholdern als einziger Anspruchsgruppe des Unternehmens, hin zu den Stakeholdern als relevante Bezugsgruppe gab (vgl. Crane/Matten/Spence 2008, 109). Die Theorie ermöglicht zunächst die Analyse der Stakeholder, indem sie eine Struktur vorgibt und die Anspruchsgruppen anzeigt, weiterhin ist sie aber auch ein Instrument, welches die Rolle der einzelnen Stakeholder im Rahmen des anvisierten Unternehmensziels aufzeigt. Zudem verdeutlicht sie die Legitimität der Anspruchsgruppen an das Unternehmen und ist eine Managementtheorie, da sie Anwendungsmöglichkeiten und Strukturen zum Management der Stakeholder enthält (vgl. ebd., 110).

Meckel und Schmid definieren Stakeholder als An­spruchsgruppen, die „in irgend­einer Form in die Unter­nehmenstätigkeit einbezogen oder durch diese direkt oder indirekt betroffen sind“ (2008, 69). Im Gegensatz zur Definition von Freeman tritt bei Meckel und Schmid die Reziprozität der Handlungsmöglichkeit nicht deutlich hervor. In einer Zeit, in der der Öffentlichkeit zunehmend die Möglichkeit gegeben ist, ihre individuelle Meinung in multiplen Medienkanälen zu verbreiten und somit – beispielsweise durch Produktkritiken – die öffentliche Meinung in Bezug auf das Unternehmen sowohl positiv als auch negativ zu beeinflussen, bildet eine unidirektional anmutende Form von Kommunikation nicht die Realität ab. Zutreffender ist hier die von der Europäischen Kommission 2001 im weiteren Sinne postulierte Definition, die Stakeholder definiert als

„Einzelpersonen, Gemeinschaften oder Organisationen, die die Geschäftstätigkeit eines Unternehmens beeinflussen oder von ihr beeinflusst werden. Es gibt interne Stakeholder (z. B. Belegschaft) und externe Stakeholder (z. B. Kunden, Zulieferer, Anteilseigner, Investoren, lokale Gemeinschaften)“ (Europäische Kommission 2001, 30).

Im engeren Sinne sind Stakeholder Individuen oder Organisationen, „die unmittelbar mit dem Leistungserstellungs- oder Absatzprozess einer Organisation verknüpft sind oder ihn mit ihren eigenen Leistungen ermöglichen“ (Bentele/Fröhlich/Szyszka 2006, 623f). Zum Kreis der Stakeholder gehören implizit auch die Shareholder. Im Gegensatz zu den restlichen strategischen Anspruchsgruppen des Unternehmens besitzt ein Shareholder einen finanziellen Anteil am Unternehmen. Shareholder entspricht folglich dem deutschen Be­griff „Anteilseigner“. Vor allem für die Berichterstattung des Unternehmens sind Dialoge mit Stakeholdern eine der grund­legenden Vorgehensweisen, um die unternehmensspezifischen Anspruchsgruppen kennenzulernen und deren Interessen in die Ausrichtung des Unternehmens aufzunehmen. Sowohl Stake- als auch Shareholder unterscheiden sich deutlich durch ihre Ansprüche und Forderungen an das Unternehmen. Die Abbildung veranschaulicht verschiedene Anspruchsgruppen und zugleich deren vornehmliche Interessen.

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abb. 1: Stakeholder des Unternehmens und deren Informationsinteressen (Quelle: Clausen et al. 2001, 13)

Bevor auf CSR und Nachhaltigkeitsberichterstattung eingegangen wird, soll die Entwicklung des Leitbildes vom ehrbaren Kaufmann sowie dessen Bedeutung für Unternehmens­ethik und öffentliches Vertrauen für das Unternehmen dargestellt werden, da diese als historische Genese bestimmend für das Verständnis des modernen Konzepts ist.

1.2 Der ehrbare Kaufmann – Die Entwicklung eines historischen Leitbildes

- zeigt in seinem in der Zeitschrift für Betriebswirtschaft (ZfB) veröffentlichten Beitrag von 2008, dass gesellschaftliche Verantwortung nicht lediglich die deutsche Übersetzung eines moder­nen Managementansatzes aus dem anglo-amerikanischen Sprachraum ist, wohl aber ein histo­risch nachvollziehbares, tradiertes Leitbild. Der ehrbare Kaufmann ist demnach ein historisches Leitbild, dessen Anfänge in Europa bereits im 11. und 12. Jahrhundert ihren Ausgangspunkt haben (vgl. Klink 2008, 62). Schon zu dieser Zeit ist der ehrbare Kaufmann ein „nachhaltig wirtschaftender Akteur“ (ebd., 57). Sein „Verhalten stützt sich auf Tugenden, die den langfristigen wirtschaftlichen Erfolg zum Ziel haben“ (ebd.). In ihm sind „Ethik und Wirtschaft untrennbar verbunden“ (ebd.). Welche Auswirkung diese Verortung der frühzeitlichen Anfänge von gesellschaftlicher Ver­ant­wortung auf die moderne CSR-Forschung hat, wird deutlich, wenn Klink die Entstehung des Leitbildes ins früh­mittel­alterliche Italien zurückverfolgt, auch die norddeutsche Hanse als nachweislich praktizieren­den CSR-Vertreter der Geschichte erklärt und die gesellschaftliche Verantwortung von Unternehmen ab einem der Wirtschaft immanenten ethischen Prinzip ausweist (vgl. ebd., 57f). Klinks Ausführung entzieht somit den aktuell in Unter­nehmen existierenden additiven Verhaltensvorschriften, wie es sie beispielsweise in Form von Corporate Governance Kodizes gibt, ihre Daseinsberechtigung (vgl. ebd.).

„Wirtschaft und Gesellschaft sind nicht voneinander zu trennen, sie stehen in Wech­selwirkung zueinander“ (ebd., 62). Ausgehend von dieser Behauptung beginnt seine Analyse der historischen Entwicklung. Am Anfang seiner Ausführung steht hierbei die Aufstellung einer zweckmäßigen Typologie des Begriffs des Kaufmanns. unter­scheidet diesen in vier Kategorien: Eigenwirtschaftler, Kaufmann, Unternehmer und Manager. Während der Eigenwirtschaftler sich durch seine persönlichen Fähigkeiten selbst versorgen kann, ist der Kaufmann das Wirtschaftssubjekt, welches die überschüssigen Waren des Eigenwirtschaftlers aufkauft und zu einem gewinnbringenden Preis weiterverkauft (vgl. ebd., 60). Dieser Dualismus bestand bis ins 18. Jahrhundert hinein. Erst im 18. Jahrhundert betrat das dritte Wirtschaftssubjekt die Bühne – der Unternehmer. Mit seinem Auftreten wurden sämtliche bis dato bestehenden wirtschaftlichen Relationen neu geordnet, da der Unternehmer „das erste Wirtschaftssubjekt ist, das viele Menschen in seine Abhängigkeit gebracht hat […]“ (ebd.). Der Unternehmer regelt die Einkommensverteilung unter den Wirt­schafts­subjekten. Dem Unternehmer folgte als letztgenannte Entwicklung in der Typologie der Manager. Er ist die Ergänzung des Unter­nehmers, da dieser den Überwachungs- und Steuer­ungs­mechanismus des Betriebs nicht mehr eigenständig ausfüllen kann (vgl. ebd., 60).

Die Internationalisierung wirtschaftlicher Be­ziehungen führte zu einer stetig wachsenden Bedeutung der Manager im 20. Jahrhundert. Mit der Größe des Unternehmens wächst die gesellschaftliche Verantwortung des Managers, die wiederum die des Unternehmers um ein Vielfaches übertrifft (vgl. ebd.). Das Mittelalter war eine Zeit starker gesellschaftlicher Umstrukturierungen, welche auf der wirtschaftlichen Ebene vor allem durch zwei Gruppen besonders beeinflusst wurde: die italienischen Kaufleute im Süden und die Hanse im Norden Europas (vgl. ebd.). Die Umstände der Zeit wie Ständehierarchie, Kriege und eine sehr diffuse Rechtsprechung veranlassten die Kaufleute dazu, sich in Kaufmannsgilden zu organisieren. Die Gilden „verfügten über Rechte, hatten Pflichten zu erfüllen und setzten Normen, die dem Kaufmann eine bestimmte Lebensführung vorschrieben“ (ebd., 63). Sie diente unter anderem als Koordinationsmechanismus und als System für den Informationsaustausch (vgl. ebd.). Mit der zunehmenden wirtschaftlichen Bedeutung für die wachsenden Städte stiegen auch die politische Macht und die gesellschaftliche Verantwortung der Kaufleute. Verletzte ein Kaufmann die von Gilde und Gesellschaft vorgeschriebenen Regeln, „wurde er im schlimm­sten Falle von der Gesellschaft ausgeschlossen, denn die Ehre stellte die Grundlage für das Leben in der Gesellschaft dar“ (ebd.). Ehre ist ein Begriff, der über die Jahre hin eine Wandlung erfahren hat. War der Begriff der Ehre im 18. Jahrhundert noch kohärent zum Begriff der Ehrlichkeit, so bedeutet Ehrlichkeit im heutigen Gebrauch hauptsächliche ‚die Wahrheit‘ zu sagen (vgl. ebd.).

Bis zum 18. Jahrhundert war Ehre allerdings keine „moralische, sondern eine soziale Kategorie und bedeutete ursprünglich die ständische Ehren­haftigkeit der Adligen und später der Bürger, zu denen auch der Kaufmann zählte“ (ebd., 64). Ohne Ehrbarkeit war der Aufstieg des Kaufmanns in der Gemeinschaft jedoch unmöglich, weshalb der Kaufmann seinen Ruf schützen musste, „denn ein beschädigter Ruf war sein Ruin“ (ebd., 65). Diese Tatsache findet bereits in früherer Zeit verfassten Kaufmanns­handbüchern Erwähnung. führt an, dass bereits Cicero feststellte, dass die Arbeit der Kaufleute zum Wohle der Menschheit eingerichtet sein sollte (vgl. ebd.). Luca Pacioli, ein italienischer Kaufmann aus der Mitte des 15. Jahrhunderts, nennt Kaufleute gar die Scharniere im gesellschaftlichen Leben. Die Kaufleute wussten, dass die Städte die Grundlage ihres Erfolgs, ihrer Geschäfte und ihrer Macht waren, weshalb sie durch Wohltätigkeit und ein ausgeprägtes Mäzenatentum versuchten, den sozialen Frieden zu bewahren. nennt dies auch „das rationale Wissen um den Verdienst der Gemeinschaft für den eigenen sozialen Aufstieg, das Wissen um die eigenen Wurzeln und ihre Bedeutung“ (ebd., 67).

Tugenden, Verhaltensweisen und Einsichten waren die Grundelemente für die Bestimmung des ehrbaren Kaufmanns im Italien des Mittelalters (vgl. ebd.). Fast zeitgleich gründet sich im Norden Deutschlands eine Vereinigung von Kaufleuten, die auch heute noch bekannt ist und durch ihren weitreichenden Einfluss und ihre hohe geschichtliche Relevanz etliche Firmengeschichten früherer deutscher Unternehmen nachhaltig geprägt hat: die Hanse. Wie auch bei den italienischen Kaufleuten war die Bewahrung der Ehre eine der wichtigsten Maximen der damaligen Hansekaufleute. Zusätzlich zum Streben nach Gewinn war Toleranz gegenüber fremden Nationen und Religionen eine grundlegende Einstellung (vgl. ebd., 69). Durch „ein schickliches Benehmen und die Vermeidung von Verschwendung“ (ebd.) wurde die Ehrbarkeit gewahrt, Glücksspiel, Beleidigungen gegenüber Frauen und der Obrigkeit waren verpönt (vgl. ebd.). Obwohl in Bezug auf die Hanse keine Aussagen zum Leitbild des ehrbaren Kaufmanns finden kann, so sind doch die Ähnlichkeiten zwischen den beiden Wertvorstellungen der damaligen Zeit evident.

Im Anschluss an den Dreißigjährigen Krieg und den Niedergang der Hanse kommt es zu einem wirtschaftlichen Rückschritt. Die internationalen Wirtschaftsver­bin­dungen kommen zum Erliegen und es bildet sich ein neues Wirtschaftssystem auf der Ebene des Bürgertums (vgl. ebd.). Die Ehrbarkeit des Kaufmanns ändert sich im Vergleich zum Mittelalter nicht grundlegend, jedoch findet vor allem aufgrund der Aufklärung eine Verschiebung der Gewichtung auf die Attribute der Vernunft und der Moral statt (vgl. ebd.). Das Tugendschema von Benjamin Franklin vermittelt einen Eindruck der für die damalige Zeit maßgeblichen Tugenden: „Mäßigkeit, Schweigen, Ordnung, Entschlossenheit, Genügsamkeit, Fleiß, Aufrichtigkeit, Gerechtigkeit, Mäßigung, Reinlichkeit, Gemütsruhe, Keuschheit und Demut“ (ebd., 71).

- sieht in den Entwicklungen des 18. Jahrhunderts die „konsequente Fortführung der Ideale des mittelalterlichen Ehrbaren Kaufmanns“ (ebd., 72). Durch seinen Beitrag veranschaulicht Klink die Tugenden des ehrbaren Kaufmanns seit dem Beginn des Mittelalters und deren Bedeutung für einen langfristigen wirtschaftlichen Erfolg sowie die Tatsache, dass bereits zum Beginn des 2. Jahrtausends ein Konnex von Ethik und Wirtschaft unabdingbar war (vgl. ebd.). Gleichzeitig stellt Klink dar, dass die CSR-Diskussion in Deutschland nicht lediglich auf der Ebene des Unternehmens, sondern auf der Ebene jeden einzelnen Unternehmers geführt werden muss, da in Deutschland ein Großteil der Unter­nehmen Familienunternehmen sind.

1.3 Unternehmensethik, Reputation und öffentliche Kommunikation

In der aktuellen Finanzkrise stellt sich oftmals die Frage, ob Unternehmen moralisch und ethisch korrekt handeln, ob sie soziale Verantwortung übernehmen und welche Folgen diese Handlungen für das Unternehmen haben. Unternehmensreputation ist ein abstrakter Wert, der nicht mit einem einzelnen Indikator gemessen werden kann. Selbige ist allerdings auch kein Konstrukt, welches rein zufällig entsteht. Sie baut langfristig auf allgemeinen und spezifischen Werten und Normen auf, die vom Unternehmen kommuniziert werden. Welche Werte und Normen hierbei eine Rolle spielen, wie sie definiert werden können und welchen Einfluss sie auf die Unternehmensreputation haben, soll in der Folge veranschaulicht werden.

Hierzu sollen vorerst die Begriffe der Moral und der Ethik erläutert werden. Nach Leisinger, Präsident und Geschäftsführer der Novartis Stiftung für Nachhaltige Entwicklung, sind unter Moral „bestimmte Normen zu verstehen, die das praktische Verhalten (vor allem gegenüber Mitmenschen, aber auch gegenüber der Natur und sich selbst) leiten“ (Leisinger 1997, 13). Werden Moral und Ethik häufig synonym verwendet, so sind sie doch per Definition zu differenzieren. Ethik „als Wissenschaft befasst sich mit dem Thema in beschreibender und vergleichender Weise, aber auch als wertende Moralkritik“ (ebd.). Durch die Formulierung von Forderungen erhält Moral einen normativen Charakter. Durch die Klassifizierung in ‚gut‘ oder ‚schlecht‘ wird menschliches Verhalten bewertet (vgl. ebd.). Dies macht deutlich, dass Moral aus zwei Komponenten besteht. Einerseits aus Werten, andererseits aus Normen. Ein Problem ergibt sich aus der Tatsache, dass verschiedene Personen, Staaten oder Kulturen die ihnen eigenen Normen aus unterschiedlichen Werten ableiten. Es müssen vor einer Diskussion also weitere Differenzierungen vorgenommen werden, um eine sachliche Diskussion führen zu können. Leisinger führt die Ausdifferenzierung des Wertbegriffs in Wertcharakter (die Eigenschaft des Wertes) und Sache (beispielsweise Ehrlichkeit oder Unehrlichkeit) als Möglichkeit an (vgl. ebd.). Aus diesem Dualismus lassen sich normative Handlungsmaximen ableiten. Diese grundlegende Definition von Moral bezieht Leisinger nun auf das Unternehmen. Nach Leisinger ist Unternehmensmoral „der Inbegriff jener Werte und Normen, die innerhalb eines bestimmten Unternehmens als verbindlich anerkannt werden“ (ebd., 18). Unternehmensethik „reflektiert die faktisch in einem Unternehmen herrschenden Normen und Werte, fragt nach qualitativen Momenten, die […] Handeln zu «gutem» Handeln machen“ (ebd.). Auch für multinationale Unternehmen gibt es laut Leisinger keine ‚Sondermoral‘. Ganz im Gegenteil, große Unternehmen tragen durch ihren größeren Einfluss gleichsam eine größere Verantwortung.

„Größere Macht verlangt als Korrelat in jedem Fall die vermehrte Wahrnehmung von Verantwortung. Dies bedeutet, daß international arbeitende Unternehmen aufgrund ihrer größeren wirtschaftlichen Potenz, ihres im Normalfall höher entwickelten technischen, organisatorischen und anderen Know-hows sowie ihrer internationalen Erfahrung auch eine höhere soziale, ökologische und ethische Verantwortung tragen“ (Leisinger 1997, 19).

Somit ist größeren Unternehmen von vorneherein die Verpflichtung einer ökonomischen, sozialen und ökologischen Handlungsweise eingeschrieben. Gleichzeitig hält Leisinger fest, dass Unternehmensgewinne nicht nur betriebswirtschaftlich erforderlich sind, sondern parallel auch sozialethische Bedeutung haben, da die Sicherung von Arbeitsplätzen, die Bereitstellung von Gütern und die Entwicklung neuer Techniken dafür verantwortlich sind, dass Gewinne erwirtschaftet werden und Teile davon wiederum, in Form von Abgaben, als Investitionen in Staatsform und Gesellschaft zurückfließen (ebd., 20). Er folgert daraus, dass in Zeiten schrumpfender Ressourcen und steigender Bevölkerungszahl ethisches Handeln zu einem Großteil darin bestehen muss, Gewinne zu erwirtschaften, da Verluste den Unternehmen und somit auch der Gesellschaft schaden. Unternehmensethik übernimmt somit vor allem eine herausragende Rolle im unternehmerischen Zielbildungsprozess und kann als ein Zusatz im Management gesehen werden, der reguliert, auf welche Art und Weise die Unternehmensziele erreicht werden sollen (vgl. ebd.).

Normen und Werte der Unternehmensethik können durch Kommunikation – beispielsweise in Form eines Code of Conduct – an Mitarbeiter und Stakeholder weitergegeben werden. Der Code of Conduct ist ein Verhaltenskodex, der darauf abzielt, die Unternehmensphilosophie in den Arbeitsalltag zu integrieren (vgl. Bender 2007, 34f). Er kommuniziert gleichzeitig die Unternehmenswerte und dient sowohl als Orientierungsinstrument für neue Mitarbeiter, als auch als Aushängeschild des Unternehmens selbst, zeigt er doch „dass das Unternehmen nach ethischen Grundsätzen in Einklang mit seiner Umwelt agieren möchte“ (ebd., 36). Damit die kommunizierten Werte und Normen von den Bezugsgruppen akzeptiert oder zumindest als authentisch angesehen werden, ist ein weiterer Faktor von großer Bedeutung: die Unternehmensreputation. Eine förderliche Unternehmensreputation setzt voraus, dass die Öffentlichkeit dem Unternehmen vertraut. Vertrauen ist hier nicht als Personalvertrauen gemeint, sondern als Systemvertrauen. Bentele und Seidenglanz sind der Auffassung, dass aufgrund des in der modernen Gesellschaft hauptsächlich durch Medien vermittelten Weltgeschehens und der Tatsache, dass diese Informationen indirekt vermittelt werden und zumeist nicht intersubjektiv nachprüfbar sind, das Vertrauen in der heutigen Gesellschaft zunehmend an Relevanz gewinnt. In Anlehnung an Luhmann kann Vertrauen „als (kommunikativer) Mechanismus zur Reduktion von Komplexität, als riskante Vorleistung bestimmt werden“ (Bentele/Fröhlich/Szyszka 2006, 346). Vertrauen wiederum ist die Grundlage für die Akzeptanz von Leitideen (vgl. Schranz 2007, 76). Um soziales Vertrauen „aufzubauen und zu befestigen, bedienen sich Organisationen des Kommunikationsmanagements, das mittels der Schaffung funktionaler Transparenz die Basis für eine Gewährung sozialen V.s zu legen sucht“ (Bentele/Fröhlich/Szyszka 2006, 627).

Öffentliches Vertrauen entsteht durch Prozesse öffentlicher Kommunikation und wird über Vertrauensvermittler (wie beispielsweise Medien, Politik oder Unternehmen) gebildet. Personen, denen vertraut wird, besitzen damit Glaubwürdigkeit und Reputation (vgl. Schranz 2007, 76). Reputation wird in der Moderne hauptsächlich durch Kommunikation hergestellt (vgl. ebd., 76). Reputation kann zergliedert werden in Funktionale Reputation und Sozialreputation. Funktionale Reputation verkörpert nach Schranz hauptsächlich die ökonomische Kompetenz von Unternehmen, während Sozialreputation die Werte und Normen des Unternehmens verkörpert (vgl. ebd.). In der Gesamtheit bezeichnet Schranz Reputation als „Vertrauensetikett“, welches „über die interpersonellen Vertrauensbeziehungen hinausgeht, und ein öffentliches Vertrauen darstellt“ (ebd., 81). Der lexikalische Bereich des Handbuchs der PR versteht unter Reputation den „Ruf bzw. das Ansehen einer Person oder einer Organisation“ (Bentele/Fröhlich/Szyszka 2006, 621). Durch vorangestellte Ausführungen wurde bereits gezeigt, dass Reputation mehr als das Ansehen beschreibt. Der Lexikonartikel ergänzt abschließend auch, dass Reputation im Kern „die Gesamtheit der Werturteile, die sich im Laufe der Zeit über Personen, Produkte, Marken oder Organisationen – mit oder ohne deren aktives Zutun – entwickelt hat“ (ebd.). CSR-Maßnahmen werden vonseiten der Unternehmen allerdings immer wieder missbraucht, um einen kurzzeitigen Reputations­ge­winn zu erzielen, wie eine Studie von A.T. Kearney zeigt.

„companies take a more tactical approach, viewing sustainability first as an opportunity to improve their reputations. They make small efforts such as upgrading an environ­mental policy or rebranding existing initiatives under the guise of sustainability“ (ATKearney 2009, 1).

Durch den steigenden Einfluss von Stakeholdern wird das sogenannte Reputation Management, ein Teil des Kommunikationsmanagements, zu einem „wichtigen unternehmerischen Erfolgsfaktor und ist somit Teil des Marken- bzw. Unternehmenswerts “ (ebd.). Die Öffentlichkeit bildet den Raum, in dem sich Reputation konstituiert. Öffentlichkeit wird hier verstanden „als Netzwerk von Kommunikationsflüssen“ (Schranz 2007, 82), die in „unterschiedlichen Arenen […] zusammenlaufen“ (ebd.). Eine aktuelle Umfrage der Agenturgruppe Edelmann ergab, dass 73 % der 4475 Befragten der globalen Wirtschaft in diesem Jahr weniger zutrauen als im letzten Jahr (vgl. Edelman Trust Barometer 2009, 2f). Laut Edelman ist Vertrauen aber existenziell für Investitionen der Anleger (vgl. ebd.). Ein sinkendes Vertrauen in die Wirtschaft führe zu geringeren Investitionen. Im schlimmsten Fall könne das Unternehmen seine ‚Handlungslizenz‘ (license to operate) verlieren. Um dem entgegen zu steuern, gibt es laut Edelman nur eine Möglichkeit: „Business must make fundamental changes if it is to regain the license to operate“ (ebd.). Eine jüngst erschiene Studie der Unternehmensberatung Ernst & Young (E&Y) ergab, dass das Vertrauen in die Versicherungswirtschaft, den Bankensektor und in Rating-Agenturen zurzeit besonders gering ist (vgl. E&Y 2009a, 13). Das größte Vertrauen genießt bei den 700 befragten Unternehmen der EURO (vgl. ebd.). Das generelle Vertrauen in die deutsche Marktwirtschaft ist mit 82 % trotz der Wirtschaftskrise vergleichbar hoch (vgl. ebd.).

1.4 Zusammenfassung

Die Anspruchsgruppen der Unternehmen haben sich radikal verändert. Sie sind aktuell wesent­lich differenzierter, zahlreicher und kritischer, und fordern mehr Teilnahme am Unternehmen − sei es durch Stakeholderdialoge oder öffentliche Debatten in den Medien. NGOs, Lieferanten, Behörden und Mitarbeiter verlangen vom Unternehmen ein differenziertes Kommunikationsmanagement, um die verschiedenen Stakeholder-Beziehungen langfristig erfolgreich zu managen. Die ursprünglichen Werte vom ehrbaren Kaufmann lassen sich in der heutigen Zeit nicht wiederfinden. Der Wandel von moralischen und ethischen Wertevor­stellungen fordert eine fortwährende Rekapitulation und Anpassung der unternehmensweiten Leitwerte. Somit sind Vertrauen, Repu­tation, öffentliche Kommunikation und ethisches Handeln bedeutende Faktoren, die ein global agierendes Unternehmen in seiner Kommuni­kationspolitik durch alle Instanzen hindurch synchronisieren muss. Der Wertetransfer des unternehmenseigenen Leitbildes gelingt am besten durch Kommunikations­maßnahmen, wie beispielsweise der Etablierung eines Code of Conducts oder einer proaktiv operierenden Öffentlichkeitsarbeit. In der aktuellen wirtschaftlichen Situation sollte die Wiederherstellung des verlorenen Vertrauens in die Unternehmen an erster Stelle stehen. Die bestehenden Wechselbeziehungen zwischen Wirtschaft und Gesellschaft sind hierbei Chance und Risiko zugleich.

2 Corporate Social Responsibility (CSR)

2.1 Corporate Social Responsibility – Ein Konzept und seine Entwicklung

Die Anfänge der Corporate Social Responsibility sind nicht in der aktuellen Zeit zu suchen, wenngleich einige Publikationen durch ihren aktuellen Bezug diese Vermutung entstehen lassen. Corporate Social Responsibility wurde in den USA bereits in den 1970er Jahren in wissenschaftlichen Kreisen thematisiert.

Im Gegensatz zu Deutsch­land waren und sind die USA kein Wohlfahrtsstaat, es gibt also keine soziale Absicherung (vgl. Meffert/Münstermann 2005, 4). „Freiwilliges bürger­schaft­liches bzw. zivil­gesell­schaft­liches Engagement war und ist in den USA eine kulturelle Selbst­vers­tändlichkeit“ (ebd.). Im Deutschland der 1980er Jahre war die Übernahme gesell­schaftlicher Verantwortung nicht an der Tagesordnung. Das soziale Netz sorgte dafür, dass Menschen, die aus dem Arbeitsmarkt ausschieden nicht in einen vollständig mittellosen Zustand verfielen. Der Staat übernahm die Funktionen des Versorgers und die des Weiter­bilders. In den USA hingegen gewannen unternehmerisches Bürgerengagement und ein stei­gendes öffent­liches Bewusstsein für die soziale Mitver­antwortung von Unternehmen rasant an Be­deutung (vgl. ebd., 5). In der Wirt­schaftskrise der 1980er Jahre verloren die USA ihre internationale Wettbewerbs­fähigkeit und mussten gegen steigende Arbeits­losigkeit und schrumpfende Absatzmärkte an­kämpfen. In dieser Zeit wurde die Tragweite des gesell­schaftlichen Engage­ments des Unter­nehmens und die Bedeutung für die Wirtschaft erkennbar. In dieser geschichtlichen Gegebenheit liegt mitunter auch der Unterschied zwischen dem divergierenden deutschen oder europäischen Verständnis von Corporate Social Responsi­bility und dem US-amerikanischen (vgl. ebd., 5) begründet.

In Europa und Deutsch­land, so stellen Meffert und Münstermann fest, steht gesell­schaftliche Ver­antwortung erst seit wenigen Jahren im Mittelpunkt der Diskussion (vgl. ebd., 6). Ein europäischer Ansatz, der den Themen­komplex Corporate Social Responsibility in Europa zur Sprache zu brachte, erschien erstmals mit dem Grünbuch (vgl. ebd.). Bereits 2001 wurde der Begriff Corporate Social Re­sponsibility (CSR) von der Euro­päischen Komm­i­ssion be­schrieben als

„Konzept, das den Unternehmen als Grundlage dient, auf freiwilliger Basis soziale Belange und Umweltbelange in ihre Unternehmenstätigkeit und in die Wechsel­be­ziehung mit den Stakeholdern zu integrieren“ (Europäische Kommission 2001, 7).

Im Anschluss an die Veröffentlichung dieses Dokuments setzten Konsultationen ein, die in einem weiteren Dokument im Jahr 2002 publiziert wurden. Im selben Jahr noch folgte die Gründung des European Multi-Stakeholder-Forum on CSR (EMS-Forum). Das Forum sollte den Informationsaustausch zwischen den verschiedenen Interessengruppen und Experten gewährleisten. Das Forum wurde sowohl von Vertretern aus Gewerkschaften, als auch von Unter­nehmens- und Verbraucherverbänden sowie NGOs besetzt. Als Beobachter waren von poli­tischer Seite Vertreter des Europäischen Rates, des Europaparlaments und anderen trans­nationalen Organisationen vertreten (vgl. Meffert/Münstermann 2005, 7).

Auf internationaler Ebene rief der ehemalige UN-Generalsekretär Kofi Annan 1999 die Initiative UN Global Compact (GC) ins Leben. Im Global Compact werden Themen wie Menschenrechte, Arbeitsbeziehungen, Umwelt und Bekämpfung der Korruption thematisiert (vgl. ebd.). Als Reaktion auf die Anmerkungen von Kritikern verschärft der UN Global Compact in diesem Jahr die Bedingung für seine Mitglieder. Neumitglieder, die ab Juli 2009 dem UN Global Compact beitreten, müssen ihre Nachhaltigkeitsberichte nun nicht mehr im zweijährigen, sondern im jährlichen Turnus vorlegen (oekom-research 2009a). Der Global Compact soll dadurch eine höhere Glaub­würdigkeit erreichen (vgl. ebd.).

Trotz dieser internationalen Bemühungen verweigerte sich Deutschland lange Zeit einer umfangreicheren CSR-Diskussion, obgleich die Voraussetzungen für eine Be­schäfti­gung mit dem Thema nicht hätten besser sein können. Sozialbilanzen und Umwelt­berichte gab es in Deutschland bereits in den 80er Jahren (vgl. Meffert/Münstermann 2005, 9). Begründet auf der Umweltbewegung in den 80er Jahren stand in Deutschland jedoch vornehmlich die ökologische Verantwortung von Unternehmen im Vordergrund, nicht aber die ökonomische oder soziale. Sowohl auf der politischen als auch auf der unternehmer­ischen Seite, wurden im Laufe der letzten Jahre Konzepte entwickelt, durch die das Thema Corporate Social Responsibility ein breiteres öffentliches Interesse erfuhr. Nicht zuletzt durch die stärkere Sensibilisierung der Öffentlichkeit spielen die Beweggründe unter denen ein Unternehmen handelt eine immer größere Rolle für die Kaufentscheidung der Verbraucher (vgl. Bender 2007, 2).

CSR birgt nicht nur Chancen sondern auch Risiken. Gleichzeitig gewinnt die Relevanz der Beziehung des Unternehmens zu seinen Bezugsgruppen zunehmend an Bedeutung. Legiti­ma­tionsdruck durch Share­holder und An­sprüche anderer Bezugsgruppen ver­stärken die Not­wendigkeit eines integrierten Komm­uni­kationskonzepts auf Seite des Unter­nehmens (vgl. ebd., 100). CSR bietet als strategisches Kommuni­kationsinstrument die Möglichkeit, Aktivi­täten des Unternehmens an verschiede Zielgruppen zu kommunizieren sowie durch Transpa­renz in der Nachhaltigkeitsberichterstattung das Vertrauen in das Unter­nehmen zu er­höhen und dadurch die gesamte Unternehmensreputation positiv zu beeinflussen (vgl. ebd., 3).

CSR dient dabei „als strategisches Element zur kontinuierlichen Kommuni­kation mit einer breiten Öffentlichkeit“ (ebd., 100).

Trotz – oder gerade aufgrund – der zahlreichen wissenschaftlichen und praxis­orien­tierten Publikationen zum Themenkomplex CSR existiert eine synonyme Verwen­dung von Begrifflichkeiten, die die Bemühungen einer präzisen Ausarbeit­ung von allgemein verbind­lichen Definitionen erschwert (vgl. Schranz 2007, 20). Schranz führt als Grund für die Schwierigkeiten der eindeutigen Begriffs­be­stimm­ung ebenfalls an,

„dass Begriffe wie jener der gesellschaftlichen Verantwortung von Unternehmen in einem Umfeld liberaler Traditionen und mit einem expliziten Sinn für die Selbst­regulierungskräfte von Gesellschaften, eher gedeihen als im Kontext einer sozialmarkt­wirtschaftlichen Tradition, welche den Staat als zentralen Lenker und Stabilisator sozia­ler Ordnung und des Gemeinwohls während Jahrzehnten der Entwicklung in den Mittel­punkt wissenschaftlicher Analyse stellte und deshalb vor allem Begriffsarbeit im Rah­men der Veränderung der Funktionsrolle des Staates betrieb“ (ebd., 20f).

Somit ist eine Eins-zu-eins-Übertragung von anglo-amerikanischen Begriffen, ohne Berücksichtigung der ideologisch und politisch vorherrschenden Leitwerte nicht zielführend (vgl. ebd., 20). In dem 2005 veröffentlichten Arbeitspapier zum Thema CSR weisen Meffert und Münstermann ebenfalls darauf hin, dass die vorherrschende Begriffsvielfalt im Themenkomplex oftmals fälschlich synonym verwendet wird (vgl. Meffert/Münstermann 2005, 15). Ausgehend von der CSR-Definition der Europäischen Kommission 2001 erweitern Meffert und Münstermann die Definition im Hinblick auf deutsche und europäische Einflüsse und entwickeln folgende Arbeitsdefinition, die auch für diese Arbeit als Ursprung gelten soll:

„Corporate Social Responsibility (CSR) bezeichnet ein integriertes Unter­nehmens­konzept, das ausgehend vom Wertegerüst und den Zielen des Unter­nehmens dessen Rolle in der Ge­sellschaft und der damit einhergehenden Verantwortung konkretisiert. Es umfasst die Gesamt­heit aller sozialen, ökologischen und ökonomischen Beiträge eines Unternehmens zur freiwilligen Übernahme gesellschaftlicher Verant­wortung, die über die Einhaltung gesetzlicher Bestimmungen hinausgeht. Die Inte­gration dieses Engage­ments in inhaltlicher, zeitlicher und kommunikativer Hinsicht und die struktu­rell-pro­zessuale Implementierung in die Unternehmenstätigkeit sowie die Sicherstellung lang­fristiger Wechselbeziehungen mit den relevanten Anspruchsgruppen (Stakeholdern) sind zentrale Bestandteile des CSR-Konzepts“ (ebd., 22).

Dass sich die CSR-Definitionen nicht zuletzt länderspezifisch unterscheiden, wurde einleitend bereits dargestellt. FilJo und Pawlak stellen ebenfalls fest, dass die Bandbreite der Definitionen zu CSR in Deutschland sehr weit gestreut ist (vgl. Filjo/Pawlak 2009, 62). Sie stellen heraus, dass die CSR-Definition der Europäischen Kommission – im Gegensatz zu der des World Business Council for Sustainable Development (WBCSD), die vor allem den Business Case betont – auch soziale und umweltrelevante Themen beinhaltet (vgl. ebd., 63).

„Corporate Social Responsibility is the continuing commitment by business to behave ethically and contribute to economic development while improving the quality of life of the workforce and their families as well as of the local community and society at large“ (Filjo/Pawlak 2009, 63).

Ebenfalls betont die Definition der Europäischen Kommission die Freiwilligkeit von CSR und die Relevanz der Kommunikation mit Stakeholdern (vgl. ebd.). In Anbetracht der Nutzung von Rahmenvorgaben – wie beispielsweise den GRI-Leitlinien – gehen Filjo und Pawlak davon aus, dass besonders die 2009 erwartete Veröffentlichung der ISO-Richtlinien zum Thema CSR in Deutschland besondere Aufmerksamkeit bei den Unternehmen erfahren wird (vgl. ebd., 63f). Im Unterschied zu anderen europäischen Ländern attestieren Filjo und Pawlak den deutschen Unternehmen vor allem die Einbindung von Innovationen und technischen Entwicklungen in ihre CSR-Praktiken. Dies sehen sie als zukunftsweisenden Ansatz, der auch in anderen Ländern nützlich sein könnte (vgl. ebd., 69).

Vorerst werden jedoch die wichtigsten Modelle und Theorien der CSR nachgezeichnet, damit im weiteren Verlauf deutlich wird, welche Gedanken bereits in Form von Indikatoren und Werten Eingang in die Nachhaltigkeitsberichterstattung gefunden haben und welche noch nicht, beziehungsweise nicht hinreichend, umgesetzt sind. In den folgenden Unterkapiteln werden die Vielzahl der mit dem Thema CSR assoziierten Definitionen sowei­t voneinander abgegrenzt, dass die Verwendung der Begrifflichkeiten ohne Überschneidungen möglich ist.

2.1.1 Corporate Social Responsibility – Begriffe, Modelle und Theorien

Wie Schranz bemerkt, ist das Feld der Theorien und Modelle, welches sich mit dem Thema soziale Verantwortung von Unternehmen be­schäftigt, „unübersichtlich und begriffsarchitektonisch äußerst heterogen“ (Schranz 2007, 31). Als Gründe hierfür nennt er die unterschiedlichen Theorietraditionen der Wissenschaften und angesichts der Disziplinvielfalt ein damit einhergehendes extrem divergentes Vor­gehen in der Aufarbeitung der Thematik aufgrund unterschiedlicher Methoden und Perspektiven. Ein weiterer Grund ist der starke Bezug der Theorien auf jeweils bestimmte Untersuchungsebenen. So existieren sowohl Ansätze, die auf der Meso­ebene (Organisationen) anzusiedeln sind, als auch Ansätze, die auf der Makroebene (Gesellschaft und Wirtschaft) verortet sind. Als weiteren Punkt nennt Schranz die starke Abhängigkeit von der politischen Kultur des Landes (vgl. ebd., 31f).

Um die theoretischen Forschungsansätze der CSR-Theorien zu ordnen, bildet Schranz vier Kategorien. Instrumentelle Ansätze befassen sich hauptsächlich mit der Mesoebene und betrachten CSR als Wettbewerbsfaktor zur Profitmaximierung durch PR-Maßnahmen (vgl. ebd., 33f). Ethische Ansätze betrachten sowohl die Meso- als auch die Makroebene und behandeln CSR als zwingende Notwendigkeit der Unternehmen, die ihnen von der Gesellschaft gegebenen Möglichkeiten des Wirtschaftens zum Gemeinwohl der Gesellschaft zu nutzen (vgl. ebd., 35f). Politische Ansätze analysieren vor allem die Makroebene der Theorien. Die aktuell diskutierten politischen Theorien gehen davon aus, dass im Laufe der letzten 30 Jahre immer mehr die Steuerungshoheit des Staates zugunsten von Organisationen und Institutionen abhanden gekommen ist. Somit wäre die Zunahme der CSR-Aktivitäten bei Unternehmen nicht aufgrund eigener Bestrebungen, sondern aufgrund der Erwartungshaltung der Gesellschaft an Unternehmen, zu erklären (vgl. ebd., 37f). Letztlich konstituiert Schranz die Kategorie der Theorien der Organisationskommunikation. Als Ausgangspunkt dieser Ansätze dient die „zunehmende Bedeutung der öffentlichen Kommunikation für die Wirtschaft“ (ebd., 36). Die Nutzung des Mediensystems zur Steigerung des Unternehmenswertes und dessen Risiken für das Unternehmen bilden einen der zahlreichen Untersuchungsansätze. Die Kategorisierung von Schranz verdeutlicht, wie weitreichend die Ansätze zum Forschungsthema CSR sind. Aus ihr geht hervor, dass diese vorliegende Arbeit sich im Bereich der Organisationskommunikation verortet.

Bereits im vorangegangenen Kapitel konnte durch die historische Annäherung an CSR gezeigt werden, dass die Wurzeln des CSR in den anglo-amerikanischen Ländern zu suchen sind und dass das dort geprägte gesellschaftliche Verständnis mit dem des deutschen oder europäischen Verständnisses nicht kongruent ist. Der Anfang der CSR-Diskussion ist bereits 1953 bei Bowen zu finden. In der Publikation ‚Social Responsibilities of the Businessman‘ stellt er fest, dass die Wirtschaft die Menschen in vielen Bereichen beeinflusst. Daraus leitet er ab, dass sich „die soziale Verantwortung der Unternehmer […] an den gesellschaftlichen Erwartungen und Werten orientier[t]“ (Loew/An­kele/Braun/Clausen 2004, 2) muss. Für mehr Unruhe sorgte Milton Friedmans Artikel ‚The social responsibility of business is to increase its profits‘, veröffentlicht am 13. September 1970 im New York Times Magazine. Hierin findet sich der viel zitierte Ausspruch:

„there is one and only one social responsibility of business–to use its resources and engage in activities designed to increase its profits so long as it stays within the rules of the game, which is to say, engages in open and free competition without deception or fraud“ (Friedman 2008, 32).

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Details

Seiten
Erscheinungsform
Originalausgabe
Jahr
2009
ISBN (eBook)
9783836638890
DOI
10.3239/9783836638890
Dateigröße
2.3 MB
Sprache
Deutsch
Institution / Hochschule
Rheinische Friedrich-Wilhelms-Universität Bonn – Philosophie, Kommunikationswissenschaften
Erscheinungsdatum
2009 (November)
Note
1,5
Schlagworte
corporate social responsibility finanzkrise reputation unternehmenskommunikation
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Titel: CSR Berichterstattung am Limit?
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