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Steuerliche Behandlung von strukturierten Produkten

©2008 Masterarbeit 112 Seiten

Zusammenfassung

Inhaltsangabe:Einleitung:
Ausgangslage:
Die Geschichte strukturierter Produkte begann im Jahre 1991, als der damalige Schweizerische Bankverein das erste kapitalgeschützte Produkt emittierte. Der überwältigende Erfolg dieses Produkts veranlasste sogleich weitere Banken strukturierte Produkte zu lancieren. Bis zum Ende des Jahres wurden letztendlich kapitalgeschützte Produkte im Wert von über 1.5 Mrd. Schweizer Franken emittiert.
In den vergangenen 17 Jahren erfuhr die Produktentwicklung und Emissionstätigkeit von strukturierten Produkten einen regelrechten Boom. Per Ende Juli 2007 befanden sich bereits strukturierte Produkte für 346 Mrd. Schweizer Franken in den Portfolios der Schweizer Banken. Dies entspricht mittlerweile 6,5 Prozent der gesamten Wertschriftenbestände in der Schweiz und einem Wachstum von über 21 Prozent seit Ende 2006.
Aus Gründen des Marketing gingen Emissionsbanken dazu über, eigene proprietäre Bezeichnungen für Produkte zu entwickeln, um sich von der Konkurrenz abzuheben. Vom Aufbau her identisch wurden strukturierte Produkte je nach Emittent mit ihrem eigenen Label bezeichnet, was oftmals neben der eigentlichen Komplexität der Produkte zur Verwirrung der Kundschaft führte und die Akzeptanz unnötigerweise beeinträchtigte.
Im Jahre 2006 gründeten die wichtigsten Emittenten den Schweizerischen Verband für Strukturierte Produkte, dessen Ziel es unter anderem ist, die Interessen der Mitglieder zu vertreten und das Ansehen von strukturierten Produkten zu fördern. Zu diesem Zweck wurde die Swiss Derivative Map ins Leben gerufen, welche den Produkten die geläufigsten Namen zuweist, ihre Merkmale erläutert und sie in Kategorien aufteilt.
Die Besteuerung von derivativen Finanzinstrumenten wurde erstmals im Kreisschreiben Nr. 4 der Eidgenössischen Steuerverwaltung (EStV) vom 12.04.1999 umfassend dargestellt. In den folgenden Jahren nahm nicht nur die Emissionstätigkeit der Banken in Form von neunen und komplexeren Produkten zu; es wurden auch zwei neue verfahrens- bzw. abrechnungstechnische Hilfsmittel seitens der Behörden eingeführt: Die Praxis der EStV entwickelte sich dahingehend, gewisse Produkte in eigener Regie nachträglich transparent zu machen. Des Weiteren wurde es durch die Einführung des BondFloorPricing-Systems möglich, den steuerbaren Vermögensertrag für jede Haltezeit zu berechnen.
Diese beiden Hilfsmittel, die nachträgliche Herstellung der Transparenz und das BondFloorPricing-System, standen im Jahr 1999 noch nicht […]

Leseprobe

Inhaltsverzeichnis


Jörg Wild
Steuerliche Behandlung von strukturierten Produkten
ISBN: 978-3-8366-3872-2
Herstellung: Diplomica® Verlag GmbH, Hamburg, 2010
Zugl. Universität Zürich, Zürich, Schweiz, MA-Thesis / Master, 2008
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© Diplomica Verlag GmbH
http://www.diplomica.de, Hamburg 2010

Danksagung
Die vorliegende Arbeit entstand hauptsächlich während meiner Arbeit als As-
sistant Public Distribution im Vertrieb von strukturierten Produkten bei der
ABN AMRO Bank in Zürich. Ich möchte mich deshalb ganz herzlich bei allen
Mitarbeitern des Privat Investor Products Teams für die gute Zusammenarbeit
in dieser Zeit bedanken. Besondern Dank gilt Lucas Bruggeman, Irene Brunner
und Urs Knobel, die sich bereit erklärt haben, sich zur Verfügung zu stellen, um
die Arbeit zusammen mit dem Schweizerischen Bankeninstitut zu betreuen, und
mich immer wieder mit praktischen Fragestellung konfrontiert haben.
Dank gebührt auch Franco Gennari der Eidgenössischen Steuerverwaltung für
die schnelle und ausführliche Beantwortung meiner Emails und Markus Ba-
mert, dipl. Steuerexperte, dass er sich die Zeit genommen hat, mir für
Ratschläge und Erklärungen hilfreich zur Verfügung zu stehen.
Die vorliegende Arbeit reflektiert den Stand von Gesetzgebung, Rechtsprechung,
Verwaltungspraxis und Literatur per 18. Juni 2008.

Aufgabenstellung
Strukturierte Produkte haben in den letzten Jahren die Finanzwelt sowohl für
Private als auch institutionelle Anleger revolutioniert. Neben Anzahl und Volu-
men hat dabei auch die Komplexität der Produkte stetig zugenommen, was
sowohl für den Finanzsektor als auch für die Behörden eine fachliche und tech-
nische Herausforderung darstellt.
Ziel der Arbeit ist eine Anwendung des Kreisschreibens Nr. 15 der Eidgenössi-
schen Steuerverwaltung vom Februar 2007 auf die Kategorien von
strukturierten Produkten, wie sie vom Schweizerischen Verband für Struktu-
rierte Produkte in der Swiss Derivative Map unterschieden werden.
Erarbeiten Sie zunächst in einem ersten Schritt einen kurzen Überblick über die
für die Besteuerung relevanten juristischen Grundlagen. Gehen Sie darauf ein,
welche Arten von Steuern betroffen sind und durch wen sie erhoben werden.
Geben Sie einen Überblick über verfahrenstechnische Methoden und Konzepte,
welche für die Berechnung und Erhebung von Steuern herangezogen werden.
Gehen Sie dabei u.a. auf die Themen Transparenz, Bondfloor Pricing und vor-
wiegende Einmalverzinsung (IUP) ein.
Bestimmen Sie die steuerlichen Konsequenzen für Schweizer Anleger von He-
bel-, Partizipations-, Renditeoptimierungs- und Kapitalschutzprodukten.
Beachten Sie dabei die Kategorisierung der Swiss Derivative Map. Gehen Sie in
einem letzten Schritt noch auf die Bestimmungen der EU-Zinsbesteuerung ein.

I
Executive Summary
Zielsetzung der Arbeit ist es, die steuerliche Behandlung der Produkte in der
Swiss Derivative Map anhand der Bestimmung im Kreisschreiben Nr. 15 der
Eidgenössischen Steuerverwaltung aufzuzeigen. Neben Einkommens- und Ver-
rechnungssteuer ziehen auch Stempelabgaben Steuerfolgen nach sich, die nicht
ganz trivial sind und zu zahlreichen Ausnahmen führen. Die Produkte werden
deshalb jeweils unter dem Licht dieser Steuerarten und Abgaben betrachtet.
Strukturierte Produkte stellen nach steuerrechtlicher Auffassung eine Kombi-
nation aus einer Options- und einer Obligationskomponente dar. Zur Analyse
ihrer Besteuerung bedarf es der Unterscheidung zwischen transparenten und
intransparenten Produkten. Als transparent gilt ein Produkt dann, wenn die
Komponenten wertmässig im Termsheet des Produkts dargestellt werden oder
diese von der Eidgenössischen Steuerverwaltung nach der Emission berechnet
werden. Produkte, welche das Kriterium der Transparenz nicht erfüllen, unter-
liegen der reinen Differenzbesteuerung: Als Einkommen steuerbar sind sodann
der gesamte Gewinn, welcher bei der Veräusserung anfällt, sowie weitere Erträ-
ge, welche als Couponzahlungen während der Laufzeit an den Anleger
ausbezahlt werden.
Wird das Produkt hingegen als transparent eingestuft, sind Erträge aus der Op-
tionskomponente steuerfrei und allein der Wertgewinn der Obligations-
komponente, der einen Vermögensertrag darstellt, steuerbar. Der Dekompositi-
on der Erträge transparenter Produkte kommt deshalb zur Bestimmung der
Steuerfolgen entscheidende Bedeutung zu. Zur Bestimmung des Steuerwerts
muss unterschieden werden, ob es sich bei der verwendeten Obligation um eine
überwiegend einmal oder überwiegend periodisch verzinsliche handelt, wobei
die Erträge der Obligation im ersten Fall im Zeitpunkt ihrer Fälligkeit und im
zweiten Fall im Zeitpunkt der Handänderung zu versteuern sind.
Neben den erwähnten einkommenssteuerlichen Aspekten gilt es zu berücksich-
tigen, dass Transaktionen überjähriger Produkte der Umsatzabgabe
unterliegen, dass die Emission inländischer Produkte die Emissionsabgabe nach

II
sich zieht und auf ihren Vermögenserträgen die Verrechnungssteuer fällig wird.
Insbesondere die Emissionsabgabe und der Verrechnungssteuerabzug führen
dazu, dass strukturierte Produkte praktisch ausschliesslich von ausländischen
Emittenten begeben werden.
Als wichtige Ausnahme dieser Regelungen sind unterjährige Reverse Conver-
tibles ohne Coupon anzuführen, worunter die Steuerbehörden Discount-,
Outperformance-, Bonus-, Airbag- und Twin-Win-Zertifikate subsumieren. Sie
sind von jeglicher Besteuerung ausgenommen und werden in der Folge auch
häufig von inländischen Emittenten aufgelegt.
Tracker-Zertifikate bilden in der Regel einen Index oder einen Basket bestehend
aus Aktien oder Rohstoffen ab. Ihre Erträge und ihr Handel sind steuerfrei,
wenn die Bewirtschaftung passiv geschieht und keine Auszahlungen erfolgen.
Werden die Basiswerte hingegen aktiv bewirtschaftet oder handelt es sich dabei
um Anlagefonds, werden die Regeln der Fondsbesteuerung angewendet. Wenn
eine entsprechende Fondsbuchhaltung erstellt wird, die Kapitalerträge von
Vermögenserträgen gesondert ausweist, gelten auch hier Kapitalerträge als
steuerfrei. Zertifikate auf Obligationen werden ebenfalls entsprechend ihrer Ba-
siswerte besteuert. Couponzahlungen sind sodann im Zeitpunkt der Auszahlung
steuerbar. Handelt es sich um überwiegend einmal verzinsliche Obligationen, ist
die Differenz zwischen Kaufs- und Verkaufspreis als Einkommen steuerbar. Im
überwiegend periodisch verzinslichen Fall wird der nicht ausgeschüttete Wert-
gewinn der Obligationen am Ende der Laufzeit als Einkommen besteuert.
Mini-Futures der neusten Generation werden meistens ohne Laufzeitbe-
schränkung emittiert. Aus ihrem Handel resultierende Gewinne sind steuerfrei,
wenn der Emissionspreis des Mini-Futures weniger als ein Viertel des Basis-
werts beträgt. Ausserdem sind Transaktionen in diesem Fall von der
Umsatzabgabe ausgenommen.

III
Inhaltsverzeichnis
1 Einführung ... 1
1.1
Ausgangslage ... 1
1.2
Zielsetzung und Aufbau ... 3
1.3
Definition des Untersuchungsgegenstandes ... 4
1.4
Typologie strukturierter Produkte ... 5
2 Juristische Grundlagen ... 9
2.1
Steuerrechtliche Terminologie ... 9
2.1.1
Derivative Finanzinstrumente ... 9
2.1.2
Obligationen ... 10
2.1.3
Kombinierte Produkte ... 11
2.2
Betroffene Steuerarten ... 12
2.2.1
Einkommenssteuer ... 13
2.2.2
Verrechnungssteuer ... 15
2.2.3
Stempelsteuern ... 16
2.2.3.1.
Emissionsabgabe ... 16
2.2.3.2.
Umsatzabgabe ... 17
2.2.4
Weitere Steuerarten ... 18
2.3
Aufsichtsrechtliche Grundlagen ... 19
2.4
Zusammenfassung ... 21
3 Verfahrenstechnische Grundlagen und Methoden ... 23
3.1
Transparenz vs. Intransparenz ... 23
3.2
Überwiegende Einmalverzinsung vs. überwiegende periodische
Verzinsung ... 25
3.3
Modifizierte Differenzbesteuerung ... 27
3.4
Zusammenfassung ... 29
4 Besteuerung von Hebel-Produkten ... 32
4.1
Warrants, Spread Warrants und Knock-out Warrants ... 32
4.1.1
Einkommenssteuer ... 33
4.1.2
Verrechnungssteuer ... 34

IV
4.1.3
Stempelsteuer ... 34
4.2
Mini-Futures ... 34
4.2.1
Einkommenssteuer ... 35
4.2.2
Verrechnungssteuer ... 36
4.2.3
Stempelsteuer ... 36
4.3
Beispiele ... 36
4.4
Zusammenfassung ... 37
5 Besteuerung von Partizipations-Produkten ... 38
5.1
Tracker-Zertifikate ... 38
5.1.1
Einkommenssteuer ... 40
5.1.2
Verrechnungssteuer ... 42
5.1.3
Stempelsteuer ... 42
5.2
Bonus-, Outperformance-, Outperformance-Bonus-, Airbag- und Twin-
Win-Zertifikate ... 44
5.2.1
Einkommenssteuer ... 44
5.2.2
Verrechnungssteuer ... 45
5.2.3
Stempelsteuer ... 45
5.3
Beispiele ... 46
5.4
Zusammenfassung ... 47
6 Besteuerung von Renditeoptimierungs-Produkten ... 49
6.1
Discount- und Barrier-Discount-, Capped-Outperformance- und Capped-
Bonus-Zertifikate ... 50
6.1.1
Einkommenssteuer ... 51
6.1.2
Verrechnungssteuer ... 51
6.1.3
Stempelsteuer ... 51
6.2
Reverse, Barrier Reverse und Barrier Range Reverse Convertibles ... 51
6.2.1
Einkommenssteuer ... 52
6.2.2
Verrechnungssteuer ... 53
6.2.3
Stempelsteuer ... 53
6.3
Express-Zertifikate ... 53
6.3.1
Einkommenssteuer ... 54
6.3.2
Verrechnungssteuer ... 54

V
6.3.3
Stempelsteuer ... 55
6.4
Beispiele ... 55
6.5
Zusammenfassung ... 57
7 Besteuerung von Kapitalschutz-Produkten ... 59
7.1
Kapitalschutz-Produkte mit und ohne Cap ... 59
7.1.1
Einkommenssteuer ... 60
7.1.2
Verrechnungssteuer ... 60
7.1.3
Stempelsteuer ... 61
7.2
Kapitalschutz-Produkte mit Coupon ... 61
7.2.1
Einkommenssteuer ... 61
7.2.2
Verrechnungssteuer ... 62
7.2.3
Stempelsteuer ... 63
7.3
Beispiele ... 63
7.4
Zusammenfassung ... 65
8 EU-Zinsbesteuerung in der Schweiz ... 66
8.1
Gesetzliche Grundlagen ... 67
8.2
Erhebung und Abwicklung ... 68
8.3
Besteuerung strukturierter Produkte gemäss Swiss Derivative Map ... 70
8.4
Beispiele ... 73
8.5
Zusammenfassung ... 74
9 Schlussfolgerungen und Ausblick ... 75
9.1
Schlussfolgerungen ... 75
9.2
Ausblick ... 77
Literaturverzeichnis ... 79
Anhang I: Swiss Derivative Map ... 83
Anhang II: Umsatzabgabe bei derivativen Finanzinstrumenten ... 85
Anhang III: Termsheets der Beispiele aus den Kapiteln 4-8 ... 87
Anhang IV: Swiss Derivative Taxation Map ... 98

VI
Abbildungsverzeichnis
Abbildung 1: Der Obligationsbegriff im Steuerrecht ... 11
Abbildung 2: Derivative Finanzinstrumente ... 11
Abbildung 3: Besteuerung von Sekundärmarkttransaktionen ... 18
Abbildung 4: Einkommensbesteuerung kombinierter Produkte ... 31
Abbildung 5: Hebel-Produkte nach SVSP und EStV... 32
Abbildung 6: Partizipations-Produkte nach SVSP und EStV ... 38
Abbildung 7: Renditeoptimierungs-Produkte nach SVSP und EStV ... 49
Abbildung 8: Kapitalschutz-Produkte nach SVSP und EStV ... 59
Tabellenverzeichnis
Tabelle 1: Besteuerung des Einkommens aus Tracker-Zertifikaten ... 42
Tabelle 2: Besteuerung der Ausgabe und des Handel von Tracker-Zertifikaten 44
Tabelle 3: Besteuerung inländischer Reverse Convertibles ... 58
Tabelle 4: Klassifikation strukturierter Produkte zur EU-Zinsbesteuerung ... 70
Tabelle 5: EU-Zinsbesteuerung der verwendeten Beispiele ... 73

VII
Abkürzungsverzeichnis
Abs.
Absatz
Art.
Artikel
Bondfloor im Zeitpunkt t
BV
Bundesverfassung der Schweizerischen Eidgenossenschaft vom 18.
April 1999
jährliche, garantierte Couponzahlung
Couponrendite
DBG
Bundesgesetz vom 14. Dezember 1990 über die direkte Bundes-
steuer
EG
Europäische Gemeinschaft
EStV
Eidgenössische Steuerverwaltung
etc.
et cetera
EU
Europäische Union
FL
Finanzierungslevel
Fn
Fussnote
GwG
Bundesgesetz vom 10. Oktober 1997 zur Bekämpfung der Geldwä-
scherei im Finanzsektor (Geldwäschereigesetz)
Zinssatz im Zeitpunkt t
IUP
intérêt unique prédominant, überwiegend einmal verzinslich
KAG
Bundesgesetz vom 23. Juni 2006 über die kollektiven Kapitalanla-
gen (Kollektivanlagengesetz)
KKV
Verordnung über die kollektiven Kapitalanlagen vom 22. November
2006 (Kollektivanlagenverordnung)
KS
Kreisschreiben
LEPO
Low Exercise Price Option
lit.
Litera, Buchstabe
N
Namenaktie
NIUP
non intérêt unique prédominant, überwiegend periodisch verzins-
lich

VIII
NZZ
Neue Zürcher Zeitung
RDX
Russian Depository Receipts Index
Rz
Randziffer
S
Basiswert
fünfjähriger Swapsatz im Zeitpunkt t
SDM
Swiss Derivative Map
SLI
Swiss Leader Index
SMI
Swiss Market Index
SNB
Schweizerische Nationalbank
sog.
so genannt
StG
Bundesgesetz vom 27. Juni 1973 über die Stempelabgaben
StHG
Bundesgesetz vom 14. Dezember 1990 über die Harmonisierung
der direkten Steuern der Kantone und Gemeinden
SVSP
Schweizerischer Verband für Strukturierte Produkte
SWX
SWX Swiss Exchange (Schweizer Börse)
SX5E
Dow Jones Euro Stoxx 50
UA
Umsatzabgabe
vgl.
vergleiche
Vol.
Volumen, Band
VStG
Bundesgesetz vom 13. Oktober 1965 über die Verrechnungssteuer
z.B.
zum Beispiel
ZBstG
Bundesgesetz vom 17.12.2004 zum Zinsbesteuerungsabkommen
mit der Europäischen Gemeinschaft
Ziff.
Ziffer
ZKB
Zürcher Kantonalbank

1
1
Einführung
1.1
Ausgangslage
Die Geschichte strukturierter Produkte begann im Jahre 1991, als der damalige
Schweizerische Bankverein das erste kapitalgeschützte Produkt emittierte. Der
überwältigende Erfolg dieses Produkts veranlasste sogleich weitere Banken
strukturierte Produkte zu lancieren. Bis zum Ende des Jahres wurden letztend-
lich kapitalgeschützte Produkte im Wert von über 1.5 Mrd. Schweizer Franken
emittiert.
1
In den vergangenen 17 Jahren erfuhr die Produktentwicklung und Emissions-
tätigkeit von strukturierten Produkten einen regelrechten Boom. Per Ende Juli
2007 befanden sich bereits strukturierte Produkte für 346 Mrd. Schweizer
Franken in den Portfolios der Schweizer Banken. Dies entspricht mittlerweile
6,5 Prozent der gesamten Wertschriftenbestände in der Schweiz und einem
Wachstum von über 21 Prozent seit Ende 2006.
2
Aus Gründen des Marketing gingen Emissionsbanken dazu über, eigene prop-
rietäre Bezeichnungen für Produkte zu entwickeln, um sich von der Konkurrenz
abzuheben. Vom Aufbau her identisch wurden strukturierte Produkte je nach
Emittent mit ihrem eigenen Label bezeichnet, was oftmals neben der eigentli-
chen Komplexität der Produkte zur Verwirrung der Kundschaft führte und die
Akzeptanz unnötigerweise beeinträchtigte.
3
Im Jahre 2006 gründeten die wichtigsten Emittenten den Schweizerischen Ver-
band für Strukturierte Produkte, dessen Ziel es unter anderem ist, die
Interessen der Mitglieder zu vertreten und das Ansehen von strukturierten Pro-
dukten zu fördern. Zu diesem Zweck wurde die Swiss Derivative Map ins Leben
1
Vgl. Cavaleri, O. / Planta, R.: GROI, CLOU und IGLU: Strukturierte Produkte oder Zauberei? in: Finanzmarkt und
Portfoliomanagement, Nr. 1, 1992, S.118-126.
2
Vgl. Schweizerische Nationalbank, Statistisches Monatsheft Februar 2008, Zürich, S. 40.
3
Vgl. Kuster, P.: Markt für strukturierte Produkte, Verband ist nicht untätig, in Finanz und Wirtschaft, 15.07.2006,
S. 23.

2
gerufen, welche den Produkten die geläufigsten Namen zuweist, ihre Merkmale
erläutert und sie in Kategorien aufteilt.
4
Die Besteuerung von derivativen Finanzinstrumenten wurde erstmals im Kreis-
schreiben Nr. 4 der Eidgenössischen Steuerverwaltung (EStV) vom 12.04.1999
umfassend dargestellt.
5
In den folgenden Jahren nahm nicht nur die Emissions-
tätigkeit der Banken in Form von neunen und komplexeren Produkten zu; es
wurden auch zwei neue verfahrens- bzw. abrechnungstechnische Hilfsmittel sei-
tens der Behörden eingeführt: Die Praxis der EStV entwickelte sich
dahingehend, gewisse Produkte in eigener Regie nachträglich transparent zu
machen. Des Weiteren wurde es durch die Einführung des BondFloorPricing-
Systems
6
möglich, den steuerbaren Vermögensertrag für jede Haltezeit zu be-
rechnen.
7
Diese beiden Hilfsmittel, die nachträgliche Herstellung der Transparenz und
das BondFloorPricing-System, standen im Jahr 1999 noch nicht zur Verfügung,
was schliesslich zur Neuauflage des Kreisschreibens führte: Das neue Kreis-
schreiben Nr. 15 der EStV vom 07.02.2007, Obligationen und derivative Finanz-
instrumente als Gegenstand der direkten Bundessteuer, der Verrechnungssteuer
sowie der Stempelabgaben, regelt einerseits die Bedingungen der nachträglichen
Herstellung der Transparenz und andererseits wird mittels Gutachten der
Schweizerischen Bankiervereinigung der Nachweis erbracht, dass das
BondFloorPricing-System geeignet ist, den steuerbaren Vermögensertrag in
rechtsgenügender Weise zu ermitteln.
8
Mit dem neuen Kreisschreiben wurde
also nicht eine eigentliche Praxisänderung der EStV herbeigeführt, sondern le-
diglich die bestehende Praxis bestätigt.
9
4
Vgl. Schweizerischer Verband für Strukturierte Produkte, http://www.svsp-verband.ch/home, abgefragt am 10.04.2008.
5
Vgl. Kreisschreiben Nr. 4 der EStV vom 12.04.1999, Ziffer 1, S. 2-3.
6
Der Bondfloor eines strukturierten Produkts bezeichnet den Wert der integrierten Obligation, welcher zu jedem Zeit-
punkt dem Barwert der garantierten Rückzahlungsbeträge entspricht.
7
Obwohl die von der EStV angewandte Praxis in Gerichtsurteilen als den gesetzlichen Vorgaben entsprechend beurteilt
wurde, war die EStV gehalten, ihre Berechnungen mittels eines Sachverständigengutachtens zu substantiieren. Vgl.
beispielsweise die Entscheide des Verwaltungsgerichts des Kantons Zürich vom 24.08.2005 (SB.2004.00077) und vom
01.03.2006 (SB.2004.00098).
8
Vgl. Kreisschreiben Nr. 15 der EStV vom 07.02.2007, Ziffer 1, S. 1-2.
9
Vgl. Kapalle, U. / Eicher, M.: Neuerungen im Kreisschreiben Nr. 15 der ESTV zu Obligationen und derivativen Finanz-
instrumenten, in: SteuerRevue, Vol. 5, 2007, S.323.

3
1.2
Zielsetzung und Aufbau
Das Ziel der vorliegende Arbeit ist die Anwendung des Kreisschreibens Nr. 15
der EStV auf die unterschiedlichen Kategorien strukturierter Produkte, wie sie
vom SVSP in der Swiss Derivative Map unterschieden werden. Der Überfüh-
rung steuerlicher Produktdefinitionen in eine in der Praxis verbreitete
Terminologie kommt deshalb entscheidende Bedeutung zu. Sowohl Anlegern als
auch Emittenten soll eine kompakte und übersichtliche Möglichkeit gegeben
werden, sich die steuerlichen Konsequenzen ihrer Produkte zu vergegenwärti-
gen.
In einem ersten Schritt werden die für die Besteuerung relevanten juristischen
Begriffe und Rechtsgrundlagen behandelt. Es handelt sich dabei um einen
Überblick über die Terminologie der Gesetzgebung und der EStV, wie sie für
strukturierte Produkte verwendet wird. Ausserdem werden die Arten von Steu-
ern, von welchen strukturierte Produkte betroffen sind, dargestellt und
aufsichtsrechtliche Belange, welche die Offenlegung der Besteuerung fordern,
erklärt.
Das folgende Kapitel setzt sich mit den Anforderungen auseinander, welche er-
füllt sein müssen, dass ein Produkt als transparent gilt, sowie den
entsprechenden Folgen, falls es als transparent oder intransparent eingestuft
wird. Nachfolgend werden reine und modifizierte Differenzbesteuerung erläu-
tert und deren Berechnungen dargelegt.
Vom vierten bis zum siebten Kapitel, dem eigentlichen Hauptteil der Arbeit,
wird die Besteuerung der Produkte der Swiss Derivative Map aufgezeigt. Es
werden die steuerrechtlichen Konsequenzen für inländische Halter von Hebel-,
Partizipations-, Renditeoptimierungs- und Kapitalschutzprodukten beschrieben,
welche die Produkte in ihrem Privatvermögen halten. Jede Kategorie wird unter
dem Aspekt der Einkommensteuer, der Verrechnungssteuer sowie der Stempel-
steuer untersucht.
Im Rahmen eines bilateralen Abkommens mit der EU hat die Schweiz der Be-
steuerung
von
grenzüberschreitenden
Zinszahlungen
an
EU-Bürger
zugestimmt. Da auch strukturierte Produkte Zinsen im Sinne des Abkommens
generieren können, wird in einem letzten Schritt analysiert, unter welchen Be-

4
dingungen und für welche Produkte die EU-Zinssteuer anfällt.
1.3
Definition des Untersuchungsgegenstandes
Seit ihrem Aufkommen anfangs der neunziger Jahre haben sich mehrere Defini-
tionen für den Begriff strukturierte Produkte verbreitet. In der
finanzökonomischen Literatur wird unter dem Begriff ,,strukturiertes Produkt"
gemeinhin eine Kombination von zwei oder mehreren Finanzinstrumenten ver-
standen, wovon mindestens eines ein Derivat ist, wodurch das neue
Finanzinstrument ebenfalls über derivative Eigenschaften verfügt. Das so ent-
standene neue Finanzinstrument wird in der Regel verbrieft und kann an einer
Börse kotiert werden.
10
Ein strukturiertes Produkte ist somit:
-
eine Kombination,
-
mindestens zweier Finanzinstrumente,
-
wovon mindestens eines ein Derivat (Option oder Future) ist,
-
welches verbrieft und somit als Ganzes handelbar ist.
Options- und Wandelanleihen erfüllen ebenfalls die genannten Kriterien für
strukturierte Produkte. Sie dienen dem Emittenten allerdings primär der Auf-
nahme von Eigenkapital. Da Emission und Liberierung zeitlich auseinander
fallen, kann das vereinnahmte Kapital nicht eindeutig dem Fremd- bzw. dem
Eigenkapital zugerechnet werden, weshalb sie oftmals auch als hybride Finanz-
instrumente bezeichnet werden. Obwohl in der Konstruktion mit den
Kapitalschutz-Produkten verwandt, werden hybride Finanzinstrument deshalb
meist nicht zu den strukturierten Produkten gerechnet.
11
Neben der Ausklammerung der beiden hybriden Finanzinstrumente bedarf die
Definition strukturierter Produkte zweier Erweiterungen: Als strukturierte
Produkte im weiteren Sinn gelten Tracker-Zertifikate und Mini-Futures.
Tracker-Zertifikate sind nennwertlose derivative Produkte, welche in der Regel
die Kursentwicklung einer Aktie, eines Rohstoffs, eines Index oder eines ausge-
wählten Korbes (Basket) von Aktien, Rohstoffen etc. durch Verbriefung
10
Tolle, S. / Hutter, B. / Rüthemann, P. / Wohlwend, H.: Strukturierte Produkte in der Vermögensverwaltung, 2006,
Zürich, S. 89f.
11
Wohlwend, H.: Der Markt für strukturierte Produkte in der Schweiz, 2001, Bern, S. 9.

5
synthetisch nachbilden.
12
Da der Wert des Tracker-Zertifikats stets dem Kurs-
verlauf des Basiswerts entspricht, kann es durch Kauf der entsprechenden
Basiswerte einfach nachgebildet werden.
13
Oberflächlich betrachtet fehlt an sich
die Kombination mit einem Derivat, welche für strukturierte Produkte voraus-
gesetzt wird. Da jedoch die Auszahlungsstruktur von Tracker-Zertifikaten
üblicherweise mittels einer verzinslichen Anlage und eine Future-Position repli-
ziert wird, erfüllen sie die genannte Voraussetzung und können trotzdem zu den
strukturierten Produkten gezählt werden.
14
Mini-Futures werden oft zu den Derivaten im engeren Sinn wie Optionen und
Futures gezählt, da sie auch unter die Kategorie der Hebel-Produkte fallen und
oftmals zur kurzfristigen Spekulation eingesetzt werden.
15
Optionen und Futu-
res verbindet, dass sie stets eine feste Laufzeit aufweisen; Mini-Futures
ihrerseits werden in der Regel ohne feste Laufzeit emittiert. Im Gegensatz zu
Derivaten im engeren Sinn können sie auch als eine Kombination eines Futures
und einer Sicherheitshinterlage aufgefasst werden und erfüllen somit das Krite-
rium der Kombination.
16
Sie fallen somit im Rahmen dieser Arbeit auch unter
die Definition von strukturierten Produkten.
1.4
Typologie strukturierter Produkte
ABN AMRO, Credit Suisse, UBS, die Bank Vontobel AG und die Zürcher Kan-
tonalbank gründeten am 4. April 2006 den Schweizerischen Verband für
Strukturierte Produkte (SVSP).
17
Der Verband umfasst mittlerweile die 18 be-
deutendsten Emittenten der Schweiz, welche über 95 Prozent des
Marktvolumens strukturierter Produkte in der Schweiz vereinen.
18
Verbands-
zweck ist u.a. die Förderung der Bekanntheit von strukturierten Produkte sowie
12
Vgl. Kapitel 5.1 für eine detaillierte Definition des Begriffs Tracker-Zertifikat.
13
Contratto, F.: Der vereinfachte Prospekt für strukturierte Produkte nach Art. 5 KAG, GesKR 2006, S. 51.
14
Wohlwend, H.: Der Markt für strukturierte Produkte in der Schweiz, 2001, Bern, Fn 35, S. 11.
15
So beispielsweise gehandhabt in der SVSP Swiss Derivative Map 2008. Vgl. Kapitel 4.2, S 35f.
16
Vgl. Kapalle, U. / Eicher, M.: Neuerungen im Kreisschreiben Nr. 15 der ESTV zu Obligationen und derivativen Fi-
nanzinstrumenten, in: SteuerRevue, Vol. 5, 2007, S. 331.
17
Vgl. Schweizerischer Verband für Strukturierte Produkte, Medienmitteilung des SVSP vom 05.04.2006, S. 1.
18
Vgl. Schweizerischer Verband für Strukturierte Produkte, Medienmitteilung des SVSP vom 22.02.2008, S. 1.

6
über Produkte zu informieren und Branchenstandards zu setzen. Zur Erhöhung
der Verständlichkeit der verschiedenen strukturierten Produkte und ihrer Aus-
zahlungsstruktur führte der Verband am 28. September 2006 die Swiss Listed
Derivative Map ein, welche damals vier Hauptkategorien und 14 Unter-
kategorien umfasste. Unterdessen wurden die Unterkategorien auf 21 erweitert
und der Name in SVSP Swiss Derivative Map 2008 geändert, wobei die Jahres-
zahl die jeweils aktuelle Ausgabe indiziert.
19
Die 21 Produkte werden in vier
Hauptkategorien eingeteilt, die im Folgenden kurz vorgestellt werden. Die voll-
ständige Map befindet sich in Anhang I.
Hebel-Produkte
Diese Kategorie umfasst gehandelte Optionen wie Warrants, Spread Warrants,
Knock-out Warrants. Allen Optionen ist eigen, dass sie eine begrenzte Laufzeit
haben und oft zur kurzfristigen Spekulation eingesetzt werden. Ebenfalls zu
dieser Kategorie werden Mini-Futures, die eine relative neue Anlageform dar-
stellen, gerechnet. Sie eignen sich auch zur kurzfristigen Spekulation, weisen
aber im Gegensatz zu Optionen oftmals keine beschränkte Laufzeit auf.
Partizipations-Produkte
Die Kategorie der Partizipations-Produkte beinhaltet zum ersten die Tracker-
Zertifikate. Im Gegensatz zu den Unterkategorien Bonus-, Outperformance-,
Outperformance-Bonus-, Airbag- und Twin-Win-Zertifikate enthalten sie keine
Options-Komponente sondern stellen eine eigene Form von strukturierten Pro-
dukten dar. Sie werden steuerlich zu den Spezialfällen gezählt. Die
letztgenannten Produkte mit Options-Komponente ermöglichen eine sowohl
nach oben als auch nach unten unbeschränkte Partizipation am Basiswert. Die
Laufzeit der Partizipations-Produkte beträgt in der Regel einige Monate bis
mehrere Jahre.
19
Vgl. Schweizerischer Verband für Strukturierte Produkte, SVSP Swiss Derivative Map 2008, http://www.svsp-
verband.ch, abgefragt am 19.04.2007.

7
Renditeoptimierungs-Produkte
Die Renditeoptimierungs-Produkte Discount- und Barrier-Discount-Zertifikate,
Reverse- und Barrier-Reverse-Convertibles, Barrier Range Reverse Convertibles
und Capped-Outperformance-, und Capped-Bonus-Zertifikat setzten sich aus
einer Put-Option und einem Zerobond zusammen und weisen eine Laufzeit von
einigen Monaten bis mehreren Jahren auf. Express-Zertifikate, auch Autocal-
lables genannt, haben keine fixe aber eine maximale Laufzeit und werden mit
einem Coupon rückvergütet, wenn der Basiswert eine bestimmte Barriere er-
reicht.
20
Verbindendes Merkmal von Renditeoptimierungs-Produkten ist ihr
nach oben begrenztes Gewinnpotenzial. Ihr Ertrag wird entweder als Diskont
oder als Zinszahlung an den Anleger übermittelt.
Kapitalschutz-Produkte
Kapitalschutz-Produkte existieren mit und ohne Cap sowie einer Variante mit
einem variablen Coupon. Sie weisen in der Regel eine Laufzeit von mehreren
Jahren auf und bestehen aus einer Kombination aus einem Zerobond und einer
Call-Option. Verfügt das Produkt über einen Cap, wird gleichzeitig eine Call-
Option mit Ausübungspreis bei Cap verkauft. Bei Kapitalschutz-Produkten mit
Coupon wird entweder der gesamte oder ein Teil der mit der Option erzielten
Erträge in der Form von Zinszahlungen an den Investor ausgeschüttet.
Verbindendes Merkmal innerhalb der Hauptkategorien der Swiss Derivative
Map ist die Gleichartigkeit in der Konstruktion der Produkte, welche sich in
ähnlichen Auszahlungsprofilen äussert. Einzig Zertifikate unterscheiden sich
von den übrigen Partizipations-Produkten wesentlich im Aufbau, denn ihre
Struktur wird nicht durch den Einsatz von Optionen erreicht. Die Swiss Deriva-
tive Map kann Anlegern und Emittenten als Übersicht der gängigen Produkte
dienen, mit welchen sich bestimmte Auszahlungs- und Risikoprofile erreichen
20
Tolle, S. / Hutter, B. / Rüthemann, P. / Wohlwend, H.: Swiss Derivative Guide 2008, Zürich, S. 63.

8
lassen. Gegenwärtig laufen Bestrebungen seitens des SVSP, steuerliche Aspekte
in die Swiss Derivative Map zu integrieren.
21
21
Vgl. Kuster, P.: Markt für strukturierte Produkte, ,,Verband ist nicht untätig", in Finanz und Wirtschaft, 15.07.2006,
http://www.fuw.ch.

9
2
Juristische Grundlagen
Das folgende Kapitel stellt in einem ersten Teil die von den Steuerbehörden
verwendeten Begriffe dar, welche nicht in jedem Fall deckungsgleich mit denje-
nigen in der Praxis verwendeten sind. Der nachfolgende Teil gibt einen
Überblick der betroffenen Steuerarten, welche strukturierte Produkte betreffen
können. Zuletzt wird der regulatorische Rahmen für strukturierte Produkte in
der Schweiz aufgezeigt, wobei dieser Einfluss hat, ob der Emittent Angaben zur
Besteuerung in den Prospekt aufnehmen muss.
2.1
Steuerrechtliche Terminologie
Es werden nachfolgend die Instrumente und Produkte mit den Begriffen erklärt,
wie sie die EStV in ihrem Kreisschreiben Nr. 15 verwendet und ausführlich dar-
stellt. Es sind dies namentlich derivative Finanzinstrumente, Obligationen und
kombinierte Produkte. Es sei vorweggenommen, dass nach steuerrechtlicher
Betrachtung den Obligationen ein besonderes Interesse zugemessen wird, da sie
für die nachfolgenden Kapitel insbesondere im Hinblick auf die Einkommens-
steuer ausschlaggebend sein werden.
2.1.1
Derivative Finanzinstrumente
Sie umfassen einerseits Termingeschäfte und Optionen. Unter Termingeschäft
wird ein Vertrag zweier Parteien verstanden, welche vereinbaren, einen Basis-
wert zu einen bestimmten Preis in einem zukünftigen Zeitpunkt auszutauschen.
An einer Börse gehandelte Termingeschäfte werden Futures genannt, während
ausserbörslich gehandelte Termingeschäfte als Forwards bezeichnet werden. Bei
Futures-Geschäften muss bei Abschluss eine Vorauszahlung geleistet werden,
welche in der Regel zwischen fünf und zwanzig Prozent des Kontraktwerts be-
trägt.
22
Optionen räumen dem Käufer das Recht ein, einen Basiswert in einem zukünf-
tigen Zeitpunkt (Verfallstag) zum vereinbarten Ausübungspreis zu kaufen (Call-
22
Vgl. Kreisschreiben Nr. 15 der EStV vom 07.02.2007, Ziffer 2.2.2, S. 4.

10
Option) oder zu verkaufen (Put-Option). Anstelle einer Titellieferung am Ver-
fallstag kann auch eine Barabgeltung vorgesehen werden. Eine besondere Art
von Optionen stellen Low Exercise Price Options (LEPOs) dar. Es handelt sich
dabei um Optionen, die einen Ausübungspreis nahe bei null haben. Ihr Wert
entspricht deshalb im Wesentlichen dem Kurs des Basiswerts abzüglich der dis-
kontierten Dividenden.
23
2.1.2
Obligationen
Gemäss Steuerrecht sind Obligationen ,,auf feste Beträge lautende Schuldaner-
kennungen, die zwecks kollektiver Beschaffung von Fremdkapital, kollektiver
Anlagewährung oder Konsolidierung von Verbindlichkeiten in einer Mehrzahl
von Exemplaren zu gleichartigen Bedingungen ausgegeben werden und dem
Gläubiger zum Nachweis, zur Geltendmachung oder zur Übertragung der For-
derung dienen, [..]"
24
.
Grundsätzlich können drei Arten von Obligationen unterschieden werden: ge-
wöhnliche
Obligationen,
Diskontobligationen
und
globalverzinslichen
Obligationen. Eine gewöhnliche Obligation liegt vor, wenn Ausgabe und Rück-
zahlung zu pari erfolgen. Die Entschädigungen in Form von Coupons werden
periodisch entrichtet. Bei reinen Diskontobligation wird die Entschädigung am
Anfang, bei reinen globalverzinslichen Obligationen am Ende der Laufzeit aus-
bezahlt. Gemischte Diskontobligationen und globalverzinslichen Obligationen
sehen zusätzlich noch eine periodische Zinsvergütung vor.
25
So gehört beispiels-
weise die Obligation eines Kapitalschutz-Produkts mit garantierten
Couponzahlungen zu den gemischten Diskontobligationen. Der Diskont wird
hier am Anfang der Laufzeit in die Call-Option investiert. Ein Teil des Wertge-
winns der Obligation wird in Form von Couponzahlungen ausgeschüttet,
während der im Produkt verbleibende Teil den Kapitalschutz am Ende der
Laufzeit garantiert.
23
Tolle, S. / Hutter, B. / Rüthemann, P. / Wohlwend, H.: Strukturierte Produkte in der Vermögensverwaltung, 2006,
Zürich, S. 74f.
24
Vgl. Art. 4 Abs. 3 StG.
25
Vgl. Kreisschreiben Nr. 15 der EStV vom 07.02.2007, Ziffer 2.1.2, S. 3.

11
Abbildung 1: Der Obligationsbegriff im Steuerrecht
Obligationen
Gewöhnliche Obliga-
tionen
Diskontobligationen
Globalverzinsliche Obligationen
Reine Diskontobliga-
tionen (Zerobonds)
Gemischte Diskont-
obligationen
Reine global-verzins-
liche Obliga-tionen
(Zerobonds)
Gemischte globalver-
zinsliche
Obligationen
Quelle: Kreisschreiben Nr. 15 der EStV vom 07.02.2007.
Beträgt die Laufzeit des strukturierten Produkts weniger als ein Jahr, wird von
einem Geldmarktpapier gesprochen. Geldmarktpapiere geniessen im Stempel-
steuerrecht eine im Vergleich zu Obligationen bevorzugte steuerliche
Behandlung.
26
2.1.3
Kombinierte Produkte
In Übereinstimmung zum Begriff der strukturierten Produkte verwendet das
Steuerrecht den Begriff des kombinierten Produkts, welches durch Zusammen-
führen eines oder mehreren derivativen Finanzinstrument(en) und einer
Obligation entsteht. Das Produkt gilt als verbrieft, wenn die Komponenten eine
gemeinsame Valorennummer haben. Es werden Options- und Wandelanleihen,
kapitalgarantierte Derivate und Produkte mit Geld- oder Titellieferung (Reverse
Convertibles) unterschieden.
Abbildung 2: Derivative Finanzinstrumente
kombinierte Produkte
Options- und Wandelanleihen
kapitalgarantierte Derivate
Produkte mit Geld oder Titellieferung
(Reverse Convertibles)
Quelle: Darstellung in Anlehnung an Kreisschreiben Nr. 15 der EStV vom 07.02.2007.
Das Steuerrecht verwendet den Begriff der Reverse Convertibles weit umfas-
sender als dies in der Swiss Derivative Map geschieht. Im Bankenjargon
bezeichnen Reverse Convertibles immer Renditeoptimierungs-Produkte, welche
einen garantierten Coupon auszahlen. Steuerrechtlich umfasst der Begriff je-
26
Vgl. beispielsweise Art. 4 Abs. 5 StG.

12
doch auch Produkte ohne garantierten Coupon wie beispielsweise Discount- oder
Bonus-Zertifikate.
27
2.2
Betroffene Steuerarten
Aufgrund der historisch gewachsenen föderalistischen Staatsstruktur liegt in
der Schweiz die Steuerhoheit beim Bund, den 26 Voll- und Halbkantonen und
den rund 2`730 Gemeinden. Da jeder der Kantone sein eigenes Steuergesetz hat,
fällt die Besteuerung nicht nur in Bezug auf die Steuersätze, sondern auch auf
das Steuerobjekt zum Teil höchst unterschiedlich aus. Die Gemeinden richten
sich bei der Besteuerung mehrheitlich an die Kantone und erheben in der Regel
lediglich Zuschläge.
28
Das Hauptaugenmerk bei der Besteuerung strukturierter Produkte liegt bei der
Einkommens- und Verrechnungssteuer sowie den Stempelabgaben, auf welche
auch das Kreisschreiben Nr. 15 der EStV eingeht. Diese drei Steuerarten wer-
den im Folgenden anhand ihres Steuerrechtsverhältnisses charakterisiert,
welches aus fünf Elementen besteht: Steuerhoheit, Steuersubjekt, Steuerobjekt,
Steuerberechnungsgrundlage und Steuermass. Die Steuerhoheit kommt nur öf-
fentlich-rechtlichen Körperschaften wie Bund, Kantonen und Gemeinden zu. Sie
regelt die Befugnisse, Rechtsnormen zu erlassen, Steuern zu verfügen, fest-
zusetzen und einzufordern. Bund und Kantone besitzen eine ursprüngliche, die
Gemeinden eine abgeleitete Steuerhoheit. Das Steuersubjekt bezeichnet die na-
türliche oder juristische Person, welche verpflichtet ist die Steuer zu leisten.
Das Steuerobjekt umschreibt den Gegenstand der Besteuerung, während die Be-
rechnungsgrundlage eine wertmässige Erfassung des Steuerobjekts darstellt.
Das Steuermass bezeichnet den Steuersatz, welcher auf die Berechnungsgrund-
lage Anwendung findet. Zur Berechnung der kantonalen und kommunalen
Einkommens- und Vermögenssteuern wird der Steuersatz in der Regel noch mit
dem Steuerfuss multipliziert.
29
27
Vgl. Kapitel 5.2, S. 45f und Kapitel 6.1. S. 51f.
28
Vgl. Schweizerische Steuerkonferenz, Informationsstelle für Steuerfragen, Das schweizerische Steuersystem, 2005,
Bern, S. 6-16.
29
Vgl. Mäusli-Allenspach, P. / Oertli, M.: Das schweizerische Steuerrecht, 2004, Bern, S. 51.

Details

Seiten
Erscheinungsform
Originalausgabe
Erscheinungsjahr
2008
ISBN (eBook)
9783836638722
DOI
10.3239/9783836638722
Dateigröße
3 MB
Sprache
Deutsch
Institution / Hochschule
Universität Zürich – Wirtschaftswissenschaften
Erscheinungsdatum
2009 (November)
Note
1,2
Schlagworte
eu-zinsbesteuerung finanzprodukte einkommenssteuer verrechnungssteuer stempelsteuer
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Titel: Steuerliche Behandlung von strukturierten Produkten
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