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Serotonin als hormonelles Korrelat der Depression beim Menschen

©2009 Examensarbeit 73 Seiten

Zusammenfassung

Inhaltsangabe:Einleitung:
Die vorliegende Hausarbeit mit dem Titel Serotonin als hormonelles Korrelat der Depression beim Menschen beschäftigt sich mit der Depression als eine der häufigsten psychiatrischen Krankheiten im klinischen Alltag. Im Mittel sind ungefähr 6-8% der Bevölkerung von einer depressiven Störung betroffen. Depressionen lassen sich jedoch nicht anhand eines einzelnen Erklärungsmodells erschließen, sondern umfassen als ein heterogenes Geschehen, neurobiologische, genetische, psychologische sowie soziale Faktoren.
Aufgrund des zeitlichen Rahmens werde ich speziell den neurobiologischen Aspekt für die Genese der Erkrankung hervorheben. Neurobiologischen Depressionsmodellen liegt die Annahme zugrunde, dass depressive Störungen mit bestimmten neurochemischen Faktoren zusammenhängen. Im Mittelpunkt der Forschung stehen vor allem zwei Botenstoffe des Gehirns, Noradrenalin und Serotonin. Sie werden hauptsächlich vom Hirnstamm, einem stammesgeschichtlich sehr alten Teil des Gehirns, hergestellt und beeinflussen den Schlaf-Wach-Rhythmus, Antrieb und Aufmerksamkeit, Empfindungen und Gefühle. Bei depressiven Menschen sind, zumindest teilweise, Nervenschaltkreise gestört, welche die beiden Monoamine Serotonin und Noradrenalin als Botenstoffe verwenden. Der Vollständigkeit halber soll darauf hingewiesen werden, dass ebenfalls Dopamin und Acetylcholin als Neuromodulatoren eine Rolle zu spielen scheinen.
Die vorliegende Hausarbeit behandelt schwerpunktmäßig das serotonerge System mit dem Ziel, die global-modulatorischen Wirkungen darzustellen. Neugierig machte mich, dass „Prozac“, ein Antidepressivum aus der Reihe der Serotonin-Wiederaufnahmehemmer (SSRI), als „Glückspille“ bzw. „Lifestyle-Medikament“ besonders in den USA propagiert wurde. Unter Wissenschaftlern herrscht ein breiter Konsens hinsichtlich der Beteiligung Serotonins bei Depressionen. Bis heute gilt die antidepressive Wirksamkeit, besonders im Falle der SSRI, als bestätigt.
Dennoch sind die bisherigen Befunde zu den Monoaminmangelhypothesen noch uneinheitlich und können nur Teilaspekte der depressiven Symptomatik erklären.
Der erste Abschnitt der Hausarbeit widmet sich endokrinologischen Grundlagen, um einen sehr kurzen Überblick über hormonelle Wirkungsweisen zu geben. Es sei darauf hingewiesen, dass depressive Störungen nicht selten mit neuroendokrinologischen Dysfunktionen einhergehen. Dabei scheint insbesondere das Hypothalamus-Hypophysen-Nebennierenrinden (HHN)-System […]

Leseprobe

Inhaltsverzeichnis


Christin Wend
Serotonin als hormonelles Korrelat der Depression beim Menschen
ISBN: 978-3-8366-4566-9
Herstellung: Diplomica® Verlag GmbH, Hamburg, 2010
Zugl. Universität Hamburg, Hamburg, Deutschland, Staatsexamensarbeit, 2009
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http://www.diplomica.de, Hamburg 2010

Inhaltsverzeichnis
1 Einleitung...1
2 Endokrinologie...3
2.1 Das Hormonsystem...4
2.1.1 Definition...4
2.1.2 Klassifikation...5
2.2 Hormoneller Regelkreis ...6
3 Serotonin...10
3.1 Geschichtlicher Überblick...10
3.2 Neuroanatomie ...13
3.2 Vorkommen und Synthese von Serotonin ...17
3.4 Serotoninspeicherung und -ausschüttung...20
3.5 Abbau von Serotonin ...21
3.6 Das serotonerge System ...22
3.7 Plastizität und stabilisierende Wirkung ...25
3.8 Negative Rückkopplung am Beispiel des 5-HT
1A
-Rezeptors ...28
3.9 Funktion und Bedeutung des serotonergen Systems ...31
4 Depression...34
4.1 Begriffsbestimmung...35
4.2 Formen und Symptome...38
4.3 Klassifikation und diagnostische Instrumente...43
4.4 Epidemiologie und Komorbidität ...48
4.5 Störungstheorien und Erklärungsmodelle...51
4.5.1 Serotonin-Hypothese der Depression...52
4.5.3 Genetische, neuroendokrine, psychologische und soziale Faktoren...54
4.6 Behandlungsmöglichkeiten von Depressionen ...56
4.6.1 Antidepressiva ...57
4.6.2 Psychotherapie ...59
5 Zusammenfassung ...61
6 Literatur ...64

Abbildungsverzeichnis
Abbildung 1: Darstellung der hormonellen Stressachse...9
Abbildung 2: Das Neuron als Grundeinheit des Nervensystems ...14
Abbildung 3: Schematische Darstellung einer Synapse ...16
Abbildung 4: Chemische Darstellung Tryptophans ...18
Abbildung 5: Biosynthese von Serotonin...19
Abbildung 6: Speicherung, Ausschüttung und Wiederaufnahme von Serotonin ...20
Abbildung 7: Serotoninabbau ...21
Abbildung 8: Serotonin und seine Funktionen im Gehirn...22
Abbildung 9: Das zentrale Serotoninsystem...24
Abbildung 10: Das Konzept der neuronalen Plastizität...27
Abbildung 11: Herabregulation der Dichte somatodendritischer 5-HT
1A
-Autorezeptoren..30
Abbildung 12: Ältere Einteilung der Depression nach ätiologischen Geschichtspunkten ..40
Abbildung 13: Symptomatologie depressiver Auffällikeiten ...42
Abbildung 14: Die Burden of Disease-Studie (2001) ...48
Abbildung 15: Suizidursachen ...51
Abbildung 16: Multifaktorielles psychologisches Depressionsmodell ...52
Tabellenverzeichnis
Tabelle 1: Einteilung der Hormone nach Wirkungsweisen ...6
Tabelle 2: Zusammenstellung zentralnervös gesteuerter Funktionen Serotonins...33
Tabelle 3: Diagnostische Kategorien affektiver Störungen nach ICD-10 und DSM-IV...43

1
1 Einleitung
Die vorliegende Hausarbeit mit dem Titel Serotonin als hormonelles Korrelat der
Depression beim Menschen beschäftigt sich mit der Depression als eine der häufigsten
psychiatrischen Krankheiten im klinischen Alltag. Im Mittel sind ungefähr 6-8% der
Bevölkerung von einer depressiven Störung betroffen (Wittchen und Hoyer, 2006).
Depressionen lassen sich jedoch nicht anhand eines einzelnen Erklärungsmodells
erschließen, sondern umfassen als ein heterogenes Geschehen, neurobiologische,
genetische, psychologische sowie soziale Faktoren (Wolfersdorf, 1995; Nemeroff, 1998;
Schüle et al., 2007; Brakemeier et al., 2008).
Aufgrund des zeitlichen Rahmens werde ich speziell den neurobiologischen
Aspekt für die Genese der Erkrankung hervorheben. Neurobiologischen Depressions-
modellen liegt die Annahme zugrunde, dass depressive Störungen mit bestimmten
neurochemischen Faktoren zusammenhängen (Hegerl und Rupprecht, 2006). Im
Mittelpunkt der Forschung stehen vor allem zwei Botenstoffe des Gehirns, Noradrenalin
und Serotonin (Marneros, 2004). Sie werden hauptsächlich vom Hirnstamm, einem
stammesgeschichtlich sehr alten Teil des Gehirns, hergestellt und beeinflussen den
Schlaf-Wach-Rhythmus, Antrieb und Aufmerksamkeit, Empfindungen und Gefühle
(Rodenbeck et al., 2005). Bei depressiven Menschen sind, zumindest teilweise, Nerven-
schaltkreise gestört, welche die beiden Monoamine Serotonin und Noradrenalin als
Botenstoffe verwenden (Nemeroff, 1998). Der Vollständigkeit halber soll darauf hinge-
wiesen werden, dass ebenfalls Dopamin und Acetylcholin als Neuromodulatoren eine
Rolle zu spielen scheinen (Hegerl und Rupprecht, 2006).
Die vorliegende Hausarbeit behandelt schwerpunktmäßig das serotonerge System
mit dem Ziel, die global-modulatorischen Wirkungen darzustellen. Neugierig machte
mich, dass ,,Prozac", ein Antidepressivum aus der Reihe der Serotonin-
Wiederaufnahmehemmer (SSRI), als ,,Glückspille" bzw. ,,Lifestyle-Medikament"
besonders in den USA propagiert wurde (Trenckmann, 2000). Unter Wissenschaftlern
herrscht ein breiter Konsens hinsichtlich der Beteiligung Serotonins bei Depressionen.
Bis heute gilt die antidepressive Wirksamkeit, besonders im Falle der SSRI, als bestätigt
(Anguelova, 2003; Marneros, 2004; Hegerl und Rupprecht, 2006; Brakemeier et al.,
2008).

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Dennoch sind die bisherigen Befunde zu den Monoaminmangelhypothesen noch
uneinheitlich und können nur Teilaspekte der depressiven Symptomatik erklären
(Aldenhoff, 1997; Riederer et al., 2008).
Der erste Abschnitt der Hausarbeit widmet sich endokrinologischen Grundlagen,
um einen sehr kurzen Überblick über hormonelle Wirkungsweisen zu geben. Es sei
darauf hingewiesen, dass depressive Störungen nicht selten mit neuroendokrinologischen
Dysfunktionen einhergehen (Hegerl und Rupprecht, 2006). Dabei scheint insbesondere
das Hypothalamus-Hypophysen-Nebennierenrinden (HHN)-System von besonderer
Wichtigkeit (Nemeroff, 1998).
Das sich anschließende, umfangreichere Kapitel soll das serotonerge System in
seiner Komplexität veranschaulichen. Dabei werden die Bedeutung und die Rolle
Serotonins als globales Transmittersystem dargestellt sowie Ursachen und Folgen
hinsichtlich Veränderungen dieses Systems aufgezeigt. Eine herausragende Funktion des
serotonergen Systems besteht darin, in besonderer Weise an der Herausformung, der
Stabilisierung und der Veränderung neuronaler Netzwerke und synaptischer
Verschaltungen beteiligt zu sein (Hüther und Rüther, 2000). Diese Hypothese stellt
letztlich aber nur eine Komponente in Bezug auf die Ätiopathogenese der Depressionen
dar und lässt monofaktorielle Erklärungsansätze als zu simplifizierend erscheinen.
Der letzte Teil der Arbeit befasst sich mit depressiven Störungen und erlaubt
Einblicke in eine Krankheit, die zwar weit verbreitet ist, aber gleichzeitig oftmals nicht
als solche identifiziert wird (Wittchen und Jacobi, 2006).
Zunächst geht es um die Definitionen der Begriffe Depression und depressiv, die sehr oft
zur Bezeichnung von recht unterschiedlichen psychischen Stimmungen verwendet
werden. Es existiert eine begriffliche Unsicherheit und Verwirrung, die teilweise darauf
beruht, dass einige grundsätzliche Fragen zur Entstehung und Ursache bis heute nicht
klar beantwortet werden können (Brakemeier et al., 2008). Mittels historischer
Rückblicke sollen Termini wie Melancholie und Depression näher erläutert werden.
Als nächstes sollen unterschiedliche Klassifikationssysteme vorgestellt werden,
die sich darum bemühen, die Vielfalt der Einzelerscheinungen in übergeordnete
Kategorien zusammenzufassen. In Anbetracht dessen wird ersichtlich, dass die einzelnen
depressiven Störungen mit unterschiedlichen Symptomen einhergehen und sich
eindeutige Diagnosen erschweren.
Nichtsdestotrotz nehmen Diagnosesysteme einen wichtigen Stellenwert innerhalb der
Bekämpfung von Depressionen ein und werden in der vorliegenden Arbeit an ent-

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sprechender Stelle angeführt. Des Weiteren haben epidemiologische Studien beweisen
können, dass es sich bei depressiven Störungen um schwerwiegende Krankheiten
handelt, die es zu heilen gilt (Wittchen und Jacobi, 2006).
In der anschließenden Passage sollen ätiopathologische Modelle vorgestellt
werden, die insbesondere neurobiologische, aber auch genetische, psychologische und
soziale Faktoren berücksichtigen. Darauf folgend werden Interventionsansätze zur
Behandlung depressiver Störungen angebracht, die sich als erfolgreich erwiesen haben.
Eine ausführliche Zusammenfassung soll den Abschluss dieser Arbeit bilden.
2 Endokrinologie
Unter Endokrinologie versteht man die Lehre von der inneren Sekretion der Hormone
durch Drüsen und deren Störungen (Dietel et al., 2003). Dabei können nach Marischler
(2007) drei Gruppen hormoneller Systeme unterschieden werden:
,,Endokrines System: Durch Hormone werden entfernte Organe oder periphere
endokrine Drüsen gesteuert.
Neurokrines System: Hormone sind Informationsträger der neuronalen Übertragung.
Autokrin-parakrines System: Durch Hormone steuert die Zelle sich selbst (autokrin)
oder die benachbarte Zelle (parakrin)."
Mit Hilfe des endokrinen Systems werden nahezu alle Funktionen des Körpers wie
Stoffwechsel, Wachstum, Entwicklung, Fortpflanzung, Stimmung und Verhalten
gesteuert und reguliert (Faller und Schünke, 2008). Dies betrifft unter anderen die
Regulationen des Blutkreislaufs, der Körpertemperatur, des Säure-Basen-Haushalts
sowie des Wasser- und Elektrolythaushalts. Die Homöostase, die Herstellung eines
dynamischen Gleichgewichts im inneren Milieu des Organismus, wird nicht nur durch
das endokrine System, sondern in enger Zusammenarbeit mit dem zentralen
Nervensystem (ZNS) und dem Immunsystem gewährleistet (Marischler, 2007; Faller und
Schünke, 2008). Die klassischen endokrinen Drüsen wie Hypophyse, Schilddrüse,
Nebenschilddrüsen, Pankreasinselzellen, Nebennieren und Gonaden kommunizieren
weitgehend über das Nervensystem (Jameson, 2003).

4
Das Gehirn produziert neben den synaptischen Übertragungswegen zahlreiche
Peptidhormone, zu deren Verständnis sich das Gebiet der Neuroendokrinologie
entwickelt hat.
Die klinisch angewandte Endokrinologie ist eng mit der Erkenntnis der modellartigen
Struktur der Hormonsekretion verknüpft und dient hauptsächlich der Bestimmung
verschiedener Hormonkonzentrationen (Faller und Schünke, 2008).
Bei aller Vielfalt der Aufgaben besteht das übergeordnete Ziel darin, den Körper
kontinuierlich an die wechselnden Belastungen der Umwelt anzupassen. Störungen
innerhalb des endokrinen Systems, beispielsweise durch Ausfall oder durch
Überproduktion von Hormonen, können zu schweren Erkrankungen führen, welche
wiederum effektiv behandelt werden können (Jameson, 2003).
2.1 Das Hormonsystem
2.1.1
Definition
Das Wort ,,Hormon" leitet sich vom griechischen Verb hormao ab und bedeutet
,,antreiben" oder ,,anregen" (Jameson, 2003). Ein Hormon ist also eine Substanz, die
Stoffwechselprozesse in Gang setzt, die sonst nicht ablaufen würden. Hormone treiben
die ,,Stoffwechselmaschinerie" dazu an, die anstehenden Aufgaben in optimaler Weise
zu erfüllen. Die Gesamtheit aller Hormone bildet ein Netzwerk, das man endokrines
System nennt. Die Lehre von diesem System und seinen Krankheitserscheinungen wird
als Endokrinologie bezeichnet. Unter Hormonen versteht man körpereigene Wirkstoffe,
die Lebensvorgänge biochemisch steuern und zumeist von Hormondrüsen gebildet und
über das Blut im Organismus verbreitet werden (Faller und Schünke, 2008).
Zum endokrinen System (,,nach innen ausschüttenden", von griech. endo=innen und
krinein=ausschütten) (Jameson, 2003) gehören alle Organe und Zellsysteme, die
Botenstoffe (Hormone) produzieren. Hormone greifen regulierend in die verschiedensten
Zell- und Stoffwechselvorgänge ein, indem sie mit dem Blutstrom
(klassische Definition, endokrin) an ihren Wirkungsort gelangen oder durch lokale
Diffusion (parakrin) auf ihre Nachbarzellen wirken bzw. die hormonproduzierende Zelle
ihre eigene Funktion beeinflusst (autokrin) (Kleine, 2007).

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Ihre Aufgabe besteht darin, den Organismus an Umweltbelastungen und -einflüsse
anzupassen. Die Produktion einer zu hohen oder zu niedrigen Hormondosis stört dieses
System; Erkrankungen können die Folge sein. Endokrine Erkrankungen können in drei
Haupttypen unterteilt werden: 1. Hormonüberschuss, 2. Hormonmangel und 3. Hormon-
resistenz (Jameson, 2003).
Hormone wirken über Rezeptoren, die sich an der Zellmembran, im Zytoplasma oder im
Zellkern der Zielzellen befinden (Faller und Schünke, 2008). Eine nicht konvalente
(reversible) Bindung des Hormons führt zu einer Konformationsänderung des Rezeptors,
die eine weitere Fortleitung des Signals (Signaltransduktion) oder die Expression
bestimmter Gene bewirkt. Entscheidend bei diesem Vorgang sind eine hohe
Bindungsaffinität und Spezifität des Hormons zu seinem Rezeptor. Die Empfindlichkeit
einer Zelle gegenüber einem bestimmten Hormon hängt zum Teil von der Anzahl der
verfügbaren Rezeptoren ab (Lang, 2000).
Hormone sind vor allem für die langsame und längerfristige Übertragung von Signalen
zuständig. In Abhängigkeit von der Hormonsynthese und den Rezeptoren kann ihre
Wirkung innerhalb von Sekunden bis Stunden einsetzen. Nach der Hormonbindung
sowie nach der Entfaltung seiner spezifischen Wirkung wird das Hormon inaktiviert
(Faller und Schünke, 2008).
2.1.2
Klassifikation
Innerhalb des endokrinen Systems kann die Einteilung der Hormone nach ihren
jeweiligen Bildungsorten vorgenommen werden: 1. klassische endokrine Hormondrüsen,
2. hormonproduzierende Gewebe und 3. hormonproduzierende Einzelzellen (Köhler,
2001; Faller und Schünke, 2008).
Aufgrund der Tatsache, dass beispielsweise Peptidhormone sowohl in entsprechenden
peripheren endokrinen Organen als auch im ZNS, im vegetativen Nervensystem und von
Immunzellen synthetisiert werden, ist die Einteilung der Hormone nach ihren Haupt-
syntheseorten nur bedingt möglich.
Infolge dessen bezeichnet man die Signalsubstanzen im endokrinen System als Hormone,
im zentralen und autonomen Nervensystem als Transmitter und Neuromodulatoren und
im Immunsystem als Zytokine, Lymphokine und Monokine (Faller und Schünke, 2008).
Biochemische Einteilungen ermöglichen es, Hormone aufgrund ihrer unterschiedlichen
Wirkmechanismen einzuordnen.

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Dabei werden lipophile (fettliebende) und hydrophile (wasserliebende) Hormone
voneinander unterschieden (Faller und Schünke, 2008). Nahezu alle Steroid- und
Schilddrüsenhormone gehören zu den lipophilen Hormonen. Sie zeichnen sich dadurch
aus, dass sie, im Gegensatz zu den hydrophilen Hormonen, infolge ihrer guten
Fettlöslichkeit befähigt sind, relativ einfach durch Zellmembranen zu diffundieren.
Lipophile Hormone besitzen direkten Einfluss auf Zellwachstum und -vermehrung.
Hydrophile Hormone hingegen sind abgeleitete Aminosäuren bzw. sind aus Amino-
säuren aufgebaut. Sie binden meist an der Außenseite der Zielzelle an ihren spezifischen
Rezeptor (Faller & Schünke, 2008). Hydrophile Hormone beeinflussen in erster Linie die
Aktivität der Zelle.
Jameson (2003) unterteilt die Hormone ebenfalls nach ihren Wirkungsweisen und
benennt dabei fünf Hauptklassen.
Zur ersten Gruppe gehören die Aminosäurederivate, die entweder aus Tyrosin oder
Tryptophan synthetisiert werden. Hierzu gehören Indolamine, Katecholamine und
Schildrüsenhormone. Serotonin beispielsweise entsteht durch stufenweise Verän-
derungen der Aminosäure Tryptophan.
Kleinere Neuropeptide wie das Gonadotropin-Releasinghormon (GnRH), das
Thyreotropin-Releasinghormon (TRH) und Vasopressin gehören zur zweiten Gruppe.
Insulin, luteinisierendes Hormon (LH) und Parathormon (PTH), die von den klassischen
endokrinen Drüsen gebildet werden, zählen zur Gruppe der großmolekularen Proteine.
Die vierte Gruppe umfasst die Steroidhormone, deren Grundstruktur das Cholesterin
darstellt. Zu den Steroidhormonen zählen Hormone wie Östradiol und Testosteron, die
Kortiko- und Mineralokortikosteroide sowie Gestagene (Marischler, 2007).
Die Vitaminderivate bilden die letzte Gruppe. Dazu gehören Retinoide (Vitamin A)
sowie das Vitamin D.
Aminosäurederivate
T3,
T4,
Noradrenalin,
Adrenalin,
Dopamin, Serotonin
Kleinere Neuropeptide
GnRH, TRH, Vasopressin
Großmolekulare Proteine
LH, PTH
Steroidhormone
Östrogene,
Gestagene,
Androgene,
Glukokortikoide, Mineralkortikoide,
Vitaminderivate
Retinoide, Vitamin D
Tab. 1: Einteilung der Hormone nach Wirkungsweisen
Quelle: Eigene Darstellung. Daten aus: Jameson (2003)

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2.2 Hormoneller Regelkreis
Das endokrine System ist ein Regulationssystem, welches die Ausschüttung der
Hormone kontrolliert. Dies erfordert eine Kommunikation zwischen den verschiedenen
Zellen. Im Regelfall folgt eine Hormonausschüttung, die den jeweils aktuellen
Bedürfnissen des Organismus entspricht (Köhler, 2001; Faller und Schünke, 2008). Eine
solche Schleife zwischen den zu regelnden Größen und dem Regulator wird allgemein
als Regelkreis bezeichnet. Die hormonellen Regulationsmechanismen dienen der
Homöostase im Organismus (Jameson, 2003). Sie greifen jedes Mal ein, wenn eine
Eigenschaft des inneren Milieus von ihrem Normalwert abweicht (Kleine, 2007).
Wesentliche Eigenschaften eines hormonellen Regelkreises sind die Belastbarkeit auf der
einen Seite und die Ansprechzeit auf der anderen. Belastbarkeit eines hormonellen
Regelkreises beschreibt die Fähigkeit, maximale Störgrößen zu kompensieren. Sie ist
davon abhängig, in welchem Ausmaß das Hormon die Leistung eines Organs
beeinflussen kann (Lang, 2000). Die Ansprechzeit eines hormonellen Regelkreises hängt
davon ab, wie schnell die Hormonausschüttung auf eine Änderung des kontrollierten
Stoffwechselparameters reagiert, wie lange das Hormon im Blut aktiv zirkuliert
(Halbwertszeit), wie schnell die Wirkung im Zielorgan einsetzt und wie lange sie anhält
(Lang, 2000). Die Hormonkonzentration ist abhängig von der Sekretion und der
Eliminationsgeschwindigkeit.
Entscheidend für eine exakte Steuerung der Hormonausschüttung durch endokrine
Drüsen und damit der Hormonkonzentration ist die Rückkopplung durch Regelkreise
(Schandry, 2003). Die Ansprechzeit eines hormonellen Regelkreises hängt davon ab,
wie schnell die Hormonausschüttung auf eine Änderung des kontrollierten Stoffwechsel-
parameters reagiert, wie lange das Hormon im Blut aktiv zirkuliert, wie schnell die
Wirkung im Zielorgan einsetzt und wie lange sie anhält (Jameson, 2003).
Als Beispiel eines hormonellen Regelkreises dient hier das hypothalamisch-hypophysär-
adrenale (HHA)-System.
Diese Achse besteht aus drei hierarchisch angeordneten Drüsen: dem Hypothalamus und
der Hypophyse im Gehirn und den äußeren Bereichen (der ,,Rinde") der Nebennieren.
Wegen der beteiligten Organe wird diese Schiene auch ,,Hypothalamus-Hypophysen-
Nebennierenrinde-Achse" (HPA-Achse) genannt (Nemeroff, 1998).
Da bei Depressionen häufig endokrine Veränderungen vorliegen (Heuser, 1999;
Trenckmann, 2000), wird dieses Modell im Folgenden ausführlicher behandelt.

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Das Hypothalamus-Hypophysen-Nebennierenrinden-System stellt das wichtigste hor-
monelle Stressregulationssystem dar (Aldenhoff, 1997; Rupprecht und Müller, 2008). Im
hypothalamisch-hypophysären Regelkreis führt das Endhormon (Cortisol) zu einer
negativen Rückkopplung (negativer Feedback-Mechanismus) auf Ebene des
Hypothalamus und der Hypophyse, wodurch die Hormonausschüttung gebremst wird
(Aldenhoff, 1997; Rupprecht und Müller, 2008). Die freigesetzten Hormone wirken im
Sinne negativer Rückkoppelung auf die ausschüttenden Organe zurück; so unterdrückt
ein hoher Spiegel des Nebennierenhormons Cortisol die ACTH-Ausschüttung aus dem
Hypophysenvorderlappen (Köhler, 2001). Das wichtigste Zentrum zur Steuerung der
Homöostase ist der Hypothalamus. Hier werden zahlreiche vegetative und endokrine
Funktionen integriert. Der Hypothalamus ist zuständig für die Nahrungs- und
Flüssigkeitsaufnahme, das Sexualverhalten, das Schlafen und den Wachzustand; ferner
kontrolliert er Temperatur- und Kreislaufregulation sowie das Angriffs- und
Verteidigungsverhalten (Nemeroff, 1998; Proll, 2006). Der Hypothalamus ist das
zentrale Organ zur Steuerung des vegetativen Nervensystems: Er reguliert die Körper-
funktionen und passt sie an wechselnde Belastungen an (Proll, 2006; Schüle et al., 2007).
Die Nervenzellen des Hypothalamus erhalten ständig Informationen über die
Konzentration der Hormone im Blut und in der Hirnanhangsdrüse (Proll, 2006). Auf
humoralem Weg steuert der Hypothalamus die Adenohypophyse über das
hypothalamisch-hypophysäre Pfortadersystem durch geringe Konzentrationen sog.
Releasing -(Liberine) und Inhibiting-Hormone (Statine) (Köhler, 2001). Erst die
daraufhin ausgeschütteten hypophysären Hormone wirken dann auf die peripheren
Drüsen und die Körperzellen (Schandry, 2003). Durch die dort produzierten Hormone
kommt es zu einer negativen Rückkopplung auf Ebene des Hypothalamus und der
Hypophyse. Das Hypothalamus-Hypophysen-Nebennierenrinden-System unterliegt
einem komplexen Regulationsgefüge, welches gleichermaßen von zentralnervösen wie
peripheren Faktoren beeinflusst wird (Heuser, 1999). Der Hypothalamus stellt dabei eine
zentrale Regulierungsstruktur dar. Neurokrine Veränderungen sind Bestandteile einer
Stressantwort, die der Adaptation des Organismus an eine belastende Situation dienen
sollen. Von entscheidender Bedeutung für die Reaktion auf körperliche oder seelische
Bedrohungen sind die Hormone der so genannten hormonellen Stressachse (Aldenhoff,
1997; Nemeroff, 1998; Heuser, 1999).

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Abbildung 1: Darstellung der hormonellen Stressachse
Quelle: Bundesministerium für Bildung und Forschung (2008), S. 35
In lebenswichtigen Situationen bildet der Hypothalamus verstärkt ein Hormon, das als
Corticotropin-Releasing Hormon (CRH) bezeichnet wird (Nemeroff, 1998; Rupprecht
und Müller, 2008). CRH kurbelt in der Hypophyse die Produktion eines zweiten
Hormons, des Adreno-Corticotropen Hormons (ACTH), an. ACTH wiederum wirkt auf
die Nebennierenrinde im Körper ein und veranlasst deren Zellen, das eigentliche Stress-
hormon, Cortisol, zu produzieren (Aldenhoff, 1999). Cortisol wird vom Blut
transportiert, gelangt mit dem Blutkreislauf in das Gehirn und beeinflusst dort die Akti-
vität der Nervenzellen. Der Körper wird daraufhin in Alarmbereitschaft versetzt. Der
gesamte Vorgang macht den Organismus bereit, sich der Bedrohung zu stellen, also etwa
zu kämpfen oder sich durch Flucht zu entziehen; gleichzeitig werden momentan

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überflüssige, hinderliche oder ablenkende Aktivitäten abgeschaltet (Heuser, 1999).
Beispielsweise verstärkt Cortisol die Brennstoffversorgung der Muskeln, zugleich unter-
drückt CRF Hunger und Sexualtrieb und erhöht die Wachsamkeit (Nemeroff, 1998). Zur
Bewältigung von Gefahren ist das System lebenswichtig. Ist die Stresssituation
überstanden, wird die Atmung wieder tiefer, das Herz schlägt ruhiger, und die Muskeln
entspannen sich. Das kurzfristig zu einer besonderen Leistung angetriebene Stresssystem
normalisiert sich schließlich, die Konzentration der beteiligten Hormone sinkt auf das
Ausgangsniveau herab (Heuser, 1999; Trenckmann, 2000).
Eine chronische Aktivierung der Stress-Achse hingegen kann als Nährboden für
Krankheiten betrachtet werden und spielt im Zusammenhang der Depression zunehmend
eine Rolle (Heinrich et al., 1991; Aldenhoff, 1999; Rupprecht und Müller, 2008).
Aufgrund des zeitlichen Rahmens kann leider nicht vertieft auf die Fragestellung
eingegangen werden, ob psychosoziale Belastungsfaktoren eine Änderung der hormo-
nellen Stressachse nach sich ziehen.
An späterer Stelle wird darauf hingewiesen, dass eine Überaktivität der HHN-Achse,
ebenfalls wie Serotoninmangel, Komponenten darstellen, die mit Depressionen
einhergehen (Aldenhoff, 1997; Brakemeier et al., 2008).
Im weiteren Verlauf der Arbeit werde ich zunächst Serotonin und insbesondere seine
Bedeutung als Neurotransmitter herausstellen. Damit soll das Verständnis hinsichtlich
des komplexen Zusammenhangs zwischen dem serotonergen System und der Depression
gewährleistet sein.
3 Serotonin
3.1 Geschichtlicher Überblick
Seit fast sechzig Jahren interessiert sich die Forschung bereits für Serotonin. Vittorio
Erspamer (1909-1999) stellte fest, dass der Darm eine Substanz enthält, die die Motilität
(Beweglichkeit) erhöhte; er nannte sie deshalb Enteramin (Serotonin wird mit über 90%
von den enterochromaffinen Zellen des Darms gebildet) (Rodenbeck et al., 2005). Fast
zur gleichen Zeit fanden Rapport et al. 1948 einen Stoff im Serum, der Gefäß-
konstriktionen (Zusammenschnürungen) auslöste und gaben ihr den Namen Serotonin
(Heinrich et al., 1991).

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1949 fanden Chemiker heraus, dass es sich in beiden Fällen um dieselbe Verbindung,
nämlich 5-Hydroxytryptamin (5-HT), handelte (Owens und Nemeroff, 1994; Huether
und Rüther, 2000). Aufgrund der wegweisenden Beobachtungen Rapports hieß die neue
Forschungsdisziplin fortan Serotoninforschung. Vordergründig konzentrierten sich die
Forscher auf die Wirkungen und das Vorkommen der neuen Substanz, Synthese- und
Abbauwege sowie die mögliche Bedeutung für die Regulation von Stoffwechsel und
Organfunktionen (Huether und Rüther, 2000).
Serotonin als Forschungsinteresse rückte einerseits in den Vordergrund, als die
halluzinogenen Wirkungen des LSD bekannt wurden (Lysergsäurediethylamid) (Koch,
2006), die auf dessen Serotonin agonistische Wirkung beruhten (Baumgarten und
Göthert, 1997), und andererseits als deutlich wurde, dass die stimmungsverändernden
Effekte der substituierten Amphetamine wie MDMA (,,Ecstasy") (Heinrich et al., 1991)
auf deren Fähigkeit gründete, das in den Speichervesikeln serotonerger Präsynapsen
(synapsis von gr.=Verbindung) enthaltene Serotonin freizusetzen (Huether und Rüther,
2000).
Die Erkenntnis, dass Serotonin-Wiederaufnahmehemmer (SSRI) antidepressive stim-
mungsaufhellende Wirkungen besitzen und zur Therapie angstmediierter psychiatrischer
Störungen erfolgreich eingesetzt wurden, ließ das Interesse derjenigen an Serotonin
wachsen, die durch dessen Verkauf finanziell profitieren wollten. Nach inoffiziellen
Schätzungen nehmen heutzutage rund 35 Mio. US-Amerikaner regelmäßig Serotonin-
Wiederaufnahmehemmer ein, um ihren Gemütszustand positiv zu beeinflussen
(Rodenbeck et al., 2005).
In der Tat führt ein erhöhter Serotoninspiegel zu einem Gefühl des Wohlbefindens und
der Zufriedenheit, daher letztlich auch die populärwissenschaftliche Bezeichnung als
,,Glückshormon" oder ,,happy pills" (Trenckmann, 2000).
Als eine erfolgreiche Entdeckung erwies sich der Nachweis von 5-HT im Gehirn,
wo es von einer Gruppe von Nervenzellen im Hirnstamm, den Neuronen der Raphe-
Kerne, produziert und als Transmitter zur Signalübertragung genutzt wird (Huether &
Rüther, 2000).
Serotonin selbst kann die Blut-Hirn-Schranke nicht überwinden und muss deswegen aus
seiner Vorläufersubstanz, der Aminosäure Tryptophan, im Gehirn synthetisiert werden
(Wittchen und Hoyer, 2006; Koch, 2006). Serotonin interagiert sehr eng mit anderen
Neurotransmittersystemen, vor allem mit dem dopaminergen, dem cholinergen und dem
GABAergen System (Hegerl und Rupprecht, 2006).

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Ferner wird Serotonin an den Fortsätzen eines weit ausgebreiteten Transmittersystems
freigesetzt, das global-modulatorische Wirkungen besitzt und dessen Aktivität praktisch
jeden Lebensbereich, wie Stimmung, Aggressivität, Ess- und Schlaf-Wach-Verhalten
beeinflusst (Heinrich et al., 1991; Jokisch et al., 2005).
Im Laufe der Jahre interessierte man sich innerhalb der Neurobiologie und der
Psychiatrie verstärkt für Serotonin und seine Wirkungen (Owens und Nemeroff, 1994).
Die ersten Psychiater suchten nach möglichen Störungen der serotonergen Transmission
im ZNS ihrer Patienten. Tatsächlich stellte man im Liquor (Hirn- und
Rückenmarksflüssigkeit) unbehandelter depressiver Patienten verminderte Konzen-
trationen von 5-Hydroxyindolessigsäure (5-HIAA) fest (Owens und Nemeroff, 1994;
Hegerl und Rupprecht, 2006; Schüle et al., 2007). Dies deutete darauf hin, dass Serotonin
von den Hirnzellen nicht in der erforderlichen Menge ausgeschüttet wird. Etliche
Forscher glaubten damit die Ursache depressiver Erkrankungen erkannt zu haben und
betrachteten die Serotoninmangelhypothese als Schlüsselpunkt depressiver Störungen
(Huether und Rüther, 2000). In der Pathogeneseforschung und der Psychopharmako-
therapie stellen Neurotransmitterhypothesen Ausgangspunkte der wissenschaftlichen
Bemühungen um ein besseres Verständnis der neurobiochemischen Grundlagen
psychischer Erkrankungen dar. Es kommt hinzu, dass die Neurotransmittersysteme im
Gehirn so komplex sind, dass bislang nur die Grundzüge ihrer Funktionsweisen bekannt
sind (Hegerl und Rupprecht, 2006).
Neurobiologen entdeckten im Verlauf ihrer Untersuchungen, wie das 5-HT in den
Präsynapsen (prae=pre-paraí von gr.=vor) abgespeichert, bei elektrischer Stimulation
freigesetzt und anschließend durch einen aktiven Transportmechanismus wieder
aufgenommen wird.
Die Neuropharmakologen stellten basierend auf der Tatsache, dass das freigesetzte 5-HT
seine Wirkungen durch Interaktionen mit einem postsynaptischen (post von lat.=hinter)
Rezeptor entfaltete, synthetische Liganden (ligare von lat.=binden), Agonisten und
Antagonisten für diesen 5-HT Rezeptor her.
Liganden können entweder gleiche Wirkungen wie der natürliche Transmitter in der
Zielzelle hervorrufen (Agonisten) oder die Transmitterwirkung blockieren (Anta-
gonisten). Es sollte sich herausstellen, dass es offenbar nicht nur einen, sondern mehrere
5-HT Rezeptoren mit unterschiedlichen Eigenschaften und Wirkungen gibt (Heinrich et
al., 1991).

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Außerdem zeigte sich, dass es nach subchronischer Verabreichung von Antidepressiva zu
Veränderungen der Dichte der entsprechenden Rezeptoren kam (Huether und Rüther,
2000).
Parallel dazu begannen Molekularbiologen, die einzelnen 5-HT-Rezeptoren zu isolieren,
zu sequenzieren, zu klonieren und zu exprimieren. Inzwischen sind mehr als zwanzig
Serotoninrezeptoren identifiziert worden, die in die Gruppen der 5-HT
1
bis 5-HT
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-
Rezeptortypen eingeteilt werden können (Jokisch et al., 2005; Rüther und Schäfer, 2006).
Die unmittelbare Wirkung eines Rezeptortyps, d.h. ob er einen exzitatorischen
(erregenden) oder einen inhibitorischen (hemmenden) Effekt auf die Serotonin-
ausschüttung ausübt, ist davon abhängig, ob es sich um einen präsynaptischen Hetero-
oder Autorezeptor oder einen postsynaptischen Rezeptor handelt (Proll, 2006). Die Suche
nach erkrankungsspezifischen Veränderungen einzelner Gene für 5-HT-Rezeptoren oder
den 5-HT-Transporter zeigten hingegen ernüchternde Ergebnisse und bargen die Fest-
stellung einer bis dahin nicht vermuteten genetischen Variabilität (Anguelova et al.,
2003).
Der knappe Überblick veranschaulicht in deutlicher Weise, dass der
Forschungsbereich zu Serotonin sich als hochkomplex herausgestellt hat und übermittelt
gleichzeitig die Erkenntnis, dass Neurologie, Psychiatrie, Innere Medizin und Biologie
eng miteinander kooperieren müssen, um dem Anspruch wissenschaftlicher Ganzheit-
lichkeit zu entsprechen. Es zeigt sich, dass einseitige reduktionistische und simplifi-
zierende Modelle und Ansichten einzelner Fachbereiche weder dem komplexen System
der menschlichen Psyche noch den Bedürfnissen psychisch kranker Menschen gerecht
werden können. Der anschließende Unterpunkt der Hausarbeit widmet sich der Phy-
siologie der Nervenzelle, um darüber hinaus die Funktionsweisen Serotonins als Neuro-
transmitter verständlicher nachvollziehbar zu machen.
3.2 Neuroanatomie
Nervenzellen, auch als Neurone bezeichnet, sind die funktionellen Grundbausteine des
Gehirns (Schloss, 2002; Riederer et al., 2008). Als Netzwerk verarbeiten sie Informa-
tionen auf elektrochemischem Weg (Proll, 2006). Zum Zellkörper (Soma) einer Nerven-
zelle führen meist mehrere Fasern (die Dendriten). Ein bis zu einem Meter langer
Zellfortsatz (der Neurit) transportiert die Signale weiter zur nächsten Nervenzelle.

Details

Seiten
Erscheinungsform
Originalausgabe
Jahr
2009
ISBN (eBook)
9783836645669
DOI
10.3239/9783836645669
Dateigröße
13.1 MB
Sprache
Deutsch
Institution / Hochschule
Universität Hamburg – Fakultät für Mathematik, Informatik und Naturwissenschaften, Humanbiologie
Erscheinungsdatum
2010 (April)
Note
1,0
Schlagworte
depression serotonin endokrinologie antidepressiva psychologie
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Titel: Serotonin als hormonelles Korrelat der Depression beim Menschen
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