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Spekulative Blasen - Ursache für Finanzmarktkrisen oder notwendiges Phänomen wirtschaftlichen Wachstums?

©2008 Diplomarbeit 77 Seiten

Zusammenfassung

Inhaltsangabe:Einleitung:
Finanzmarktkrisen werden seit geraumer Zeit (erstmalig im 18. Jahrhundert) mit spekulativen Blasen in Verbindung gebracht. Dabei tragen sowohl historische Krisen (wie die Südseeblase und die Mississippibubble) als auch jüngere Krisen (wie die Technologieblase) den Begriff ‘Blase’ bzw. ‘Bubble’ sogar in Ihrem Namen.
Wurden Spekulationsblasen über einen langen Zeitraum als ein um jeden Preis zu verhinderndes Ergebnis ökonomischer Verfehlungen ‘abgestempelt’, so begann man in den letzten Jahren auch positive, ja sogar für das Wirtschaftswachstum notwendige Aspekte zu erkennen. Vor diesem Hintergrund bewegen sich spekulative Blasen in einem Spannungsfeld zwischen ihrer Rolle als (Mit-)Auslöser von Finanzkrisen einerseits und ihrem Potential, wohlfahrtserhöhend zu wirken anderseits.
Dieses Spannungsfeld ist der Gegenstand der vorliegenden Arbeit. Sie soll einen Beitrag dazu liefern, zum einen das Wesen spekulativer Blasen näher zu beschreiben und auf dieser Grundlage zum anderen ihre potentiellen negativen und positiven Wirkungen herauszustellen. Es gilt hierbei, ihren Einfluss auf Finanzmarktkrisen sowie das Wirtschafswachstum im näheren zu untersuchen. Dabei soll teilweise zwischen Emerging Markets und hochentwickelten Volkswirtschaften unterschieden werden, in welchen - wie später zu sehen sein wird - sich oft unterschiedliche ökonomische Rahmenbedingungen vorfinden lassen.
Von besonderem Interesse soll die Frage nach den Bedingungen sein, unter welchen spekulative Blasen positive und auch negative Effekte entfalten können.
Gang der Untersuchung:
In Kapitel 1 müssen zunächst die zentralen Termini bezogen auf das Thema bzw. den unter 1.1. beschriebenen Untersuchungsgegenstand begrifflich gekennzeichnet werden.
Kapitel 2 hat zum Ziel, das Blasenphänomen eingehender zu beschreiben. Hierbei muss teilweise eine Unterscheidung zwischen den beiden in der Wissenschaft gängigen Ansätzen getroffen werden: Der informationsorientierte Ansatz stellt die auf Information gestützten Verhaltensweisen der Anleger in den Mittelpunkt der Betrachtung, während im zweiten Ansatz den makroökonomischen Rahmenbedingungen die zentrale Rolle zukommt. Bezüglich letzterem Ansatz soll der Fokus auch auf der Rolle niedriger Zinsen bei der Entstehung von Kapitalmarktblasen liegen.
Auf dieser Grundlage werden in Kapitel 3 ausgewählte Krisen in hochentwickelten Volkswirtschaften und Emerging Markets untersucht und bewertet. Im Rahmen dieser […]

Leseprobe

Inhaltsverzeichnis


Christian Kessler
Spekulative Blasen - Ursache für Finanzmarktkrisen oder notwendiges Phänomen
wirtschaftlichen Wachstums?
ISBN: 978-3-8366-4170-8
Herstellung: Diplomica® Verlag GmbH, Hamburg, 2010
Zugl. Johannes Gutenberg-Universität Mainz, Mainz, Deutschland, Diplomarbeit, 2008
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© Diplomica Verlag GmbH
http://www.diplomica.de, Hamburg 2010

1
INHALTSVERZEICHNIS
ABKÜRZUNGSVERZEICHNIS
3
ABBILDUNGSVERZEICHNIS
4
TABELLENVERZEICHNIS
5
1. Grundlegung
6
1.1. Einleitung und Problemstellung
6
1.2. Gang der Untersuchung
7
1.3. Begriffskennzeichnungen
7
1.3.1. Spekulative Blasen
7
1.3.2. Erwartungsbildung
9
1.3.3. Finanzkrisen
11
1.3.4. Determinanten des Wirtschaftswachstums
13
2. Entwicklung spekulativer Blasen
16
2.1. Auslösungsprozess
16
2.1.1. Informations- und verhaltenstheoretischer Ansatz
16
2.1.2. Makroökonomisch orientierter Ansatz
19
2.1.2.1. Hochentwickelte Volkswirtschaften
19
2.1.2.2. Emerging Markets
22
2.2. Charakteristische Phasen
23
2.3. Zusammenbruch (crash)
25
2.3.1. Informations- und verhaltenstheoretischer Ansatz
25
2.3.2. Makroökonomisch orientierter Ansatz
27
2.3.2.1. Hochentwickelte Volkswirtschaften
27
2.3.2.2. Emerging Markets
28
3. Ausgewählte Finanzkrisen im Lichte des Blasenphänomens
29
3.1. Finanzkrisen in Emerging Markets
29
3.1.1. Die Mexiko-Krise (1994)
29
3.1.1.1. Ausgangslage
29
3.1.1.2. Verlauf
31
3.1.1.3. Bewertung
33
3.1.2. Die Südostasien-Krise (1997)
35
3.1.2.1. Ausgangslage
35
3.1.2.2. Verlauf
37
3.1.2.3. Bewertung
41

2
3.2. Finanzkrisen in hochentwickelten Volkswirtschaften
44
3.2.1. Die Technologieblase (2000)
44
3.2.1.1. Ausgangslage
44
3.2.1.2. Verlauf
45
3.2.1.3. Bewertung
50
3.2.2. Die Finanz- und Immobilienkrise in den USA (2007)
52
3.2.2.1. Ausgangslage
52
3.2.2.2. Verlauf
54
3.2.2.3. Bewertung
57
4. Wirtschaftswachstum und spekulative Blasen
58
5. Zusammenfassung
64
ANHANG
67
LITERATURVERZEICHNIS
71

3
Abkürzungsverzeichnis
Abb. Abbildung
BIP Bruttoinlandsprodukt
BMF Bundesministerium der Finanzen
BMWI Bundesministerium für Wirtschaft und Technologie
DAX Deutscher Aktienindex
FED Federal Reserve Bank
IMF International Monetary Fund
NASDAQ National Association of Securities Automated Quotations
RLZ Restlaufzeit
SET Secure Electronic Transfer
SVR Sachverständigenrat
Tab. Tabelle

4
Abbildungsverzeichnis
Abb. 1: ,,Golden Rule"
-Wachstum
15
Abb. 2: Platzende und nichtplatzende rationale spekulative Blasen
25
Abb. 3: Aktienindex Mexiko
30
Abb. 4: Anteil der Investitionen am realen BIP in % / Mexiko
31
Abb. 5: Mexikanisches Kreditwachstum
34
Abb. 6: S.E.T. Aktienindex Thailand
39
Abb. 7: Wachstum des BIP in % / Thailand
39
Abb. 8: Ersparnisse und Kapitalbildung in % / Thailand
40
Abb. 9: Wachstum des BIP in % / Indonesien
40
Abb. 10: Ersparnisse und Kapitalbildung in % / Indonesien
41
Abb. 11: Anteil der Investitionen am realen BIP in % / USA
47
Abb. 12: Anteil der Investitionen am realen BIP in % / Deutschland
48
Abb. 13: NASDAQ
48
Abb. 14: DAX
49
Abb. 15: Zins in % für US-Treasury-Bills
49
Abb. 16: Nominalzins in % / Bundeswertpapiere
50
Abb. 17: Immobilienpreise USA
56
Abb. 18: S & P 500 Index
56
Abb. 19: Mexikanisches Wirtschaftswachstum
67
Abb. 20: Net Private Capital Inflows
67
Abb. 21: Short-Term-External-Debt (June 1997)
68
Abb. 22: Nettokapitalströme Gesamt für Thailand, Indonesien und Korea
68

5
Tabellenverzeichnis
Tab. 1: Makroökonomische Indikatoren für Korea, Indonesien und Thailand
69
Tab. 2: Net Capital Flows for South Korea, Indonesia, Malaysia,
Thailand and the Philippines
70

6
1. Grundlegung
1.1. Einleitung und Problemstellung
Finanzmarktkrisen werden seit geraumer Zeit (erstmalig im 18. Jahrhundert) mit spe-
kulativen Blasen in Verbindung gebracht. Dabei tragen sowohl historische Krisen
(wie die Südseeblase und die Mississippibubble
1
) als auch jüngere Krisen (wie die
Technologieblase
2
) den Beg
riff ,,Blase" bzw. ,,Bub
b
le" sogar in Ihrem Namen.
Wurden Spekulationsblasen über einen langen Zeitraum als ein um jeden Preis zu
verhinderndes Ergebnis ökonomischer Verfehlungen ,,abgeste
m
pelt", so begann man
in den letzten Jahren auch positive, ja sogar für das Wirtschaftswachstum notwendi-
ge Aspekte zu erkennen.
3
Vor diesem Hintergrund bewegen sich spekulative Blasen
in einem Spannungsfeld zwischen ihrer Rolle als (Mit-)Auslöser von Finanzkrisen
einerseits und ihrem Potential, wohlfahrtserhöhend zu wirken anderseits.
Dieses Spannungsfeld ist der Gegenstand der vorliegenden Arbeit. Sie soll einen
Beitrag dazu liefern, zum einen das Wesen spekulativer Blasen näher zu beschrei-
ben und auf dieser Grundlage zum anderen ihre potentiellen negativen und positiven
Wirkungen herauszustellen. Es gilt hierbei, ihren Einfluss auf Finanzmarktkrisen so-
wie das Wirtschafswachstum im näheren zu untersuchen. Dabei soll teilweise zwi-
schen Emerging Markets und hochentwickelten Volkswirtschaften unterschieden
werden, in welchen - wie später zu sehen sein wird - sich oft unterschiedliche öko-
nomische Rahmenbedingungen vorfinden lassen.
Von besonderem Interesse soll die Frage nach den Bedingungen sein, unter welchen
spekulative Blasen positive und auch negative Effekte entfalten können.
1
Vgl. Garber (2000).
2
Vgl. Kapiel 3.2.1.
3
Vgl. Binswanger (1999) und Cabellero et al. (2006).

7
1.2. Gang der Untersuchung
In Kapitel 1 müssen zunächst die zentralen Termini bezogen auf das Thema bzw.
den unter 1.1. beschriebenen Untersuchungsgegenstand begrifflich gekennzeichnet
werden.
Kapitel 2 hat zum Ziel, das Blasenphänomen eingehender zu beschreiben. Hierbei
muss teilweise eine Unterscheidung zwischen den beiden in der Wissenschaft gän-
gigen Ansätzen getroffen werden: Der informationsorientierte Ansatz stellt die auf
Information gestützten Verhaltensweisen der Anleger in den Mittelpunkt der Betrach-
tung, während im zweiten Ansatz den makroökonomischen Rahmenbedingungen die
zentrale Rolle zukommt. Bezüglich letzterem Ansatz soll der Fokus auch auf der Rol-
le niedriger Zinsen bei der Entstehung von Kapitalmarktblasen liegen.
Auf dieser Grundlage werden in Kapitel 3 ausgewählte Krisen in hochentwickelten
Volkswirtschaften und Emerging Markets untersucht und bewertet. Im Rahmen die-
ser Untersuchung soll das Schema ,,Ausgangslage
-Verlauf-Bewertung" auf die ein-
zelnen Krisen angewendet werden, wobei die Finanzierungskonditionen der
Untenehmen in die Betrachtung einbezogen werden sollen.
In Kapitel 4 sollen die Interdependenzen zwischen wirtschaftlichem Wachstum und
spekulativen Blasen aufgezeigt und bewertet werden. Die Umstände und Bedingun-
gen, unter welchen Bubbles positive Effekte entfalten können, sollen hier im Engeren
behandelt werden.
Abschließend sollen in Kapitel 5 die gewonnenen Ergebnisse zusammengefasst
bzw. beurteilt und mögliche Schlussfolgerungen gezogen werden.
1.3. Begriffskennzeichnungen
1.3.1. Spekulative Blasen
Bei spekulativen Blasen handelt es sich um ein Phänomen, welches schwer greifbar
und insbesondere a priori auch kaum nachweisbar ist
4
. Das Maß dieser hohen
4
Vgl. Bohl (2003), S.465ff.

8
Intangibilität wird auch durch den Fakt deutlich, dass in der Wissenschaft sogar über
die Existenz spekulativer Blasen keine Einigkeit herrscht.
5
So kann es gemäß der Theorie effizienter Märkte keine spekulativen Blasen geben,
da die zugrundeliegende Effizienzmarkthypothese besagt, dass sämtliche verfügba-
ren Informationen bereits in den Preisen (z.B. Aktien-, Immobilien- und Wechselkur-
se) enthalten sind
6
, diese also rein fundamental begründet sind.
Befürworter der Bubble-Theorie hingegen gehen davon aus, dass die Preise nur zum
Teil fundamental erklärt werden können. Demnach bildet neben dem Fundamental-
wert der so genannten Blasenterm eine weitere Komponente des Preises, wonach
sich schreiben ließe:
P = FW + BT
(mit P: Preis, FW: Fundamentalwert, BT: Blasenterm).
Dabei kennzeichnet der Blasenterm die Abweichung des Preises von seinem Fun-
damentalwert, also:
BT = P - FW.
7
Grundlage für die Blasenbildung ist die Annahme, dass der Preis implizit auch von
den Erwartungen über dessen Entwicklung abhängt. So lassen Erwartungen über
einen künftigen Kursanstieg die Preise heute steigen, aufgrund dessen es zu weite-
ren (künftigen) Kurssteigerungen kommt, welche allein durch spekulative Erwartun-
gen begründet sind und wiederum steigende Kurse bewirken.
Diese ,,Aufwärtsspir
a-
le" in Form eines mö
glicherweise überdimensionalen "Aufblähens" des Preises auf
rein spekulativer Basis wird gemeinhin als spekulative Blase bezeichnet.
8
Während der Fundamentalwert also die realwirtschaftliche Komponente des Preises
bildet (beispielsweise bei Aktienkursen begründet durch die realen Gewinnerwartun-
gen der betreffenden Unternehmen), drückt der Blasenterm die spekulative und,
wenn man so will, teils auch die psychologische Komponente des Preises aus.
5
Vgl. Gomez /Rozo (2007), S.2.
6
Vgl. Spremann (2003), S. 121.
7
Vgl. Herrera/Perry (2001), S.5.
8
Vgl. Flood/Garber (1980), S.746 ff. und Sauernheimer/Rose (2006), S.231.

9
Von dieser hauptsächlich auf einzelne Kurse bzw. Preise bezogenen Definition etwas
losgelöst, werden unter spekulativen Blasen jedoch auch bestimmte Finanzkrisen
verstanden, welche nach rasanten Wertanstiegen in einem abrupten Crash enden.
Wie schon erwähnt tragen bestimmte Krisen die Bezeichnung ,,Bubble" bereits in i
h-
rem Namen
9
und können daher relativ eindeutig als Blasenprozesse deklariert wer-
den. Aber auch langfristig positive Wertentwicklungen wie beispielsweise
die Vervierfachung des Dow Jones Index innerhalb von ca. 20 Jahren oder die
Verzehnfachung des NASDAQs innerhalb von nur zehn Jahren werden mit spekula-
tiven Blasen in Verbindung gebracht. Allerdings gehen die Expertenmeinungen hier
auseinander. So
begründen ,,Blasenverneiner" diese Entwicklungen mit einem nac
h-
haltig (oder ,,fundamental") steigenden Potential der realen Wirtschaft
10
. Signifikanter
Unterschied zu oben genannten Blasenprozessen ist die Tatsache, dass es zu kei-
nem plötzlichen Kursverfall kam bzw. kommt.
Dieses ,,Platzen" ist jedoch auch nach
bildlichem Verständnis ein Hauptcharakteristikum von Blasen, was erklärt warum
derartige Prozesse (s.o.) a posteriori gemeinhin als Blase identifiziert werden.
1.3.2. Erwartungsbildung
Im vorigen Kapitel wurde die hohe Bedeutung der Erwartungen der Wirtschaftssub-
jekte im Hinblick auf das Bubblephänomen (in Form der Abhängigkeit des Preises
von den Erwartungen) angesprochen.
11
Es lohnt also eine nähere Betrachtung: Man
unterscheidet gemeinhin zwischen rationalen und irrationalen Erwartungen.
Rationale Erwartungen liegen vor, wenn es keine systematischen Fehler bezüglich
der Antizipation des zukünftigen Kurses gibt, die ökonomischen Akteure also nicht
den gleichen Vorhersagefehler von Periode zu Periode begehen. Man spricht in die-
sem Falle
von ,,lernfähigen"
Wirtschaftssubjekten, was zwei Annahmen voraussetzt:
Die Wirtschaftssubjekte nutzen erstens alle verfügbaren Informationen und kennen
zweitens die relevanten ökonomischen Zusammenhänge. Demzufolge gibt es im Fal-
le rationaler Erwartungen keine falschen Prognosen, die durch zusätzlich beschaff-
9
Vgl. Kap. 1.1.
10
Vgl. Binswanger (2002), S.352.
11
Zu der wichtigen Rolle der Erwartungen in Bezug auf Aktienpreisbildung und spekulative Blasen vgl. auch
Bruns (1994), S.26ff.

10
bare Informationen hätten vermieden werden können und/oder durch fehlende
Kenntnis jener Modellprozesse zustande kommen, welche die Realität am ehesten
abbilden.
12
Die so genannte ,,Perfect Forseight" beschreibt die Situation, in der
es auf-
grund kompletter Informationen und völliger Sicherheit ausschließlich richtige Vor-
hersagen gibt.
13
Jedoch impliziert der Begriff ,,Er
wartungen", dass es selbst bei voll-
ständiger Information zu Unsicherheiten bezüglich der ökonomischen Entschei-
dungsfindung kommt.
Rationale Erwartungen und spekulative Blasen scheinen sich auf den ersten Blick zu
widersprechen, jedoch wird später zu sehen sein, dass die Entstehung und Verstär-
kung von Bubbles unter rationalen Erwartungen möglich ist, ja rationale Erwartungen
sogar teilweise die Grundlage dafür bilden können. Aschingers Feststellung, dass
"obwohl die Blasenbildung durch irrationales Verhalten begünstigt wird, spekulative
Blasen selbst unter rationalen Erwartungen entstehen können"
14
untermauert diesen
Sachverhalt.
Im Falle irrationaler Erwartungen sind die oben genannten Voraussetzungen rationa-
ler Erwartungen nicht erfüllt. Sie liegen also vor, wenn nicht alle verfügbaren Informa-
tionen genutzt werden und/oder keine ausreichenden Kenntnisse der wirtschaftlichen
Zusammenhänge vorhanden sind. Entsprechend dieser Definition liegt gemäß
Kindleberger Irrationalität dann vor, wenn mindestens einer der folgenden Punkte
seitens der Wirtschaftssubjekte erfüllt ist:
1. Wahl des falschen Modells
2. Nichtinbetrachtziehung entscheidender Informationen
3. Ignorieren eigentlich relevanter Informationen, da sie nicht mit dem gewählten
Modell konform sind.
15
Systematische Fehler sind dann systemimmanent, bzw. es handelt sich nicht um
lernfähige Marktakteure.
12
Vgl. Sauernheimer/Rose (2006), 231f.
13
Vgl. Begg (1982), S.29.
14
Aschinger (1995), S.118.
15
Vgl. Kindleberger (2001), S.45.

11
1.3.3. Finanzkrisen
Als Finanzkrisen im weiteren Sinne können Ereignisse bzw. (oft durch diese ausge-
löste) Entwicklungen verstanden werden, die die Stabilität von Wirtschaftseinheiten
bzw. Volkswirtschaften in einem solchen Maße beeinträchtigen, dass deren Funkti-
onsfähigkeit gestört bzw. gefährdet ist.
16
Anknüpfend daran kann von einer Finanz-
krise im engeren Sinne gesprochen werden, wenn o.g. gesamtwirtschaftlich negati-
ven Effekte mit einer deutlichen Verschlechterung der finanzwirtschaftlichen Indikato-
ren einhergehen. Von besonderer Relevanz für das Blasenphänomen sind in diesem
Zusammenhang Verzerrungen im Finanzsektor (unter Umständen ausgelöst bzw.
verstärkt durch fehlerhaft bewertete Vermögenswerte) und ein damit in Verbindung
stehender Vertrauensverlust in das Banken- und Währungssystem, hervorgerufen
durch eine abrupte Korrektur der oben genannten Preise. In diesem Kontext können
weitere Aspekte wie eine Störung der fremdfinanzierten Geldströme (vor allem we-
gen zur Anlage in Vermögenswerte aufgenommene Kredite) und ein sich dadurch
verstärkender Verfall von Aktien- und Immobilienkursen stehen, welche die Gefahr
von Unternehmenszusammenbrüchen erhöhen oder direkt nach sich ziehen.
17
Blei-
ben diese auf einzelne Unternehmen und/oder Branchen beschränkt, spricht man
von einzelwirtschaftlichen Krisen. Dehnen sie sich jedoch auf weitere Wirtschaftsbe-
reiche aus, kann es zur einer gesamtwirtschaftlichen Krise kommen, welche dann
vorliegt, wenn die gesamte Volkswirtschaft betroffen ist.
18
Nach Mishkin liegt eine Finanzmarktkrise dann vor, wenn ein Finanzsystem nicht
mehr in der Lage ist, durch asymmetrische Information hervorgerufene Probleme zu
bewältigen und dadurch seine Schlüsselfunktion der effizienten Kapitalallokation
nicht mehr erfüllen kann, also Kapital nicht mehr in die produktivsten Investitions-
möglichkeiten geleitet wird.
Zur Konkretisierung der ,,durch asymmetrische Information hervorgerufenen Probl
e-
me" werden di
e Begriffe ,,adverse selection" und ,,moral hazard" he
rangezogen
19
.
Ad
verse selection liegt dann vor, wenn sich der ,,wahre Wert" einer Anlage von
16
Vgl. Aschinger (2001), S. 1.
17
Vgl. IMF (1998), S. 74.
18
Vgl. Aschinger (2001), S. 11.
19
Vgl. Mishkin (2006), S. 50 f.

12
den Käufern aufgrund von Informationsasymmetrien nicht bestimmen lässt und sie
nur durch deutliche Preisreduktion zum Kauf bewegt werden können.
Unter moral hazard versteht man den Umstand, dass Wirtschaftssubjekte Anreizen
(z.B. das Eingehen höhere Risiken aufgrund des Glaubens durch die Interventions-
pflicht der Zentralbank abgesichert zu sein) folgen, um individuell profitable, für die
Volkswirtschaft insgesamt aber negativ wirkende Ergebnisse zu erzielen.
20
In einer Finanzmarktkrise können sich diese Probleme so stark intensivieren, dass
das
Finanzsystem funktionsunfähig
wird
und
die
wirtschaftliche
Aktivi-
tät zusammenbricht.
Aus obiger Definition lässt sich ableiten, dass eine Finanzmarktkrise nicht notwendi-
gerweise vorliegt, wenn die Kurse einer oder mehrerer Vermögenswerte exorbitant
fallen (z. B. aufgrund an neue Informationen angepasster Erwartungen). Derartige
Szenarien können jedoch eine solche Krise einleiten, deren notwendiges Kriterium
oben genannte nachhaltige Störung der Marktfunktionen ist.
Eine weitere allgemein anerkannte Definition bildet das Phasenschema
von Kindleberger, welcher nach Analyse und Vergleich von auf spekulative Bla-
sen zurückzuführenden Krisen, Gemeinsamkeiten in deren Verlauf findet und so zu
sieben charakteristischen Entwicklungsstufen kommt. Er spricht dann von einer Fi-
nanzkrise, wenn sich diese Phasen in dem betreffenden Blasenprozess wiederfin-
den lassen
21
. Dabei beschreibt die letzte Phase den starken Kursverfall, das so ge-
nannte Platzen der Blase, und auch das anschließende Zusammenbrechen der
Marktfunktionen und -aktivität.
22
Wie am Ende des Kapitels 1.3.1. erwähnt, kann ein
solcher Crash als wesentliches Charakteristikum einer Krise angesehen werden.
Der IMF unterscheidet (mit dem Verweis auf fließende Grenzen und mögliche Inter-
aktionen und Interdependenzen) Währungs-, Banken und Verschuldungskrisen.
Zu einer Währungskrise kommt es, wenn eine spekulative Attacke auf den Wechsel-
kurs einer Währung zu deren Entwertung oder starken Abwertung führt oder die
20
Vgl. ebenda (2007), S.186 f.
21
Vgl. Kap.2.2.
22
Vgl. Kindleberger (2001), S. 30ff.

13
,,Ve
r
teidigung"
des
Außenwertes
der
Währung
nur
durch
massiven
Devisenreservenabbau bzw. stake Zinserhöhungen gewährleistet werden kann.
Bankenkrisen liegen dann vor, wenn tatsächliche oder potentielle Zahlungsunfähig-
keiten von Banken dazu führen, dass diese ihre interne Konvertibilität nicht mehr ga-
rantieren können oder wenn die Regierung dies durch weitreichende Maßnahmen
verhindern muss.
Verschuldungskrisen beschreiben eine Situation, in welcher es einem Land
nicht mehr möglich ist, seinen öffentlichen bzw. privaten Verschuldungsverpflichtun-
gen nachzukommen.
23
Wie oben schon angedeutet und im weiteren noch zu sehen sein wird, können diese
drei Krisenarten (bzw. deren einzelne Elemente) separat und gleichzeitig auftreten
sowie sich gegenseitig auslösen und verstärken.
1.3.4. Determinanten des Wirtschaftswachstums
Um die Interdependenzen zwischen Blasenphänomen und wirtschaftlichem Wachs-
tum zu erkennen, müssen zunächst die Grundlagen der Wachstumstheorie kurz
skizziert werden. Ausgangspunkt ist die Produktionsfunktion Y = AF(L,K), welche die
produzierte Outputmenge (Y) zur Inputmenge der Produktionsfaktoren (L = Arbeits-
einsatz, K = Kapitaleinsatz) und dem Niveau der Technologie (A) in Beziehung setzt.
Diese drei Größen können als die Bestimmungsfaktoren des Wirtschaftswachstums
betrachtet werden, das sich als Zunahme des Gesamtoutputs bzw. Sozialprodukts
(
Y=Y
1
-Y
0
> 0) definieren lässt.
24
Eine engere Definition bezeichnet die Zunahme des Sozialproduktes pro Kopf der
Bevölkerung (Y
1
/V
1
> Y
0
/V
0
mit V = Bevölkerung) als Wirtschaftswachstum. Dem-
nach wäre
Y=Y
1
-Y
0
> 0 kein Wachstum im engeren Sinne, wenn die Bevölkerung
im gleichen Maße wie das Sozialprodukt zunimmt. Gemäß dieser detaillierteren Be-
trachtung kann bei gleicher Wachstumsrate von Sozialprodukt und Bevölkerung von
23
Vgl. IMF (1998), S. 74f.
24
Vgl. Dornbusch / Fischer (1992), S. 744f.

14
extensivem und bei einem relativen stärker steigenden Sozialprodukt von intensivem
Wachstum gesprochen werden.
25
Folgende Gleichung nimmt eine Konkretisierung der oben genannten positiven Ab-
hängigkeiten des Wirtschaftswachstums von Arbeit, Kapital, und Niveau der Tech-
nologie vor:
Y/Y = (1-
)
L/L +
K/K +
A/A.
Dabei drücken 1-
bzw.
den Anteil der Arbeit bzw. des Kapitals am Einkommen
aus, welche multipliziert mit der konkreten Wachstumsrate den Beitrag des jeweili-
gen Produktionsfaktors am Gesamtwachstum (
Y/Y) ergibt. Das gesamtwirtschaftli-
che Wachstum kann also als Summe der genannten Produktionsfaktorbeiträge (als
Zuwachsraten) zuzüglich der Wachstumsrate des technischen Niveaus (
A/A) ver-
standen werden. Zugrunde liegende Annahmen sind konstante Skalenerträge (eine
Erhöhung aller Produktionsfaktoren um beispielsweise 1% führt zu einer Erhöhung
des Outputs um ebenfalls 1%) sowie ein abnehmendes Grenzprodukt aller Produkti-
onsfaktoren (mit jeder zusätzlich eingesetzten Einheit von z.B. Kapital steigt zwar
auch das Sozialprodukt jedoch mit einer abnehmenden Rate).
Im einfachsten wachstumstheoretischen Modell geht man von einer konstanten,
exogen gegebenen Wachstumsrate der Arbeit
L/L und konstantem technischen
Fortschritt
A/A aus. Durch diese Annahme wird die Wachstumsrate des Kapital-
stocks zur einzigen Variablen für das Wirtschaftswachstum.
Die Wachstumstheorie neoklassischer Prägung lässt sich für diesen einfachsten Fall
durch folgende Grafik erklären:
25
Vgl. Rose (1991), S.11.

15
Abb.1: ,,Golden Rule"
-Wachstum
Quelle: Selbsterstellte Grafik in Anlehnung an Rose (1991), S.128ff.
Aufgrund der zuvor getroffenen Annahmen kann die Produktionsfunktion als y=f(k)
mit k=K/L (Kapitalintensität) geschrieben werden. Das abnehmende Grenzprodukt
des Kapitals (
2
Y/K
2
< 0) erklärt den Umstand, dass mit zunehmender Kapitalinten-
sität das Pro-Kopf-Einkommen in immer geringer werdendem Maße steigt. Wegen
der Abhängigkeit der Ersparnis vom Einkommen zeigt die unterhalb der Produktions-
funktion verlaufende Sparfunktion ähnliche Gestalt (beträgt die Sparquote s z.B. 0,5,
so verläuft sie in halber Höhe der Produktionsfunktion). Die Gerade nk zeigt die Net-
toinvestitionen, die erforderlich sind, um das wachsende Arbeitskräftepotential mit
ausreichend Kapital auszustatten.
Die Situation, in welcher alle Größen (Y,K,L) mit identischer, konstanter R ate wach-
sen, wird als steady state Gleichgewicht bezeichnet. Grafisch ergibt sich dieses aus
dem Schnittpunkt der Sparfunktion mit der nk-Geraden, durch welchen man die
gleichgewichtigen Werte des Pro-Kopf-Einkommens und der Pro-Kopf-Ersparnis so-

Details

Seiten
Erscheinungsform
Originalausgabe
Jahr
2008
ISBN (eBook)
9783836641708
DOI
10.3239/9783836641708
Dateigröße
1 MB
Sprache
Deutsch
Institution / Hochschule
Johannes Gutenberg-Universität Mainz – Wirtschaftswissenschaften, Studiengang Volkswirtschaftslehre
Erscheinungsdatum
2010 (Februar)
Note
2,0
Schlagworte
spekulative blase finanzkrise wachstum aktienmarkt börsenpreise
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Titel: Spekulative Blasen - Ursache für Finanzmarktkrisen oder notwendiges Phänomen wirtschaftlichen Wachstums?
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