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Kritische Auseinandersetzung mit der Novellierung der Wertermittlungsverordnung

©2009 Diplomarbeit 86 Seiten

Zusammenfassung

Inhaltsangabe:Einleitung:
In Anlehnung an die Verkehrswertdefinition des § 194 BauGB regelt die Wertermittlungsverordnung die Grundsätze der Verkehrswertermittlung in Deutschland. Auf Grund der Heterogenität des Wirtschaftsgutes Immobilie erhebt sie nicht den Anspruch die Bewertung der verschiedenen Grundstückstypen abschließend zu regeln. Anzuwenden ist sie von Gutachterausschüssen, Bundes- und Landesbehörden sowie Sachverständigen, sofern die jeweilige Sachverständigenordnung dies vorschreibt bzw. ihre Anwendung vereinbart ist. Tatsächlich hat sich ihr Regelungsinhalt bei nahezu allen Marktteilnehmers als anerkannter Standard durchgesetzt.
Die Urfassung der WertV wurde am 7. August 1961 verabschiedet. Mit ihr kamen erstmalig einheitliche Verfahrensgrundsätze zur Anwendung, um den bis dato zum Teil erheblichen Unterschieden in der Verkehrswertermittlung entgegenzuwirken. Im Zuge veränderter Bedingungen auf den deutschen Immobilienmärkten musste auch die WertV in ihrer Geschichte mehrmals novelliert werden. Die Ergänzungen hinsichtlich sanierungs- und entwicklungsrechtlicher Vorschriften der WertV 1971 waren lediglich redaktioneller Natur. Diese wurden mit der WertV 1998 i.V.m. dem BauROG 98 novelliert und die Berlinklausel gestrichen. Eine erste Neufassung erfuhr das Regelwerk mit der WertV 1988. Damals sollte die Marktkonformität der Wertermittlungsergebnisse durch die Normierung von Begrifflichkeiten gewährleistet werden. In die Verordnung eingebettet wurde die Kategorisierung von land- und forstwirtschaftlichen Flächen, Rohbauland und baureifem Land. Gutachterausschüsse wurden verpflichtet, die zur Wertermittlung erforderlichen Daten abzuleiten. Normiert wurden Bodenpreisindexreihen, Umrechnungskoeffizienten, Liegenschaftszinssätze und Vergleichsfaktoren für bebaute Grundstücke.
In Folge der Globalisierung, von denen die deutschen Immobilienmärkte seit ca. 20 Jahren verstärkt beeinflusst werden, wird nun die Notwendigkeit einer erneuten Novellierung gesehen. Die Vorschläge des Berichts des Sachverständigengremiums zur Überprüfung des Wertermittlungsrechts (im Folgenden als „das Gremium“ bezeichnet) haben Irritationen hervorgerufen und werden in der Fachwelt seit ihrer Veröffentlichung kontrovers diskutiert.
Fraglich ist , in wie weit geänderte Rahmenbedingungen die Novellierung der WertV 88 bedingen. Gegenwärtig kann die Diskussion in zwei Lager eingeteilt werden : Die erste Gruppe ist der Auffassung, die deutsche Wertermittlungsverordnung […]

Leseprobe

Inhaltsverzeichnis


I N H A L T S V E R Z E I C H N I S

I Abkürzungsverzeichnis

II Abbildungsverzeichnis

III Textteil

1 Einleitung und Ziele der Arbeit
1.1 Problemstellung
1.2 Begriffliche Abgrenzung
1.3 Ziele und Gang der Untersuchung

2 Die Notwendigkeit der Novellierung der WertV
2.1 Anforderung der Praxis an das Wertermittlungsrecht
2.2 Veränderte Rahmenbedingungen auf den Immobilienmärkten
2.3 Auswirkungen des Paradigmenwechsels auf die Immobilien- bewertung
2.4 Zusammenfassendes Urteil

3 Novellierungsmaßnahmen des Ersten und Zweiten Abschnittes
3.1 Begriffliche Präzisierungen
3.1.1 Qualitätsstichtag
3.1.2 Ergänzung des Kataloges wertbeeinflussender Umstände
3.1.3 Die Aufnahme der Definition der Restnutzungsdauer
3.1.4 Die Aufnahme der Definition der Modernisierung
3.2 Ersatzloser Wegfall des begünstigten Agrarlandes
3.3 Ungewöhnliche und persönliche Verhältnisse
3.4 Schrittfolge bei der Ermittlung von Verkehrswerten
3.5 Ermittlung erforderlicher Daten durch die Gutachterausschüsse.
3.5.1 Kaufpreise als Ableitungsgrundlage
3.5.2 Indexreihen
3.5.3 Umrechnungskoeffizienten
3.5.4 Vergleichsfaktoren
3.5.5 Marktanpassungsfaktoren
3.6 Umbenennung des Liegenschaftszinssatzes

4 Wertermittlungsverfahren
4.1 Vergleichswertverfahren
4.1.1 Unmittelbarer Vergleich unbebauter Grundstücke
4.1.2 Mittelbarer Vergleich unbebauter Grundstücke
4.1.2.1 Vergleich durch Bodenrichtwerte
4.1.2.2 Deduktive Bodenwertermittlung
4.1.3 Unmittelbarer Vergleich bebauter Grundstücke
4.1.4 Mittelbarer Vergleich bebauter Grundstücke
4.1.5 Das Problem der Bodenwertdämpfung
4.1 6 Berücksichtigung baulicher Anlagen im Außenbereich
4.1.7 Liquidationswertverfahren
4.1.8 Ausgleichsbeiträge
4.1.9 Zusammenfassung
4.2 Das Ertragswertverfahren
4.2.1 Das umfassende Ertragswertverfahren
4.2.1.1 Vorgehensweise
4.2.1.2 Erträge und Einnahmen
4.2.1.3 Die Problematik der Bodenwertverzinsung
4.2.1.4 Das Problem der Nachhaltigkeit
4.2.1.5 Bewirtschaftungskosten..
4.2.1.6 Fehlende Parameter im Ertragswertverfahren
4.2.2 Das vereinfachte Ertragswertverfahren
4.2.2.1 Vorgehensweise
4.2.2.2 Anwendung des Verfahrens in der Praxis
4.2.3 Das Ertragswertverfahren periodisch unterschiedlicher Erträge
4.2.3.1 Vergleich mit der internationalen DCF-Methode.
4.2.3.2 Die Berücksichtigung des Restwertes des Grundstückes
4.2.3.3 Aufnahme des Verfahrens vor dem Hintergrund des BVerwG-Urt. Vom 19.01.1996.
4.2 Das Sachwertverfahren
4.2.1 Vorgehensweise
4.2.2 Neuerungen des Sachwertverfahrens
4.2.3 Wertminderung wegen Alters
4.2.4 Wegfall der Regelung weiterer wertbeeinflussender Umstände
4.2.5 Kritik am Sachwert

5 Abschließende Beurteilung der Novellierung
5.1Vorteile und Chancen der Novellierung
5.1.1 Anwenderfreundlichkeit und Transparenz
5.1.2 Absage an das DCF-Verfahren
5.1.3 Vereinheitlichung in der Praxis existierender Methoden
5.2 Potenzielle Risiken und Herausforderungen
5.2.1 Fehlender Normierungen
5.2.2 Sprachliche Unklarheiten
5.2.3 Der Mangel an praktischer Anwendbarkeit der Verordnung
5.3 Perspektiven und notwendige Veränderungen
5.3.1 Aufnahme weiterer Wertkonzepte in das BauGB
5.3.2 Stärkung der Konkurrenzfähigkeit deutscher Gutachter
5.3.3 Prognose der Entwicklung der deutschen Wertentwicklung

6 Schlussbemerkung

IV Glossar

V Annex

VI Literaturverzeichnis

VII Eidesstattliche Versicherung

I A B K Ü R Z U N G S V E R Z E I C H N I S

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

II A B B I L D U N G S V E R Z E I C H N I S

Abbildung 1: Genesis der WertV

Abbildung 2: Beeinflussung des Verkehrswertes

Abbildung 3: Restnutzungsdauer als Wertbeeinflussung

Abbildung 4: Wegfall des begünstigten Agrarlandes

Abbildung 5: Unmittelbares Vergleichswertverfahrens

Abbildung 6: Mittelbares Vergleichswertverfahren bebauter Grundstücke

Abbildung 7: Dämpfung des Bodenwertes

Abbildung 8: Liquidationswertverfahren

Abbildung 9: Umfassendes Ertragswertverfahren

Abbildung 10: Bodenwertverdopplung im Ertragswertverfahren

Abbildung 11: Beziehungen zwischen Aufwand und Kosten

Abbildung 12: Sachwertverfahren

1 Einleitung und Ziele der Arbeit

1.1 Problemstellung

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

In Anlehnung an die Verkehrswertdefinition des § 194 BauGB regelt die Wertermittlungsverordnung die Grundsätze der Verkehrswertermittlung in Deutschland. Auf Grund der Heterogenität des Wirtschaftsgutes Immobilie erhebt sie nicht den Anspruch die Bewertung der verschiedenen Grundstückstypen abschließend zu regeln. Anzuwenden ist sie von Gutachterausschüssen, Bundes- und Landesbehörden sowie Sachver-ständigen, sofern die jeweilige Sachverständigenordnung dies vorschreibt bzw. ihre Anwendung vereinbart ist.[1] Tatsächlich hat sich ihr Regelungsinhalt bei nahezu allen Marktteilnehmers als anerkannter Standard durchgesetzt.[2]

Die Urfassung der WertV wurde am 7. August 1961 verabschiedet.[3] Mit ihr kamen erstmalig einheitliche Verfahrensgrundsätze zur Anwendung, um den bis dato zum Teil erheblichen Unterschieden in der Verkehrswertermittlung entgegenzuwirken. Im Zuge veränderter Bedingungen auf den deutschen Immobilienmärkten musste auch die WertV in ihrer Geschichte mehrmals novelliert werden. Die Ergänzungen hinsichtlich sanierungs- und entwicklungsrechtlicher Vorschriften der WertV 1971 waren lediglich redaktioneller Natur. Diese wurden mit der WertV 1998 i.V.m. dem BauROG 98 novelliert und die Berlinklausel gestrichen. Eine erste Neufassung erfuhr das Regelwerk mit der WertV 1988. Damals sollte die Marktkonformität der Wertermittlungsergebnisse durch die Normierung von Begrifflichkeiten gewährleistet werden. In die Verordnung eingebettet wurde die Kategorisierung von land- und forstwirtschaftlichen Flächen, Rohbauland und baureifem Land. Gutachterausschüsse wurden verpflichtet, die zur Wertermittlung erforder-lichen Daten abzuleiten. Normiert wurden Bodenpreisindexreihen, Umrechnungskoeffizienten, Liegenschaftszinssätze und Vergleichsfaktoren für bebaute Grundstücke.

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abbildung 1: Genesis der WertV

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Quelle: Kleiber in vhw-Seminare (Hrsgb.), S. 3

In Folge der Globalisierung, von denen die deutschen Immobilienmärkte seit ca. 20 Jahren verstärkt beeinflusst werden, wird nun die Notwendigkeit einer erneuten Novellierung gesehen. Die Vorschläge des Berichts des Sachver-ständigengremiums zur Überprüfung des Wertermittlungsrechts (im folgendes als „das Gremium“ bezeichnet) haben Irritationen hervorgerufen und werden in der Fachwelt seit ihrer Veröffentlichung kontrovers diskutiert.[4]

Fraglich ist , in wie weit geänderte Rahmenbedingungen die Novellierung der WertV 88 bedingen. Gegenwärtig kann die Diskussion in zwei Lager eingeteilt werden[5]: Die erste Gruppe ist der Auffassung, die deutsche Wertermittlungs-verordnung ist bereits so breit angelegt, dass ein Novellierungsbedarf nicht besteht. Die zweite Gruppe sieht die Notwendigkeit einer Novellierung mit der Argumentation, die Internationalisierung der Immobilienwirtschaft erfordere gleichermaßen eine Angleichung des deutschen Wertermittlungsrechts an internationale Standards. Fraglich ist, ob die neue Verordnung tatsächlich eine Internationalisierung des Wertermittlungsrechts im Sinne einer Harmonisierung nationaler Standards darstellt. Kritiker sehen lediglich eine Angleichung des deutschen Rechtes an britische bzw. angloamerikanische Wertermittlungs-standards.

1.2 Begriffliche Abgrenzung

Der Begriff Novellierung (lat. Novus) beschreibt den Prozess der Veränderung eines stofflichen oder nichtstofflichen Gegenstandes. In der Gesetzge-bungslehre versteht man darunter die Vorbereitung eines Änderungsgesetzes, dessen Ergebnis die Novelle ist.[6] Die Novellierung der Wertermittlungs-verordnung beschreibt demnach den Prozess der Veränderung des gültigen Wertermittlungsrechts Deutschlands auf Grund geänderter Rahmenbe-dingungen.

Die Wertermittlung bezeichnet den Vorgang, bei dem der Verkehrswert oder der Beleihungswert eines Wirtschaftsgutes hergeleitet wird.[7] Der Wert entspricht den aggregierten Preisvorstellungen aller Marktteilnehmer; der Preis ist der in Geldeinheiten gemessene Tauschwert eines Gutes zwischen Anbieter und Nachfrager.[8] Das lateinische Wort obiacere bezeichnet etwas Gegenüberliegendes; es kann aber auch mit Wertfreiheit und Unparteilichkeit übersetzt werden.[9] Demnach ist der Wert die objektivierte Preisvorstellung der Marktteilnehmer. Ziel der Wertermittlung ist der Verkehrswert, auch Marktwert nach § 194 BauGB.

Unter einer Verordnung versteht man eine Rechtsnorm, welche von einer Regierung bzw. von Verwaltungsstellen erlassen wird. Urheber ist nicht das Parlament, sondern die Exekutive.[10] Daher wird sie als exekutives Recht bezeichnet. Sie ist ein Gesetz im materiellen Sinn, da sie Rechte und Pflichten begründet, jedoch kein Gesetz im formellen Sinn, da der Verabschiedung einer Verordnung kein förmliches Gesetzgebungsverfahren zu Grunde liegt.

Synonyme für das Wort Auseinandersetzung sind Untersuchung und Analyse. Das griechische Verb analysein bedeutet „auflösen“.[11] Die Thesis impliziert demnach die Aufspaltung der Novelle in ihre einzelnen Bestandteile. Etymologisch bedeutet der Zusatz „kritisch“ das Infragestellen, die Beurteilung und die Bewertung der einzelnen Bestandteile.[12]

1.3 Ziele und Gang der Untersuchung

Die vorliegende Arbeit soll die Frage untersuchen, ob die Novellierung des deutschen Wertmittlungsrechts notwendig ist. Vor dem Hintergrund der Rechtsgültigkeit der novellierten Fassung am 1.7.2009 besitzt das Thema Aktualität. Zunächst wird erörtert, welche Anforderungen aus der Praxis an das Wertermittlungsrecht zu stellen sind. Im zweiten Schritt wird betrachtet, welche Bedingungen sich seit der letzten Novellierung auf den Immobilienmärkten geändert haben. Ist ein Paradigmenwechsel zu verifizieren, sind seine Auswirkungen auf die Immobilienbewertung zu untersuchen. Die dadurch entstehenden neuen Anforderungen an das Wertermittlungsrecht führen zu der Erkenntnis, ob die Notwendigkeit einer Neufassung der WertV 88 besteht.

Anschließend werden die vorgeschlagenen Änderungen kritisch betrachtet. Zu Grunde gelegt wird die nichtamtliche Fassung vom 24. Dezember 2008.[13] Zunächst wird der erste und zweite Abschnitt der Verordnung beleuchtet, in welchem allgemeine Verfahrensgrundsätze sowie die für die Wertermittlung erforderlichen Daten normiert sind. Die Präzisierung von Begrifflichkeiten wird vor dem Hintergrund ihrer Anwenderfreundlichkeit untersucht. Das vierte Kapitel behandelt die normierten Wertermittlungsverfahren. Jedes Verfahren wird schematisch erklärt und seine Neuerungen dargestellt. Es wird beurteilt, ob die Neuerungen die veränderten Rahmenbedingungen berücksichtigen und wie diese unter dem Aspekt ihrer praktischen Anwendbarkeit zu beurteilen sind. Ist eine Diskrepanz zu den Anforderungen aus der Praxis festzustellen, so ist es Ziel dieser Arbeit, jenen Unstimmigkeiten durch einen Lösungsvorschlag zu begegnen. Die Arbeit schließt mit einer Beurteilung der Neufassung ab.

Welchen Einfluss die Umstellung der Rechnungslegung nach IFRS/IAS auf die Novellierung der deutschen Wertermittlungsverordnung hatte, ist auf Grund der Komplexität des Sachgebietes nicht Gegenstand dieser Diplomarbeit.

2 Die Notwendigkeit einer Novellierung der WertV

Dieses Kapitel untersucht die Frage, ob ein Novellierungsbedarf der WertV 88 besteht. Durch die Betrachtung des Verhaltens der Marktteilnehmer wird abgeleitet, welche Anforderungen an das Wertermittlungsrecht zu stellen sind. Anschließend wird untersucht, wie sich die Rahmenbedingungen auf den deutschen Immobilienmärkten seit der letzten Neufassung 1988 verändert haben. Aus den daraus gewonnen Erkenntnissen werden die Auswirkungen auf die Immobilienbewertung geschlussfolgert.

2.1 Anforderungen der Praxis an das Wertermittlungsrecht

Durch den erfolgreichen Abschluss von Verkaufsverhandlungen vollziehen Anbieter und Nachfrager ein Grundstückverkehrsgeschäft. In Anlehnung an die Verkehrswertdefinition des § 194 BauGB ist die Ermittlung eines auf dem Grundstücksmarkt Gewöhnlicherweise zu erzielenden Kaufpreises oberstes Ziel der Wertermittlungsverordnung; persönliche oder ungewöhnliche Verhältnisse bleiben stets unberücksichtigt. Der gezahlte Kaufpreis ist nur selten mit dem zuvor ermittelten Verkehrswert identisch.[14] Dem zu Grunde legend ist festzuhalten, dass die WertV kein abschließendes Regelwerk darstellen kann, sondern nur einheitliche Rahmenbedingungen und Begriffsbestimmungen regeln soll. Wäre die Vorgehensweise zur Ermittlung von Verkehrswerten gesetzlich nicht geregelt, würde sich jeder Gutachter unterschiedlicher Vorgehensweisen bedienen. In Folge dessen käme es, wie vor der WertV 61, zu erheblich voneinander abweichenden Wertermittlungs-ergebnissen.[15]

Eine einheitliche Vorgehensweise führt zu mehr Transparenz auf dem Markt. Transparenz beschreibt einen Zustand freier Information, Nachvollziehbarkeit und Rechenschaft im Sinne einer offenen Kommunikation.[16] Die Definition ist als Metapher des physikalischen Begriffes Transparenz abgeleitet. Dieser bezeichnet einen Zustand, bei dem ein Körper durchschaut werden kann. Ziel der Marktteilnehmer ist ein freier Informationsaustausch zwischen den einzelnen Wirtschaftssubjekten.[17] Gemessen an den Kriterien der vollständigen Konkurrenz ist der Immobilienmarkt ein stark unvollkommener Markt.[18] Ein transparentes Wertermittlungsrecht führt zu einem höheren Maß an Transparenz der Wertermittlungsergebnisse untereinander, welche dadurch besser vergleichbar werden.

Eine uneinheitliche Vorgehensweise bei der Ableitung erforderlicher Daten durch die Gutachterausschüsse führt zu einer verringerten Vergleichbarkeit. Bei der Anwendung des Vergleichswertverfahrens ist Vergleichbarkeit der einzelnen Grundstücksarten das inhärente Kriterium. Je weniger es den Marktteilnehmern möglich ist, die einzelnen Grundstücksarten zu vergleichen, desto schwieriger wird ein Interessensausgleich.

Konjunkturelle Schwankungen der Wirtschaft im Allgemeinen und der Immobilienmärkte im Besonderen erfordern die Existenz möglichst aktueller, das heißt gegenwartsnaher Daten. Der zunehmenden Volatilität der Grundstückswertentwicklung ist durch die Schaffung effizient arbeitendender Gutachterausschüsse Rechnung zu tragen. Tatsächlich kann eine Werter-mittlung nur so aktuell und verlässlich sein, wie schnell aktuelle Daten von den Gutachterausschüssen zur Verfügung gestellt werden.[19]

Festzuhalten ist, dass die Anwenderfreundlichkeit direkt von dem Maß abhängig ist, in wie weit sie aktuelle Entwicklungen berücksichtigt. Die Wertermittlungsverordnung kann demnach kein starres Konstrukt sein, sondern ist von Zeit zu Zeit an die sich ständig ändernden Bedingungen auf den Immobilienmärkten anzupassen, denn veränderte Rahmenbedingungen führen zu veränderten Anforderungen an die Wertermittlung. Das Verhalten der Marktteilnehmer und das der Wertermittler passt sich den neuen Anforderungen an. So lange auf diese Veränderungen nicht im Rahmen der Gesetzgebung eingegangen wird, herrscht Rechtsunsicherheit. Mangelnde Rechtssicherheit auf den Immobilienmärkten wird durch den Kapitalmarkt sanktioniert.[20] Brauer beschreibt die Interdependenz zwischen Immobilienmarkt und Kapitalmarkt zum einen als dem Immobilienmarkt vorgelagert und zum anderen als mit dem Immobilienmarkt konkurrierend.[21]

International agierende Investoren erwarten vom Wertermittlungsrecht die Möglichkeit zur größt möglichen Genauigkeit der Berechnung der Volatilität einzelner Renditen und ihrer Korrelation zu anderen Kapitalanlagen.[22] Des Weiteren werden von Asset Managern einheitliche Standards gefordert, um die Abbildung von Stromgrößen und die Rendite der Investitionen vergleichbar zu machen.[23] Die Wertermittlung ist als eine Dienstleistung am Kunden zu begreifen, deren Ziel es ist, die Werthaltigkeit eines Grundstückes abzubilden. Diese Werthaltigkeit kann je nach Intention des Grundstückseigentümers variieren. Neben der klassischen Verkehrswertermittlung kommen daher z.B. Portfolioanalyse, komparative Marktstudien oder die Ermittlung eines sub-jektiven Wertes in Frage.[24] Fraglich ist dabei, ob diese Spezifikationen in einer Verordnung berücksichtigt werden sollen, welche lediglich Grundsätze regelt. Ein Argument dagegen ist die Verkehrswertdefinition des § 194 BauGB. Einem einzigen Wertkonzept in der WertV stehen fünf Wertkonzepte im Red Book des RICS gegenüber.[25] Eine Aufnahme weiterer Wertkonzepte in das BauGB würde demnach die Anzahl WertV-konformer Bewertungsmethoden erhöhen, ohne die Verordnung aufzublähen, denn das BVerwG hat klargestellt, dass die Verfahren der WertV nicht abschließend sind und auf geeignete andere Verfahren ausgewichen werden kann.[26]

Aus Sicht der Praxis hat das Wertermittlungsrecht auf vorherrschende Gepflogenheit dynamisch zu reagieren. Ziel des Gesetzgebers ist es, diese durch Normierung zu harmonisieren, um Rechtssicherheit und einen funktion-ierenden Markt zu gewährleisten. Praxis und Gesetzgeber beeinflussen sich somit gegenseitig.

2.2 Veränderte Rahmenbedingungen auf den Immobilienmärkten

Bedingt durch technische Neuerungen, dem Zusammenbruch des Ostblocks und der damit verbundenen Privatisierung von Staatsvermögen hat sich auch auf den Immobilienmärkten in den letzten zwei Jahrzehnten eine Entwicklung beschleunigt, die als Globalisierung bezeichnet wird.[27] Der Begriff beschreibt eine grenzüberschreitende Strategie international agierender Unternehmen, deren Ziel es ist, unter Ausnutzung von Standortvorteilen Wettbewerbsvorteile zu generieren. Synergieeffekte führen zu steigender Nachfrage nach Gewerbefläche und zeitverzögert auch zu einer stärkeren Nachfrage nach Wohnflächen.

Parallel vollzieht sich die zunehmende Interdependenz zwischen Immobilien- und Kapitalmarkt, da für die Investitionen Kapital benötigt wird.[28] Brauer spricht von einem Paradigmenwechsel auf den tendenziell gesättigten Immo-bilienmärkten seit Beginn der 1990er Jahre. Demnach ist ein Wandel von einem durch Knappheit gekennzeichneten, wertstabilen Wirtschaftsgut hin zu einem sehr viel kurzlebigeren Wirtschaftsgut zu beobachten, welches als Assetklasse unmittelbar mit anderen Anlagenformen konkurriert und sehr viel öfter durch Umbauten und Modernisierungen den nutzerspezifischen Anforder-ungen angepasst werden muss.[29]

Der Wechsel von der eigengenutzten Immobilie hin zum Kapitalanlageobjekt dürfte sich durch die zunehmende Terziärisierung der Wirtschaft beschleunigt haben. Terziärisierung beschreibt eine Abnahme der Sektoren der Industrie und Landwirtschaft zu Gunsten des Dienstleistungssektors.[30] Die Allokations-funktion der Globalisierung führt dazu, dass Kapital mit Hilfe technischer Neuerungen, wie Internet, Mobilfunk und einer rasant wachsende Container-schifffahrt zum Ort seiner größt möglichen Verzinsung gelangt. Eine relative Abnahme der landwirtschaftlichen und industriellen Produktion ist in Deutschland auch zukünftig zu erwarten.

Zudem ist bei der parallel zum Prozess der Globalisierung verlaufenden Europäisierung eine zunehmende Liberalisierung der Kapitalmärkte zu beobachten. Das Wirtschaftsgut wandelt sich „vom Haltegut in ein Investitionsgut und wird damit liquidierbarer, fungibler, teilbarer, mobiler und besser vergleichbar mit anderen Anlageformen“[31].

Die durch wirtschaftliche Anpassungsschwierigkeiten mit der dt. Wiedervereinigung einsetzende Abwanderung aus den Neuen Bundesländern führte v.a. in ländlichen Regionen zu einem tiefgreifendem demographischen Wandel. Die seit den 1990er Jahren verstärkt auftretenden Segregations-prozesse führten zu selektiven Auf- und Abwertungen und in Folge dessen zur Herausbildung benachteiligter Stadtgebiete.[32] Das Bund-Länder-Programm „Stadtteile mit besonderem Entwicklungsbedarf – Soziale Stadt“ versucht durch Verknüpfung verschiedener Politikfelder und Ressorts einen integrativen Ansatz zur Stabilisierung dieser Stadtgebiete zu entwickeln. Die dadurch tendenziell zunehmend „schwankende[n] Wertentwicklungen“[33] erfordern v.a. in kaufpreisarmen Lagen möglichst stichtagsnahe Vergleichsdaten.

2.3 Auswirkungen auf die Immobilienbewertung

„Angesichts der auch im Immobilieninvestment nicht mehr aufzuhaltenden Globalisierung der Märkte als Folge des zunehmenden Wettbewerbs untereinander und mit anderen Anlagemedien wird es zu einer Vereinheitlichung, mindestens aber zu einer Vergleichbarmachung nationaler Bewertungsmethoden kommen müssen.“[34]

Bei Betrachtung bisher getätigter Aussagen zu den veränderten Rahmen-bedingungen ist Folgendes festzuhalten: Durch die Existenz unterschiedlicher, nationaler Wertermittlungsmethoden und Wertkonzepte ist das Maß an Transparenz und die internationale Vergleichbarkeit von Immobilienwerten stark herabgesetzt. International agierende Marktteilnehmer streben dadurch nach einer Vereinheitlichung bzw. Harmonisierung der einzelnen Wert-ermittlungsmethoden bzw. Wertkonzepte. Unterstellt man die Existenz in der Praxis verbreiteter, aber noch nicht normierter Methoden, so streben die Marktteilnehmer unter Zuhilfenahme von Lobbyisten und Beeinflussung von Multiplikatoren nach einer Normierung, d.h. nach Rechtssicherheit der von ihnen angewandten Standard und Methoden.

Die Wandlung des deutschen Immobilienmarktes von einem Eigennutzermarkt hin zu einem Investmentmarkt, bei welchem die einzelnen Derivate mit anderen Anlageklassen des Kapitalmarktes in Konkurrenz stehen, entspricht einer Annäherung an das angelsächsische Marktverständnis.[35] In Folge dessen ist zu erwarten, dass die Bewertungsmethoden des angelsächsischen Raumes, unabhängig von ihrer Qualität, von den Marktteilnehmern verstärkt angewendet werden. Theoretische Grundlage des angelsächsischen Marktverständnisses bildet die Portfoliotheorie von Markowitz.[36] Sie ist eine entscheidungslogische Theorie des Vermögensmanagements, deren Entscheidungsfindung von den vier Kategorien Ertrag, Risiko, Transaktionskosten und Liquidität beeinflusst wird.

Treten neue Teilnehmer in den Markt ein, ergeben sich für sie zwei Möglichkeiten: die Adaption vorherrschender Marktsprache und Methoden oder eine gemeinsame, für alle verständliche Marktsprache mit gleichen Begrifflichkeiten und gleichen Methoden. Die Marktteilnehmer entscheiden über die Anwendung dieser Möglichkeiten durch Ausnutzung ihrer Marktmacht oder Übereinkunft.[37] In diesem Prozess werden Teilnehmer eines sehr starken Immobilienmarktes durchsetzungsfähiger sein als Teilnehmer eines kleineren, von Partikularinteressen bestimmten Immobilienmarktes. Der Einfluss international agierender Marktteilnehmer wird auf regional begrenzten Märkten, wie z.B. der Markt für Einfamilienhäuser, tendenziell gering sein. Mit zunehmender Präsenz international agierender Marktteilnehmer, wie beispielsweise auf den Gewerbeimmobilienmärkten, wird es jedoch zu einem Angleichungsdruck bzw. dem Drang zur Harmonisierung der einzelnen Werter-mittlungsstandards kommen.

In Deutschland ist seit ca. 20 Jahren eine Zunahme der Aktivitäten der Chartered Surveyors in Deutschland zu beobachten – das Drängen dieses Berufsverbandes hin zu einer Internationalisierung der Wertermittlungs-methoden ist in Wirklichkeit das Streben nach einer Anglifizierung der deutschen Wertermittlung.[38] Den bisher getroffenen Ausführungen zu Grunde legend, ist der Streit zwischen deutschen und ausländischen Immobilien-bewertern auf eine zunehmende Unsicherheit in der Anwendung der einzelnen Bewertungsmethoden zurückzuführen.

Mit dem Mittel der Einflussnahme wird versucht, durch Harmonisierung oder Angleichung Rechtssicherheit zu erlangen. Bei der Harmonisierung der einzelnen Standards ist daher weniger die Frage nach dem methodisch überlegenen Verfahren zu untersuchen, sondern vielmehr, welche Verfahren von Markt am meisten akzeptiert werden.

2.4 Zusammenfassung

Immobilienwertermittlung ist der Versuch einer Preisprognose in einem wirtschaftlichen Umfeld. Dieses wirtschaftliche Umfeld ist ständigen, zunehmend dynamischen Veränderungen unterworfen. Das Wertermittlungs-recht darf kein starres Konstrukt sein, sondern muss die auf dem Grundstücksmarkt vorherrschenden Usancen berücksichtigen. Sein Regelungsinhalt schafft Rechtssicherheit und führt zu einer einheitlichen Vorgehensweise, was die Transparenz auf dem Grundstücksmarkt erhöht. Mangelnde Transparenz führt zu einer asymmetrischen Informationsverteilung zwischen Käufer und Verkäufer und begründet Marktversagen.

Der Paradigmenwechsel in der Immobilienwirtschaft von einem eigengenutzten Wirtschaftsgut hin zu einem Investitionsgut, welches als Assetklasse mit anderen Anlageformen konkurriert sowie die zunehmend volatile Wertentwicklung in kaufpreisarmen Lagen stellt ein geändertes wirtschaftliches Umfeld dar. Dadurch ergeben sich neue Anforderungen an die Bewertung von Immobilien. Diese Anforderungen werden von den Marktteilnehmern bereits durch sich neu etablierende Usancen und Methoden berücksichtigt. Genannt sei hier u.a. die zunehmende Verbreitung der DCF-Methode, bei welcher aus der Sicht eines Investoren der Wert einer Immobilie auf der Grundlage periodisch unterschiedlicher Erträge ermittelt wird.

Die These, es gäbe einen Novellierungsbedarf der Wertermittlungsverordnung von 1988, ist somit zu verifizieren. Vor dem Hintergrund der zunehmenden Konkurrenz auf dem globalem Dienstleistungsmarkt der Wertermittlung müssen die sich geänderten Rahmenbedingungen auf den deutschen Immobilien-märkten in den Novellierungsvorschlägen hinreichende Berücksichtigung finden.

3 Novellierungsmaßnahmen des Ersten und Zweiten Abschnittes

„Im internationalen Vergleich ist die deutsche Immobilienbewertung nach einem Kompetenzvergleich des Royal Institution of Chartered Surveyors qualitativ hervorragend aufgestellt und nimmt weltweit eine Spitzenposition ein.“[39]

Dieses Kapitel stellt die neuen Regelungen der ImmoWertV vor und betrachtet sie vor dem Hintergrund der herausgearbeiteten Anforderungen an die Wertermittlung. Zunächst werden sprachliche Neuerungen und die Präzisierung von Begrifflichkeiten vorgestellt. Darauf aufbauend wird die Einführung neuer Regelungen betrachtet. Vom BMVBS wurden eine Reihe von Neuregelungen erarbeitet, welche das bestehende Wertermittlungsrecht an die veränderte Rahmenbedingungen anpassen soll. Untersucht werden soll die Frage, ob es sich bei den Neuerungen um materiell neues Recht handelt oder diese in Bezug auf die gestellten Anforderungen eher substanzlos sind.

3.1 Sprachliche Neuerungen

3.1.1 Der Qualitätsstichtag

Der lat. Begriff qualitas ist mit Beschaffenheit, Zustand, Merkmal zu übersetzen.[40] Die Beschaffenheit eines Grundstückes impliziert all seine wertbildenden Faktoren.[41] In der WertV a. F. ist dieser Begriff nicht definiert. Erst in den reformierten Wertermittlungsrichtlinien des Jahres 2002 wurde er erstmalig aufgeführt.[42] Mit der Aufnahme der Definition wird ein Schritt hinzu mehr Anwenderfreundlichkeit und Transparenz geschaffen. Bereits der Bericht des Sachverständigenrates schlug eine Präzisierung des Begriffes Werter-mittlungsstichtag vor, um Unklarheiten zu vermeiden.

Die Wertermittlung hat alle die zu einem bestimmten Zeitpunkt relevanten Umstände, welche den Grundstückszustand beeinflussen, zu berücksichtigen. Dieser Zeitpunkt wird als Qualitätsstichtag bezeichnet. Qualitätsstichtag und Wertermittlungsstichtag können auseinanderfallen, wenn der Gutachter Umstände zu berücksichtigen hat, die vor oder nach dem Zeitpunkt der Erstellung des Wertermittlungsgutachtens liegen. Betreffend der Beziehung der Zeitpunkte zueinander sind drei mögliche Varianten denkbar: Der Standardfall ist dadurch definiert, das Qualitätsstichtag, Wertermittlungsstichtag und das Ende der für die Gutachtenerstellung erforderlichen Recherchen gemeinsam in der Gegenwart liegen. Ein vergangenheitsbezogener Qualitätsstichtag liegt z.B. dann vor, wenn eine sanierte Immobilie zu bewerten ist, als ob sie nicht saniert wurde. Der Qualitätsstichtag liegt vor dem Wertermittlungsstichtag und dem Ende der Recherchen. In der retrospektiven Bewertung des Anfangs-vermögens einer Gemeinschaft liegen Qualitätsstichtag und Wertermittlungs-stichtag vor dem Ende der Recherchen. Schließlich können Qualitätsstichtag und Wertermittlungsstichtag auch unterschiedlich in die Vergangenheit verlagert sein, wenn z.B. Anfangswerte für Sanierungsgutachten zu erstellen sind. Ist das Ziel der Gutachtenerstellung die Ermittlung des Verkehrswertes nach einer geplanten Sanierung, verlagert sich der Qualitätsstichtag in die Zukunft.[43]

Zwar wird durch die Berücksichtigung zukünftiger Entwicklungen der Umstand berücksichtigt, dass sich der Wert einer Immobilie maßgeblich an ihrem zukünftigen Nutzen orientiert[44], jedoch ist dem Risiko von Fehlprognosen auf Grund spekulativer Annahmen durch eine äußerst vorsichtige Vorgehensweise des Gutachters entgegenzuwirken. Insbesondere auf lokalen Grundstücks-märkten spielen demographische Aspekte, Entwicklungsplanungen oder der geplante Ausbau von Infrastruktur eine Rolle. Bei der Berücksichtigung zukünftiger Entwicklungen sollte in jedem Fall eine „das Marktverhalten reflektierende Betrachtungsweise“ angezeigt sein.[45]

3.1.2 Ergänzung des Kataloges wertbeeinflussender Umstände

Wertbeeinflussende Faktoren sind all jene Umstände, welche den Verkehrswert von Immobilien beeinflussen. Zu unterscheiden sind konjunkturbedingte und qualitätsbedingte Einflussfaktoren.[46] Konjunkturbedingte Einflussfaktoren be-ruhen auf dem Preisbildungsmechanismus von Angebot und Nachfrage des Immobilienteilmarktes. Hinzu kommen veränderte Wirtschaftswachstumsraten, Kapitalmarktentwicklungen und die Stabilität des Geldwertes. Hinsichtlich der qualitativen Einflussfaktoren nennt die ImmoWertV in den §§ 4 ff. den Entwicklungszustand, Art und Maß der baulichen Nutzung, wertbeeinflussende Rechte und Belastungen, den beitrags- und abgabenrechtlichen Zustand, Lagemerkmale, Beschaffenheit und die tatsächliche Eigenschaften des Grundstücks als wertbeeinflussende Faktoren.

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Quelle: Eigene Darstellung

Die tatsächliche Nutzung, Erträge aus der Grundstücksnutzung, Grundstückszuschnitt und – größe, Bodenbeschaffenheit, Gebäudeart, Bau-weise und Baugestaltung, Größe, Ausstattung u. baulicher Zustand, ener-getische Eigenschaften und Restnutzungsdauer sind weitere Faktoren, welche den Verkehrswert eines Grundstückes maßgeblich beeinflussen.[47]

Eine sprachliche Neuerung stellt der § 6 n.F. dar, in dem, um den Bezug zur Grundstücksbewertung hervorzuheben, nicht mehr von Zustandsmerkmalen[48], sondern von Grundstücks merkmalen gesprochen wird. Die Einbeziehung energetischer Eigenschaften in den Katalog wertbeeinflussender Umstände stellt eine Angleichung an heutige Anforderungen an die Wertermittlung dar. Die EnEV 2007 sieht ab dem 1. Januar 2009 für alle Wohngebäude in Deutschland die Pflicht zur Ausstellung eines Energieausweises vor. Die Existenz eines Energieausweises stellt vor dem Hintergrund stetig steigender Heizkosten ein positives wertbeeinflussendes Merkmal dar.

3.1.3 Die Definition der Restnutzungsdauer

Als Restnutzungsdauer ist die Anzahl der Jahre anzusehen, bei welcher die baulichen Anlagen bei ordnungsgemäßer Instandhaltung und Bewirtschaftung voraussichtlich noch wirtschaftlich genutzt werden können. Sie ergibt sich aus der üblichen GND unter Abzug des Alters.[49]

Durch die Durchführung umfangreicher Modernisierungsmaßnahmen kann sich Die RND verlängern; durch ihre Unterlassung gleichermaßen verkürzen.[50] Wird ein Gebäude durchgreifend saniert, präsentiert es sich in einem jüngerem Zustand. Nachfolgendes Schaubild soll die Beeinflussung des Verkehrswertes durch die RND am Beispiel der Ertragswertermittlung eines MFH darstellen.

Abbildung 3: Wertbeeinflussung durch Modernisierung

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Quelle: Eigene Darstellung

Verlängert sich die RND in Folge der Modernisierung um 15 Jahre, ist das Gebäude mit einem Gebäude vergleichbar, welches 15 Jahre später gebaut wurde. Dieses um 15 Jahre in die Zukunft verlagerte Baujahr wird als fiktives Baujahr bezeichnet. In gleicher Weise kann sich die RND verkürzen. Durch unterlassene Instandhaltung sind verfrüht Bauwerkschäden bzw. bauliche Mängel zu erwarten, welche das Gebäude schneller altern lassen. Die Praxis berücksichtigt diesen Umstand, in dem das Baujahr z.B. 15 Jahre in die Vergangenheit verlagert wird. Das fiktive Baujahr entspricht nun dem eines Gebäudes, welches 15 Jahre früher erbaut worden ist.[51] Kleiber widerspricht der Meinung, Instandsetzungen würden die RND verlängern, denn diese gehören zu einer ordnungsgemäßen Bewirtschaftung.[52] Bei der Berechnung des Ertragswertes nach § 17 Abs. 3 i.V.m. § 18 ImmoWertV ist dem stattzugeben.

Instandsetzungen sind von Modernisierungen abzugrenzen und beziehen sich lediglich auf die Wiederherstellung eines Sollzustandes, wie z.B. die Streichung der Fassade. Der Ertragswert ist nach Maßgabe des § 8 Abs. 2 und Abs. 3 ImmoWertV zu mindern, wenn z.B. eine wirtschaftliche Überalterung vorliegt.

Die Aufnahme der RND in den Ersten Abschnitt der ImmoWertV, welcher den Anwendungsbereich, allgemeine Verfahrensgrundsätze und Begriffs-bestimmungen regelt, ist nachvollziehbar und trägt durch die Klammertechnik[53] zur Übersichtlichkeit bei. Der Begriff tauchte in der alten WertV an mehreren[54] Stellen auf. Die Definition des § 16 Abs. 4 WertV a.F. wurde in die neue Verordnung übernommen. Im Paragraphen „Weitere Grundstücksmerkmale“ wird ihre Selbstständigkeit hervorgehoben und verdeutlicht den Zusammenhang zwischen RND und Verkehrwert.

3.1.4 Die Aufnahme der Definition der Modernisierung

Die WertV kannte eine Definition der Modernisierung nicht. In der Novelle werden „Maßnahmen, die eine wesentliche Verbesserung der Wohn- und sonstigen Nutungsverhältnisse oder wesentliche Einsparungen von Energie und Wasser bewirken“[55] als Modernisierung definiert.

In der WertV wurde der Begriff nicht definiert. Allerdings findet sich in § 3 Abs. 1 und 2 ModEnG sowie in § 17a WoBauG eine Definition gleichen Wortlauts. Auch im BGB findet sich in den mietrechtlichen Vorschriften eine wortgleiche Definition.[56] Die Aufnahme der Definition vor dem Hintergrund der Präzisierung von Begrifflichkeiten deckt sich nicht mit dem genannten Ziel der Deregulierung bzw. der Straffung der Verordnung.[57] Deregulierung beschreibt eine ordnungspolitische Maßname im Bereich der Wirtschaftspolitik, welches als Ziel die Vereinfachung bzw. den Abbau von Marktregulierungen in Form von staatlichen Normen und Vorschriften versteht.[58] Es ist davon auszugehen, dass Gutachter o.g. Gesetze kennen und diese ggf. berücksichtigend mit einbeziehen. Eine Definition im Rahmen der WertV ist daher nicht notwendig.

3.2 Ersatzloser Wegfall des begünstigten Agrarlandes

Die verschiedenen Entwicklungsstufen, welche ein Grundstück durchlaufen kann, definiert der § 5 ImmoWertV. Bei Anwendung des Vergleichswert-verfahrens ist zu recherchieren, welchem Entwicklungszustand das zu bewertende Grundstück zuzuordnen ist. Der Bodenwert ist wesentlich von seinem Entwicklungszustand abhängig.[59] In der novellierten Verordnung wird die frühere Differenzierung in einfache und b esondere Flächen der Land- und Forstwirtschaft nicht mehr übernommen.[60]

Abbildung 4: Wegfall des begünstigten Agrarlandes

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Quelle: Eigene Darstellung in Anlehnung an Kleiber/Simon/Weyers, S.306.

Kleiber bezeichnet die Unterteilung als „unlogisch“[61]. Tatsächlich sind bei der Beurteilung des besonderen Agrarlandes in Nr.2 zusätzlich die Definitions-kriterien aus Nr. 1 heranzuziehen; deren Begrifflichkeiten zudem unscharf sind. In der Praxis hat dies zu Unsicherheiten geführt; die Definition eines begünstigten Agrarlandes wurde teilweise als höherwertiges Agrarlandes missverstanden. [62]

Die in Nr. 2 aufgeführten Flächen können im Vergleich zu reinen Agrarflächen höherwertiger sein (z.B. Golfplatz); möglich ist aber auch ein niedrigerer Verkehrswert durch rechtliche Nutzungsbeschränkungen. Dies kann z.B. bei Waldgebieten der Fall sein, welche von der Öffentlichkeit vorwiegend als Erholungsgebiet aufgesucht werden; eine agrarwirtschaftliche Verwertung ist in diesem Fall quasi unmöglich.[63] Der Wegfall der Unterscheidung erhöht die Transparenz auf dem Grundstücksmarkt und dürfte die Nachvollziehbarkeit von Verkehrswertgutachten des Agrarlandes erhöhen. Eine verständlichere Formulierung erhöht ihre Anwenderfreundlichkeit

[...]


[1] Vgl. Groß in Sandner/Weber (Hrsgb.), S. 633.

[2] Vgl. Kleiber, Simon, Weyers, S. 273.

[3] Vgl. BGBl. I 1961, 1183, zit. nach Kleiber in vhw-Seminare (Hrsgb.), S. 3.

[4] Vgl. Kleiber in vhw-Seminare (Hrsgb.), S. 5.

[5] Vgl. Kleiber im: AIZ vom 11-12/2008, S. 28.

[6] Vgl. Duden (Hrsgb.), Herkunftswörterbuch, S. 564.

[7] Vgl. Sandner in Sandner/Weber (Hrsgb.), S.601.

[8] Vgl. Gabler Wirtschaftslexikon, S. 3462 u. 2458.

[9] Vgl. Pertsch, S. 807.

[10] Vgl. Gabler Wirtschaftslexikon, S. 2600.

[11] Vgl. Duden (Hrsgb.), Herkunftswörterbuch, S. 34.

[12] Vgl. Leisering, S. 269.

[13] Vgl. BMVBS (Hrsgb.), ImmoWertV (02.06.2009). Dort abzurufen als pdf-Datei.

[14] Vgl. Kleiber/Simon/Weyers, S.73.

[15] Vgl. Garthe, S. 11.

[16] Vgl. Der Brockhaus, S. 319.

[17] Vgl. Schenk, S. 221 f.

[18] Vgl. Brauer (Hrsgb.), S. 33.

[19] Vgl. Kleiber in vhw-Seminare (Hrsgb.), S. 7.

[20] Vgl. Simon in: GuG 2008, S. 265.

[21] Vgl. Brauer (Hrsgb.), S. 37.

[22] Vgl. Baumunk, S. 141.

[23] Vgl. ebenda.

[24] Vgl. Baumunk, S. 143.

[25] Vgl. Brühl, S. 26.

[26] Vgl. Kleiber in vhw-Seminare (Hrsgb.), S. 3.

[27] Vgl. Brühl, S.8.

[28] Vgl. Gabler Wirtschaftslexikon, S. 1321.

[29] Vgl. Brauer (Hrsgb.), S. 59.

[30] Vgl. Gabler Wirtschaftslexikon, S. 731.

[31] Vgl. Baumunk, S. 15.

[32] Vgl. Internetauftritt: Deutsches Institut für Urbanistik (30.07.2009).

[33] Kleiber in vhw-Seminare (Hrsgb.), S. 7.

[34] White/Turner/Jenyon/Lincoln, S.9.

[35] Vgl. Baumunk, S. 130.

[36] Vgl. Gabler Wirtschaftslexikon, S. 2061 u. 2437.

[37] Vgl. Baumunk, S. 127.

[38] Vgl. Brühl, S. 9.

[39] Kleiber in vhw-Seminare (Hrsgb.), S. 4.

[40] Vgl. Pertsch, S. 987.

[41] Vgl. Gaßner in Sandner/Weber (Hrsgb), S. 462.

[42] Vgl. Sommer/Kröll, S.89.

[43] Vgl. Sommer/ Kröll, S. 91ff.

[44] Vgl. Sommer/Kröll, S. 140.

[45] Vgl. BMVBS (Hrsgb.), Bericht Sachverständigengremiums, S.15 (14.06.2009).

[46] Vgl. Troff in Sandner/Weber (Hrsgb), S. 629f.

[47] Vgl. § 6 Abs. 5 ImmoWertV.

[48] Vgl. § 5 WertV a.F.

[49] Vgl. Borgmann in Sandner/Weber (Hrsgb), S. 484.

[50] Vgl. ebenda.

[51] Vgl. Borgmann in Sandner/Weber (Hrsgb), S. 484.

[52] Vgl. Kleiber in vhw-Seminare (Hrsgb.), S. 37.

[53] Vgl. Glossar, S. 75.

[54] Vgl. §§ 16 Abs.4, 19 S. 2 sowie 23 Abs.1 S.1 u. Abs.2.

[55] § 6. Abs. 6 ImmoWertV.

[56] Vgl. § 559 Abs. 1 BGB.

[57] Vgl. BMVBS (Hrsgb.), ImmoWertV, S. 27 (02.06.2009).

[58] Vgl. Gabler Wirtschaftslexikon, S. 704.

[59] Vgl. Kleiber/Simon/Weyers, S.306.

[60] Vgl. § 4 Abs. 1 und 2 WertV.

[61] Kleiber in vhw-Seminare (Hrsgb.), S. 9.

[62] BMVBS (Hrsgb.), Bericht des Sachverständigengremiums, S. 16 (14.06.2009).

[63] Vgl. WertR 2006 Nr. 2.2.1.1

Details

Seiten
Erscheinungsform
Originalausgabe
Jahr
2009
ISBN (eBook)
9783836638425
DOI
10.3239/9783836638425
Dateigröße
646 KB
Sprache
Deutsch
Institution / Hochschule
Berufsakademie Sachsen in Leipzig – Betriebswirtschaft, Immobilienwirtschaft
Erscheinungsdatum
2009 (November)
Note
1,6
Schlagworte
wertermittlung immowertv internationalisierung immobilienwirtschaft
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Titel: Kritische Auseinandersetzung mit der Novellierung der Wertermittlungsverordnung
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