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Entwicklung und Implementierung von Anlagerichtlinien bei mittelständischen Unternehmen

©2009 Bachelorarbeit 103 Seiten

Zusammenfassung

Inhaltsangabe:Einleitung:
Vor der aktuellen Finanzmarktkrise, in welcher wir uns immer noch befinden, kannten die wenigsten Anleger die tatsächlichen Risiken ihrer Geldanlage. Dadurch bedingt, dass in den Jahren zuvor die Finanzmärkte weltweit florierten, stieg der Wunsch nach immer höheren Renditen bei gleichzeitig steigendem Risiko, welches durch viele Anleger mehr oder minder bewusst in Kauf genommen wurde. Die Renditen stiegen immer weiter und mit dieser Tatsache einhergehend wuchs die Risikobereitschaft bei Finanzprodukten in den meisten Kundenkreisen. Doch grade der deutsche Mittelstand, welcher in der Regel einen hohen Anlagebedarf inne hat, war nicht von der Gier nach hohen Renditen geprägt. Vielmehr wurden Mittelständler während der Finanzmarktkrise noch sicherheitsbewusster, sodass viele Experten der Meinung sind, Gelder seien falsch oder nicht gewinnbringend investiert. Gründe hierfür lägen in dem fehlenden professionellen Finanzmanagement, worunter auch die Entwicklung von Anlagerichtlinien zählt, auf das zu wenig Augenmerk gelegt wird.
Kapitalmarktorientierte Gesellschaften, respektive Kommanditgesellschaften auf Aktien und Gesellschaften mit beschränkter Haftung, sofern bei beiden ein Aufsichtsrat besteht, sind gesetzlich durch das Kontroll- und Transparenzgesetz dazu verpflichtet Risikomanagement-Ansätze zu konzipieren. Auch Pensionskassen und Versicherungen unterliegen strikten Anlagerichtlinien von Gesetzeswegen. Hier werden oft kategorisch risikoreiche Wertpapiere ausgeschlossen. Übrig bleiben kleine und mittelständische Unternehmen, die oben genannte Rechtsform nicht vorweisen. Somit ist die Entwicklung und Konstitution derartiger Vorschriften nicht gesetzlich verpflichtend und daher alleinig in der Verantwortung des Unternehmens selbst. Die wenigsten der kleinen und mittelständischen Unternehmen können auf festgelegte Richtlinien, die bei der Kapitalanlage der Firmengelder Bandbreiten und Handlungsspielräume vorgeben, zurückgreifen. Doch grade der Mittelstand hat durchgehend einen hohen Anlagebedarf von durchschnittlich 1,8 Mio. Euro. Oft erlebt man das Szenario, dass der Geschäftsführer selbst oder nur ein einziger Mitarbeiter der Finanzabteilung zuständig für die Anlage der Firmengelder ist. Tatsache ist jedoch, dass der unternehmerische Erfolg immer mehr von einem professionellen Finanz – und Treasury-Management abhängig ist. Doch grade bei der Entscheidung nach der richtigen Geldanlage fehlt es bei mittelständischen […]

Leseprobe

Inhaltsverzeichnis


INHALTSVERZEICHNIS

ABKÜRZUNGSVERZEICHNIS

ABBILDUNGSVERZEICHNIS

TABELLENVERZEICHNIS

ANHANGSVERZEICHNIS

1 Zielsetzung und Aufbau der Arbeit

2 Zentrale Begriffe und Abgrenzungen bei Anlagerichtlinien
2.1 Aufgaben und Ziele von Anlagerichtlinien
2.2 Einordnung von Anlagerichtlinien in das betriebliche Finanzrisikomanagement

3 Entwicklung von Elementen einer Anlagerichtlinie
3.1 Zielsetzung des Finanzmanagements bei der betrieblichen Kapitalanlage
3.2 Zuständigkeiten
3.2.1 Entwicklung und Verabschiedung der Anlagerichtlinien
3.2.2 Prinzip der funktionalen Trennung
3.2.2.1 Handel
3.2.2.2 Abwicklung
3.2.2.3 Controlling
3.2.3 Zusammenfassung
3.3 Risikotragfähigkeit
3.3.1 Ermittlung der Risikotragfähigkeit
3.3.2 Mögliches Investitionsvolumen
3.4 Limite
3.4.1 Verlustlimite
3.4.2 Mindestanforderung an Emittentenbonität
3.4.3 Maximaler Investitionsgrad je Emittent
3.4.4 Handelbare Instrumente und maximaler Investitionsgrad je Assetklasse
3.4.5 Zeitlicher Anlagehorizont und sonstige Limite
3.5 Performance – und Berichterstattung
3.6 Vor- und Nachteile von Anlagerichtlinien
3.6.1 Vor- und Nachteile der Implementierung für Unternehmen
3.6.2 Vor- und Nachteile des erweiterten Leistungsangebotes aus Bankensicht

4 Empirische Analyse
4.1 Ausgangssituation
4.2 Relevanz von Anlagerichtlinien in der Praxis
4.3 Initiator von Anlagerichtlinien
4.4 Mehrwert von Anlagerichtlinien für Banken

5 Ansätze zur Implementierung von Anlagerichtlinien bei mittelständischen Unternehmen über eine Balanced-Scorecard
5.1 Konzept der BSC
5.2 Mögliche BSC bei der Implementierung von Anlagerichtlinien

6 Fazit

ANHANG

QUELLENVERZEICHNIS

EHRENWÖRTLICHE ERKLÄRUNG

ABKÜRZUNGSVERZEICHNIS

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

ABBILDUNGSVERZEICHNIS

Abbildung 1: Aufgaben und Ziele von Anlagerichtlinien

Abbildung 2: Einordnung der Anlagerichtlinien in das betriebliche Finanzrisikomanagement

Abbildung 3: Anforderung einer Kapitalanlage

Abbildung 4: Grundsatz der funktionalen Trennung

Abbildung 5: Mögliches Investitionsvolumen

Abbildung 6: Limitsysteme

Abbildung 7: Diversifikationseffekt

Abbildung 8: Entwicklungsstufen der Anlagenrichtlinien

Abbildung 9: Bestehen von Treasury und Anlagerichtlinien

Abbildung 10: Bemühungen in der Vergangenheit AR's einzuführen

Abbildung 11: Information über AR's

Abbildung 12: Relevanz von AR's

Abbildung 13: Eigenschaften des Anlagemanagements

Abbildung 14: Anlageverhalten der Unternehmen

Abbildung 15: Anlageverhalten der verschiedenen Gruppen

Abbildung 16: Rangordnung von Beratungsanlässen

Abbildung 17: Initiator von AR's

Abbildung 18: Initiator von AR's-2

Abbildung 19: Wer gibt Anstoß für AR's

Abbildung 20: Wer informiert über AR's

Abbildung 21: Vergütung von Zusatzleistung AR

Abbildung 22: Auswirkungen auf Kundenbeziehung

Abbildung 23: Lernen und Entwicklung in der BSC,

Abbildung 24: Interne Geschäftsprozesse in der BSC

Abbildung 25: Kunden in der BSC

Abbildung 26: Finanzielle Perspektive in der BSC

TABELLENVERZEICHNIS

Tabelle 1: Ratingeinstufungen

Tabelle 2: Chancen und Risiken der Anlageinstrumente

Tabelle 3: Anlagehorizont

Tabelle 4: Ausgangsbasis

Tabelle 5: Einfaktorielle Varianzanalyse-1

Tabelle 6: Deskriptive Statistiken

Tabelle 7: Einfaktorielle Varianzanalyse-2

Tabelle 8: Kreuztabelle zur Kundenansprache durch Banken

Tabelle 9: Einfaktorielle Varianzanalyse-3

Tabelle 10: Einfaktorielle Varianzanalyse-4

ANHANGSVERZEICHNIS

Anhang A1: „Blanko-Anlagerichtlinie“ für ein mittelständisches Unternehmen

Anhang A2: Fragebogen

Anhang A3: Flussdiagramm eines Handelsgeschäfts

Anhang A4: Experteninterview zum Thema Anlagerichtlinien in der Praxis

Anhang A5: Wirkungskette der Balanced Scorecard

1 Zielsetzung und Aufbau der Arbeit

Vor der aktuellen Finanzmarktkrise, in welcher wir uns immer noch befinden, kannten die wenigsten Anleger die tatsächlichen Risiken ihrer Geldanlage. Dadurch bedingt, dass in den Jahren zuvor die Finanzmärkte weltweit florierten, stieg der Wunsch nach immer höheren Renditen bei gleichzeitig steigendem Risiko, welches durch viele Anleger mehr oder minder bewusst in Kauf genommen wurde. Die Renditen stiegen immer weiter und mit dieser Tatsache einhergehend wuchs die Risikobereitschaft bei Finanzprodukten in den meisten Kundenkreisen.[1] Doch grade der deutsche Mittelstand, welcher in der Regel einen hohen Anlagebedarf inne hat, war nicht von der Gier nach hohen Renditen geprägt.[2] Vielmehr wurden Mittelständler während der Finanzmarktkrise noch sicherheitsbewusster, sodass viele Experten der Meinung sind, Gelder seien falsch oder nicht gewinnbringend investiert.[3] Gründe hierfür lägen in dem fehlenden professionellen Finanzmanagement, worunter auch die Entwicklung von Anlagerichtlinien zählt, auf das zu wenig Augenmerk gelegt wird.[4]

Kapitalmarktorientierte Gesellschaften, respektive Kommanditgesellschaften auf Aktien und Gesellschaften mit beschränkter Haftung, sofern bei beiden ein Aufsichtsrat besteht, sind gesetzlich durch das Kontroll- und Transparenzgesetz dazu verpflichtet Risikomanagement-Ansätze zu konzipieren.[5] Auch Pensionskassen und Versicherungen unterliegen strikten Anlagerichtlinien von Gesetzeswegen.[6] Hier werden oft kategorisch risikoreiche Wertpapiere ausgeschlossen.[7] Übrig bleiben kleine und mittelständische Unternehmen, die oben genannte Rechtsform nicht vorweisen. Somit ist die Entwicklung und Konstitution derartiger Vorschriften nicht gesetzlich verpflichtend und daher alleinig in der Verantwortung des Unternehmens selbst. Die wenigsten der kleinen und mittelständischen Unternehmen können auf festgelegte Richtlinien, die bei der Kapitalanlage der Firmengelder Bandbreiten und Handlungsspielräume vorgeben, zurückgreifen.[8] Doch grade der Mittelstand hat durchgehend einen hohen Anlagebedarf von durchschnittlich 1,8 Mio. Euro.[9] Oft erlebt man das Szenario, dass der Geschäftsführer selbst oder nur ein einziger Mitarbeiter der Finanzabteilung zuständig für die Anlage der Firmengelder ist. Tatsache ist jedoch, dass der unternehmerische Erfolg immer mehr von einem professionellen Finanz – und Treasury-Management abhängig ist.[10] Doch grade bei der Entscheidung nach der richtigen Geldanlage fehlt es bei mittelständischen Unternehmen an entsprechenden Richtlinien, sodass häufig frei nach nicht konstituierten Vorschriften gehandelt wird, was negative Folgen mit sich ziehen kann.[11]

Daneben sehen sich Banken aktuell der Situation ausgesetzt, dass gerade Mittelständler einen hohen Preis für die Sicherheit der Anlagen zu zahlen bereit sind, respektive inflationsbereinigt sogar eine Negativrendite akzeptieren.[12] Der Wert des Eigenkapitals könnte hierbei schrumpfen, was nach Basel II für mittelständische Unternehmen bei der Kreditvergabe eine noch wichtigere Rolle eingenommen hat. Die starke Orientierung in sicherheitsbewusste, für Banken oft margenschwache, Anlagen spiegelt sich entsprechend auch in den Erträgen aus Wertpapiergeschäften bei den Banken wieder. Daher ist es zum einen für mittelständische Unternehmen wichtig sich aktiv mit „Anlagerichtlinien“ auseinander zu setzen. Auf der anderen Seite könnten Banken hier eine lohnende Diversifizierung ihres Leistungsprogramms vornehmen, um einen Mehrwert für bestehende aber auch neue Kunden zu generieren, indem sie diese für das Thema bestmöglich sensibilisieren.

Aufgrund der zunehmenden Bedeutung von Anlagerichtlinien ist es das Ziel der vorliegenden Arbeit im ersten Schritt Anlagerichtlinien in einen Kontext mit dem Finanzrisikomanagement zu bringen, um anschließend mit einer detaillierten Ausarbeitung mögliche Komponenten einer Anlagerichtlinie vorzustellen. Hierbei soll auf Schwierigkeiten und denkbare Elemente der Ausformulierung hingewiesen sowie und Vor- und Nachteile aufgedeckt werden. Anschließend soll anhand einer empirischen Analyse untersucht werden, inwieweit deutsche Mittelstandsunternehmen[13] bereits in Kontakt mit Anlagerichtlinien kamen und ob eine Beratungsleistung beim Thema Anlagerichtlinien eine sinnvolle Erweiterung des Dienstleistungsangebotes eines Kreditinstitutes darstellen könnten. Kleinunternehmen sind aufgrund des zu vernachlässigenden Kapitalvermögens von allen Betrachtungen ausgeschlossen, sodass das Hauptaugenmerk auf den deutschen Mittelstand gerichtet wird. Des Weiteren wird ein Ansatz zur Implementierung von Anlagerichtlinien bei mittelständischen Unternehmen über eine Balanced-Scorecard veranschaulicht.

Vor dem Hintergrund der Zielsetzung ist die Arbeit wie folgt gegliedert: Das zweite Kapitel definiert zentrale Begriffe und erklärt Bestandteile sowie Abgrenzungen im Bereich der Anlagerichtlinien. Hier werden insbesondere die Einordnung von Anlagerichtlinien im Gesamtkontext des betrieblichen Risikomanagements und Aufgaben der Vorschriften näher geschildert. Der dritte Gliederungspunkt beschreibt einzelne Bestandteile einer Anlagerichtlinie in den wichtigsten Zügen und geht auf Bedeutung und Vorteile der einzelnen Komponenten ein. Anschließend wird mit Hilfe einer empirischen Analyse Aktualität und Relevanz in der Praxis sowie die erwünschte Rolle des Bankberaters beim Thema „Anlagerichtlinien“ ermittelt. Das fünfte Kapitel stellt die Möglichkeit der Implementierung von Anlagerichtlinien bei mittelständischen Unternehmen anhand einer Balanced-Scorecard dar. Im sechsten Kapitel werden die Ergebnisse aller Aspekte und Analysen zusammengefasst und in einem abschließenden Fazit eine mögliche weitere Entwicklung aufgezeigt.

2 Zentrale Begriffe und Abgrenzungen bei Anlagerichtlinien

2.1 Aufgaben und Ziele von Anlagerichtlinien

Anlagerichtlinien beinhalten, selbst wenn diese gesetzlich gefordert sind, immer eine sehr individuelle Gestaltungs- und Ausarbeitungsmöglichkeit. Grundsätzlichen lassen sich die Aufgaben und daraus ableitend die Ziele von Anlagerichtlinien wie folgt darstellen:[14]

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abbildung 1: Aufgaben und Ziele von Anlagerichtlinien, Quelle: Eigene Darstellung[15]

Die Aufgabe von Anlagerichtlinien beschäftigt sich explizit mit der Auswahl einer geeigneten betrieblichen Kapitalanlage. Die dabei auftretenden Probleme, Fragen und Risiken werden strukturiert und nach klaren Vereinbarungen und Lösungsansätzen umgesetzt. Somit sollten in den Anlagerichtlinien alle Aspekte von der Zielsetzung der betrieblichen Kapitalanlage, über die mögliche und gewünschte Risikotragfähigkeit bis hin zur Performance – und Berichterstattung reglementiert werden. Das daraus abzuleitende Ziel ist es, Kapitalanlagen zu tätigen, die unternehmensadäquat, verständlich und zugleich erfolgreich sind. Gleichermaßen sollten sie Transparenz über finanzielle Risiken, deren Komplexitätsgrad sowie die Bedeutung der aktiven Steuerung dieser Risiken für die Entwicklung des Unternehmenswertes schaffen und klare Strukturen für Handlungs- und Weisungsbefugnisse der möglichen Kapitalanlagen definieren.[16] Es lässt sich erkennen, dass Anlagerichtlinien aufgrund der Vielseitigkeit der zu bewältigenden Aufgaben auch auf die Expertise des betrieblichen Finanzrisikomanagements zurückgreifen können, respektive müssen.

2.2 Einordnung von Anlagerichtlinien in das betriebliche Finanzrisikomanagement

Während sich das sogenannte Treasury-Management neben dem Abschluss von Finanzgeschäften auch mit Aspekten der Risikoabsicherung oder Cash-Management beschäftigt, sollen Anlagerichtlinien sich aber nur auf das reine Management der Finanzanlagen (Asset- oder Anlagemanagement) und nicht auf Sicherungsgeschäfte oder ähnliches beziehen.[17] Grade weil Anlagerichtlinien einen sehr individuellen Charakter besitzen, ist es schwierig eine exakte Einordnung in das betriebliche Finanzrisikomanagement vorzunehmen. Dieses umfasst zahlreiche Dimensionen, die sich auch partiell mit Anlagerichtlinien decken.

Anlagerichtlinien stellen zwar spezifisch getroffene Grundsätze zur Verwaltung eines Kapitalvermögens dar[18], trotzdem sind diese nicht absolut trennscharf zum übrigen Finanzrisikomanagement eines Unternehmens. Denn Anlagerichtlinien enthalten neben den Regelungen für die Geldanlage auch Anforderungen an ein Risikomanagement der gehaltenen Positionen. So treten nicht nur bei Absicherungsinstrumenten aus dem operativen Geschäftsbetrieb z.B. Marktpreisrisiken wie Währungsrisiken, Zinsrisiken oder Commodity-Risiken auf.[19] Vielmehr sind diese Risiken auch bei den meisten Kapitalanlagen inhärent, sodass keine eindeutige Trennung zwischen den finanziellen Auswirkungen betrieblicher Risiken und den Risiken aus dem Finanzbereich erfolgen kann.[20] Eine Möglichkeit Anlagerichtlinien in das betriebliche Finanzrisikomanagement einzugliedern, gibt folgende Grafik:

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abbildung 2: Einordnung der Anlagerichtlinien in das betriebliche Finanzrisikomanagement, Quelle: Eigene Darstellung

Anlagerichtlinien lassen sich in zwei Dimensionen unterteilen, sodass auf der einen Seite die theoretischen Vorschriften zu verzeichnen sind und auf der anderen Seite die Schnittmenge mit Aspekten des Finanzrisikomanagements. Hier tauchen alle Eventualitäten auf, die sich aus dem Risiko der Kapitalanlage ableiten lassen und aktiver Kontrolle bedürfen. Natürlich sind viele Risiken aus der Ebene des Finanzrisikomanagements den Risiken aus Wertpapieren inhärent, dennoch wird hier bewusst versucht eine Dissoziation beider Risiken vorzunehmen, sodass Kapitalanlagen eine unabhängige Betrachtungsweise zu den restlichen Unternehmensrisiken erhalten.[21] Anlagerichtlinien sind dementsprechend nicht als Unterebene des Finanzrisikomanagements zu sehen, sondern als selbstständige Einheit, die sich bei der Ausübung ihrer Aufgaben an Komponenten des Finanzrisikomanagements bedient. Da die Trennung in der Literatur so nicht erfolgt, wird bei der Quellenarbeit öfters auf Gegebenheiten des Finanzrisikomanagements zurückgegriffen, die dann analog auf Anlagerichtlinien übertragen werden können.

3 Entwicklung von Elementen einer Anlagerichtlinie

Im Folgenden wird erläutert, welche Bestandteile eine allgemein konzipierte Anlagerichtlinie enthalten könnte. Dabei wird gleichzeitig auf Vor- und Nachteile aus Unternehmens- und Bankensicht eingegangen, sofern diese bereits aus den einzelnen Teilaspekten hergeleitet werden können.[22] Es ist darauf hinzuweisen, dass je nach Unternehmensgröße, Anlagevolumen, Zielsetzung etc. nicht zwingend alle hier genannten Komponenten in die Konstitution der individuellen Anlagerichtlinie einfließen müssen. Diese sind vielmehr vom einzelnen Unternehmen selbst zu bestimmen.[23] Die in Kapitel 3 gewonnenen Ergebnisse sollen dazu verwendet werden, eine Art „Blanko-Anlagerichtlinie“ zu konzipieren, die von Banken genutzt werden kann, um Unternehmen in die komplexe Thematik einzuführen und letztendlich durch Zusammensetzen der einzelnen Bausteine eine individuelle Anlagerichtlinien zu kreieren. Die entsprechende Ausarbeitung ist im Anhang A1 dieser Arbeit dargestellt.

3.1 Zielsetzung des Finanzmanagements bei der betrieblichen Kapitalanlage

Die Zielsetzung des Finanzmanagements bei der betrieblichen Kapitalanlage bildet die Basis für die Anlagerichtlinien, da alle weiteren Überlegen daraus abgeleitet werden. Zunächst ist dabei zu hinterfragen, ob bei der Investition aufgrund der Unternehmenskultur ethische Gesichtspunkte oder Nachhaltigkeitsaspekte eine wichtige Rolle spielen, da diese Themen aktuell sehr stark an Bedeutung gewonnen haben.[24] Anschließend ist zu klären welche grundsätzliche Strategie bei den Investitionen verfolgt werden soll:

- Werterhalt : Das primäre Ziel der Finanzpolitik des Unternehmens besteht darin, die Kapitalanlagen des Unternehmens ohne wertmindernde Verluste zu erhalten und das Kapital dabei keinen Risiken auszusetzen.
- Ertragsoptimierung : Bei den anlagepolitischen Entscheidungen des Unternehmens steht die Optimierung des Ertrages des eingesetzten Kapitals im Vordergrund, wobei entsprechende Risiken eingegangen werden.

Wie eingangs erwähnt ist der Großteil des deutschen Mittelstandes sehr konservativ investiert, was folgende Grafik verdeutlicht:

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abbildung 3: Anforderung einer Kapitalanlage, Quelle: Kruse/Wolf (2008), S. 47

Die Abbildung zeigt das Ergebnis einer Studie der Fachhochschule des Mittelstands (FHM) in Bielefeld im Auftrag der Commerzbank zum Anlageverhalten mittelständischer Unternehmen.[25] Hierbei wurden Antworten von knapp 140 mittelständischen Unternehmen im Zeitraum Mai bis Oktober 2007 und 32 Experteninterviews berücksichtigt.[26] Hohe Sicherheit bezüglich des Kapitalerhalts sehen die Befragten als wichtigstes Kriterium bei der Kapitalanlage an und vergeben daher für diese Anforderung nach Schulnotenprinzip eine 1,52, dicht gefolgt vom Wunsch einer hohen Verzinsung des eingesetzten Kapitals mit der Note 1,85. Die drei bedeutendsten Kriterien Sicherheit, Verzinsung (Rendite) und Verfügbarkeit stellen die Ebenen des magischen Dreiecks der Vermögensanlage dar, welche sich aber nicht konfliktfrei miteinander vereinen lassen.[27] Der Wunsch nach bestmöglichem Kapitalerhalt lässt sich auf die Tatsache zurückführen, dass die dadurch beständige Eigenkapitalquote einen wesentlichen Parameter für das Rating des Unternehmens darstellt und somit verantwortlich für die Kosten bei Kapitalbeschaffung über Kreditinstitute ist.[28]

Im Normalfall sollte sich ein Unternehmen für kein Extremum des Werterhaltes oder der Ertragsoptimierung entscheiden, sondern vielmehr eine zweckmäßige Kombination aus beiden Varianten bevorzugen. Der Vorteil für das Unternehmen liegt darin, eine Kapitalanlage zu besitzen, die sowohl den unternehmensspezifischen Sicherheitsaspekten entspricht als auch eine adäquate Rendite des eingesetzten Kapitals mit sich bringt.[29] Ferner sollte vorab der tatsächliche Renditeanspruch, welchen das Unternehmen an seine Kapitalanlagen stellt, definiert werden, um so das damit verbundene Risiko in den nächsten Schritten eruieren und darstellen zu können. Überdies sollte geklärt werden, warum das Unternehmen genau X% Renditeanspruch stellt und ob die Rendite der Kapitalanlage bei der Berechnung von finanzwirtschaftlichen Kennzahlen, wie des Return on Equity oder Return on Investment, eine zentrale Rolle spielt. Es ist darauf hinzuweisen, dass eine höhere Rendite auch immer mit einem höheren Risiko verbunden ist.

3.2 Zuständigkeiten

Im Nachfolgenden soll auf das Problem der Rollenverteilung und Zuständigkeiten bei Entwicklung, Verabschiedung und Umsetzung der Anlagerichtlinien eingegangen werden.[30]

3.2.1 Entwicklung und Verabschiedung der Anlagerichtlinien

Nach zahlreichen Unternehmenskrisen und -zusammenbrüchen in der jüngsten Vergangenheit ist der Begriff „Corporate Governance“, welcher das gesamte System einer verantwortungsvollen Steuerung und Überwachung eines Unternehmens umfasst, wieder in die Medien gekommen.[31] Daneben wurde auch bereits in der Vergangenheit durch das Kontroll- und Transparenzgesetz versucht, Unternehmen zum Risikomanagement zu verpflichten. Es wird dabei erwähnt, dass die Einführung eines Risikomanagements und daraus ableitend die Einführung von Anlagerichtlinien in der Obhut der Unternehmensleitung liegen, da dies unter deren Führungsverantwortung fällt.[32] Daher sollte die Initiierung zur Entwicklung von Anlagerichtlinien auch von der Geschäftsleitung ausgehen, da diese für die Führung und die Prävention eventuell entstehender Risiken verantwortlich ist. Die eigentliche Entwicklung kann durch einen eigens gebildeten Arbeitskreis, das Anlagen- oder Finanzmanagement, die Unternehmensleitung selbst oder aber auch durch externe Dienstleister erfolgen. Änderungen und Genehmigungen sind je nach unternehmensspezifischer Hierarchiestruktur durch die entsprechenden Gremien durchzuführen.

3.2.2 Prinzip der funktionalen Trennung

Die organisatorische Ausgestaltung im Anlagen (Asset) Management sollte generell in drei Teilbereiche erfolgen, sodass Handel, Abwicklung und Controlling strikt voneinander getrennt sind, um Fehler und kriminelles Handeln einzuschränken.[33] Trotzdem ist bei mittelständischen Unternehmen darauf zu achten, dass diese Anforderungen nicht immer exakt erfüllt werden können, da diese aufgrund der typischen Größenordnung und der mangelnden Personalressourcen bei vielen Unternehmen nicht umsetzbar sind. Dementsprechend wird als Mindestanforderung verlangt, dass Handel, Abwicklung und Risikocontrolling durch unterschiedliche Personen vorgenommen werden müssen.[34] Da diese funktionale Trennung für die ordnungsgemäße Funktionsfähigkeit des finanzwirtschaftlichen Anlagemanagements eine entscheidende Rolle spielt, werden die Teilbereiche in chronologischer Reihenfolge vorgestellt.

3.2.2.1 Handel

Die Handelstätigkeit kann, sofern keine eigene Abteilung dafür besteht, durch das Finanzwesen wahrgenommen werden, wenn dieses über qualifiziertes Personal verfügt.[35] Den Kontrahenten (meist Banken) gegenüber muss klar kommuniziert werden, wer als handelsberechtigte Person im Unternehmen gilt und welche Limite der entsprechende Händler einzugehen ermächtigt ist. Die interne Handelsautorisierung sollte für jeden einzelnen Händler regeln, welche maximale offene Position (nach Währung und Laufzeit), welches Einzelbetragslimit und welche Handelsgeschäfte und Instrumente eingegangen werden dürfen.[36]

Der Händler richtet sich bei seiner Arbeit nach den ausformulierten Anlagerichtlinien des Unternehmens und gewährleistet somit die treue Interessensverfolgung des Unternehmens ohne Aspekte der Moral-Hazards[37]. Zu den wichtigsten Aufgaben eines Händlers zählen die:[38]

- Auswahl der abzuschließenden Geschäfte
- Auftragserteilung an den jeweiligen Kontrahenten
- Erste Dokumentation der einzelnen Geschäftsabschlüsse

Nachdem die zuständige Person das geeignete Geschäft ausgewählt und mit den Kontrahenten gehandelt hat, ist dieses unverzüglich zu erfassen und ein Handelsbeleg anzufertigen, welcher dann an die Abwicklung weitergeleitet wird.[39] Der Händlerzettel sollte mindestens folgende Kriterien enthalten, um die Nachvollziehbarkeit für Dritte zu gewährleisten:[40]

- Datum
- Art des Geschäfts
- Belegnummer
- Volumen / Betrag
- Währung
- Kontrahent
- Valuta
- Kurs / Zinssatz / Zinsbasis
- Laufzeitbeginn und –ende
- Zahlungsmodalitäten
- Nebenabreden
- Unterschrift / EDV-gestützte Signatur

Da der Handelsbeleg das Bindeglied zwischen den einzelnen Funktionsbereichen darstellt, bildet er den Ausgangspunkt für die Überwachung der abgeschlossenen Geschäfte. Der Händler darf keine Möglichkeit haben im Nachhinein Veränderungen an den Belegen vorzunehmen. Sofern ein Handelssystem für die Erfassung der Geschäfte existiert, ist auch hierbei darauf zu achten, dass der Grundsatz der Funktionstrennung eingehalten wird.[41] Weiter sollten alle aktuell kontrahierten Finanztransaktionen am Tagesende gegen den Markt und die Limite gestellt und das Risikocontrolling, welches die genau Prüfung übernimmt, berichtet werden.

Der Vorteil, den die Implementierung von Anlagerichtlinien mit sich bringt, liegt darin, dass subjektive Risiken durch die Trennung von Zuständigkeiten und Entwicklung von klaren Handlungsvorgaben verringert werden. Ferner können Handelsaktivitäten komplett aus dem Unternehmen ausgegliedert werden und diese von einem externen Berater, wie z.B. dem Firmenkundenberater selbst, übernommen werden ohne dass Interessenskonflikte entstehen können.

3.2.2.2 Abwicklung

Die wichtigste Eigenschaft eines Mitarbeiters der Abwicklung ist, dass dieser nicht handelsberechtigt ist. Sofern dies aufgrund von Personalressourcen nicht möglich ist, so ist bei einem Handel durch die Abwicklung das Vier-Augenprinzip sicherzustellen.[42] Tätigkeitsbereich der Abwicklung ist die Erstellung von Geschäftsbestätigungen respektive Abrechnungen anhand der Handelsbelege und die weitere Abwicklung der Geschäfte. Das Rechnungswesen kann diese Aufgaben übernehmen, sodass es im Einzelfall keiner eigenständigen Abwicklungsabteilung bedarf, wobei aber garantiert werden muss, dass Abwicklung und Buchung der Geschäfte durch verschiedene Mitarbeiter erfolgen.[43] Die Geschäftsunterlagen bedürfen einer ständigen zu dokumentierenden Kontrolle, die speziell folgendes abprüft:[44]

- Vollständige und zeitnahe Vorlage der Handelsbelege
- Korrektheit der von den Händlern gemachten Angaben
- Plausibilitätsprüfung
- Einhaltung der Handelslimite
- Einhaltung marktgerechter Bedingungen
- Einhaltung/Überprüfung von festgelegten Standards

Händlerbelege sind zeitnah zu erfassen und mit den Zahlen des Handels/Finanzwesens zu vergleichen. Abweichungen oder fehlerhafte Dokumente sind sofort bei den Händlern zu reklamieren und nachweislich zu korrigieren.[45] Geschäftsbestätigungen müssen, sofern dies bei den einzelnen Geschäften üblich ist, unverzüglich an die entsprechenden Kontrahenten verschickt werden. Der Eingang der Rückbestätigung durch den Geschäftspartner ist zu überwachen, wobei sichergestellt werden muss, dass die Bestätigung direkt bei der abwickelnden Stelle und nicht im Handel/Finanzwesen eintrifft, um Manipulationen auszuschließen und eine objektive Abstimmung mit den intern dokumentierten und extern bestätigten Geschäften zu ermöglichen. Treten Differenzen auf, so sind diese umgehend zu eruieren und zu dokumentieren.[46]

Die Abwicklung stellt die Schnittstelle zur Buchhaltung her und erteilt die nötigen Anweisungen wie Buchungssätze und Bewertungseinheiten. Die Freigabe der Zahlung aus dem Geschäft erfolgt nach dem Prinzip der funktionalen Trennung respektive nach dem Vier-Augen-Prinzip um Risiken vorzubeugen. Erst bei Fälligkeit und Erfüllung erfolgt die Verbuchung der Geschäfte durch das Rechnungswesen.[47]

3.2.2.3 Controlling

Die Festlegung der Methoden der Risiko- und Performancemessung, die operative Überwachung der Risikopolitik und des Limitwesens sowie das damit verbundene Berichtswesen sind Bestandteil der Controllingeinheit. Im Bereich Risikomessung ist das Risikocontrolling ein wichtiges Modul des Risikosteuerungsprozesses und verantwortlich für die frühzeitige Erkennung von Risiken, die Überwachung festgelegter Limite sowie die Initiierung entsprechender Gegenmaßnahmen bei Überschreitung der Limite. Eine zentrale Aufgabe ist die Schaffung von Transparenz über Risikopositionen der Wertpapieranlagen.[48] Des Weiteren müssen vorab klare Notfallpläne und Sanktionsmaßnahmen bei Verstößen und Limitüberschreitungen definiert werden, um unverzüglich Gegenmaßnahmen durch das Controlling einleiten zu können. Überdies sollten regelmäßige Marktbewertungen der entsprechenden Anlagepositionen erfolgen, um die aktuelle Gesamtanlagesituation des Unternehmens bestimmen zu können. In welchen Abständen diese Bewertung erfolgt, hängt von der Art der Finanzinstrumente, dem verfolgten Zweck und vom Geschäftsumfang ab. Nach Möglichkeit sollte der zeitliche Abstand aber nicht mehr als eine Woche betragen.[49] Um dem Prinzip der funktionalen Trennung nachzukommen, dürfen Controlling-Mitarbeiter keine Handels- oder Abwicklungsaufgaben wahrnehmen.[50]

Neben der Überwachung und Risikomessung hat das Risikocontrolling die zentrale Aufgabe der Risikoberichterstattung und muss in diesem die Geschäftsleitung in regelmäßigen Abständen über die:

- Positionsentwicklungen
- Gebildeten Bewertungseinheiten/Portfolios
- Positionen je Geschäfts- bzw. Risikoart
- Festgesetzten Limite und deren Auslastung
- Erreichten und unrealisierten Gewinne und Verlust
- Und die Entwicklung der preisbildenden Faktoren wie Marktlage, Zinsstrukturkurven, Volatilitäten, etc.

aber auch über die:

- Verletzung interner und externer Anweisungen
- Nicht marktgerechten Bedingungen sowie
- Unüblichen Geschäftsvorgehen

in einer nachvollziehbaren und verständlichen Art und Weise informieren.[51]

Somit ist die Controllingeinheit für die Überwachung der getätigten Geschäfte und deren Limiteinhaltung, die Risiko- und Performancemessung sowie die Berichterstattung und die Geschäftsleitung verantwortlich.

3.2.3 Zusammenfassung

Bei der Einteilung der Zuständigkeiten ist streng darauf zu achten, das Prinzip der funktionalen Trennung immer aufrecht zu erhalten, um Schadens- und Betrugsfälle von vorneherein auszuschließen. Nachfolgende Abbildung fasst die Aufgaben und die Trennung zwischen den Einzelbereichen zusammen:

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abbildung 4: Grundsatz der funktionalen Trennung, Quelle: Eigene Darstellung in Anlehnung an Scharpf (1998), S. 90

Die dargestellten Ausführungen zu den einzelnen Zuständigkeitsbereichen im Anlagemanagement können zum besseren Verständnis anhand eines Flussdiagramms veranschaulicht werden, das den typischen Ablauf eines Anlagegeschäfts eines mittelständischen Unternehmens beschreibt.[52]

3.3 Risikotragfähigkeit

3.3.1 Ermittlung der Risikotragfähigkeit

Um später Limite für die Wertpapieranlage festlegen zu können, ist es wichtig zunächst die allgemeine Risikotragfähigkeit für das gesamte Anlagespektrum eines Unternehmens zu ermitteln. Dabei ist individuell zu klären, welche Kennzahlen zur Berechnung herangezogen werden, respektive als sinnvoll erscheinen. Die zentrale Frage hierbei ist, wie viel Einzel- oder Gesamtrisiko kann oder will sich das Unternehmen leisten. Die konkrete Bestimmung der Kennzahlen hängt vom Unternehmen selbst ab, wobei vorhandenes Eigenkapital, Ertragskraft und die unternehmensspezifische Risikoausrichtung in der Praxis die entscheidenden Parameter darstellen.[53] Das Risikotragfähigkeitspotenzial eines Unternehmens orientiert sich oft an dem Betrag, der maximal zur Deckung eines Verlustes herangezogen werden darf ohne das Unternehmen in seiner wirtschaftlichen Existenz zu gefährden.[54] Eine weitere Möglichkeit ist die Festlegeung der maximal außerordentlichen Belastung, die ohne eine gleichzeitige Bonitätsherabstufung aufgrund sich verändernden Kennziffern vom Unternehmen in einem Geschäftsjahr getragen werden kann.[55]

Beispiel zum Risikotragfähigkeitspotenzial:

Unternehmen werden bei Banken mithilfe von Ratingsystemen einer bestimmten Noteneinstufung (z. B. 1 bis 7) zugeordnet. Wird eine Firma mit der Bonitätsstufe 3 bewertet und kann sie z. B. einen außerordentlichen Verlust von 1 Mio. EUR verkraften, ohne auf 3,5 herabgestuft zu werden, beträgt die Risikotragfähigkeit des Unternehmens genau 1 Mio. EUR. Das Unternehmen sollte daher seine Risikolimite und dessen Risikobereitschaft an der Richtgröße von 1 Mio. EURO orientieren.[56]

Durch die Bestimmung der individuellen Risikotragfähigkeit wird gewährleistet, dass das Unternehmen nur dem absoluten Risiko ausgesetzt ist, das es auch tatsächlich bereit ist einzugehen und tragen kann. Diese Ermittlung bildet somit die Basis entsprechende Handlungsgrenzen auf Einzel- und Gesamtsicht unter Verwendung von Limitsystemen, welche in Kapitel 3.4.1 näher beschrieben werden, zu definieren.

3.3.2 Mögliches Investitionsvolumen

Neben der Risikotragfähigkeit ist die Höhe des Gesamtinvestitionsvolumens festzusetzen, um entsprechende Limitgrenzen daran ausrichten zu können. Prinzipiell ist diese Entscheidungsfindung von Unternehmen zu Unternehmen sehr unterschiedlich, was zum einen an der Ausrichtung des operativen Geschäftsbetriebes und zum anderen an der Expertise des Anlagenmanagements selbst liegt. Allgemein sollte zunächst die Ebene der Gesamtliquidität betrachtet werden, was nachfolgendes Schaubild verdeutlicht:

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abbildung 5: Mögliches Investitionsvolumen, Quelle: Tillmann (2007), S. 46

Die Gesamtliquidität setzt sich aus den Bereichen der strategischen Liquiditätsreserve, der Krisenvorsorge und der operativen Liquidität zusammen. Die Ebene der strategischen Liquiditätsreserve umfasst drei wichtige Aspekte:[57]

- Puffermittel für den operativen Betrieb
- Laufende Zahlungsverpflichtungen
- Bonitätsanforderungen

Der Puffer für den operativen Betrieb dient dazu, Cashflow-Schwankungen abzufangen und kurzfristige erwartete Cashflow-Einbrüche zu glätten. Diese Schwankungen sind meist saisonal bedingt, oder unterliegen zusätzlichen Einflussfaktoren wie Wetter, Urlaubszeiten oder Feiertagen. Da diese Aspekte jährlich wiederkehren, lassen sich ihre Auswirkungen anhand historischer Analysen relativ genau bestimmen, sodass die Höhe des Puffers recht genau eingeschätzt werden kann. Die laufenden Zahlungsverpflichtungen sind ein fester Bestandteil für die Liquiditätsreserve. Neben Lieferantenverbindlichkeiten, Zins- und Tilgungsleistungen zählen auch die Auszahlungen für Investitionsvorhaben dazu. Die Höhe der laufenden Zahlungsverpflichtungen exakt zu bestimmen stellt für viele Unternehmen eine nicht zu verachtende Schwierigkeit dar, da unterjährige Änderungen meist nur ungenügend an das Anlagenmanagement weitergeleitet werden. Bei der Bonitätsanforderung steht die Unternehmensbewertung durch Banken und Ratingagenturen im Vordergrund, da als Kriterium zur Festsetzung der Beurteilung des Unternehmens oft Kennzahlen wie die verfügbare Liquidität heranziehen. Die Planung der strategischen Liquiditätsreserve sollte mit einem Horizont von zwölf Monaten erfolgen, der monatlich rollierend emendiert wird.

Die Krisenvorsorge, oder auch Barreserve genannt, ist diejenige Komponente der Sollliquidität welche zur Überbrückung eines kurzfristig eintretenden Risikoszenarios vorgehalten wird. Dies könnten z.B. unvorhersehbare Ereignisse wie Naturkatastrophen, Terroranschläge oder ähnliches sein, welche zu einem abrupten Umsatzeinbruch führen würde. Da diese Kalkulation eng an eine Berechnung eines Worst-Case-Szenarios anknüpft, kommt dem Management hier eine bedeutende Stellung zu, da genau ermittelt werden muss, welche Überlegungen in solch eine Kalkulation mit einfließen sollen. Die Krisenvorsorge bildet zusammen mit der strategischen Liquiditätsvorsorge die sogenannte Sollliquidität, welche auch als Bodensatz angesehen werden kann.

Bei der operativen Liquidität handelt es sich um die letzte Stufe der Gesamtliquidität, welche sich auf die überschüssige Liquidität bezieht, die nicht unter den Aspekt der Krisenvorsorge oder der strategischen Liquiditätsreserve fällt. Sie setzt sich aus der Differenz zwischen Gesamtliquidität und Sollliquidität zusammen. Es steht jedem Unternehmen frei, welcher prozentuale Anteil der operativen Liquidität dem Anlagemanagement letztendlich als Investitionsvolumen zur Verfügung steht. Daneben bestehen noch andere Möglichkeiten zur Bestimmung des maximalen Investitionsvolumens, wie z.B. ein prozentualer Anteil des durchschnittlichen Cashflows auf Jahresebene oder ähnliche Varianten, welche im individuellen Fall geprüft werden sollten. Ferner sollte ermittelt werden, ob und in welchem Maße Kapitalanlagen durch die Aufnahme von Fremdkapital (Leverage-Effekt) finanziert werden dürfen.

Mit dem ermittelten Investitionsvolumen und der Risikotragfähigkeit ist es nun möglich, im nächsten Schritt die entsprechenden Limitierungen der Wertpapieranlagen zu bestimmen.

3.4 Limite

Limite werden generell als betragliche Maximalgrenzen zum Eingehen finanzwirtschaftlicher Risiken angesehen.[58] Neben den betraglichen Limitierungen existieren auch noch Restriktionen in qualitativer und nominaler Hinsicht. Limite sollen nicht als Verhinderung oder Einschränkung von Finanzgeschäften gesehen werden, sondern vielmehr als unterstützendes Instrument bei der unternehmensspezifischen Auswahl an geeigneten Investitionsanlagen. Die Festlegung von Limiten ist beim Einsatz von Anlagerichtlinien von entscheidender Bedeutung, weil dadurch die Steuerung geschäftspolitischer Entscheidungen gewährleistet und finanzwirtschaftliche Schäden reduziert werden.[59]

3.4.1 Verlustlimite

Auf Basis der definierten Risikotragfähigkeit kann nun die maximale Verlustgrenze auf Wertpapiereinzelsicht und aggregierter Form mit Hilfe verschiedener Limitsysteme definiert werden. Die maximale Verlustgrenze in kumulierter Form muss nicht unbedingt 100% der Risikotragfähigkeit darstellen. Im Folgenden werden die drei wichtigsten Limitarten betrachtet:[60]

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abbildung 6: Limitsysteme; Quelle: Eigene Darstellung

Beim klassischen Limitsystem kommen absolute Limite, auch Stop-Loss-Limite genannt, zum Einsatz, die für die einzelnen Wertpapiere oder aber auch für das gesamte Portfolio Verlustobergrenzen in EUR ausgedrückt festsetzen.[61] Die Verlustobergrenze wird als derjenige absolute Betrag definiert, welcher in einem Worst-Case-Szenario maximal zur Deckung eines Verlusts herangezogen werden darf, ohne dabei die vorher definierte Risikotragfähigkeit des entsprechenden Unternehmens zu übersteigen. Bei Überschreitung der festgelegten Grenzen wird automatisch ein Gegenschritt wie Verkauf der Anlage oder Absicherung (z.B. Eindeckung mit der Gegenposition) eingeleitet. Sollte dieser Schritt nicht automatisiert durch ein EDV-System erfolgen, so sind durch die Limite dennoch klare Entscheidungsgrundlagen für die Handlungsbevollmächtigten abgesteckt, sodass Gegenmaßnahmen ohne größeren, oft entscheidenden, Zeitverlust sofort umgesetzt werden können. Der Vorteil der Stop-Loss-Limite liegt darin, dass der maximal mögliche Verlust der Wertpapieranlage oder aber auch des gesamten Portfolios bereits im Vorfeld bekannt ist und so als feste Größe in die Risikoplanung des Unternehmens mit einkalkuliert werden kann.[62] Aufgrund der erhöhten Volatilitäten bei Wertpapieren besteht die Gefahr, dass festgesetzte Verlustgrenzen relativ schnell erreicht werden und so die Chance auf eine Kurserholung kategorisch ausgeschlossen wird. Des Weiteren ist die Verfahrensweise bei Überschreitung des Gesamtportfoliolimits festzusetzen. Hierbei ist zu klären, welche Anlage abgestoßen oder abgesichert wird, wobei viele Varianten, wie die Anlage mit dem größten Verlust, die risikoreichste Anlage, die Anlage mit den geringsten Verkaufskosten etc. bestehen.

Einhergehend mit der Tatsache, dass die Märkte aktuell als sehr volatil gelten ist die Festsetzung der Verlustgrenzen anhand eines relativen Limits eine adäquate Variante. In diesem Fall orientiert sich das Limit einer Position oder eines Portfolios an einer definierten Benchmark[63]. Limitgrößen werden nicht betragsmäßig bestimmt, sondern als prozentuale Abweichung von der entsprechenden Benchmark. Folglich erhält das eigene Risiko einen Korridor in dem es sich in Relation zum Risiko der Benchmark bewegen darf.[64]

Beispiel: Das Firmenportfolio besteht aus Aktienanlagen des Dax-Index. Das Abweichungslimit wird bei 10% festgesetzt. Folglich müssen Aktien verkauft oder das Portfolio abgesichert werden, wenn die Verluste des Portfolios größer als 10% der Verluste des Dax-Index betragen.

Das relative Limit legt somit fest, um wie viele Prozentpunkte das eigene Risiko von dem Risiko der Benchmark abweichen darf und stellt eine Möglichkeit dar auch in volatilen Märkten Risikolimite zweckmäßig einzusetzen.

[...]


[1] Vgl. o.V. (2009a), S. 104

[2] Vgl. Martens (2008), S. 88-91

[3] Vgl. Blümel/Gewalt (2008), S. 16-19 und Küpper (2009)

[4] Vgl. Heiden (2008), S. 64-65

[5] Vgl. Ertl (2009), S. 37

[6] Vgl. VAG (2009) §54 i.V.m. AnlV (2007)

[7] Vgl. Syring/Thelen-Pischke (2008), S. 21/907

[8] Vgl. Berger (2004), S. 19

[9] Vgl. Kruse/Wolf (2008), S. 45

[10] Vgl. Schmid/Zehnder (2007), S. VII

[11] Vgl. Ertl (2009), S. 37

[12] Vgl. Heiden (2008), S. 64

[13] Mittelstandsunternehmen sind in der Arbeit nach dem Vorschlag des Instituts für Mittelstandsforschung in Bonn wie folgt definiert: Zahl der Beschäftigten: 10-499; Umsatzvolumen p.a.: 1Mio EUR bis unter 50 Mio EUR.

[14] Vgl. o.V. (2005), S. 9ff

[15] Kapitel 3 gibt eine detaillierte Ausführung zu den Aufgaben und Zielen der einzelnen, in Abbildung 1 genannten, Komponenten.

[16] Vgl. o.V. (1998), S. If

[17] Vgl. Weber (2001), S. 250ff

[18] Vgl. Voigt (2007), S. 4

[19] Vgl. Bühler/Hofmann (2004), S. 163

[20] Vgl. Gebhardt/Mansch (2001), S. 5

[21] Vgl. Bange (2005), S. 241-254

[22] In Kapitel 3.6 wird auf Vor- und Nachteile nochmals genauer eingegangen.

[23] Vgl. Anhang A1

[24] Vgl. o.V. (2009b), S. 82

[25] Vgl. o.V. 2008, S. 65

[26] Vgl. Kruse/Wolf (2008), S. 42

[27] Vgl. Hägele (2003), S. 63

[28] Vgl. Gleißner (2004), S. 53ff

[29] Vgl. Heiden (2008), S. 64f

[30] Vgl. o.V. (2005), S. 10

[31] Vgl. Jaretzke (2007), S. 9

[32] Vgl. Saitz (1999), S. 72ff

[33] Vgl. Scharpf (1998), S. 88f

[34] Vgl. o.V. (1998), S. 3

[35] Vgl. Weber (2001), S. 251f

[36] Vgl. o.V. (1998), S. 5

[37] Moral Hazard: hier: Risiko, wenn der Händler zu seinem eigenen Vorteil gegen
die Interessen des Unternehmens handelt und somit Schaden verursacht.

[38] Vgl. Gebhardt / Mansch (2001), S.171

[39] Vgl. Scharpf (1998), S. 92f

[40] Vgl. Gebhardt / Mansch (2001), S. 171f und o.V. (1998), S. 6

[41] Vgl. Scharpf (1998), S. 93f

[42] Vgl. o.V. (1998), S. 8

[43] Vgl. Scharpf / Weber (2002), S. 279

[44] Vgl. Gebhardt / Mansch (2001), S. 173

[45] Vgl. o.V. (1998), S. 8f

[46] Vgl. ebenda, S. 9f und Scharpf (1998), S. 97

[47] Vgl. o.V. (1998), S. 10f

[48] Vgl. o.V. (1998), S. 12

[49] Vgl. Scharpf (1998), S. 100

[50] ebenda, S. 99

[51] Vgl. Scharpf (1998), S. 99f

[52] Siehe Flussdiagramm Anhang A3

[53] Vgl. Ertl (2008), S. 293

[54] Vgl. o.V. (1998), S. 14

[55] Vgl. Ertl (2009), S. 38

[56] Vgl. ebenda

[57] Tillmann (2007); S. 43-47

[58] Vgl. Ertl (2009), S. 37

[59] Ebenda, S. 38

[60] Ebenda

[61] Wiedemann (2002), S. 513

[62] Wiedemann (2002), S. 513

[63] Benchmark: Vergleichswert, Referenzwert wie z.B. ein passender Index

[64] Ertl (2009): S. 38

Details

Seiten
Erscheinungsform
Originalausgabe
Erscheinungsjahr
2009
ISBN (eBook)
9783836636513
DOI
10.3239/9783836636513
Dateigröße
768 KB
Sprache
Deutsch
Institution / Hochschule
Duale Hochschule Baden-Württemberg Heidenheim, früher: Berufsakademie Heidenheim – Wirtschaft, Betriebswirtschaftslehre
Erscheinungsdatum
2009 (Oktober)
Note
2,0
Schlagworte
risikomanagement mittelstand asset management risikorichtlinien finanzen
Produktsicherheit
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Titel: Entwicklung und Implementierung von Anlagerichtlinien bei mittelständischen Unternehmen
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