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Der Russland-Georgien-Krieg 2008

Auswirkungen auf die Europäische Sicherheitsarchitektur

©2009 Bachelorarbeit 60 Seiten

Zusammenfassung

Inhaltsangabe:Einleitung:
‘Russia is a nation, which will continue to be reckoned with. In this period, as they say, we have lived through a moment of truth. After the 8th of August 2008 the world has changed.” Mit diesen Worten richtete sich der russische Präsident Dmitri Medwedew an den Nationalen Sicherheitsrat, um die Situation nach dem Russland-Georgien-Krieg 2008 zu erörtern. Damit kündigte er aber auch an, dass Russland in seiner Außenpolitik als internationaler Akteur nach dem Zerfall der Sowjetunion wieder auf die Tribüne der Weltpolitik zurückgekehrt ist. Der Fünf-Tage-Krieg zwischen Georgien und Russland war mit Abstand die kürzeste Auseinandersetzung in der konfliktträchtigen Kaukasus-Region. Der georgische Präsident Micheil Saakaschwili versuchte am 8. August 2008 mit einer Blitzoffensive im eigenen Land, die beiden abtrünnigen Provinzen Südossetien und Abchasien wieder in den Staatsverband einzugliedern, scheiterte aber an der Gegenoffensive der russischen Armee und beheimateter Milizen. Trotz des nur kurzen Waffenganges verursachte der Krieg in der internationalen Politik mehr Schockwellen als jeder andere. Selbst die beiden Tschetschenienkriege im Nordkaukasus, denen weitaus mehr Menschen zum Opfer fielen, erregten nicht so viel Aufmerksamkeit, wie der Fünf-Tage-Krieg. Das mag in erster Linie daran gelegen haben, dass Russland erstmals in post-sowjetischer Zeit mit einem souveränen Nachbarstaat in der östlichen Peripherie der Europäischen Union offen Krieg führte. Doch in dieser Auseinandersetzung ging es nicht wie damals im Kalten Krieg um einen ideologischen Machtkampf, sondern um geopolitische und geostrategische Interessen, vor allem hervorgerufen, durch die georgische Westannäherung und das Bestreben des Kaukasusstaates, um Aufnahme in die NATO. Russland reagierte damit entschlossen auf das Vordringen des Westens mit dem eindeutigen Ziel, den eigenen Einflussbereich in der Region mit Waffengewalt zu wahren. Der Welt, die zuletzt auf nichttraditionelle Sicherheitsrisiken, wie den internationalen Terrorismus fixiert war, wurde verdeutlicht, dass sich erneut ein konventioneller Machtkonflikt auf Ebene der internationalen Politik entwickelte hatte. Saakaschwilis Ziel, die Sezessionskonflikte im eigenen Land zu lösen, schlug fehl. Aber nicht nur das: Mit der russischen Anerkennung Südossetions und Abchasiens als souveräne Staaten, dürfte die Wiederherstellung der territorialen Integrität Georgiens wesentlich erschwert, vielleicht […]

Leseprobe

Inhaltsverzeichnis


Nik Milosevic
Der Russland-Georgien-Krieg 2008
Auswirkungen auf die Europäische Sicherheitsarchitektur
ISBN: 978-3-8366-3637-7
Herstellung: Diplomica® Verlag GmbH, Hamburg, 2009
Zugl. Westfälische Wilhelms-Universität Münster, Münster, Deutschland, Bachelorarbeit,
2009
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© Diplomica Verlag GmbH
http://www.diplomica.de, Hamburg 2009

INHALTSVERZEICHNIS
1.
Einleitung
2.
Der Russland-Georgien-Krieg 2008
2.1
Spannungen vor dem Krieg
2.2
Verlauf des Krieges
2.3
Weitere Konfliktherde in der Region
3.
Auswirkungen auf die europäische Sicherheitsarchitektur
3.1
Merkmale der europäischen Sicherheitsarchitektur
3.2
Westliches Vordringen in den Postsowjetischen Raum
3.2.1
KSE-Vertrag
3.2.2
NATO-Erweiterung
3.2.3
US-Raketenabwehrsystem in Europa
3.3
Europa und Russland
3.3.1
Europas und Russlands gegenseitige Abhängigkeiten
3.3.2
Russland, die erstarkte Großmacht
3.3.3
Status-quo Politik Russlands und Präzedenzfall Kosovo
3.4
Die Europäische Union als Akteur im Kaukasus-Konflikt
3.4.1
Europäische Interessen in der Kaukasus-Region
3.4.2
Reaktionen der EU-Staaten auf die russische Offensive in
Georgien
3.4.3
Handlungsfähigkeit bewiesen: Der 6-Punkte-Plan
3.5
Die NATO und USA als europäische Sicherheitsgaranten
3.5.1
Amerikanische Interessen und Konsequenzen für Europa
3.5.2
Georgien und die Ukraine als Mitglied der Nato
3.6
Die europäische Sicherheitsarchitektur im Wanken
4.
Fazit
5.
Abkürzungsverzeichnis
6.
Literaturverzeichnis
1
3
4
6
8
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49

1
1.
Einleitung
"Russia is a nation, which will continue to be reckoned with.
In this period, as they say, we have lived through a moment of truth.
After the 8th of August 2008 the world has changed."
1
Mit diesen Worten richtete sich der russische Präsident Dmitri Medwedew an den
Nationalen Sicherheitsrat, um die Situation nach dem Russland-Georgien-Krieg 2008
zu erörtern. Damit kündigte er aber auch an, dass Russland in seiner Außenpolitik als
internationaler Akteur nach dem Zerfall der Sowjetunion wieder auf die Tribüne der
Weltpolitik zurückgekehrt ist. Der Fünf-Tage-Krieg zwischen Georgien und
Russland war mit Abstand die kürzeste Auseinandersetzung in der konfliktträchtigen
Kaukasus-Region. Der georgische Präsident Micheil Saakaschwili versuchte am
8. August 2008 mit einer Blitzoffensive im eigenen Land, die beiden abtrünnigen
Provinzen Südossetien und Abchasien wieder in den Staatsverband einzugliedern,
scheiterte aber an der Gegenoffensive der russischen Armee und beheimateter
Milizen. Trotz des nur kurzen Waffenganges verursachte der Krieg in der
internationalen Politik mehr Schockwellen als jeder andere. Selbst die beiden
Tschetschenienkriege im Nordkaukasus, denen weitaus mehr Menschen zum Opfer
fielen, erregten nicht so viel Aufmerksamkeit, wie der Fünf-Tage-Krieg. Das mag in
erster Linie daran gelegen haben, dass Russland erstmals in post-sowjetischer Zeit
mit einem souveränen Nachbarstaat in der östlichen Peripherie der Europäischen
Union offen Krieg führte. Doch in dieser Auseinandersetzung ging es nicht wie
damals im Kalten Krieg um einen ideologischen Machtkampf, sondern um
geopolitische und geostrategische Interessen, vor allem hervorgerufen, durch die
georgische Westannäherung und das Bestreben des Kaukasusstaates, um Aufnahme
in die NATO. Russland reagierte damit entschlossen auf das Vordringen des Westens
mit dem eindeutigen Ziel, den eigenen Einflussbereich in der Region mit
Waffengewalt zu wahren. Der Welt, die zuletzt auf nichttraditionelle
Sicherheitsrisiken, wie den internationalen Terrorismus fixiert war, wurde
verdeutlicht, dass sich erneut ein konventioneller Machtkonflikt auf Ebene der
internationalen Politik entwickelte hatte. Saakaschwilis Ziel, die Sezessionskonflikte
im eigenen Land zu lösen, schlug fehl. Aber nicht nur das: Mit der russischen
1
Medvedev, Dmirty: Opening Address at the Meeting of the State Council on the Situation Around
South Ossetia and Abkhazia. President of Russia. Official Web Portal. Moskau. 6. September 2008.
Abgerufen am 01.06.09 unter:
http://www.kremlin.ru/eng/text/speeches/2008/09/06/1515_type82912type82913_206195.shtml

2
Anerkennung Südossetions und Abchasiens als souveräne Staaten, dürfte die
Wiederherstellung der territorialen Integrität Georgiens wesentlich erschwert,
vielleicht auf unabsehbare Zeit unmöglich sein. Der Russland-Georgien-Krieg hat
gezeigt, wie politisch instabil die Ostgrenzen Europas sind. Dabei ist Georgien nicht
das einzige von Konfliktherden betroffene Land in der insgesamt sehr
konfliktträchtigen Kaukasus-Region.
Während der Westen seit den 90iger Jahren stets bestrebt war, seinen Einflussbereich
militärisch und wirtschaftlich Richtung Osten zu erweitern, sieht sich Russland durch
diesen einseitig vom Westen ausgehenden Ausbau euro-atlantischer Interessen
zunehmend in seinen Sicherheitsinteressen innerhalb seiner eigenen Einflusszone
beeinträchtigt. Alte Fronten zwischen der NATO, den USA und Russland leben
wieder auf. Mit ihrer Osterweiterung und der Europäischen Nachbarschaftspolitik
(ENP) befinden sich die europäischen Staaten plötzlich mitten im Geschehen eines
Konfliktes, der die europäischen Sicherheitsstrukturen zumindest berührt, unter
Umständen sogar gefährdet. Es drängt sich daher die zentrale Frage auf: Gerät
dadurch die bisher stabile sicherheitspolitische Architektur Europas ins Wanken?
Diese Arbeit befasst sich also damit, inwiefern die aktuellen Instabilitäten der
Kaukasus-Region, unter besonderer Berücksichtigung des Russland-Georgien-
Krieges 2008, die sicherheitspolitische Architektur Europas gefährden.
Hierzu sollen die relevanten sicherheitspolitischen Entwicklungen der letzten Jahre
in Zusammenhang mit dem Fünf-Tage-Krieg und dessen Folgen gebracht werden,
um im Anschluss eine Bewertung der europäischen Sicherheitsarchitektur
vorzunehmen. Im zweiten Teil dieser Arbeit werden zunächst der Fünf-Tage-Krieg,
die vorausgegangenen kriegsrelevanten Spannungen zwischen Russland und
Georgien und weitere Konfliktherde des Kaukasus dargestellt, um einen
Gesamtüberblick über die politischen Entwicklungen im Kaukasus und damit eine
Grundlage für weitere Analysen zu erhalten. Der in vier Abschnitte unterteilte
Hauptteil beschäftigt sich mit der europäischen Sicherheitsarchitektur. Zu Anfang
sollen die maßgeblichen sicherheitspolitischen Entwicklungslinien vor dem Krieg
analysiert werden, die dazu beitrugen, das außenpolitische Verhältnis zwischen dem
Westen und Russland immer weiter negativ zu beeinträchtigen. Ausgangspunkte
dieser Beeinträchtigungen waren das einseitige Einfrieren des Vertrages für
konventionelle Streitkräfte in Europa (KSE-Vertrag) durch Russland, die NATO-
Osterweiterungen bis heran an die Grenzen Russlands und die US-amerikanischen
Pläne Teile ihres globalen Raketenabwehrsystems in Polen und Tschechien zu

3
installieren. Der darauffolgende Abschnitt umfasst das Verhältnis zwischen Europa
und Russland. Dabei geht es um gegenseitige Abhängigkeiten in Politik und
Wirtschaft, aber auch um das Bestreben Russlands als Großmacht in der
internationalen Politik wieder anerkannt zu werden und welche Bedeutung das für
Europa hat. Das Ende dieses Abschnitts befasst sich mit der Anerkennung der beiden
Provinzen Südossetien und Abchasien durch Russland als Reaktion auf die
Anerkennung des Kosovo. Der nächste Abschnitt analysiert die Europäische Union
als Akteur im Kaukasus-Konflikt. Es sollen die europäischen Interessen und die
Bedeutung der Kaukasus-Region für die EU aufgezeigt werden. Im Anschluss geht
es um die unterschiedlichen europäischen Reaktionen auf den Russland-Georgien-
Krieg und deren sicherpolitische Relevanz für Europa. Der Abschnitt endet mit einer
Auswertung des Waffenstillstandsabkommen, das der französische Präsident Nicolas
Sarkozy zwischen den beiden Kriegsparteien aushandelte. Der letzte Abschnitt
bewertet die NATO und die USA als europäische Sicherheitsgaranten. Die
Amerikaner üben großen Einfluss auf Europa aus und setzen dabei ihre Interessen
oftmals durch, ohne den Europäern ein gemeinsames Mitspracherecht einzuräumen.
Die Konsequenzen für Europa sind hier Teil der Analyse. Des Weiteren wird der
Plan der NATO, Georgien und die Ukraine in das Militärbündnis aufzunehmen,
kritisch hinterfragt und die damit verbundenen Sicherheitsrisiken für Europa
aufgezeigt.
Anschließend
werden
die
bisherigen
Analysen
in
einen
Gesamtzusammenhang
gesetzt
und
die
Gefährdung
der
europäischen
Sicherheitsarchitektur verdeutlicht. Schließlich werden die Untersuchungen in einem
Fazit zusammengefasst und bewertet.
2.
Der Russland-Georgien-Krieg 2008
Die georgische Offensive gegen Südossetien traf die internationale Gemeinschaft
während der Eröffnung der olympischen Spiele in Peking scheinbar überraschend.
Dennoch gingen dem Fünf-Tage-Krieg erhebliche politische Spannungen zwischen
Russland, den beiden abtrünnigen Provinzen und Georgien voraus, die sich
unmittelbar vor Kriegsbeginn verdichteten. Mit der folgenden Darstellung ist der
Kriegsausbruch auch für den außen stehenden Betrachter wesentlich einleuchtender,
als es am 8. August 2008 in den westlichen Medien der Fall war. Auch wird eine
differenziertere Sicht der Ereignisse erst durch den im anschließenden Abschnitt

4
dargestellten Kriegsverlauf möglich.
2
Doch nicht nur Georgien ist von Konflikten in
der Kaukasus-Region betroffen. Europas östliche Grenzen führen zu neuen
Nachbarschaften,
die
sich
mit
ihren
Instabilitäten
auf
europäische
Sicherheitsstrukturen auswirken.
2.1
Spannungen vor dem Krieg
Georgien ist auch heute noch ein Vielvölkerstaat, der schon immer von
Sezessionskonflikten belastet wurde.
3
Nach dem Zerfall der Sowjetunion scheiterte
unter Führung des Präsidenten Swiad Gamsachurdia der erste Versuch einer
Nationalbewegung in Georgien, einen souveränen Nationalstaat zu schaffen. Sein
Nachfolger war Eduard Schewardnadse, der Georgien mit einer großen Machtfülle
regierte, gegenüber Moskau jedoch jegliche Konfrontation vermied.
4
Der Anlass für
den Russland-Georgien-Krieg ist in dem konfliktauslösenden Sezessionsbestreben
der beiden georgischen Provinzen Südossetien und Abchasien zu sehen. Beide
Konfliktherde finden ihren Ursprung nach dem Zerfall der Sowjetunion. Die
administrativen Grenzen der ehemaligen sowjetischen Teilrepubliken wurden für die
Grenzen neuer souveräner Staaten genutzt. Die beiden pro-russischen Provinzen
wurden in das georgische Staatsgebiet eingegliedert.
5
Die Südosseten versuchten
Anfang der 90iger Jahre ihre territoriale Position zu stärken, stießen dabei jedoch auf
den Widerstand der Georgier.
6
Dies mündete in kriegerische Auseinandersetzungen,
die allerdings schon 1992 durch ein Waffenstillstandsabkommen beendet wurden.
7
Ähnliche Züge nahm der Konflikt in Abchasien an, deren Streben in die
Unabhängigkeit ebenfalls zu Auseinandersetzungen mit Georgien führte. Ein im Mai
1994 durch Russland vermittelter und durch die GUS und UN überwachter
2
Detailierte Informationen hinsichtlich des Krieges sind in der Tabelle ,,Eine Chronologie des
russisch-georgischen Konflikts" zu finden. In: Schröder, Hans-Henning: Die Kaukasus-Krise.
Internationale Perzeptionen und Konsequenzen für deutsche und europäische Politik. SWP-Studie.
Stiftung Wissenschaft und Politik. Deutsches Institut für Internationale Politik und Sicherheit. Berlin.
September 2008. S.45ff. Abgerufen am 01.06.09 unter : http://www.swp-
berlin.org/common/get_document.php?asset_id=5255
3
Der Anteil nicht-dominanter ethnischer Gruppen hat sich zwischen 1989 und 2002 von knapp 30%
auf 16,2% fast halbiert. Vgl. Reisner, Oliver: Georgien ­ Transitland im Süden. In: Von
Gumppenberg, Marie-Carin / Steinbach, Udo: Der Kaukasus. Geschichte ­ Kultur ­ Politik. München.
2008. S.36.
4
Vgl. Rothacher, Albrecht: Stalins langer Schatten. Medwedjews Rußland und der post-sowjetische
Raum. Graz. 2008. S.214.
5
Vgl. Zagorski, Andrei: Konfliktursachen in Georgien. Die Mainstream-Vorstellungen in Russland.
In: Reiter, Erich (Hg.): Die Sezessionskonflikte in Georgien. Internationales Institut für liberale
Politik Wien. Wien. 2009. S.130.
6
Eine Karte Georgiens ist unter The World Fact Book. Central Intelligence Agency. Abgerufen am
01.06.09 unter: https://www.cia.gov/library/publications/the-world-factbook/geos/gg.html zu finden.
7
Vgl. König, Marietta S.: Der ungelöste Streit um Südossetien. In: Von Gumppenberg, Marie-Carin /
Steinbach, Udo: Der Kaukasus. Geschichte ­ Kultur ­ Politik. München. 2008. S.123.

5
Waffenstillstand fror den Konflikt in Abchasien ein.
8
Seither kommt es an den
Grenzen zwischen Georgien und den beiden Provinzen immer wieder zu bewaffneten
Auseinandersetzungen.
2003 rief sich Schewardnadse trotz zweifelhafter Wahlergebnisse erneut zum
Präsidenten aus. Die darauf folgenden, durch Saakaschwili organisierten
Massenproteste, der sogenannten Rosenrevolution, zwangen Schewardnadse ins Exil.
Ein Jahr später wurde Saakaschwili zum Präsidenten Georgiens gewählt.
9
Die Politik
Georgiens war während Saakaschwilis Regierungszeit durch eine Abkehr von
Russland und hin zu einer Westorientierung geprägt.
10
Nicht erst dadurch
verschlechterte sich das Verhältnis zwischen Moskau und dem Kaukasusstaat. Schon
vor der Regierungszeit Saakaschwilis kam es im Verhältnis zwischen Russland und
Georgien zu einem Wirtschaftskrieg, der in Handelsbarrieren mündete und zu einer
Aussetzung von Gaslieferungen führte.
11
Im Sommer 2006 eroberten georgische
Einheiten das in Abchasien gelegene Kodori Tal zurück und installierten dort die
,,georgische Exilregierung" Abchasiens. Im Oktober des gleichen Jahres wurden in
Georgien vier russische Geheimdienstoffiziere unter dem Vorwurf der Spionage
verhaftet, woraufhin Russland sämtliche Kontakte zu Georgien kappte und vor
georgischer Küste ein Großmanöver der russischen Schwarzmeerflotte durchführte.
2007 beschädigte eine von einem russischen Kampfflugzeug abgeschossene Rakete
eine georgische Radarstation. Am 17. Februar 2008 erklärte sich der Kosovo mit
Unterstützung westlicher Staaten und gegen den Willen Russlands für unabhängig.
Daraufhin warnte der damalige russische Präsident Wladimir Putin, dass der Kosovo
als Präzedenzfall für Südossetien und Abchasien gelten könne. Auf dem Bukarester
NATO-Gipfel im gleichen Jahr wurde zum Unmut Russlands intensiv über den
Membership Action Plan (MAP) zur Aufnahme Georgiens und der Ukraine in die
NATO diskutiert.
12
Russland reagierte auf die Gespräche mit einer Intensivierung
der Beziehungen zu Südossetien und Abchasien. Nach dem Scheitern der Aufnahme
8
Vgl. Gruska, Ulrike: Abchasien ­ Kämpfe um den schönsten Teil der Schwarzmeerküste. In: Von
Gumppenberg, Marie-Carin / Steinbach, Udo: Der Kaukasus. Geschichte ­ Kultur ­ Politik. München.
2008. S.106.
9
Vgl. Rothacher, 2008: S.216ff.
10
Vgl. Zargorski, Andrei: Russische Intervention in Konflikten in Südossetien und Abchasien. In:
Reiter, Erich (Hg.): Die Sezessionskonflikte in Georgien. Internationales Institut für liberale Politik
Wien. Wien. 2009. S.220.
11
Vgl. Rothacher, 2008: S.228f.
12
Vgl. Cornell, Svante E. / Popjanevski, Johanna / Nilsson, Niklas: Russia's War in Georgia: Causes
and Implications for Georgia and the World. Central Asia-Caucasus Institute. Silk Road Studies
Program. Policy Paper. Stockholm. August 2008. S.6-9. Abgerufen am 01.06.09 unter:
http://www.isdp.eu/files/publications/pp/08/0808Georgia-PP2.pdf

6
Georgiens in den MAP, verstärkte das Land seine konfrontative Politik gegenüber
den beiden Provinzen und setze einen Minister für Reintegration ein.
13
Am 21. April
wurde eine georgische Aufklärungsdrohne über dem Gebiet Abchasiens durch ein
russisches Kampfflugzeug abgeschossen. Russland schätzte die Situation kritisch ein
und erwartete eine georgische Militäroperation. Beide Seiten warfen sich
Truppenkonzentrationen vor. ,,Der Oberkommandierende des nordkaukasischen
Militärbezirks erhielt den Befehl, ohne Rücksprache mit Moskau auf jede georgische
Provokation
oder
Verletzung
der
Vereinbarungen
[hier
sind
die
Waffenstillstandsabkommen gemeint] direkt, mit ,,maximalen Einsatz der Waffen",
zu antworten."
14
Am 21. Mai hielt Georgien Parlamentswahlen ab, aus denen
Saakaschwili erneut als Sieger hervorging. Die Wahlen galten trotz geringer
Unstimmigkeiten als Demokratiebeweis und wurden im Westen als Test für die
durch Saakaschwili eingeleiteten demokratischen Reformprozesse verstanden.
15
Gegen Ende des Monats wurden russische Eisenbahnpioniere nach Abchasien
verlegt, um die beschädigten Verbindungen, vor allem in Richtung Russland, instand
zu setzen. Im Juli führten russischen Truppen das Manöver ,,Kaukasus 2008" im
Rahmen eines Trainings für ,,spezielle Friedensoperationen" durch. Zur gleichen Zeit
fand eine Übung des georgischen Militärs zusammen mit 1000 US-Soldaten statt. In
den folgenden Wochen kam es an der Grenze zwischen Georgien und Südossetien
häufiger zu Schießereien, bei denen auch schwere Waffen zum Einsatz kamen. Am
7. August bot Saakaschwili Südossetien einen Waffenstillstand an, mit einem
zusätzlichen Autonomieangebot und Russland als Garantiemacht.
16
2.2
Verlauf des Krieges
Am Morgen des 8. August 2008 begann Georgien aufgrund anhaltender Kämpfe eine
Großoffensive gegen Südossetien und drang dabei mit Panzerverbänden und
Artillerieunterstützung bis in die südossetische Hauptstadt Zchinwali vor. Doch
Russland, das angekündigt hatte, bei einem georgischen Militäreinsatz mit
13
Manutscharjan, Aschot: Abchasien und Südossetien ­ Russlands Intervention in Georgien (August
2008). Konrad Adenauer Stiftung. Berlin. 2008. S.75. Abgerufen am 01.06.09 unter:
http://www.kas.de/wf/de/71.3710/
14
Manutscharjan, Aschot: Georgien suchte Krieg mit Russland. In: Reiter, Erich (Hg.): Die
Sezessionskonflikte in Georgien. Internationales Institut für liberale Politik Wien. Wien. 2009. S.58.
15
Vgl. Boden, Dieter: Georgien nach den Wahlen 2008. In: Chiari, Bernhard (Hg.): Wegweiser zur
Geschichte. Kaukasus. Militärgeschichtliches Forschungsamt. Paderborn. 2008. S.223.
16
Vgl. Schröder, Hans-Henning: Die Kaukasus-Krise. Internationale Perzeptionen und Konsequenzen
für deutsche und europäische Politik. SWP-Studie. Stiftung Wissenschaft und Politik. Deutsches
Institut für Internationale Politik und Sicherheit. Berlin. September 2008. S.45ff. Abgerufen am
01.06.09 unter: http://www.swp-berlin.org/common/get_document.php?asset_id=5255

7
Waffengewalt zu antworten, war, wie erwartet, alles andere als unvorbereitet. Bereits
gegen Mittag des gleichen Tages bombardierten russische Kampfflugzeuge
georgische Stellungen.
17
Am späten Nachmittag stoppten gepanzerte Einheiten der
58. russischen Armee die georgische Offensive rund um Zchinwali.
18
Der gesamte
georgische Vormarsch geriet ins Stocken. Zu diesem Zeitpunkt reagierte die
internationale Gemeinschaft noch verhalten auf die Ereignisse in Südossetien. Einen
Tag später brach die georgische Offensive vollends zusammen. Die russische
Luftwaffe intensivierte ihre Angriffe gegen georgische Einheiten und die Südosseten
bekamen zusätzlich Verstärkung durch ein russisches Fallschirmjägerbataillon und
mechanisierte Kräfte in Brigadestärke.
Am 10. August weitete sich der Konflikt aus. Die russische Schwarzmeerflotte
verhängte eine Seeblockade vor der Küste Georgiens. Darüber hinaus wurden
russische Einheiten in Richtung Abchasien in Marsch gesetzt. Ersten Meldungen
zufolge rückten dort russische Truppen auf die georgische Stadt Zugdidi vor, die
durch gelandete Marineinfanterieeinheiten unterstützt wurden. Georgien gab im
Laufe des Tages seinen Rückzug aus Zchinwali bekannt und bot Russland einen
einseitigen Waffenstillstand an, den Russland aber ablehnte. Die USA nannten zu
diesem Zeitpunkt das russische Vorgehen als überzogen. Russland ließ sich dadurch
aber nicht davon abbringen, seine Militäroperationen fortzusetzen. Einen Tag später
konzentrierten sich russische Einheiten auf den Vormarsch in georgisches Kernland
in Richtung der Stadt Gori. Die auf dem Rückzug befindliche georgische Armee war
dagegen machtlos. An der Grenze zu Abchasien wurde eine zweite Front gegen
Georgien eröffnet. Russischen sowie Einheiten Abchasiens gelang es, georgische
Verbände im Kodori Tal einzuschließen und die Kapitulation dieser Kräfte zu
erzwingen. Des Weiteren setzte die russische Luftwaffe ihre Luftangriffe gegen
georgische Führungs- und Kommunikationseinrichtungen sowie strategisch wichtige
Infrastruktur fort.
19
Darunter auch der georgische Schwarzmeerhafen Poti,
Radaranlagen nahe Tiflis und die Militärgarnison in Gori.
20
Die georgische Führung
begann damit, sich als Opfer russischer Aggression zu sehen. Die USA reagierten auf
den Vorstoß Russlands in georgisches Kernland mit einer Verschärfung des
17
Vgl. Gressel, Gustav: Der Krieg am Kaukasus. In: Reiter, Erich (Hg.): Die Sezessionskonflikte in
Georgien. Internationales Institut für liberale Politik Wien. Wien. 2009. S.24.
18
Vgl. Rahr, Alexander: Putin nach Putin. Das kapitalistische Rußland am Beginn einer neuen
Weltordnung. Wien. 2009. S.232.
19
Vgl. Gressel, 2009: S24.ff
20
Vgl. Rahr, 2000: S.233.

8
diplomatischen Tons und erreichten daraufhin den Rückzug russischer Verbände aus
dem Raum um Gori.
Am 12. August, nachdem russische Truppen in Georgien erhebliche Geländegewinne
erzielt hatten, verkündete der Präsident Medwedew sein Einverständnis zur
Einstellung der Kampfhandlungen. Russland zog seine Truppen jedoch nicht zurück,
sondern ließ sie an Ort und Stelle Stellungen beziehen. Die Reaktionen der USA
nahmen daraufhin an Schärfe zu und gipfelten in der Forderung nach einem
kompletten Rückzug der russischen Armee. Es wurde damit gedroht, Russland aus
internationalen Organisationen auszuschließen und auch europäische Staaten
schlossen sich der Haltung der USA an, Russland mit Sanktionen zu belegen sofern
es seine Truppen nicht zurückzöge. Dennoch konnte sich die EU unter der
Ratspräsidentschaft von Präsident Sarkozy als Vermittler profilieren. Sarkozy einigte
sich mit Medwedew noch am gleichen Tag für ein Waffenstillstandsabkommen, was
durch Georgien am 15. bzw. durch Russland am 16. August unterzeichnet wurde.
21
2.3
Weitere Konfliktherde in der Region
Georgien ist nicht das einzige von Sezessionskonflikten betroffene Land in der
Region. Eine Vielzahl von Konflikten, oftmals durch den Wunsch der
Unabhängigkeit einer Ethnie verursacht, macht den Kaukasus, aber auch
angrenzende Gebiete zum Pulverfass.
22
Am meisten Aufsehen erregten die beiden
Tschetschenien-Kriege 1994-96 und 1999-2001. Mitte der neunziger Jahre erklärte
sich die autonome Nordkaukasusrepublik von Russland für unabhängig, worauf
Russland mit einer Invasion des Landes antworte. Die schlecht vorbereiteten
russischen Truppen erlitten eine Niederlage und mussten sich im ersten Krieg
zurückziehen. Aufgrund von Angriffen tschetschenischer Rebellen auf die
benachbarte Republik Dagestan, wurde der zweite Tschetschenienkrieg entfacht, in
dem Russland als Sieger hervorging.
23
Dagestan, Inguschetien und Nordossetien
waren indirekt durch die beiden Tschetschenienkriege betroffen. Die kleinen
russischen Republiken litten aber unter den Folgen des Krieges und sind heute durch
21
Vgl. Brzoska, Michael : Der Kaukasuskrieg 2008. Ein regionaler Konflikt mit internationalen
Folgen. Hamburger Informationen zur Friedensforschung und Sicherheitspolitik. Institut für
Friedensforschung und Sicherheitspolitik. Hamburg. Dezember 2008. S.5. Abgerufen am 01.06.09
unter: http://www.ifsh.de/pdf/publikationen/hifs/HI45.pdf
22
Siehe hierzu die Karte der Kaukasus-Region in Halbach, Uwe: Säbelrasseln und Friedenspolitik in
Europas neuer Nachbarschaft. SWP-Studie. Stiftung Wissenschaft und Politik. Deutsches Institut für
Internationale Politik und Sicherheit. Berlin. Juli 2006. S3. Abgerufen am 01.06.09 unter:
http://www.swp-berlin.org/common/get_document.php?asset_id=3134
23
Vgl. Rahr, 2008: S.140ff.

9
einen Mangel an staatlichen Strukturen gekennzeichnet, von bürgerkriegsähnlichen
Tendenzen bedroht und gelten als Ausbildungsstätte islamistischer Terroristen.
24
Weiter im Süden beherrscht der Berg-Karabach-Konflikt zwischen Aserbaidschan
und Armenien das politische Tagesgeschäft. Der zwischenstaatliche Konflikt gilt als
besonders instabil. Dabei geht es um eine Region in Aserbaidschan, die sich zu
Armenien zugehörig fühlt, sich abspalten möchte und von beiden Staaten umkämpft
wird.
25
Nicht nur im Kaukasus sondern auch an den direkten Grenzen Europas beherrschen
Konflikte die politische Szenerie. So stiegen die Spannungen zwischen der Ukraine
und Russland aufgrund des Gasstreits und anlässlich der Bestrebungen der Ukraine,
in die NATO aufgenommen zu werden. Angesichts des großen russischen
Bevölkerungsteils auf der zur Ukraine gehörenden Krim Halbinsel und der dort
stationierten russischen Schwarzmeerflotte, scheint ein zukünftiger Konflikt
vorprogrammiert.
26
Der ärmste Staat Europas, die Republik Moldau, hat ebenfalls
mit einem Sezessionskonflikt zu kämpfen. Während sich vor allem die jüngere
Bevölkerung eine Vereinigung mit Rumänien wünscht, agiert der von russischer und
ukrainischer Bevölkerung geprägte und wirtschaftlich bedeutsame östliche
Landesteil Transnistrien, gegen die Zentralregierung. 1992 eskalierten die
Auseinandersetzungen in einen offenen Bürgerkrieg. Das unter russischer
Vermittlung vereinbarte Friedensabkommen zwischen Moldau und Transnistrien hat
den Konflikt zwar entschärft, nicht aber gelöst. Jüngste durch Parlamentswahlen
hervorgerufene Unruhen im Lande weisen auf die Aktualität des Konfliktes hin.
27
3.
Auswirkungen auf die europäische Sicherheitsarchitektur
Der
Russland-Georgien-Krieg
und
seine
Auswirkungen
auf
die
Sicherheitsarchitektur Europas ist Gegenstand dieses Abschnitts. Dazu wird zunächst
die in den letzten Jahren zu beobachtende Zunahme der Spannungen zwischen der
NATO, den USA, der EU und Russland untersucht und die unmittelbaren
Auswirkungen des Krieges auf die Außen- und Sicherheitspolitik der betroffenen
24
Vgl. Rahr, 2008: S.136f. und Quiring, Manfred: Pulverfass Kaukasus. Konflikte am Rande des
russischen Imperiums. Berlin. 2009. S.188ff.
25
Vgl. Rahr, 2008 : S.234.
26
Pleines, Heiko / Schröder, Hans-Henning: Der bewaffnete Konflikt um Südossetien und
internationale Reaktionen. Forschungsstelle Osteuropa Bremen. Arbeitspapiere und Materialien.
Nr.97. Bremen. September 2008. S.27. Abgerufen am 01.06.09 unter: http://www.laender-
analysen.de/pages/arbeitspapiere/fsoAP97.pdf
27
Vgl. Klußmann, Uwe: Europas Armenhaus zwischen Ost und West zerrieben. Spiegel Online
Artikel. Hamburg. 19. April 2009. Abgerufen am 01.06.09 unter:
http://www.spiegel.de/politik/ausland/0,1518,619586,00.html

10
Akteure. Schließlich soll bewertet werden, welche Auswirkungen der Krieg und die
damit verbundenen Spannungen zwischen dem Westen und Russland für Europas
Sicherheitsarchitektur haben und auf welche Weise die EU dazu beitragen kann, den
Konflikt zu entschärfen und die eigenen Interessen zu wahren.
3.1
Merkmale der europäischen Sicherheitsarchitektur
Das Ende der Ost-West-Konfrontation hat die Auflösung des Warschauer Paktes,
eine Erweiterung der NATO und einen erheblichen Bedeutungszuwachs der EU
ermöglicht. Die Komplexität der europäischen Sicherheitsarchitektur hat seitdem
erheblich zugenommen, ist aber noch nicht so ausbalanciert, dass tragende
Sicherheitsstrukturen wesentlich über West- und Mitteleuropa hinausreichen.
Bedeutungsvolle Stützen in diesem Strukturgeflecht sind die transatlantische Allianz,
die sicherheitspolitisch aufwachsende EU und die OSZE. Wenn man heutzutage von
der Sicherheitsarchitektur Europas spricht, umfasst sie eine Vielzahl von
Organisationen mit dem Bestreben, kollektive Sicherheit in Europa zu schaffen.
Hierzu zählen beispielsweise: Die NATO, die EU, der Europarat, die GUS, die
OSZE, die G7/8, der KSE-Vertrag und andere Rüstungskontrollverträge.
28
Aber auch
die USA erhalten durch ihre Außenpolitik und Mitgliedschaft in der NATO einen
starken, aber nicht immer mit europäischen Interessen im Einklang stehenden
Einfluss auf die europäische Sicherheitsarchitektur. Seit dem Zerfall der Sowjetunion
befindet sich die europäische Sicherheitsarchitektur im Wandel. Vor allem in den
Jahren nach den Terroranschlägen am 11. September 2001 konzentrierte sich die
internationale Gemeinschaft vorwiegend auf die Bekämpfung des internationalen
Terrorismus. In diesem Zusammenhang waren Fragen nach innerer und äußerer
Sicherheit nicht mehr für einzelne Staaten, sondern nur im Staatenverbund lösbar. So
hat zum Beispiel seit dem Vertrag von Maastricht die EU mit ihrer gemeinsamen
Außen- und Sicherheitspolitik (GASP) und der europäischen Sicherheits- und
Verteidigungspolitik (ESVP) neues politisches Terrain betreten und ihren
Interessenbereich wesentlich erweitert. Die einstige Wirtschaftsunion wurde damit
zum sicherheitspolitischen Akteur.
Im Schatten der weltweiten Bekämpfung des internationalen Terrorismus, trieben die
EU und die NATO ihre Osterweiterung mit dem Ziel voran, das westliche
Sicherheitsnetz Richtung Osten so zu erweitern, dass das im post-sowjetischen Raum
28
Vgl. Berndt, Michael: Die ,,Neue Europäische Sicherheitsarchitektur". Sicherheit in, für und vor
Europa? 1. Auflage. Wiesbaden. 2007. S.13ff.

11
entstandene Sicherheitsvakuum ausgefüllt wird. Durch diese Ostpolitik sollten die
betroffenen Staaten wirtschaftlich an die EU herangeführt und durch die NATO
kollektiv geschützt werden. Die seit 1990 zur Regionalmacht herabgestiegene
russische Föderation wurde zwar ansatzweise in die Sicherheitsnetzwerke der
europäischen Sicherheitsarchitektur, wie beispielsweise in die OSZE oder den KSE-
Vertrag, mit eingebunden. Gleichwohl besaß die EU- und NATO-Osterweiterung
den Charakter eines einseitigen Vordringens in den russischen Interessenbereich. Das
durch wirtschaftlichen Aufschwung wiedererstarkte Russland hat sich diesem
westlichen Erweiterungsdrang mit militärischen Mitteln im Georgien-Russland-
Krieg widersetzt und dem Westen aufgezeigt, dass die Osterweiterung nicht zu mehr,
sondern zu weniger Stabilität führt. Also eine Entwicklung, die nicht im Interesse der
EU liegen kann, die aber auch verdeutlicht, dass die EU-Sicherheitspolitik gegenüber
Russland konzeptionelle Lücken aufweist. Insgesamt sieht die EU die Notwendigkeit
neuer Strukturen zur Förderung einer ,,spezifisch europäischen Sicherheitskultur"
29
.
3.2
Westliches Vordringen in den Postsowjetischen Raum
Seit fast zwei Jahrzehnten ist der KSE-Vertrag Stützpfeiler der sicherheitspolitischen
Architektur Europas auf dem Gebiet der nationalen, konventionellen Streitkräfte.
Doch mit der NATO-Osterweiterung und US-amerikanischen Raketenabwehrplänen
in Polen und Tschechien liefert der Westen dem neu erstarkten Russland vermehrt
Argumente, bestehende Abkommen in Frage zu stellen. ,,In den letzten Jahren hat die
NATO sehr konsequent den von ihr gestalteten europäischen Sicherheitsraum
erweitert."
30
Diese einseitig vom Westen ausgehenden Veränderungen in der
osteuropäischen Machtbalance berühren nicht nur westliche Sicherheitsstrukturen.
Sie werden von Russland als Beeinträchtigung ihrer Sicherheitsinteressen
wahrgenommen und stoßen daher auf nachhaltigen Widerstand.
3.2.1
Der KSE-Vertrag
Am 19. November 1990 unterzeichneten die Mitgliedstaaten der NATO und des
damaligen Warschauer Paktes den KSE-Vertrag, der am 9. November 1992 in Kraft
29
Vgl. Europäisches Parlament: Entschließung des Europäischen Parlaments vom 19. Februar 2009 zu
der Europäischen Sicherheitsstrategie und die ESVP. Brüssel. 19. Februar 2009. Abgerufen am
01.06.09 unter: http://www.europarl.europa.eu/sides/getDoc.do?pubRef=-//EP//TEXT+TA+P6-TA-
2009-0075+0+DOC+XML+V0//DE
30
Clement, Rolf: Erweiterungspolitik auf dem Prüfstand. Folgen aus dem Georgien-Krieg für die
NATO. Konrad Adenauer Stiftung. Berlin. November 2008. S.15. Abgerufen am 01.06.09 unter:
http://www.kas.de/wf/doc/kas_15012-544-1-30.pdf

Details

Seiten
Erscheinungsform
Originalausgabe
Jahr
2009
ISBN (eBook)
9783836636377
Dateigröße
541 KB
Sprache
Deutsch
Institution / Hochschule
Universität Münster – Sozialwissenschaften, Politikwissenschaft
Erscheinungsdatum
2014 (April)
Note
1,3
Schlagworte
europäische union nato sicherheitsarchitektur kaukasus kosovo
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Titel: Der Russland-Georgien-Krieg 2008
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