Finanzmarktkrise und Corporate Governance - steigende Anforderungen an Banken
Zusammenfassung
Motivation und Zielsetzung:
Kaum eine andere Branche befindet sich derzeit in einem so starken Wandel wie die der Finanzdienstleister. Die globale Finanzmarktkrise hinterlässt tiefe Spuren in der Finanzindustrie und vor allem bei Banken. Das Vertrauen in Märkte und Manager ist bei den meisten Marktteilnehmern in Misstrauen umgeschlagen.
Die komplexen und intransparenten Finanzinnovationen der letzten Jahre, das lückenhafte Risikomanagement der Unternehmen sowie der immer weiter steigende Renditedruck haben unter anderem zu der Entstehung der Finanzmarktkrise beigetragen. Insbesondere die Banken bzw. Bankmanager werden hierbei von Politik und Öffentlichkeit als die Verantwortlichen angesehen, da diese in den letzten Jahren nur noch auf Renditejagt zu sein schienen, wobei potenzielle Risiken vollkommen vernachlässigt wurden. Unvorteilhafte Bemessungsgrundlagen sowie kurzfristig angelegte Anreiz- und Vergütungssysteme haben hier zu einer Reihe von Fehlanreizen und Fehlentscheidungen geführt.
Weiterhin wirft das Ausmaß der Finanzkrise ernsthafte Fragen hinsichtlich der Angemessenheit der bestehenden Corporate Governance Systeme auf. Unter diesem Schlagwort ist nun erneut eine verstärkte Diskussion um die Qualität und Zuverlässigkeit bestehender Kontrollmechanismen und Überwachungssysteme bei Banken hervorgegangen. Corporate Governance kann zunächst allgemein als ein Ordnungsrahmen für die Leitung und Überwachung in einem Unternehmen bezeichnet werden. Sie beschäftigt sich mit Regeln, die für Unternehmen bzw. deren Mitarbeiter gelten und die eine verantwortungsvolle und wertorientierte Führung und Überwachung von Unternehmen bewirken sollen.
Um diese Regeln festzuhalten und zu vereinheitlichen wurde in Deutschland am 26. Februar 2002 der Deutsche Corporate Governance Kodex vorgelegt, der die Grundsätze einer guten und verantwortungsvollen Unternehmensführung und -überwachung zusammenfasst. Hierbei handelt es sich jedoch um ein freiwilliges Regelwerk, dem Unternehmen folgen können, aber nicht müssen. So werden die Regelungen und Empfehlungen des Kodex nicht von allen Unternehmen gleichermaßen umgesetzt. Im Zusammenhang mit der Finanzmarktkrise stellt sich an diese Stelle die Frage, ob die Corporate Governance versagt hat und was geändert werden muss, damit es nicht wieder vorkommt.
Ziel dieser Diplomarbeit ist es, zunächst Problematiken aufzuzeigen, die vor dem Hintergrund der Finanzkrise deutlich geworden sind. Im […]
Leseprobe
Inhaltsverzeichnis
Inhaltsverzeichnis
Abbildungsverzeichnis
Tabellenverzeichnis
Abkürzungsverzeichnis
1 Einleitung
1.1 Motivation und Zielsetzung
1.2 Aufbau der Arbeit
2 Die Finanzmarktkrise
2.1 Entstehung der Krise
2.2 Einflussfaktoren der Krise auf dem Finanzmarkt
2.2.1 Fehlende Transparenz komplexer Finanzinnovationen
2.2.2 Renditestreben und Fehlanreize der Marktteilnehmer
2.2.3 Lückenhaftes Risikomanagement
2.3 Auswirkungen der Finanzmarktkrise und aktuelle Situation
3 Corporate Governance
3.1 Begriffsdefinition
3.2 Der Prinzipal-Agent-Konflikt
3.3 Corporate Governance und Unternehmenserfolg
3.4 Der Deutsche Corporate Governance Kodex (DCGK)
3.4.1 Entstehung und Zielsetzung
3.4.2 Aufbau und Inhalt des DCGK
3.4.3 Entsprechenserklärung
3.5 Aktueller Stand der Corporate Governance Debatte
4 Steigende Corporate Governance Anforderungen - Problematik und Lösungsansätze
4.1 Ziele und Grundanforderungen
4.2 Wertorientierte Planung und Performancemessung
4.2.1 Problematik
4.2.1.1 Orientierung an absoluten Gewinnen und Renditekennzahlen
4.2.1.2 Problematik der Periodisierung
4.2.1.3 Die Benchmarkproblematik
4.2.2 Lösungsansätze und aktuelle Diskussion
4.2.2.1 Planung und Performancemessung auf Basis von Residualgewinnen
4.2.2.2 Benchmarkbestimmung
4.2.2.3 Durchschnittsbildung und Glättung der Periodenerfolge im Zeitablauf
4.3 Wertorientierte Managemententlohnung
4.3.1 Problematik
4.3.1.1 Falsche Anreize etablierter Vergütungssysteme
4.3.1.2 Art der Bemessungsgrundlage
4.3.1.3 Gestaltung der Belohnungsfunktion
4.3.2 Lösungsansätze und aktuelle Diskussion
4.3.2.1 Langfristige Ausrichtung des Vergütungssystems
4.3.2.2 Anreizkompatible Gestaltung der Bemessungsgrundlage
4.3.2.3 Lineare Belohnungsfunktion und Einrichtung einer Bonusbank
4.4 Risikomanagement
4.4.1 Problematik
4.4.1.1 Unzureichende Risikoabschätzung und fehlende Transparenz strukturierter Produkte
4.4.1.2 Unterschätzung der Liquiditätsrisiken
4.4.1.3 Mangelnde Risikokultur im Unternehmen
4.4.1.4 Mangelhafte Kontrolle durch den Aufsichtsrat
4.4.2 Lösungsansätze und aktuelle Diskussion
4.4.2.1 Stärkung der Risikokultur und des Risikomanagements
4.4.2.2 Stärkere Überwachung durch den Aufsichtsrat
4.4.2.3 Erhöhung interner und externer Transparenz
5 Schlussbetrachtung
Literaturverzeichnis
Ehrenwörtliche Erklärung
Abbildungsverzeichnis
Abbildung 1: Leitzinsentwicklung USA
Abbildung 2: S&P/Case-Shiller-Index (1987-2008)
Abbildung 3: Strukturierte Produkte im Überblick
Abbildung 4: Grundstruktur einer ABS-Transaktion
Abbildung 5: Wertberichtigungen bei Banken im internationalen Vergleich
Abbildung 6: Doppelt geknickte Belohnungsfunktion
Abbildung 7: Lineare Belohnungsfunktion
Tabellenverzeichnis
Tabelle 1: Mangelnde Eignung von absoluten Gewinngrößen
Tabelle 2: Berechnung des Residualgewinns
Abkürzungsverzeichnis
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
1 Einleitung
1.1 Motivation und Zielsetzung
Kaum eine andere Branche befindet sich derzeit in einem so starken Wandel wie die der Finanzdienstleister. Die globale Finanzmarktkrise hinterlässt tiefe Spuren in der Finanzindustrie und vor allem bei Banken. Das Vertrauen in Märkte und Manager ist bei den meisten Marktteilnehmern in Misstrauen umgeschlagen.
Die komplexen und intransparenten Finanzinnovationen der letzten Jahre, das lückenhafte Risikomanagement der Unternehmen sowie der immer weiter steigende Renditedruck haben unter anderem zu der Entstehung der Finanzmarktkrise beigetragen. Insbesondere die Banken bzw. Bankmanger werden hierbei von Politik und Öffentlichkeit als die Verantwortlichen angesehen, da diese in den letzten Jahren nur noch auf Renditejagt zu sein schienen, wobei potenzielle Risiken vollkommen vernachlässigt wurden. Unvorteilhafte Bemessungsgrundlagen sowie kurzfristig angelegte Anreiz- und Vergütungs-systeme haben hier zu einer Reihe von Fehlanreizen und Fehlentscheidungen geführt.
Weiterhin wirft das Ausmaß der Finanzkrise ernsthafte Fragen hinsichtlich der Angemessenheit der bestehenden „Corporate Governance“ Systeme auf. Unter diesem Schlagwort ist nun erneut eine verstärkte Diskussion um die Qualität und Zuverlässigkeit bestehender Kontrollmechanismen und Überwachungssysteme bei Banken hervorgegangen. Corporate Governance kann zunächst allgemein als ein Ordnungsrahmen für die Leitung und Überwachung in einem Unternehmen bezeichnet werden. Sie beschäftigt sich mit Regeln, die für Unternehmen bzw. deren Mitarbeiter gelten und die eine verantwortungsvolle und wertorientierte Führung und Überwachung von Unternehmen bewirken sollen.
Um diese Regeln festzuhalten und zu vereinheitlichen wurde in Deutschland am 26. Februar 2002 der Deutsche Corporate Governance Kodex vorgelegt, der die Grundsätze einer guten und verantwortungsvollen Unternehmensführung und -überwachung zusammenfasst. Hierbei handelt es sich jedoch um ein freiwilliges Regelwerk, dem Unternehmen folgen können, aber nicht müssen. So werden die Regelungen und Empfehlungen des Kodex nicht von allen Unternehmen gleichermaßen umgesetzt. Im Zusammenhang mit der Finanzmarktkrise stellt sich an diese Stelle die Frage, ob die Corporate Governance versagt hat und was geändert werden muss, damit es nicht wieder vorkommt.
Ziel dieser Diplomarbeit ist es, zunächst Problematiken aufzuzeigen, die vor dem Hintergrund der Finanzkrise deutlich geworden sind. Im Zentrum der Betrachtung stehen hierbei vor allem die wertorientierte Planung und Performancemessung, die Managemententlohnung sowie das Risikomanagement der Banken. Anschließend sollen Anforderungen, die sich daraus ergeben, herausgearbeitet und mögliche Lösungsansätze diskutieren werden.
1.2 Aufbau der Arbeit
Die Arbeit gliedert sich in fünf Kapitel. Nachdem in diesem ersten Kapitel die Motivation, die Zielsetzung sowie der Aufbau der Arbeit behandelt wurden, werden im zweiten Kapitel zunächst die Ursachen, die durch ihr Zusammenspiel zu den Turbulenzen an den internationalen Märkten führten sowie die Auswirkungen der globalen Finanzmarktkrise erläutert. In Punkt 2.2 werden die wesentlichen Einflussfaktoren der Krise diskutiert. Hierbei wird vor allem auf die fehlende Transparenz von Finanzinnovationen, das Renditestreben der Markt-teilnehmer, die damit verbundenen Anreizprobleme und Fehleinschätzungen sowie das Risikomanagement der Banken eingegangen. In Kapitel drei wird zunächst die Definition des Begriffs „Corporate Governance“ sowie die Problematik, die sich aus dem Prinzipal-Agent-Konflikt ergibt, erläutert. Darauf aufbauend werden in Punkt 3.4 die Entstehung und Zielsetzung des Deutschen Corporate Governance Kodex (DCGK) sowie dessen Aufbau und Inhalt beschrieben. Anschließend wird noch auf die aktuelle Diskussion rund um Corporate Governance eingegangen. Kapitel vier behandelt die Kernfragestellung dieser Diplomarbeit. Hier werden die steigenden Anforderungen an Banken im Rahmen der Corporate Governance diskutiert. Dabei werden drei Hauptpunkte aufgegriffen, bei denen jeweils die Problematiken dargestellt und anschließend Lösungsansätze ausgearbeitet werden. Im fünften und letzten Kapitel werden die gewonnenen Erkenntnisse abschließend zusammengefasst und ein Fazit gezogen.
2 Die Finanzmarktkrise
2.1 Entstehung der Krise
Im Sommer 2007 wurde der deutsche Bankensektor erstmals mit der internationalen Finanzkrise konfrontiert. Diese wiederum ging auf die US-amerikanische Immobilienkrise, auch Subprime-Krise genannt, zurück. Hintergrund war, dass sich zahlreiche Kreditinstitute auf dem internationalen Markt für sogenannte Subprime-Kredite engagiert hatten. Mit dem Zusammenbruch des US-amerikanischen Immobilienmarktes verloren diese auf den internationalen Finanzmärkten gehandelten Papiere an Wert. Weltweit kam es in der Folgezeit zu (Fast-) Insolvenzen, Milliardenabschreibungen und Rettungsaktionen für einzelne Kreditinstitute.
Der Ursprung der mittlerweile globalen Finanzmarktkrise liegt einige Jahre zurück und beginnt mit der zunehmend steigenden Vergabe von Wohnimmobilienkrediten an einkommensschwache Privatpersonen in den USA. In großem Umfang kauften sich seit Anfang des Jahrzehnts Amerikaner mit schwacher Bonität Eigenheime und finanzierten diese mit zinsgünstigen Darlehen.
Die Finanzierung von Wohneigentum durch Immobilienkredite wurde durch zwei entscheidende Entwicklungen gefördert: niedrige Zinsen und steigende Häuserpreise.[1]
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abbildung 1: Leitzinsentwicklung USA
Quelle: www.letzinsen.info
Anhand von Abbildung 1 wird deutlich, dass die kurzfristigen Zinsen über einen längeren Zeitraum sehr niedrig waren, was auf die expansive Geldpolitik in den USA zurückzuführen ist. Nach dem Platzen der Dotcom-Blase und den Anschlägen vom 11. September senkte die US-Notenbank in den Jahren 2002 und 2003 den Leitzins auf einen historischen Tiefstand von etwa 1%. Dadurch sollte die angeschlagene Wirtschaft wieder angekurbelt werden. Die Amerikaner, die nach dem Zusammenbruch des Aktienmarktes bei Investitionen in Aktien zurückhaltend waren, stiegen auf Immobilien um.[2]
Die zweite entscheidende Entwicklung war die steigende Nachfrage nach Immobilien, die zu einem stetigen Anstieg der Häuserpreise führte. Die nachfolgende Abbildung verdeutlicht den Sachverhalt über Jahre steigender Immobilienpreise anhand des Case-Shiller-Index von Standard & Poor‘s.
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abbildung 2: S&P/Case-Shiller-Index (1987 -2008)
Quelle: Standard & Poor's
Aufgrund der allgemeinen Spekulation auf immer weiter steigende Immobilienpreise waren viele Hauskredite von vornherein darauf angelegt, aus einer Verwertung der Immobilie und nicht aus dem Einkommen des Kreditnehmers bedient zu werden.[3] Zudem führten die extrem niedrigen Zinsen zu einer starken Kreditausweitung am „Subprime“-Markt. Durch die Ausweitung dieses Marktsegments bekamen Privatpersonen mit niedrigeren Einkommen einen einfachen Zugang zu Krediten. Das Problem hierbei war, dass die Bonität der Kreditnehmer bei der Vergabe von „Subprime“-Darlehen oft unzureichend geprüft wurde. Bei vielen Krediten brauchte nicht einmal ein Einkommensnachweis erbracht zu werden, da allein von den Einkommensangaben der Kreditnehmer ausgegangen wurde.[4]
Die wichtigste Rolle für die Ausbreitung und das Ausmaß der Krise spielte jedoch das Verbriefungsgeschäft. Bei der Verbriefung handelt es sich um eine Finanztransaktion, die den Banken eine rasche Weitergabe der Kreditrisiken an den Kapitalmarkt ermöglicht. Dafür gründeten sie in der Regel eigene Zweckgesellschaften, auch Special Investment Vehicles (SIV), Special Purpose Vehicles (SPVs) oder Conduits genannt, an die sie ihre Kreditportfolios übertrugen. Diese strukturierten die Wertpapiere und Forderungen neu und bündelten diese in einem Pool. Anschließend wurden sie als anleiheähnliche strukturierte Finanzprodukte an Investoren in der ganzen Welt verkauft.[5] Pensionsfonds, Versicherungen, Hedgefonds sowie Banken und Notenbanken außerhalb der USA, die diese strukturierten Finanzprodukte erwarben, wurden auf diese Weise zu indirekten Kreditgebern für US-amerikanische Privathaushalte. Die Verbriefung hatte zur Folge, dass die Risiken aus den Subprime-Krediten außerhalb des US-amerikanischen Bankensystems über die Landesgrenzen hinweg übertragen wurden.[6]
Des Weiteren war das „originate and distribute “ Geschäftsmodell, bei dem Forderungen an Zweckgesellschaften verkauft wurden, mit erheblichen Anreizproblemen verbunden. Da die Risiken sehr schnell weitergereicht wurden, bestand für die Kreditinstitute kein Anreiz mehr, eine ausführliche Bonitätsprüfung der Kunden durchzuführen oder die Kredite bis zur Fälligkeit laufend zu überwachen. Auch die Investmentbanken, deren Geschäftsmodell darauf ausgerichtet ist, die Kreditrisiken nur durchzuleiten, waren primär nur an den Erträge aus Provisionseinnahmen für die Strukturierung der innovativen Finanzinstrumente interessiert und kümmerten sich nicht um die Qualität dieser Kredite.[7]
Diese Faktoren bildeten quasi die Wurzeln für die Subprime-Krise, die später in einer globalen Finanzmarktkrise ausartete. Als die kurzfristigen Zinsen in den USA zwischen 2004 und 2006 um mehr als vier Prozentpunkte deutlich anstiegen (vgl. Abbildung 1) und sich die US-Immobilienpreise ab 2006 stagnierten bzw. fielen, kamen die Schwachstellen im Verbriefungssystem zum Vorschein. Als Folge konnten die einkommensschwachen Kreditnehmer, aufgrund des fehlenden Eigenkapitals, ihren stark gestiegenen Schuldendienst nicht mehr bezahlen und mussten ihr Haus aufgeben. Die Zahlungsverzugsraten sowie Zwangsversteigerungen, vor allem bei den Subprime-Krediten mit variablen Zinsen, erhöhten sich kräftig, bis die Blase am Immobilienmarkt platzte.[8]
Folglich verloren die Wertpapiere, die diese Subprime-Kredite verbrieften, stark an Wert oder wurden ganz wertlos, wodurch ein sehr hoher Abschreibungsbedarf entstand. Damit gerieten auch ausländische Banken und andere Unternehmen, die solche Wertpapiere in ihren Portfolios hatten, stark unter Druck.[9] Die bis dahin auf den US-Hypothekenmarkt begrenzten Turbulenzen griffen auf die weltweiten Kreditmärkte über und erreichten so eine völlig neue Dimension, die globale Finanzmarktkrise.
2.2 Einflussfaktoren der Krise auf dem Finanzmarkt
2.2.1 Fehlende Transparenz komplexer Finanzinnovationen
Die Ausbreitung der ursprünglich in den Vereinigten Staaten begründeten Turbulenzen auf die ganze Welt wurde durch eine Reihe von Faktoren begünstigt, die nachfolgend näher erläutert werden sollen.
Wie bereits in Punkt 2.1 erwähnt, wurden die einzelnen Forderungen aus US-Krediten gebündelt und schließlich als anleiheähnliche strukturierte Finanzprodukte an Investoren weltweit verkauft. Mittlerweile gibt es eine Fülle solcher Finanzprodukte. Oft hört man im Zusammenhang mit der Finanzmarktkrise die Bezeichnungen ABS (Asset Backed Securities), MBS (Mortgage Backed Securities), RMBS (Residential MBS), CMBS (Commercial MBS), CDOs (Collateralized Debt Obligations), CLOs (Collateral Loan Obligations) oder CBOs (Collateral Bond Obligations).
Die nachfolgende Abbildung gibt einen groben Überblick über die möglichen Arten von strukturierten Produkten, welche in dieser Arbeit nicht im Einzelnen erläutert werden.
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abbildung 3: Strukturierte Produkte im Überblick
Eigene Darstellung
ABS werden hier sowohl als Oberbegriff für alle forderungsbesicherten Wertpapiere verstanden als auch als eine konkrete Produktgruppe. In den nachfolgenden Ausführungen werden ABS als Oberbegriff verwendet.
Durch die Komplexität dieser Finanzprodukte und die neuartigen Techniken der Kreditverbriefung wurden die negativen Entwicklungen auf den globalen Finanzmärkten begünstigt. Aufgrund der Verbriefung von einzelnen Forderungen zu strukturierten Finanzprodukten wie MBSs oder CDOs konnten Kredite aus dem nationalen Finanzsystem auf ausländische Investoren übertragen werden. Für die Kreditverbriefung und den Kreditrisikotransfer existieren unterschiedliche und teilweise hochkomplexe Technologien, auf die in dieser Arbeit nicht im Einzelnen näher eingegangen werden soll.
Grundsätzlich kann es sich bei einer Kreditverbriefung um einen einzelnen Kredit oder ein ganzes Kreditportfolio handeln. Bei dem Transfer ganzer Kreditbestände wird meistens von der kreditgewährenden Bank eine spezielle Zweckgesellschaft gegründet, die die Kreditbestände aufkauft, bündelt und in Form von Wertpapieren an verschiedene Investoren verkauft.
Die nachfolgende Abbildung soll vereinfacht den Hergang eines solchen Kredittransfers verdeutlichen.
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abbildung 4: Grundstruktur einer ABS-Transaktion
Eigene Darstellung
Bei einer ABS-Transaktion verkauft eine Bank (=Originator) ein Portfolio an Forderungen (=Assets) aus ihrem Forderungsbestand an eine ausschließlich zu diesem Zweck gegründete Gesellschaft (Special Purpose Vehicle, kurz SPV). Der Ankauf durch das SPV erfolgt still, d.h. unbemerkt von dem Schuldner (Kreditnehmer) des Originators. Das SPV wiederum refinanziert den Ankauf der Forderungen durch die Emission von Wertpapieren (Asset Backed Securities).
Dabei geht es bei der Verbriefung nicht nur darum, Kredite generell transferierbar zu machen. Eine wichtige Rolle spielte in den letzten Jahren auch die Strukturierung von verbrieften Kreditportfolios. Sie ermöglicht die Verteilung der Ausfallrisiken eines Portfolios von Krediten auf bestimmte Tranchen.
Die Wertpapiere der sogenannten Equity-Tranche tragen hierbei das höchste Risiko. Die Verluste aus den Forderungen müssen demnach zunächst von den Inhabern dieser Titel übernommen werden. Wenn die Verluste das Volumen der Equity-Tranche übersteigen, werden die Inhaber der Mezzanine-Tranche belastet. Die mit AAA-geratete Senior-Tranche stellt die sicherste Art der Anlage dar, da sie erst am Ende für Forderungsausfälle einstehen muss. Die unterschiedlich hohen Risiken der einzelnen Tranchen werden bei der Verzinsung mit entsprechenden Prämien vergütet. Somit ermöglicht die Tranchierung den Investoren, ihre Anlage entsprechend ihrem eigenen Risikoprofil zu differenzieren.
Aufgrund der Komplexität durch ein mehrmaliges hintereinander geschaltetes Verbriefen und mangelnde Transparenz der Finanzprodukte war es für die Investoren unmöglich zu erkennen, welche Risiken sich hinter den einzelnen ABS-Tranchen wirklich verbargen. Diese wurden mit einem Rating einer international anerkannten Rating-Agentur versehen und wiesen somit ein äußerst attraktiv wirkendes Chancen-Risiko-Profil auf. Die Komplexität der Transaktionen führte dazu, dass Anleger dazu neigten, sich bei den Anlagen stärker als bei anderen Wertpapieren auf die Ratingurteile der Agenturen zu verlassen. Gerade bei institutionellen Investoren wäre zu erwarten gewesen, dass sie, aufgrund der mangelnden Transparenz der Wertpapiere, nicht so leichtfertig in derart undurchschaubare Positionen investieren. Allerdings versprachen die Tranchen, die mit AAA geratet wurden, Renditen mit bis zu 40 Basispunkten Aufschlag auf den Zinssatz für sichere Anleihen, was die Bedenken der Investoren vermutlich zerstreut hat.[10]
Das eigentliche Problem war also nicht die Verbriefung an sich, sondern die Tatsache, dass die weitergereichten Risiken falsch eingeschätzt und somit auch falsch bzw. zu niedrig bepreist wurden. Andernfalls hätten diese Wertpapiere nicht zu solch einer großen Begeisterung bei den Investoren geführt. Fehlende Transparenz über den Risikogehalt und die Beschaffenheit der ABS-Produkte führte dazu, dass nicht mehr zwischen Subprime- und nicht Subprime-Tranchen unterschieden werden konnte und somit auch Märkte, die in die Subprime-Problematik in keiner Weise involviert waren und vorher hoch liquide waren, zusammenbrachen.
2.2.2 Renditestreben und Fehlanreize der Marktteilnehmer
In diesem Kapitel werden zwei weitere - eng miteinander zusammenhängende - Faktoren erläutert, die ebenfalls den Ausbruch der globalen Finanzmarktkrise begünstigt haben. Es handelt sich hierbei um das in den vergangenen Jahren immer größer werdende Renditestreben und die dadurch entstandenen Fehlanreize der Marktteilnehmer.
Als der Wachstumsdruck auf die weltweite Kreditwirtschaft in den vergangenen Jahren immer größer wurde, richteten fast alle Banken ihr Augenmerk auf Renditen und Erträge, potenzielle Risiken traten dabei in den Hintergrund. So setzte sich zum Beispiel die Deutsche Bank für das Jahr 2005 das Ziel, eine Eigenkapitalrendite von 25% zu erreichen. Diese Größe wurde im Laufe der Jahre zu einem Mindestmaßstab für internationale Großbanken.
Zur Erhöhung der Eigenkapitalrendite gibt es bestimmte Strategien, die die Banken in den letzten Jahren hartnäckig verfolgten. Zum einen lassen sich höhere Renditen erzielen, indem auf der Aktivseite entsprechend hohe Risiken eingegangen werden. Zum anderen lässt sich die erwartete Eigenkapitalrendite zusätzlich steigern, indem der Leverage-Effekt genutzt wird, d.h. indem der Eigenkapitalanteil reduziert bzw. der Fremdkapitalanteil ausgeweitet wird.[11]
Aus diesem Grund verbrieften die Banken ihre Kredite mit Hilfe von eigenen Zweckgesellschaften. Diese erschienen meist nicht in den (Konzern-)Bilanzen der Banken, wodurch es möglich war, die Risiken, die aus der Kreditvergabe resultierten, an die Zweckgesellschaften und somit aus der Bilanz auszulagern. Das hatte zur Folge, dass die Risiken nicht mehr mit dem entsprechenden Eigenkapital unterlegt werden mussten und die Banken somit mehr Kapital zur Verfügung hatten, um weitere Kredite zu vergeben, da die verbrieften Kredite nicht mehr ihr Eigenkapital belasteten.
Die Zweckgesellschaften emittierten ABS-Wertpapiere und erhielten dafür von den Banken, deren Töchter sie sind, großzügige Darlehen, obwohl sie selbst über faktisch kein Eigenkapital verfügten. Für die Banken stellte der Teil der Wertpapiere, der in den Zweckgesellschaften verblieben war, ein Risiko dar. Dem stand allerdings die Aussicht auf Erzielung sehr hoher Eigenkapitalrenditen gegenüber.[12] So schien bei dem ständigen Streben nach immer höherer Rendite die eigentliche, zentrale Funktion des Eigenkapitals, nämlich einen Puffer zu schaffen, der mögliche Verluste auffangen soll, in Vergessenheit geraten.
Der Wunsch nach hohen Renditen führte bei den Marktteilnehmern zu einer Reihe von Fehlentscheidungen. Heute stellen sich die Fragen: Warum vergaben Banken so leichtsinnig Kredite, warum verbrieften sie Forderungen zweifelhafter Qualität und warum kauften sie ebensolche Forderungen, ohne sich über mögliche Konsequenzen hinreichend Gedanken zu machen?
Ein Grund dafür war die große Asymmetrie der Anreize, d.h. die persönlichen Gewinnmöglichkeiten waren im Verhältnis zu den zu tragenden Verlusten zu hoch, sodass unverhältnismäßige Risiken eingegangen wurden. Hier entstanden Fehlanreize über mehrere Stufen hinweg.
Die Problematik solcher Fehlanreize tritt bei ungleicher Verteilung von Chancen und Risiken auf, beispielsweise wenn mit einem hohen Fremdkapitalanteil gearbeitet wird. Wer wenig „eigenes“ Kapital einsetzt kann im Verlustfall nur wenig verlieren, im Erfolgsfall dagegen kann er sehr viel an den Erträgen verdienen. Diese Denkweise schafft einen Anreiz, übermäßig Risiken anzuhäufen. Die Verantwortlichen in den Unternehmen profitieren von den erfolgsabhängigen Bonuszahlungen wenn ihr Geschäftsmodell aufgeht, geht die Spekulation schief, verlieren sie schlimmstenfalls ihren Job.
Auch die Kreditvergabe ohne ausreichende Bonitätsprüfung ist auf diese Problematik zurückzuführen. Wenn die Kreditvermittler nicht mehr das Risiko tragen, dass Kredite nicht zurückgezahlt werden, besteht für sie der Anreiz, möglichst vielen Menschen möglichst hohe Kredite zu geben, um hohe Provisionen zu erzielen. Wer aber bei der Kreditvergabe schon davon ausgeht, dass das Kreditrisiko im Zeitpunkt eines Ausfalls längst verkauft ist, hat kein Interesse daran, Zeit und Kosten für eine sorgfältige Bonitätsprüfung aufzuwenden. Auch besteht kein Anreiz mehr, durch eine laufende Überwachung des Kreditnehmers das Kreditrisiko gering zu halten.[13]
Das Problem der asymmetrischen Information besteht auch zwischen einer Bank und demjenigen, der ihre Kreditrisiken übernimmt. Da die Bank deutlich besser über die Qualität ihres Kreditportfolios und der damit zusammenhängenden Risiken informiert ist als die Risikonehmer, besteht die Gefahr, dass sie vorrangig ihre schlechten Risiken verbrieft und generell keinen Anreiz hat, den Risikogehalt der verbrieften Portfolios sorgfältig zu prüfen.[14]
Als problematisch wurde auch erkannt, dass Ratingagenturen einem erheblichen Interessenskonflikt ausgesetzt waren. Dieser ergab sich daraus, dass die Agenturen einerseits die Emittenten der strukturierten Produkte berieten, wie die Tranchen zu bilden sind und andererseits dann das Rating für diese Tranchen auch selbst vornahmen. Dies führte dazu, dass die Agenturen keinen Anreiz hatten, ihre Aufgabe als Risikoprüfer unabhängig und neutral wahrzunehmen. Problematisch dabei war auch, dass die Ratingagenturen von guten Bewertungen der Verbriefungstranchen selbst profitierten, weil mit der Erteilung der Ratings der Umsatz der Agenturen und damit ihre Erlöse stiegen. Hätten sie zu streng bewertet, wäre ihre eigene Ertragsstärke gefährdet gewesen, denn die Verbriefungstransaktionen sind umso profitabler, je größer die AAA-Tranche ist.[15]
Asymmetrische Anreizsysteme dieser Art, hoher Fremdkapitaleinsatz und das Streben nach Rendite haben somit dazu geführt, dass Banken übermäßig hohe Risiken eingegangen sind, was ihnen im Laufe der Finanzkrise zum Verhängnis wurde.
2.2.3 Lückenhaftes Risikomanagement
Eine weitere Ursache für die jetzigen Finanzmarktturbulenzen liegt sicherlich auch darin, dass eine der Kernaufgaben der Banken versagte, nämlich das Risikomanagement. Zum einen wäre es zu der Krise in ihrer heutigen Form vermutlich nicht gekommen, wenn die verbrieften Kredite, in Form komplexer Finanzmarktprodukte, nicht absetzbar gewesen wären. Ein Grund dafür, dass es soweit kam, dürfte in der zum Teil unzureichenden Qualität des Managements solcher Verbriefungsrisiken sowie in seiner unzureichenden Kontrolle begründet sein.
Banken und andere institutionelle Investoren hatten sich darauf verlassen, von den Ratingagenturen verlässliche Informationen zu erhalten, anstatt selbst eigenständige Prüfungen ihrer Wertpapierkäufe bzw. -verkäufe vorzunehmen. Zwar sind die Banken weitgehend auf Daten und Informationen der Ratingagenturen angewiesen, sollten diese aber zumindest auf ihre Plausibilität prüfen. So hätte zumindest, angesichts der Immobilienwertsteigerungen in den USA und des deutlich gestiegenen Zinses am US-Markt, die Fähigkeit der Schuldner, Zins und Tilgung zu tragen, hinterfragt werden müssen, vor allem bei den Schuldnern am Subprime Markt. Dies wurde von den Banken und den Ratingagenturen nicht ausreichend berücksichtigt.[16]
Zum anderen erweist sich die mangelnde Fokussierung auf die Liquiditätsrisiken als ein weiteres gravierendes Problem im Risikomanagement. Im Mittelpunkt der letzten Jahre stand vor allem die Messung und Steuerung des Marktrisikos, während die Liquiditätsrisiken sowie die Refinanzierungs- und Kündigungsrisiken in den Hintergrund gerückt sind. Im Zuge der internationalen Finanzkrise wurde jedoch deutlich, dass eben diese Risiken einer genauso intensiven Steuerung und Kontrolle bedürfen, da sie zu einer extremen Illiquidität der Märkte führen können.[17]
Neben diversen Mängeln bei der Einschätzung der Risiken war bei vielen Banken auch eine mangelhafte Risikokultur ein Grund, der zu Fehlern im Risikomanagement geführt hat. Eine angemessene Risikokultur ist Grundlage und Voraussetzung für die Funktionsfähigkeit eines Risikomanagementsystems.
Über mehrere Jahre hinweg haben Banken, vor allem vor dem Hintergrund von Basel II und weiteren Anforderungen der Regulierungsbehörden, in Risikomanagementmethoden, -prozesse und -infrastruktur investiert. Damit mögen sie zwar den regulatorischen Anforderungen entsprochen haben, das Thema wurde jedoch nur selten fundamental behandelt.[18]
Aufgrund der stetig steigenden Komplexität der Risikomanagementsysteme und -prozesse setzten sich nur wenige Banken mit der Qualität und Integrität ihres Datenmaterials auseinander, da zum Teil blindes Vertrauen in diese Systeme und Prozesse herrschte. Problematisch war auch die Tatsache, dass diese Modelle von zu wenigen Managern selbst verstanden wurden, das Gleiche galt vermutlich auch für die Wirtschaftsprüfer, die die Banken prüften und den Aufsichtsrat, dessen Funktion es ist, das Management zu überwachen. Weiterhin wurde die Risikodisziplin und Stellung des Risikomanagements nachhaltig dadurch geschwächt, dass Druck auf das Risikomanagement ausgeübt wurde, um die zunehmend riskanter werdenden Transaktionen doch noch zu bewilligen oder aber die Limitstruktur anzupassen. Dies geschah vor allem aufgrund des starken Ertrags- und Renditedrucks vieler Banken, der in den letzten Jahren herrschte.[19]
Die Problematik der Vernachlässigung der Risikokultur betrifft nicht nur die US-Banken, sondern ebenso die Banken anderer Länder, die gemeinsam als Investoren der strukturierten Finanztitel aufgetreten sind.
2.3 Auswirkungen der Finanzmarktkrise und aktuelle Situation
Nachdem der Subprime-Markt zusammenbrach, erreichte die Finanzmarktkrise nach und nach ein Ausmaß, das zu Beginn kaum jemand für möglich gehalten hätte. Mit dem Fortgang der Krise wurde immer deutlicher, dass sich ein großer Teil von Wertpapieren mit Abschreibungsbedarf in den Bankbilanzen konzentrierte. Bis heute haben Institute weltweit mehrere Hundert Mrd. US-$ an Wertberichtigungen oder Abschreibungen im Zusammenhang mit der Finanzmarktkrise vorgenommen.
Von den gesamten Abschreibungsverlusten würde etwa die Hälfte auf Banken entfallen, die andere Hälfte auf Versicherungen, Pensionsfonds, Hedgefonds und andere institutionelle Anleger. Die nachfolgende Abbildung zeigt, dass die Vereinigten Staaten, wo die Krise ihren Ursprung hatte, bis Juni 2008 mit über 50 Prozent den größten Anteil an den Abschreibungen und Wertberichtigungen zu verzeichnen hatten. Europa ist mit knapp 44 Prozent nur wenig besser gestellt, wobei die Verteilung innerhalb Europas auf die einzelnen Länder sehr unterschiedlich ausfällt, da eine größere Gruppe von Ländern nur geringe Wertkorrekturen vornehmen musste.[20]
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abbildung 5: Wertberichtigungen bei Banken im internationalen Vergleich
Quelle: Sachverständigenrat (2008a), S. 132.
Aufgrund zahlreicher Abschreibungen und damit entstehender Verluste verloren die Banken gegenseitig das Vertrauen, da nicht mehr bekannt war, welche Risiken sich noch in der Bilanz des jeweils Anderen verbargen und wie es um die Bonität des Anderen gestellt war.
Der Vertrauensverlust bei Banken untereinander hatte fatale Konsequenzen. Die Möglichkeit sich jederzeit Geld von anderen Banken leihen zu können, ist ein wichtiger Pfeiler in der Liquiditätssteuerung, der nun plötzlich wegbrach.[21] Zahlreiche Banken begannen ihre Liquidität zu horten, weil sie bei einem Geldmarktgeschäft mit einem anderen Institut befürchteten, dass dieses in Zahlungsschwierigkeiten gerät und nicht mehr in der Lage ist, seinen Verpflichtungen nachzukommen.
Seit diesem Zeitpunkt versuchten die Notenbanken weltweit mit einer Art Notprogramm die Geldmärkte zu stabilisieren. Die Kreditinstitute wurden von den Zentralbanken in viel größerem Ausmaß als in der Vergangenheit mit Liquidität versorgt, um die Liquidität des Interbankenmarktes zu ersetzten. Außerdem eröffneten sie den Banken die Möglichkeit, ansonsten nahezu illiquide verbriefte Titel bei der Refinanzierung einzusetzen.[22]
Als dann Mitte September 2008 die amerikanische Regierung zuließ, dass eine der fünf größten US-Investmentbanken, Lehman Brothers, Insolvenz anmeldete, wurde die Finanzkrise vollkommen unberechenbar. Das Vertrauen darauf, dass bei einer zumindest hinreichend großen Bank letztlich der Staat eingreifen wird und eine Insolvenz abwendet, ging endgültig verloren. Spätestens jetzt wurde allen Finanzmarktteilnehmern bewusst, dass die Finanzmarktkrise zu einer existentiellen Bedrohung auswuchs.
In den nachfolgenden Wochen und Monaten verschwanden die großen Investmentbanken, wenn nicht durch Übernahme oder Insolvenz, dann indem sie ihren Sonderstatus als Investmentbank aufgaben und zu „normalen“ Geschäftsbanken wurden, quasi über Nacht. Zahlreiche Kreditinstitute konnten nur durch massive staatliche Unterstützung bzw. durch eine staatliche Übernahme gerettet werden. Nachdem sich die allgemeine Situation immer weiter zuspitzte, starteten die Regierungen der wichtigsten Industrienationen schließlich diverse milliardenhohe Rettungsprogramme, um einen drohenden weltweiten Zusammenbruch des Bankensystems zu verhindern.[23]
Im Jahr 2008 und Anfang des Jahres 2009 stand somit das Krisenmanagement im Vordergrund, zunächst als Liquiditätsmanagement der Zentralbanken und dann im weiteren Verlauf der Krise mit dem Schnüren von staatlichen Rettungspaketen und Konjunkturprogrammen. Anfang 2009 spitze sich die Krise weiter zu. Nachdem Banken und andere Unternehmen ihre Jahreszahlen, mit teilweise milliardenhohen Verlusten, bekannt gaben, stürzten die Aktienmärkte weltweit ab. So fiel der DAX30 im Februar 2009 unter die Grenze von 4000 Punkten und erreichte damit den tiefsten Stand seit Herbst 2004[24].
Im Juni 2009 geht es an den Finanzmärkten deutlich entspannter zu. Der DAX hat sich etwas erholt und bewegt sich nun an der 5000-Punkte Grenze. Die Wirtschaft scheint sich langsam mit Hilfe weltweiter Konjunkturprogramme und der Geldspritzen der Notenbanken zu erholen. Allerdings rechnet die Bundesbank in diesem Jahr trotzdem noch mit einem Schrumpfen der deutschen Wirtschaft von 6,2 Prozent.[25]
3 Corporate Governance
3.1 Begriffsdefinition
Corporate Governance ist heute innerhalb der betriebswirtschaftlichen Theorie, vor allem vor dem Hintergrund der aktuellen Finanzmarktkrise, eines der am häufigsten diskutierten Themen. Ausgangspunkt der klassischen Corporate-Governance-Debatte ist die erstmals von den Ökonomen Berle und Means in den dreißiger Jahren des letzten Jahrhunderts ausführlich beschriebene Problematik der Trennung von Eigentum und Leitung bei Kapitalgesellschaften[26], worauf in Punkt 3.2 näher eingegangen werden soll.
Eine häufig verwendete Definition bezeichnet Corporate Governance als „den faktischen und rechtlichen Ordnungsrahmen für die Leitung und Überwachung eines Unternehmens.“[27] Umfassender definieren sie die OECD Principles of Corporate Governance aus dem Jahr 2004: „Corporate governance involves a set of relationships between a company’s management, its board, its shareholders and other stakeholders. Corporate governance also provides the structure through which the objectives of the company are set, and the means of attaining those objectives and monitoring performance are determined.”[28]
[...]
[1] Vgl. Bafin (2008), S. 15.
[2] Vgl. Bloss / Ernst / Häcker, / Eil (2009), S. 15.
[3] Vgl. Burghof / Prothmann (2008), S. 703.
[4] Vgl. Neubäumer (2008), S. 735.
[5] Vgl. Bafin (2008), S. 15.
[6] Vgl. Sachverständigenrat (2007), S. 93.
[7] Vgl. Bafin (2008), S. 16.
[8] Vgl. Bafin (2008), S. 16-17.
[9] Vgl. Neubäumer (2008), S. 736.
[10] Vgl. Hartmann-Wendels (2008), S. 708-709.
[11] Vgl. Hartmann-Wendels (2008), S. 708.
[12] Vgl. Neubäumer (2008), S. 734.
[13] Vgl. Hartmann-Wendels (2008), S. 710.
[14] Vgl. Sachverständigenrat (2007), S. 120.
[15] Vgl. Hartmann-Wendels (2008), S. 710.
[16] Vgl. Hagedorn (2007), S. 23.
[17] Vgl. Rudolph (2008), S. 728.
[18] Vgl. Liebert / Bussmann (2009), S. 42.
[19] Vgl. Liebert / Bussmann (2009), S. 43.
[20] Vgl. Sachverständigenrat (2008a), S. 130.
[21] Vgl. Hartmann-Wendels (2008), S. 709.
[22] Vgl. Burghof / Prothmann (2008), S. 704.
[23] Vgl. Hartmann-Wendels (2008), S. 707-709.
[24] Vgl. o.V. (2009).
[25] Vgl. Berger (2009).
[26] Vgl. Berle / Means (1932).
[27] Von Werder (2008a), S. 1.
[28] OECD (2004), S. 11.
Details
- Seiten
- Erscheinungsform
- Originalausgabe
- Erscheinungsjahr
- 2009
- ISBN (eBook)
- 9783836636346
- DOI
- 10.3239/9783836636346
- Dateigröße
- 1.6 MB
- Sprache
- Deutsch
- Institution / Hochschule
- Frankfurt University of Applied Sciences, ehem. Fachhochschule Frankfurt am Main – Wirtschaft und Recht, Studiengang Betriebswirtschaft
- Erscheinungsdatum
- 2009 (Oktober)
- Note
- 1,3
- Schlagworte
- finanzkrise corporate governance performancemessung managemententlohnung risikomanagement
- Produktsicherheit
- Diplom.de