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Spieltheoretische Betrachtung von Tarifverhandlungen

©2008 Diplomarbeit 76 Seiten

Zusammenfassung

Inhaltsangabe:Einleitung:
Warum verlaufen Tarifverhandlungen zwischen Arbeitgebern und Arbeitnehmern so unterschiedlich und doch immer so ähnlich? Warum stellen manche Gewerkschaftsvertreter hohe und manche geringe Forderungen an die Arbeitgeber? Warum geben sich die einen mit dem Mittelmaß zufrieden, die anderen dagegen gehen aufs Ganze und hoffen die Maximalforderung durchsetzen zu können?
All diese Fragen können auf vielfältige Weise beantwortet und mit Hilfe zahlreicher wissenschaftlicher Instrumente analysiert werden. In dieser Arbeit wird der spieltheoretische Ansatz zur Betrachtung von Tarifverhandlungen herangezogen.
Spieltheorie ist eine Methode zur Untersuchung von Entscheidungen in Konfliktsituationen. Sie behandelt menschliche Entscheidungsprozesse, in denen das Ergebnis von den Entscheidungen mehrerer Entscheidungsträger (Spieler) abhängt. Dabei kann ein einzelner das Ergebnis nicht unabhängig von der Wahl des anderen bestimmen.
Der Spieler kann eine einzelne Person, eine Gruppe, eine Organisation oder eine Gesellschaft sein. In die Betrachtung können politische, psychologische, soziologische, ökonomische oder andere Aspekte des menschlichen Lebens einbezogen werden. Die Spieltheorie richtet sich auf Probleme, die Konflikt, Kooperation oder beides mit sich bringen und deren wesentliche Lösungsformen Einvernehmen und Schlichtung sind.
Das Ziel dieser Arbeit ist es, am Beispiel der Tarifverhandlungen zwischen der Gewerkschaft Deutscher Lokomotivführer und der Deutschen Bahn AG zu zeigen, ob im Rahmen des Spiels mit dem Abgrund (Brinkmanship) eine Strategie der Konfrontation zum Erfolg führen kann. Als Lösungsansatz wird der von Thomas C. Schelling eingeführte Begriff der strategischen Züge gewählt.
Dabei werden folgende Thesen aufgestellt:
Die Gewerkschaft Deutscher Lokomotivführer ist in keinem Fall bereit von ihren Forderungen abzuweichen und ist im Zweifelsfall eher entschlossen in den Abgrund zu stürzen als mit der Deutschen Bahn AG zu kooperieren.
Die Deutsche Bahn AG ist grundsätzlich kooperationsbereit, wird allerdings alles dafür tun, um erst im letztmöglichen Schritt zu kooperieren.
Zu Beginn wird der Verlauf der Auseinandersetzung in chronologischer Reihenfolge dargestellt. Dadurch sollen Grundinformationen über den Verlauf der Tarifverhandlungen zwischen den Gewerkschaften und dem Arbeitgeber vermittelt werden. Die Kenntnis der zeitlichen und sachlichen Zusammenhänge erleichtert das weitere Verständnis der einzelnen […]

Leseprobe

Inhaltsverzeichnis


Viktor Gauk
Spieltheoretische Betrachtung von Tarifverhandlungen
ISBN: 978-3-8366-3633-9
Herstellung: Diplomica® Verlag GmbH, Hamburg, 2009
Zugl. Universität Passau, Passau, Deutschland, Diplomarbeit, 2008
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© Diplomica Verlag GmbH
http://www.diplomica.de, Hamburg 2009

II
Inhaltsverzeichnis
Abbildungsverzeichnis ... IV
1. Einleitung
... 1
2. Ablauf der tariflichen Auseinandersetzungen zwischen
der Deutschen Bahn AG und den Gewerkschaften
TRANSNET, GDBA und GDL ... 3
3. Brinkmanship ­ Spiel mit dem Abgrund ... 14
3.1 Allgemeine Darstellung des Spiels mit dem Abgrund ... 15
3.2. Lösungsansatz von Thomas C. Schelling ... 17
3.3. Beispiele für strategisches Verhalten... 21
4. Anwendung der Spiele auf den Tarifkonflikt zwischen
der Deutschen Bahn AG und den Gewerkschaften
TRANSNET, GDBA und GDL ... 28
4.1. Allgemeine Darstellung des Konflikts zwischen einem
Unternehmen und einer Gewerkschaft ohne
Durchsetzungsmöglichkeiten ... 28
4.2. Konkretisierung des Konflikts zwischen einem
Unternehmen und einer Gewerkschaft mit der
Einbeziehung des Elements einer Streikandrohung
durch die Gewerkschaft ... 30
4.3. Darstellung der Beziehungen zwischen der
Tarifgemeinschaft und der GDL ... 33
4.4. Darstellung der Beziehungen zwischen der
Tarifgemeinschaft und der Deutschen Bahn AG ... 34
4.5. Analyse des Konflikts zwischen der GDL und der
Deutschen Bahn AG... 36

III
5. Anwendung
strategischer Züge auf den Tarifkonflikt
zwischen der Deutschen Bahn AG und der GDL ... 40
5.1. Anwendung strategischer Züge durch die GDL ... 40
5.1.1. Kompromiss ist ein Zeichen der Schwäche ... 40
5.1.2. Abgabe der Kontrolle über den Ausgang des
Spiels ... 42
5.1.3. Vorgehen in kleinen Schritten ... 44
5.1.4. Aufteilung der Forderung ... 47
5.1.5. Unmöglichkeit von Kommunikation ... 48
5.2. Anwendung strategischer Züge durch die Bahn ... 50
5.2.1. Verwendung von Verträgen ... 50
5.2.2.
Bedingungsloser Zug und Verhinderung von
Rückzugsmöglichkeit ... 51
5.3. Gemeinsamer Einsatz von strategischen Zügen ... 53
5.3.1.
Delegation
von
Entscheidungen ... 53
5.3.2.
Einsetzen
von
Vermittlern
...
57
5.3.3. Aufbau von Ansehen ... 58
5.3.4.
Versprechen
...
60
6. Abschlussbemerkungen und Fazit ... 61
Literaturverzeichnis ... 66

IV
Abbildungsverzeichnis
Abbildung 1:
Vergleich zwischen der Deutschen Bahn AG
und der GDL ... 4
Abbildung 2:
Übersicht: Konfliktverlauf ... 13
Abbildung 3:
Brinkmanship ­ Spiel mit dem Abgrund ... 15
Abbildung 4:
Übersicht: Strategische Züge ... 18
Abbildung 5:
Strategische Züge: Bedingungsloser Zug ... 22
Abbildung 6:
Strategische Züge: Drohung ... 23
Abbildung 7:
Strategische Züge: Kombination aus Drohung
und Versprechen ... 25
Abbildung 8:
Strategische Züge: Kombination von zwei
Spielen ... 27
Abbildung 9: Allgemeine Konfliktsituation zwischen
Unternehmen und Gewerkschaft ... 29
Abbildung 10: Brinkmanship zwischen Unternehmen und
Gewerkschaft ... 31
Abbildung 11: Konfliktsituation zwischen Tarifgemeinschaft
und GDL ... 33
Abbildung 12: Brinkmanship zwischen GDL und Bahn ... 37
Abbildung 13: Sequenzielles Spiel ... 38
Abbildung 14: Anwendung strategischer Züge ... 39

1. Einleitung
Warum verlaufen Tarifverhandlungen zwischen Arbeitgebern und Ar-
beitnehmern so unterschiedlich und doch immer so ähnlich? Warum
stellen manche Gewerkschaftsvertreter hohe und manche geringe For-
derungen an die Arbeitgeber? Warum geben sich die einen mit dem
Mittelmaß zufrieden, die anderen dagegen gehen aufs Ganze und hof-
fen die Maximalforderung durchsetzen zu können?
All diese Fragen können auf vielfältige Weise beantwortet und mit Hilfe
zahlreicher wissenschaftlicher Instrumente analysiert werden. In dieser
Arbeit wird der spieltheoretische Ansatz zur Betrachtung von Tarifver-
handlungen herangezogen.
Spieltheorie ist eine Methode zur Untersuchung von Entscheidungen in
Konfliktsituationen. Sie behandelt menschliche Entscheidungsprozesse,
in denen das Ergebnis von den Entscheidungen mehrerer Entschei-
dungsträger (Spieler) abhängt. Dabei kann ein einzelner das Ergebnis
nicht unabhängig von der Wahl des anderen bestimmen.
Der Spieler kann eine einzelne Person, eine Gruppe, eine Organisation
oder eine Gesellschaft sein. In die Betrachtung können politische, psy-
chologische, soziologische, ökonomische oder andere Aspekte des
menschlichen Lebens einbezogen werden. Die Spieltheorie richtet sich
auf Probleme, die Konflikt, Kooperation oder beides mit sich bringen
und deren wesentliche Lösungsformen Einvernehmen und Schlichtung
sind (Shubik 1965, S. 18).
Das Ziel dieser Arbeit ist es, am Beispiel der Tarifverhandlungen zwi-
schen der Gewerkschaft Deutscher Lokomotivführer und der Deutschen
Bahn AG zu zeigen, ob im Rahmen des Spiels mit dem Abgrund
(Brinkmanship) eine Strategie der Konfrontation zum Erfolg führen
kann. Als Lösungsansatz wird der von Thomas C. Schelling (1979) ein-
geführte Begriff der strategischen Züge gewählt.
1

Dabei werden folgende Thesen aufgestellt:
- Die Gewerkschaft Deutscher Lokomotivführer ist in keinem Fall
bereit von ihren Forderungen abzuweichen und ist im Zweifelsfall
eher entschlossen in den Abgrund zu stürzen als mit der
Deutschen Bahn AG zu kooperieren.
- Die Deutsche Bahn AG ist grundsätzlich kooperationsbereit, wird
allerdings alles dafür tun, um erst im letztmöglichen Schritt zu
kooperieren.
Zu Beginn wird der Verlauf der Auseinandersetzung in chronologischer
Reihenfolge dargestellt. Dadurch sollen Grundinformationen über den
Verlauf der Tarifverhandlungen zwischen den Gewerkschaften und dem
Arbeitgeber vermittelt werden. Die Kenntnis der zeitlichen und sachli-
chen Zusammenhänge erleichtert das weitere Verständnis der einzel-
nen Analyseschritte.
In Kapitel 3 folgt die Darstellung des Spiels mit dem Abgrund (Brink-
manship) in einer in der Literatur allgemein gebräuchlichen Form. Die
folgenden Ausführungen über strategische Züge werden durch allge-
mein formulierte Spiele plausibilisiert.
In Kapitel 4 werden Spiele entwickelt, mit Hilfe derer man den Ablauf
von tariflichen Auseinandersetzungen nachvollziehen kann. Dabei wird
von der Frage nach einer Interdependenz zwischen der Gewerkschaft
und dem Unternehmen, über Formulierung von konkreten Forderungen
bis hin zur direkten Konfrontation der Parteien ein kausaler Zusammen-
hang aufgebaut, der schließlich im Brinkmanship-Spiel endet.
In Kapitel 5 wird der Versuch unternommen, anhand von konkreten
Beispielen aus dem Tarifkonflikt zwischen der Gewerkschaft Deutscher
Lokomotivführer und der Deutschen Bahn AG, eine Lösung mit Hilfe der
strategischen Züge zu erzielen. Trotz der Eindeutigkeit der Lösungs-
hinweise, ist es zum Schuss nicht einfach, eine eindeutige Aussage
über den Ausgang des Konfliktes zu treffen.
2

2.
Ablauf der tariflichen Auseinandersetzungen zwischen der
Deutschen Bahn AG und den Gewerkschaften TRANSNET,
GDBA und GDL
Vor einer Analyse des Konfliktes erscheint es zunächst sinnvoll, die
beteiligten Parteien vorzustellen und den Konfliktverlauf zu skizzieren.
Die Deutsche Bahn AG, im folgenden Bahn genannt, beschäftigt insge-
samt 229.200 Mitarbeiter (Deutsche Bahn AG 2007, S. 89), wovon
20.000 Mitarbeiter Lokomotivführer (Streckenlokführer, Lehrlokführer,
Lokrangierführer) sind. Von den 20.000 Lokomotivführern sind rund
8.000 Beamte. Rund 134.000 Mitarbeiter der Bahn werden von der
Verkehrsgewerkschaft GDBA (vormals Gewerkschaft Deutscher Bun-
desbahnbeamten und Anwärter), im folgenden GDBA genannt, der
Gewerkschaft TRANSNET und der Gewerkschaft Deutscher Lokomotiv-
führer (GDL) vertreten.
Die GDBA vertritt Mitglieder aller Berufsgruppen in den Bereichen Ver-
kehr, Dienstleistung und Telekommunikation und ist im Dachverband
des dbb beamtenbund und tarifunion (vormals Deutscher Beamten-
bund), im folgenden DBB genannt, organisiert (Verkehrsgewerkschaft
GDBA 2008).
TRANSNET steht für Transport, Service, Netze und organisiert Be-
schäftigte im Transportsektor, überwiegend im Bahnbereich. Dazu ge-
hören Lokomotivführer, Busfahrer, Service- und Sicherheitskräfte auf
Bahnhöfen und Wartungspersonal für das Schienen- und Informations-
netz. TRANSNET hat über 250.000 Mitglieder aus rund 100 Berufs-
zweigen und gehört der Dachorganisation Deutscher Gewerkschafts-
bund (DGB) an. Die beiden Gewerkschaften TRANSNET und GDBA
bilden seit 01.08.2005 eine Tarifgemeinschaft, die für Tarifverhandlun-
gen im Organisationsgebiet der beiden Gewerkschaften zuständig ist
(TRANSNET 2008).
Die GDL vertritt die Interessen der Lokomotivführer und des Zugbe-
gleitpersonals bei der Deutschen Bahn AG und bei anderen Eisen-
bahnverkehrsunternehmen. Die Gewerkschaft hat 34.000 Mitglieder,
3

wovon 19.000 bei der Deutschen Bahn AG beschäftigt sind. Rund
16.000 von ihnen zählen zu den Lokomotivführern der Bahn, wobei cir-
ca 6.000 verbeamtet sind (Seibert 2008). GDL ist, wie GDBA, Mitglied
im DBB (GDL 2008).
Deutsche Bahn AG
GDL
229.200 Mitarbeiter
34.000 Mitglieder
20.000 Lokführer, davon
16.000 Lokführer der Bahn, davon
8.000 beamtete Lokführer
6.000 beamtete Lokführer der Bahn
12.000 nicht beamtete Lokführer
10.000 nicht beamtete Lokführer der Bahn
Eigene Darstellung, Quelle: Deutsche Bahn AG (2007, S. 89), Seibert (2008)
Abbildung 1: Vergleich zwischen der Deutschen Bahn AG und der GDL
Am 28.03.2007 veröffentlichte die Deutsche Bahn AG ihren Geschäfts-
bericht für das Jahr 2006, in dem eine Gewinnsteigerung vor Zinsen
und Steuern von 1,352 Milliarden Euro im Jahr 2005 auf 2,477 Milliar-
den Euro im Jahr 2006 und eine Umsatzsteigerung von 25,055 Milliar-
den Euro auf 30,053 Milliarden Euro verzeichnet wurde (Deutsche Bahn
AG 2007). Bei den Tarifverhandlungen zwischen den Gewerkschaften
TRANSNET, GDBA und GDL und dem Konzern Deutsche Bahn AG,
die im April 2007 begannen, zeichnete sich eine Spaltung der drei Ge-
werkschaften ab. Der gültige Tarifvertrag lief am 30.06.2007 aus und
mit ihm auch die Friedenspflicht, die Arbeitskampfmaßnahmen während
der Gültigkeit des Tarifvertrages nicht zuließ.
Die Gewerkschaften GDBA und TRANSNET, die eine Tarifgemein-
schaft bildeten, forderten von der Bahn eine sieben prozentige Ein-
kommenssteigerung, mindestens jedoch 150 Euro monatlich. Letzteres
wurde als ,,soziale Komponente" für untere Einkommensgruppen be-
zeichnet. Der Tarifvertrag sollte eine Laufzeit von zwölf Monaten haben
(TRANSNET 2007a).
Die Bahn entgegnete mit einem Angebot von zwei Prozent Einkom-
menssteigerung ab 01.01.2008, von weiteren zwei Prozent ab
01.07.2009 und einer konjunkturbedingten Sonderzahlung in Höhe von
4

300 Euro für die Monate Juli bis Dezember 2007. Der Tarifvertrag sollte
eine 30-monatige Laufzeit haben. Das Angebot wurde von der Tarifge-
meinschaft abgelehnt und es wurde mit Warnstreiks nach Ablauf der
Friedenspflicht gedroht (Handelsblatt 2007a, S. 14).
Die GDL forderte unabhängig von der Tarifgemeinschaft einen eigen-
ständigen Fahrpersonaltarifvertrag und eine Einkommenserhöhung um
bis zu 31 Prozent für die Lokomotivführer und das Fahrpersonal, zu
dem u.a. Zugbegleiter und Servicekräfte gehören. Andernfalls drohte
GDL ebenfalls mit dem Aufruf zu Arbeitsniederlegungen (Süddeutsche
Zeitung 2007a, S. 28). Bereits 2003 beabsichtigte die GDL mit Streiks
einen eigenständigen Tarifvertrag für die Lokomotivführer, Zugbegleiter
und das Servicepersonal im Zug durchzusetzen. Nach einer Schlich-
tung bekam die GDL die Federführung bei den Verhandlungen für die
oben genannten Berufsgruppen zugesprochen. Das führte zu zwei in-
haltsgleichen Tarifverträgen zwischen der Tarifgemeinschaft und der
Bahn sowie der GDL und der Bahn. Mit der Begründung, die Interessen
ihrer Mitglieder besser vertreten zu können als große Gewerkschaften,
schlug die GDL den Weg der Berufsvertretungen ein. Sie orientierte
sich bei ihrem Vorgehen an der Vereinigung Cockpit, im folgenden
Cockpit genannt, welche die Interessen der Piloten vertritt, und der
Ärztevereinigung Marburger Bund (Haas 2007, S. 19).
Am 02.07.2007 und 03.07.2007 riefen alle drei Gewerkschaften ihre
Mitglieder unabhängig voneinander zu bundesweiten Arbeitsniederle-
gungen für jeweils wenige Stunden im Personen- und Güterverkehr auf.
Als Begründung für ihre Forderungen führten die Gewerkschaften einen
Reallohnverlust bei den Beschäftigten um 9,5 Prozent seit der Bahnre-
form im Jahr 1994 an (Süddeutsche Zeitung 2007b, S. 1). Daraufhin lud
die Bahn Vertreter aller drei Gewerkschaften zu Verhandlungen ein und
unterbreitete ein neues Angebot. Das Einkommen sollte ab 01.01.2008
um 3,4 Prozent steigen und es sollte eine einmalige Sonderzahlung in
Höhe von 450 Euro für das Jahr 2007 erfolgen. Im Gegenzug sollte die
Arbeitszeit von 39 auf 40 Stunden pro Woche steigen. Die Tarifgemein-
schaft wollte weiter verhandeln, die GDL lehnte den Vorschlag dagegen
5

ab und kündigte weitere Warnstreiks an (Krummheuer 2007a, S. 1).
Nach der Vorstellung der GDL sollte das Einstiegsgehalt eines Lokomo-
tivführers von 1970 Euro Brutto heute auf 2500 Euro Brutto und auf der
höchsten Gehaltsstufe von 2142 Euro Brutto heute auf 2999 Euro Brut-
to steigen. Dies entspräche einer relativen Steigerung um jeweils 27
und 40 Prozent (Esslinger 2007a, S. 21).
Am 09.07.2007 erzielte die Tarifgemeinschaft aus TRANSNET und
GDBA mit der Bahn eine Einigung über den neuen Tarifvertrag. Dieser
sah eine Einkommenssteigerung in Höhe von 4,5 Prozent und eine
Einmalzahlung in Höhe von 600 Euro für das Jahr 2007 vor, allerdings
mindestens einen Gesamtbetrag in Höhe von 1600 Euro Brutto über die
gesamte Laufzeit des Tarifvertrages. Der Vertrag sollte ab dem
01.01.2008 gelten und eine Laufzeit von neunzehn Monaten haben. Die
Zustimmung der Verbandstarifkommission folgte am gleichen Tag
(TRANSNET 2007b). Die GDL lehnte diesen Tarifvertrag ab und vertag-
te die Verhandlungen.
Gleichzeitig ging die Bahn gegen die GDL juristisch vor. Sie stellte bei
den Arbeitsgerichten Düsseldorf und Mainz Anträge auf einstweilige
Verfügungen gegen mögliche Streiks der GDL. Die GDL forderte wei-
terhin einen eigenständigen Tarifvertag, reduzierte jedoch die Forde-
rung nach Einkommenssteigerungen auf 21 Prozent. Gleichzeitig be-
tonte sie, dass das folgende Gespräch das Letzte sein würde. Falls kei-
ne Einigung zustande käme, würde die Gewerkschaft die Urabstim-
mung zum regulären Arbeitskampf einleiten (Esslinger 2007b, S. 17).
Die Bahn lehnte einen eigenständigen Tarifvertrag für das Fahrpersonal
mit der Begründung ab, dieser führe zu unterschiedlichen Tarifregelun-
gen für ein- und dieselbe Berufsgruppe, da Lokführer und Zugbegleiter
in allen drei Gewerkschaften vertreten sind (Handelsblatt 2007b, S. 14).
Zudem hatten die Bahn und die Tarifgemeinschaft eine Revisionsklau-
sel im neuen Tarifvertrag vereinbart, die es den Gewerkschaften er-
laubt, den Tarifvertrag zu kündigen, falls die Bahn mit der GDL zu ei-
nem differenzierteren Abschluss käme (Krummheuer 2007b, S. 16).
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Die Gespräche zwischen der GDL und der Bahn führten zu keinem Er-
gebnis, sodass die GDL die Urabstimmung vorbereitete, die bis zum
06.08.2007 erfolgen sollte. Dabei war die Zustimmung von mindestens
75 Prozent der teilnehmenden Mitglieder erforderlich. Währenddessen
unterbreitete die Bahn ein weiteres Angebot an die GDL. Dabei sollte
die GDL einen eigenständigen Tarifvertrag für die Lokomotivführer und
das Fahrpersonal über Berufs- und Ausbildungsbedingungen erhalten,
der sich konflikt- und widerspruchsfrei in das einheitliche Tarifgefüge
der Bahn eingliedert. Des Weiteren sollte die GDL sich mit anderen
Gewerkschaften an der gemeinsamen Entwicklung eines neuen Vergü-
tungssystems, das stärker auf Leistung und Qualifikation der Beschäf-
tigten ausgerichtet wäre, beteiligen. Ferner sollte ein Sachverständiger
eingeschaltet werden, um die Tätigkeit des Fahrpersonals zu bewerten.
Die GDL lehnte den Vorschlag der Bahn erneut mit der Begründung ab,
dass der Tarifvertrag der GDL keine Verhandlungsmacht über Löhne
zuerkennt (Bovensiepen 2007a, S. 1).
Währenddessen verschickte die Bahn Briefe an die 134.000 Beschäftig-
ten mit dem ausgehandelten Angebot. Da sie die Mitarbeiter nach der
Gewerkschaftszugehörigkeit nicht unterscheiden kann, wurden nicht
nur die Mitglieder der Tarifgemeinschaft, sondern auch die Mitglieder
der GDL und gewerkschaftlich nicht organisierte Mitarbeiter ange-
schrieben (Süddeutsche Zeitung 2007c, S. 23). Am 06.08.2007 gab
GDL die Ergebnisse der Urabstimmung bekannt. Dabei hatten sich
8742 Mitglieder an der Abstimmung beteiligt und 8375 für die unbefris-
tete Arbeitsniederlegung gestimmt, was einer Quote von 95,8 Prozent
entsprach. Daraufhin kündigte die GDL bundesweite Streiks im Perso-
nen- und Güterverkehr an (Esslinger 2007c, S. 5).
Die Bahn unterbreitete der GDL den Vorschlag, einen Moderator zur
Schlichtung des Konflikts einzusetzen. Die GDL widersprach dem Ein-
satz eines Moderators grundsätzlich nicht, sprach aber explizit nicht von
einem Schlichter. Der Grund dafür war, dass die GDL im Mai 2006 das
Schlichtungsabkommen gekündigt hatte, das u.a. während der Ver-
handlungen Streiks verbot (Esslinger 2007d, S. 20). Als kurz vor Streik-
7

beginn am 09.08.2007 das Arbeitsgericht Nürnberg der GDL Arbeits-
niederlegungen im Fern- und Güterverkehr verbot, wurden S-Bahnen in
Berlin und Hamburg bestreikt (Handelsblatt 2007c, S. 1). GDL und
Bahn einigten sich auf Moderationsgespräche, bei denen der ehemalige
CDU-Generalsekretär Heiner Geißler die Interessen der GDL und der
frühere Ministerpräsident Sachsens Kurt Biedenkopf (CDU) die Interes-
sen der Bahn vertreten sollten. Der von der GDL vor dem Arbeitsgericht
Nürnberg eingelegte Widerspruch gegen das Streikverbot führte zu
einem Vergleich, bei dem das Streikverbot aufgehoben wurde, die GDL
sich aber verpflichtete während der Moderationsgespräche auf Arbeits-
niederlegungen zu verzichten (Handelsblatt 2007d, S. 17). Während der
Vermittlungsgespräche, an denen die beiden Gewerkschaften TRANS-
NET und GDBA ebenfalls teilnahmen, wurde vereinbart, dass bis zum
30.09.2007 in weiterführenden Verhandlungen ein eigenständiger Tarif-
vertrag, der Entgelt- und Arbeitsregelungen ausschließlich für die Lo-
komotivführer aller beteiligten Gewerkschaften enthalten sollte, ausge-
handelt werden sollte, der sich konflikt- und widerspruchsfrei in das Ta-
rifgefüge der Bahn einreihe. Die GDL sollte dabei die Federführung
übernehmen (Creutzburg 2007a, S. 12).
Im Verlauf der Gespräche entstanden jedoch Interpretationsunterschie-
de der Moderationsergebnisse. Die Gewerkschaften konnten sich nicht
auf ein gemeinsames Vorgehen zur Arbeit an einem neuen Tarifwerk
einigen, sodass die Tarifgemeinschaft die Zusammenarbeit mit der GDL
aufkündigte. Die Bahn unterbreitete ein neues Angebot, bei dem eine
zehn prozentige Einkommenserhöhung mit zweistündiger Mehrarbeit
pro Woche kombiniert wurde. Die GDL kehrte zu der Forderung nach
einem eigenständigen Tarifvertrag zurück und kündigte Streiks an
(Creutzburg 2007b, S. 4).
Per einstweilige Verfügung beim Arbeitsgericht Chemnitz unterband die
Bahn Arbeitskämpfe im Fern- und Güterverkehr. Daher kam es am
05.10.2007 zu mehrstündigen bundesweiten Arbeitsniederlegungen,
beschränk auf den Regionalverkehr. Die Bahn erstellte Notfallpläne und
setzte nicht streikberechtigte, beamtete Mitarbeiter und Innendienst-
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mitarbeiter, die zum Führen eines Triebwagens berechtigt waren, als
Streikbrecher ein (Süddeutsche Zeitung 2007d, S. 1). Der Apell der
GDL an die Bundesregierung zur Schlichtung des Streits wurde mit der
Begründung abgelehnt, die Regierung hätte sich nicht in tarifpolitische
Angelegenheiten einzumischen (Süddeutsche Zeitung 2007e, S. 5). Der
Aufsichtsratschef der Bahn, Werner Müller, lud den GDL-Vorsitzenden,
Manfred Schell, und den Deutsche Bahn Vorstandsvorsitzenden,
Hartmut Mehdorn, zu einem Spitzentreffen ein. Trotz der Verhandlun-
gen, veranstaltete die GDL am 12.10.2007 einen bundesweiten Streik
im Regionalverkehr und kündigte an, demnächst die Streiks, nicht wie
bisher, 24 Stunden im Voraus, sondern nur noch wenige Stunden vor
Beginn anzukündigen, um einer Erstellung von Notfallplänen zu verhin-
dern (Bovensiepen 2007b, S. 1).
Beim Spitzentreffen wurde vereinbart, dass die Bahn der GDL ein
neues Angebot unterbreiten und die GDL erneut Gespräche mit den
beiden anderen Gewerkschaften führen soll. Daraufhin legte die Bahn
ein Angebot vor, das die Ergebnisse des mit der Tarifgemeinschaft
ausgehandelten Tarifvertrages beinhaltete, sowie zusätzlich eine Ein-
malzahlung in Höhe von 1400 Euro für das Jahr 2007 für bereits geleis-
tete Überstunden und eine fünf prozentige Einkommenserhöhung vor-
sah, die mit einer wöchentlichen Arbeitszeiterhöhung von zwei Stunden
verknüpft sein sollte. Weiterhin wurde eine Änderung des Arbeitszeit-
modells vorgeschlagen. Die beiden Gewerkschaften TRANSNET und
GDBA forderten die GDL zu erneuten Verhandlungen auf (Bovensiepen
2007c, S. 19). Die GDL lehnte wiederholt alle Vorschläge ab, da sie
keinen eigenständigen Tarifvertrag enthielten und ließ ihre Mitglieder
am 18.10.2007 wiederholt für mehrere Stunden bundesweit im Regio-
nalverkehr die Arbeit niederlegen. Laut GDL führten die Streiks insbe-
sondere in den neuen Bundesländern zum Ausfall von 85 Prozent des
planmäßigen Zugverkehrs (Handelsblatt 2007e, S. 23).
Der Vorsitzende der GDL, Manfred Schell, ging am 16.10.2007 für drei
Wochen in Kur und überließ die Verhandlungen seinen beiden Stellver-
tretern Günther Kinscher und Claus Weselsky (Esslinger 2007g, S. 21).
9

Bundesverkehrsminister Wolfgang Tiefensee schaltete sich in den Ta-
rifstreit ein und forderte die GDL auf, wieder an den Verhandlungstisch
zurückzukehren. Die GDL verkündete, dass sie die Forderung nach
höherem Einkommen reduzieren würde, falls sie einen eigenständigen
Tarifvertrag bekäme (Süddeutsche Zeitung 2007f, S. 25). Am
25.10.2007 startete die Gewerkschaft einen 30-stündigen Arbeitskampf
im Regionalverkehr und setzte der Bahn gleichzeitig als Ultimatum,
dass es zu einer Ausweitung der Arbeitskämpfe kommen werde, falls
bis zum 27.10.2007 kein neues Angebot der Bahn vorliegt. (Süd-
deutsche Zeitung 2007g, S. 1). Die Bahn ließ das Ultimatum verstrei-
chen.
Am 02.11.2007 hob das Landesarbeitsgericht Sachsen die Entschei-
dung des Arbeitsgerichts Chemnitz über das Streikverbot im Fern- und
Güterverkehr auf (Handelsblatt 2007f, S. 1), worauf die GDL einen 42-
stündigen Streik im Güterverkehr ankündigte. Trotz der Einladung der
Bahn zu Verhandlungen, leitete die GDL am 08.11.2007 Arbeitsnieder-
legungen ein (Handelsblatt 2007g, S. 1). In den Medien kam es zu
Spekulationen über die Ausgliederung der bei der Bahn beschäftigten
Lokomotivführer in eine Servicegesellschaft. Diese Lösung hätte einen
eigenständigen Tarifvertrag und eine von anderen Gewerkschaften
unabhängige Lohnverhandlung ermöglicht. Sowohl die Bahn als auch
die GDL wollten diese Information nicht kommentieren (Esslinger
2007h, S. 7). Die GDL stellte der Bahn erneut ein Ultimatum und drohte
damit, die Streiks auf den Fern- und Güterverkehr auszuweiten, worauf
die Bahn allerdings, unter Verweis auf die bereits gemachten Angebote
nicht reagierte (Bauchmüller 2007, S. 19). Ab dem 14.11.2007 kam es
zuerst im Güter- und später im Personenverkehr bundesweit zu insge-
samt 62 Stunden andauernden Arbeitsniederlegungen, bei denen im
gesamten Bundesgebiet 40 Prozent der Zugverbindungen ausfielen.
Der Aufsichtsrat der Bahn mit seinen Arbeitnehmervertretern, u. a. dem
GDBA-Vorsitzenden Klaus-Dieter Hommel, unterstützte den Vorstand
der Bahn in seinem Vorgehen gegenüber der GDL (Süddeutsche Zei-
tung 2007h, S. 1). Die Mitgliedsgewerkschaften des DBB äußerten Un-
mut über das Vorgehen der GDL und lehnten einen eigenständigen Ta-
10

rifvertrag für die GDL ab, denn die Lohnausfälle der Streikenden wäh-
rend der Arbeitsniederlegungen werden zum Teil aus einem gemein-
samen Fond des DBB beglichen (Handelsblatt 2007h, S. 1). Die GDL
stellte zum dritten Mal der Bahn ein Ultimatum, worauf die Bahn der
GDL ein neues Angebot vorlegte und es zu Verhandlungen zwischen
den beiden Parteien kam. Über die Inhalte wurde Stillschweigen ver-
einbart. Währenddessen drohte die Gewerkschaft TRANSNET der
Bahn mit Arbeitskampfmaßnahmen, falls die Verhandlungen über die
Entgeltstrukturen der Arbeitnehmer aufgrund des Konflikts mit der GDL
ins Stocken gerieten (Süddeutsche Zeitung 2007i, S. 1). Allerdings be-
stand für die Tarifgemeinschaft aufgrund des abgeschlossenen Tarif-
vertrages bis 31.01.2009 Friedenspflicht. Der Vorstandsvorsitzende der
Bahn, Hartmut Mehdorn, brach die Schweigevereinbarung und verkün-
dete, dass die Bahn der GDL eine Einkommenssteigerung von bis zu
13 Prozent angeboten habe. Diese setzte sich zusammen aus den be-
reits mit der Tarifgemeinschaft vereinbarten 4,5 Prozent, 1 Prozent aus
der Verbesserung der Entgeltstruktur, 2,5 Prozent durch Verbesserung
des Zulagensystems und 5 Prozent durch Ausweitung der Arbeitszeit
um zwei Wochenstunden (Esslinger 2007i, S. 6). Die Verhandlungen
wurden auf Basis der Moderationsergebnisse fortgeführt und die GDL
verkündete, bis Ende Januar 2008 auf Arbeitsniederlegungen zu ver-
zichten (Stratmann 2007, S. 1).
Am 29.11.2007 erzielten die Gewerkschaften GDBA und TRANSNET
eine grundsätzliche Einigung über das neue Tarifwerk. Das sah einen
Basisvertrag für alle Beschäftigten vor, der circa 80 Prozent der Rege-
lungen enthalten sollte und sechs spezielle Tarifverträge für einzelne
Berufsgruppen im Unternehmen. Einer der Tarifverträge sollte explizit
für die Lokomotivführer gelten und u.a. Arbeitszeit- und Einkommens-
angelegenheiten regeln. Ausschließlich die GDL sollte zukünftig über
diesen Tarifvertrag verhandeln dürfen, der sich jedoch nur auf die Lo-
komotivführer und nicht auf das Fahrpersonal bezog (Handelsblatt
2007i, S. 8). Die GDL schloss sich den Verhandlungen an und alle drei
Gewerkschaften einigten sich auf ein gemeinsames Vorgehen gegen-
über der Bahn (Süddeutsche Zeitung 2007j, S. 5). Am 19.12.2007
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brach die GDL die Verhandlungen ab und kündigte ab dem 07.01.2008
unbefristete Streiks im Personen- und Güterverkehr an, worauf die
Bahn alle Angebote an die GDL zurückzog. Der Grund für den Abbruch
der Gespräche war eine von der Bahn den Gewerkschaften vorgelegte,
auf zehn Jahre ausgelegte Kooperationsvereinbarung, die alle drei Ge-
werkschaften verpflichtete ihre einzeln ausgehandelten Tarifverträge
gegenseitig anzuerkennen. GDBA und TRANSNET kündigten an, not-
falls ohne die GDL über die Gehälter der Lokomotivführer zu verhan-
deln (Handelsblatt 2007j, S. 34). Die Bahn schlug ein geregeltes
Schlichtungsverfahren vor, das jedoch von der GDL abgelehnt wurde.
Am 21.12.2007 lud der Bundesverkehrsminister Wolfgang Tiefensee
die Vorsitzenden der GDL und der Bahn zum Spitzengespräch ins Ver-
kehrsministerium ein (Esslinger 2007j, S. 5). Die Parteien vereinbarten
bis Ende Januar 2008 zu einer Lösung zu kommen. Die Verhandlungen
wurden anschließend auf der Fachebene fortgesetzt. Nach einem Spit-
zentreffen im Bundesverkehrsministerium am 12.01.2008 verkündeten
der GDL-Chef Manfred Schell, der Vorstandsvorsitzende der Bahn
Hartmut Mehdorn und der Bundesverkehrsminister Wolfgang Tiefen-
see, dass die Tarifparteien eine grundsätzliche Einigung im Tarifstreit
erzielt hätten. Die Lokomotivführer erhielten einen eigenständigen Ta-
rifvertrag, der Bestandteil des neuen von der Tarifgemeinschaft und der
Bahn bereits ausgehandelten Tarifwerks sein würde. Die Arbeitszeit
sinke ab 01.02.2009 von 41 auf 40 Wochenstunden bei gleichbleiben-
dem Entgelt. Es folge eine Einmalzahlung für den Zeitraum vom
01.07.2007 bis zum 29.02.2008 in Höhe von 800 Euro. Ab dem
01.03.2008 erhalten die Lokomotivführer durchschnittlich eine Einkom-
menserhöhung von acht Prozent und ab dem 01.09.2008 einen Ein-
kommenserhöhung von weiteren drei Prozent. Der Tarifvertrag habe
eine Laufzeit bis zum 31.01.2009 (Bovensiepen und Esslinger 2008,
S. 1). Die Tarifgemeinschaft hatte angekündigt die Vereinbarung zu
prüfen, um eventuell von der Revisionsklausel im eigenen mit der Bahn
ausgehandelten Tarifvertrag Gebrauch zu machen (Creutzburg 2008,
S. 3), sah jedoch später davon ab.
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Details

Seiten
Erscheinungsform
Originalausgabe
Jahr
2008
ISBN (eBook)
9783836636339
DOI
10.3239/9783836636339
Dateigröße
583 KB
Sprache
Deutsch
Institution / Hochschule
Universität Passau – Wirtschaftswissenschaftliche Fakultät, Volkswirtschaft
Erscheinungsdatum
2009 (Oktober)
Note
1,7
Schlagworte
spieltheorie tarifverhandlung gewerkschaft strategie brinkmanship
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Titel: Spieltheoretische Betrachtung von Tarifverhandlungen
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