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Entwicklungsländer im Klimawandel - Anpassung auf dem Prüfstand

©2008 Magisterarbeit 69 Seiten

Zusammenfassung

Inhaltsangabe:Einleitung:
Umweltpolitische Fragestellungen werden im politischen Diskurs zunehmend als wichtige Einflussfaktoren auf andere Politikfelder, wie Wirtschafts- oder Sicherheitspolitik, wahrgenommen. Besonders der Klimawandel, seine Ursachen und möglichen Konsequenzen sind, vor allem wegen der prognostizierten ökonomischen Kosten zu einem kontroversen Thema in Politik und Öffentlichkeit und zu einem Querschnittsthema in der Wissenschaft geworden. Auch in der Entwicklungspolitik wurde damit begonnen, sich mit den Ursachen ökologischer Krisen und ihren Auswirkungen auf Entwicklungund Fragen von Anpassung an globalen Wandel auseinander zu setzen. Aktuelle politische Antwortstrategien auf Klimawandel berücksichtigen deshalb verschiedene Dinge: Elementar ist einerseits die Verteilung der Lasten und Kosten des Klimawandels und damit des Klimaschutzes und der Emissionsreduktionen (mitigation). Wichtig dabei ist die Vergegenwärtigung, dass die globale Erwärmung für viele Menschen schon ein reales Phänomen ist. Die Mehrheit der Betroffenen lebt in den so genannten Entwicklungsländern und gehört zum ärmsten Teil der Weltbevölkerung. Demgegenüber stehen die Industrieländer, die mit ihren Treibhausgasemissionen im Wesentlichen für die Verursachung des Klimawandels verantwortlich sind. Mit dieser Tatsache ist der Klimawandel auch ein Problem globaler (Un-)Gerechtigkeit, in der andererseits das Thema der Anpassung (adaptation) an Klimawandel in den Entwicklungs- und Schwellenländern einen mindestens gleichwertigen Stellenwert besitzt. Die konkreten Anpassungsstrategien der Länder sind auch deshalb der zentrale Gegenstand dieser Arbeit. Die Überzeugung, dass der Klimawandel keine rein ökologische Krise darstellt, ist dabei ein Ausgangspunkt. Weiterhin wird perspektivisch davon ausgegangen, dass die ökologischen Auswirkungen des Klimawandels auf gesellschaftliche Realitäten treffen, wie soziale Ungleichheit (international und innergesellschaftlich), Armut und Vulnerabilität, politische Marginalisierung und soziale Exklusion. Dementsprechend verdient die soziale Dimension von Anpassung mehr Bedeutung; und um angemessene Antwortstrategien auf Klimawandel zu entwickeln, wird von einer rein naturwissenschaftlichen Betrachtungsweise abgerückt und ein interdisziplinärer und multiperspektivischer Blick vorausgesetzt. In der Formulierung von Anpassungsstrategien spielen dann sozialwissenschaftliche Fragestellungen nach Ungleichheit, nach […]

Leseprobe

Inhaltsverzeichnis


Sarah Hackfort
Entwicklungsländer im Klimawandel - Anpassung auf dem Prüfstand
ISBN: 978-3-8366-3618-6
Herstellung: Diplomica® Verlag GmbH, Hamburg, 2009
Zugl. Universität Kassel, Kassel, Deutschland, Magisterarbeit, 2008
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© Diplomica Verlag GmbH
http://www.diplomica.de, Hamburg 2009

2
2
Inhaltsverzeichnis
1 Einleitung ... 4
2 Aufbau der Untersuchung und methodisches Vorgehen... 7
3 Der globale Klimawandel: Ursachen, Auswirkungen und wissenschaftliche
Bearbeitung... 9
4 Klimawandel und Anpassung aus sozial-ökologischer Perspektive...15
5 Internationale Klimapolitik...17
5.1 mitigation ­ und das Kyoto Protokoll ... 18
5.2 adaptation ­ Anpassung als politisches Konzept ... 19
5.3 Finanzinstrumente der Anpassungspolitik ... 23
5.4 Zwischenfazit zur internationalen Anpassungspolitik ... 25
6 Nationale Anpassungsstrategien: zwei LDC-Länderbeispiele...28
6.1 Länderprofil Bangladesh ... 29
6.2 Länderprofil Malawi ... 32
6.3 National Adaptation Programmes of Action (NAPAs)... 34
7 Auf dem Prüfstand - die NAPAs von Bangladesh und Malawi...37
7.1 Sektorales Vulnerabilitätsverständnis ... 37
7.2 Armut und soziale Ungleichheit ... 38
7.3 Geschlechtergleichheit ... 40
7.4 Partizipation und Integration ... 40
7.5 Interdisziplinarität ... 43
7.6 Maßnahmenkataloge ... 44
8 Fazit ...46
8.1 Vulnerabilität und Anpassung ­ eine kritische Reflexion... 47
8.2 Schlussbetrachtung... 53
8.3 Ausblick... 54
9 Abkürzungsverzeichnis...56
10 Literaturverzeichnis...57
11 Internetquellen ...65

3
Abbildungsverzeichnis
Abbildung 1: Der Treibhauseffekt; Quelle: Matthes 2005. ... 9
Abbildung 2: Einfluss des Klimawandels auf die Umsetzung der Millenium
Entwicklungsziele; Quelle: Adger e.a. 2006. ... 12
Abbildung 3: Beispiel für die sektorale Ausrichtung der Klimafonds; Quelle: SEI 2007.
... 24
Abbildung 4: Entstehungsprozess eines NAPA; Quelle: NAPA guidelines 2002... 35
Abbildung 5: Vulnerabilitätsfaktoren für Malawi; Menon 2007. ... 38
Abbildung 6: Fluten und Dürren in Malawi; Quelle: Menon 2007... 42
Abbildung 7: Anpassungsmaßnahmen für Bangladesh; Eigene Darstellung, vgl. NAPA
Bangladesh... 45
Abbildung 8: Anpassungsmaßnahmen für Malawi; Eigene Darstellung, vgl. NAPA
Malawi... 45
Abbildung 9: Vulnerabilität aus sozial-ökologischer Perspektive; Eigene Darstellung. 48

4
1
Einleitung
Umweltpolitische Fragestellungen werden im politischen Diskurs zunehmend als
wichtige Einflussfaktoren auf andere Politikfelder, wie Wirtschafts- oder
Sicherheitspolitik, wahrgenommen (vgl. WBGU 2007). Besonders der Klimawandel,
seine Ursachen und möglichen Konsequenzen sind, vor allem auch wegen der
prognostizierten ökonomischen Kosten (vgl. Stern 2006), zu einem kontroversen Thema
in Politik und Öffentlichkeit und zu einem Querschnittsthema in der Wissenschaft
geworden. Auch in der Entwicklungspolitik wurde damit begonnen, sich mit den
Ursachen ökologischer Krisen und ihren Auswirkungen auf Entwicklung und Fragen
von Anpassung an globalen Wandel auseinander zu setzen (vgl. WBGU 2005: 59; 269).
Aktuelle politische Antwortstrategien auf Klimawandel berücksichtigen deshalb
verschiedene Dinge: Elementar ist einerseits die Verteilung der Lasten und Kosten des
Klimawandels und damit des Klimaschutzes und der Emissionsreduktionen
(mitigation). Wichtig dabei ist die Vergegenwärtigung, dass die globale Erwärmung für
viele Menschen schon ein reales Phänomen ist. Die Mehrheit der Betroffenen lebt in
den so genannten Entwicklungsländern und gehört zum ärmsten Teil der
Weltbevölkerung. Demgegenüber stehen die Industrieländer, die mit ihren hohen
Treibhausgasemissionen im Wesentlichen für die Verursachung des Klimawandels
verantwortlich sind. Mit dieser Tatsache ist der Klimawandel auch ein Problem globaler
(Un-)Gerechtigkeit, in der andererseits das Thema der Anpassung (adaptation) an
Klimawandel in den Entwicklungs- und Schwellenländern einen mindestens
gleichwertigen Stellenwert besitzt. Die konkreten Anpassungsstrategien der Länder sind
auch deshalb der zentrale Gegenstand dieser Studie. Die Überzeugung, dass der
Klimawandel keine rein ökologische Krise darstellt, ist dabei ein Ausgangspunkt.
Weiterhin wird perspektivisch davon ausgegangen, dass die ökologischen
Auswirkungen des Klimawandels auf gesellschaftliche Realitäten treffen, wie soziale
Ungleichheit (international und innergesellschaftlich), Armut und Vulnerabilität,
politische Marginalisierung und soziale Exklusion. Dementsprechend verdient die
soziale Dimension von Anpassung mehr Bedeutung; und um angemessene

5
Antwortstrategien auf Klimawandel zu entwickeln, wird von einer rein
naturwissenschaftlichen Betrachtungsweise abgerückt und ein interdisziplinärer und
multiperspektivischer
Blick
vorausgesetzt.
In
der
Formulierung
von
Anpassungsstrategien spielen dann sozialwissenschaftliche Fragestellungen nach
Ungleichheit,
nach
Machtverteilungsmechanismen,
nach
Zugangschancen,
Handlungsmöglichkeiten und Verfügungsrechten, nach gesellschaftlicher Exklusion und
Marginalisierung und nach dem Ablauf von Politikprozessen und politischen
Organisationsformen eine wichtige Rolle. In diesem Spannungsfeld wird der
Klimawandel zu einer sozial-ökologischen Krise, die auch gesellschaftliche
Lösungsansätze verlangt und z.B. der Anerkennung und der Teilhabe der betroffenen
Individuen an klimapolitischen Prozessen, mehr Gewicht einräumt. Vor diesem
Hintergrund ist es aus sozialwissenschaftlicher Perspektive besonders interessant sich
die klimapolitischen Anpassungsstrategien der einzelnen Länder (NAPAs
1
) genauer
anzuschauen. Bei der vorliegenden Betrachtung wird gefragt, welchen Paradigmen
Anpassungspolitik, sowohl international als auch national, folgt und wo sie Blindstellen
und Defizite aufweist. Weiterhin soll geprüft werden, wo Ansatzpunkte existieren, um
Anpassung zu fördern, also gleichsam Vulnerabilität zu bekämpfen, die bestimmten
sozialen Gruppen nicht erlaubt, ihre Situation innerhalb der ökologischen Betroffenheit
zu verändern und dieser zu entkommen. Zentral ist dabei, dass Anpassung als
Reduzierung von Vulnerabilität gegenüber den negativen Auswirkungen ökologischer
Ereignisse verstanden werden muss. Diese Vulnerabilität ergibt und verstärkt sich durch
die Wechselwirkung mit sozialen Faktoren besonders negativ. Gegenstand dieser
Untersuchung ist deshalb die Bewertung von Anpassungsstrategien in zwei so
genannten Entwicklungsländern, aus einer Perspektive, die die Integration sozialer und
ökologischer Verhältnisse fokussiert (vgl. z.B. Dietz 2006). In Überwindung einer rein
makroperspektivischen und staatszentrierten Betrachtungsweise der internationalen
Ebene (vgl. z.B. Müller 2002) müssen dafür die Bedingungen lokaler
Anpassungsprozesse in den Blick genommen werden. Das Forschungsinteresse liegt
dabei auf folgenden Fragen: Ist in der Problembeschreibung und Zielformulierung von
klimapolitischer Anpassung die Verbindung von sozialen und ökologischen Fragen zu
erkennen? Werden Klimawandel, Armut und Vulnerabilität in Zusammenhang
1 Abk. für National Adaptation Programmes of Action;
http://unfccc.int/cooperation_support/least_developed_countries_portal/ldc_work_programme_and_n
apa/items/4722.php (letzter Zugriff 7.11.2009)

6
gebracht? Werden bei der Formulierung von Anpassungsstrategien überhaupt Fragen
nach sozialer Ungleichheit und Ungerechtigkeit oder den Ursachen von Armut und
Vulnerabilität gestellt? Wie ernst wird die Beteiligung der lokal Betroffenen in dem
Prozess genommen? Werden die gesellschaftspolitisch relevanten Ansprüche, die die
NAPA-Richtlinien an ihre Umsetzung stellen, erfüllt? Dazu werden im Folgenden die
zentralen Strategieprogramme zur Anpassung von zwei Entwicklungsländern (LDC
2
),
nämlich Bangladesh und Malawi, beschrieben, analysiert und bewertet.
2 Abk. für Least Developed Countries;
http://www.unctad.org/Templates/Page.asp?intItemID=3618&lang=1 (letzter Zugriff 7.11.2009)

7
7
2
Aufbau der Untersuchung und methodisches
Vorgehen
In Kapitel 3 dieser Studie werden Fakten und Hintergrundinformationen zum Thema
Klimawandel und Anpassung und deren wissenschaftliche Bearbeitung dargelegt.
Kapitel 4 skizziert die, für die vorliegende Untersuchung zentrale, sozial-ökologische
Perspektive auf Klimawandel und Anpassung. Kapitel 5 gibt einen Einblick in die
internationale Klimapolitik, in der das Kyoto-Protokoll und die politischen Konzepte
zu Emissionsminderungen und Anpassung an Klimawandel eine besondere Rolle
spielen. Weiterhin werden die Grundzüge der Finanzierungsmechanismen in der
Anpassungspolitik erläutert, anschließend folgt ein Fazit zur politischen Umsetzung der
internationalen Anpassungspolitik. Zwei kurze Länderprofile der beiden ausgewählten
Fallstudien, Bangladesh und Malawi, machen deutlich, dass die beiden Staaten
grundsätzlich ähnliche Merkmale kennzeichnen (Kapitel 6). Die Auswahl, auf Basis
von Gemeinsamkeiten aufweisenden Indikatoren, wie der besonderen Verwundbarkeit
gegenüber
Klimawandel,
wirken
einerseits
als
komplexitätsreduzierende
Klassifizierung, die aber andererseits die Ziehung von Rückschlüssen erleichtert, die auf
andere Länder übertragbar gemacht werden können (vgl. Landman 2003: 4). Nach einer
allgemeinen Beschreibung der nationalen Strategieprogramme für Anpassung (NAPAs)
und deren Paradigmen folgt in Kapitel 7 die kritische Analyse der beiden nationalen
NAPA-Dokumente, hinsichtlich ausgewählter Kriterien aus sozial-ökologischer Sicht
(Vulnerabilitätsverständnis, Armut und soziale Ungleichheit, Geschlechtergleichheit,
Partizipation und Integration, Interdisziplinarität). Das Fazit (Kapitel 8) kritisiert das
dominante Paradigma der NAPA-Prozesse, reflektiert deren Konzeption und
Umsetzung und plädiert für eine integrative Herangehensweise an Anpassung.
Erkenntnisleitendes Interesse dabei ist die Integration eines sozial-ökologischen
Verständnisses von Klimawandel in den länderspezifischen Ausprägungen von
Anpassungspolitik. Die Schlussbetrachtung beantwortet zusammenfassend die in der
Einleitung gestellten Fragen und endet in einem Ausblick auf weitere mögliche
Forschungsvorhaben.

8
8
Methodisch dem Verfahren der Inhaltsanalyse folgend, werden in dieser Arbeit
Dokumentenanalyse und -interpretation von Primärliteratur (Dokumente und
Publikationen von Regierungen und Regierungsinstitutionen) und Textinterpretation
von Sekundärliteratur (überwiegend wissenschaftliche Texte, Publikationen von Think
Tanks
und
Nichtregierungsorganisationen)
kombiniert.

9
9
3
Der globale Klimawandel: Ursachen,
Auswirkungen und wissenschaftliche Bearbeitung
Der Klimawandel ist inzwischen sowohl wissenschaftlich (vgl. IPCC Berichte
3
) als
auch in der öffentlichen Wahrnehmung als ernst zu nehmendes Problem anerkannt.
4
Die
Nutzung fossiler Brennstoffe durch den Menschen auf der Erde führt zu einem Anstieg
der Kohlendioxidkonzentration (CO
2
) in der Atmosphäre ­ momentan die höchste seit
650.000 Jahren (vgl. Schellnhuber / Rahmstorf 2006; vgl. HDR 2007 / 08: 3). Das
emittierte CO
2,
zusammen mit anderen Treibhausgasen (Methan, Lachgas,
teilhalogenierte und perfluorierte Fluorkohlenwasserstoffe und Schwefelhexafluorid),
führt zu dem so genannten Treibhauseffekt, der einen langfristigen Anstieg der
Erdmitteltemperatur bewirkt.
Abbildung 1:Der Treibhauseffekt; Quelle: Matthes 2005.
3
Intergouvernemental Panel on Climate Change (IPCC) http://www.ipcc.ch/
4 Studie zum Umweltbewusstsein 2008 des Umweltbundsamtes; http://www.umweltbundesamt.de/uba-
info-presse/2008/pd08-085_umweltbewusstsein_der_deutschen_auf_hohem_niveau.htm

10
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Die Folgen dieser globalen Erwärmung sind Veränderungen des Klimas und dessen
Ausprägungen in den unterschiedlichen Klimazonen als auch des Ökosystems und der
Biodiversität auf der Erde. Dieser Wandel gilt inzwischen zum großen Teil als
unaufhaltsam und unumkehrbar (vgl. Schellnhuber / Rahmstorf 2006). Die
Auswirkungen der klimatischen Veränderungen und der Wetterextreme sind sehr
vielfältig, wobei sie je nach Region und für die verschiedenen Gesellschaftsgruppen
unterschiedlich schwerwiegend ausfallen. So werden längere Dürreperioden, intensivere
und häufigere Wirbelstürme, starke Überflutungen, eine Anstieg des Meeresspiegels
durch schmelzende Gletscher und die Ausbreitung von Krankheiten, wie z.B. Malaria,
in bestimmten Regionen große Herausforderungen darstellen. Einige Erdteile scheinen
dagegen kurzfristig von Klimaveränderungen zu profitieren, während in anderen
Regionen hohe ökonomische und auch soziale Kosten entstehen (vgl. Stern 2006 ES:
viii). Die Ausbreitung der Wüsten, Wasserknappheit und Versalzung der Böden auf
dem afrikanischen Kontinent sind zwar Probleme, die schon lange bekannt sind, sich
aber noch verstärken und viele menschliche Entwicklungsanstrengungen zu Nichte
machen könnten. Eine Folge des steigenden Meeresspiegels ist z.B. für Bangladesh der
Verlust großer Siedlungsgebiete an der Küste, der Millionen von Menschen zur Suche
nach einem neuen Lebensraum ins Landesinnere und in die Nachbarstaaten zwingen
wird. Für die BewohnerInnen der Pazifikinseln wurden inzwischen Evakuierungspläne
ausgearbeitet, da Inseln wie Tonga, Kiribati und Tuvalu höchstwahrscheinlich ganz
verschwinden werden (vgl. Santarius 2007). Weltweit wird mit mehreren Millionen
Klimaflüchtlingen gerechnet (vgl. Jakobeit / Methmann 2007). Europa wird
möglicherweise Zielland von Menschen, die der Verwüstung und weiteren
Dürreperioden zu entkommen versuchen und ist auch deshalb ebenfalls vom
Klimawandel betroffen bzw. mit den Auswirkungen konfrontiert (vgl. WBGU 2007).
Die Phänomene des globalen Klimawandels, an die sich die Menschen heute und in
Zukunft und in allen Regionen der Erde werden anpassen müssen sind also vielfältig
(vgl. Stern 2006). Allerdings führt der Begriff des globalen Klimawandels in die Irre,
denn der Wandel ist keineswegs ein globales Phänomen mit einheitlichen
Auswirkungen. Im Gegenteil sind die Folgen äußerst ungleich verteilt und besitzen eine
Unregelmäßigkeit im räumlichen Auftreten, in Intensität und Frequenz. Während die
Verantwortlichkeit für die globale Erwärmung an erster Stelle bei den Industrieländern

11
11
mit ihren hohen Kohlendioxidemissionen liegt, treffen die Auswirkungen überwiegend
die Menschen in den ärmeren Ländern des globalen Südens, deren Emissionen
insgesamt wesentlich geringer sind und nur geringfügig zur Problemverursachung
beitragen. Durchschnittlich liegen die jährlichen CO
2
-Emissionen von US-
AmerikanerInnen bei 20,4 Tonnen, die der Deutschen bei 9,8 Tonnen, wohingegen eine
Inderin 1,2 Tonnen und ein Bengale 0,2 Tonnen emittiert (Daten für 2004
5
).
Aufgrund der Aktualität und enormen Reichweite des Themas hat die Literatur zu
Klimawandel stark zugenommen. Monographien zum Klimawandel und den Ursachen
und Auswirkungen sind zahlreich. (vgl. z.B. Schellnhuber / Rahmstorf 2006; Staud /
Reimer 2007). Der dritte (IPCC 2001 - Third Assessment Report) und der vierte
Sachstandsbericht (IPCC 2007 ­ Fourth Assessment Report) des Internationalen
ExpertInnengremiums zum Klimawandel (IPCC) haben dem Thema mit Nachdruck zu
allgemeinem Interesse verholfen. Als populäre und gleichzeitig seriöse
wissenschaftliche Dokumente, die die wichtigsten Zahlen und Fakten zur globalen
Erwärmung enthalten, werden die Berichte häufig zitiert. Das IPCC betont die hohe
Wahrscheinlichkeit, dass die Häufigkeit und Intensität von extremen Klimaereignissen
mit der steigenden Erdtemperatur weiter zunimmt (vgl. IPCC 2007a). Klimaexperten
rechnen mit einem globalen Temperaturanstieg von durchschnittlich 2-3°C innerhalb
der nächsten 50 Jahre (vgl. Stern 2006 ES: vi). Inzwischen gibt es Übereinstimmung
darin, zu versuchen, ein stabiles Level der CO
2
-(Equivalent-)Konzentration von 450
ppm
6
zu erreichen und die Temperaturerhöhung damit auf 2°C gegenüber 1990 zu
begrenzen. Dafür ist wiederum eine Reduktion der weltweiten Emissionen um 50 %
(Basisjahr 1990) bis 2050 notwendig. Der Handlungsdruck ist hoch, denn eine weitere
zeitliche Verzögerung in den Reduktionen mache, laut IPCC, dieses Ziel quasi
unmöglich (vgl. IPCC 2007a).
Ein anderes, Aufsehen erregendes Dokument zu Ursachen und Folgen des
Klimawandels wurde 2006 im Auftrag der britischen Regierung von Sir Nicholas Stern
veröffentlicht. In dem Review on the Economics of Climate Change beleuchtet der
Ökonom vor allem die ökonomischen Folgen der globalen Erwärmung und macht
deutlich wie groß die volkswirtschaftliche Relevanz von Klimaschutz ist. Die hohen
wirtschaftlichen Kosten der Krise für die ganze Welt wurden mit dem Stern-Bericht
erstmals systematisch monetarisiert. In seinem Bericht prophezeit Stern bei einer
5 http://mdgs.un.org/unsd/mdg/Data.aspx (letzter Zugriff 7.11.2009)
6 parts per million = Bestandteile pro 1 Million Produktbestandteile

12
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Temperaturerhöhung von 5-6°C, finanzielle Verluste in Höhe von 5-10 % des globalen
Bruttosozialprodukts, für manche armen Länder sogar in Höhe von 10 % ihres
Bruttoinlandproduktes (vgl. Stern 2006 ES: xi).
Der wissenschaftliche Beirat der Bundesregierung zu globalen Umweltveränderungen
(WBGU) warnt, dass vor allem die Entwicklungsländer durch ihre starke Betroffenheit
mit hohen, und für sie meist kaum bezahlbaren, ökonomischen Anpassungskosten zu
rechnen haben, die ihre wirtschaftliche Handlungsfähigkeit deutlich einschränken. Die
Auswirkungen des Klimawandels würden deshalb nicht nur Naturkatastrophen
auslösen, sondern auch nationale und internationale Verteilungskonflikte hervorbringen
oder verschärfen und politische Destabilisierung auch grenzüberschreitend begünstigen
(vgl. WBGU 2007). Die klimainduzierte Migration verstärke auch die
,,Konfliktwahrscheinlichkeit in Transit- und Zielregionen" und ,,Europa und
Nordamerika müssen mit erheblich erhöhtem Migrationsdruck aus den vom
Klimawandel besonders bedrohten Regionen rechnen" (WBGU 2007: 3).
Abbildung 2: Einfluss des Klimawandels auf die Umsetzung der Millenium Entwicklungsziele; Quelle:
Adger e.a. 2006.

13
13
Der wissenschaftliche Forschungsstand ist insgesamt sichtlich durch eine Dominanz
verteilungspolitischer und ökonomistischer Diskussionen und marktkonformer
Lösungsansätze gekennzeichnet: Ressourcengerechtigkeit, Pro-Kopf-Emissionsrechte,
Emissionshandel und andere flexible Mechanismen bestimmen die Diskussion und die
Politik um mögliche Antworten auf den Klimawandel (vgl. Brouns 2004; vgl. Stern
2006 ES; vgl. Roberts / Parks 2007; vgl. Santarius 2007). Zu den oben genannten
ökonomischen und politischen Argumenten gesellt sich schließlich die ethische
Motivation die ,,Gerechtigkeitslücke" (WBGU 2007: 6) zu schließen, die sich durch die
enormen Unterschiede in den Pro-Kopf-Emissionen zwischen Industrieländern und
Entwicklungs- bzw. Schwellenländern ergibt. Je weiter die Ungleichheit bzw.
Ungerechtigkeit zunimmt und die menschliche Entwicklung gefährdet bzw. die
Menschenrechte
verletzt
werden,
werde
sich
die
Diskussion
um
Kompensationsforderungen von Seiten der Betroffenen verschärfen (vgl. WBGU 2007).
In jüngster Zeit erlebt deshalb eine, ursprünglich aus dem globalen Süden stammende,
und nun von den Sozialwissenschaften wieder aufgenommene, Debatte um
Gerechtigkeitsfragen im Klimawandel eine Renaissance. Der entwicklungspolitisch
geprägte Ansatz rückt institutionelle Ungleichheiten in der internationalen Klimapolitik
und die ungleiche Lastenverteilung im Klimawandel in den Blick und macht die
Verantwortung der Industrieländer gegenüber den ärmeren Staaten zum Thema. Zu
nennende VertreterInnen aus dem Süden wie aus dem Norden sind unter anderem P.R.
Shukla (Shukla 1999), Benito Müller (Müller 2002), Bernd Brouns (Brouns 2004),
Wolfgang Sachs (Wuppertal Institut 2005), Timmons Roberts (Roberts / Parks 2007)
oder Tilman Santarius (Santarius 2007) oder die Publikationen kleinerer
Forschungsprojekte (Dossier: Klimawandel und Gerechtigkeit 2007
7
).
Veröffentlichungen zu den Themen Vulnerabilität und Anpassung im Klimawandel
wurden vor allem von internationalen AutorInnen wie Saleemul Huq, Jouni Paavola, W.
Neil Adger und M.J. Mace (Adger e.a. 2006) Barry Smit, Richard J.T. Klein, Siri
Eriksen, R.M. Leichenko, Karen L. O' Brien (vgl. O'Brien/Leichenko 2007) oder
Kristina Dietz (Dietz 2006; Dietz 2007) herausgebracht. In den Artikeln und
Monographien legen diese ProtagonistInnen den Fokus mehrheitlich auf
7 Publikation eines Projekts http://www.klima-und-gerechtigkeit.de/89.html

14
14
Anpassungsprozesse in Entwicklungs- oder Schwellenländern oder diskutieren die
Debatte zu Anpassung in der internationalen Klimapolitik. Auch die deutsche
Gesellschaft
für
Technische
Zusammenarbeit
(GTZ),
die
deutsche
Nichtregierungsorganisation Germanwatch (Germanwatch 2007) oder international die
Vulnerability and Adaptation Resource Group (VARG) (z.B. VARG 2002) und das
IPCC (IPCC 2007b) veröffentlichten bereits Studien zu dem Thema. Vor allem Dietz,
Paavola, Adger oder Lisa E. F. Schipper (Schipper 2007), betonen außerdem die
Relevanz von Partizipation und prozeduraler Gerechtigkeit in der Klimapolitik und
Aspekte der Mitgestaltung von Anpassungsprozessen. Eine integrative, sozial-
ökologische Perspektive, in der vermeintliche ökologische Krisen in den Kontext
sozialer Spannungsverhältnisse, wie struktureller sozialer Ungleichheit und politischen
Machtasymmetrien, gestellt werden, ist eher marginal vertreten. In jüngster Zeit
erschienen dazu im deutschen Sprachraum u.a. Publikationen von Ulrich Brand (Brand
2007), Kristina Dietz (Dietz 2006/2008). Öffnet man den Blick für diese Perspektive,
die sozialen und gesellschaftlichen Dimensionen von Klima- und Anpassungspolitik
einen größeren Stellenwert beimessen, wird ein Ungleichgewicht, sowohl in der
Problemwahrnehmung als auch in der herrschenden Lösungsdebatte, deutlich. Die
vorliegende Untersuchung versucht hier anzuknüpfen und sich mit einer sozial-
ökologischen Perspektive, von bestehenden dominanten Diskussionen abzugrenzen.

15
4
Klimawandel und Anpassung aus sozial-
ökologischer Perspektive
Die vorliegende Arbeit interpretiert Klimawandel nicht als eine rein ökologische Krise,
sondern als ein sozial-ökologisches Phänomen, indem ,,Natur (...) nicht mehr ohne
Gesellschaft, Gesellschaft nicht mehr ohne Natur begriffen werden" kann (Becker /
Jahn 2006: 175). Dieses sich gegenseitig konstituierende Verhältnis ist Ausgangspunkt
aller Betrachtung in der sozial-ökologischen Forschung (SÖF). Grundlage dafür ist die
Wissenschaft von den gesellschaftlichen Naturverhältnissen oder der Sozialen
Ökologie, die WissenschaftlerInnen wie Christoph Görg (vgl. Görg 1999; Görg 2003)
oder Egon Becker und Thomas Jahn (vgl. Becker / Jahn 2006), in der Tradition
bestehender Denkansätze (vgl. Horkheimer / Adorno 2006) maßgeblich mitbegründet
haben. Aus einer integrativen, sozial-ökologischen Perspektive wird erhöhte
Verwundbarkeit gegenüber Klimawandel als Resultat von Asymmetrien, wie
struktureller sozialer Ungleichheit und gesellschaftlicher Marginalisierung, interpretiert.
Dementsprechend wird der klimatische Wandel mit Fragen der Verteilung von und des
Zugangs zu ökonomischen und politischen Ressourcen in Verbindung gebracht (vgl.
Müller 2002). Aus diesem Blickwinkel besitzen dann auch in den
Klimaanpassungsstrategien soziale Fragen und gesellschaftliche Verhältnisse eine
zentrale Bedeutung. Denn soziale Machtverhältnisse und Verteilungsmechanismen
bestimmen allgemeine Zugangschancen zu Institutionen und Ressourcen. Sie haben
Einfluss auf die Gestaltung lokaler Politikprozesse, auf den Grad von Partizipation und
Mitbestimmung und auf soziale Gleichheit und Geschlechtergleichheit.
Die nationalen Klimaanpassungsstrategien werden von den ärmsten und gegenüber
Klimawandel vulnerabelsten Ländern ausgearbeitet, in der Absicht die systematische
Anpassung an Klimawandel zu erleichtern. Beabsichtigt ist die Ausarbeitung der
Projekte als einen partizipativen gesellschaftlichen Prozess zu gestalten (vgl. NAPA
guidelines 2002). Dabei wird der theoretischen Einsicht gefolgt, dass die Förderung
individueller Fähigkeiten zur Selbsthilfe auf der Mikroebene und die Ausweitung der
Gestaltungsmöglichkeiten für Betroffene auf der Mesoebene zentral sind für die

Details

Seiten
Erscheinungsform
Originalausgabe
Jahr
2008
ISBN (eBook)
9783836636186
Dateigröße
4.6 MB
Sprache
Deutsch
Institution / Hochschule
Universität Kassel – Erziehungs- und Gesellschaftswissenschaften, Studiengang Politikwissenschaft
Erscheinungsdatum
2014 (April)
Note
1,5
Schlagworte
ökologie kyoto-protokoll klimapolitik anpassungspolitik vulnerabilität
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Titel: Entwicklungsländer im Klimawandel - Anpassung auf dem Prüfstand
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