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Revitalisierung innerstädtischer Brachen am Fluss

Am Beispiel Marina Quartier in Regensburg

©2008 Masterarbeit 125 Seiten

Zusammenfassung

Einleitung:
Die Revitalisierung innerstädtischer Brachflächen am Fluss meist in ehemaligen Hafenarealen hat in Deutschland seit Jahren Hochkonjunktur. Auf der Münchner EXPO REAL 2007 wurden mehr als 25 deutsche große Projektentwicklungen, meist mit dem Leitmotiv ‘Wohnen und Arbeiten am Wasser’, beworben ‘der seit Jahren anhaltende Megatrend spätestens seit der erfolgreichen Revitalisierung der Londoner Docklands’.
Anfang der 60-er Jahre führte die Containerrevolution zu einer radikalen Umstellung der gesamten Güter-Logistik-Kette. Ehemals klassische Hafenfunktionen wie Lagerhaltung sowie die Produktion oder Veredelung von Gütern durch flankierendes Gewerbe siedelten auf die grüne Wiese der Außenbezirke um. Die Rezession zu Beginn der 80-er Jahre unterstützte dabei die Deindustrialisierung der Innenstädte und führte zu hohen Leerständen. In vielen Hafengebieten blieb die Monokultur des Rotlichtmilieus zurück, sie wurden zu ‘No–Go-Areas’, was zum Imageverlust und schleichender Verwahrlosung auch angrenzender Stadtteile führte.
In den 80-er Jahren, ausgehend vom ersten ‘Urban Waterfront Development’ in Baltimore/ USA 1964, wurden auch hierzulande verlassene Hafengebiete in wertvoller zentraler Lage wiederentdeckt und neuen Nutzungen, insbesondere dem wachsenden Dienstleistungssektor, zugeführt. Die meist einmalige urbane Lage am Wasser als Alleinstellungsmerkmal macht es überdies attraktiv für stadtnahe Wohnnutzung.
[...]

Leseprobe

Inhaltsverzeichnis

1 Einleitung
1.1 Ausgangssituation und Zielsetzung
1.2 Herleitung der Aufgabenstellung
1.3 Problemstellung der Arbeit
1.4 Gang der Untersuchung

2 Analyse der Ausgangssituation
2.1 Die Entwicklung von Stadt und Hafen
2.2 Risiken und Chancen des Standortes am Fluss

3 Parameter der Untersuchung
3.1 Die Rolle der Stadtentwicklung
3.2 Nutzergruppen
3.2.1 Nutzermix des Gewerbes
3.2.2 Nutzertyp des Wohnens (Milieus)
3.3 Die Akteure und ihre Interessenlage
3.4 Organisationsform und Projektstruktur
3.5 Wirtschaftlichkeit der Projektentwicklung
3.6 benchmark für die optimale Stadtrevitalisierung am Fluss

4 Analyse von Stadthafen-Entwicklungsprojekten
4.1 Auswahl der zu untersuchenden Hafenrevitalisierungen
4.2 Medienhafen Düsseldorf
4.2.1 Die Stadt Düsseldorf am Rhein
4.2.2 Expansive Stadtentwicklung
4.2.2.1 Standort der Kreativen in 4 Phasen (ca. 34 Jahre)
4.2.2.2 Heterogene Monostruktur mit nachträglichem Wohnen
4.2.2.3 Der Zollhof als postmodernes Wahrzeichen
4.2.3 Die Mode erobert den Hafen zurück
4.2.4 Lokale Akteure und mutige Stadtplaner
4.2.5 Hohe Nachfrage bringt hohe Renditen
4.2.6 Kritische Würdigung
4.3 Innenhafen Duisburg (ca. 19 Jahre)
4.3.1 Die Stadt Duisburg
4.3.2 Der geglückte Strukturwandel im Innenhafen
4.3.2.1 Masterplan der IBA Emscher Park
4.3.2.2 Homogene Planung und polyzentrische Funktionsstruktur
4.3.2.3 Die urbane Mischung - Arbeiten Wohnen, Freizeit, Kunst Kultur
4.3.2.4 Ökologisches Stadtquartier am Innenhafen
4.3.2.5 Der Innenhafen als Impulsgeber zur weiteren Stadtentwicklung
4.3.3 Die nachhaltige urbane Mischung
4.3.4 Lokale Akteure und ein visionärer Masterplan
4.3.5 Den Abwärtstrend gestoppt
4.3.6 Kritische Würdigung
4.4 Weitere Revitalisierungen am Fluss
4.4.1 Rheinauhafen Köln
4.4.1.1 Vom Industriehafen zum Bürostandort der Zukunft (ca. 20 Jahre)
4.4.1.2 Homogene, polyzentrische Struktur mit Pfiff
4.4.1.3 Kranhäuser als futuristische Leuchttürme über dem Rhein
4.4.1.4 Urbaner Nutzungsmix als state of the art
4.4.1.5 moderne stadt – ein städtisches Netzwerk
4.4.1.6 Konstant hohe Nachfrage = hochpreisiges Niveau
4.4.1.7 Kritische Würdigung
4.5 Westhafen Frankfurt
4.5.1 Arbeiten Wohnen neben dem Hafen (ca.15 Jahre)
4.5.2 Homogene Planung und duale Funktionsstruktur
4.5.3 Das größte „Ebbelweiglas“ der Welt
4.5.4 Die duale Mischung genügt nicht
4.5.5 ppp und spekulative Bautätigkeit
4.5.6 Fehlender Nutzermix mindert die Rendite
4.5.7 Kritische Würdigung

5 Ableiten von maßgeblichen KPI´s
5.1 Grundmuster von Entwicklungsstrategien
5.2 Rolle der Stadtplanung
5.3 „Think global, act local“
5.4 Multifunktionales Produktkonzept
5.5 Der richtige Zeitpunkt und der richtige Partner
5.6 Nutzungskonzept für das Stadtquartier am Fluss
5.6.1 These 1: Die rhythmische Stadt
5.6.2 These 2: Kopplungen stärken den Nutzermix
5.6.3 These 3: Lärm als Quelle der Unverträglichkeit

6 Produktkonzept „Marina Quartier“
6.1 Makrostandort Regensburg
6.2 Mikrostandort „Marina Quartier“
6.3 Markt- und Wettbewerbsanalyse
6.3.1 Der aktuelle Büromarkt
6.3.2 Der aktuelle Wohnungsbau in Regensburg
6.3.3 Geplante Mischnutzungen in großen Arealen
6.3.4 Der Einzelhandel-Immobilienmarkt
6.3.5 Das Ergebnis der Expertenbefragung
6.4 Urbaner Mix und innovative cluster
6.5 Eine neue Identität: maritim und ökologisch
6.6 Experimenteller Wohnungsbau
6.7 Entwicklungsstrategie in 3 Phasen

7 Nutzungskonzept „Marina Quartier“
7.1 Nutzermix aus Wohnen Arbeiten, Freizeit und Tourismus
7.1.1 Eine Innenmarina im Stadtviertel ist kontraproduktiv
7.1.2 Freizeit Tourismus, Sport Vergnügen am Wasser
7.1.3 Dienstleistung und Hotel Gastronomie als Lärmriegel
7.2 Phase 1: Infrastruktur und Erschließung
7.2.1 Abgestufte Bebauung zur Betonung der Sichtachse
7.2.2 Der Marina Boulevard am Kanal
7.2.3 Hotel, Dienstleistung, Seniorenresidenz und Betreutes Wohnen
7.3 Phase 2: Biozentrum im ehemaligen Schlachthof
7.3.1 Innovative cluster im Bereich Sport und wellness
7.3.2 Experimentelles Wohnen am Schlachthof
7.4 Phase 3: Leuchtturmprojekt an der Donau
7.4.1 Wohnen am Kanal in Stadthäusern
7.4.2 Wohnen am Biozentrum im Geschoßwohnungsbau
7.4.3 Durchlässigkeit für Fahrradfahrer
7.4.4 Das mediterrane Stadtviertel
7.5 Wirtschaftlichkeitsbetrachtung in Szenarios
7.5.1 Frontdoor-Approach aus der Sicht des Projektentwicklers
7.5.2 Backdoor-Approach aus der Sicht des Investors

8 Fazit

9 Verzeichnisse
9.1 Quellenverzeichnis
9.2 Literaturverzeichnis
9.3 Begriffsverzeichnis aus www.wikipedia.de
9.4 Abbildungsverzeichnis
9.4 Abbildungsverzeichnis
9.5 Tabellenverzeichnis
9.6 Abkürzungsverzeichnis

10 Anhang

1 Einleitung

1.1 Ausgangssituation und Zielsetzung

Die Revitalisierung innerstädtischer Brachflächen am Fluss meist in ehemaligen Hafenarealen hat in Deutschland seit Jahren Hochkonjunktur. Auf der Münchner EXPO REAL 2007 wurden mehr als 25 deutsche große Projektentwicklungen, meist mit dem Leitmotiv „Wohnen und Arbeiten am Wasser“, beworben „der seit Jahren anhaltende Megatrend spätestens seit der erfolgreichen Revitalisierung der Londoner Docklands“[1].

Anfang der 60-er Jahre führte die Containerrevolution zu einer radikalen Umstellung der gesamten Güter-Logistik-Kette. Ehemals klassische Hafenfunktionen wie Lagerhaltung sowie die Produktion oder Veredelung von Gütern durch flankierendes Gewerbe siedelten auf die grüne Wiese der Außenbezirke um. Die Rezession zu Beginn der 80-er Jahre unterstützte dabei die Deindustrialisierung der Innenstädte und führte zu hohen Leerständen. In vielen Hafengebieten blieb die Monokultur des Rotlichtmilieus zurück, sie wurden zu „No–Go-Areas“, was zum Imageverlust und schleichender Verwahrlosung auch angrenzender Stadtteile führte.

In den 80-er Jahren, ausgehend vom ersten „Urban Waterfront Development“ in Baltimore/ USA 1964, wurden auch hierzulande verlassene Hafengebiete in wertvoller zentraler Lage wiederentdeckt und neuen Nutzungen, insbesondere dem wachsenden Dienstleistungssektor, zugeführt. Die meist einmalige urbane Lage am Wasser als Alleinstellungsmerkmal macht es überdies attraktiv für stadtnahe Wohnnutzung.

Im Wesentlichen sind Projektentwicklungen in ehemaligen Hafenarealen jedoch Stadtreparaturen, da hier meist große und zentral gelegene Flächen, umgeben von gewachsenen und funktionierenden Stadtteilen, zur Verfügung stehen. „Die regionale strategische Planung in den meisten betroffenen Städten beschäftigte sich selten mit ihren Hafen- und Uferzonen und übersah zumeist das Ausmaß der drohenden Neugestaltung.[2] So entstehen am Wasser gleichsam ganz neue Stadtquartiere wie z.B. die Hafencity Hamburg oder der Medienhafen Düsseldorf.

Für Regensburg, Weltkulturerbe-Stadt an der Donau, wurde das Konzept „Marina Quartier“ mit dem Leitziel: „Wohnen und Arbeiten am Wasser“ auf einem ca. 20 Hektar großen Areal zwischen Altstadt und dem Bayernhafen im Osten der Stadt erarbeitet. 1/3 Wohn- und 2/3 Büroanteile sollen realisiert werden. Nachdem eine erste Machbarkeitsstudie der Projektentwickler „Drees Sommer AG“[3] 2005 der Projektentwicklung nur einen geringfügig positiven Barwert der notwendigen Investitionen bescheinigt, scheinen die Aktivitäten im Moment zu ruhen.

Vergleichbare Entwicklungen in Köln, Düsseldorf, Duisburg oder Hamburg werden in der Presse als große Erfolge gefeiert. So stellt sich die Frage, welche Faktoren eine Revitalisierung innerstädtischer Stadtquartiere am Fluss erfolgreich gestalten.

Es wird die These aufgestellt, dass Umnutzungen von innerstädtischen Brachflächen am Fluss in unmittelbarer Nähe zu einem aktiven Industriehafen mit entsprechenden Geruchs- und Lärmemissionen nur durch vielfältige, sich ergänzende Nutzungen Erfolg versprechend sind. Alleinstellungsmerkmale im Hinblick auf sich wandelnde Marktinteressen im gewerblichen Bereich sollen so zu einem nachhaltigen Vermarktungsansatz beitragen. Ebensolche Kriterien könnten im Wohnungsbau am Fluss angewendet werden. Es gilt für beide Bereiche mögliche Nutzergruppen und deren Bedarfe heraus zu arbeiten.

Eine Aufgabe wird sein, städtebauliche Strukturmuster zur Qualitätsverbesserung heraus zu finden. Auch die Prozessoptimierung zwischen den Akteuren, die sich durch unterschiedliche Interessenslagen auszeichnen, wollen zunächst untersucht und dann bewertet werden. Durch die Profilierung sich gegenseitig stärkender cluster soll ein unverwechselbares städtebauliches Konzept zu einem Produktkonzept vernetzt werden, mit dem der FNP auch hinsichtlich seiner Wirtschaftlichkeit optimiert werden kann.

Ziel dieser Arbeit ist es, ein nachhaltiges und wirtschaftliches Nutzungskonzept für innerstädtische Brachflächen am Fluss aus der Sicht des Projektentwicklers zu erarbeiten, deren benchmarks auf jede Art von Stadtreparatur, in der es um die Nachverdichtung großer Areale geht, angewendet werden können soll.

1.2 Herleitung der Aufgabenstellung

Stadtreparatur in Form von Wiederbelebung großer Brachflächen hat grundsätzlich die Aufgabe, die bestehende Umgebung durch ein neues Stadtquartier zu vernetzen und zu ergänzen. Hierbei besteht sogar die Chance durch einen neuen Nutzungsmix eine sinnstiftende und nachhaltige Identität zu generieren, die die Umgebung aufwertet.

Anlässlich eines EU-Ministertreffens in Leipzig im Mai 2007 zum Thema „Renaissance der Städte“ begrüßte Christian Ude, Präsident des Deutschen Städtetages den Paradigmenwechsel in der Stadtentwicklung: „Rund 75 Jahre nach der längst überholten Charta von Athen, die uns eine Teilung in Schlafstädte und Büroviertel beschert hat, besteht jetzt auf der Grundlage der Leipzig Charta die Chance für eine neue Stadtentwicklungspolitik in Europa. Nicht mehr die räumliche Trennung von Wohnen, Arbeiten, Versorgung und Freizeit mit den damit verbundenen Verkehrs- und Umweltlasten, sondern kompakte und urbane Siedlungsstrukturen mit gesunder Mischung sind die wegweisenden Antworten für lebendige, friedliche und damit zukunftsfähige Städte, in denen sich die Menschen wohlfühlen und in denen sie leben wollen.“[4]

Grundsätzlich soll eine Stadt folglich vielfältige Bedürfnisse von Arbeiten, Wohnen und Einkaufen im Alltag über Flanieren, Konsumieren und Verweilen bis hin zu Freizeit und Entertainment an den Abenden oder Wochenenden erfüllen.

Was aber macht ein neues, erfolgreiches Stadtquartier am Fluss grundsätzlich aus? Wie könnte eine Identität stiftende Nutzungsvielfalt aussehen? Was sind Stärken und Schwächen, gar Wert bildende Faktoren bei einer Stadtrevitalisierung am Wasser? Wie entsteht urbane Identität? „Nicht das modische Mischen von Wohnvierteln und Gewerbegebieten zur sogenannten „Doppelnutzung“ führt zu Urbanität, sondern gewagte Mischungs-Experimente auf innerstädtischen Brachen.“[5]

So gilt es zunächst grundsätzliche Strukturmuster und Funktionscluster der Stadt im Kontext mit den jeweiligen Nutzern und deren Bedarfen herauszuarbeiten.

1.3 Problemstellung der Arbeit

Anders als bei vielen Hafenrevitalisierungen ist in Regensburg ein nach wie vor aktiver Hafen mit entsprechenden Lärmemissionen an dem zu entwickelnden Areal mit ca. 35% der Fläche beteiligt. Nachdem die Regensburger Stadtplanung 2003 zunächst auch Teile des aktiven Hafengebietes mit Wohnbebauung großzügig überplant hatte, einigten sich die Hauptakteure, die Verwaltung der Stadt und des bayernhafen, auf die unverbindliche Stadtplanung vom 31.08.2006[6] mit einer innen liegenden Marina sowie 1/3 Wohn- und 2/3 Büronutzung. „Viele ehemalige Hafenflächen sind bereits zu Büro-, Wohn- und Freizeitimmobilien umgewidmet worden,... Diesen alternativen Nutzungsansprüchen aus kurzfristigen wirtschaftlichen Überlegungen heraus Platz einzuräumen, kann irreparable Entwicklungen einleiten, die über kurz oder lang sogar dazu geeignet sind, den Fortbestand der Häfen und damit ihre Bedeutung als Standortfaktor in Frage zu stellen.“[7]

Beim bayernhafen bleibt eine große Skepsis gegenüber der geplanten Wohnbebauung zurück, da es in vergleichbaren Fällen wie z.B. am Osthafen in Frankfurt zu erheblichen Problemen mit Anwohnern im Hafengebiet gekommen ist.[8]

Konfliktpotenzial findet sich hier einerseits unter den Akteuren und andererseits durch die unvermeidliche Lärmentwicklung in einem aktiven Industriehafen, „die unweigerlich Prozesse der neuen Einwohner gegen die Häfen nach sich ziehen würde.[9]

Wie in fast allen Städten der BRD verzeichnet auch Regensburg derzeit große Leerstände auf dem Büromarkt. „Vom Leerstand sind jedoch auch Neubauten betroffen, deren Fertigstellung zeitlich mit dem konjunkturell bedingten Nachfrageeinbruch zusammenfiel und die daher nur unbefriedigende Vermietungserfolge verbuchen konnten“[10] Somit scheint die geplante Nutzungsmischung nicht Ziel führend.

Tatsächlich wird in Regensburg urbaner Wohnraum im Zentrum stark nachgefragt, „die Nachfrage übersteigt bei Weitem das Angebot.“[11]

Prof. Dr. Horst W. Opaschowski unterstreicht den Trend zurück in die Stadt mit den Erhebungen durch das BAT Freizeit-Forschungsinstitut „die neue Lust auf Stadt“.[12] Es ist gerade die Vielfalt des Angebots und die kurzen Wege, die die Menschen nach Wegfall der Pendlerpauschale und vor dem Hintergrund steigender Benzinpreise wieder in die Stadt zurückziehen lassen wollen.

Lärmbelastung lässt sich hier als ein zentraler Konfliktpunkt der Stadt- und damit auch Immobilienentwicklung ableiten. Welche Nutzung verträgt welche Lärmemission? Welcher Nutzertyp möchte in der Stadt neben einem aktiven Hafen leben und nimmt erhöhte Lärmbelästigung in Kauf?

Wenn kein Bedarf an Bürogebäuden existiert, wie können alternative Bedarfe aus der Stadt heraus generiert werden, sodass die brachliegenden Flächen sinnvoll genutzt werden können? Wie kann die Strukturvernetzung zwischen Wohnen und gewerblichen Nutzungen, von Einzelhandel, Kunst und Kultur, Freizeit und Sport am Besten gelingen?

Konflikte zwischen den unterschiedlichen Akteuren aufgrund diversifizierender Interessenslagen zeichnen sich ab. Wie können die Interessen der stakeholder so synchronisiert werden, dass für alle Beteiligten eine win–win-Situation geschaffen werden kann?

Die Stadterweiterung als Reparaturaufgabe und gleichzeitig als Agglomeration von Funktionen wird durch die Nutzungsmischung bestimmt. Hierbei kommt den Nutzergruppen erhöhte Bedeutung zu. Deren Bedürfnisse an die Stadt gilt es genauso zu definieren wie die besondere Standortqualität am Fluss.

1.4 Gang der Untersuchung

Einführend soll als theoretische Grundlage die symbiotische Entwicklung von Stadt und Hafen vor dem Hintergrund wirtschaftlicher Zyklen nach Kondratieff[13] dargestellt werden, um die Problemstellung in einen übergeordneten Zusammenhang zu setzen.

Eine Bestandsaufnahme der Ausgangssituation „Stadtbrache“ sollte die Grundlage jeglicher Revitalisierung sein. Zunächst wird dazu der Standort am Wasser grundsätzlich definiert und in einer SWOT-Analyse gewertet. Die weiteren Protagonisten der zu entwickelnden Stadtkomposition, mögliche Nutzergruppen, Architektur und Städtebau sowie die Akteure (stakeholder), die Organisationsform sowie eine mögliche Wirtschaftlichkeit definiert. Hieraus lassen sich die Parameter und Kriterien abbilden, die der durchzuführenden Vergleichsstudie ausgesuchter, bereits realisierter Stadthafen-Entwicklungsprojekte zu Grunde gelegt werden.

Durch die Analyse realisierter Entwicklungen sollen die Fragen der zuvor erkannten Problemstellungen beantwortet werden, um Strategien, Abhängigkeiten und Erfolgs- und Schlüsselfaktoren (KPI´s)[14] zur Stadtentwicklung am Fluss ableiten zu können. Die Wirtschaftlichkeit der vergleichbaren Maßnahmen soll durch die Kaufpreissammlung der jeweiligen Gutachterausschüsse über den Projektzeitraum ermittelt werden.

Die KPI´s der Voruntersuchung sollen zu Hypothesen führen, die eine Revitalisierung von Stadtbrachen am Fluss erfolgreich gestalten. Auf das Beispiel Marina Quartier in Regensburg angewendet, wird eine Neukonzeption des Planungsgebietes wohl unvermeidlich sein. Mit einer Expertenbefragung in der Immobilienbranche wird das Konzept auf seine Wirksamkeit hin überprüft.

Die daraus resultierende Lösungsstrategie wird anschließend auf Ihre Wirtschaftlichkeit mit einem backdoor-/ frontdoor-approach hin getestet. Sollte diese Wertschöpfung deutlich besser als das von Drees Sommer vorgelegte Entwicklungskonzept abschließen, gelten die zuvor getroffenen Hypothesen als gesicherte Erkenntnisse.

Zusammenfassend werden die Ergebnisse der einzelnen Untersuchungen bewertet und Handlungsempfehlungen daraus abgeleitet.

2 Analyse der Ausgangssituation

Größere Revitalisierungsmaßnahmen in einer Stadt werden immer erst dann notwendig, wenn sich Bedingungen der Gesellschaft grundlegend verändert haben. Infolge der Konjunkturzyklen hat sich auch die Form und Charakteristik der Stadt als Spiegel der Gesellschaft geändert. Wie sich im Laufe der Zeit die wechselseitige Abhängigkeit der Stadt vom Hafen und die Rolle des Hafens zur Stadt verändert hat, soll vor dem Hintergrund einer zyklusabhängigen Gesamtwirtschaft betrachtet werden.

2.1 Die Entwicklung von Stadt und Hafen

In der Marktwirtschaft wiederholen sich wellenförmige Wirtschaftsschwankungen mit einer Periode von 40-60 Jahren, die nach ihrem Erfinder Kondratieffzyklen genannt werden. „Auslöser dieser langen Wellen sind bahnbrechende Erfindungen, die sogenannten Basisinnovationen. Kondratieffzyklen sind nicht nur lange Wellen der Konjunktur, sie sind Reorganisationsprozesse der ganzen Gesellschaft.“[15]

Leo A.Nefiodow führte das Modell des stetigen zyklischen Auf- und Abschwungs weiter und definierte den 6.Zyklus als grundlegende Veränderung in den produktivitäts-bestimmenden Kompetenzen und Wettbewerbsfaktoren. „Technologie ist weltweit verfügbar und bringt in der Konkurrenz der ökonomisch entwickelten Länder keinen relevanten Vorsprung mehr, ..., weil sie sich im Zuge der Globalisierung weltweit angleichen. Was die Unternehmen und Volkswirtschaften im Wettbewerb der Zukunft unterscheiden wird, ist die Gesundheit ihrer Menschen und die Qualität ihres Gesund-heitswesens, ganzheitlich gesehen: körperlich, seelisch, geistig, sozial und ökologisch.“[16] Die Anforderungen der Globalisierung haben zwischenzeitlich die Häfen zu einem trimodalen Logistik-Standort verändert. Nur so kann der inländischen just-in-time-Produktion und dem Weltwirtschaftshandel begegnet werden.

„Wenn heute von Informationstechnologie als Zukunftsbranche die Rede ist, so war die Dampfmaschine die Zukunftstechnologie des frühen 19. Jahrhunderts. Lokomotiven, Dampfschiffe, mechanische Antriebe für Fabriken, all dies basiert auf der Kohle. Eisen- und Stahlproduktion erhöhen den Kohlenbedarf; der Kohleabbau benötigt viele Arbeitskräfte; der Transport der Massengüter Kohle, Erze und Stahl benötigt wiederum Energie und Maschinen... so entsteht ein selbstverstärkender Effekt: Die Montanindustrie wächst und mit ihr die Reviere. Die lang anhaltende Krise der Montanindustrie erklärt sich somit aus ihrem Alter. Sie basiert auf einer vergleichsweise alten Basisinnovation und hat die beste Zeit hinter sich. Der technische Vorsprung der Erfinder-Länder schmilzt, die Konkurrenz nimmt zu. Und damit verlagern sich Arbeitsplätze ins Ausland, während die Produkte, die man noch vor wenigen Jahrzehnten exportierte, nun billig eingeführt werden können.“

Basisinnovationen sind Grundlagen wichtiger Branchen wie der chemischen Industrie, der Automobilindustrie, der Luft- und Raumfahrtindustrie. Während nun das Ruhrgebiet durch die Kohlechemie früh Anschluss an die Entwicklungen der chemischen Industrie gefunden hat, gingen Fahrzeugindustrie, die Elektrotechnik und zuletzt auch die Mikroelektronik am Revier vorbei.“[17]

Auch für die Stadtplanung hat mit der Charta von Leipzig ein neues Zeitalter begonnen:

Das Wirtschafts- und Flächenverbrauchswachstum der 50- und 60-er Jahre des letzten Jahrhunderts hatte zur Massenverbreitung des Automobils, zu einem erheblichen Anstieg der Mobilität und einem städtebaulichen Leitbild der autogerechten Stadt geführt.[18] Das Eigenheim im Grünen wurde zum Leitziel der Bevölkerung und führte nach und nach zur Suburbanisierung. So entstanden Schlafstädte im Umkreis der Städte und Gewerbegebiete legten sich wie ein Speckgürtel um die Stadt. Gleichzeitig entleerten sich erst die Häfengebiete und entwickelten sich zu Brachen, danach die angrenzenden Stadtteile der Innenstädte. So wirken sich die volkswirtschaftlichen Zyklen erst in der Gesellschaft und zeitversetzt auch auf die Stadtentwicklung aus.

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abb.1:Kondratieff-Zyklen im Spiegel der Stadt- und Hafenentwicklung,

eigene Darstellung nach Nefiodow[19]

Die Leitziele der Charta von Athen führten letztendlich zu massiven Verkehrs- und Umweltproblemen. „Innenstädte verödeten und mit dem Umbau der Städte gab man viel von der eigenen Geschichte, Stadtgeschichte und urbanen Lebendigkeit auf. Erst ab 1970 wird der kleinteiligen Funktionsmischung und der Vitalisierung der historischen Stadtkerne wieder mehr Beachtung auch durch das Städtebauförderungsgesetz geschenkt.“[20]

Nicht zuletzt das Informationszeitalter mit seiner flächendeckenden multimedialen Vernetzung hat die körperliche Anwesenheit am Arbeitsplatz entbehrlich gemacht und damit zu einem Umdenken geführt. Das neue Leitbild der Städtebauplanung heißt nun vieler orten „Innerstädtisches Wohnen und Arbeiten“ auch als Beitrag zum Klimaschutz in Anlehnung andie AGENDA 2010-Leitlinie der Bundesregierung von 2005.[21]

Vor dem Hintergrund des demografischen Wandels und der zukünftig schrumpfenden Städte aufgrund des dramatisch prognostizierten Bevölkerungsrückganges in Deutschland fühlt sich Andreas Feldtkeller bei einer Veranstaltung der Friedrich-Ebert-Stiftung zum Thema „Lebenswerte Städte“ dazu verleitet „Die Renaissance der Städte“[22] anzukündigen.

Die hierzu notwendigen Entwicklungsschritte finden seiner Meinung nach auf mehreren Ebenen statt:

1. Nutzungsmischungbedeutet auch Stabilität durch Risikostreuung und die Flexibilität, auf Veränderungen des Marktgeschehens besser reagieren zu können. Dies betrifft auch die mitunter dogmatische Haltung der Stadtplanung.
2. Eine effektive Zusammenarbeit von öffentlichen und privaten Akteuren sollte in allen Städten Basis der Stadtentwicklung sein. Für eine über Jahrzehnte sich entwickelnde Quartiersbebauung ist es unbedingt nötig, Flexibilität im Hinblick auf geänderte Marktbedürfnisse walten zu lassen.
3. Eine Beteiligung der Einwohner führt zu einer höheren Identität bei der Stadterneuerung. Zudem sollten sich auch die Bürger bei derartigen Prozessen in "ihrer" Stadt als Akteure fühlen (= Partizipation ).

2.2 Risiken und Chancen des Standortes am Fluss

Die Entwicklung brachliegender Flächen in ehemals genutzten Hafengebieten haben aufgrund ihrer Historie und der besonderen geographischen Lage im Unterschied zu ähnlich urbanen Lagen erhöhte Risiken und Chancen[23].

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Tabelle 1: SWOT-Analyse[24] des Standortes, eigene Darstellung

Die städtebaulichen Schwächen können durch eine geschickte Stadtplanung, leicht erhöhte Baukosten und eine größere Vorlaufzeit der Planung ausgeglichen werden. Die Stärken und Chancen überwiegen indes bei Weitem.

Dem Risiko, die zahlreichen Akteure mit unterschiedlicher Interessenslage vor dem Hintergrund auch öffentlicher Begehrlichkeiten auf eine gemeinsame Lösungsstrategie zu einigen, gilt es im Vorfeld jeglicher Aufstellungsbeschlüsse mit offenen Planungswerkstätten und transparentem Marketing zu begegnen.

3 Parameter der Untersuchung

In der Regel handelt es sich bei allen Revitalisierungsmaßnahmen am Fluss um einen Prozess der Stadtplanung vor dem Hintergrund unterschiedlicher Interessenlagen der verschiedenen Akteure und deren wechselseitigen Abhängigkeiten.

Nikolai Lutzky und Petra Meurer sehen in ihrer Untersuchung „Investive Konzepte für Hafenareale“[25] keine Chance für einen allgemein gültigen Königsweg, vielmehr wird nur die Strategie wirtschaftliche Früchte tragen können, die dem besonderen genius loci[26] der Stadt in den folgenden 4 zentralen Strategieelementen in optimaler Weise Rechung trägt.

3.1 Die Rolle der Stadtentwicklung

Ein deutlich erkennbares Leitmotiv der derzeitigen Hafenrevitalisierungen ist eine städtebauliche und architektonische Qualität, die vielfach durch originelle Bauwerke namhafter Architekten wie im Medienhafen Düsseldorf (z.B. Zollhof von Frank O´Gehry) oder dem Duisburger Innenhafen (Lord Norman Foster) geschaffen wird und zu überregionalem Interesse führt. Die Städte erhoffen sich dadurch kurzfristig hohe Besucherzahlen und Einzelhandelsumsätze und langfristig einen nachhaltigen Strukturwandel mit einem zunehmenden Arbeitsplatzangebot.

Die Revitalisierung innerstädtischer Brachen am Fluss erstreckt sich oft über Jahrzehnte, da hier meist große zusammenhängende und innenstadtnahe Flächen charakteristisch sind. Es wird zu untersuchen sein, wie unterschiedlich die Vorgehensweise in den zu vergleichenden Städten war hinsichtlich:

1. Planungsphasen und Leitziele
2. Die Art der Erschließung, d.h. Verkehrskonzept und Infrastruktur
3. Struktur der Bebauung, auch im Kontext zur Nachbarschaft
4. Identität der Architektur (Leuchtturm oder Lichterkette)

Die Studie „Lebenswerte Stadtquartiere"[27] zeigt in diesem Zusammenhang acht übertragbare Prinzipien für den Bau, den Erhalt oder die Reparatur von Quartieren auf:

1 Erreichbarkeit und Durchlässigkeit durch die Anlage vieler kurzer Wegeals besondere Attraktivität für Fußgänger,
2 Nebeneinander und Überlagerung verschiedener Nutzungen, Haushaltsgrößen und sozialer Gruppen,
3 Schaffung und Sicherung privat verfügbaren Freiraums,
4 Ermöglichung von Anlässen und Gelegenheiten für Kommunikation im öffentlichen Raum,
5 Verhaltenssicherheit und Toleranz als Prinzip für Kommunalität,
6 Anpassungsfähigkeit, Alterungsfähigkeit und Gebrauchsfertigkeit der Bausubstanz und Quartiersbeschaffenheit,
7 Rückbau von Strukturen im Sinne von Rückgabe an die Bürger bzw. Bewohner sowie Bestandspflege zur Qualitätssicherung

3.2 Nutzergruppen

Zunächst soll versucht werden, sich den beiden großen Wirkgruppen der Nutzer, Gewerbe- und Wohnnutzung durch Quellen anzunähern, um Parameter für die zu untersuchenden Hafenentwicklungen festzulegen.

3.2.1 Nutzermix des Gewerbes

Der Medienhafen Düsseldorf z.B. erhielt seinen Namen aufgrund einer tatsächlichen oder gewünschten Branchenkonzentration, auch „cluster“ genannt. Im Rahmen der Untersuchung vergleichender Entwicklungsmaßnahmen soll herausgearbeitet werden, wie sich welche cluster gebildet haben.

Haben sich Branchenkonzentrationen aus in der Stadt bereits vorhandenen Nutzungen gebildet oder entstanden Neuansiedlungen? Hat die Revitalisierung des Hafenareals zu einer Ergänzung der vorhandenen Branchen der Innenstadt geführt oder steht sie dazu im Wettbewerb?

„Eine Renaissance der Funktionsmischung“ sieht Florian Walter, Stadtplaner an der RWTH Aachen besonders im Rahmen von Stadterneuerungen und der Wiedernutzung von brachgefallenen Flächen.[28] „Nutzungsgemischte Quartiere sind vor allem langfristig wirtschaftlich. Ihre Struktur ist so robust, dass sie sich an veränderte soziale und wirtschaftliche Anforderungen anpassen lässt.

Dem im Wege stehen oft die restriktiven FNPe der Stadt. Sie resultieren noch aus dem Industriezeitalter, als Gewerbe immer mit Lärm verbunden war. Heute hört man neben einer Chip-Fabrik nicht mehr Lärm als neben einer Büronutzung. Hier wäre im Sinne eines neuen Stadtquartiers mehr Flexibilität gefragt.

Prof. Dr. Uta Hohn definiert in Ihrem Vortrag „Stadtumbau an der metropolitanen Waterfront hoch industrialisierter Staaten[29] vier Funktionscluster, die sich als Bausteine in den von ihr untersuchten Gebieten immer wiederfinden:

1. Festival Marketplaces, UEC und Themenparks, auch incentives
2. imageträchtige Bürostandorte, vorzugsweise ergänzt durch z.B. World Trade Center, Ausstellungs- und Kongreßzentrum, Hotels
3. kommerzfreie Räume mit Angeboten zur Entspannung und zur Betätigung in den Bereichen Sport, Spiel, Unterhaltung und Kultur
4. Wohnungsbau

Diese Funktionsmodule seien „planungskulturell bedingte Variationen“ im Spannungsverhältnis zwischen dem bestehenden Angebot der Stadt und dem Standort. Ihre Beispiele orientieren sich stark an sehr großen waterfront - Projekten in den USA und Japan mit stillgelegten Überseehäfen am Meer.

Auch, wenn derart große Flächen in Regensburg nicht zur Verfügung stehen, seien an dieser Stelle alle denkbaren Stadtnutzungen am Hafen zugelassen, um den möglichen Nutzermix nicht bereits im Vorfeld einzuschränken. Wichtig erscheint allein, dass es sich hierbei um eine Mischung aus Wohnen und Arbeiten, Touristik, Kultur, Freizeit und öffentlichem Erlebnisraum handelt und damit bereits um 3 Bausteine mehr als die üblich zitierten Leitziele „Wohnen und Arbeiten am Wasser“[30] vieler deutscher Projekte.

3.2.2 Nutzertyp des Wohnens (Milieus)

Angus McIntosh unterstreicht in seinem essay über den Stadtumbau in Europa[31] die Wichtigkeit des Nutzermix. Ursachen für ein Scheitern von Stadterneuerung sieht er entweder in mangelnder Erschließung des Areals oder fehlender Bevölkerung, die zu der Art der Entwicklung passt. Es stellt sich demzufolge die Frage, welcher Nutzertyp für das Wohnen am Wasser in einer ehemaligen Brache in Frage kommt?

Um die nachfolgenden Untersuchungen der bereits revitalisierten Hafengebiete zu erleichtern, wurde auf das Modell der Sinus Sociovision® zurück gegriffen, die die Menschen auf der Grundlage von Wertorientierung, Lebensstil, Alltagseinstellung zu Arbeit, Familie, Freizeit, Geld und Konsum bestimmten Milieus zuordnet.“[32] Die Sinus-Milieus® sind das Ergebnis von fast drei Jahrzehnten sozial-wissenschaftlicher Forschung. „Sie rücken den Menschen und das gesamte Bezugssystem seiner Lebenswelt ganzheitlich ins Blickfeld.“[33]

Hierbei werden grundsätzlich 10 verschiedene Typen mit ihrem Anteil an der Gesamtbevölkerung unterschieden:

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abb.2: Sinus-Sociovision GmbH, Heidelberg – Sinus-Milieus

„Die Abbildung beschreibt die Positionierung der Milieus auf den Dimensionen „Soziale Lage“ und „Grundorientierung“. Sie beinhaltet ebenfalls die prozentuale Verteilung der Milieus innerhalb der gesamtdeutschen Bevölkerung, die sich auch in den Variablen der MOSAIC Milieus widerspiegelt.“[34]

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abb.3: Nutzer und ihre Milieus nach Sinus Sociovision®, eigene Darstellung[35]

Im Hinblick auf die bevorzugte Wohnform und Lage kristallisieren sich anhand dieses Modells die folgenden Milieus mit einer Gesamtsumme von maximal 48% der Gesamt-

bevölkerung als mögliche Bewohner des revitalisierten Stadtquartiers heraus:

1. Etablierte, 30-60 Jahre alt, sog. „ best ager“ , höchste Bildung höchste Ansprüche an Wohnen, höchstes Einkommen
2. Modern Performer , < 30 Jahre alt, Berufs- und Familienstarter hohe Bildung, kosmopolitisch, Single oder DINKS
3. Post-Materielle, 20-60 Jahre alt, intellektuell, meist mit Kindern, höchste Bildung, kosmopolitisch, liberal und tolerant
4. Hedonisten , < 50 Jahre alt, mittlere Bildung, spaß- und erlebnisorientiert,
5. Experimentalisten , > 30 Jahre alt, gehobene Bildung, experimentell

Diese theoretische Aussage soll anhand des Beispiels einer unbekannten Stadt am Fluss überprüft werden. Die Quote der Etablierten, Postmateriellen, Moderne Performer sowie Hedonisten und Experimentalisten sind tatsächlich sehr häufig in dieser vergleichbaren Wohnlage am Fluss anzutreffen. Es scheint sich zu bestätigen, dass hier wenig Konservative, Traditionsverwurzelte und DDR-Nostalgische leben.

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abb.4: Sinus-Sociovision GmbH, Heidelberg – Sinus-Milieus – Handbuch S.58

Bei näherer Betrachtung kommen im Bereich der großen Verkehrsstraßen vergleichsweise sehr viele Hedonisten und auch die Paarung von Experimentalisten und Modern Performer vor, während sich im nördlichen Bereich eher die Postmateriellen und Etablierten in einem ruhigen Quartier ohne belastende Nähe zu Verkehrsstrassen zusammen finden. Es darf unterstellt werden, dass diese Unterscheidung auch mit der Höhe der Kosten zusammenhängt, da ruhige innenstadtnahe Lagen in der Regel die höchsten Preise aufweisen.

Es wird von Bedeutung sein, in den nachfolgenden Stadtentwicklungen zu untersuchen, welcher Nutzertyp tatsächlich am Häufigsten vorkommt.

3.3 Die Akteure und ihre Interessenlage

Die Kommune als Planungshoheit ist immer beteiligt. Hier werden Leitbilder in einer Bauleitplanung formuliert, Flächennutzungspläne (FNP) aufgestellt und nach öffentlicher Beteiligung in Bebauungsplänen festgeschrieben, die die Art der baulichen Nutzung, die Höhe und Gestalt der Bauwerke festlegen. Im Fall des Stadtumbaus am Fluss ist die Kommune darüber hinaus immer auch Grundstücksbesitzer, was die Leitfunktion stärkt, die Struktur des Projektes allerdings nicht vereinfacht.

Ferner wirken folgende Akteure in der zu revitalisierenden Stadtkomposition mit:

1. Grundstücksbesitzer, die ihre Grundstücke als Eigenkapital einbringen,
2. Investoren, die mit Fremdkapital zur Realisierung beitragen,
3. verschiedene Nutzergruppen (Gewerbe und Wohnen) und
4. die Öffentlichkeit, die beim Stadtumbau beteiligt werden möchte.

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Ziel der Projektstruktur sollte sein, alle Bedürfnisse der einzelnen Akteure befriedigen zu können. Welche Kriterien hierzu notwendig sind, sollen die nachfolgenden Untersuchungen zeigen.

Abb.5: Akteure und Ihre Interessenslage, eigene Darstellung

3.4 Organisationsform und Projektstruktur

Die Hafenimmobilien in Deutschland gehören den Kommunen, nur in Bayern, Baden-Württemberg und Sachsen ist dieser Immobilienbesitz Landesvermögen. Oft sind auch private Grundstückbesitzer beteiligt. Zu untersuchen ist die Organisations- und Projektstruktur hinsichtlich Management und Finanzierung:

1. Die Finanzierungsstruktur:
- In welchem Verhältnis standen Eigen- zu Fremd- zu Fördermitteln?
- Gibt es Teilbereiche, die allein von der Kommune finanziert wurden?
- Welche Arten von Investitionsstrategien wurden angewendet?
- Welcher Typ von Investor trat am Häufigsten auf?

2. Das Projektmanagment:
- Welche Akteure bildeten welche Organisationseinheit?

Der Vergleich der verschiedenen Organisationsstrukturen soll Aufschluss über das optimale Finanzierungs- und Management-System geben.

3.5 Wirtschaftlichkeit der Projektentwicklung

Für die betreffende Kommune ist die Revitalisierung einer Stadtbrache durch erhöhtes Steueraufkommen, neue Arbeitsplätze und Unternehmensansiedlungen immer eine positive Entwicklung, insbesondere dann, wenn das neue Image auf überregionales Interesse stößt und stärkeres Touristenaufkommen attrahiert.

Für die Immobilienwirtschaft ist einzig die nachhaltig zu erwirtschaftende Rendite von Interesse, da das Kapital auch in andere Projekte investiert werden könnte. So soll die Wertsteigerung der einzelnen Objekte und auch der unbebauten Grundstücke anhand der Kaufpreissammlung der Gutachterausschüsse über den Zeitraum der letzten 10 Jahre ermittelt werden. Erfolgreich ist nur eine Wertsteigerung.

Zur Abrundung dieser Betrachtung soll das derzeitige Mietniveau in der Projektauswahl mit dem durchschnittlichen Mietniveau der Stadt verglichen werden, um daraus eine mögliche Wertsteigerung der Projektmaßnahme abzuleiten.

[...]


[1] Hanns-Ludwig Bauser, GF Wirtschaftsförderungsges.mbH metropoleruhr, Wirtschaftsmagazin Ruhr, 5/2007, S.22

[2] Florenz Rogge, „Revitalisierung alter Hafengebiete unter besonderer Berücksichtigung der Projektentwicklung, S. 17

[3] Marina Quartier Regensburg, Drees Sommer, 2005

[4] www.staedtetag.de - Charta von Leipzig

[5] Kees Christiaansen, „Die Stadt als Loft – Urbanität“, Rede anlässlich 11.Hessischer Architektentag12.02.2002 – Broschüre Allianz Dresdner Bauspar AG, S.59

[6] Rahmenplan „Marina Quartier“ – Stadtplanungsamt Regensburg vom 31.8.2006

[7] http://www.binnenhafen.de/download/_3/_9/argumentationspapier_09-2006.pdf

[8] Expertengespräch Klaus Hohberger, GF bayernhafen Regensburg vom 20.10.2006

[9] Expertengespräch Klaus Hohberger, GF bayernhafen vom 20.10.2006

[10] Immobilienmarktanalyse HVB-Büromarkt Regensburg 05/2005, S.

[11] Expertengespräch Immobilienmaklerin C. A. Forstmeier vom 12.12.2006

[12] Prof. Dr. Horst W. Opaschowski: „Besser leben, schöner wohnen? Leben in der Stadt der Zukunft, S.15 Primus Verlag Darmstadt 2005

[13] vgl. www. kondratieff .net

[14] „key performance indicator“ = kritische Erfolgsfaktoren

[15] www.kondratieff.net/6.Kondratieff1.htm

[16] Leo A.Nefiodow: Der Sechste Kondratieff. S.16 Wege zur Produktivität und Vollbeschäftigung im Zeitalter der Information 2006, Rhein-Sieg Verlag Sankt Augustin

[17] „Lebenszyklen einer Region – wie das Ruhrgebiet alt wurde",http://www.route-industriekultur.de/daten-und-fakten/index.php?idcat=90

[18] www.wikipedia.de/ Charta von Athen

[19] Leo A.Nefiodow, Der sechste Kondratieff, St.Augustin 2001

[20] www.wikipedia.de/ Charta von Athen

[21] archiv.bundesregierung.de/artikel/81/557981/attachment/557980_0.pdf

[22] vgl. ANDREAS FELDTKELLER,„Lebenswerte Stadtquartiere“, Bonn, 2000

[23] eigene Erfahrung durch Planung und Realisierung des neuen Firmensitzes bayernhafen im Hafen Regensburg

[24] strengths, weakness, opportunities, risks (Profil der Stärken, Schwächen, Chancen und Risiken)

[25] vgl. Hafenareale als urbane Investitionsstandorte, S.20, BAW Bremen, 2005

[26] die besondere, vorherrschende Atmosphäre, der einzigartige Charakter eines Ortes

[27] vgl. Holzapfel, H., Protze, K., Theiling, C.: Lebenswerte Stadtquartiere, Friedrich-Ebert-Stiftung, Bonn, 2000

[28] vgl. „Aufgemischt und aufgefrischt“, IVG-Immobilien-Journal, 1-2003, S.3

[29] Prof. Dr. Uta Hohn, „Lokal verankert – weitweit vernetzt“, S. 249-253, Franz Steiner Verlag Stuttgart

[30] vgl.N.LUTZKY, P.MEURER, „Investive Konzepte für Hafenareale“, S.11, BAW Bremen, 2005

[31] vgl. A.Mc INTOSH, IPC London, „Structural Change in Europe – Urban Change and the creative Economy, 2007

[32] Die Sinus-Milieus®- ein Überblick, S.18

[33] microm GmbH, Neuss in Zusammenarbeit mit Sinus Sociovision GmbH, Heidelberg,

Handbuchdaten der Milieus, S. 53-54

[34] microm GmbH, Neuss in Zusammenarbeit mit Sinus Sociovision GmbH, Heidelberg, Handbuchdaten der Milieus, S. 52

[35] vhw-exclusiv: Wohnen in der Sinus-Trendbefragung 2004, S. 118

Details

Seiten
Erscheinungsform
Originalausgabe
Jahr
2008
ISBN (eBook)
9783836635950
DOI
10.3239/9783836635950
Dateigröße
11.2 MB
Sprache
Deutsch
Institution / Hochschule
Technische Universität Dresden – Bau- und Immobilienwirtschaft, Europäisches Institut für postgraduale Bildung (EIPOS)
Erscheinungsdatum
2009 (September)
Note
1,3
Schlagworte
hafengebiet projektstruktur hafenentwicklung rheinauhafen benchmark
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Titel: Revitalisierung innerstädtischer Brachen am Fluss
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