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CDM- und Mikrofinanzprojekte

Analyse der Kombinierbarkeit am Fallbeispiel der Verbreitung effizienter Öfen in Kirgistan

©2009 Diplomarbeit 131 Seiten

Zusammenfassung

Inhaltsangabe:Einleitung:
Die Themen Erderwärmung und Klimawandel finden auf Grund des damit verbundenen Bedrohungspotentials für den Menschen große Resonanz in Medien und Politik. Zur Minimierung ‚klimawirksamer’ Treibhausgase wurden entsprechend zahlreiche Klimaschutzkonzepte ersonnen. Beachtliche weltweite Popularität und Anerkennung in der Praxis hat im Besonderen das Konzept im Zusammenhang mit dem ‘Kyoto-Protokoll’ erlangt - der für diese Arbeit zentrale Clean Development Mechanism (CDM). CDM-Projekte ermöglichen es beispielsweise europäischen Industrieanlagenbetreibern, die von den Mitgliedstaaten der EU zur Emissionsreduktion verpflichtet wurden, in Entwicklungsländern energieeffiziente, treibhausgaseinsparende Technologien zu implementieren. Die dabei generierten Emissionsreduktionen werden in Form von Emissionszertifikaten verbrieft und im Rahmen des Emissionshandels zu einem Marktpreis gehandelt. Treibhausgasminimierung, bis dato eine unliebsame Forderung zahlreicher Stakeholdergruppen an das energieintensive Gewerbe, gewinnt dadurch eine neue betriebswirtschaftliche Attraktivität. Dieses Potential wurde auch in der Entwicklungszusammenarbeit erkannt. So lassen sich Emissionszertifikate als Finanzierungsquelle entsprechender entwicklungspolitischer Projektaktivitäten nutzen. Insbesondere Projekte zur Verbreitung energieeffizienter und erneuerbare Energien nutzender Technologien in Entwicklungsländern rücken in den Fokus. Eine Brücke zwischen Gewinnmaximierung und Gemeinnützigkeit im Spannungsfeld von Industrie- und Entwicklungsländern scheint geschlagen.
Ein ebenfalls innovatives und seit Jahrzehnten erfolgreich angewandtes und weltweit verbreitetes kommerzielles Instrument zur Armutsbekämpfung und ökonomischen Aktivierung benachteiligter - vom regulären Finanzdienstleistungen ausgeschlossener - Bevölkerungsgruppen bildet die sog. Mikrofinanzierung. Die von den Mikrofinanzinstitutionen bereitgestellten kleinen Kredite (sog. Mikrokredite), z.B. in Höhe von 200 USD, werden vor allem zur Generierung von Einkommen vergeben. Das Fehlen ‚klassischer’ Kreditsicherheiten wird hierbei mittels spezieller Kreditvergabeansätze durch vorhandenes ‚soziales Kapital’ der Kreditnehmer substituiert. Die Kreditnehmer erhalten damit die außergewöhnliche Möglichkeit aus dem häufig lebenslang fortwährenden ‘Armutszyklus’ auszubrechen.
Die Aufgabenstellung dieser praxisorientierten Arbeit ergibt sich aus der Absicht, der im entwicklungspolitischen Bereich […]

Leseprobe

Inhaltsverzeichnis


Alexander Wirth
CDM- und Mikrofinanzprojekte
Analyse der Kombinierbarkeit am Fallbeispiel der Verbreitung effizienter Öfen in
Kirgistan
ISBN: 978-3-8366-3505-9
Herstellung: Diplomica® Verlag GmbH, Hamburg, 2009
Zugl. Bergische Universität Wuppertal, Wuppertal, Deutschland, Diplomarbeit, 2009
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© Diplomica Verlag GmbH
http://www.diplomica.de, Hamburg 2009

I
Inhaltsverzeichnis
Inhaltsverzeichnis ...I
Abkürzungsverzeichnis ...III
Abbildungsverzeichnis ... IV
Tabellenverzeichnis ... V
1
Einleitung...1
1.1
Zielsetzung...2
1.2
Vorgehensweise ...3
2
Clean Development Mechanism...5
2.1
Einordnung und Grundlagen...5
2.2
CDM-Projektpipeline und Marktüberblick ...12
3
CDM-Projektdurchführung...14
3.1
CDM-Projektarchitektur...15
3.2
In CDM-Projekte involvierte Instanzen ...16
3.3
CDM-Projektzyklus ...19
3.3.1
Vorprüfung ... 20
3.3.2
Dokumentation ... 21
3.3.3
Anerkennung... 23
3.3.4
Umsetzung ... 24
3.3.5
Verwertung... 25
3.4
Sonderkategorien von CDM-Projekten ...26
3.4.1
Die Sonderkategorie ,,CDM-Kleinprojekt" ... 26
3.4.2
Die Sonderkategorie ,,Programmatisches CDM-Projekt" ... 27
3.5
Resümee...28
3.6
Methoden zur Bestimmung von Baseline und Projektmonitoring ...28
4
Finanzielle Aspekte von CDM-Projekten ...33
4.1
Erlös- und Kostenstrukturen von CDM-Projekten...34
4.1.1
Primär- und Sekundärerlöse ... 34
4.1.2
Investitions- und Transaktionskosten ... 36
4.2
Veräußerungsformen von CERs...40
4.2.1
Standardisierte Spotmarkt-Transaktionen ... 41
4.2.2
Transaktionen über langfristige Lieferverträge ... 41
4.2.3
Transaktionen über Options-Verträge ... 42
4.2.4
Das Emission Reduction Purchase Agreement... 43
4.3
Konzepte zur Erlangung zusätzlicher Finanzmittel...45
4.3.1
Kundenanzahlung auf zukünftig gelieferte CERs ... 45
4.3.2
Beschaffung zusätzlicher Finanzmittel durch Beleihung des ERPA ... 46
4.3.3
Weitere Finanzierungsansätze ... 48
4.3.4
Resümee... 48
5
Mikrofinanzierung...49
5.1
Begriffsklärung ...49

II
5.2
Einordnung und Relevanz...52
6
Mikrofinanzinstitutionen ...54
6.1
Typen von Mikrofinanzinstitutionen ...54
6.1.1
Spar- und Darlehensgenossenschaften ... 55
6.1.2
Solidaritätsgruppen ... 56
6.1.3
Dorfbanken ... 57
6.1.4
Revolvierende Kreditfonds... 58
6.1.5
Das Linkage-Modell ... 59
6.1.6
Mikrofinanzbanken... 60
6.2
Wirkungsbereiche und Entwicklung von Mikrofinanzinstitutionen ...61
6.3
Formen der Beschaffung weiterer Finanzmittel ...62
6.4
Kreditmodelle der Mikrofinanzinstitutionen ...64
6.4.1
Einmalige Kredite vs. Stufenkredite ... 65
6.4.2
Individual- vs. Gruppenkredite ... 65
6.5
Zusammenfassung ...69
7
Technologieverbreitungsprogramme ...71
8
Mikrofinanzinstitutionen als ,Vehicle' für CDM-Projekte ...74
8.1
Projektmodell mit zwei Projektpartnern ...75
8.2
Verschiedene Mikrofinanzinstitutionentypen im Kontext eines CDM-Projektes ...79
9
Fallbeispiel: Integration eines CDM-Projektes in ein mikrokreditbasiertes
Programm zur Verbreitung energieeffizienter Öfen im ländlichen Kirgistan ...81
9.1
Das Effizienzverbreitungsprogramm von CAMP Alatoo ...81
9.1.1
Hintergrund der Initiative... 81
9.1.2
Maßnahmen von CAMP Alatoo im Rahmen des Programms ... 82
9.1.3
Markt- bzw. Programmpotential ... 83
9.1.4
Produktspezifikation der effizienten Öfen ... 84
9.2
Implementierte MFI-Struktur zur Unterstützung des Programms ...85
9.3
Vorstellung der Projektpartner des CDM-Projektes...88
9.4
Notwendige Voraussetzungen für die Durchführung eines CDM-Projektes...89
9.5
Bestimmung der Baseline für effiziente Öfen ...91
9.6
Entwurf eines Durchführungs- und Finanzierungskonzeptes ...93
9.6.1
Projektidee ... 93
9.6.2
Institutionelles Arrangement ... 95
9.6.3
Finanzielles Arrangement ... 96
9.7
Problematisierung und weitere Schritte zur Projektrealisierung ...103
10
Fazit...104
Literaturverzeichnis ...111
Anhang A: Baseline und ,,suppressed demand" ...121
Anhang B: Finanzplan - ,pessimistischere' Emissionsreduktion (1,5 t CO2e je Ofen)...123

III
Abkürzungsverzeichnis
CAMP
Central Asian Mountain Partnership
CDM
Clean Development Mechanism
CER
Certified Emission Reduction
CO
2
Kohlendioxid
CO
2
e
CO2-Äquivalent
COP/ MOP
Conference on the Parties serving as the Meeting oft the Parties
DNA
Designated National Authority
EB
Executive Board
ERPA
Emission Reduction Purchase Agreement
EU
Europäische Union
EU ETS
Eropean Union Emission Trading Scheme
i.d.S.
in diesem Sinne
i.H.v.
in Höhe von
i.S.
im Sinne
IET
International Emissions Trading
IPCC
Intergovernmental Panel on Climate Change
ITS
International Emissions Trading
JI
Joint Implementation
KP
Kyoto-Protokoll
MFI
Mikrofinanzinstitution
MVPDF
Mountain Villages Partnership and Development Foundation
NAP
Nationaler Allokationsplan
NGO
non-governmental organization
PAM
politics and measures
TAK
Transaktionskosten
UN
United Nations
UNFCCC
United Nations Framework Convention on Climate Change
WECF
Women in Europe for a Common Future
Einheiten
a
Jahr
l
Liter
t
Tonne
J
Joule
W
Watt
(k)Wh
(Kilo)Wattstunden
Kilo (k)
10
3
Mega (M)
10
6
Giga (G)
10
9
Tera (T)
10
12

IV
Abbildungsverzeichnis
Abbildung 1:
Aufbau des internationalen Klimaregimes... 7
Abbildung 2:
Ansätze der Emissionsreduktion in JI- und CDM-Projekten ... 9
Abbildung 3:
Emissionsreduktion in CDM-Projekten... 11
Abbildung 4:
CDM-Projektzyklus ... 20
Abbildung 5:
Kalkulation der zertifizierten Emissionsreduktionen (CERs) ... 31
Abbildung 6:
Armutszyklus ... 53
Abbildung 7:
Befreiung aus dem Armutszyklus... 53
Abbildung 8:
Kooperationsarrangement einer MFI... 62
Abbildung 9:
Differenzierung des Gruppenkreditmodelles ... 67
Abbildung 10:
CDM und MFIs: Phasen der Entwicklung und Projektumsetzung ... 76
Abbildung 11:
Beispiel eines effizienten Ofens ... 85
Abbildung 12:
Formel zur Emissionsreduktionsberechnung für regenerative Biomasse
nach CDM-Methode AMS-II.G. ... 92
Abbildung 13:
Kerninstitutionen und -aktivitäten des CDM-Projektes... 96
Abbildung 14:
CDM-Projekt-Cashflow ... 101

V
Tabellenverzeichnis
Tabelle 1: Vom Kyoto-Protokoll erfasste Treibhausgase ... 6
Tabelle 2: Projektgröße, Emissionsreduktion und Transaktionskosten ... 34
Tabelle 3: Kosten von CDM-Projekten nach Projektgröße... 39
Tabelle 4:
Klassische Kleinkredite vs. Mikrokredite ... 52
Tabelle 5: Überblick zu MFI-Typen nach Kreditmodell... 71
Tabelle 6: Kreditbudget und ausgestellte Produktkredite nach MFI im Jahr 2007/08... 87
Tabelle 7: Jährlicher Energieverbrauch eines Haushalts ohne und mit einem effizienten
Ofen im Dorf Jergetal... 91
Tabelle 8: Finanzplan für CDM-Projekt mit 40 MFIs ... 100
Tabelle 9: Finanzplan bei ,pessimistischer' Emissionsreduktion von 1,5 t CO2e je Ofen... 123
Vorbemerkung
Zur sprachlichen Vereinfachung und zu Gunsten der Lesefreundlichkeit wird in
der vorliegenden Arbeit ausschließlich die männliche Form zur Bezeichnung
von Personen verwendet, womit jedoch stets beide Geschlechter gemeint sind.

1
1
Einleitung
Die Themen Erderwärmung und Klimawandel finden auf Grund des damit ver-
bundenen Bedrohungspotentials für den Menschen große Resonanz in Medien
und Politik. Zur Minimierung ,klimawirksamer' Treibhausgase wurden entspre-
chend zahlreiche Klimaschutzkonzepte ersonnen. Beachtliche weltweite Popu-
larität und Anerkennung in der Praxis hat im Besonderen das Konzept im Zu-
sammenhang mit dem ,,Kyoto-Protokoll" erlangt - der für diese Arbeit zentrale
Clean Development Mechanism (CDM). CDM-Projekte ermöglichen es bei-
spielsweise europäischen Industrieanlagenbetreibern, die von den Mitgliedstaa-
ten der EU zur Emissionsreduktion verpflichtet wurden, in Entwicklungsländern
energieeffiziente, treibhausgaseinsparende Technologien zu implementieren.
Die dabei generierten Emissionsreduktionen werden in Form von Emissionszer-
tifikaten verbrieft und im Rahmen des Emissionshandels zu einem Marktpreis
gehandelt.
1
Treibhausgasminimierung, bis dato eine unliebsame Forderung
zahlreicher Stakeholdergruppen an das energieintensive Gewerbe, gewinnt da-
durch eine neue betriebswirtschaftliche Attraktivität. Dieses Potential wurde
auch in der Entwicklungszusammenarbeit erkannt. So lassen sich Emissions-
zertifikate als Finanzierungsquelle entsprechender entwicklungspolitischer Pro-
jektaktivitäten nutzen. Insbesondere Projekte zur Verbreitung energieeffizienter
und erneuerbare Energien nutzender Technologien in Entwicklungsländern rü-
cken in den Fokus. Eine Brücke zwischen Gewinnmaximierung und Gemein-
nützigkeit im Spannungsfeld von Industrie- und Entwicklungsländern scheint
geschlagen.
Ein ebenfalls innovatives und seit Jahrzehnten erfolgreich angewandtes und
weltweit verbreitetes kommerzielles Instrument zur Armutsbekämpfung und ö-
konomischen Aktivierung benachteiligter - vom regulären Finanzdienstleistun-
gen ausgeschlossener - Bevölkerungsgruppen bildet die sog. Mikrofinanzie-
rung. Die von den Mikrofinanzinstitutionen bereitgestellten kleinen Kredite (sog.
Mikrokredite), z.B. in Höhe von 200 USD, werden vor allem zur Generierung
von Einkommen vergeben. Das Fehlen ,klassischer' Kreditsicherheiten wird
hierbei mittels spezieller Kreditvergabeansätze durch vorhandenes ,soziales
Kapital' der Kreditnehmer substituiert. Die Kreditnehmer erhalten damit die au-
1
Vgl. dazu Kapitel 2.

2
ßergewöhnliche Möglichkeit aus dem häufig lebenslang fortwährenden ,,Ar-
mutszyklus" auszubrechen.
2
Die Aufgabenstellung dieser praxisorientierten Arbeit ergibt sich aus der Ab-
sicht, der im entwicklungspolitischen Bereich tätigen Organisationen WECF und
Atmosfair das Potential einer CDM-Projektaktivität in Kirgistan zu untersuchen.
Den konkreten Rahmen für die ,Machbarkeitsanalyse' bildet das bereits ange-
laufene Programm zur Verbreitung energieeffizienter Öfen und Wärmedäm-
mung der kirgisischen NGO
3
CAMP Alatoo. Fokus der Untersuchung wird dabei
die Ofenverbreitung sein. Nach ersten Gesprächen mit den kirgisischen Part-
nern ergab sich, dass dort bereits ein kleines Netzwerk mikrokreditausstellender
Institute auf Dorfebene implementiert wurde, welches die Kunden des Pro-
grammes mit individueller Kreditfinanzierung für Installationen der Öfen ver-
sorgt. Ziel der Bereitstellung von Mikrokrediten ist die Überwindung der beste-
henden finanziellen ,Investitionsbarriere' auf Ebene der ländlichen Haushalte,
die sich aus den relativ hohen Preisen der Ofentechnologie ergibt.
1.1 Zielsetzung
Vor dem oben skizzierten Hintergrund erwuchs die interessante und innovative
Idee ein CDM-Klimaschutzprojekt auf Basis der in den kirgisischen Dörfern ge-
gebenen und noch auszubauenden Mikrofinanzstrukturen zu implementieren,
d.h. Mikrofinanzinstitute und ihre Mikrofinanzleistungen als ,Vehicle' für ein
CDM-Projekt zu nutzen. Die Kombination von ,CDM-Projekten' und ,Mikrofinan-
zierung' wurde sowohl in der Praxis als auch in der gesichteten wissenschaftli-
chen Literatur bisher nicht aufgegriffen und wird somit zum ersten Mal in der
vorliegenden Form und Tiefe diskutiert. Dabei wird die vorliegende Arbeit nach
separater Diskussion beider Konstrukte mittels einer theoretischen und - im
Rahmen eines Fallbeispiels am Energieeffizienzprogramm von CAMP Alatoo -
praktischen Analyse, erstmals Möglichkeiten sowie Grenzen eines solchen Ar-
rangements aufzeigen.
Die sich daraus ergebenden zu untersuchenden Fragestellungen sind die fol-
genden: Was sind die Hauptmerkmale von CDM-Projekten und Mikrofinanzie-
rung/-institutionen? Wie können Mikrofinanzstrukturen im Rahmen von techno-
logieverbreitungsbasierten CDM-Projektaktivitäten genutzt werden und welche
2
Vgl. dazu Kapitel 5.
3
NGO steht für non-governmental organization, zu Deutsch Nichtregierungsorganisation.

3
Vorteile bzw. Grenzen des Arrangements sind zu erwarten? Welche Rahmen-
bedingungen sind für die Realisierung eines CDM-Projektes innerhalb des mik-
rokreditgestützten Energieeffizienzverbreitungsprogrammes von CAMP Alatoo
gegeben? Wie könnte ein konkretes Projektvorhaben organisatorisch und fi-
nanziell konzipiert werden? Welche möglichen Probleme stehen einer erfolgrei-
chen Realisierung des Projektvorhabens im Wege? Welche weiteren Schritte
müssten getan werden, um das Vorhaben zu realisieren?
1.2 Vorgehensweise
Die Untersuchung der oben genannten Fragestellungen erfolgt in fünf Schritten:
Im ersten Untersuchungsschritt werden relevante Aspekte von CDM-Projekten
vorgestellt. In Kapitel zwei erfolgt hierzu eine Einführung in laufende klimapoliti-
sche Initiativen, den Clean Development Mechanism (CDM) und den Stand der
Markt- und Projektentwicklungen. In Kapitel drei werden CDM-Projekte aus der
Aufbau- und Ablaufperspektive vorgestellt, wobei auch auf Sonderkategorien
von CDM-Projekten und die methodische Projektentwicklung, die in Hinsicht auf
das Fallbeispiel von Relevanz sind, eingegangen wird. Abgerundet wird das
Themenfeld durch die Darstellung finanzieller Aspekte von CDM-Projekten in
Kapitel vier. Dazu werden insbesondere die Einnahme- und Ausgabestrukturen,
Veräußerungsformen der vom Projekt generierten Zertifikate (CERs) und Kon-
zepte zur Erlangung weiterer Finanzmittel mit einem Hinweis auf die Anwend-
barkeit für das Fallbeispiel in Kirgistan vorgestellt.
Der zweite Untersuchungsschritt analysiert allgemeine Mikrofinanzierungsan-
sätze und Mikrofinanzinstitutionentypen. Zum Einstieg in das Themenfeld wer-
den in Kapitel fünf wichtige Begriffe und Abgrenzungen vorgestellt und die prak-
tische Relevanz der Mikrofinanzierung im Kontext der Armutsbekämpfung ver-
deutlicht. In Kapitel sechs werden gängige Mikrofinanzinstitutionentypen, ihre
Wirkungsbereiche und Entwicklungsansätze, ihre Möglichkeiten zur Kapitalbe-
schaffung sowie die angewandten Kreditmodelle vorgestellt. Abgerundet wird
das Kapitel mit einer vom Autor konzipierten Systematisierung von Mikrofinanz-
institutionen und Kreditmodellansätzen nach Ausmaß der Interaktion, Entschei-
dungsfindung und Autonomie zwischen Kreditgeber und -nehmer, wodurch Er-
kenntnisgrundlagen für die spätere Kombination von CDM-Projekten und Mikro-
finanzinstitutionen gewonnen werden.

4
Im dritten Untersuchungsschritt werden Technologieverbreitungsprogramme
fokussiert. Dazu wird im siebten Kapitel die Bildung eines Grundverständnisses
für entwicklungspolitische Programme zur Verbreitung von energieeffizienten
und erneuerbare Energien nutzenden Technologien (z.B. brennstoffsparende
Öfen) in Entwicklungs- und Schwellenländern angestrebt. Die hier skizzierten
Prinzipien, wie beispielsweise die langfristige kommerzielle und finanzielle
Nachhaltigkeit der Maßnahmen, werden als Rahmenbedingung für das erarbei-
tete praktische Fallbeispiel angewandt.
Nach der Vorstellung der Themenfelder ,CDM-Projekt', ,Mikrofinanzierung' und
,Technologieverbreitung' wird durch ihre Zusammenführung im vierten Untersu-
chungsschritt der theoretische Kern in Kapitel acht der Arbeit entwickelt. Die
theoretische Analyse wird in zwei Stufen vollzogen. Zunächst wird anhand ei-
nes Modells untersucht, wie Mikrofinanzstrukturen zur Umsetzung von CDM-
Projektaktivitäten genutzt werden können (z.B. Aufgabenübernahme, Kunden-
zugang oder Finanzierung individueller Produktinstallationen). Anschließend
werden die Vorteile und Grenzen der jeweiligen Mikrofinanzinstitutionentypen
im Sinne ihrer Verwendbarkeit für ein (gebündeltes)
4
CDM-Projekt diskutiert.
Im fünften und letzten Untersuchungsschritt wird im Rahmen von Kapitel neun
unter Analyse und Berücksichtigung der gegebenen lokalen Bedingungen und
Potentiale (z.B. Baseline
5
, Ofentechnologie, Nachfragepotential und Mikrofi-
nanzstrukturen) sowie Finanzkapazitäten des Projektvorhabens (Möglichkeit
einer Vorfinanzierung des Projektes durch Atmosfair) ein Projektszenario mit
Aufgabenverteilung und Finanzplan entworfen. Das Projektkonzept basiert auf
dem Ausbau der vorhandenen dörflichen Mikrofinanzinstitutionenstrukturen und
ihrer anschließenden Verwendung als ,Vehicle' für die Umsetzung eines CDM-
Projektes und Kreditfinanzierung der Ofeninstallationen auf Kundenebene. Zum
Schluss werden die Ergebnisse problematisiert und weitere Schritte und Maß-
nahmen zur Realisierung des Projektes vorgeschlagen. Im Fazit erfolgt eine
letzte Zusammenfassung und Würdigung der Befunde.
4
Siehe zu gebündelten CDM-Projekten Kapitel 3.4.1.
5
Die Baseline bildet das Referenzszenario, das ohne eine emissionsreduzierende Projektaktivi-
tät eintreten würde. Vgl. dazu Kapitel 3.6.

5
2
Clean Development Mechanism
2.1 Einordnung und Grundlagen
Das folgende Kapitel dient der Präsentation grundlegender Zusammenhänge
der klimapolitischen Initiativen, der Einordnung des Clean Development Me-
chanism in diesen Kontext und seiner anschließenden Charakterisierung.
Der zwischenstaatliche Ausschuss für Klimaveränderungen
6
führt den weltwei-
ten Klimawandel auf eine durch anthropogene Emissionen verursachte, zu-
nehmende Treibhausgaskonzentration in der Erdatmosphäre zurück.
7
Mit der
Absicht die Treibhausgaskonzentration zu stabilisieren und damit die globale
Klimaerwärmung zu verlangsamen, wurde im Jahr 1992 auf der UN-Konferenz
über Umwelt und Entwicklung in Rio de Janeiro eine völkerrechtliche Vertrags-
grundlage für den internationalen Klimaschutz, die sog. Klimarahmenkonven-
tion
8
, initiiert. Seitdem haben 188 Vertragssaaten inklusive der Europäischen
Union diese unterzeichnet.
9
Weitere jährliche Konferenzen der Vertragsparteien führten 1997 im Rahmen
des
Kyoto-Protokolls
zu
konkreten Emissionsbegrenzungs-
bzw.
-
reduktionsverpflichtungen für Industriestaaten (sog. Annex I-Staaten)
10
. Das
Kyoto-Protokoll trat 2005 in Kraft und hält die Annex I-Staaten dazu an, ihren
gemeinsamen Ausstoß an Treibhausgasen während der ersten Verpflichtungs-
periode 2008 bis 2012 um mindestens 5% im Vergleich zum Basisjahr 1990 zu
senken.
11
Die rund 150 Entwicklungs- und Schwellenländer, die dem Kyoto-
Protokoll formell zugestimmt haben (sog. Nicht-Annex I-Staaten)
12
, entschieden
sich gegen konkrete Treibhausgasreduktionsziele.
13
Das Kyoto-Protokoll erfasst
sechs klimawirksame Treibhausgase (vgl. Tabelle 1), wobei das Treibhausgas-
6
Anmerkung: Im Zuge der Arbeit werden der Vollständigkeit halber und zu Gunsten des Lese-
flusses die in der Praxis gebräuchlichen, meist englischen, Fachbegriffe und Kürzel in der Fuß-
zeile aufgeführt; Englische Bezeichnung: Intergovernmental Panel on Climate Change ­ IPCC.
7
Vgl. IPCC (2007), S. 2 ff.
8
Englische Bezeichnung: United Nations Framework Convention on Climate Change ­
UNFCCC; Das zuständige UN-Sekretariat mit Sitz in Bonn trägt denselben Namen.
9
Vgl. Erling, U. M. (2008), S. 11; Siehe zu den Zielen der Klimarahmenkonvention Art. 2
UNFCCC.
10
Die Annex I-Staaten werden im Annex I der UNFCCC aufgelistet. Es sind gegenwärtig 41
Staaten. Siehe dazu die Internetseite der UNFCCC
http://unfccc.int/
(Stand 09.07.2009).
11
Vgl. Erling, U. M. (2008), S. 11; Vgl. Art. 3 Kyoto-Protokoll (KP); Die prozentualen Redukti-
onsverpflichtungen und Emissionsrechte der Vertragsstaaten zum Basisjahr 1990(/95) werden
im Annex B des KP aufgelistet.
12
Siehe zur Übersicht der Nicht-Annex I-Staaten die Internetseite der UNFCCC
http://unfccc.int/
(Stand 09.07.2009).
13
Vgl. Müller-Pelzer, F. (2004), S. 4.

6
potential bzw. der Emissionsfaktor des Kohlendioxids (CO
2
) als Referenzwert
für die weiteren fünf Gase angesetzt wird.
14
Das Verbrennungsgas Kohlendioxid
gilt als die durch menschliche Aktivität - quantitativ gesehen - am meisten aus-
gestoßene Emission und wird (in den Medien usw.) häufig stellvertretend für
alle im Kyoto-Protokoll aufgenommenen Treibhausgase referenziert.
15
Gas
Abkürzung
Emissionsursprung
Treibhaus-
gaspotential
Kohlendioxid
CO
2
Verbrennung fossiler Brennstoffe
1
Methan
CH
4
Förderung fossiler Brennstoffe,
Mülldeponien, Reisanbau, Viehzucht
21
Dickstoffoxid/
Lachgas
N
2
O
Kunstdünger, Verbrennung,
Landnutzungsänderung
310
Halogenierte Fluor-
kohlenwasserstoffe
H-FKW/ HFC Kühlmittel, Lösungsmittel, Löschmittel
140
bis 11.700
Perflourierte
Kohlenwasserstoffe
FKW/ PFC
Aluminium- und Halbleiterproduktion
6.500
bis 9.200
Schwefelhexaflourid
SF
6
Hochspannungsanlagen,
Magnesiumproduktion
23.900
Tabelle 1: Vom Kyoto-Protokoll erfasste Treibhausgase
16
Wie der Tabelle 1 zu entnehmen ist, hat Methan ein Treibhausgaspotential von
21 und Kohlendioxid von eins. Das bedeutet, dass Methan (theoretisch) 21-mal
mehr auf das Klima ,einwirkt' als die gleiche Menge Kohlendioxid.
Zur Umsetzung der im Kyoto-Protokoll vereinbarten Ziele ist ein internationales
klimapolitisches Regime geschaffen worden, das staatliche und privatwirt-
schaftliche Aktionsebenen verknüpft.
17
Es wird in Abbildung 1 dargestellt und
dem nachfolgenden Abschnitt näher erläutert.
14
Vgl. Erling, U. M. (2008), S. 12.
15
Vgl. IPCC (2007), S. 2 ff.
16
Quelle: In Anlehnung an Erling, U. M. (2008), S. 12.
17
Vgl. Rassul, A. (2007), S. 5.

7
Abbildung 1: Aufbau des internationalen Klimaregimes
18
Für jede Verpflichtungsperiode vereinbaren die Annex I-Staaten länderspezifi-
sche Emissionsreduktionsziele. Das Ziel legt eine Obergrenze für den Treib-
hausgasausstoß des jeweiligen Landes in Tonnen Kohlendioxidäquivalent (t
CO
2
e)
19
fest. Dem definierten, maximalen Emissionsvolumen entsprechend wird
jedem Annex I-Staat eine begrenzte Anzahl an international anerkannten Emis-
sionszertifikaten
20
zugewiesen. Jedes Zertifikat stellt ein Emissionsrecht auf ei-
ne t CO
2
e dar. Am Ende der Verpflichtungsperiode muss jede erfasste Tonne
Treibhausgasemission durch ein Zertifikat gedeckt sein, andernfalls drohen fest
definierte Sanktionen. Bei Überschreitung des anvisierten Emissionsausstoßes,
müssen die Staaten fehlende Emissionszertifikate zukaufen. Dieser sog. ,,cap-
and-trade"-Ansatz setzt eine Emissionsobergrenze und ermöglicht den Betei-
ligten den Handel ihrer Emissionsrechte, was ,erfolgreiche' Staaten durch Ein-
nahmen aus Verkauf nicht benötigter Zertifikate belohnt.
21
Ihre Emissionsziele können die Annex I-Saaten entweder durch eigene nationa-
le Politiken und Maßnahmen oder zum Teil durch die Nutzung der sog. Flexib-
18
Quelle: In Anlehnung an Rassul, A. (2007), S. 6.
19
Die Emissionsmenge der sechs im Kyoto-Protokoll erfassten Gase wird unter Berücksichti-
gung ihrer spezifischen Emissionsfaktoren in die ,Klimawirkung' des CO
2
umgerechnet und
durch entsprechende bzw. äquivalente Referenzwerte des Kohlendioxids - als sog. Kohlendi-
oxidäquivalent (CO
2
e) - dargestellt.
20
Die Grundidee von Zertifikaten oder Lizenzen ist die Festlegung einer maximal zulässigen
Umweltbelastung in einem ausgewählten Teilbereich und ihre anschließende Aufteilung auf
handelbare Zertifikate. Somit bildet ein Zertifikat eine Genehmigung für eine definierte Umwelt-
belastung. Da hierbei die Menge einer Belastung fokussiert wird, werden Zertifikatansätze auch
als Mengenlösungen bezeichnet. Vgl. Feess, E. (2007), S. 123.
21
Vgl. BMU (2006), S. 19.
Nationale
Politik & Maßnah-
men (PAMs)
Flexible
Instrumente
Internationaler
Emissionshandel
(IET)
Gemeinsame
Umsetzung
(JI)
Mechanismus für
umweltverträgliche
Entwicklung (CDM)
Periodisch verein-
barte Emissions-
menge ,,Kyoto Ziel"
Europäischer
Emissionshandel
(EU ETS)
Europäische Natio-
nale Allokations-
pläne (NAPs)
Emissionsmenge
Basisjahr
(1990/95)

8
len Instrumente des Kyoto-Protokolls erreichen.
22
Die Flexiblen Instrumente
bzw. Mechanismen sind:
(a) der Internationale Emissionshandel
23
zum Handel international anerkann-
ter Emissionszertifikate,
(b) die auf Annex I-Staaten begrenzte Gemeinsame Umsetzung von Klima-
schutzprojekten
24
zur Durchführung von Projektaktivitäten zwischen An-
nex I-Staaten und
(c) der für diese Arbeit relevante Mechanismus für umweltverträgliche Ent-
wicklung, der im Folgenden Clean Development Mechanism oder CDM
genannt wird und weiter unten spezifiziert werden soll.
25
Die Flexiblen Instrumente basieren auf der Annahme, dass es für das globale
Klima keinen Unterschied macht, wo in der Welt die Emissionsreduktionen er-
zielt werden. Die zu Emissionsreduktion verpflichteten Parteien können folglich
eigene - eventuell teuere - nationale Maßnahmen implementieren oder von den
Flexiblen Instrumenten Gebrauch machen. Die Flexiblen Instrumente ermögli-
chen die Nutzung relativ kostengünstiger
26
ausländischer Emissionsreduktions-
potentiale durch Emissionshandel oder Durchführung von emissionsreduzie-
renden Projekten in theoretisch
27
allen in das Kyoto-Protokoll involvierten Län-
dern.
28
Die Mitgliedsstaaten der Europäischen Union (EU) übertragen einen Teil ihrer
Reduktionsverpflichtungen auf ausgewählte emissionsintensive Industriebran-
chen, um auch diese als bedeutende Verursacher von Treibhausgasen an der
Reduktion zu beteiligen. Die Teilnahme der Industrie wird in den sog. Nationa-
len Allokationsplänen
29
geregelt und basiert auf der Begrenzung des Treibhaus-
gasausstoßes ausgewählter emissionsintensiver Anlagen und der Implementie-
rung eines Emissionshandels nach dem ,,cap-and-trade"-Prinzip.
30
Die Anlagen-
betreiber können selbst Emissionsreduktionsmaßnahmen realisieren und zu-
22
Vgl. Art. 12 Abs. 2 und Abs. 3(b) KP; Vgl. Pohlmann, M. (2004), S. 43.
23
Englische Bezeichnung: International Emissions Trading ­ IET.
24
Englische Bezeichnung: Joint Implementation ­ JI.
25
Vgl. Art. 17 KP für IET, Art. 6 KP für JI und Art. 12 KP für CDM.
26
Siehe eine Übersicht über die Spannbreite von Grenzkosten der Emissionsreduktion in aus-
gewählten Ländern in Mittendorf, M. (2004), S. 122.
27
Praktisch müssen die Länder vor der Realisierung von beispielsweise CDM-Projekten not-
wendige administrative Strukturen und Behörden schaffen (siehe Kapitel 3).
28
Vgl. Erling, U. M. (2008), S. 14.
29
Die Bezeichnung Nationaler Allokationsplan wird mit NAP abgekürzt.
30
Vgl. Rassul, A. (2007), S. 1, 5 ff.

9
sätzlich das Europäische Emissionshandelssystem
31
zum Handel von Emissi-
onsberechtigungen
32
nutzen. Das Europäische Emissionshandelssystem ist mit-
tels einer Verknüpfungsrichtlinie
33
eng mit den beiden projektbasierten Flexiblen
Mechanismen des Kyoto-Protokolls - JI und CDM - verbunden. Anlagenbetrei-
ber können ihren Emissionsreduktionspflichten somit in Deutschland bis zu 12%
durch Verwendung von Emissionszertifikaten aus CDM- und JI-Projekten nach-
kommen.
34
Allgemein bestehen zwei verschiedene Ansätze zur Generierung von Emis-
sionsreduktionen im Rahmen von CDM- oder JI-Projekten (vgl. Abbildung 2):
(a) Modernisierung vorhandener Strukturen und
(b) Zubau von neuen Strukturen.
Im Rahmen der Modernisierung bestehender Strukturen können Emissionsre-
duktionen durch (a) Ersatz von Altanlagen, (b) Brennstoffwechsel oder (c) Effi-
zienzerhöhung erzielt werden. Werden gleichzeitig mehrere der Maßnahmen
implementiert, so können zwischen ihnen auch Wechselwirkungen
35
auftreten.
Im Falle einer Strukturerweiterung werden stattdessen neue Anlagen hinzu ge-
baut ohne die alten zu substituieren.
36
Abbildung 2: Ansätze der Emissionsreduktion in JI- und CDM-Projekten
37
Konkrete
Beispiele
für
emissionsreduzierende
CDM-
oder
JI-
Klimaschutzprojekte sind die Errichtung eines Windparks, die Umsetzung eines
31
Englische Bezeichnung: European Union Emission Trading Scheme - EU ETS.
32
Die Emissionszertifikate des Europäischen Emissionshandelssystems heißen Emissionsbe-
rechtigungen (sog. EU-Allowances - EUAs).
33
Englische Bezeichnung: EU Linking Directive.
34
Vgl. Erling, U. M. (2008), S. 18 f.; Vgl. Rassul, A. (2007), S. 1, 5 ff.; Vgl. MBU (2006b), S. 38 f.
35
Eine Brennstoffumstellung kann beispielsweise den Austausch von Anlagenteilen notwendig
machen, die wiederum effizienzsteigernd wirken. Vgl. Frauenhofer ISI (2005), S. 395.
36
Vgl. Frauenhofer ISI (2005), S. 395 f.
37
Quelle: In Anlehnung an Frauenhofer ISI (2005), S. 396.
Wo setzt die Emissionsreduktionsmaßnahme an?
Modernisierung bestehen-
der Strukturen
Wachstumsbedingter
Zubau neuer Strukturen
Maßnahme:
Effizienz-
steigerung
Maßnahme:
Brennstoff-
wechsel
Maßnahme:
Substitution von
Anlagen
Maßnahme:
Neubau von
Anlagen

10
Mülldeponieprojekts, bei dem Methangas abgefangen und zur Energieerzeu-
gung genutzt wird oder der Bau eines Biomassekraftwerkes im Ausland.
38
Generelles Ziel des CDM ist:
(a) die Förderung nachhaltiger Entwicklung in Nicht-Annex I-Staaten,
(b) die Erreichung der Ziele der Klimarahmenkonvention und
(c) die Unterstützung der Annex I-Staaten und der europäischen Anlagen-
betreiber bei der Erfüllung ihrer Emissionsreduktionsverpflichtungen.
39
Der CDM erlaubt es einem Industrieland aus der Annex I-Staatengruppe ein
Klimaschutzprojekt in einem Land der Nicht-Annex I-Staatengruppe durchzufüh-
ren, wodurch zum einen die kosteneffektivsten Maßnahmen der Emissionsre-
duktion umgesetzt werden können und zum anderen die nachhaltige Entwick-
lung des Entwicklungs- bzw. Schwellenlandes durch den Transfer umwelt-
freundlicher Technologien unterstützt wird.
40
Die im CDM-Projekt erzielten E-
missionsminderungen werden anschließend dem Emissionskonto des Investor-
landes als sog. zertifizierte Emissionsreduktionen (Certified Emission Reduc-
tions - CERs) angerechnet.
41
Die Emissionszertifikate der Flexiblen Instrumente
des Kyoto-Protokolls sind gegeneinander umtauschbar und können auch in die
Zertifikatwährungen des Europäischen Emissionshandels sowie anderer Emis-
sionshandelsbörsen und -programme
42
eingetauscht werden, da sie alle diesel-
be Treibhausgasmenge von 1 t CO
2
e verbriefen.
43
Die Teilnahme an CDM-Projekten und der Erwerb von CERs ist wie oben er-
wähnt nicht nur auf die Vertragsstaaten des Kyoto-Protokolls beschränkt, son-
dern steht generell Unternehmen sowie jeder juristischen Person offen.
44
Gene-
rell werden die Interessenten an CERs unterschiedliche Beweggründe und Mo-
tive zur Generierung oder Beschaffung von CERs haben. Mögliche Motive
für den Erwerb von CERs sind: (a) gegebene oder erwartete Emissionsredukti-
onsverpflichtungen, (b) freiwillige oder aus Imagegründen eingegangene Ver-
38
Vgl. BMU (2006), S. 10; Die öffentlich zugängliche Datenbank mit allen nach Projektstatus
sortierten CDM-Projektvorhaben inklusive der genauen Projektbeschreibungen ist auf der Inter-
netseite der UNFCCC unter:
http://cdm.unfccc.int/Projects/projsearch.html
zu finden (Stand
10.07.2009).
39
Vgl. Art. 12 KP; Vgl. Rassul, A. (2007), S. 6 f.
40
Vgl. Müller-Pelzer, F. (2004), S. 17; Vgl. Satoguina, H. (2007), S. 17 f.
41
Vgl. Satoguina, H. (2007), S. 17 f.; Vgl. Pohlmann, M. (2004), S. 42 f.
42
Beispielsweise: Chicago Climate Exchange (CCX). Vgl. Capoor, K./ Ambrosi, P. (2006), S. 3.
43
Vgl. Pohlmann, M. (2004), S. 176.
44
Art. 12 Abs. 9 KP; Vgl. Müller-Pelzer, F. (2004), S. 18 Fußnote 40; Vgl. Frauenhofer ISI
(2005), S. 38.

11
pflichtungen, (c) von individuellen Interessenten beauftragte Erzeugung von
CERs zur Erzielung einer ,persönlichen Klimaneutralität' über spezielle Dienst-
leistungen oder Programme eines Intermediäres, (d) von den Shareholdern ge-
forderte Reduktionen der vom Unternehmen bewirkten Klimabeeinflussung so-
wie (e) institutioneller Druck durch Marktbeteiligte, wie z.B. Analysten, Investo-
ren oder Versicherungsgesellschaften.
45
Vom Kyoto-Protokoll werden Mindestanforderungen an CDM-Projekte ge-
stellt, die von den Projekten erfüllt werden müssen. So soll das Projektvorha-
ben:
(a) von beiden Vertragsstaaten gebilligt sein und auf einer freiwilligen Teil-
nahme basieren,
(b) reale, messbare und langfristige Beiträge zum Klimaschutz leisten und
(c) zusätzliche Emissionsminderungen herbeiführen, die über Emissions-
minderungen hinaus gehen, welche auch ohne die CDM-Projektaktivität
eingetreten wären (sog. umweltbezogene Zusätzlichkeit)
46
.
47
Abbildung 3 zeigt die Funktionsweise eines CDM-Projektes. Die ohne Pro-
jektaktivität eintretenden Referenzemissionen bilden den Referenzfall bzw. die
Baseline. Die Projektaktivität (t
0
bis t
1
) führt zur Verringerung des Emissions-
ausstoßes, den sog. Projektemissionen. Emissionsreduktionen, die sich aus der
Differenz von Referenz- und Projektemissionen ergeben, werden dem Projekt-
träger periodisch als CERs gutgeschrieben.
48
Abbildung 3: Emissionsreduktion in CDM-Projekten
49
45
Vgl. Wilder, M./ Willis, M./ Guli, M. (2005), S. 296 f.
46
Vgl. Pohlmann, M. (2004), S. 43.
47
Art. 12 Abs. 5 KP.
48
Vgl. Rassul, A. (2007), S. 8.
49
Quelle: Mit eigenen Änderungen in Anlehnung an Rassul, A. (2007), S. 8; FutureCamp
(2005), S. 9.
(jährliche) Emissionsreduktionen (CERs)
Referenzemissionen (Baseline)
Projektemissionen
Zeit
Emissionen
t
0
t
1
Zusätzlichkeit

12
Nach der Einordnung des CDM in einen klimapoltischen Rahmen und Skizzie-
rung seiner Ziele und Funktionsweise soll im folgenden Kapitel eine Übersicht
zum Stand der bisher implementierten CDM-Projekte - der sog. Projektpipeline -
und dem Markt für zertifizierte Emissionsreduktionen vorgestellt werden.
2.2 CDM-Projektpipeline und Marktüberblick
Gegenwärtig (März 2009) befinden sich 4.541 Projekte in der CDM-
Projektpipeline. Davon sind bereits 1.424 vom Exekutivrat (siehe Kapitel 3.2)
registriert und somit betriebsbereit oder generieren schon CERs. Weitere 302
Projekte befinden sich im Registrierungsprozess und warten auf die Anerken-
nung durch den Exekutivrat. Die 2.815 restlichen Projekte befinden sich in der
Entwicklungsphase, die im Optimalfall mit der erfolgreichen Validierung des
Projektes durch eine unabhängige Prüforganisation (siehe Kapitel 3.2) endet
und das Projekt für die Beantragung der offiziellen Registrierung als CDM-
Projekt berechtigt.
50
Die vier größten gastgebenden Länder für CDM-Projekte nach Anteil an dem
bisher insgesamt generierten CER-Volumen sind derzeit:
(1) China mit 42,9%,
(2) Indien mit 23,1%,
(3) Süd Korea mit 13,8% und
(4) Brasilien mit 11,2% aller CERs.
In diesen vier Ländern wurden somit über 90% aller CERs erzeugt.
51
Die vier
größten Annex I-Investor-Staaten (inklusive der ihnen zugehörigen Investoren)
nach Anzahl der initiierten und bereits registrierten CDM-Projekte sind gegen-
wärtig:
(1) Großbritannien mit 29,05%,
(2) Schweiz mit 20,88%,
(3) Niederlande mit 10,92% und
(4) Japan mit 10,02% der CDM-Projekte.
52
50
Vgl. CD4CDM (2009), Tabelle 1.
51
Vgl. CD4CDM (2009), Tabelle 13.
52
Vgl. dazu die Internetseite von UNFCCC unter:
http://cdm.unfccc.int/Statistics/Registration
/RegisteredProjAnnex1PartiesPieChart.html
(Stand 09.07.2009).

13
Insgesamt existieren 65 verschiedene CDM-Projektaktivitäten
53
, die in jeweils
unterschiedlichen Technologiebereichen anzusiedeln sind und auf alternativen
Emissionsreduktionsansätzen basieren (vgl. Abbildung 2). Zur Übersicht kön-
nen sie in die unten aufgezählten acht CDM-Projekttypen differenziert wer-
den.
54
(1) Nutzung ,,sauberer Energien" auf Basis erneuerbarer Ressourcen (61,1%
der Projekte zu 12,5% des CER-Volumens),
(2) Treibhausgasreduktion in Industrie, Landwirtschaft und Mülldeponien
(17,8% zu 6,3%),
(3) Energieeffizienzmaßnahmen auf Energieversorgungsseite (7% zu 4,2%),
(4) Energieeffizienzmaßnahmen auf Nachfrageseite (4,7% zu 0,4%),
(5) Brennstoffumstellung (3,4% zu 0,7%),
(6) chemische Zerlegung von Treibhausgasen (5,9% zu 76%),
(7) Aufforstungsprogramme (noch keine Projekte mit ausgestellten CERs),
(8) Transportbereich (0,2% zu 0,05%).
Die jeweils in Klammern angegebenen Prozentwerte wurden vom Autor be-
rechnet und verdeutlichen zusätzlich (erstens) den Anteil des Projekttyps an der
CDM-Projekt-Grundgesamtheit, die CERs generiert und ausgeschüttet hat und
damit bereits eine Wertschöpfung erzielt hat
55
und (zweitens) den Anteil ausge-
schütteter CERs des Projekttyps an der Grundgesamtheit aller bisher ausge-
stellten CERs.
56
Durch die Gegenüberstellung von Projekten mit erzeugten
CERs und dem jeweils erzielten CER-Volumen, kann auf die ,Performance'
57
der einzelnen Projekttypen geschlossen werden.
Augenscheinlich ist hier die relativ dominierende Performance des CDM-
Projekttyps (6), der chemischen Zerlegung von Treibhausgasen, der mit knapp
53
Vgl. dazu die Internetseite von UNFCCC unter:
http://cdm.unfccc.int/methodologies
/PAmethodologies/approved.html
(Stand 09.07.2009). Alle durch den Exekutivrat genehmigten
Methoden zur Entwicklung und Anerkennung der verschiedenen Projektaktivitäten (siehe dazu
Kapitel 3.5) gelten hierbei als eigenständige Projektaktivitäten.
54
Vgl. CD4CDM (2009), Tabelle 11.
55
Zurzeit haben 473 CDM-Projekte 261.756.000 CERs generiert und ausgeschüttet. Vgl.
CD4CDM (2009), Tabelle 2.
56
Die im Abschnitt aufgeführten Prozentwerte basieren auf eigener Berechnung nach CD4CDM
(2009), Tabelle 2.
57
Die Einflussfaktoren auf die CER-Erzeugung werden in Kapitel 4.1.1 vorgestellt.

14
6% Projektanteil für insgesamt 76% des generierten CER-Gesamtvolumens
verantwortlich zeichnet.
Folgend wird eine kompakte Markt- und Preislage der CERs skizziert. Im Jahr
2007 belief sich das am Primärmarkt
58
gehandelte Emissionsreduktionsvolumen
aus CDM-Projekten auf 551 Mio. t CO2e, was einem Marktwert von 7,426 Mrd.
US$ entsprach. Weitere 240 Mio. t CO2e im Gesamtwert von 5.451 Mrd. US$
wurden am Sekundärmarkt umgesetzt, wobei dieses Segment besonders star-
ke Wachstumsraten verzeichnete.
59
Februar 2009 betrug der Preis einer CER mittlerer Risikoeinstufung, die am
Terminmarkt als Forward gehandelt wurde 5-7 Euro und bei geringer Risikoein-
stufung 7-8 Euro. Noch nicht ausgeschüttete CERs, die aus registrierten - d.h.
zur CER-Erzeugung berechtigten - CDM-Projekten verkauft wurden, kosteten 8-
9 Euro und bereits ausgeschüttete CERs konnten für 9-10 Euro gekauft wer-
den. Die aktuelle Wirtschaftskrise beeinflusst letztendlich die Preisentwicklung
der CERs, denn die Nachfrage am Europäischen Emissionshandel nimmt auch
wegen rückläufiger Industrieproduktion und des entsprechend verringerten E-
missionsausstoßes ab.
60
3
CDM-Projektdurchführung
Im nachfolgenden Kapitel stehen die allgemeinen in CDM-Projekte involvierten
Instanzen, der CDM-Projektaufbau und -ablauf sowie die beiden Sonderkatego-
rien von CDM-Projekten im Betrachtungsfokus. Damit soll ein theoretisches
Verständnis für die Funktionsweise und Durchführung eines CDM-Projektes
geschaffen werden. Abgerundet wird das Kapitel mit der Skizzierung wesentli-
cher methodischer Aspekte der CDM-Projektentwicklung, die im praktischen
Teil dieser Arbeit (Kapitel 9) bei der Ausarbeitung des Fallbeispiels vereinfacht
angewandt werden.
58
Der sog. ,,Kohlenstoffmarkt" kann in einen Primär- und Sekundärmarkt differenziert werden.
Am Primärmarkt werden Transaktionen unmittelbar zwischen Käufer und Projektträger abgewi-
ckelt. Demgegenüber wird der Handel über Tauscheinrichtungen (z.B. Börsen) oder Intermediä-
re im Rahmen des so genannten Sekundärmarktes abgewickelt.
59
Vgl. Capoor, K./ Ambrosi, P. (2008), S. 19.
60
Vgl. Michaelowa, A./ Wucke, A. (2009).

15
3.1 CDM-Projektarchitektur
Das Kyoto-Protokoll lässt die konkrete vertragliche und finanzielle Ausgestal-
tung und Implementierung von CDM-Projekten offen.
61
Die ,institutionelle Archi-
tektur' des Projektes kann somit den Bedürfnissen der Projektbeteiligten ent-
sprechend strukturiert werden.
62
Grundlegend werden drei elementare CDM-
Projektarchitekturen differenziert:
(a) die multilaterale,
(b) unilaterale und
(c) bilaterale Projektarchitektur.
63
Die Wahl der Projektarchitektur im Vorfeld ist aus mehreren Gründen von Be-
deutung. Die jeweilige Projektarchitektur begünstigt bestimmte gastgebenden
Länder, Projekttypen sowie -größen, beeinflusst die Verhandlungsbasis der pro-
jektbeteiligten Parteien, weiterhin die Intensität ihrer Geschäftsbeziehungen und
letztendlich auch die Attraktivität des CDM gegenüber anderen Instrumenten
der Treibhausgasreduktion.
64
Die multilaterale CDM-Projektarchitektur entspricht einem offenen Invest-
mentfond und wird deshalb auch als Fond- oder Portfoliomodell bezeichnet.
65
Der Fond erhält finanzielle Mittel von Investoren aus Annex I-Staaten und finan-
ziert damit CDM-Projekte in Nicht-Annex I-Staaten. Die erzeugten CERs wer-
den anschließend anteilig nach Höhe der Einzahlung an die Investoren ausge-
geben.
66
Entwicklung, Umsetzung und Finanzierung des Projektes werden zwi-
schen dem Fond und dem gastgebenden Land vereinbart und umgesetzt.
67
Dieser Architekturtyp wird von Entwicklungs- und Schwellenländern favorisiert,
da Fonds - etwa der regionalen Entwicklungsbanken - häufig beispielsweise
Aufgrund von entwicklungspolitischen Zielen vorteilhaftere Konditionen anbieten
als einzelne Investoren der Annex I-Gruppe.
68
61
Vgl. Streck, C. (2007), S. 140.
62
Vgl. Krey, M. (2004), S. 21.
63
Vgl. Rassul, A. (2007), S. 11.
64
Vgl. Pohlmann, M. (2004), S. 109 ff.; Vgl. Baumert, K./ Kete, N./ Figueres, C. (2000),
S. 1, 3 ff.
65
Vgl. Baumert, K./ Kete, N./ Figueres, C. (2000), S. 4.
66
Vgl. Pohlmann, M. (2004), S. 110.
67
Vgl. OECD (2000), S. 16 f.
68
Vgl. Pohlmann, M. (2004), S. 110; Vgl. Baumert, K./ Kete, N./ Figueres, C. (2000), S. 5.

16
Im Rahmen einer unilateralen CDM-Projektarchitektur wird der gesamte Pro-
jektzyklus bis zum Verkauf der CERs selbstverantwortlich und allein vom Ent-
wicklungsland bzw. inländischen Projektträgern umgesetzt.
69
Das gesamte für
die Projektfinanzierung benötigte Eigenkapital wird hierbei vom Entwicklungs-
land aufgebracht.
70
Das schließt jedoch Kooperationen mit Fonds oder Indust-
rieländern nicht aus, die z.B. Technologien liefern, das Projekt mit Fremdkapital
versorgen oder die CERs abkaufen.
71
Eine bilaterale CDM-Projektarchitektur ermöglicht die gemeinsame Durchfüh-
rung eines CDM-Projektes zwischen öffentlichen oder privaten Annex I Investo-
ren und öffentlichen oder privaten Partnern des Entwicklungs- oder Schwellen-
landes.
72
Entwicklung, Umsetzung und Finanzierung des Projektes, sowie Erhalt
und Übertragung der CERs und die Risikoverteilung werden zwischen den Pro-
jektpartnern vertraglich geregelt.
73
Die bilaterale Projektarchitektur soll durch
Flexibilität, Dezentralität, geringen bürokratischen Aufwand und schnelle Um-
setzbarkeit insbesondre privatwirtschaftlichen Akteuren einen Anreiz bieten,
kosteneffizient CERs generieren zu können und zur nachhaltigen Entwicklung
im gastgebenden Entwicklungsland beizutragen.
74
Die drei elementaren Projektarchitekturen können - so lange es aus Kostensicht
sinnvoll erscheint - beliebig kombiniert werden.
75
Die folgenden Ausführungen
werden sich auf die bilaterale Projektarchitektur fokussieren, da das beabsich-
tigte Projekt zur Verbreitung von energieeffizienten Technologien im ländlichen
Kirgistan gemeinsam zwischen Partnern aus Deutschland (Annex I-Investor)
und Kirgistan (Nicht-Annex I-Gastgeber) umgesetzt werden soll (Informationen
zu Projekt und Partnern siehe Kapitel 9).
3.2 In CDM-Projekte involvierte Instanzen
Die Generierung von CERs durch ein CDM-Projekt erfolgt innerhalb eines
rechtlich-institutionellen Systems, in dem der Projektträger mit verschiedenen
Institutionen, die unterschiedliche CDM-relevante Aufgaben inne haben, koope-
riert. Hauptziel der Institutionen ist es, sicher zu stellen, dass alle Direktiven des
69
Vgl. OECD (2000), S. 19.
70
Vgl. Jahn, M. et al. (2004), S.15.
71
Vgl. Rassul, A. (2007), S. 14.
72
Vgl. Pohlmann, M. (2004), S. 109.
73
Vgl. OECD (2000), S. 15.
74
Vgl. Pohlmann, M. (2004), S. 109.
75
Vgl. Jahn, M. et al. (2004), S. 15; Vgl. OECD (2000), S. 20 f.

17
Kyoto-Protokolls eingehalten werden und die Ausstellung der CERs an den Pro-
jektträger rechtmäßig erfolgt.
76
Projektträger können neben staatlichen Instituti-
onen auch nationale und internationale Unternehmen, öffentlich-rechtliche Ein-
richtungen, Nichtregierungsorganisationen sowie Entwicklungsbanken und In-
vestmentfonds sein.
77
Der Projektträger investiert eigenverantwortlich in das
Klimaschutzprojekt und beantragt die resultierenden CERs beim Exekutivrat
(siehe unten).
78
Nachfolgend werden die wichtigsten Instanzen im Rahmen ei-
nes CDM-Projektes samt ihrer wichtigsten Aufgaben vorgestellt (siehe Über-
blick in Abbildung 4).
Das Leitungsorgan des Kyoto-Protokolls
79
trifft sich einmal jährlich und bildet
das höchste Lenkungs- und Aufsichtsorgan des CDM.
80
Es dient der Aufsicht
über die laufenden Maßnahmen und Verfahren zur Erreichung der Kyoto-
Protokoll-Ziele, ihrer Bewertung in ökologischer, ökonomischer und sozialer
Hinsicht sowie ihrer Anpassung. Neben der Übernahme unterstützender Funk-
tionen finanzieller und informatorischer Art, dient das Leitungsorgan als Anlauf-
stelle für Beschwerden und verfügt über Aufsichts- und Weisungsrecht gegen-
über dem Exekutivrat, der als zentrales Verwaltungsorgan des CDM fungiert.
Ausschließlich die Beschlüsse des Leitungsorgans haben völkerrechtlich bin-
dende Wirkung für die Vertragsstaaten des Kyoto-Protokolls.
81
Der Exekutivrat
82
wurde vom Leitungsorgan für die operative Implementierung
des CDM geschaffen.
83
Zu seinen Hauptaufgaben gehört die Weiterentwicklung
und Administration der CDM-Methoden (siehe Kapitel 3.4), mit denen Projekt-
träger die Klimawirksamkeit ihrer Projekte nachweisen müssen sowie die Akk-
reditierung und Überwachung der unabhängigen Prüforganisationen (siehe un-
ten), die die qualitativen Standards der CDM-Projekte vor Ort prüfen. Vorgaben
des Exekutivrats sind für alle CDM-Projektaktivitäten bindend. Sie können nur
vom Leitungsorgan revidiert werden, an die der Exekutivrat jährlich berichten
76
Vgl. Rassul, A. (2007), S. 15 f.
77
Vgl. Pohlmann, M. (2004), S. 134 f.
78
Vgl. Rassul, A. (2007), S. 15.
79
Die genaue Bezeichnung ist ,,Tagung der Vertragsstaaten des Kyoto-Protokolls dienende
Konferenz der Vertragsstaaten" (Conference on the Parties serving as the Meeting oft the Par-
ties - COP/ MOP).
80
Vgl. Pohlmann, M. (2004), S. 116; Vgl. Rassul, A. (2007), S. 15.
81
Vgl. Art. 12, 13 KP; Vgl. UNFCCC (2001), Decision 17/CP.7, Annex, paras. 2-4.
82
Englische Bezeichnung: Executive Board - EB.
83
Vgl. Art. 12 Abs. 4 KP.

18
muss und Empfehlungen zu Verfahren und Regeln abgibt. Der Exekutivrat wird
unter anderem durch mehrere spezialisierte Expertengremien unterstützt.
84
Vertragsstaaten müssen für die Teilnahme am CDM zunächst eine nationale
Koordinierungsstelle
85
festlegen.
86
Diese Funktion wird in Deutschland von der
Deutschen Emissionshandelsstelle (DEHSt) wahrgenommen, die dem Umwelt-
bundesamt unterstellt ist. Die Aufgaben der Koordinierungsstelle sind unter an-
deren die Supervision von CDM-Projekten ihres Staates, die Autorisierung in-
ländischer Interessenten zur Teilnahme am CDM und die Billigung konkreter
Projektvorhaben. Die Projektbilligung muss jeweils von der Koordinierungsstelle
des Annex I-Staates sowie des Gastgeberlandes erteilt werden und wird im
sog. Letter of Approval
87
dokumentiert. Anschließend richtet die nationale Koor-
dinierungsstelle für jeden autorisierten Projektträger ein nationales Emissions-
konto ein, welches in das sog. nationale Emissionsregister integriert wird. Nati-
onale Emissionsregister verwalten die Transaktionen aller inländischen privaten
und staatlichen Emissionszertifikate. Nicht-Annex I-Staaten verfügen über keine
nationalen Emissionsregister. Darum werden sie für Nicht-Annex I-Staaten vom
Exekutivrat eingerichtet und geführt.
88
Unabhängige Prüfungsorganisationen
89
werden vom Exekutivrat bei Erfül-
lung strenger Standards akkreditiert und als solche durch das Leitungsorgan
zur Ausübung von bestimmten Funktionen entsprechend ihrer Fachkompetenz
bestellt.
90
Grundsätzlich steht die Bewerbung um eine Akkreditierung als Prü-
fungsorganisation durch den Exekutivrat allen öffentlich- sowie privatrechtlich
basierten Rechtsträgern, wie z.B. Wirtschaftsprüfern, staatlichen Instituten oder
Nichtregierungsorganisationen offen.
91
Die Prüforganisation begutachtet ob ein
potentielles Projekt alle notwendigen Anforderungen des CDM erfüllt (Validie-
rung) oder Mängel aufweist, die eine Billigung und Durchführung unmöglich
machen. Als weiteres kontrolliert sie die im Projektverlauf erzielten Emissions-
84
Vgl. UNFCCC (2001), Decision 17/CP.7, Annex, paras. 5-25; Vgl. Pohlmann, M. (2004), S.
117 f.; Vgl. Rassul, A. (2007), S. 17.
85
Englische Bezeichnung: Designated National Authority - DNA.
86
Vgl. UNFCCC (2001), Decision 17/CP.7, Annex, para. 29.
87
Letter of Approval wird durch LoA abgekürzt.
88
Vgl. Pohlmann, M. (2004), S. 119 f.; Vgl. Rassul, A. (2007), S. 18.
89
Englische Bezeichnung: Designated Operational Entity - DOE.
90
Vgl. Pohlmann, M. (2004), S. 119.
91
Vgl. UNFCCC (2001), Decision 17/CP.7, Appendix A, para. 1(a); Vgl. Pohlmann, M. (2004),
S. 118.

19
reduktionen (Verifizierung) und zertifiziert diese als CERs (Zertifizierung).
92
Normalerweise darf dieselbe Prüforganisation innerhalb eines Projektes entwe-
der nur die Validierung oder nur die Verifizierung und Zertifizierung durchfüh-
ren.
93
Eine Ausnahme bilden hier CDM-Kleinprojekte, die in Kapitel 3.4.1 erör-
tert werden.
Nach Vorstellung der wichtigsten CDM-Projekt-Instanzen werden im nächsten
Kapitel anhand des CDM-Projektzyklus wesentliche Abläufe der Projektumset-
zung - von Projektentwicklung bis Generierung und Ausstellung der CERs - er-
läutert.
3.3 CDM-Projektzyklus
Ziel des CDM-Projektzyklus ist es, im Rahmen eines transparenten Projektver-
fahrens, die ökologische Integrität und ökonomische Effizienz des CDM sicher
zu stellen.
94
Der CDM-Projektzyklus ist relativ komplex und mit bürokratischem
Aufwand verbunden.
95
Er kann idealtypisch in die fünf Phasen Vorprüfung, Do-
kumentation, Anerkennung sowie Umsetzung und Verwertung eingeteilt werden
(vgl. Abbildung 4).
96
92
Siehe zu den Aufgaben einer unabhängigen Prüfungsorganisation UNFCCC (2001), Decision
17/CP.7, Annex, paras. 26, 27.
93
Vgl. UNFCCC (2001), Decision 17/CP.7, Annex, para. 27(e).
94
Vgl. OECD (2000), S. 8; Vgl. Pohlmann, M. (2004), S. 122 f.; Vgl. Mittendorf, M. (2004), S.
152.
95
Vgl. Mittendorf, M. (2004), S. 152.
96
Vgl. Rassul, A. (2007), S. 20 ff.

20
Abbildung 4: CDM-Projektzyklus
97
3.3.1 Vorprüfung
Noch bevor ein CDM-Projekt initiiert wird, kann mit Hilfe einer Vorprüfung - der
sog. Projektidee (Project Idea Note)
98
- untersucht werden ob das Projektvor-
haben anerkennungsfähig ist, d.h. alle CDM-bezogenen Anforderungen
99
erfüllt
und ökonomisch tragfähig umgesetzt werden können.
100
Untersuchungsobjekte
sind beispielsweise das Emissionsreduktionspotential und die damit verbunde-
ne Wirtschaftlichkeitsrechnung, aber auch die Vorbereitung offizieller Behör-
dengänge. Die Vorprüfung ist je nach Land obligatorisch oder freiwillig. Die
nachfolgend dargestellten Projektschritte sind hingegen in allen Vertragsstaaten
vorgeschrieben.
101
97
Quelle: Mit eigenen Änderungen in Anlehnung an Rassul, A. (2007), S. 21.
98
Project Idea Note wird durch PIN abgekürzt.
99
Damit das Projekt als CDM-Projekt anerkannt werden kann muss es neben den in Kapitel 2.1
genannten Mindestanforderungen auch folgende Voraussetzungen erfüllen: - Ratifizierung des
KP durch Staaten der Projektbeteiligten - Existenz von DNAs in den beteiligten Staaten - Keine
Kernenergieprojekte - Keine Finanzierung durch öffentliche Entwicklungshilfegelder - Keine
ökologische, ökonomische und soziale Schäden durch die CDM-Aktivität. Vgl. FutureCamp
(2005), S. 14.
100
Vgl. FutureCamp (2005), S. 14.
101
Vgl. Rassul, A. (2007), S. 20; Vgl. FutureCamp (2005), S. 14.
Einmalig
Wiederholt über Projektlaufzeit
Akteur
Phase
Projektträger
Idee und
Vorprüfung
Dokumentation
Anerkennung
Umsetzung
Nationale Koor-
dinierungsstelle
Prüforganisation
1
Exekutivrat
Öffentlichkeit
Verwertung
Projektidee
Ausgabe
CERs
Verifizierung und
Zertifizierung
Projektdokumen-
tation
Monitoring und
Kontrolle
Billigung
Validierung
Einwände und
Kommentare
Einsichtnahme
Prüforganisation
2
Registrierung

21
3.3.2 Dokumentation
Die Projektdokumentation (sog. Project Design Document)
102
dient der umfas-
senden Darstellung des Projektvorhabens und ist die Grundlage für den weite-
ren Projektzyklus. Sie wird von den Projektteilnehmern nach Vorgaben des E-
xekutivrats
103
erstellt und wird diesem nach erfolgreicher Projektvalidierung
durch die Prüforganisation zur Registrierung vorgelegt.
104
Inhalt der Projektdo-
kumentation sind Informationen, die für die Anerkennung und zukünftige Über-
wachung der Emissionsreduktionen notwendig sind. Der Aufwand für die Aus-
arbeitung einer Projektdokumentation variiert je nach Projektgröße und -
komplexität, wobei die Anfertigung von wenigen Monaten
105
bis zu einem Jahr
dauern kann.
106
Die Elemente der Projektdokumentation werden im Folgenden
vorgestellt.
A. Allgemeine Projektbeschreibung. In der Projektbeschreibung werden um-
fassende
Informationen
zu
Projektzweck,
der
(Wirtschafts-
)Sektorzuordnung
107
, technologischen Eigenschaften, geographischen
Begrenzung und geschätzten Emissionsreduktionen über die Projekt-
laufzeit bzw. den Anrechnungszeitraum
108
der CERs angegeben. Zudem
ist eine Erklärung abzugeben, dass keine offiziellen Entwicklungshilfe-
gelder zur Projektfinanzierung verwendet werden. Schließlich sind alle
Projektbeteiligten aufzuführen, was faktisch heißt, dass die involvierten
Projektteilnehmer zu diesem Zeitpunkt feststehen müssen.
109
B. Verwendung genehmigter Methoden. Für die Ermittlung der Baseline d.h.
der hypothetischen Treibhausgasemissionen, die ohne CDM-Aktivitäten
eintreten würden, müssen die Projektbeteiligten ein vom Exekutivrat ge-
nehmigtes Verfahren bzw. eine projektspezifische Methode
110
anwenden
oder diese vorher selbst entwickeln und beim Exekutivrat zur Genehmi-
gung einreichen. Die tatsächlichen Projektemissionen werden mit Hilfe
102
Project Design Document wird mit PDD abgekürzt.
103
Siehe zu entsprechenden Formularvorlagen der UNFCCC unter:
http://cdm.unfccc.int/ Refe-
rence/PDDs_Forms/PDDs/index.html
(Stand 13.07.2009).
104
Vgl. Pohlmann, M. (2004), S. 123; Vgl. Rassul, A. (2007), S. 20 f.
105
Vgl. World Bank (2004), Folie 3 f.
106
Vgl. Rassul, A. (2007), S. 21.
107
Zum Beispiel Transportbereich, Metallindustrie oder Landwirtschaft. Siehe eine Übersicht zu
den offiziellen Sektoren in UNFCCC (ohne Datum), S. 1.
108
Englische Bezeichnung: credit period.
109
Vgl. UNFCCC (2006), S. 2; Vgl. Rassul, A. (2007), S. 22; Vgl. Pohlmann, M. (2004), S. 123 f.
110
Vgl. UNFCCC (2006), S. 3; Englische Bezeichnung: baseline methodology.

Details

Seiten
Erscheinungsform
Originalausgabe
Jahr
2009
ISBN (eBook)
9783836635059
DOI
10.3239/9783836635059
Dateigröße
1 MB
Sprache
Deutsch
Institution / Hochschule
Bergische Universität Wuppertal – Fachbereich B - Wirtschafts- und Sozialwissenschaften, Wirtschaftswissenschaften
Erscheinungsdatum
2009 (September)
Note
1,3
Schlagworte
clean development mechanism mikrofinanzierung klimaschutzprojekt technologievertreitung finanzierung
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Titel: CDM- und Mikrofinanzprojekte
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