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Entsteht hier ein Cluster?

Eine Netzwerkanalyse der Bochumer IT-Sicherheitsbranche

©2008 Diplomarbeit 157 Seiten

Zusammenfassung

Inhaltsangabe:Einleitung:
Seitdem Michael E. Porter 1990 mit seinem Werk ‘The Competitive Advantage of Nations’ den Clusterbegriff prägte, erfreut sich sein Konzept in der Politik und praktischen Umsetzung stetig wachsender Beliebtheit. Inspiriert von den frühen Erfolgen einiger Mustercluster wie beispielsweise dem Silicon Valley, wurden bisher zahlreiche Versuche unternommen, diese Erfolge auf andere Wirtschaftsregionen zu übertragen. Ein gutes Beispiel hierfür ist die Strukturpolitik der Europäischen Union. War diese in der vergangenen Förderperiode bis 2006 noch sehr auf flächendeckenden Ausgleich regionaler Disparitäten ausgerichtet, so wird in der aktuellen Förderperiode seit 2007 zum Beispiel im Rahmen des Ziels 2 ‘Wettbewerbsfähigkeit und Beschäftigung’ nun auch gezielt Clusterpolitik gefördert. Die direkte Koppelung von Fördergeldern an die Umsetzung von Clusterstrategien hat damit auch Auswirkungen auf die Strukturpolitik von Bund und Ländern, die über die europäischen Vorgaben hinaus auch eigene Programme zur Clusterförderung aufgelegt haben (vgl. Kapitel 2.5). Von der Umsetzung der Clusterpolitik erhoffte Wirkungen sind eine effizientere Vergabe strukturpolitischer Mittel durch die Konzentration auf nur wenige Wachstumskerne, die Ausstrahlungseffekte auf ihr Umland entwickeln sowie die Sicherung der internationalen Wettbewerbsfähigkeit dieser Cluster.
Trotz der großen politischen Popularität werden Cluster in der Wissenschaft durchaus kontrovers diskutiert. Die Clusterforschung hat sich zwar schon einige Zeit als interdisziplinäres Forschungsfeld an der Schnittstelle von Wirtschafts-, Raum- und Sozialwissenschaften etabliert, durch die unterschiedlichen Perspektiven entstanden aber auch zahlreiche komplementäre und konkurrierende Konzepte sowie eine große Anzahl unterschiedlicher Clusterdefinitionen. Innerhalb des wissenschaftlichen Diskurses führte dies eher zu Uneinigkeit und Konfusion, statt zur Entwicklung einer einheitlichen Clustertheorie. REHFELD ist der Meinung, dass die Wissenschaft in Deutschland mit dem Aufkommen des Clusterkonzepts ‘erst die Orientierung und dann den Anschluss’ an die regionale Strukturpolitik verloren hat. Insofern verwundert es wenig, dass die Identifikation und Entwicklung neuer Cluster heutzutage recht selten auf Basis aktueller wissenschaftlicher Erkenntnisse erfolgt, sondern von den politischen Entscheidungsträgern häufig private Beratungsunternehmen zu Rate gezogen werden. Deren methodisches […]

Leseprobe

Inhaltsverzeichnis


Inhaltsverzeichnis

Abbildungsverzeichnis

Abkürzungsverzeichnis

1 Hintergrund und Problemstellung
1.1 Ziel der Arbeit
1.2 Aufbau der Arbeit

2 Wirtschaftliche Cluster
2.1 Porters Cluster Konzept
2.2 Aktueller Stand der Clustertheorie
2.2.1 Evolutionäre Clusterentwicklung
2.2.2 Mehrdimensionaler Clusterbegriff
2.3 Netzwerke
2.4 Empirische Clusterforschung
2.5 Clusterpolitik und Clustermanagement

3 Grundzüge der Netzwerkanalyse
3.1 Relationen
3.2 Gesamtnetzwerke und persönliche Netzwerke
3.3 Abgrenzung und Datenerhebung in Gesamtnetzwerken
3.4 Abgrenzung und Datenerhebung in persönlichen Netzwerken
3.5 Darstellung von Netzwerkdaten
3.6 Zentralitätsmaßzahlen
3.6.1 Degree-Zentralität
3.6.2 Closeness-Zentralität
3.6.3 Betweenness-Zentralität
3.7 Cliquen und Clans

4 Das Fallbeispiel: IT-Sicherheit in Bochum
4.1 Wirtschaftsstruktur in Bochum
4.2 Die Wachstumsinitiative Bochum2015
4.3 Die IT-Sicherheitsbranche
4.4 IT-Sicherheit in Bochum
4.4.1 Das Horst Görtz Institut
4.4.2 eurobits e.V
4.4.3 Das Zentrum für IT-Sicherheit
4.4.4 Die IHK
4.4.5 networker nrw
4.4.6 Aktivitäten im Bereich IT-Sicherheit
4.4.7 Eine Branche im Aufbruch

5 Methodische Vorgehensweise
5.1 Auswahl des zu untersuchenden Clusters
5.2 Räumliche Abgrenzung des Untersuchungsgebietes
5.3 Auswahl der Methode der Datenerhebung
5.4 Untersuchte Relationen
5.5 Entwicklung des Fragebogens
5.6 Identifikation der Interviewpartner
5.7 Überprüfung der Validität und endgültige Netzwerkabgrenzung
5.8 Ablauf der Primäruntersuchung und Teilnahmequote
5.9 Sekundäre Untersuchungsmethoden
5.10 Kooperation mit Bochum2015

6 Darstellung der empirischen Ergebnisse
6.1 Ergebnisse der Unternehmensbefragung
6.2 Ergebnisse der Institutionenbefragung
6.3 Ergebnisse der Netzwerkanalyse
6.3.1 Auswertung des Transaktionsnetzwerkes
6.3.2 Auswertung des Kommunikationsnetzwerkes
6.3.3 Untersuchung auf kohäsive Subgruppen
6.3.4 Beurteilung des Netzwerkes nach Krätke und Scheuplein
6.4 Zusammenfassung der Ergebnisse

7 Fazit und Handlungsempfehlungen

Literaturverzeichnis

Anhang I: Liste der befragten Akteure
Anhang II: Der Fragebogen für Unternehmen
Anhang III: Der Fragebogen für Institutionen

Abbildungsverzeichnis

Abbildung 1.1: Aufbau der Arbeit (Quelle: Eigene Darstellung)

Abbildung 2.1: Eigendynamsiche Clusterentwicklung (Quelle: Eigene Darstellung nach Porter 1999, S. 60)

Abbildung 2.2: Konzeptionsvielfalt zur Thematik Raum, Wissen und wirtschaftliche Entwicklung (Quelle: Thomi u. Sternberg 2008, S. 74)

Abbildung 2.3: Clusterevolution auf Basis industrieller Entwicklungspfade (Quelle: Eigene Darstellung nach Storper u. Walker 1989, S. 70-98)

Abbildung 2.4: Cluster als mehrdimensionales lokalisiertes Wertschöpfungssystem (Quelle: Kiese 2008, S. 12)

Abbildung 2.5: Typen regionaler Clusterformationen (Quelle: Krätke u. Scheuplein 2001, S. 59)

Abbildung 3.1: Die drei Strukturtypen der Dyade (Quelle: Jansen 2006, S. 60)

Abbildung 3.2: Beispiel eines Graphen (Quelle: Schnegg u. Lang 2002, S. 10)

Abbildung 3.3: Stern-, Ring-, und Liniengraph (Quelle: Holzer 2006, S. 39)

Abbildung 3.4: Übersicht über Zentralitätsmaße für Akteure (Quelle: Jansen 2006, S. 137)

Abbildung 4.1: Der weltweite Umsatz mit IT-Sicherheitsprodukten und -services in Mrd. Euro 2005-2007 (Quelle: BMWi 2008, S. 229)

Abbildung 4.2: Top Geschäftsbereiche der IT-Branche nach Schulnoten 2004-2006 (Quelle: IIE (2006): S. 58)

Abbildung 4.3: Zukünftige Bedeutung von IT-Themen (Quelle: Capgemini 2008, S. 6)

Abbildung 4.4: Deutsche Ausgaben für IT-Sicherheitsleistungen (Quelle: BMWi 2008, S. 230)

Abbildung 4.5: Struktur von eurobits (Quelle: Eigene Darstellung nach Paar u. Klempt 2007, S. 42)

Abbildung 6.1: Entwicklung der Unternehmensanzahl (Quelle: Eigene Erhebung 2008)

Abbildung 6.2: Gründungsarten der befragten Unternehmen (Quelle: Eigene Erhebung 2008)

Abbildung 6.3: Gründe für die Standortwahl der Unternehmen (Quelle: Eigene Erhebung 2008)

Abbildung 6.4: Einschätzung des Standorts im Vergleich zu anderen Städten (Quelle: Eigene Erhebung 2008)

Abbildung 6.5: Was die Unternehmen an Bochum schätzen (Quelle: Eigene Erhebung 2008)

Abbildung 6.6: Was den Unternehmen an Bochum nicht so gut gefällt (Quelle: Eigene Erhebung 2008)

Abbildung 6.7: : Produkt- und Dienstleistungsspektrum der Unternehmen (Quelle: Eigene Erhebung 2008)

Abbildung 6.8: Von anderen Unternehmen bezogene Vorleistungen (Quelle: Eigene Erhebung 2008)

Abbildung 6.9: Beschäftigtenzahlen der Unternehmen nach Größenklassen (Quelle: Eigene Erhebung 2008)

Abbildung 6.10: Umsatz der Unternehmen ohne Mehrwertsteuer in 2007 nach Größenklassen (Quelle: Eigene Erhebung 2008)

Abbildung 6.11: Anteil des größten Kunden am Umsatz der Unternehmen 2007 (Quelle: Eigene Erhebung 2008)

Abbildung 6.12: Anzahl der Unternehmen, die auch nicht sicherheitsrelevante Produkte und Dienstleistungen anbieten (Quelle: Eigene Erhebung 2008)

Abbildung 6.13: Anteil des mit IT-Sicherheit erwirtschafteten Umsatzes am Gesamtumsatz der Unternehmen (Quelle: Eigene Erhebung 2008)

Abbildung 6.14: Beliefern die Unternehmen vorwiegend dieselben oder wechselnde Kunden? (Quelle: Eigene Erhebung 2008)

Abbildung 6.15: Der Standardisierungsgrad der Unternehmen (Quelle: Eigene Erhebung 2008)

Abbildung 6.16: Wird im Unternehmen Forschung und Entwicklung betrieben? (Quelle: Eigene Erhebung 2008)

Abbildung 6.17: Ausgaben der Unternehmen für Forschung und Entwicklung 2007 (Quelle: Eigene Erhebung 2008)

Abbildung 6.18: Einführung neuer Fertigungsverfahren, Produkte und Dienstleistungen (Quelle: Eigene Erhebung 2008)

Abbildung 6.19: Herkunft der Zulieferer der Unternehmen (Quelle: Eigene Erhebung 2008)

Abbildung 6.20: Sitz der Kunden der Unternehmen (Quelle: Eigene Erhebung 2008)

Abbildung 6.21: Spielt der Sitz der Zulieferer/Kunden bei der Auswahl der Geschäftspartner eine Rolle? (Quelle: Eigene Erhebung 2008)

Abbildung 6.22: Wie wichtig ist den Unternehmen der Austausch mit anderen Unternehmen und Institutionen (Quelle: Eigene Erhebung 2008)

Abbildung 6.23: Netzwerke der Unternehmen (Quelle: Eigene Erhebung 2008)

Abbildung 6.24: Profitieren die Unternehmen von Netzwerken? (Quelle: Eigene Erhebung 2008)

Abbildung 6.25: Hätten die Unternehmen gerne noch Kontakte, die sie bisher noch nicht haben? (Quelle: Eigene Erhebung 2008)

Abbildung 6.26: Wie die Unternehmen das Wachstum der Branche einschätzen (Quelle: Eigene Erhebung 2008)

Abbildung 6.27: Werden die Unternehmen in den nächsten zwei Jahren wachsen, stagnieren oder schrumpfen? (Quelle: Eigene Erhebung 2008)

Abbildung 6.28: Wird sich das Ruhrgebiet zukünftig zu Europas führendem Standort für IT-Sicherheit entwickeln? (Quelle: Eigene Erhebung 2008)

Abbildung 6.29: Was führt zu einer Steigerung der Wertschöpfung in der IT-Sicherheitsbranche in Bochum? (Quelle: Eigene Erhebung 2008)

Abbildung 6.30: Entwicklung der Anzahl an Unternehmen und Institutionen im Vergleich (Quelle: Eigene Erhebung 2008)

Abbildung 6.31: Herkunft der Finanzmittel der Institutionen (Quelle: Eigene Erhebung 2008)

Abbildung 6.32: Instrumente, mit denen die Institution den Austausch von Informationen zwischen den Unternehmen fördert (Quelle: Eigene Erhebung 2008)

Abbildung 6.33: Stärke der an die Institutionen gerichteten Nachfrage (Quelle: Eigene Erhebung 2008)

Abbildung 6.34: Wie die Institutionen das Wachstum der Branche einschätzen (Quelle: Eigene Erhebung 2008)

Abbildung 6.35: Einschätzungen der Institutionen und Unternehmen zur Entwicklung des Ruhrgebiets als IT-Sicherheitsstandort (Quelle: Eigene Erhebung 2008)

Abbildung 6.36: Was führt nach Meinung der Institutionen zu einer Steigerung der Wertschöpfung in der IT-Sicherheitsbranche in Bochum (Quelle: Eigene Erhebung 2008)

Abbildung 6.37: Transaktionsnetzwerk nach Kundenbeziehungen (Quelle: Eigene Erhebung 2008)

Abbildung 6.38: Transaktionsnetzwerk nach Lieferantenbeziehungen (Quelle: Eigene Erhebung 2008)

Abbildung 6.39: Das vereinte Transaktionsnetzwerk (Quelle: Eigene Erhebung 2008)

Abbildung 6.40: Transaktionsnetzwerk - gewichtete Degree-Zentralität (Quelle: Eigene Erhebung 2008)

Abbildung 6.41: Transaktionsnetzwerk – standardisierte Betweenness-Zentralität (Quelle: Eigene Erhebung 2008)

Abbildung 6.42: Transaktionsnetzwerk – standardisierte Closeness-Zentralität (Quelle: Eigene Erhebung 2008)

Abbildung 6.43: Kommunikationsnetzwerk – gerichteter und gewichteter Graph (Quelle: Eigene Erhebung 2008)

Abbildung 6.44: Kommunikationsnetzwerk – gewichtete und standardisierte Outdegrees (Quelle: Eigene Erhebung 2008)

Abbildung 6.45: Kommunikationsnetzwerk – gewichtete und standardisierte Indegrees (Quelle: Eigene Erhebung 2008)

Abbildung 6.46: Kommunikationsnetzwerk – binär und symmetrisch (Quelle: Eigene Erhebung 2008)

Abbildung 6.47: Kommunikationsnetzwerk – standardisierte Betweenness (Quelle: Eigene Erhebung 2008)

Abbildung 6.48: Kommunikationsnetzwerk – standardisierte Closeness (Quelle: Eigene Erhebung 2008)

Abbildung 6.49: Hervorhebung der größten Clique im Kommunikationsnetzwerk (Quelle: Eigene Erhebung 2008)

Abbildung 6.50: Regionale Verteilung von IT-Sicherheitsfirmen in NRW (Quelle: Paar u. Klempt 2007, S. 25)

Abbildung 6.51: Regionale Verteilung von IT-Sicherheitsunternehmen innerhalb des Rhein-Ruhrgebietes (Quelle: Eigene Darstellung nach if(is) 2008)

Tabellenverzeichnis

Tabelle 3.1: Klassifikation von Relationsinhalten (Quelle: Eigene Darstellung nach Jansen 2006, S. 59)

Tabelle 3.2: Beispiel einer Matrix (Quelle: Schnegg u. Lang 2002, S. 9)

Tabelle 3.3: Beispiel einer Liste (Quelle: Schnegg u. Lang 2002, S. 11)

Tabelle 6.1: Übersicht über die von den Institutionen angebotenen Unterstützungsleistungen (Quelle: Eigene Erhebung 2008)

Tabelle 6.2: Übersicht über die berechneten Zentralitätsmaße aller Akteure im Transaktionsnetzwerk (Quelle: Eigene Erhebung 2008)

Tabelle 6.3: Übersicht über die berechneten Zentralitätsmaße aller Akteure im Kommunikationsnetzwerk (Quelle: Eigene Erhebung 2008)

Abkürzungsverzeichnis

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

1 Hintergrund und Problemstellung

Seitdem Michael E. Porter 1990 mit seinem Werk „The Competitive Advantage of Nations” den Clusterbegriff prägte, erfreut sich sein Konzept in der Politik und praktischen Umsetzung stetig wachsender Beliebtheit. Inspiriert von den frühen Erfolgen einiger Mustercluster wie beispielsweise dem Silicon Valley, wurden bisher zahlreiche Versuche unternommen, diese Erfolge auf andere Wirtschaftsregionen zu übertragen. Ein gutes Beispiel hierfür ist die Strukturpolitik der Europäischen Union. War diese in der vergangenen Förderperiode bis 2006 noch sehr auf flächendeckenden Ausgleich regionaler Disparitäten ausgerichtet, so wird in der aktuellen Förderperiode seit 2007 zum Beispiel im Rahmen des Ziels 2 „Wettbewerbsfähigkeit und Beschäftigung“ nun auch gezielt Clusterpolitik gefördert. Die direkte Koppelung von Fördergeldern an die Umsetzung von Clusterstrategien hat damit auch Auswirkungen auf die Strukturpolitik von Bund und Ländern, die über die europäischen Vorgaben hinaus auch eigene Programme zur Clusterförderung aufgelegt haben (vgl. Kapitel 2.5). Von der Umsetzung der Clusterpolitik erhoffte Wirkungen sind eine effizientere Vergabe strukturpolitischer Mittel durch die Konzentration auf nur wenige Wachstumskerne, die Ausstrahlungseffekte auf ihr Umland entwickeln sowie die Sicherung der internationalen Wettbewerbsfähigkeit dieser Cluster.

Trotz der großen politischen Popularität werden Cluster in der Wissenschaft durchaus kontrovers diskutiert. Die Clusterforschung hat sich zwar schon einige Zeit als interdisziplinäres Forschungsfeld an der Schnittstelle von Wirtschafts-, Raum- und Sozialwissenschaften etabliert, durch die unterschiedlichen Perspektiven entstanden aber auch zahlreiche komplementäre und konkurrierende Konzepte sowie eine große Anzahl unterschiedlicher Clusterdefinitionen. Innerhalb des wissenschaftlichen Diskurses führte dies eher zu Uneinigkeit und Konfusion, statt zur Entwicklung einer einheitlichen Clustertheorie (vgl. Martin u. Sunley 2003, S. 12). Rehfeld (2005a, S. 136) ist der Meinung, dass die Wissenschaft in Deutschland mit dem Aufkommen des Clusterkonzepts „erst die Orientierung und dann den Anschluss“ an die regionale Strukturpolitik verloren hat. Insofern verwundert es wenig, dass die Identifikation und Entwicklung neuer Cluster heutzutage recht selten auf Basis aktueller wissenschaftlicher Erkenntnisse erfolgt, sondern von den politischen Entscheidungsträgern häufig private Beratungsunternehmen zu Rate gezogen werden. Deren methodisches Handwerkszeug ist im Vergleich zur wissenschaftlichen Clusterforschung jedoch oft beschränkt, da private Unternehmen eher zur Verwendung einfacher und kostengünstigerer Analyseverfahren, anstelle von aufwendigen, aber ergiebigeren Erhebungen neigen. Daraus ergibt sich ein großer Mangel an qualitativen empirischen Clusteruntersuchungen.

Die meisten bisher veröffentlichten Clusterstudien setzen nach wie vor auf einfache Konzentrationsmaßzahlen. Oft genügt dabei schon eine geringe räumliche Konzentration von Unternehmen derselben Branche, um von einem Cluster zu sprechen. Darüber, ob zwischen diesen Unternehmen und unterstützenden Institutionen überhaupt Verbindungen bestehen, geben solche Methoden allerdings keine Auskunft. Dabei ist es aber genau dieses, auf den ersten Blick oft undurchschaubare, Beziehungsgeflecht von Kommunikation und Transaktion, Kooperation und Konkurrenz zwischen Zulieferern, verwandten Unternehmen und unterstützenden Institutionen, das einen Cluster definiert. Um also verlässliche Aussagen über die Qualität und den inneren Aufbau eines Clusters zu tätigen, ist es notwendig, die Beziehungen zwischen den Unternehmen und Institutionen zum Gegenstand der Untersuchung zu machen. Mit der Netzwerkanalyse steht für derartige Untersuchungen eine schon sehr ausgereifte Methodik zur Verfügung, die bisher allerdings noch wenig verbreitet ist. Die wenigen Fälle, in denen die Netzwerkanalyse in Deutschland auf die Untersuchung von Clustern oder Wissensnetzwerken angewandt wurde, liefern jedoch bereits sehr viel versprechende Ergebnisse (vgl. Brandt u. Krätke 2007; Krätke u. Scheuplein 2001).

1.1 Ziel der Arbeit

Ziel dieser Arbeit ist es, mit der Methode der Netzwerkanalyse die Transaktions- und Kommunikationsbeziehungen zwischen Unternehmen und Institutionen am Beispiel der Bochumer IT-Sicherheitsbranche zu analysieren und zu visualisieren, und damit implizit einen Beitrag zur empirischen Clusterforschung zu leisten. Ausgehend von der Vermutung eines IT-Sicherheitsclusters in der Rhein-Ruhr-Region wird eine Totalerhebung des Bochumer IT-Sicherheitsnetzwerkes als Ausschnitt aus diesem Cluster durchgeführt und geprüft, welche Rückschlüsse sich daraus auf den regionalen Cluster ziehen und welche Handlungsempfehlungen für die clusterfördernden Akteure[1] vor Ort ableiten lassen.

Die empirische Untersuchung orientiert sich dabei an folgenden Forschungsfragen:

1. Welche Geschäftsbeziehungen gibt es zwischen den Unternehmen der IT-Sicherheitsbranche in Bochum?
2. Welche Kommunikationsbeziehungen gibt es zwischen den Unternehmen der IT- Sicherheitsbranche und ihren fördernden Institutionen?
3. Wie wichtig sind für diese Branche der wechselseitige Austausch von Informationen und der enge Kontakt zur Forschung?
4. Wie sind die zukünftigen Entwicklungschancen für die Branche?
5. Welche Rückschlüsse liefern die Ergebnisse aus Bochum über die Existenz bzw. den Entwicklungsstand eines regionalen IT-Sicherheitsclusters?

1.2 Aufbau der Arbeit

Zunächst werden die theoretischen Grundlagen der Arbeit erläutert. Kapitel 2 beschäftigt sich mit dem Begriff der wirtschaftlichen Cluster. Nach einer kurzen Einführung in Porters Cluster Konzept wird ein Überblick über den aktuellen Stand der Clustertheorie gegeben und mit der evolutionären Clusterentwicklung sowie dem mehrdimensionalen Clusterbegriff zwei Weiterentwicklungen von Porters Ansatz vorgestellt. Darauffolgend wird der Begriff des Netzwerkes umrissen und vom Clusterbergriff abgegrenzt. Nach einer Vorstellung einiger Methoden der empirischen Clusterforschung wird abschließend auf Clusterpolitik und Clustermanagement eingegangen.

In Kapitel 3 werden Grundzüge der Netzwerkanalyse erläutert, die für das Verständnis der methodischen Vorgehensweise und der Ergebnisse benötigt werden. Angesprochen werden u. a. die verschiedenen Typen von Relationen, unterschieden zwischen Gesamtnetzwerken und persönlichen Netzwerken, Methoden zur Datenerhebung, die Berechnung verschiedener Zentralitätsmaßzahlen und Verfahren zur Untersuchung von zusammenhängenden Teilgruppen.

Kapitel 4 befasst sich im Übergang zum empirischen Teil der Arbeit mit einigen grundlegenden Informationen über die IT-Sicherheitsbranche in Bochum. Dazu werden zuerst die IT-Sicherheitsbranche und der Standort Bochum im Allgemeinen vorgestellt, um dann auf wichtige Akteure der Branche vor Ort und aktuell ablaufende Vernetzungsprozesse einzugehen.

Während Kapitel 5 die methodische Vorgehensweise darlegt, werden im 6. Kapitel die Ergebnisse der empirischen Untersuchung dargestellt, unterteilt in die Ergebnisse der Unternehmensbefragung, der Institutionenbefragung und der Netzwerkanalyse, und anschließend in Bezug zu den ersten vier Forschungsfragen zusammengefasst.

Im abschließenden Fazit werden dann in Kapitel 7 zunächst die fünfte Forschungsfrage beantwortet und anschließend Handlungsempfehlungen für die weitere Entwicklung der Branche gegeben.

Abbildung 1.1 veranschaulicht den Aufbau der Arbeit anhand einer graphischen Darstellung.

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

2 Wirtschaftliche Cluster

Seit einigen Jahren lässt sich ein wachsendes Interesse an der Rolle des Standortes in der globalen Ökonomie beobachten. Galt früher einmal die These, dass der Standort eines Unternehmens durch den Ausbau kostengünstiger und schneller weltweiter Transport- und Kommunikationsnetze im Zeitalter der Globalisierung stark an Bedeutung verlieren wird, so fanden sich doch zu jeder Zeit überall auf der Welt erfolgreiche Branchen innerhalb einer starken räumlichen Konzentration. In der Vergangenheit wurden viele unterschiedliche Konzepte entwickelt, die sich alle mit einer räumlichen Agglomeration von Unternehmen beschäftigen. Hierzu zählen unter anderem die New Industrial Districts (vgl. Brusco 1990), die New Industrial Spaces (vgl. Scott 1988), die Innovativen Milieus (vgl. Aydalot (1986) sowie die lernenden Regionen (vgl. Hassink 1997).

Das bisher in der Wissenschaft am umfangreichsten diskutierte und in der politischen Praxis erfolgreichste Konzept ist der Cluster Ansatz von Michael E. Porter (vgl. Porter 1990; 1998; 1999).

2.1 Porters Cluster Konzept

Porter (1999, S. 52) geht davon aus, dass Unternehmen durch globalen Einkauf viele Nachteile bei den Kosten für Produktionsfaktoren ausgleichen können. Um nachhaltig Wettbewerbsvorteile gegenüber anderen Unternehmen zu erzielen, müssen diese Inputs daher effizienter genutzt werden, so dass kontinuierliche Innovation erforderlich wird. Solche Innovation entstehen vor allem in Clustern, die

Er definiert als „eine geographische Konzentration von miteinander verbundenen Unternehmen und Institutionen in einem bestimmten Wirtschaftszweig“ (Porter 1999, S. 52). Ein Cluster umfasst dabei „eine Reihe vernetzter Branchen und weitere für den Wettbewerb relevante Organisationseinheiten“, wie zum Beispiel spezialisierte Zulieferer und Institutionen wie Behörden, Verbände, Forschungs- und Ausbildungsstätten. Dabei erstrecken sich Cluster oft „die Vertriebskanäle abwärts bis zu den Kunden sowie seitlich zu den Herstellern komplementärer Produkte und zu Unternehmen in Branchen, die ähnliche Fertigkeiten und Techniken oder gemeinsame Inputs haben“ (Porter 1999, S. 52).

Die räumliche Abgrenzung bleibt bei Porter allerdings unscharf. So können Cluster auf mehreren geographischen Ebenen gefunden werden und reichen von ganzen Staaten, über Bundesländer, Regionen und Städten bis hin zu einzelnen Straßenzügen (vgl. Martin u. Sunley 2003 S. 11). Ihm zufolge sind die Grenzen eines Clusters allein „durch die branchen- und institutionenübergreifenden Verbindungen und Ergänzungen definiert, die für den Wettbewerb am wichtigsten sind“ (Porter 1999, S. 53). Zudem orientieren sich Cluster nicht an administrativen Raumabgrenzungen oder Branchenklassifikationen, was ihre Identifikation zusätzlich erschwert (vgl. Fromhold-Eisebith u. Eisebith 2008, S. 82).

Das Verhältnis der Unternehmen untereinander ist dabei gleichermaßen von Kooperation und Konkurrenz geprägt. Durch das Wechselspiel dieser beiden Faktoren beeinflussen Cluster den Wettbewerb auf drei Arten:

1. indem sie die Produktivität der Unternehmen steigern,
2. indem sie die Innovationsrichtung und das -tempo bestimmen,
3. durch Anreize für die Gründung neuer Unternehmen, die wiederum den Cluster stärken (vgl. 1999, S. 55).

Die erhöhte Produktivität entsteht dabei durch einen gemeinsamen Pool von spezialisierten Arbeitskräften und Zulieferern, auf den die in einem Cluster organisierten Unternehmen zugreifen können, wodurch sich ihre Such- und Transaktionskosten verringern. Zudem wird die Kommunikation durch die Nähe zu den Zulieferern verbessert, so dass diese schneller und flexibler reagieren und zusätzliche Leistungen anbieten können. Innerhalb eines Clusters sammeln sich auch umfangreiche Informationen über Markt, Technik und Wettbewerb an, zu denen die Mitglieder einen privilegierten Zugang haben. Persönliche Beziehungen unter den Unternehmern verstärken dabei das gegenseitige Vertrauen und erleichtern den Informationsfluss. Des Weiteren profitieren die Unternehmen in einem Cluster Porter (1999, S. 57 f.) zufolge von einem gemeinsamen Marketing sowie durch öffentliche und private Investitionen, beispielsweise in spezielle Infrastruktur, Bildungsprogramme oder Qualitätszentren. Nicht zuletzt haben die Unternehmer im Cluster eine besonders hohe Motivation, da direkte Vergleich zur örtlichen Konkurrenz den Wettbewerbsdruck erhöht und sie dazu anspornt sich gegenseitig zu übertrumpfen.

Die erhöhte Innovationsfähigkeit resultiert daraus, dass Unternehmen eines Verbundes eine bessere Marktübersicht als isolierte Konkurrenten haben und so auf Trends und Kundenbedürfnisse schneller reagieren können. Durch die Beziehungen zu anderen Clusterfirmen sind die Unternehmen über neue Technologien, die Verfügbarkeit von Komponenten und Maschinen, Dienstleistungs- und Marketingkonzepte und dergleichen besser informiert und können im Cluster schneller alles Notwendige zur Umsetzung von Innovationen beschaffen. Auch hier betont Porter erneut, dass Wettbewerbsdruck, Gruppendruck und ständige Vergleiche die Innovationsvorteile weiter verstärken (vgl. Porter 1999, S. 58 f.)

Die Entstehung neuer Unternehmen fördern Cluster, indem sie die Risiken einer Gründung minimieren. In einem Cluster können Gründer Marktlücken schneller entdecken außerdem sind die Anfangshürden bei der Gründung hier geringer, weil Anlagen, Fertigkeiten, Vorleistungen und Mitarbeiter häufig bereits vorhanden sind. Banken und Investoren vor Ort sind mit den Clusterbranchen vertraut und verlangen für ihr Geld geringere Risikoprämien (vgl. Porter 1999, S. 59).

Neue Cluster entstehen oftmals durch spezielle historische Umstände. Diese können zum Beispiel durch „eine ungewöhnlichen oder hochdifferenzierten örtlichen Nachfrage“ entstehen oder sich aus „ein oder zwei innovativen Unternehmen entwickeln, die das Wachstum von vielen weiteren stimulieren“ (Porter 1999, S. 59). Sofern alle nötigen Voraussetzungen gegeben sind, vor allem wenn der Cluster von Institutionen unterstützt wird und dort ein harter Wettbewerb herrscht, erfolgt das Wachstum in dem in Abbildung 2.1 dargestellten, sich selbst verstärkenden Kreislauf.

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abbildung 2.1: Eigendynamsiche Clusterentwicklung (Quelle: Eigene Darstellung nach Porter 1999, S. 60).

Um sich einen grundlegenden und echten Wettbewerbsvorteil aufzubauen, benötigen Cluster ein Jahrzehnt oder länger. Durch kontinuierliche Entwicklung können sie dann aber jahrhundertelang konkurrenzfähig bleiben. Cluster können ihre Wettbewerbsfähigkeit allerdings auch wieder verlieren, wenn sie beispielsweise im Zuge eines technologischen Wandels große Teile des Wissens und der technischen Fähigkeiten in einem Cluster ihre Bedeutung verlieren, wenn interne Absprachen und Kartelle den örtlichen Konkurrenzkampf unterminieren, oder wenn unter den Mitgliedern ein Gruppendenken einsetzt, dass diese veranlasst an Produkten festzuhalten, die nicht mehr den Kundenwünschen entsprechen und sich dadurch auch die Innovationsfähigkeit verringert (vgl. Porter 1999, S. 60 f.).

2.2 Aktueller Stand der Clustertheorie

Martin und Sunley (2003) merken in ihrer Kritik an Porters Clusterkonzept an, dass seine Überlegungen schon 1990, als er sein Werk „The Competitive Advantage of Nations“ veröffentlichte, keineswegs neu waren, sondern im Wesentlichen auf dem Konzept der Industrial Districs von Marshall aus dem Jahre 1920 beruhen. Auch haben bereits vor Porter diverse andere Autoren aus Ökonomie, Raumwissenschaft und Soziologie, Konzepte und Theorien entwickelt, die sich alle thematisch mit dem Zusammenhang von Raum, Wissen und wirtschaftlicher Entwicklung beschäftigen (vgl. Abbildung 2.2). Diese einzelnen Konzepte stehen teilweise im Widerspruch zueinander, können sich aber auch ergänzen oder bauen aufeinander auf.

Die Vielfalt unterschiedlicher Ansätze ist derzeit so groß, dass der Versuch einen Überblick über die aktuelle Clustertheorie zu geben ganze Sammelbände füllt (vgl. Kiese u. Schätzl 2008; Asheim et al. 2006). Kiese (2008, S. 14) bezeichnet Cluster daher als ein eklektisches Konzept, während Martin u. Sunley (2003, S. 10) weitaus kritischer sind und aufgrund der kaum möglichen Abgrenzung zu verwandten Ansätzen und auch wegen diverser Unzulänglichkeiten, die sie innerhalb Porters Konzept ausmachen, sogar von einem „chaotic concept“ sprechen. Bei aller Kritik sind sich die Autoren allerdings der ungebrochen großen Popularität von Porters Konzept in Politik und Praxis durchaus bewusst und fordern nicht etwa die völlige Abwendung vom Clusteransatz, sondern plädieren eher für unsichtigere praktische Umsetzung und eine inkrementelle Weiterentwicklung des Konzepts (vgl. Fromhold-Eisebith u. Eisebith 2008, S. 90). Als eine erste Konkretisierung von Porters ursprünglichem Ansatz (vgl. Porter 1990) werden Cluster in der aktuellen Literatur von der großen Mehrheit der Autoren als regionales Konzept aufgefasst. Auch in dieser Arbeit werden Cluster als überwiegend regionales Konstrukt angesehen. Als zwei Weiterentwicklungen des Cluster Konzepts können die evolutionäre Clusterperspektive und der mehrdimensionale Clusterbegriff angesehen werden, welche beide in der aktuellen Literatur weit verbreitet sind und deren Grundannahmen ebenfalls in dieser Arbeit geteilt werden.

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abbildung 2.2: Konzeptionsvielfalt zur Thematik Raum, Wissen und wirtschaftliche Entwicklung (Quelle: Thomi u. Sternberg 2008, S. 74).

2.2.1 Evolutionäre Clusterentwicklung

Die evolutionäre Clusterperspektive basiert auf der Erkenntnis, dass sich die Faktoren und Prozesse die zur Entstehung eines Clusters führen, grundsätzlich von den Standort- und Wachstumsfaktoren einer existierenden Konzentration unterscheiden (vgl. Menzel 2008; Mossig 2002; 2008). Mossig (2002, S. 150) gliedert die Entwicklung eines Clusters in Anlehnung an das Konzept der industriellen Entwicklungspfade von Storper u. Walker (1989) in vier raumwirksame Phasen: Lokalisationsphase, selektive Clusterung, Dispersion und Verlagerungsprozesse (vgl. Abbildung 2.3).

Während der Lokalisationsphase besitzen die ersten Firmen eines neuen, schnell wachsenden Industriezweigs gewisse Freiheiten bezüglich ihrer Standortwahl, die so genannten windows of locational opportunity (vgl. Mossig 2008, S. 53). Diese Wahlfreiheit beruht darauf, dass neue Industriezweige auch völlig neue Anforderungen an die Input- und Outputverflechtungen stellen, die noch an keinem Standort gegeben sind. Die ersten Pionierbetriebe schaffen sich durch hohe Profite und überdurchschnittliche Wachstumsraten ein eigenes Umfeld. Somit sind es oft Zufälle, individuelle Entscheidungen der ersten Unternehmerpersönlichkeiten oder historische Ereignisse, die die erste Lokalistation einer Branche festlegen (vgl. Mossig 2008, S. 54). Daher können die Standorte zukünftiger Cluster nicht ex-ante bestimmt werden, sondern lassen sich immer erst ex-post durch eine Untersuchung der einzelnen Gründungs- und Entwicklungspfade nachverfolgen.

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abbildung 2.3: Clusterevolution auf Basis industrieller Entwicklungspfade (Quelle: Eigene Darstellung nach Storper u. Walker 1989, S. 70-98).

Im Anschluss an die Lokalisationsphase setzt die selektive Clusterung ein und es kommt zu einem eigendynamischen Wachstumsprozess, in dem die bereits bestehen Firmen wachsen und neue Firmen entstehen, die somit zum Ausbau der technologischen Kapazitäten beitragen (vgl. Mossig 2008, S. 54). Eine besonders hohe Bedeutung im eigendynamischen Wachstumsprozess kommt dabei den Spin-offs zu, welche entsprechend der Saatbeet- bzw. Inkubatorhypothese sehr ungleich verteilt sind (vgl. Hayter 1997, S. 224 ff.; Schamp 2000, S. 40 ff.). Wesentliches Merkmal eines Spin-offs ist, dass die Gründer Know-how einsetzen, das sie während ihrer vorangegangenen Beschäftigungen erworben haben. Somit kommt es häufig zu einer Spezialisierung der Spin-off-Betriebe auf einzelne Schritte derselben Wertschöpfungskette, der auch das Mutterunternehmen angehört. Die Niederlassung der Spin-offs erfolgt bis auf wenige Ausnahmen im lokalen Umfeld des ehemaligen Arbeitgebers, da die Nähe zum Wohnort der Gründerperson der wichtigste Grund für die Standortwahl ist und so auch bestehende Kundenkontakte weiter genutzt werden können. Mit jeder neuen Gründung vergrößert sich das Saatbeet, Spin-offs wirken somit als „Multiplikatoren im Clusterungsprozess“ (Mossig 2002, S. 151). Erst in dieser Phase erreicht der Cluster eine gewisse Zahl an Unternehmen (auch kritische Masse genannt), ab der Agglomerationseffekte zum Tragen kommen. Genau wie schon bei der Standortwahl „lässt sich die kritische Masse eines Clusters ex ante überhaupt nicht und ex post kaum angeben“ (Kiese 2008, S. 19). Die im Cluster entstehenden Agglomerationseffekte „basieren auf den Vorteilen lokalisierter Wissensspillover, verringerter Transportkosten, eines gemeinsam genutzten Arbeitsmarkts und gemeinsam genutzter Infrastrukturen“ (Menzel 2008, S. 116). Diese lassen sich weiter unterteilen in Urbanisationsvorteile, die „durch die bessere Ausstattung mit städtischen Einrichtungen oder durch intensivere Verflechtungen der wirtschaftlichen Aktivitäten entstehen“ und in für Cluster charakteristische Lokalisationsvorteile, die sich in Form „spezialisierter Arbeitsmärkte, Zulieferer und Dienstleister, einer branchenspezifischen materiellen, institutionellen und personellen Infrastruktur sowie Wissensspillovern“ äußern (Kiese 2008, S. 15).

Das im Zuge des Wachstums eines Clusters entstehende spezifische Wissen bleibt durch die geringe Mobilität der Arbeitskräfte zum Großteil an die Region gebunden und wird mit der Zeit zum Standortfaktor. Andere Unternehmen, die an diesem Wissen teilhaben wollen, müssen sich ebenfalls in dieser Region ansiedeln. Das window of locational opportunity beginnt sich langsam zu schließen.

Die Dispersion setzt ein, wenn sich der Cluster bereits sehr weit entwickelt hat. In dieser Phase erschließen die Clusterakteure zunächst Wachstumsperipherien. In der Regel werden zunächst standardisierte Teile der Produktion und des Vertriebs, aus Kostengründen oder um in neue Märkte vorzudringen, verlagert (Mossig 2008, S. 54). Zentrale Unternehmensfunktionen wie die Geschäftsführung oder Forschung und Entwicklung bleiben aber im Clusterkern enthalten.

Verlagerungsprozesse können durch einen grundlegen technologischen Wandel entstehen oder durch Umstrukturierungsmaßnahmen in Reaktion auf Krisen entstehen. Die damit neu entstehenden Wachstumszentren besitzen erneut eine gewisse Freiheit bei der Standortwahl und lösen im Extremfall sogar die alten Clusterzentren ab.

Die evolutionsbasierte Sicht auf Cluster findet derzeit in der Literatur großen Anklang. Verschiedene Clustertypologien greifen den Gedanken der Clusterphasen auf und erweitern ihn um andere Aspekte. Ein Beispiel ist die politische Dimension, die dazu dient, der immer stärker werdenden politischen Einflussnahme auf Clusterinitiativen gerecht zu werden. Kiese (2008, S. 13) unterscheidet in Bezug auf Rosenfeld (1997) und Enright (2003, S.104) zwischen funktionierenden Clustern, latenten Clustern, potenziellen Clustern, politisch motivierten Clustern und Wunschdenken-Clustern, die er wie folgt voneinander abgrenzt:

- Der funktionierende Cluster verfügt über eine „kritische Masse“ an spezialisierten Arbeitskräften, Fähigkeiten und Wissen, die von den Unternehmen im überregionalen Wettbewerb vorteilhaft genutzt wird.
- Ein latenter Cluster weist zwar ebenfalls eine kritische Masse an Unternehmen in verwandten Branchen auf, doch Defizite bei Interaktionen der Akteure behindern den Wissensaustausch, sodass sich positive Clustereffekte nur unvollständig entfalten können.
- In einem potenziellen Cluster sind einige wichtige Elemente funktionierender Cluster vorhanden, andere fehlen jedoch oder sind noch unvollständig entwickelt.
- In politisch motivierten Clustern findet eine politische Förderung oftmals auf Druck verschiedener politischer Interessen statt, obwohl nicht gewährleistet ist, dass eine kritische Masse an Unternehmen erreicht werden kann
- Wunschdenken-Cluster: Ebenso wie im vorherigen Fall spielt politische Einflussnahme eine entscheidende Rolle, aber im Gegensatz dazu fehlt eine spezielle Ressource, auf der eigenständige Entwicklung basieren kann (vgl. Kiese 2008, S.13; Hervorhebungen im Original).

2.2.2 Mehrdimensionaler Clusterbegriff

Der Mehrdimensionale Clusterbegriff basiert darauf „Wirkungszusammenhänge aus materiellen und sozialen Beziehungen zwischen wirtschaftlichen Akteuren in Unternehmen und unterstützenden Organisationen in regionalen Branchenverdichtungen abzuleiten“ (Bathelt u. Dewald 2008, S. 165; Hervorhebung im Original). Nach diesem Verständnis können eine horizontale, eine vertikale, eine institutionelle, eine externe Clusterdimension sowie eine Machtdimension unterscheiden werden (vgl. Abbildung 2.4). Die horizontale Dimension eines Clusters umfasst Unternehmen derselben Wertschöpfungsstufe. Auf dieser Ebene führt räumliche Nähe zu einem verstärkten Wettbewerb und darauf aufbauend zu Innovationen. Diese Dimension kann vor allem in der frühen Phase der Clusterentwicklung eine entscheidende Rolle spielen (vgl. Bathelt et al. 2004, S. 36). Die Ansammlung von Unternehmen derselben Wertschöpfungsstufe führt zu einer hohen Nachfrage nach speziellen Inputs, welche Unternehmen unterschiedlicher Wertschöpfungsstufen dazu veranlassen, sich in räumlicher Nähe anzusiedeln und schließlich zur Ausbildung der vertikalen Clusterdimension führt. Diese Ebene ist eher von Kooperation geprägt und sofern es zu intensiver zwischenbetrieblichen Kommunikation kommt, können hier technologische Spillover und interaktive Lernprozesse stattfinden, welches wiederum einen Wettbewerbsvorteil der Clusterunternehmen darstellt (vgl. Henn 2008, S. 99).

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abbildung 2.4: Cluster als mehrdimensionales lokalisiertes Wertschöpfungssystem (Quelle: Kiese 2008, S. 12).

Die institutionelle Dimension basiert auf der Annahme, dass durch permanente intendierte und unintendierte Informations- und Wissensflüsse zwischen den räumlich konzentrieren Unternehmen ein lokales „Rauschen“ (buzz) ensteht. (vgl. Bathelt u. Dewald 2008, S. 166). Eine „gemeinsame Sprache, übereinstimmende Interpretationsschemata und ähnliche Einstellungen gegenüber Technologien“ (Henn 2008, S. 99) ermöglichen eine sinnvolle Dekodierung dieses Rauschens.

Durch die externe Dimension werden Beziehungen zu regionsexternen Akteuren (translokale Pipelines) explizit mit in das Konzept einbezogen. Diese überregionalen Beziehungen sind für Cluster besonders wichtig, da sie Zugang zu neuem Wissen ermöglichen und damit das Risiko eines zu starken Selbstbezugs des Clusters, der die Innovationsfähigkeit vermindert (Lock-In), verringert (vgl. Bathelt et al. 2004, S. 40 ff.).

Die Machtdimension schließlich fokussiert eine Kohärenz zwischen den Clusterakteuren, die als Folge beständiger Interaktionen und des Umgangs mit bestimmten Technologien entsteht und den Unternehmen zu ähnlichen Erfahrungen und einem ähnlichen Verständnis zur Lösung alltäglicher Probleme verhilft (vgl. Henn 2008, S. 100).

2.3 Netzwerke

Da im empirischen Teil dieser Arbeit eine Netzwerkanalyse eines Clusters durchgeführt wird, ist es notwendig, diese beiden Begriffe voneinander abzugrenzen. Denn in der Praxis werden Cluster des Öfteren mit dem besser kommunizierbaren Konzept des Netzwerks gleichgesetzt (vgl. Kiese 2008a, S 137). In der Literatur finden sich allerdings vermehrt Hinweise darauf, dass beide Begriffe nicht synonym verwendet werden sollten, da das Netzwerk die einem Cluster zugrunde liegende Steuerungsform ist. Genauer betrachtet, handelt es sich bei einem Netzwerk um eine intermediäre Steuerungsform zwischen Markt und Hierarchie (vgl. Butzin 2000, S. 150; Bathelt u. Glückler 2000, S. 169). Es bietet sich als Steuerungsmodell insbesondere dann an, wenn „die Problemlösungsressourcen und –potenziale auf eine Vielzahl von privaten und öffentlichen Akteuren verteilt und auch die Steuerungsressourcen nicht allein privat oder staatlich sind“ (vgl. Butzin 2000, S. 150). Unternehmen, die sich in einem Netzwerk organisieren, geben also einen Teil ihrer am Markt vorhandenen Autonomie auf, um auf Basis von Aushandlungsprozessen ein gemeinsames Ziel zu erreichen, ohne sich dabei in ein hierarchisches Abhängigkeitsverhältnis zu begeben.

Nach Schamp (2005, S.103) wird die Funktionsfähigkeit von Netzwerken durch die „gesellschaftlichen Dimensionen wie Reputation, Reziprozität der Beziehung und letztlich gegenseitiges Vertrauen“ gesichert, was er insgesamt als „Soziales Kapital“ bezeichnet. Neben der Steuerungsfähigkeit benennt Osterhoff (2004, S. 65) zwei weitere zentrale Bedeutungen von Netzwerken. Die erste Bedeutung sieht er in Anlehnung an Heidenreich (2000, S. 96) und Cooke (1998, S.8) in der Chance „zur Weitergabe impliziten, kontextgebundenen, nicht handelbaren Wissens“ (Heidenreich 2000, S. 96 zitiert nach Osterhoff 2004, S. 65). Dieses Wissen ist elementar für die Entwicklung neuer Technologien und Verfahren ist, die wiederum Grundlage für Technologieführerschaft und damit Wettbewerbsfähigkeit sind. Die zweite zentrale Bedeutung sieht er „in der Zusammenführung von Kompetenzen in komplementären Bereichen, weil sich dadurch wesentliche Synergieeffekte entfalten. Diese Kompetenzen müssen von den Akteuren nicht intern vorgehalten werden, sondern können bei Bedarf „importiert“ werden“ (Osterhoff 2004, S. 65), worin er einen Wettbewerbsvorteil gegenüber Konkurrenten, die nicht auf diese Kompetenzen zugreifen können, erkennt. Des Weiteren fasst er die Aussagen verschiedener Autoren über die Art der Beziehungen in einem Netzwerk mit den Begriffen „eher akteursbezogen, dauerhaft, oft vertraglich gesichert, kooperativ, zielorientiert, funktional, direkt und nicht hierarchisch“ zusammen (Osterhoff 2004, S. 65).

Nach Kiese (2008, S. 11) besteht der zentrale Unterschiede zwischen Netzwerken und Clustern darin, dass Cluster räumlich begrenzt sind und Netzwerke nicht. Ihm zufolge sind Netzwerke „wesentliche Bestandteile von Clustern, können jedoch als Folge der fehlenden räumlichen Dimension über die territorialen Grenzen von Clustern hinaus gehen“ (Kiese 2008, S. 12). Umgekehrt können Cluster allerdings durch ihre externe Dimension auch Bestandteile von interregionalen Netzwerken sein, wenn sie zum Beispiel über Verknüpfungen zu Clustern der gleichen Branche verfügen. Zudem sind Netzwerke einseitig auf Kooperation ausgerichtet, wohingegen Cluster Kooperation, Konkurrenz und institutionelle Einbettung gleichermaßen betonen.

2.4 Empirische Clusterforschung

Aufgabe der empirischen Clusterforschung ist es, Methoden zur Identifizierung und Analyse von Clustern bzw. Clusterpotenzialen zu entwickeln. Die Vielfalt unterschiedlicher theoretischer Clusterkonzeptionen spiegelt sich auch in der empirischen Clusterforschung wieder. So baut die Identifikation und Abgrenzung von Clustern nicht auf einer einheitlichen Methodik auf, sondern es existiert ein breites Spektrum an Methoden, die sich im erforderlichen Zeit- und Kostenaufwand unterscheiden und nach ihrer Vorgehensweise grob in Top-down und Bottom-up-Ansätze unterteilen lassen. Top-down-Ansätze versuchen „unter Verwendung von Sekundärdaten räumliche Konzentrationen spezialisierter ökonomischer Aktivitäten über alle Teilräume eines Gesamtraumes, beispielsweise eines Staates, zu identifizieren“, wohingegen Bottom-up-Ansätze „zumeist auf qualitativen Verfahren, typischerweise Tiefeninterviews mit lokalem oder sektorspezifischem Hintergrund, sowie auf ausgewählten Fallstudien in einzelnen Regionen eines Gesamtraumes“ (Thomi u. Sternberg 2008, S. 75; Hervorhebung im Original) basieren.

Nach Krätke und Scheuplein (2001, S. 38 ff.) sind zu den Top-down-Verfahren Maße zur räumlichen Konzentration, Verfahren zur Abschätzung der Entwicklungsdynamik und regionale Input-Output Analysen zu zählen. Zu den Bottom-up-Verfahren zählen die Funktionsanalyse auf Basis von Wertschöpfungsketten, sowie Netzwerkanalysen.

Maße zur räumlichen Konzentration

Die Maßzahlen der räumlichen Konzentration lassen sich in Maße der absoluten Konzentration, Maße der relativen Konzentration (darunter der Standortquotient (SQ), Lokalisationsquotient (LQ) und Koeffizienten der Spezialisierung und der geographischen Assoziation) und das Lorenzkurvenmaß mit dem daraus abgeleiteten Gini-Koeffizienten, unterteilen. In der Praxis werden davon am häufigsten der Standort- und der Lokalisationsquotient eingesetzt.

Der Standortquotient setzt dabei die Betriebs- oder Beschäftigtenkonzentration des Wirtschaftszweigs x im Teilraum y in Bezug zu den Anteilen aller Wirtschaftszweige des Teilraums y innerhalb des Gesamtraums. Somit lässt sich der Standortquotient als eine Kennziffer interpretieren „welche die regionale Konzentration einer Aktivität im Verhältnis zum durchschnittlichen Anteil der Region an allen Aktivitäten im Bezugsraum bestimmt, und dadurch den Einfluss der siedlungsstrukturellen Charakteristik miteinbezieht“ (Krätke u. Scheuplein 2001, S. 40; Hervorhebungen im Original). Der Lokalisationsquotient misst dem gegenüber das Verhältnis regional konzentrierter Cluster-Bausteine zur Gesamtzahl der entsprechenden Cluster-Bausteine im Bezugsraum. Er lässt sich damit als eine Kennziffer interpretieren, „welche die regionale Konzentration einer Aktivität im Verhältnis zum Anteil dieser Aktivität im Bezugsraum bestimmt, d.h. den Grad der Spezialisierung einer Region auf betreffende Aktivitäten misst“ (Krätke u. Scheuplein 2001, S. 41; Hervorhebungen im Original). Für beide Quotienten lassen sich Schwellenwerte festlegen, die die Anzahl der identifizierten Cluster bestimmen. Dabei gilt grundsätzlich: je niedriger dieser Schwellenwert ist, desto mehr potenzielle Cluster findet man (vgl. Kiese 2008, S. 23).

Bei Verwendung von absoluten oder relativen Konzentrationsmaßen ist darauf zu achten, dass diese nur Hinweise auf räumlich-sektorale Konzentrationen liefern (vgl. Martin u. Sunley 2003, S. 23). „Für Rückschlüsse auf Verflechtungen oder gar institutionelle oder soziokulturelle Clustereigenschaften ist eine Kombination mit qualitativen Bottom-up-Verfahren notwendig“ (Kiese 2008, S. 24).

Verfahren zur Abschätzung der Entwicklungsdynamik

Bei der Abschätzung der Entwicklungsdynamik von zuvor identifizierten Clustern ist es weit verbreitet, bei weltweiten Wachstumsbranchen darauf zu schließen, dass diese sich in einem regionalen Cluster automatisch ebenfalls positiv entwickeln werden. Das muss aber nicht zwangsläufig immer der Fall sein. Um qualifizierte Aussagen zu den Entwicklungschancen eines regionalen Clusters zu machen ist eine „Qualitäts-Analyse“ auf Basis der Entwicklung von Unternehmensanzahl, Umsätzen und/oder Beschäftigtenanzahl im Zeitverlauf notwendig (vgl. Krätke u. Scheuplein 2001, S. 47). Auf dieser Datenbasis kann dann eine Shift-Analyse durchgeführt werden, die das vom Gesamtraum abweichende Wachstum in eine in einen Struktureffekt und einen Regionaleffekt aufspaltet. Damit lassen sich dann Aussagen darüber treffen, ob die regionale Entwicklung über oder unter dem gesamtwirtschaftlichen Trend liegt.

Regionale Input-Output-Analysen

Regionale Input-Output-Tabellen erweitern die gesamtwirtschaftlichen Input-Output-Tabellen um das Klassifikationsmerkmal der Region. Im Prinzip wären sie ein ideales Instrument zur Cluster-Identifikation, in der Regel scheitern solche Untersuchungen aber daran, dass diese Daten in der amtlichen Statistik nicht für die subnationale Ebene erhoben werden. Die auf nationaler Ebene verfügbaren Daten lassen sich daher nur durch sehr aufwendige eigene Erhebungen regionalisieren oder mittels derivativer Verfahren schätzen. Solche Schätzungen sind aber vor allem bei der Identifikation von Clustern oftmals problematisch (vgl. Krätke u. Scheuplein 2001, S. 49).

Funktionsanalyse auf Basis einer Wertschöpfungskette

Kiese (2008, S. 25) sieht in der Analyse der Wertschöpfungszusammenhänge und des Lokalisationsgrades dieser Beziehungen das oberste Ziel der Analyse regionaler Produktionscluster. Neben der übersichtlichen Darstellung der einzelnen Verarbeitungsschritte eines Produktes, verdeutlicht die Rekonstruktion einer Wertschöpfungskette stofflich-technologische und wirtschaftliche Zusammenhänge.

Also Vorgehensweise bei der Identifikation von Wertschöpfungsketten empfiehlt es sich, zunächst auf sehr niedrigem Aggregationsniveau, vorzugweise im Bereich der Endhersteller eines Produktes, nach einen „Cluster-Kern“ zu suchen und davon ausgehend anhand von nachgeordneten Kettengliedern ein „Cluster-Umfeld“ zu beschreiben (vgl. Krätke u. Scheuplein 2001, S. 52).

Eine solche, im Vorfeld teilweise unter Mitwirkung von Branchenexperten modellierte Wertschöpfungskette, lässt sich dann später mit den Ergebnissen einer empirischen Untersuchung in einer Region vergleichen, um diese auf besondere Stärken oder Schwächen hin zu untersuchen.

Netzwerkanalyse von Produktionsclustern

Rehfeld (1999) und Krätke und Scheuplein (2001, S. 57 ff.) verdeutlichen, dass einer der größten Fehler im Umgang mit empirischen Clusteruntersuchungen darin besteht, aus einer reinen räumlich-sektoralen Konzentration von Unternehmen auf zwischenbetrieblich Verflechtungen zu schließen. Letztere demonstrieren anhand der in drei in Abbildung 2.5 gezeigten Clustertypen, dass es zwischen Clustern mit recht ähnlichen Konzentrationsmaßen trotzdem erhebliche Unterschiede geben kann. Von den drei gezeigten regionalen Clusterformationen ist nur Region zwei, aufgrund der starken Binnen- und Außenvernetzung, als voll integriert anzusehen. Region drei verfügt nur über schwache Binnen- und Außenvernetzung und ist daher als nicht-integrierter Cluster zu charakterisieren. Region eins repräsentiert eine regionale Clusterformation mit starker regionsinterner Verflechtung aber schwacher externer Vernetzung und ist daher vom Typus ein integrierter Cluster mit schwacher Außenvernetzung. In solchen Clustern droht die Gefahr einer Lock-in-Situation (vgl. Krätke u. Scheuplein 2001, S. 60).

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abbildung 2.5: Typen regionaler Clusterformationen (Quelle: Krätke u. Scheuplein 2001, S. 59).

Wie bereits erwähnt, liefern traditionelle Top-down-Ansätze bestenfalls Vermutungen über potenziell in einer Region vorhandene Cluster, sagen allerdings nichts über die intraregionalen Verflechtungen aus. Um also belastbare Aussagen über die Qualität dieses Beziehungsnetzwerks zu tätigen, ist es unabdingbar, eben diese Beziehungen zum Gegenstand der Untersuchung zu machen. Nach Kiese ist die Netzwerkanalyse „mehr als alle anderen Verfahren geeignet, die Qualität der Verflechtungsbeziehungen zu ermitteln, die in der Theorie als wesentliche Determinante der potenziellen Entwicklungsdynamik eines Clusters herausgestellt wird“ (Kiese 2008, S. 26).

Um die Verflechtungsbeziehungen mit der Netzwerkanalyse auszuwerten, müssen zunächst durch Befragung zwei Arten von Beziehungen erhoben werden. Zum einen das Transaktionsnetzwerk der Cluster-Unternehmen mit den darunter subsumierten Kunden- und Lieferantenbeziehungen, zum anderen das Kommunikationsnetzwerk, das die Kontakte zwischen Unternehmen und Institutionen in Form von Informationsaustausch und Beratung erfasst (vgl. Krätke u. Scheuplein 2001, S. 62).

Auf Basis dieser Daten können verschiedene Kennzahlen wie die Dichte, die Kohäsion und das Ausmaß der Zentralisierung eines Beziehungsnetzwerks bestimmt werden. Darüber hinaus ist es möglich, zusammenhängende Teilgruppen innerhalb eines Clusters zu erkennen und die Positionierung einzelner Akteure auf Basis verschiedener Konzepte zu ermitteln, um daraus Rückschlüsse auf ihren Einfluss im Netzwerk zu ziehen (hierzu ausführlicher Kapitel 3 dieser Arbeit).

Die Netzwerkanalyse ist somit dazu geeignet, einen Cluster in allen seinen Dimensionen zu erfassen. Durch das Transaktionsnetzwerk können Kunden- und Zuliefererbeziehungen und Konkurrenten identifiziert werden, welches die horizontale und vertikale Clusterdimension abdeckt. Die Analyse der Kommunikationsbeziehungen erlaubt Aussagen über den Nutzungsgrad der institutionellen Infrastruktur und verschafft einen Überblick über die Informationskanäle, über die Wissen weitergegeben werden kann (local buzz). Bei beiden Beziehungsarten kann ebenfalls nach überregionalen Beziehungen gefragt werden, womit auch die externe Clusterdimension abgebildet wird. Nicht zuletzt erlauben die Analyse der einzelnen Akteurszentralitäten und die Untersuchung von strukturellen Gruppierungen (Cliquen) Rückschlüsse auf die internen Macht- und Einflussbeziehungen.

Die besondere Stärke der Netzwerkanalyse liegt darin, „eine nachvollziehbare und zwischen verschiedenen Clusterformationen vergleichbare Darstellung und Analyse von Netzwerkeigenschaften zu ermöglichen (d.h. Aussagen zur Netzwerkdichte, -Kohäsion und –Zentralisierung zu qualifizieren)“ (Krätke u. Scheuplein 2001, S. 65; Hervorhebung im Original). Mittels eines solchen Vergleichs können die Stärken und Schwächen verschiedener Cluster herausgestellt werden. Voraussetzung hierfür ist allerdings eine einheitliche methodische Vorgehensweise auf Basis derselben Kriterien für Cluster-Qualitäten. Zur Entwicklung einer einheitlichen Methodik benennen Krätke und Scheuplein (2001, S. 70 f.) sieben zentrale Kriterien, die im Abschnitt 6.3.4 dieser Arbeit näher erläutert werden.

2.5 Clusterpolitik und Clustermanagement

Aller theoretischen Unschärfe und dem Mangel an qualitativen empirischen Ergebnissen zum Trotz, erfreut sich das Cluster Konzept in der Politik wachsender Beliebtheit (vgl. Bathelt u. Dewald 2008; Kiese 2008, 2008a; Martin u. Sunley 2003). Dieser Trend ist nicht allein auf Deutschland beschränkt, sondern lässt sich weltweit beobachten. So konnte der zweite Global Cluster Initiative Survey Anfang 2005 weltweit bereits rund 1.400 Clusterinitiativen identifizieren (vgl. Ketels et. al. 2006, S. 13). Unter einer Clusterinitiative verstehen die Autoren alle organisierten Bemühungen zur Steigerung des Wachstums und der Wettbewerbsfähigkeit eines Clusters innerhalb einer Region die von Unternehmen getragen und von der öffentlichen Hand und/oder Forschungseinrichtungen unterstützt werden (vgl. Kiese 2008, S. 33). Clusterpolitik lässt sich definieren als „alle staatlichen Maßnahmen zur Förderung der Entstehung und der Entwicklung von Clustern“ (Kiese 2008a, S.130). Somit sind Clusterinitiativen der Oberbegriff sämtlicher institutionalisierter Clusterförderung innerhalb dessen Clusterpolitik die Förderung von staatlicher Seite bezeichnet.

Nach Formmhold-Eisebith und Eisebith (2005) ist explizite Clusterpolitik, die von der öffentlichen Hand top-down konzipiert wird, von impliziter Clusterpolitik, die von den Unternehmen ohne politische Anreize initiiert wird, zu unterscheiden.

Rehfeld (2005, S. 1) sieht die Gründe für den Erfolg des Konzepts in Deutschland in einem Perspektivwechsel in der Raumordnungs- und Strukturpolitik, weg von Ausgleichs- und Umverteilungsmaßnahmen, hin zu einer Wachstumsorientierung. Gerade in Zeiten leerer Kassen, erscheint eine Konzentration der Mittel auf wenige Wachstumscluster, in der Hoffnung dort eine eigendynamische Entwicklung zu erreichen, als besonders reizvoll.

Auch auf europäischer Ebene ist ein ähnlicher Perspektivwechsel festzustellen, so unterstützt das Ziel 2 „Wettbewerbsfähigkeit und Beschäftigung“ des Europäischen Fonds für Regionale Entwicklung (EFRE) in der aktuellen Förderperiode die Entwicklung von Clustern als regionale Wachstumskerne und das Ziel 3 „Europäische territoriale Zusammenarbeit“ unterstützt die Bildung von Clustern über Ländergrenzen hinweg (vgl. Rehfeld 2005, S. 3).

Neben der der Neuorientierung der Strukturfonds betreibt die Europäische Union das „European Cluster Observatory“, dessen Ziel es ist, Politiker, Praktiker und Wissenschaftler über europäische Cluster und Clusterpolitiken zu informieren. Dafür stellt das „Cluster Observatory“ Daten in vier Kategorien zur Verfügung. Das „Cluster Mapping“ identifiziert Cluster verschiedener Branchen auf Basis der NUTS 2 Regionen und stellt Karten und statistische Daten zur Verfügung. Die zweite Kategorie „Cluster Organisations“ listet derzeit 400 der 900 europaweit identifizierten regionalen Clusterinitiativen auf. Unter „Cluster Policies“ werden Berichte über nationale und regionale Clusterpolitiken und Programme veröffentlicht und die „Cluster Library“ sammelt Clusterstudien und andere Dokumente die sich mit diesem Thema beschäftigen (vgl. Europäische Union o. J.).

Auf Bundesebene ist das wichtigste Instrument der Clusterpolitik der mit 600 Millionen Euro dotierte Spitzencluster-Wettbewerb des Bundesministeriums für Bildung und Forschung (BMBF). Insgesamt sind drei themenoffene Wettbewerbsrunden in einem zeitlichen Abstand von etwa ein bis anderthalb Jahren geplant. In jeder Wettbewerbsrunde wählt eine Jury bis zu fünf Spitzencluster aus, die über einen Zeitraum von maximal fünf Jahren mit insgesamt bis zu 200 Millionen Euro gefördert werden können (vgl. BMBF 2007, S.3). Ziel des Wettbewerbs ist es, exzellente Cluster zu identifizieren und strategisch weiterzuentwickeln, damit sie international eine führende Position einnehmen. Die regionalen Cluster sollen ihre Ideen schneller in Produkte, Prozesse und Dienstleistungen umsetzen, um so dauerhaft die Wertschöpfung zu verbessern. Des Weiteren soll die Förderung der Cluster Wachstum und Arbeitsplätze sichern bzw. schaffen und den Standort Deutschland attraktiver machen. Darüber hinaus fördert der Bund mit wettbewerblichen verfahren wie beispielsweise BioRegio, InnoRegio, ProInno oder EXIST sowie der Initiative kompetenznetze.de die Herausbildung und Entwicklung von Clusterelementen und Netzwerkstrukturen (vgl. Kiese 2008, S. 37)

Auch die Länder verfolgen mittlerweile mehrheitlich eine eigene Clusterpolitik. In Bayern werden seit 2006 im Rahmen der „Cluster-Offensive“ 19 von der Landesregierung bestimmte Cluster durch ein landesweites Clustermanagement, bestehend aus Clustersprecher, Clustergeschäftsführer und Geschäftsstelle, über einen Zeitraum von fünf Jahren mit 50 Millionen Euro degressiv gefördert (vgl. STMWIVT 2008).

Die Landesregierung Nordrhein-Westfalen hat 2007 ebenfalls 16 profilbildende Cluster definiert. Ein großer Teil der auf NRW entfallenden Ziel 2-Mittel wird in Wettbewerbsverfahren an diese Cluster vergeben. Darüber hinaus wird für jeden Cluster ein Clustermanager mit Geschäftsstelle eingesetzt, der alle bereits bestehenden Netzwerk- und Clusterinitiativen im Land koordinieren soll. Neben dieser Top-down implementierten Clusterförderung fördert der themenoffene Regio-Cluster-Wettbewerb kleinräumige Bottom-up-Strategien aus den Regionen des Landes. Insgesamt sind für die Clusterförderung in NRW EFRE-Mittel in Höhe von 635 Millionen Euro vorgesehen, die vom Land, den Kommunen und Privaten in gleicher Höhe kofinanziert werden (vgl. Kiese 2008, S. 40).

Rehfeld (2005, S. 6 f.) geht davon aus, dass für Unterstützung von Clusterentwicklung durch Clusterpolitik ein professionelles Clustermanagement unbedingt notwendig ist. Als wesentliche Aspekte für ein erfolgreiches Clustermanagement nennt er:

- Eine realistische Einschätzung der Position innerhalb der jeweiligen Wertschöpfungskette und der kommenden Veränderungen innerhalb der Wertschöpfungskette, und davon ausgehend: realistische Zielsetzungen;
- Ein kontinuierliches Monitoring, wie etwa vor allem in englischen Regionen praktiziert, das gerade angesichts der nie ganz auszuschließenden Unsicherheit über effektive Veränderungen Auskunft geben kann;
- Eine wachsende Beteiligung der Unternehmen an der Finanzierung des Clustermanagements, was international vor allem in Österreich erfolgreich praktiziert wird;
- Eine Offenheit nach außen: Cluster nur aus der Binnenperspektive zu entwickeln liefe Gefahr, die zukünftigen Herausforderungen zu verschlafen (Lock-in-Effekte). Vor allem auf interne Verflechtungen oder gar Abschottung zu setzen wäre eine kaum noch zeitgemäße regionale Neuauflage merkantilistischer Strukturpolitik.

Osterhoff (2004, S. 75 ff.) zeigt, dass sich der Ansatz des Regionalmanagements aufgrund seiner inhaltlichen Nähe zur Übertragung auf das Management von Clustern eignet. In Anlehnung an Fürst sieht er die Aufgaben eines Clustermanagers in der „…Koordination von Handlungsträgern, Stimulation von neuen Handlungsrichtungen und Regieführung, um verschiedene Handlungen zielorientiert zu Ergebnissen zu führen“ (Fürst 1998, S. 237; zitiert nach Osterhoff 2004, S. 80).

Auch wenn der ursprüngliche Ansatz einer effizienteren Vergabe von Fördermitteln durchaus begrüßenswert ist, so birgt die derzeitige rasante Verbreitung von Clusterpolitik ein gewisses Risiko. Mit der fortschreitenden Ausweisung neuer Cluster können Effekte entstehen, die der ursprünglichen Idee einer Konzentration von Fördermitteln entgegenwirken. Solche Effekte können dann auftreten, wenn „jede Region meint, möglichst viele Cluster für sich reklamieren zu müssen, weil sie sich davon Fördermittel erhofft und/oder weil sie Angst hat, in einem potenziellen Wachstumsfeld nicht präsent zu sein“ (Rehfeld 2005, S. 6). In diesem Fall droht die Folge, dass die strukturpolitischen Mittel derart breit gestreut werden, dass nirgends mehr die Dichte oder kritische Masse für eine eigendynamische Clusterentwicklung erreicht werden kann. Ein solches Verhalten führt zu der Frage wie man förderwürdige Cluster von politischen Wunschclustern unterscheiden kann? Bisher wurde bei der Auswahl förderwürdiger Cluster häufig auf wettbewerbliche Verfahren gesetzt. Letztendlich haben solche Verfahren, die auf der Entscheidung einer Jury beruhen, allerdings zwei gravierende Probleme: Zum Einen haben sie ein Legitimitätsproblem, wenn nicht vollkommen transparent ist nach welchen Kriterien die Jurymitglieder ausgewählt wurden und aufgrund welcher Kriterien sie ihre Auswahl treffen. Zum Anderen ist eine objektive Auswahl ohne vergleichbare empirische Daten über die Qualitäten der einzelnen Cluster eigentlich nicht möglich.

Erst die Untersuchung der clusterinternen Struktur mit Bottom-up Verfahren wie beispielsweise der Netzwerkanalyse erlauben eine Auswahl förderwürdiger Cluster auf Basis harter, clusterübergreifend vergleichbarer Maßzahlen und können Stärken und Schwächen in der Netzwerkstruktur offenbaren, wodurch wesentlich gezieltere Maßnahmen zur Clusterentwicklung möglich werden.

Für das Clustermanagement ist davon auszugehen, dass mit einer zunehmenden Förderung von Clustern auch bald die Forderung nach einer Evaluation der Effektivität und Effizienz dieser Maßnahmen einher geht. Auch in diesem Fall bietet sich die Netzwerkanalyse, als Methode für die Evaluation und das fortlaufende Monitoring der Netzwerkbeziehungen in einem Cluster, für das Clustermanagement an.

3 Grundzüge der Netzwerkanalyse

Die Netzwerkanalyse ist eine interdisziplinäre Forschungsmethode, zu deren Entwicklung und Verbreitung unter anderem Soziologen, Ethnologen, Politikwissenschaftler, Physiker und Mathematiker beigetragen haben. Gegenstand der Netzwerkanalyse ist eine Menge von Akteuren und die dazwischen verlaufenden Verbindungen (Relationen).

Obwohl sich die Geschichte der Netzwerkanalyse bis in die 1920er Jahre zurückverfolgen lässt,[2] findet die Methode erst seit den 1970er Jahren zunehmende Verbreitung durch massive Fortschritte im Bereich der Datenverarbeitung und die Entwicklung von Algorithmen, die es erlauben, Netzwerke graphisch darzustellen und komplexe Berechnungen vorzunehmen (vgl. Vyborny u. Maier 2007, S. 3). Der eigentliche Durchbruch dieser Disziplin gelang allerdings erst Mitte der 1990er Jahre.

In den letzen Jahren lässt sich ein immer stärker werdendes öffentliches und wissenschaftliches Interesse an sozialen Netzwerken feststellen, das Knoke und Yang (2008, S. 1) exemplarisch an der steigenden Zahl sozialwissenschaftlicher Literatur, die sich mit sozialen Netzwerken beschäftigt, festmachen.

Gründe dafür sehen sie unter anderem in popkulturellen Phänomenen wie der rasanten Verbreitung von sozialen Websites wie Facebook oder MySpace unter Studenten, flankiert von den Ratschlägen der Wirtschaftspresse, Netzwerkmöglichkeiten für den persönlichen Profit und die Karriere auszunutzen.

Die moderne Netzwerkanalyse bietet ein breites Spektrum an Methoden und Instrumenten, die unter anderem die Visualisierung von Netzwerken, die Identifikation zentraler Akteure aufgrund unterschiedlicher Kriterien sowie die Analyse zusammenhängender Teilgruppen ermöglichen.

Dieses Kapitel dient dazu, wichtige Grundbegriffe der Netzwerkanalyse zu erläutern, die für das Verständnis der empirischen Ergebnisse benötigt werden.

3.1 Relationen

Nach Jansen (2006, S. 13) lässt sich der Begriff des Netzwerkes rein formal definieren als „ein abgegrenzter Set von Knoten und ein Set der für diese Knoten definierten Kanten.“ Anstelle dieser, der Graphentheorie entnommenen Begriffe, werden auch häufig die Begriffe Akteure statt Knoten und Relationen oder Beziehungen statt Kanten verwendet. Relationen lassen sich hinsichtlich ihrer Form, ihres Inhaltes und ihrer Intensität differenzieren.

Bei der Form von Relationen geht es um die Gerichtetheit der Beziehung. Ungerichtete Beziehungen sind binär, was bedeutet, sie können nur zwei Ausprägungen haben: Entweder sind sie vorhanden oder nicht. Gerichtete Beziehungen können die vier in Abbildung 3.1 gezeigten Ausprägungen haben.

Betrachtet man ein Akteurspaar ni und nj, so kann keine Beziehung zwischen beiden bestehen, ni kann eine einseitige Relation zu nj haben, nj kann eine einseitige Relation zu ni haben, und es kann eine zweiseitige Relation zwischen beiden bestehen.

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abbildung 3.1: Die drei Strukturtypen der Dyade (Quelle: Jansen 2006, S. 60).

Letztendlich ergeben sich für eine Zweierbeziehung (Dyade) nur drei verschiedene Strukturtypen: die symmetrische Dyade, die asymmetrische Dyade und die Null Dyade. Die theoretisch mögliche reflexive Beziehung eines Akteurs zu sich selbst spielt in der netzwerkanalytischen Praxis kaum eine Rolle und ist auch bei vielen Analyseverfahren nicht zugelassen. Ein Beispiel für eine ungerichtete Beziehung ist, „sich anlässlich eines Ereignisses zu treffen“, wohingegen „helfen“ einer gerichteten Beziehung entspricht (vgl. Jansen 2006, S. 59).

Der Inhalt einer Relation kann sehr unterschiedlich sein und definiert häufig das Forschungsinteresse. Einen Überblick über mögliche Relationsinhalte liefert Tabelle 3.1.

Tabelle 3.1: Klassifikation von Relationsinhalten (Quelle: Eigene Darstellung nach Jansen 2006, S. 59).

- Transaktionen, bei denen begrenzte Ressourcen transferiert werden, z. B. Kauf, Geschenk;
- Kommunikationen, bei denen nichtmaterielle Einheiten wie Informationen, Normen usw. weitergegeben werden;
- Grenzüberschreitende Relationen, z. B. Mitgliedschaft einer Person in den Aufsichtsräten von zwei oder mehr Unternehmen. Über diese Person wird eine Verbindung zwischen Unternehmen hergestellt;
- Instrumentelle Beziehungen;
- Gefühlsbeziehungen, Bewertungen von anderen hinsichtlich Freundschaft, Respekt, usw.;
- Machtbeziehungen, formale Über- und Unterordnung;
- Verwandtschaftsbeziehungen.

Die Intensität bestimmt die Stärke eines Relationsinhalts. Beispiele für Relationsintensitäten sind, wie viel Geld bei einem Geschäft transferiert wird oder wie häufig man sich mit seinen Freunden trifft. Oft wird die Relationsintensität nur binär erhoben; Eine Beziehung ist entweder vorhanden oder nicht. Im Idealfall sollten die erhobenen Netzwerkdaten metrisch skaliert sein, jedoch ist diese Art der Datenerhebung meist sehr aufwendig und nicht immer möglich. In solchen Fällen empfiehlt es sich, auf eine ordinalskalierte Messung zurückzugreifen, um qualifizierte Aussagen über die Relationsintensitäten zu bekommen. Letztendlich ist es immer möglich, höher skalierte Werte durch die Definition von Schwellenwerten nachträglich zu dichotomisieren (vgl. Holzer 2006, S. 37).

3.2 Gesamtnetzwerke und persönliche Netzwerke

In der Netzwerkanalyse unterscheidet man zwei Grundtypen von Netzwerken: Gesamtnetzwerke und persönliche Netzwerke. In beiden Fällen legt man sich zuerst auf die Menge der Akteure und die Arten von Beziehungen, die es zu untersuchen gilt, fest.

“Bei der Untersuchung von Gesamtnetzwerken ermittelt man zu jedem Akteur, ob Beziehungen zu jedem anderen Akteur der untersuchten Menge bestehen oder nicht. Bei den persönlichen Netzwerken hingegen stellt man für jeden Akteur der Menge fest, mit welchen Akteuren Beziehungen der vorgegebenen Art bestehen“ (Schnegg u. Lang 2002, S. 7).

Es ist also durchaus möglich, bei der Analyse persönlicher Netzwerke auf Akteure zu stoßen, die nicht in der vorher abgegrenzten Menge enthalten sind. Bei der Analyse von Gesamtnetzwerken würden diese nicht berücksichtigt. Beide Netzwerkarten unterscheiden sich weiterhin nach den Methoden der Netzwerkabgrenzung und der Datenerhebung.

3.3 Abgrenzung und Datenerhebung in Gesamtnetzwerken

Für die Untersuchung eines Gesamtnetzwerkes ist die Abgrenzung von höchster Bedeutung und gleichzeitig auch das zentrale Problem (vgl. Jansen 2006, S.71). Es ist wichtig, bei der Abgrenzung nicht „zu große Brocken“ wie beispielsweise eine ganze Stadt, sondern „sinnvolle und praktikable kleinere Einheiten zu finden“ (Schnegg u. Lang 2002, S. 13), wie eine Schulklasse oder einen Wohnblock. Handelt es sich nicht um ein bereits vorher formal abgegrenztes Netzwerk, ist besondere Sorgfalt bei der Wahl der Kriterien für die Abgrenzung nötig. Im Zweifel sollte ein Netzwerk eher etwas großzügiger als zu klein abgegrenzt werden, damit wichtige Akteure nicht außen vor bleiben, denn „auf der Basis eines unzureichend abgegrenzten Netzwerkes besteht dagegen die Gefahr, ein falsches Bild der Netzwerkstruktur zu entwerfen“ (Jansen 2006, S. 72).

Bei der Abgrenzung der Netzwerkakteure lassen sich verschiedene Methoden unterscheiden. Bei der nominalistischen Methode entscheidet der Forscher, wer zu einem Netzwerk gehört und wer nicht. Eine Abgrenzung anhand von geographischen Kriterien würde zum Beispiel zum nominalistischen Ansatz zählen.

Bei der realistischen Methode entscheiden die Akteure durch ihre Selbstwahrnehmung oder ihr Verhalten, ob sie zum Netzwerk gehören.

Entscheiden die institutionelle Position und die damit verbundenen Anhörungs-, Mitsprache- oder Entscheidungskompetenzen eines Akteurs über seine Zugehörigkeit zu einem Netzwerk, spricht man von der Positionsmethode.

Über Einladungslisten, Lobbylisten oder die Teilnahme an gewissen Ereignissen oder Entscheidungen wird bei der Entscheidungsmethode die Zugehörigkeit eines Akteurs zu einem Netzwerk definiert.

Da es für den Forscher nicht immer leicht ist, die richtigen Entscheidungskriterien zu finden, werden oft auch Experten aus dem Untersuchungsumfeld um ihre Meinung und Vorschläge zur Netzwerkabgrenzung gebeten (Reputationsmethode). Nachträglich ist es häufig möglich, die Netzwerkabgrenzung mit Hilfe der Netzwerkdaten selbst zu validieren (relationale Methode) (vgl. Jansen 2006, S. 73).

Wichtige Methoden für die Datenerhebung in Gesamtnetzwerken sind Beobachtung, Befragung und Auswertung von Sekundärquellen (z. B. Statistiken über die Handelsbeziehungen von Staaten). Am häufigsten angewandt wird die Befragung in Form von Fragebogen oder Interview.

Der Forscher muss sich also im Vorfeld überlegen, welche Relationsform, welche Relationsintensität und welcher Relationsinhalt erhoben werden soll. Er benötigt eine vollständige Akteursliste auf Basis der definierten Abgrenzungskriterien. Der Befragte kann nun gebeten werden, ohne Vorgabe einer Liste diejenigen Akteure frei zu nennen, zu denen er die jeweilige Beziehung unterhält. Diese Liste wird dann mit der vollständigen Liste des Forschers verglichen. „Auf die Nicht-Beziehung zu den nicht genannten Akteuren wird dann einfach geschlossen“ (Jansen 2006, S. 77).

Alternativ kann dem Befragten die vollständige Liste aller identifizierten Netzwerkakteure vorgelegt werden, in die er dann eintragen kann, ob und in welcher Intensität er eine Beziehung zu den anderen Netzwerkmitgliedern unterhält. Die Abfrage der vollständigen Liste benötigt zwar deutlich mehr Platz im Fragebogen, hat aber den Vorteil, dass gleichzeitig geprüft werden kann, ob die Netzwerkabgrenzung des Forschers mit der des Befragten übereinstimmt. In beiden Fällen ist allerdings darauf zu achten, die Geduld und Erinnerungsfähigkeit der Befragten nicht durch überlange Listenabfragen zu stark zu strapazieren.

3.4 Abgrenzung und Datenerhebung in persönlichen Netzwerken

Der wichtigste Unterschied beim Vergleich von Gesamtnetzwerken und persönlichen Netzwerken besteht nach Schnegg und Lang (2002, S. 12) darin,

„[…] dass es bei der Untersuchung von persönlichen Netzwerken nicht um Aussagen über die Verbundenheit geht, und die erhobenen Daten darüber meist auch keine Informationen enthalten. Die Auswertung konzentriert sich vielmehr darauf, das unmittelbare Umfeld eines Akteurs und dessen Einbettung zu beschreiben.“

Daraus ergibt sich ein wesentlicher Nachteil der persönlichen Netzwerkanalyse: Erkenntnisse über Positionen und Rollenverflechtungen wie in Gesamtnetzwerken sind nicht möglich (vgl. Jansen 2006, S. 73).

Die wichtigste Methode der Datenerhebung in persönlichen Netzwerken ist der so genannte „Namensgenerator“. Hierbei werden dem zu untersuchenden Akteur (Ego) Fragen zu unterschiedlichen sozialen Beziehungen zu anderen Akteuren (Alteri) gestellt. Beispiele für Fragen, die gestellt werden könnten, sehen nach Schnegg und Lang (2002, S. 19) wie folgt aus:

1. Nehmen wir an, Sie bräuchten Zucker oder etwas in dieser Art und die Läden sind geschlossen oder Sie bräuchten ein Werkzeug. Wen würden Sie fragen, um diese Dinge auszuleihen?
2. Nehmen wir an, Sie bräuchten Hilfe bei Arbeiten im oder am Haus, z. B. eine Leiter halten oder Möbel verschieben. Wen würden Sie um diese Art von Hilfe bitten?
3. Nehmen wir an, Sie hätten Probleme damit, ein Formular auszufüllen, z. B. die Steuererklärung. Wen würden Sie bei dieser Art von Problemen um Hilfe bitten?
4. Die meisten Menschen besprechen von Zeit zu Zeit wichtige Dinge mit anderen. Im Rückblick auf die letzten sechs Monate, wer sind die Leute, mit denen Sie wichtige Dinge besprochen haben?

[...]


[1] Aus Gründen der besseren Lesbarkeit wird auf die explizite Nennung beider Geschlechter verzichtet, wobei die Verwendung der männlichen Form beide Geschlechter einschließt.

[2] Ausführlichere Erläuterungen zur Entstehungsgeschichte der Netzwerkanalyse finden sich zum Beispiel bei Jansen (2006, Kapitel 2) oder Holzer (2006, Kapitel II.1).

Details

Seiten
Erscheinungsform
Originalausgabe
Jahr
2008
ISBN (eBook)
9783836634533
DOI
10.3239/9783836634533
Dateigröße
5.4 MB
Sprache
Deutsch
Institution / Hochschule
Universität Münster – Geowissenschaften, Geographie
Erscheinungsdatum
2009 (August)
Note
1,3
Schlagworte
porter bochum zentralität wirtschaftsstruktur clusterpolitik
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