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Zur Thematisierung der Frauen aus der Perspektive der feministischen Linguistik anhand von ausgewählten polnischen und deutschen juristischen Dokumenten

©2009 Magisterarbeit 141 Seiten

Zusammenfassung

Inhaltsangabe:Einleitung:
In der 70er Jahren des 20. Jahrhunderts entsteht ein neuer Forschungsbereich innerhalb der Sprachwissenschaft, in dem feministisch motiviert der Zusammenhang zwischen Sprache und Geschlecht neu erarbeitet wird: die feministische Sprachwissenschaft beziehungsweise feministische Linguistik.
Auf einen Artikel über feministische Linguistik bin ich zufällig gestoßen. Schon damals habe ich gedacht, dass es ein interessanter Themenbereich für eine Magisterarbeit sein kann. Es ist aber auch von großer Bedeutung nicht nur für Sprachwissenschaftler sondern auch für einfache Sprachbenutzer, die vermutlich von feministischen Linguistinnen und ihren Thesen keine Ahnung haben. Diese Bedeutsamkeit besteht darin, dass es einen sehr wichtigen Bereich des menschlichen Lebens betrifft, nämlich die Sprache – ein Element der interpersonalen Kommunikation. Für mich ist die Sprache ein autonomes Wesen, die sich zwanglos entwickelt und flexibel an die vorhandene Situation anpassen kann. Die Gruppe der feministischen Linguistinnen repräsentiert dagegen eine andere Stellungnahme – sie wollen die Sprache ‘regieren’. In diesem Hinblick kann das Beispiel der feministischen Sprachkritik dafür gelten, inwieweit die Sprache von einer kleinen Gruppe der Linguistinnen bewusst gesteuert werden kann und inwieweit es begründet ist, dass die ‘Therapievorschläge’ Anerkennung in der Gesellschaft, darin auch unter Männern finden können.
In der vorliegenden Arbeit wird viel Platz der Thesen der deutschen und polnischen feministischen Linguistinnen gewidmet. In Deutschland sind die linguistischen Untersuchungen in diesem Bereich schon fortgeschritten, in Polen dagegen gibt es erst Ansätze. Es entstehen aber immer neue Arbeiten, die sich mit diesem Problem auseinander setzen.
Die Arbeit besteht aus 5 Kapiteln: die ersten vier bilden den theoretischen Teil, im fünften Kapitel wird die Analyse der Personenbezeichnungen in ausgewählten rechtlichen Texten durchgeführt.
Im ersten Kapitel wird die Entstehung und Entwicklung der feministischen Linguistik in Deutschland besprochen. Es werden also die Geschichte der Frauenbewegung seit der 70er Jahren bis in die Gegenwart und die Untersuchungsgebiete: sprachliche Ungleichbehandlung und Sprachverhalten von Frauen und Männern dargestellt. Außerdem werden hier die Ansätze der feministischen Sprachkritik in Polen berücksichtigt, die im gewissen Grade in der Nachahmung der deutschen Linguistinnen bestehen.
Die Darstellung […]

Leseprobe

Inhaltsverzeichnis


Zofia Bochenek
Zur Thematisierung der Frauen aus der Perspektive der feministischen Linguistik
anhand von ausgewählten polnischen und deutschen juristischen Dokumenten
ISBN: 978-3-8366-3433-5
Herstellung: Diplomica® Verlag GmbH, Hamburg, 2009
Zugl. Universität Rzeszów, Rzeszów, Polen, Magisterarbeit, 2009
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© Diplomica Verlag GmbH
http://www.diplomica.de, Hamburg 2009

2
An dieser Stelle möchte ich mich bei
Prof. Dr. habil. Zofia Bilut-Homplewicz
für die Betreuung der vorliegenden Arbeit
und immer sehr aufbauende Anregungen
zur Gestaltung der einzelnen Kapitel
herzlich bedanken.

3
Inhaltsverzeichnis
Einleitung ... 5
1. Thesen der feministischen Linguistik im Überblick ... 8
1.1. Entstehung und Entwicklung der feministischen Linguistik in
Deutschland ... 8
1.2. Ansätze der feministischen Sprachkritik in Polen ... 15
2. Darstellung der Bereiche sprachlicher Diskriminierung von Frauen ... 18
2.1. Darstellung der Bereiche sprachlicher Diskriminierung von Frauen
im Deutschen ... 18
2.1.1. Das generische Maskulinum ... 18
2.1.2. Personenbezeichnungen ... 21
2.1.3. Anredeformen, Namen und Titel ... 22
2.1.4. Personenbezogene Pronomen ... 23
2.1.5. Das Bild der Frauen in Metaphern und Redewendungen ... 25
2.2. Darstellung der Bereiche sprachlicher Diskriminierung von Frauen
im Polnischen ... 26
2.2.1. Darstellung der Frauen in Abhängigkeit von Männern ... 26
2.2.2. Bildung der femininen Personenbezeichnungen mithilfe von
Motionssuffixen ... 28
2.2.3. Lexikalische Lücken ... 30
2.2.4. Das Genussystem ... 32
2.2.5. Das generische Maskulinum ... 33
2.2.6. Flexion ... 35
2.2.7. Lexik und Phraseologie... 36
2.2.8. Das Bild von Frauen in Sprichwörtern ... 38
2.3. Sprachliche Diskriminierung in kontrastiver Sicht Deutsch-Polnisch ... 40
2.4. Exkurs: Therapievorschläge ... 44
2.4.1. Die Beidbenennung (Splitting , ,,partielle Feminisierung") ... 44
2.4.2. Die Neutralisation ... 47
2.4.3. Das generische Femininum ... 48

4
2.4.4. Totale Feminisierung ... 50
2.4.5. Frauengerechte Phraseologie ... 53
2.4.6. Postulierte Veränderungen im Polnischen ... 53
3. Möglichkeiten des deutschen und polnischen Sprachsystems im Bereich
der Frauenbezeichnung ... 57
4. Kritisches zur feministischen Linguistik ... 61
4.1. Linguistische Standpunkte ... 61
4.2. Auswertung ... 69
5. Feministische Sprachkritik und die Rechtssprache: Analyse der
Personenbezeichnungen
in
staatlich
anerkannten
Listen
von
(Ausbildungs)berufen und in ausgewählten deutschen und polnischen
Arbeitsverträgen ... 73
5.1. Bemerkungen zum Korpus ... 73
5.2. Berufsbezeichnungen in der Liste von staatlich anerkannten
Ausbildungsberufen ... 77
5.3. Berufsbezeichnungen in der Klassifikation von Berufen und
Fachgebieten ... 78
5.3. Personenbezeichnungen in ausgewählten deutschen und polnischen
Arbeitsverträgen ... 82
Zusammenfassung ... 86
Bibliographie ... 90
Anhang 1 ... 95
Anhang 2 ... 103
Anhang 3 ... 111

5
Einleitung
In der 70er Jahren des 20. Jahrhunderts entsteht ein neuer
Forschungsbereich innerhalb der Sprachwissenschaft, in dem feministisch
motiviert der Zusammenhang zwischen Sprache und Geschlecht neu erarbeitet
wird: die feministische Sprachwissenschaft beziehungsweise feministische
Linguistik.
Auf einen Artikel über feministische Linguistik bin ich zufällig gestoßen.
Schon damals habe ich gedacht, dass es ein interessanter Themenbereich für eine
Magisterarbeit sein kann. Es ist aber auch von großer Bedeutung nicht nur für
Sprachwissenschaftler sondern auch für einfache Sprachbenutzer, die vermutlich
von feministischen Linguistinnen und ihren Thesen keine Ahnung haben. Diese
Bedeutsamkeit besteht darin, dass es einen sehr wichtigen Bereich des
menschlichen Lebens betrifft, nämlich die Sprache ­ ein Element der
interpersonalen Kommunikation. Für mich ist die Sprache ein autonomes Wesen,
die sich zwanglos entwickelt und flexibel an die vorhandene Situation anpassen
kann. Die Gruppe der feministischen Linguistinnen repräsentiert dagegen eine
andere Stellungnahme ­ sie wollen die Sprache ,,regieren". In diesem Hinblick
kann das Beispiel der feministischen Sprachkritik dafür gelten, inwieweit die
Sprache von einer kleinen Gruppe der Linguistinnen bewusst gesteuert werden
kann und inwieweit es begründet ist, dass die ,,Therapievorschläge"
Anerkennung in der Gesellschaft, darin auch unter Männern finden können.
In der vorliegenden Arbeit wird viel Platz der Thesen der deutschen und
polnischen feministischen Linguistinnen gewidmet. In Deutschland sind die
linguistischen Untersuchungen in diesem Bereich schon fortgeschritten, in Polen
dagegen gibt es erst Ansätze. Es entstehen aber immer neue Arbeiten, die sich
mit diesem Problem auseinander setzen.
Die Arbeit besteht aus 5 Kapiteln: die ersten vier bilden den theoretischen
Teil, im fünften Kapitel wird die Analyse der Personenbezeichnungen in
ausgewählten rechtlichen Texten durchgeführt.
Im ersten Kapitel wird die Entstehung und Entwicklung der feministischen
Linguistik in Deutschland besprochen. Es werden also die Geschichte der

6
Frauenbewegung seit der 70er Jahren bis in die Gegenwart und die
Untersuchungsgebiete: sprachliche Ungleichbehandlung und Sprachverhalten
von Frauen und Männern dargestellt. Außerdem werden hier die Ansätze der
feministischen Sprachkritik in Polen berücksichtigt, die im gewissen Grade in der
Nachahmung der deutschen Linguistinnen bestehen.
Die Darstellung der Bereiche sprachlicher Diskriminierung von Frauen im
Deutschen und Polnischen bildet das Kapitel 2. Diese Bereiche werden nach
Thesen der feministischen Linguistinnen besprochen und sie betreffen
Grammatik, Wortbildung und Lexik. Es werden solche Fragen aus der
Perspektive der feministischen Linguistik behandelt: Welche Bezeichnungen gibt
es für Frauen? Werden Frauen auch genannt, wenn von ihnen die Rede ist oder
wenn man über sie spricht? Haben Frauen dieselben Chancen wie Männer,
,,gemeint" zu sein? Gibt es dafür Indizien im System einer Sprache, dass Frauen
gemeint oder nicht gemeint sind? Zusammenfassend werden die Bereiche aus
kontrastiver Sicht Deutsch-Polnisch analysiert, und zwar mit dem Ziel,
Unterschiede und Ähnlichkeiten zu markieren. Zu diesem Kapitel gehört auch
ein
umfangreicher
Exkurs
über
,,Therapievorschläge"
der
deutschen
feministischen Linguistinnen und über postulierte Veränderungen im Polnischen.
Gegenstand des Kapitels 3 ist die Darstellung der Möglichkeiten des
deutschen und polnischen Sprachsystems im Bereich der Frauenbezeichnungen.
Es wird hier auf Wortbildungsmittel der beiden Sprachen eingegangen, die zur
Ableitung von femininen Personenbezeichnungen dienen.
Im Kapitel 4 werden Stimmen von deutschen und polnischen Linguisten
zu Thesen der feministischen Linguistik präsentiert. Es werden hier vor allem
Argumente von Gegnern der feministischen Linguistinnen und auch die Art und
Weise, auf die sie an dieses Problem herangehen, dargestellt. Den zweiten Teil
dieses Kapitels bilden meine Überlegungen zur feministischen Sprachkritik. An
dieser Stelle markiere ich meine Position zu Thesen und ,,Therapievorschlägen"
der feministischen Linguistinnen.
Das Ziel des analytischen Kapitels ist es, die Thematisierung der Frauen in
ausgewählten juristischen Dokumenten zu untersuchen. Es wird gefragt, welche

7
Bezeichnungen für Frauen benutzt werden, und wie auf Frauen Bezug
genommen wird. Der Analyse werden juristische Dokumente unterzogen, weil
feministische
Linguistinnen
gegenüber
der
Verwendung
der
Personenbezeichnungen in der Rechtssprache besondere Bedenken äußern. Der
Gegenstand der Analyse bilden deutsche und polnische Listen der staatlich
anerkannten (Ausbildungs)berufe und ausgewählte Arbeitsverträge, also
Dokumente, in denen ziemlich viele Personenbezeichnungen zum Einsatz
gelangen.

8
1.
Thesen der feministischen Linguistik im Überblick
1.1.
Entstehung und Entwicklung der feministischen Linguistik in
Deutschland
Die
einschlägige
Literatur
macht
darauf
aufmerksam,
dass
Jahrhundertlang alle Gesellschaften Männergesellschaften waren. Männer übten
Einfluss auf die Politik, den Handel, die Wissenschaft, die Kunst und somit auch
auf die Entwicklung der Sprache aus. In vielen Gesellschaften durften Frauen am
öffentlichen Leben nicht teilnehmen und waren dadurch auch in der Sprache
nicht präsent. Unter diesen Gesichtspunkten verwundert es nicht, dass die sich
entwickelnde Sprache, vor allem der Inhalt, eine stark auf Männer bezogene
Sprache ist. Seit Ende des 19. Jahrhunderts begann sich die Situation der Frauen
allmählich zu ändern. Es entstand damals die Frauenbewegung Feminismus, die,
von den Bedürfnissen der Frau ausgehend, eine grundlegende Veränderung der
gesellschaftlichen Normen (vor allem der traditionellen Rollenverteilung) und
der patriarchalischen Kultur anstrebte.
Die Anfänge der feministischen Linguistik liegen in den USA der
siebziger Jahre. Dort begannen Forschungen zum Thema Sprache und
Geschlecht. In der BRD hielt im Wintersemester 1974/75 Ingrid Guentherodt
erstmals ein Hauptseminar zu Rollenverhalten der Frau und der Sprache. Die
ersten sprachwissenschaftlichen Aufsätze zu diesem Thema sind in den Jahren
1979 und 1980 in den Zeitschriften Osnabrücker Beiträge zur Sprachtheorie
(OBST) und Linguistische Berichte (LB) erschienen. Vorreiterinnen in der BRD
waren die Feministinnen Senta Trömel-Plötz und Luise F. Putsch, beide
Professorinnen für Sprachwissenschaft an der Universität Konstanz. Letztere war
es auch, die Ende der siebziger Jahre den Begriff Feministische Linguistik prägte.
Für Senta Trömel-Plötz (1982: 33) war die Geburtstunde der feministischen
Sprachwissenschaft der Moment, ,,als bestimmte Feministinnen einen Blick auf
ihr eigenes Fachgebiet warfen oder eher als bestimmte Linguistinnen

9
feministische Ideen auf ihre eigene Wissenschaft anwendeten. Zwei Interessen
stießen zusammen".
Samel (2000:15ff.) stellt fest, dass die entscheidende Triebkraft für die
Beschäftigung mit weiblicher Sprache die neue Frauenbewegung war. Diese
entstand aus der 68er Studentenbewegung, denn dort wurde nicht nur über Politik
sondern auch über das Verhältnis der Geschlechter zueinander diskutiert und
analysiert. Die Frauen wollten es nicht länger hinnehmen, dass sie zwar
Flugblätter tippen, während der Diskussionsrunden Kaffee kochen und die
Kinder betreuen, beim politischen Diskurs und bei Visionen zu einer
Umgestaltung der Gesellschaft aber weitestgehend ausgeschlossen werden. In
dieser Zeit gründeten sich politische Frauengruppen und es entstanden viele
Frauenzentren. Die Frauen stellten fest, dass die sprachlichen Ausdrucksmittel
von männlichem Denken und Empfinden geprägt waren. Um das zu ändern und
der Weiblichkeit auch in der Sprache Ausdruck zu verleihen, wurde eine
Veränderung in der Sprache und im Sprechen angestrebt.
Den Mittelpunkt der Untersuchungen innerhalb feministischer Linguistik
bildet die Aufdeckung und Bewertung der sprachlichen Benachteiligung von
Frauen. Die Linguistinnen machen darauf aufmerksam, dass die Sprache von
Wertvorstellungen, Klischees und Vorurteilen geprägt ist, die die Ungleichheit
von Frauen und Männer und die Dominanz von Männern über Frauen deutlich
machen. Dazu gehört auch, dass die Frauen nicht ausdrücklich mitgenannt,
sondern in den meisten Fällen lediglich mitgemeint oder sogar ignoriert werden.
Die Wissenschaftlerinnen fordern, dass in der Sprache die Existenz beider
Geschlechter gleich gezeigt wird. Diese Forderung wird damit begründet, dass
eine Sichtbarmachung der weiblichen Form auch die Frauen sichtbar mache
(Frczek 2000, 581f.).
Mit diesen Problemen, also mit der Diskriminierung von Frauen in der
Sprache, vor allem mit dem so genannten sexistischen/androzentrischen
Sprachgebrauch befasst sich ein Forschungsbereich der feministischen
Linguistik. Hier sind neben semantischen und strukturellen vor allem patriarchale
Merkmale im Sprachgebrauch Gegenstand der Untersuchung. Es wird also

10
untersucht wie über Frauen und Männer gesprochen beziehungsweise sprachlich
auf sie Bezug genommen wird (Stötzel/Wengeler 1995: 519). Den feministischen
Linguistinnen geht es aber nicht nur um das Beschreiben von Sprache, sondern
um Sprachkritik. Dadurch wollen sie zur Veränderung oder Beseitigung des
sexistischen Sprachgebrauchs beitragen.
Guentherodt, Hellinger, Pusch und Trömel-Plötz (1980:16ff.) definieren den
sexistischen Sprachgebrauch folgendermaßen:
-
,,Sprache, die Frauen ignoriert und ausschließt, weil der Mann als Standart
und Norm für den Menschen schlechthin gilt. Frauen sind dann nur
mitgemeint oder ihre Gegenwart, ihre Beiträge, ihre Leistung wird nicht
beachtet, vernachlässigt und vergessen";
-
,,Sprache, die Frauen immer in Abhängigkeit vom Mann darstellt, d.h. Frauen
über ihre Männer definiert und Frauen als zweitrangig und unterordnet
beschreibt";
-
,,Sprache, die Frauen nur in traditionellen Rollen zeigt mit den so genannten
weiblichen Eigenschaften und Verhaltensweisen, d.h. Frauen werden
zunächst als Hausfrauen, Ehefrauen und Mütter etikettiert";
-
,,Abwertende Sprache, durch die Frauen herablassend behandelt oder
degradiert werden. Hier handelt es sich um Äußerungen, in denen Frauen in
jedem Kontext, nicht nur im Schönheitswettbewerb, nach ihrem Aussehen
beurteilt werden, in denen ihnen mangelnde Intelligenz, mangelnde Reife,
mangelnde Kraft, mangelndes Durchhaltevermögen zugeschrieben wird,
dabei ein Übermaß an List und Tücke, Emotionalität, Unbeherrschtheit und
Geschwätzigkeit".
Die feministische Sprachwissenschaft gibt auch die Definition von
patriarchalischen Sprachen an. Patriarchalische Sprachen sind allgemein dadurch
gekennzeichnet, dass sie eine Ungleichbehandlung von Frauen und Männern
produzieren. Hellinger (1985: 3f.) hat allgemeine Regularien festgestellt, denen
patriarchalische Sprachen folgen (dies kann man auch als eine Definition
patriarchalischen Sprachen verstehen):

11
-
Frauen haben nicht dieselben Chancen des Gemeintseins wie Männer, denn
es wird auf Frauen und Männer unterschiedlich Bezug genommen. Die
Verwendung von generischen Maskulina machen Frauen und ihre Leistungen
in den betreffenden Sprachen unsichtbar;
-
Maskuline und feminine Ausdrücke sind semantisch asymmetrisch. Das
Femininum hat einen niedrigsten Rang als das Maskulinum;
-
Die Bezeichnung einer Frau mit einem Maskulinum wird als Aufwertung
interpretiert. Die Bezeichnung eines Mannes mit einem Femininum oder
schon der Vergleich mit dem weiblichen Geschlecht wird als Degradierung
empfunden.
Nach Meinung der feministischen Linguistinnen gehört auch das Deutsche
zu solchen Sprachen. Das System der deutschen Personenbezeichnungen ist von
sexistischen Sprachmustern voll geprägt. Es bestehen keine symmetrischen
Beziehungen zwischen den Bezeichnungen für Frauen und denen für Männer.
Das maskuline Genus überwiegt das feminine, das allgemein die niedrigere
Kategorie zu sein scheint. Sprachliche Gerechtigkeit und Gleichstellung der
Geschlechter sind dem deutschen Sprachsystem fremd (Blaszkowska 1995: 11f.).
Feministische Linguistinnen nennen Bereiche der sprachlichen Diskriminierung
von Frauen, beweisen Richtigkeit ihrer Thesen auf verschiedenen Beispielen und
schlagen manchmal kontroverse ,,Therapien" vor. Genauer darüber handelt das
zweite Kapitel dieser Arbeit.
Ein anderer Forschungsbereich der feministischen Linguistik beschäftigt
sich mit dem geschlechtsspezifischen Gesprächsverhalten von Frauen und
Männern
1
. Es wird also untersucht wie Frauen und Männer sprechen. Hier
tauchen zwei Begriffe auf: Frauensprache und Männersprache. Wissenschaftler
beweisen, dass die Sprechweise der Männer sich von deren der Frauen
unterscheidet
2
.
Samel (2000: 31ff.) charakterisiert das Sprachverhalten von Frauen und
Männern. Die Sprache der Frauen ist eine sehr persönliche Sprache, die die
1
Dieser Aspekt wird in dieser Arbeit nicht näher untersucht, aber als ein Forschungsbereich der
feministischen Linguistik ist er sehr wichtig, deswegen wurde an dieser Stelle erwähnt.
2
www.frauensprache.com

12
Bindung, die menschliche Nähe und die Akzeptanz des Gesprächspartners bzw.
der Gesprächspartnerin sucht. Frauen lassen im Verlauf des Gesprächs oft
persönliche Erlebnisse oder Erfahrungen einfließen, um so die Fremdheit und die
Distanz zum Gesprächspartner bzw. zur Gesprächspartnerin zu überwinden.
Männern geht es dagegen im Gespräch primär um Informationen. Sie lassen
kaum Emotionen einfließen und kommunizieren meist auf der Sachebene.
Männer erachten es nicht als wichtig, und auch nicht als notwendig, eine
emotionale Basis mit ihren Gesprächspartnern bzw. Gesprächspartnerinnen
aufzubauen. Von ihnen wird schon von Kindheit an erwartet, dass ihre Sprache
direkt, kurz und knapp ist, und mit starken Ausdrücken artikuliert wird. Die
Sprache der Männer ist sehr statusorientiert. Sie versuchen sich sehr oft in
Gesprächen zu profilieren und ihre Machtposition zu festigen bzw. auszubauen.
Männer denken vorwiegend in Gewinner-Verlierer-Kategorien, also ist es eine
logische Folge, dass in denselben Kategorien auch gesprochen wird.
In derselben Arbeit werden Hypothesen zum weiblichen Sprachverhalten
dargestellt. Untersuchungen zu diesem Thema wurden schon in zwanziger Jahren
des 20. Jahrhunderts durchgeführt. Ergebnisse dieser Untersuchungen haben zur
Entwicklung der Hypothesen zur Frauensprache beigetragen:
1.
Defizithypothese ­ Der Gedanke, dass es eine spezifisch weibliche Sprache
geben könnte, geht nicht auf die Frauenbewegung zurück, sondern wurde nur
von ihr aufgegriffen. Seine Ursprünge liegen in den Reiseberichten aus den
letzten Jahrhunderten und in der anthropologisch-ethnologischen Forschung.
Zwei Vertreter der älteren Beschreibung von Frauensprache waren Mauthner
und Jespersen. Während Mauthner sich mit dem Gesprächsverhalten von
Frauen auseinandersetzt (1921), beschäftigte sich Jespersen mit Wortschatz
und Syntax (1922). Mauthner sieht die Unterschiede im Sprechen zwischen
Mann und Frau in sozialen Belangen wie Bildung und Stand begründet. Für
ihn sind Frauen nicht in der Lage Männersprache zu erlernen. Jespersen geht
in seinen Hypothesen davon aus, dass Frauen z.B. unvollständige Sätze
bilden, weil sie auch ihre Gedanken unvollständig ausführen. Männer
sprechen danach häufiger in einem Satzgefüge von Haupt- und Nebensatz

13
(Unterordnung),
Frauen
jedoch
in
Satzverbindungen
(Beiordnung/
Nebenordnung von Sätzen).Weiterhin stellt er fest, das Frauen redegewandter
als Männer sind, weil ihr Wortschatz geringer ist. Sowohl Mauther als auch
Jespersen gehen davon aus, dass Frauensprache keine eigenständige Sprache
ist, sondern eine minderwertige Abwandlung der Männersprache. Damit sind
beide eindeutige Vertreter der Defizithypothese.
2.
Differenzhypothese ­ Die Differenzhypothese geht von der Andersartigkeit
der weiblichen Sprache aus, ohne dieses ,,anders sein" negativ zu bewerten.
Außerdem wird festgestellt, dass die Frauensprache angemessen sei und als
Variante der Männersprache nicht weiterentwickelt werden muss. Frauen
sollten im Gegensatz dazu ihre eigene Sprache entwickeln. Es wird strikt
abgelehnt einen Vorteil darin zu sehen Männersprache zu imitieren. Als
Ursache der verschiedenen Sprachen wird der kulturelle Unterschied
zwischen der Männerwelt und der Frauenwelt gesehen.
3.
Code-switching-Hypothese ­ Hier wird weder von einem Mangel noch von
der einfachen Andersartigkeit der weiblichen Sprechweise ausgegangen. Laut
dieser Hypothese wechseln Frauen je nach Situation von einer in die andere
Sprache, das heißt von der Frauensprache in die Männersprache oder
umgekehrt, immer entsprechend den sozialen Erwartungen, die an ihr
Sprechverhalten gestellt werden. Die beiden Sprachen werden völlig
wertungsfrei beurteilt. Frauensprache wird nur dann negativ bewertet, wenn
sie nicht situationsangemessen verwendet wurde.
Senta Trömel-Plötz (1982a: 89) führt in ihrer Arbeit Ergebnisse anderer
amerikanischen Untersuchungen an, die die Unterdrückung von Frauen in
Gesprächen beweisen. Es werden gemischtgeschlechtliche Gruppen und Paare
untersucht. Ergebnisse lauten folgend:
-
Männer ergreifen oft das Wort und reden länger als Frauen;
-
Männer unterbrechen Frauen, Frauen unterbrechen Männer kaum;
-
Frauen müssen um ihr Rederecht kämpfen, und sie müssen kämpfen, um es zu
behalten;

14
-
Männer
bestimmen
die
Gesprächsthemen
und
kontrollieren
den
Gesprächsablauf, Frauen leisten die Gesprächsarbeit.
Die Linguistin fügt noch hinzu, dass diese amerikanischen Ergebnisse für
die deutsche Gesprächssituationen überprüft werden und bis jetzt keine dieser
Hypothesen widerlegt wurde. Das beweist, dass Männer auch die Gespräche
dominieren.
Seit dem Herausgeben der ersten Arbeiten über sprachliche
Diskriminierung der Frauen sind schon 25 Jahre verlaufen. In dieser Zeit wurde
die feministische Linguistik zu einem der Gebiete der Sprachwissenschaft.
Feministische Linguistinnen haben mit ihrer Kritik eine Entwicklung in Gang
gesetzt, die in den letzten Jahren zu vielen sprachlichen Innovationen zugunsten
der Frauen geführt hat: eine Entwicklung, die noch nicht abgeschlossen und auf
jeden Fall mehr als nur Modeerscheinung ist. Die feministische Linguistik
entwickelt sich ständig, bei manchen findet sie Beiklang, bei anderen erregt
Anstoß. Sie gewinnt sowohl Befürworter, besonders unter Frauen, als auch
Gegner, besonders unter Männern. Manche Thesen und ,,Therapievorschlägen"
der feministischen Linguistinnen sind kontrovers und radikal, deswegen ziehen
sie sich die Ungunst verschiedenen Gruppen zu. Sie fordern einen Sprachwandel,
der zum geschlechtsgeregelten Sprachgebrauch führen würde. .
Samel (2000: 88) führt die Aussage von Schräpel folgendermaßen an:
,,Sprachwandel liegt nach Schräpel dann vor, wenn nicht die Sprache selbst
verändert werden soll, sondern die Sprache an außersprachliche Realitäten
angeglichen werden soll. Sie wird meist staatlich vorgenommen. Sprachpolitik ist
,die bewusste und gezielte Einflussnahme einer bestimmten Gruppe auf
Teilbereiche der Sprache'. Sie muss nicht von staatlichen Stellen ausgehen. Ihr
Ziel ist es, den sprachlichen Status quo zu verändern und einen Sprachwandel
auslösen. Die Gründe liegen jedoch in der Organisation gesellschaftlichen
Zusammenlebens".
Sprachveränderungen allein mögen zwar noch keine gesellschaftlichen
Veränderungen bewirken. Aber sie haben dazu beigetragen, die Privilegiertheit
der Männer und den sich daraus ergebenden Sexismus im Sprachgebrauch

15
aufzudecken. Eine relativ breite Sensibilisierung für diese Problematik haben die
feministischen Linguistinnen in jedem Fall bereits erreicht.
1.2.
Ansätze der feministischen Sprachkritik in Polen
Die feministische Linguistik hat sich zum Ziel gesetzt, die
,,Patriarchalismen" in den Systemen verschiedener Sprachen aufzuspüren. Es
betrifft die Sprachen, die Genussystem aufweisen. Zu solchen Sprachen gehört
auch Polnisch. Im Polnischen wird aber das Problem der sprachlichen
Diskriminierung von Frauen nicht so viel diskutiert wie im Deutschen.
Karwatowska und Szpyra-Kozlowska (2005: 250ff.) teilen die polnischen
Linguisten in fünf Gruppen im Bezug auf deren Einstellung zum Problem der
Ungleichbehandlung von Frauen und Männern in der Sprache. Sie unterstreichen
auch, dass diese Gruppen unterschiedliche Termini zur Bezeichnung desselben
Problems benutzen. Die meistens benutzten Begriffe sind asymetria,
niesymetryczno oder asymetryczno. Solche Begriffe wie jzykowa
nierówno, nierównouprawnienie, nierównorzdno, androcentryzm und
seksizm benutzen vor allem Linguisten, die die sprachliche Ungleichbehandlung
als eine Frauen benachteiligende Erscheinung betrachten. In Arbeiten von
Vertretern der feministischen Linguistik werden sehr oft solche Kraftausdrücke
wie maskulinizacja, podporzdkowanie, dyskryminacja, usamczenie jzyka,
jzykowa nieegzystencja i waporyzacja kobiet oder seksistowska tendencyjno.
Diese Begriffe sind auch in den Spalten der Zeitschrift Zadra zu treffen, wo eine
Gruppe von feministischen Linguistinnen für die sprachliche Gleichbehandlung
von Frauen plädiert.
3
Die erste Gruppe von Linguisten berücksichtigt das Problem der
sprachlichen Ungleichbehandlung von Frauen überhaupt nicht. Karwatowska und
Szpyra-Kozlowska (2005: 251) bezeichnen es als Übersehen des Problems
(niedostrzeganie problemu), vor allem in Werken, die die Gesamtheit von
Erscheinungen in der polnischen Sprache besprechen und die Form von
Wörterbuch oder Enzyklopädie haben. In Enzyklopädien Encyklopedia jzyka
3
http://www.efka.org.pl/?action=gl&ID=5

16
polskiego (1999) und Encyklopedia jzykoznawstwa ogólnego (1999) gibt es
Stichwörter wie z.B. Ungleichbehandlung von Frauen und Männern in der
Sprache, sprachlicher Sexismus/Androzentrismus oder feministische Linguistik
nicht. Auch in Slownik Ojczyzny Polszczyzny (2002) von Miodek findet man
unter 25 000 Stichwörter diese Termini nicht.
Die zweite Gruppe (ebd.) führt eine objektive Analyse der Sprache durch.
Die meisten Linguisten sehen von Urteilen ab, sie konzentrieren sich auf die
Besprechung einer Erscheinung. Diese Auffassung wird als informierend-
berichtend bezeichnet (podejcie informujco-relacjonujce). Zu Vertretern
dieser Auffassung gehören vor allem Autoren der traditionellen Werke zur
deskriptiven Grammatik der polnischen Sprache, wie z.B. Bk ­ der Autor von
Gramatyka jzyka polskiego.
Die nächste Gruppe von Linguisten (ebd.) analysiert nicht nur die
Asymmetrie, sondern bewertet auch kritisch diesen Aspekt des Polnischen,
indem sie die Analyse mit Kommentaren versieht. Diese Auffassung nennt man
berichtend-kritisch (podejcie relacjonujco-krytyczne). Der Vorläufer dieser
Auffassung ist nach Duda (1998: 664) Jan Baudouin de Courtenay:
,,... na dlugo przed tym, jak na Zachodzie podjto zagadnienia ywo dzi
dyskutowane nie tylko w krgach feministycznych, mówil i pisal
o wpisanym w jzyk seksizmie"
Baudouin (vgl. Duda 1998: 664f.) drückte seine Meinung zur sprachlichen
Asymmetrie aus, indem er psychologische Aspekte der polnischen Sprache
charakterisiert. Er stellt fest, dass schon das sprachliche Denken von Polen durch
die Ungleichbehandlung der Geschlechter gekennzeichnet ist. Es spiegelt sich in
der ganzen Struktur der polnischen Sprache wider. Die von Baudouin benutzten
Bezeichnungen sind seksualizacja, uplciowienie, maskulinizacja, usamczenie,
wirylizacja und umczynienie.
Zur nächsten Gruppe rechnen Karwatowska und Szpyra-Kozlowska
(2005: 257ff.) Autoren, die zwei entgegensetzte Einstellungen vertreten.
Einerseits sind es Linguisten, die den sprachlichen Sexismus akzeptieren und die
Regeln der polnischen Sprache verteidigen, andererseits ­ Linguisten, die den

17
sprachlichen Sexismus ablehnen und der Ansicht neigen, die polnische Sprache
in diesem Hinblick zu verändern.
Die radikalste Auffassung vertreten die polnischen feministischen
Linguisten: Herbert, Nykiel-Herbert, Jaworski, Blaszkowska und Koniuszaniec.
Drei umfangreichste Werke zu diesem Thema sind Genus versus Sexus.
Professional Titles, Working Titles and Surnames for Women in Contemporary
Standard Polish (1973) von Nalibowa, A Linguistic Picture of Women's Position
in Society (1986) von Jaworski und Motivation zur Motion. Zur Bezeichnung von
Frauen durch Feminina und Maskulina im Polnischen (1993) von Miemetz. Es
ist kein Zufall, dass diese Bücher nicht nur von polnischen sondern auch von
fremdländischen Linguisten geschrieben werden, die im Ausland arbeiten und
leben. In westlichen Ländern Europas widmet man viel Aufmerksamkeit dem
Problem des Sexismus', sowohl unter kultur-gesellschaftlichem als auch
sprachlichem Aspekt. Es entstehen immer neue Ideen und Vorschläge zur
Vermeidung oder Milderung dieser Erscheinung. In Polen scheinen die meisten,
außer einer kleinen Gruppe von Linguisten, das Problem zu übersehen
(Karwatowska/Szpyra-Kozlowska 2005: 260).
Es ist paradox, dass die Erscheinung des sprachlichen Sexismus' im
Polnischen im Ausland analysiert und in englischen, deutschen und
französischen Arbeiten besprochen wird, statt im Lande, dessen Sprache das
Problem betrifft, untersucht zu werden.

18
2.
Darstellung der Bereiche sprachlicher Diskriminierung
von Frauen
Wird das Vorkommen von Frauen in der Sprache untersucht, zeigen sich
systemlinguistische Aspekte wie auch solche, die den Sprachgebrauch betreffen.
Die feministischen Linguistinnen fragen, inwiefern in den Bereichen Grammatik
oder Lexikon die Benachteiligung der Frau nachgewiesen werden kann. Dabei
sind Fragen wie die folgenden relevant: Welche Bezeichnungen gibt es für
Frauen? Werden Frauen auch genannt, wenn von ihnen die Rede ist oder wenn
man über sie spricht? Haben Frauen dieselben Chancen wie Männer, ,,gemeint"
zu sein. Gibt es Indizien im System einer Sprache dafür, dass Frauen gemeint
oder nicht gemeint sind?
2.1. Darstellung der Bereiche sprachlicher Diskriminierung von
Frauen im Deutschen
2.1.1. Das generische Maskulinum
Die Sprachwissenschaftlerinnen, die sich mit dem Problem der
sprachlichen Diskriminierung von Frauen im Deutschen beschäftigen,
konzentrieren sich vor allem auf den Begriff des generischen Maskulinums ­
ausgehend von der Voraussetzung, dass das Genus (also das grammatische
Geschlecht) mit dem Sexus (dem natürlichen Geschlecht) gleichzusetzen sei.
(Frczek 2000: 582)
Das grammatische Genus des Substantivs hat im Deutschen drei Formen:
Maskulinum, Femininum und Neutrum. Die Begleiter und Platzhalter bzw.
Stellvertreter des Substantivs, die Artikel und die Pronomen, bekommen je nach
Genus des Substantivs die entsprechenden Formen, diese sind also maskulin,
feminin oder neutral. Die außergrammatische Kategorie Sexus, das natürliche
oder biologische Geschlecht einer Person, hat dem gegenüber die Ausformung
männlich oder weiblich. Männlich und weiblich sind semantische Eigenschaften.
(Duden 1998: 198)

19
Das grammatische Geschlecht der meisten Substantive im Deutschen hat
mit den Sexuseigenschaften männlich oder weiblich nichts zu tun, zumal, wenn
die Substantive keine Lebewesen bezeichnen, wie beispielsweise der Teppich,
die
Lampe
oder
das
Glück.
Geschlechtseindeutig
sind
dagegen
Personenbezeichnungen (genauer Verwandschaftsbezeichnungen) wie Mutter,
Vater, Sohn, Tochter. In diesem Falle bildet das grammatische Genus das
biologische Geschlecht (den Sexus) ab. In der Textgrammatik von Weinrich
(1993: 330) wird das Genus dieser Substantive dann als ,,biologisch motiviert"
bezeichnet. Die elementar-biologischen Geschlechtsrollen der Mann/die Frau,
die Tante/der Onkel werden mit unterschiedlichen Lexemen für weibliche und
männliche Personen bezeichnet. Solche Lexeme sind geschlechtsspezifisiert.
Die meisten Personenbezeichnungen, die Handelnde bezeichnen (nomina
agentis) oder eine funktionstragende Person, sind in ihrer Grundform Maskulina,
z.B. Wähler, Lehrer, Arzt.
4
Durch Anhängen eines Femininsuffix ­ in der Regel
­in ­ werden die femininen Entsprechungen gebildet: Wählerin, Lehrerin, Ärztin.
Diese movierten, also aus den Maskulina abgeleiteten, Feminina sind
sexuseindeutig. Sie haben immer das semantische Merkmal ,,weiblich" und
beziehen sich ausschließlich nur auf weibliche Personen. Die maskuline Form hat
dagegen zwei Funktionen:
-
Sie soll Personen bezeichnen, deren Geschlecht unbekannt ist, oder beide
Geschlechter geschlechtsindifferent bezeichnen;
-
Sie dient auch zur geschlechtsspezifischen Bezeichnung von männlichen
Wesen. (Stötzel/Wengeler 1995: 522)
Dieser Sprachgebrauch wird in der Duden Grammatik (1984: Randziffer
332) folgendermaßen beschrieben
5
:
,,Besonders bei Berufsbezeichnungen und Substantiven, die den Träger
eines Geschlechtes bezeichnen (Nomina agentis), verwendet man die
maskuline Form vielfach auch dann, wenn das natürliche Geschlecht
4
Es gibt nur drei Ausnahmen von dieser Regel: die Witwe ­ der Witwer, die Hexe ­ der Hexer, die Braut
­ der Bräutigam. (Jurasz 1994: 206)
5
Die 6., neu bearbeitete Auflage der Duden Grammatik der deutschen Gegenwartsprache beschreibt
diesen Sprachgebrauch anders und berücksichtigt die Veränderungen, die unter dem Einfluss der
feministischen Linguistik eingetreten sind (vgl. 1998: Randziffer 345).

20
unwichtig ist oder männliche und weibliche Personen gleichermaßen
gemeint sind. Man empfindet hier Maskulinum als neutralisierend
beziehungsweise verallgemeinernd (,generisch'):
[...] Das Institut hat 270 Mitarbeiter (= männliche und weibliche). [...]
Bundestagspräsident Frau N.N.; Frau Professor; Maria will Autoschlosser
werden.
Wenn man jedoch den Bezug auf das weibliche Geschlecht deutlich zum
Ausdruck bringen will, wählt man entweder die feminine Form (z.B. auf -
in) oder eine entsprechende Umschreibung."
Stötzel und Wengeler (1995: 523) stellen fest, dass das generische
Maskulinum nur auf einem ausgeprägt patriarchalem Hintergrund entstehen
konnte. Das macht der Umstand deutlich, dass es ein generisches Femininum
nicht gibt. Frauen werden stets unter das Maskulinum eingeordnet, deswegen 99
Studentinnen und 1 Student sind gemeinsam 100 Studenten.
Aus
dieser
Tatsache,
dass
allein
die
maskulinen
Formen
geschlechtsübergreifend verwendbar sind, folgt der sexistische Charakter dieser
Formen und mithin der frauenfeindliche Charakter der deutschen Sprache
überhaupt ­ so behauptet Luise F. Pusch (1984: 26) und stellt in ihrem Buch Das
Deutsche als Männersprache folgende These auf:
,,Das deutsche Sprachsystem z.B. mit seinen im Bereich der Berufs- und
sonstigen
Personenbezeichnungen
ausschließlich
maskulinen
,,Archilexemen" enthält [...] aufgrund seiner semantischen Struktur für
Männer
mehr
Chancen
des
Gemeintseins
und
damit
des
Identifiziertwerdens als für Frauen."
Die andere feministische Linguistin Trömel-Plötz (1982: 40) lehnt den
Gebrauch der generischen Maskulina ab, indem sie erklärt, dass Frauen zwar ­
per Konvention ­ mitgemeint sein mögen, sie werden aber auf diese Weise
ausgeschlossen oder zumindest unsichtbar gemacht. Ihrer Meinung nach ,,redet
man generell über Männer und Frauen, man benutzt die Form, die für den
generischen geschlechtsneutralen Gebrauch zur Verfügung steht, und meint dabei

21
nur Männer". In diesem Zusammenhang benutzt Schmerl (1989: 40) den Begriff
,,Annihilierung", d.h. Kleinermachen, Unsichtbarmachen oder Annullierung.
2.1.2. Personenbezeichnungen
Eine Untergruppe der Personenbezeichnungen, in der ­ nach Meinung der
feministischen Linguistinnen ­ die Diskriminierung der Frauen besonders
sichtbar ist, bilden die Berufsbezeichnungen als Ausdruck der sozialen
Geschlechtsrolle.
In der deutschen Sprache gibt es drei sprachliche Mittel zur Definierung
berufstätiger Frauen. In den Berufszweigen, wo Männer dominieren, werden
Frauen am häufigsten mit maskulinen Bezeichnungen benannt, wie z.B.
Elektrotechniker, Bauingenieur. Für Pionierinnen auf einem männlich
dominierten Gebiet steht vor der maskulinen Berufsbezeichnung das Adjektiv
weiblich: weiblicher Soldat, weiblicher Pilot. Sie gelten als semantische
Äquivalente der femininen Bezeichnungen, die in bestimmten Berufen sprachlich
noch unüblich sind. Rein weibliche Bezeichnungen sind in allen Berufszweigen
im Gebrauch, in denen sich Frauen durchgesetzt haben: Lehrerin, Ärztin.
(Blaszkowska 1995: 13)
Blaszkowska (ebd.) stellt fest, dass in allen drei Fällen Frauen sprachlich
degradiert werden. Werden Frauen mit Maskulina bezeichnet, werden ihre
Gegenwart, ihre Beiträge, ihre Leistungen nicht beachtet, vernachlässigt und
vergessen. In den zusammengesetzten Formen wird ihre Präsenz in der Sprache
von dem maskulinen Teil des Ausdrucks beschränkt, der nach weiteren
Maskulina verlangt. Strittig mag auch die Anwendung der movierten, mithilfe
vom Suffix -in von Maskulina abgeleiteten Formen erscheinen, weil sie eine
diskriminierende Struktur aufweisen. Die movierten Formen sind sekundär, weil
man schon vorhandene maskuline Bezeichnungen braucht, um sie zu bilden. Die
Umkehrung dieses Schemas wird vermieden, obwohl viele maskuline Formen
von der femininen abgeleitet werden könnten, wie z.B. Kindergärtnerin ­
*Kindergärtner, Krankenschwester ­ *Krankenbruder, Putzfrau ­ *Putzmann.

22
Stattdessen entstehen immer neue Bezeichnungen für Männer, die in
Frauenberufen tätig sind wie: Erzieher, Krankenpfleger, Bodenpfleger.
Samel (2000: 57) erwähnt dabei, dass Frauen sich selbst mit einem
Maskulinum
bezeichnen
oder
von
anderen
mit
einer
maskulinen
Berufsbezeichnung benannt werden. Bis heute hat sich bei Prestigeberufen die
feminine Form noch nicht durchgesetzt, vor allem die obersten Ränge der
sozialen Hierarchie ignorieren bislang die sprachsystematische Regel der -in-
Bezeichnungen, wie z.B. Frau Rektor, Frau Dekan, Frau Professor, Frau
Minister, Frau Präsident usw.
2.1.3. Anredeformen, Namen und Titel
Im Gebrauch von Anredeformen, Namen und Titeln unterscheidet
Guentherodt (1980: 15) zwei Arten frauenfeindlichen Sprachgebrauchs. Die erste
ist Sprache, die Frauen ignoriert und ausschließt, weil der Mann als Standard und
Norm für den Menschen schlechthin gilt. Frauen werden nicht genannt sondern
nur mitgemeint: Liebe Kollegen, Verehrte Kunden.
Pusch (1984: 27) bemerkt auch, dass Frauen bei derartigen
Formulierungen Frauen geringere Chancen des Gemeintseins als Männer haben.
Unter Lieben Kollegen können erstens alle Personen von der angesprochenen
Gruppe verstanden werden, zweitens alle männlichen Personen in der Gruppe.
Für Männer bedeutet das also zwei Chancen des Gemeintseins, für Frauen
dagegen nur eine.
In der zweiten Art diskriminierender Sprache werden Frauen in
Abhängigkeit von Männern dargestellt: die Frau von Doktor Jost, die Witwe von
Herrn Steine. Blaszkowska (1995: 12) stellt fest, dass die Umkehrung dieses
Musters jedoch nicht möglich ist. Die deutsche Sprache kennt solche Wendungen
wie Ärztinnenmänner oder Witwer von ... nicht.
Das Deutsche wird auch als die Sprache dargestellt, die Frauen über ihre
Männer definiert und Frauen als zweitrangig und untergeordnet beschreibt. Nach
Guentherodt (1980: 15) zeigt es sich in der asymmetrischen Benutzung von
Namen und Titeln und in der festgefahrenen Anordnung, in der Männer immer

23
zuerst genannt werden: An Herrn Dr. Ernst mit Gattin, Herrn Jürgen Rauer mit
Freundin Katja, Bundeskanzler Kohl und Frau Thatcher. Frauen werden als
Rangniedrigere behandelt und immer an der zweiten Stelle platziert. Dabei
werden ihre Namen und Titel häufig weggelassen. Nur Männer werden ganz
genau mit Namen und Titeln benannt.
Den Höhepunkt der Asymmetrie bilden in der Anrede die Formen Herr ­
Frau / Fräulein. Für Männer gibt es eine, für Frauen sogar zwei Anredeformen.
Die Abschaffung der Anrede Fräulein wurde schon 1972 per Rundschreiben des
Bundesministeriums für den öffentlichen Sprachgebrauch empfohlen. Bis heute
ist Fräulein immer noch im öffentlichen Sprachgebrauch der Schweiz
vorhanden. Der Duden verzeichnet die Bewertung ,,veraltend". Der Gebrauch der
Anredeformen Frau /Fräulein spiegelt nach Hellinger, Kremer und Schräpel
(1989: 1) die gesellschaftliche Unterscheidung in verheiratet und nicht
verheiratet wider und zwingt auch unser Denken in diese Kategorien. Mit der
Anrede Fräulein müssen alle zur Kenntnis nehmen, dass die angeredete Frau
nicht verheiratet ist, ob sie dies wollen oder nicht. Die maskuline Anredeform
sagt dagegen nichts über den Zivilstand des Mannes aus.
2.1.4. Personenbezogene Pronomen
Sprachen, in denen es das grammatische Genus und unterschiedliche
Pronomen für männliche und weibliche Wesen gibt, zeigen darin männliche
Herrschaftsstrukturen, dass das Pronomen für männliche Wesen auch für
gemischtgeschlechtliche Gruppen benutzt werden muss (Samel 2000: 90). Auch
das Pronominalsystem im Deutschen und insbesondere die indefiniten Pronomen
wie man, jemand, niemand, jeder, einer, keiner sind sowohl durch sprachliches
Ignorieren und Ausschließen von Frauen als auch durch unterschiedliche
Chancen des Gemeintseins gekennzeichnet.
Besondere Kontroverse erweckt das Indefinitpronomen man. Nach Duden
Grammatik (1995: 351) abstrahiert das Indefinitpronomen (unbestimmtes
Fürwort) man vom Geschlecht einer oder mehreren Personen und ist neutral. Es
umfasst singularische und pluralische Vorstellungen vom Menschen. Nach

24
Weinrich (1993: 98) hat das Pronomen man das semantische Merkmal
[Person(en)] oder [Mensch(en)].
Pusch (1984: 82f.) erklärt, woran die feministische Sprachkritik Anstoß
nimmt, und nämlich daran, dass man sich auf Personen im Allgemeinen bezieht.
Dies wird mit seiner Nähe zum Substantiv Mann begründet, die etymologisch
und semantisch erfassbar ist.
Das Indefinitpronomen man ist vom Substantiv Mann abgeleitet, das im
Althochdeutschen gleichzeitig Mann und Mensch bedeutete. Etymologisches
Wörterbuch des Deutschen (vgl. Samel 2000: 90) definiert es folgendermaßen:
,,Die alte Bedeutung des Substantivs Mann, nämlich ,Mensch', ist erhalten
in jemand, niemand und im Indefinitpronomen man."
Das Indefinitpronomen man klingt für feministische Linguistinnen
befremdlich, wenn ein weiblicher Zusammenhang gegeben ist. Auch andere
Frauen lehnen es immer mehr ab, man in frauenspezifischem Kontext ­
beispielsweise Schwangerschaft oder Stillen ­ zu benutzen.
Wie kann man seine Schwangerschaft feststellen? (Samel 2000: 92)
Indefinite
Pronomen
jemand
und
niemand
sind
formal
geschlechtsneutrale Ausdrücke, die jedoch stets mit der maskulinen Form der
Relativ-, Possessiv- und Personalpronomen zusammenfallen, die Assoziationen
von Männern hervorrufen (Trömel-Plötz 1982a: 85):
Ich kenne jemand, der uns helfen könnte.
Kann mir jemand seine Notizen leihen?
Niemand darf es tun, wenn er dazu nicht berechtigt ist. (Blaszkowska
1995: 14)
Pronomina jeder, einer und keiner sind schon im Nominativ maskulin
markiert. Sie werden aber in Bezug auf Männer und Frauen verwendet. Ihre
feminine Entsprechungen jede, eine und keine kann man nur in
geschlechtsspezifischer Funktion gebrauchen. Es passiert immer wieder, dass
man auf weibliche Personen oder Gruppen mit Maskulinum Bezug nimmt, was
oft zur Bildung von sprachunlogischen, gar absurden Aussagen führt (ebd.):
Die Menstruation ist bei jedem ein bisschen anders. (Pusch 1984: 149)

25
2.1.5. Das Bild der Frauen in Metaphern und Redewendungen
Durch Metaphern, Redewendungen und Sprichwörter werden überholte
Rollenklischees weitergegeben, d.h. ständig neu reproduziert. Der Germanist
Michael Hausherr-Mälzer (1990: 36) hält das Sprichwort für einen ,,Tummelplatz
historischer wie aktueller Sexismen", das ,,in noch auffälligerer, weil direkter
Weise, als sprachliche Strukturen ein unverkennbares Zeugnis einer sexistischer
Gesellschaft" ablegt.
Redewendungen wie Sie ist ein richtiger Junge bedeuten für eine Frau
oder ein Mädchen eine Anerkennung und Statuserhöhung. Dagegen ist die
Benennung eines Mannes mit einer weiblichen Personenbezeichnung eine
Herabsetzung: Du benimmst dich wie ein Mädchen (Stötzel/Wengeler 1995:
527). Man sieht hier also Hervorhebung des Männlichen und Erniedrigen des
Weiblichen.
Ein anderes Beispiel gibt Samel (2000: 139) an: Herren sind herrlich,
Damen sind dämlich. Das Wort herrlich bedeutet ,,in einem so hohen Maße gut,
schön, dass es sich nicht besser, schöner denken lässt". Dämlich dagegen ist auf
niederdeutsch dämelen also nicht recht bei Sinnen sein zurückzuführen, hat also
nicht mit der Etymologie von Dame zu tun.
Auch idiomatische Form die Väter des Grundgesetzes erweist sich als
unangemessen angesichts der Tatsache, dass bei der Formulierung des
Grundgesetzes auch einige Frauen also analogisch Mütter des Grundgesetzes
maßgeblich beteiligt waren (Stötzel/Wengeler 1995: 527).
Diese und andere Redewendungen werden von feministischen
Linguistinnen in Frage gestellt und es werden Alternativen gesucht, die die
sexistische Vorstellung vom Mann als Repräsentanten der Norm nicht weiter
reproduzieren sollen.

26
2.2. Darstellung der Bereiche sprachlicher Diskriminierung von
Frauen im Polnischen
2.2.1. Darstellung der Frauen in Abhängigkeit von Männern
Im Polnischen benutzte man bis vor kurzem zwei Formen in Bezug auf
Frauen pani und panna. Frauen wurden also in zwei Gruppen geteilt ­ verheiratet
und unverheiratet. Alle Männer werden mit dem Substantiv pan bezeichnet, das
in diesem Hinblick als neutral erscheint. Frauen werden aufgrund von ihren
Beziehungen zu Männern dargestellt und nicht umgekehrt.
Diese Einteilung spiegelt sich nach Nitsch (1951: 62) in Suffixen wider,
die zu Namen und Vornamen hinzugefügt werden. Unverheiratete Frauen werden
durch die Suffixe ­ówna oder ­anka erkennt z.B. Adamczykówka oder
Kotulanka, verheiratete dagegen durch die Suffixe ­owa und ­ina z.B.
Pawlakowa oder Kozubina. Diese Formen sind heute im Schwinden begriffen.
Sie werden aber noch in einigen Milieus, besonders auf dem Lande, in kleinen
Städten und in künstlerischen oder wissenschaftlichen Kreisen benutzt.
Karwatowska und Szpyra-Kozlowska (2005: 27) bemerken, dass sie vor allem in
der gesprochenen Sprache üblich sind.
Es ist aber nicht möglich maskuline Formen zu bilden und die Männern in
Abhängigkeit von Frauen zu zeigen, wie z.B. *Szewczykowy/*Szewczykówny
oder *Kotulanek/*Kotuliny (ebd.). Auch Pelcowa (2001: 260) macht darauf
aufmerksam, dass man besonders auf dem Lande feminine Formen von
männlichen Vornamen bildet, wie z.B. Kaziowa, Andrzejowa. Es fehlt aber an
männlichen Formen, die analog gebildet werden könnten, wie z.B. *Zosiny,
*Malgosiny usw.
Eine ähnliche Asymmetrie finden Karwatowska und Szpyra-Kozlowska
(2005: 27) in Bezeichnungen für Frauen und Tochter, derer Mann und Vater
einen bestimmten Beruf ausübt. (ebd.). Wenn ein Mann Professor ist, nennt man
seine Frau profesorowa und seine Tochter profesorówna. Ein interessantes
Beispiel ist das Wort prezydent, seine Frau heißt pani prezydentowa und seine
Tochter prezydentówna. Aber ein Mann von der Präsidentin kann nur als m

27
pani prezydent und nicht als *pan prezydentowy bezeichnet werden. Auch das
Paar von Substantiven brat ­ bratowa zeigt diese Abhängigkeit. Es gibt dagegen
keine Entsprechung bei ähnlicher Familienbeziehung siostra ­ *siostrowy.
Es soll an dieser Stelle unterstrichen werden, dass Suffixe ­owa und ­ina
in der Vergangenheit einen Possessivcharakter hatten. Sie dienten also dazu, eine
Person als Besitzer einer Sache darzustellen. Hier kann man solche
Schlussfolgerung ziehen, dass profesorowa Eigentum von einem Professor ist
(Handke 1994: 15). Die hier besprochenen Formen haben zwar einen im großen
Masse archaischen Charakter, aber Mechanismen der Wortbildung blieben
ungeändert und sind immer sehr produktiv. Es ist in Bezeichnungen für Ehepaare
zu bemerken, z.B. Ehepaar Marek und Jola sind für ihre Bekannten Markowie
und nicht *Jolowie (Karwatowska/ Szpyra-Kozlowska 2005: 29).
Im Polnischen sind auch viele feminine Vornamen von maskulinen
abgeleitet, wie z.B. Stanislaw Stanislawa, Jan Janina. Eine umgekehrte
Situation kommt sehr selten vor, wie z.B. Maria Marian. Dieser Fall kann
man mit der privilegierten Position von Christi Mutter in der christlichen Kultur
erklären (ebd.).
Im Polnischen ist es weit verbreitet, dass Paare, die aus einer Frau und
einem Mann bestehen, mit einem maskulinen Substantiv bezeichnet werden z.B.:
dziadek + babcia = dziadkowie (nicht *babciowie)
wujek + ciocia = wujostwo (nicht *ciotostwo)
Der Suffix ­ostwo tritt auch in einer archaischen Form auf, z.B. zur Bezeichnung
von einem Ehepaar, wo ein Mann eine Prestigerolle erfüllt, z.B. pastwo
doktorostwo. Herbert und Nykiel-Herbert (1986: 64) bemerken, dass diese Regel
ihre Gültigkeit verliert, wenn die Frau einen Prestigeberuf ausübt. Dadurch
bezieht sich die Bezeichnung profesorostwo Walczykowie auf einen Professor
Walczyk und seine Frau und nicht auf eine Professorin Walczyk mit ihrem
Mann.

28
2.2.2. Bildung der femininen Personenbezeichnungen
mithilfe von
Motionssuffixen
Das Ableiten der femininen Formen von den maskulinen ist nicht nur für
die Bildung von Namen und Vornamen typisch, sondern für das gesamte
polnische Wortbildungssystem. Maskuline Substantive sind die Grundlage für
die Bildung der femininen Formen. Die Mehrheit aller femininen
Personenbezeichnungen ist von maskulinen abgeleitet. Sie werden durchs
Hinzufügen der Motionssuffixe ­ka, ­iniyni, ­ica gebildet, z.B. lekarz
lekarka, monarcha monarchini, sprzedawca sprzedawczyni, ucze
uczennica. Bei nominalisierten Adjektiven gilt die paradigmatische Ableitung,
z.B. chrzestny chrzestna. (Karwatowska/Szpyra-Kozlowska 2005: 29f.)
Eine umgekehrte Erscheinung, wo eine maskuline Form von einer
femininen abgeleitet wird, kommt sehr selten vor. Grzegorczykowa (1984: 425)
gibt folgende Beispiele an: g gsior, kaczka kaczor, gwiazda
gwiazdor.
Im Polnischen erscheinen oft Schwierigkeiten, die sich aus der
Inkongruenz des grammatischen und natürlichen Geschlechts im Bezug auf
Berufsbezeichnungen ergeben. Im beruflichen, gesellschaftlichen und sozialen
Leben passiert es oft, dass man ausschließlich maskuline Bezeichnungen für
Berufe, Funktionen, Titeln benutzt, ohne Rücksichtnahme aufs Geschlecht der
Personen, die sie ausüben. Die maskulinen Formen dominieren in der polnischen
Sprache, weil sie als ursprüngliche, allgemeine, fundamentale und ranghöhere
anerkannt werden.
6
Die gesellschaftlichen und sprachlichen Gewohnheiten führen dazu, dass
sowieso wenige feminine Berufsbezeichnungen engeren Bedeutungs- und
Funktionsbereich haben als die maskulinen. Dyrektorka kann nur im
Kindergarten oder in einer Grundschule arbeiten, dyrektor ­ abgesehen vom
Geschlecht ­ in allen anderen Institutionen und Unternehmen. Profesorka kann
eventuell im Lyzeum unterrichten, aber nicht an der Universität. Doktorka kann
in einer Beratungsstelle auf dem Lande arbeiten, aber nicht in einer Klinik.
6
http://www.feminoteka.pl/readarticle.php?article_id=4

29
Formen ministerka oder premierka kommen überhaupt nicht in Frage, sie klingen
unernst. Dieser Vorwurf gegen feminine Formen zeugt davon, dass es für sie
keinen Platz im System der polnischen Sprache gibt (ebd.).
Eine wichtige Bemerkung, die den hohen gesellschaftlichen Rang der von
Frauen ausgeübten Berufe betrifft, macht Markowski (ebd.). Bei der Bildung der
femininen Berufsbezeichnungen lenkt man Aufmerksamkeit darauf, dass die neu
gebildeten Formen phonetisch unattraktiv sind. Formen prezydentka, premierka,
polityczka klingen nicht gut. Andere Bezeichnungen von feminisierten, schlecht
bezahlten Berufen vom niedrigen Rang stören dagegen nicht, wie z.B.
ekspedientka, sprztaczka, praczka, pielgniarka.
Brylowa (2001: 250) beweist, dass manche feminine Formen, die von
maskulinen abgeleitet werden, pejorativen Charakter haben, weil sie die
verächtliche und respektlose Einstellung des Sprechers ausdrücken. Die höfliche
Form verlangt dagegen das Wort pani und das männliche Prestigesubstantiv, z.B.
doktor doktorka (pani doktor), prezes prezeska (pani prezes).
Aus den oben besprochenen Gründen wählen Frauen oft die maskuline
Form für Berufsbezeichnungen, die als Prestigesubstantive erscheinen. Sie
nennen sich also reyser, doradca oder redaktor, obwohl ihnen Substantive wie
reyserka, doradczyni oder redaktorka zur Verfügung stehen. (Karwatowska/
Szpyra-Kozlowska 2005: 31).
Besonders auffällig ist das Beispiel sekretarz sekretarka (ebd.). Das
Wort sekretarz, wie im Deutschen Sekretär, ist eine ehrenvolle Funktion, die
zusätzlich durch solche Wendungen wie z.B. sekretarz stanu oder sekretarz
generalny verstärkt wird. Das Wort sekretarka, im Deutschen Sekretärin,
bezeichnet eine untergeordnete Funktion, die eine Frau beruflich ausübt.
Es gibt viele ähnliche Beispiele für solche semantische Asymmetrie, wo
eine maskuline Form als Bezeichnung für einen Prestigeberuf gilt z.B. polonik
polona oder gospodarz gospodyni. Slownik jzyka polskiego (2000: 707f.)
erklärt das Wort polonik als Facharzt mit einer zusätzlichen anerkannten
Ausbildung auf dem Gebiet Geburtshilfe. Polona dagegen ist nur eine
Krankenschwester, die Geburtshilfe leistet.

Details

Seiten
Erscheinungsform
Originalausgabe
Jahr
2009
ISBN (eBook)
9783836634335
Dateigröße
1 MB
Sprache
Deutsch
Institution / Hochschule
Uniwersytet Rzeszowski – Philologische Fakultät, Institute of German Philology
Erscheinungsdatum
2014 (April)
Note
1,0
Schlagworte
linguistik diskriminierung frauenbezeichnung
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Titel: Zur Thematisierung der Frauen aus der Perspektive der feministischen Linguistik anhand von ausgewählten polnischen und deutschen juristischen Dokumenten
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