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Konzeptionelle Überlegung zu einem Training mit Querschnittsgelähmten im Dreiachstrainer The Spacecurl

©2009 Diplomarbeit 133 Seiten

Zusammenfassung

Inhaltsangabe:Einleitung:
Seit den ersten sportlichen Angeboten für querschnittgelähmte Personen haben sich diese inzwischen zu einem wichtigen Bestandteil der biopsychosozialen Rehabilitation nach Eintritt der Schädigung entwickelt. Sie boten den Betroffenen eine erste Möglichkeit sich mit ihrem Körper und ihren Fähigkeiten im Wettkampf untereinander sowie auch vor nichtgeschädigter Bevölkerung unter Beweis zu stellen. Nicht nur vor anderen Menschen, sondern auch gegenüber sich selbst ist das Erleben und Demonstrieren der eigenen Fähigkeiten ein erheblicher Faktor des psychosozialen Wohlbefindens. Der Eintritt einer funktionell einschränkenden Schädigung stellt jedem Menschen die Aufgabe nach individuell zugeschnittenen Möglichkeiten der Förderung und Herausforderung zu suchen und sich damit neuen Aufgaben und Erfolgen zuzuwenden. Andererseits verstehen die heutigen Therapeuten es als eine selbstverständliche Aufgabe den Betroffenen Angebote zu unterbreiten, die auf unterschiedlichen Ebenen gleichermaßen angreifen können. So profitiert optimaler Weise von einem therapeutischen Angebot nicht nur die Physis einer Person, sondern zugleich psychische und psychosoziale Aspekte.
Das Training im Spacecurl spricht verschiedene Ebenen an. Der hohe Aufforderungscharakter und die ungewöhnliche spektakuläre Bewegungsmöglichkeit wirken auf psychische Weise, wohingegen die alltagsnahe Körperhaltung im Gerät physiologische Anpassungen hervorruft. Als Anwendung im Dreiachstrainer Spacecurl existiert bisher aufgrund der funktionellen Einschränkungen kein reguläres Angebot für Querschnittgelähmte, obwohl es in der Therapie als anerkanntes Gerät gehandhabt wird. Durch Hilfsmittel wird es nur an den wenigsten Einrichtungen für Rollstuhlfahrer ermöglicht. Mit dieser Arbeit werden erste Schritte in Richtung einer solchen Trainingsmöglichkeit getan.
Der erste Teil der Arbeit widmet sich den theoretischen Grundlagen der Querschnittlähmung, mit ihren verschiedenen Schädigungsbildern, und denen des Trainingsgerätes. Im dritten Kapitel werden, neben einer kurzen Befragung der Anwender, die publizierten und erarbeiteten methodischen und inhaltlichen Angaben zusammengefasst dargestellt. Kapitel vier diskutiert die funktionellen Voraussetzungen unterschiedlicher Läsionshöhen sowie die körperlichen Anforderungen des Spacecurl und tätigt Überlegungen bezüglich einer Trainingsmöglichkeit. Auf dieser Grundlage ist folgend ein Vorschlag zum Training mit Querschnittpatienten im […]

Leseprobe

Inhaltsverzeichnis


Inhaltsverzeichnis

1 Einleitung

2 Wissenschaftlicher Sachstand
2.1 Querschnittlähmung
2.1.1 Läsionshöhe und resultierender Funktionszustand
2.1.2 Einschränkungen durch Verletzungs- und Operationsfolgen
2.1.3 Stabilisierung und Mobilisation im Rehabilitationsprozess
2.1.4 Gleichgewichtstraining mit Querschnittlähmung
2.2 Koordination
2.2.1 Propriozeption und Gleichgewicht
2.2.2 Posturale Kontrolle
2.2.3 Haltung und ihre stabilisierende Muskulatur
2.3 Dreiachstrainer The Spacecurl
2.3.1 Entwicklungsgeschichte
2.3.2 Einstellungskomponenten und Funktionsweise des Gerätes
2.3.3 Spezifische Prinzipien des Spacecurl
2.3.4 Ziele und Indikationen des Spacecurltrainings
2.3.5 Forschungsstand
2.4 Problemstellung und wissenschaftliche Fragestellung

3 Voruntersuchung
3.1 Anwenderbefragung
3.1.1 Anwenderkennzeichnung
3.1.2 Fragebogeninhalte
3.1.3 Befragungsmethode
3.1.4 Umfrageergebnisse
3.2 Vorliegende methodische und inhaltliche Angaben zur 3D-Therapie
3.2.1 Methodische Angaben aus der Literatur
3.2.2 Zusammenfassung von Inhalten und Übungsaufgaben
3.3 Auswertung der Voruntersuchung

4 Konzeptentwicklung und -umsetzung
4.1 Überlegungen zu Querschnittlähmung und Spacecurl
4.1.1 Körperlicher Anspruch des Spacecurl und erhaltene Funktionen bei Paraplegie
4.1.2 Zuordnung der Einschränkungen zum Training im Spacecurl
4.2 Konzeptvorschlag – Dreidimensionales Training mit Paraplegie im Spacecurl
4.2.1 Ziele
4.2.2 Therapieplanung und Strukturierung
4.2.3 Indikationsspezifische Herangehensweise
4.2.4 Therapieeinheit
4.2.5 Hilfsmittel (nach den Möglichkeiten des Klinikum Bergmannstrost, Halle)
4.2.6 Eckdaten des Konzeptes
4.3 Konzeptanwendung / Intervention
4.3.1 Probandenkennzeichnung
4.3.2 Trainingsdurchführung und -dokumentation
4.3.3 Befragung der Probanden

5 Ergebnisdarstellung
5.1 Proband FL
5.1.1 Allgemein
5.1.2 Der Trainingsprozess
5.2. Proband GK
5.2.1 Allgemein
5.2.2 Der Trainingsprozess
5.3 Probandin KJ
5.3.1 Allgemein
5.3.2 Der Trainingsprozess
5.4 Proband KDE
5.4.1 Allgemein
5.4.2 Der Trainingsprozess
5.5 Spacecurl-Fragebogen (SC-FB)

6 Diskussion
6.1 Methodendiskussion
6.1.1 Methodenkritik - Anwenderbefragung
6.1.2 Methodenkritik - Intervention
6.2 Ergebnisdiskussion
6.2.1 Einstellungen und Hilfsmittel
6.2.2 Kompensatorische Techniken
6.2.3 Umsetzung des Konzeptes / Ergänzungen
6.2.4 Ziele und Phaseneinteilung
6.2.5 Feedback Fragebogen (SC-FB)
6.2.6 Veränderte Funktion und Wirkungsweise des Spacecurl

7 Zusammenfassung

8 Ausblick

Literaturverzeichnis

Abkürzungsverzeichnis

Tabellen- und Abbildungsverzeichnis

Anhang

1 Einleitung

Seit den ersten sportlichen Angeboten für querschnittgelähmte Personen haben sich diese inzwischen zu einem wichtigen Bestandteil der biopsychosozialen Rehabilitation nach Eintritt der Schädigung entwickelt. Sie boten den Betroffenen eine erste Möglichkeit sich mit ihrem Körper und ihren Fähigkeiten im Wettkampf untereinander sowie auch vor nichtgeschädigter Bevölkerung unter Beweis zu stellen. Nicht nur vor anderen Menschen, sondern auch gegenüber sich selbst ist das Erleben und Demonstrieren der eigenen Fähigkeiten ein erheblicher Faktor des psychosozialen Wohlbefindens. Der Eintritt einer funktionell einschränkenden Schädigung stellt jedem Menschen die Aufgabe nach individuell zugeschnittenen Möglichkeiten der Förderung und Herausforderung zu suchen und sich damit neuen Aufgaben und Erfolgen zuzuwenden. Andererseits verstehen die heutigen Therapeuten es als eine selbstverständliche Aufgabe den Betroffenen Angebote zu unterbreiten, die auf unterschiedlichen Ebenen gleichermaßen angreifen können. So profitiert optimaler Weise von einem therapeutischen Angebot nicht nur die Physis einer Person, sondern zugleich psychische und psychosoziale Aspekte.

Das Training im Spacecurl spricht verschiedene Ebenen an. Der hohe Aufforderungscharakter und die ungewöhnliche spektakuläre Bewegungsmöglichkeit wirken auf psychische Weise, wohingegen die alltagsnahe Körperhaltung im Gerät physiologische Anpassungen hervorruft. Als Anwendung im Dreiachstrainer Spacecurl existiert bisher aufgrund der funktionellen Einschränkungen kein reguläres Angebot für Querschnittgelähmte, obwohl es in der Therapie als anerkanntes Gerät gehandhabt wird. Durch Hilfsmittel wird es nur an den wenigsten Einrichtungen für Rollstuhlfahrer ermöglicht. Mit dieser Arbeit werden erste Schritte in Richtung einer solchen Trainingsmöglichkeit getan.

Der erste Teil der Arbeit widmet sich den theoretischen Grundlagen der Querschnittlähmung, mit ihren verschiedenen Schädigungsbildern, und denen des Trainingsgerätes. Im dritten Kapitel werden, neben einer kurzen Befragung der Anwender, die publizierten und erarbeiteten methodischen und inhaltlichen Angaben zusammengefasst dargestellt. Kapitel vier diskutiert die funktionellen Voraussetzungen unterschiedlicher Läsionshöhen sowie die körperlichen Anforderungen des Spacecurl und tätigt Überlegungen bezüglich einer Trainingsmöglichkeit. Auf dieser Grundlage ist folgend ein Vorschlag zum Training mit Querschnittpatienten im Spacecurl konzipiert worden. Die Umsetzung dieses Konzeptes mit 4 Probanden wird beschrieben. Die Ergebnisse und Erkenntnisse zu dieser Intervention werden in Kapitel 5 dargestellt. Kapitel 6 diskutiert die Methodik der Arbeit sowie die Ergebnisse und Erkenntnisse der Intervention.

Ein großer Dank wird an das Zentrum für Rückenmarkverletzte und Klinik für Orthopädie des BG Klinikums Bergmannstrost in Halle gerichtet. Unter der Leitung von Chefarzt Dr. Röhl wurde seitens der physiotherapeutischen Leitung, namentlich seien Kerstin Rolle und Daniel Kuhn genannt, ein großer organisatorischer Anteil zur Verwirklichung der Intervention geleistet.

Weiter gilt mein Dank den Probanden dieser Studie, welche sich mit großer Motivation für diese Intervention entschlossen und dafür vorübergehend einen Teil ihrer regulären Therapieleistung aufgegeben haben.

Ohne jemanden vergessen zu wollen, bedanke ich mich bei allen, die sich mit meiner Arbeit befasst haben und durch Kommentare und Kritik bei ihrer Entstehung mitgeholfen haben.

2 Wissenschaftlicher Sachstand

2.1 Querschnittlähmung

Der Begriff Querschnittlähmung bezeichnet „eine Schädigung des Rückenmarks und/oder der im Wirbelkanal verlaufenden Nervenwurzeln“, welche sich aus einer Unterbrechung der auf- und absteigenden Bahnen ergibt (vgl. Buck & Beckers, 1993, S.7). Da eine solche Schädigung des Rückenmarks verschiedenster Art sein kann, ist dieser Begriff auch keine Befundeinheit, sondern stellt die Gesamtheit der Symptome verschiedener Ursachen dar bzw. ist die “übergeordnete Bezeichnung für spinale Funktionsausfälle“ (Schirmer, 1985, S.1). So kommt es bei Querschnittlähmungen zu den unterschiedlichsten Ausfällen auf den Ebenen der Motorik, der Sensibilität und der vegetativen Funktionen. Diese drei Ebenen werden auch als die symptomatologischen Trias bezeichnet (Buck & Beckers, 1993, S.9).

In Betrachtung auf das Ausmaß der Schädigung unterscheidet sich die komplette Querschnittlähmung, bei Verletzung des gesamten Durchmessers des Rückenmarks mit vollständiger Muskellähmung und komplett fehlender Sensibilität, von der inkompletten Querschnittlähmung, bei der nur eine teilweise Schädigung des Rückenmarks vorliegt und es zu Spastiken durch Fehlinnervation und unterschiedlichen Störungen in der Sensibilität kommen kann.

Ob die Läsion komplett oder inkomplett ist, muss auf motorischer und sensibler Ebene getrennt betrachtet und bezeichnet werden, da die zugehörigen Bahnen in unterschiedlichen Bereichen des Rückenmarks verlaufen. So können die motorischen Kerne und Bahnen des Vorderhorns einer anderen oder keiner Verletzung unterliegen, während die sensiblen Bahnen im Hinterhorn z.B. vollständig durchtrennt wurden (Schmidt & Unsicker, 2003, S.66ff). Die Individualität der Schädigungsbilder verdeutlicht diese neurologischen Vorkommnisse. Eine Querschnittlähmung kann somit lauten „motorisch komplett unterhalb C6, sensible inkomplett unterhalb C7, komplette Blasen- und Mastdarmlähmung“ (Bsp. aus Buck & Beckers, 1993, S.9). Die in dieser beispielhaften Diagnose verwendeten Aussagen „unterhalb C6/C7“ zeigen, dass eine Auskunft über die Höhe des verletzten Segmentes ebenfalls grundlegend ist. Hierdurch wird erkennbar wie „hoch“ eine Person gelähmt ist bzw. wie viele Funktionen ausfallen oder beeinträchtigt sein können. Mit abnehmender Höhe der Rückenmarkschädigung, nimmt die Anzahl der erhaltenen Funktionen zu (vgl. Kap. 2.1.1).

Im Folgenden soll der Schwerpunkt auf das Funktionsniveau und seine Abhängigkeit von der Läsionshöhe gelegt werden, sowie auf das Schädigungsbild der Paraplegie und dessen Rehabilitation.

2.1.1 Läsionshöhe und resultierender Funktionszustand

Neben der kompletten und inkompletten Verletzung des Rückenmarks, ist das Ausmaß einer Querschnittlähmung abhängig von der Höhe der Läsion. Hier ist nicht der geschädigte knöcherne Bereich von Bedeutung, sondern das betroffene neurologische Segment des Rückenmarks. Gleichnamige Segmente und Wirbelkörper liegen bei erwachsenen Menschen schon im unteren zervikalen Bereich nicht mehr beieinander und so ist die alleinige Nennung der Wirbelverletzung keine ausreichende diagnostische Angabe, es können sonst falsche Rückschlüsse auf die verbliebenen Funktionen gezogen werden (vgl. Buck & Beckers, 1993, S.8). Reckel (1986) empfiehlt daher in der Diagnostik die Nennung beider Schädigungen, des nervalen Segments und des Wirbelkörpers (ebd., S.263).

Bei der Feststellung der Läsionshöhe bezeichnet das letzte intakte Rückenmarksegment die Querschnittlähmung. Neben den bildgebenden Verfahren der Diagnostik wird auf die Höhe der Verletzung anhand von Kennmuskeln geschlossen. Die Innervation dieser Muskeln ist im Wesentlichen monosegmental, womit dieser bei erhaltener Funktionalität die Intaktheit des zugehörigen Segmentes bezeugt (vgl. Buck & Beckers, 1993, S.9; Müller, 2002, S.23). Ist ein solcher Kennmusklen einseitig funktionstüchtig lässt sich die Läsion sogar in die entsprechende Rückenmarkswurzel oder Vorderhornsäule lokalisieren (vgl. Finke, 1986, S.33). Muskeln, die bi- oder multisegmental innerviert werden, sind je nach geschädigtem Segment mehr oder weniger eingeschränkt und können daher nicht der Diagnostik dienen.

Auf sensibler Ebene geben die Dermatome des Menschen Aufschluss über die Höhe eines betroffenen Segments. Jedes Dermatom stellt ein Hautareal dar, welches durch eines der 31 Spinalnerven innerviert wird und somit ebenfalls in direktem Bezug zu einem neurologischen Segment steht (vgl. Pschyrembel, 2007, S.411).

Tab.1: Liste der Kennmuskeln zur Bestimmung der Läsionshöhe (vgl. Töndury & Tillmann, 2003, S.246ff)

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Eine grobe Einteilung des motorischen Funktionszustandes findet man in den Begriffen Tetraplegie und Paraplegie. Eine Tetraplegie resultiert aus der Verletzung des zervikalen Rückenmarks (C1-Th1), hier sind alle vier Gliedmaßen mehr oder weniger in ihrer Funktion eingeschränkt. Die Paraplegie zeichnet sich durch die Betroffenheit der Rumpfmuskulatur und der unteren Extremitäten aus. In diesem Fall ist das Rückenmark unterhalb vom neurologischen Segment Th1 geschädigt (vgl. Buck & Beckers, 1993, S.8). Diese grobe Einteilung schließt dabei viele verschiedene Ausfallerscheinungen mit ein. Diese können z.B. über die verschiedenen Rückenmarksyndrome, benannt nach dem entsprechenden Rückenmarksegment, weiter differenziert werden. Das jeweilige Syndrom bezeichnet den besonderen Zustand der symptomatologischen Trias bei Läsion des entsprechenden Segments. Betrachtet man diese Syndrome, lässt sich erkennen, dass mit sinkender Lähmungshöhe auch die funktionelle Einschränkung abnimmt.

Mit Hilfe der Syndrome, hier in Anlehnung an Reckel (1985), ist der Funktionszustand nachzuvollziehen und es lassen sich bereits Aussagen treffen, wie selbstständig die betroffene Person sein kann bzw. wie weit sie im Alltag eingeschränkt ist. Ausführlich beschrieben werden sollen hier nur die Läsionshöhen, die in Bezug auf den funktionellen Zustand deutliche und wichtige Gewinne bedeuten.

a) Tetraplegie oder Verletzungen des Halsmarkes und Folgen für den Alltag

Kommt es zu einer Läsion der Segmente C1–4 führt diese in den meisten Fällen aufgrund der vollständigen Lähmung der Atemmuskulatur zum Tod durch Ersticken. Schon ein Segment tiefer, C5-Syndrom, kann das Zwerchfell innerviert werden und ermöglicht eine selbstständige aber sehr beschwerliche Atmung. Die Innervation von M. trapezius und M. sternocleidomastoideus führen zu einem Schulterhochstand, da die Gegenspieler ausfallen. Wesentliche Bewegungen sind nicht möglich. Die Person ist vollständig auf fremde Hilfe und einen Rollstuhl angewiesen. Die Diagnose C6 führt durch die zusätzliche Innervation von M. deltoideus sowie M. infra- und supraspinatus zu Abduktionshaltung und Außenrotation im Schulterbereich. Ebenfalls sind M. biceps brachii, M. brachialis und M. supinator innervierbar und führen zu einer Flexion im Ellenbogen sowie einer Supinationsstellung im Unterarm. C7 bezeichnet die Innervation von M. pectoralis, M. latissimus dorsi, M. pronator terres und M. extensor carpi radialis. Die nun funktionsfähigen Gegenspieler der Schulterheber relativieren den Schulterhochstand und da der Ellenbogen aktiv gebeugt werden kann, ist der Oberarm sinnvoll einsetzbar. Weiterhin ist das Atemvolumen vermindert und die Person ist fast vollständig auf fremde Hilfe angewiesen. Für die Unterarme können kleinere Orthesen genutzt werden. Ist C8 das letzte intakte Segment, sind die Oberarme voll funktionsfähig, allein die kleine Handmuskulatur und die Fingerbeuger sind weiterhin betroffen und somit noch kein Greifen möglich. Der Rollstuhl ist weiter unentbehrlich, es kann allerdings die Fortbewegung an Gehhilfen mit Schienenapparaten erlernt werden. Autofahren ist mit Automatikgetriebe möglich (vgl. Reckel, 1986, S.155f).

b) Paraplegie oder Verletzungen des Brust- und Lendenmarkes und Folgen für den Alltag

Beim Th1-Syndrom fehlt weiter die kleine Handmuskulatur, die Atmung ist diaphragmatisch. Bei intaktem Th2 haben Arm und Hand ihre volle Funktionsfähigkeit, dies hat einen hohen Wert für die Selbständigkeit (vgl. Reckel, 1986, S.156). Die Bestimmung der Läsionshöhe im Thoraxbereich erfolgt über die Untersuchung der Rumpf- und im Besonderen der Bauchmuskulatur. Verschiebt sich bei der Bauchpresse der Nabel nach kranial, deutet das auf die Läsion der unteren Bauchmuskulatur hin (vgl. Gerner & Abel, 2001, S.396). Die thorakalen Spinalnerven, Interkostalnerven, innervieren nach dem Austritt aus dem Rückenmarksegment zunächst die dort verlaufenden Muskeln des medialen und des lateralen Traktes des M. erector spinae motorisch sowie den entsprechenden Hautbereich sensibel. Weiter ziehen sie dann zwischen den Rippen, geschützt durch die interkostale Muskulatur Richtung Sternum. Dabei innervieren sie die Atemmuskulatur Mm. intercostales externus und internus. Die Interkostalnerven I – IV enden dort, ab dem fünften Spinalnerv steigen die Fasern weiter abwärts und innervieren zunächst die oberen und dann die unteren Anteile der Bauchwandmuskulatur (vgl. Trepel, 2008, S.30f). Das alles bedeutet, dass von Th2 bis Th12 die Funktion der Interkostalmuskulatur und gleichzeitig zwischen Th7 und L1 von oben nach unten die Funktion der Bauchmuskulatur zunimmt (s. Tab.1). Mit jedem erhaltenen Segment ist demnach die Atemfunktion verbessert. Außerdem bedeutet die zunehmende Kontrolle über den Rumpf einen ebenso zunehmenden Gewinn an Selbstständigkeit und Unabhängigkeit der Person. Ab Th7 kann die Person nach entsprechendem Training ihren Alltag vollständig unabhängig bewältigen. Das Gehen an Gehhilfen wird einfacher, wobei der Rollstuhl weiterhin unabdingbar bleibt (vgl. Reckel, 1986, S.158). Im L1-Syndrom findet sich weiter eine komplette Parese der Beine. Ab L2 ist die Bauchmuskulatur unbeeinträchtigt und die Funktionalität der Beine nimmt mit jedem Segment zu:

L2 Funktion des M. iliopsoas für eine aktive Hüftbeugung

L3 Funktion des M. rectus femoris, verminderte Funktion des M. quadriceps femoris, M. gracilis und M. sartorius. Hieraus resultiert die uneingeschränkte Beugung der Hüfte und zudem ist eine eingeschränkten Streckung und Beugung im Kniegelenk möglich.

L4 Funktionalität der Beinadduktoren

L5 M. quadriceps femoris voll funktionsfähig, M. tibialis nur eingeschränkt

S1 Teilfunktion M. gluteus maximus

S2 Funktionalität M. gluteus maximus, ausschließlich bestehende Lähmung der Zehenbeuger

Als Konus-Syndrom wird eine Verletzung unterhalb S3 bezeichnet. Die Beinfunktion ist vollständig erhalten, dabei kommt es zu Sensibilitätsstörungen und Schmerzen. Es persistieren Blasen- und Sphinkterlähmung, zudem fehlen die Sexualfunktionen (vgl. Reckel, 1986, S.155f; Buck & Beckers, 1993, S.9).

Die hier im kurzen beschriebenen Syndrome bezeichnen relativ „reine“ Verletzungen, da sie nur aufzeigen, welches Schädigungsbild bei welchem verletzten Segment auftreten kann. Das individuell vorliegende Verletzungsbild des zentralen Nervensystems, eintretende Spastiken und Versteifungen (periartikuläre Ossifikation) sowie Begleitverletzungen können diese Bilder individuell verändern und die Funktionalität weiter herabsetzten. Besonders bei Verletzungen des sakralen Rückenmarks, Konus-Syndrom, können vorbeilaufende Nerven höher liegender Segmente, Kaudawurzeln, mit geschädigt werden. In dieser Folge kommt es zu vielseitigen komplexen Ausfällen, die über das eigentliche Schädigungsniveau hinausreichen (vgl. Reckel, 1986, S.158; Pschyrembel, 2007, S.1025f).

Eine etablierte einheitliche neurologische Klassifikation von Rückenmarkverletzungen bietet die ASIA-Skala (American Spinal Injury Association Impairment Scale). Dieses Schema beinhaltet die Untersuchung der Kennmuskeln und der Dermatome. Es wird anhand einer Skala von 0 bis 5 die Motorik bestimmt und anhand einer Skala von 0 bis 2 die Sensibilität. Die motorische Aussage liegt einem Muskelfunktionstest zugrunde, wobei 0 eine komplette Lähmung beschreibt und 5 die volle Funktionalität des Muskels. Die sensible Bestimmung erfolgt über 0 = nicht vorhanden, 1 = beeinträchtigt und 2 = normal (vgl. Gerner & Abel, 2001, S.398).

2.1.2 Einschränkungen durch Verletzungs- und Operationsfolgen

Die lange vorherrschende konservative Behandlung, der Auffassung von Sir Ludwig Guttmann (1899-1980) folgend, wurde erst in den 80er Jahren durch operative Maßnahmen ergänzt, bzw. abgelöst. Dies war erst möglich, nachdem die eigentlich zur Skoliosebehandlung entwickelten Harrington-Stäbe (Paul R. Harrington, 1911-1980) die Möglichkeit der einfachen technischen Stabilisierung bot. Die Distraktionskräfte dieses Instrumentariums wurden zur Reposition von Wirbelkörpern genutzt (vgl. Müller, 2002, S.30). Nachteil war die über viele Wirbelsegmente hinwegziehende Fixierung und daraus folgende Unbeweglichkeit der Wirbelsäule. Fortschritte brachte hier die Pedikelschraube, welche zwei oder drei Wirbelkörper umfasst und somit nur ein oder zwei Bewegungssegmente blockiert, dies stellt für den gesamten Funktionsablauf der Wirbelsäule nur eine relativ geringe Einschränkung dar (vgl. Müller, 2002, S.33).

Einschränkungen resultierend aus den Fixierungen werden in der Literatur nur in Hinblick auf Beweglichkeit genannt. Im Bezug auf die Belastbarkeit der oberhalb und unterhalb befindlichen, nicht geschädigten Segmente erklären Harms und Nánássy (2002), dass die „gesunden Nachbarsegmente“ die kurzstreckige Fusion mühelos kompensieren können (ebd., S.33). Es kann aber auf Dauer eine erhöhte Mobilität in den proximal und distalgelegenen Segmenten auftreten (vgl. Buck & Beckers, 1993, S.48). In der Initialphase sollten extreme Beuge- und Rotationsbewegungen vermieden werden, diese können jedoch nach der knöchernen Konsolidierung problemlos trainiert werden (vgl. Harms & Nánássy, 2002, S.41).

2.1.3 Stabilisierung und Mobilisation im Rehabilitationsprozess

Der Rehabilitationsprozess bei Querschnittlähmung wird nach Müller (2002) eingeteilt in die Akutphase, die Mobilisations- und Aufrichtphase und die folgende Rehabilitations- und Selbständigkeitsphase. Die gleiche Einteilung nehmen auch Hoffmann und Grüninger (1986) vor, sie bezeichnen sie als Früh-, Aufricht- und Spätphase.

a) Akutphase / Frühphase

Heutzutage ergeben sich in der Akutphase durch die operative Versorgung relativ kurze Liegezeiten der Patienten. Von ehemals 12-16 Wochen bei konservativer Therapie reduziert sich diese Phase auf 4-21 Tage (vgl. Müller, 2002, S.99). Damit liegt der Vorteil der operativen Maßnahmen in der Frühmobilisation, welche einen großen Gewinn für die funktionell erfolgreiche Rehabilitation querschnittgelähmter Personen darstellt (vgl. Hoffmann & Grüninger, 1986, S.465). Die Erstbehandlung der Physiotherapie ist bedeutend für den später erreichbaren Funktionszustand und dient damit nicht nur der Aufrechterhaltung der Vitalfunktionen (vgl. Buck & Beckers, 1993, S.15). Wichtigste Ziele dieser Behandlung sind die Erhaltung der Gelenkbeweglichkeit und der Muskellänge und der diese versorgenden nervalen Strukturen (Nervenlänge; vgl. Müller, 2002, S.104). Dies erfolgt durch passive Bewegungs- und Dehnprogramme, die wärend der Liegezeit stark mit den Lagerungstechniken und der Dekubitusprophylaxe verbunden sind. Wichtigstes Prinzip in dieser Phase ist die physiologische und stabile Lagerung des Frakturbereichs. Dieser muss von der Bewegung ausgeschlossen sein. Beim Durchbewegen der Beine sollten z.B. die Amplituden zunächst gering gewählt werden, um weiterlaufende Bewegungen über die Hüfte in den Frakturbereich auszuschließen (vgl. Hoffmann & Grüninger, 1986, S.465; Cremerius, Horst, & Stratthaus, 1998, S.376). Der aktive Anteil in dieser Phase liegt für den Patienten beim Training seiner erhaltenen Funktionen. Es dient einem ersten Kreislauftraining und der Reinnervation der teilweise betroffenen Muskulatur. Dies erfolgt im Bett mit Kurzhanteln und isometrischen Spannungsübungen (vgl. Buck & Beckers, 1993, S.57).

b) Aufricht- und Mobilisationsphase

Die Aufricht- und Mobilisationsphase beginnt nach der vollständigen Konsolidierung des Frakturbereiches. Die Person soll nun mit verstärktem Kreislauftraining und besonderen aufrichtbaren Stühlen an die aufrechte Sitzposition herangeführt werden. Innerhalb von 2 Wochen soll eine Sitzposition von 90° erreicht werden, die eine täglich länger werdende Zeit eingenommen wird. Bei der Vertikalisierung ist die Überwachung von Blutdruck und Puls sowie Thrombenbildung in den Beinen besonders wichtig (vgl. Hoffmann & Grüninger, 1986, S.465). Durch Abnahme oder Wegfall des Sympathikuseinflusses liegt bei Querschnittpatienten häufig ein geringerer kardialer Output und eine Vasodilatation und damit auch ein verminderter venöser Rückstrom vor. Bei Lageänderungen kommt es zur orthostatischen Hypothonie, der mit Kompressionsstrümpfen, dem Ausstreichen der Beine und einem elastischen Bauchgurt entgegen gewirkt werden kann (vgl. Buck & Beckers, 1993, S.67). Ziel dieser Phase ist ein stabiler Kreislauf und die Rollstuhlnutzung für 4-6 Stunden am Tag (vgl. Hoffmann & Grüninger, 1986, S.465). Das im Bett begonnene Kräftigungsprogramm kann nun auch teilweise in aufrechter Position erfolgen. Die medizinische Trainingstherapie nach Cremerius et al. (1998) verweist bei verschiedenen Besonderheiten in dieser Phase zum einen auf den segmental stabilisierten Frakturbereich in physiologischer Haltung und zum anderen auf kontraindizierte Rotationsbewegungen, symmetrische Übungausführung, um segmentale Druckbelastungen gering zu halten, sowie auf das Problem zu großer Bewegungsamplituden. Auch der Haltungsschulung wird in der Aufrichtphase ein hohes Maß an Aufmerksamkeit geschenkt, um von Beginn an Fehlhaltungen und muskulären Dysbalancen vorzubeugen (ebd., S.376).

c) Rehabilitations- und Selbständigkeitsphase / Spätphase

Kann die Person für mindestens zweimal 3 Stunden am Tag im Rollstuhl sitzen beginnt die dritte Phase der Nachversorgung. Ziel ist es hier mit umfangreichem Angebot aus Physio- und Sporttherapie die Person vielfälltig zu fördern, um ihr einen schnellen Weg zur Selbständigkeit zu bieten.Spätestens ab jetzt ist die Person nun auch in ihrer eigenen Verantwortlichkeit gefordert. Erlernte Techniken aus Einzeltherapie und Pflege müssen selbständig in Gruppen- oder Sporttherapie und im stationären Alltag umgesetzt werden (vgl. Müller, 2002, S.119). Für den Einstieg in das weiterführende funktionelle Training kann der Betroffene von den vorhergegangenen Mobilisations- und Kräftigungsprogrammen profitieren. Besonders wichtig ist eine gute Sitzbalance und -stabilität in und auch außerhalb des Rollstuhls. Diese Fähigkeit ermöglicht das Üben und Hantieren mit freien Händen in unterschiedlichen Ausgangsstellungen und Situationen und ist damit Voraussetzung für jegliche Aktivität des täglichen Lebens (vgl. Müller, 2002, S.130). Für rollstuhlgebundene, aber auch für gehfähige Personen ist die Mobilisation im Rollstuhl von großer Bedeutung. Der funktionelle Umgang mit dem Rollstuhl erfordert das Training einiger Grundtechniken. Diese werden in Parcours in der Halle oder im Gelände eingeübt und in der Sporttherapie z.B. im Spiel verfeinert (vgl. Arnold, 1992, S.7f; Mießner, 2007, S.36).

Cremerius et al. (1998) teilen den Therapieprozess nach einer Querschnittverletzung in 4 Phasen, welche sich mit der oben genannten Einteilung decken. Phase 1 unterliegt der segmentalen Stabilität und optimalen Lagerung, Phase 2 strebt die Verbesserung erhaltener Funktionen und das funktionelle Training (Medizinische Trainingstherapie) an und die Phasen 3 und 4 beinhalten die Steigerung der begonnen individuellen Therapie (ebd. 1998, S.374ff).

Angesichts der Schädigungsbilder und der Notwendigkeit der individuellen Belastungenssteuerung gelten bestimmte Trainingsprinzipien und methodisch gut erarbeiteten Übungsfolgen. Daher strukturieren Cremerius et al. (1998) das physiotherapeutische Programm in jeder Phasen durch drei Zielstellungen:

1 Behandlung operativ bedingter Störungen nach individuellem Befund
2 Wiedererlangung der physiologischen Funktionen und
3 Wiederherstellung/Verbesserung/Stabilisierung der allgemeinen und speziellen Leistungs- und Belastungsfähigkeit (ebd., S.378).

2.1.4 Gleichgewichtstraining mit Querschnittlähmung

Spätestens mit dem Training der Sitzbalance (Fähigkeit des ungestützten Sitzes) nimmt die Gleichgewichtsschulung einen wichtigen Platz in der Therapie ein. Dabei hat es ein hochgelähmter Paraplegiker (Th4), dem allein der M. latissimus dorsi als Verbindung zwischen Schultergürtel und Becken bleibt, schwerer als ein Paraplegiker mit Läsionshöhe Th12, welcher fast die gesamte Rumpfmuskulatur zur Verfügung hat. Jede Person muss demnach individuell den eigenen Körper mit veränderter Wahrnehmung in Sensibiltät (taktile Wahrnehmung des Rollstuhls) und Propriozeption neu kennenlernen und die eigenen Fähigkeiten und Reaktionen in Hinblick auf Kraft und Koordination einschätzen und berechnen können. Erst dann können unterschiedliche Ausgangsstellungen eingenommen und diverse Aktivitäten durchgeführt werden (vgl. Müller, 2002, S.131). Müller (2002) rät zum Training der Sitzbalance gezielte Übungen und Alltagsaufgaben zu nutzen. In den verschiedenen Ausgangsstellungen, von großer zu kleiner Unterstützungsfläche, werden zunächst der Kopf und die Arme als Hebel eingesetzte und im Folgenden Luftballons und Bälle als Zusatzgeräte genutzt. Übungen im Rollstuhl sollen vielfälltig sein. So finden sich Übungen zur Rumpfverlagerung sowie die Handhabung des Rollstuhls und seiner Teile. Hinzu kommen Aktivitäten des täglichen Lebens und sporttherapeutische Maßnahmen (ebd. S.130f).

Für die Kräftigung der Haltemuskulatur empfehlen Cremerius et. al (1998) nach isometrischen und dynamischen Spannungsübungen für die Rumpf- und Schultermuskulatur die Behandlung mit zweidimensionalen haltungsstabilisierenden Übungen weiterzuführen. Dies erfolgt an Zuggeräten wobei die Haltungskontrolle auch auf instabiler Unterstützungsfläche geübt werden soll. Weiterführend kommt es durch komplexere dreidimensionale Übungen zum Training des transversospinalen Systems. Die Diagonale und Rotation wird einbezogen und im Sitzen, im Stand sowie auf instabiler Unterlage durchgeführt. Hier ist die korrekte Übungsausführung und die ständige Haltungskorrektur durch den Therapeuten von Bedeutung. Das Übungsgut zielt mit Hilfe der oberen Extremitäten, als Hebel in ihrem physiologischen Bewegungsausmaß, auf Bewegungsausführung in der äußeren Bewegungsbahn hin. Das großräumige Hantieren an Geräten oder die dreidimensionalen Ganzkörper-bewegungen setzen hohe Reize an die rumpfstabilisierende Muskulatur und verbessern die Propriozeption und globale Haltungskoordination (vgl. (Cremerius et al., 1998, S.378f).

In der Gerätewahl finden sich bei den oben genannten Autoren sowie bei Buck und Beckers (1993) und Hoffmann und Grüninger (1986) Maschinenapparate für vielfältige Zug- und Druckbelastungen. Besonders an den Kabelzügen ist die kräftigende und koordinativ anspruchsvolle Übungsausführung für fast jede Bewegung möglich. Cremerius et al. (1998) halten das Training an Sequenz-trainingsgeräten wie Dips, Pull-down, Press-back, Leg-press (sitzend/ liegend), Lying leg raise und Abdomialtrainer für sinnvoll. Weiter finden sich Vorschläge zu instabilien Untergründen wie Posturomed, Therapiekreisel, Haramed, Weich-bodenmatte (vgl. Cremerius et al., 1998, S.379) sowie Schaukelbrett und Pezziball (vgl. Müller, 2002, S.130). Andere Möglichkeiten sind Therapieeinheiten im Wasser und Verhaltenstraining im Rahmen einer Haltungs-, Sitz- und Gehschule (vgl. Cremerius et al., 1998).

2.2 Koordination

2.2.1 Propriozeption und Gleichgewicht

Der Begriff Koordination wird von Meinel und Schnabel (2007) aus zwei Sichtweisen interpretiert. Zum einen weisen sie der Physiologie das Feld der neuromuskulären Koordination zu, was sich im inter- und intramuskulären Zusammenspiel widerspiegelt. Zum anderen beziehen sie den Begriff Koordination in sportpädagogischer Hinsicht auf „Bewegungsphasen, Bewegungen oder Teilhandlungen“ als „geordnete Verbindung im Handlungsvollzug“ (Meinel & Schnabel, 2007, S.32). Die Koordination der Bewegung ist nach Meinel und Schnabel (2007) immer zielgerichtet und besteht in einer ständigen Auseinandersetzung des Körpers mit der Umwelt und ihren Einflüssen. Allein die aufrechte menschliche Haltung in Stand und Fortbewegung fordert die kontinuierliche Arbeit der Extensorenmuskulatur, entgegen der Schwerkraft, und der synergistisch arbeitenden Haltemuskulatur. Dies ist ein hochkomplexer intermuskulärer Koordinationsprozess, der im weiteren näher erläutert werden soll.

Es wirken neben den inneren (Muskel-)Kräften auch die äußeren Kräfte Trägheit und Schwerkraft auf den Körper. Dieser ist gezwungen sich in jeder Position oder Bewegung mit diesen Kräften im Einklang zu halten. Dies bezeichnet die Fähigkeit zur Erhaltung des Gleichgewichts (ebd. 2007, S.34), die unterschiedlichen Charakters sein kann. Zum einen kann es bedeuten, ein Körper befindet sich in Ruhe oder sehr langsamer Bewegung (statisches Gleichgewicht), zum anderen kann es aber auch bedeuten, dass ein sich bewegender Körper im Gleichgewicht ist (dynamisches Gleichgewicht; vgl. Meinel & Schnabel, 2007, S.226).

Die Organisation von Haltung und Bewegung im Gleichgewicht bedeutet das Zusammenspiel des zentralen und peripheren Nervensystems und des Bewegungsapparates (vgl. Hirtz, Hotz & Ludwig, 2000, S.36). Die „kreisförmige Verknüpfung“ (Laube, 2008, S.7) dieser Systeme macht Bewegungsleistungen möglich. Nur dieser kontinuierliche Lauf der Aufnahme und die Weiterleitung von Informationen aus der Peripherie an das zentrale Nervensystem ermöglicht reflektorische Antworten oder willkürliche und präzise Bewegungsansteuerungen (vgl. Albrecht, 2006, S.46; Bruhn, 2001, S.67; Topka, 2003, S.513, 519).

Die rezeptorischen und afferenten Prozesse dieses Regelkreises bezeichnen die Wahrnehmung von Reizen aus dem eigenen Körper und werden daher als Propriozeption oder Tiefensensibilität bezeichnet (proprio = eigen; vgl. Cremerius et. al. 1998, S.55). Diese beiden Begriffe und der Begriff Sensomotorik stehen als Synonyme nebeneinander und beziehen sich konkret auf die Wahrnehmung des Bewegungsapparates. Ihnen gegenüber stehen die Enterozeption, Wahrnehmung der viszeralen Reize und die Exterozeption, Wahrnehmung von Reizen aus der Umwelt (Häfelinge & Schuba, 2002, S.25f).

Die propriozeptive Wahrnehmung setzt sich aus dem Stellungssinn, dem Bewegungssinn und Kraftsinn zusammen (ebd., S.55). Deren Aufgabe wird durch die Erläuterung der Rezeptoren deutlich. Häfelinger und Schuba (2002) bezeichnen diese Rezeptoren auch als „Sensoren der Motorik“ (ebd., S.25). Gesammelt werden sie als sensible Sensoren oder Propriozeptoren bezeichnet, als diese gelten der vestibuläre, taktile und der kinästhetische Analysator (vgl. Albrecht, 2006, S.46f). Ihre mechanischen Rezeptoren finden wir im Innenohr, in der Haut und in den Muskeln, Sehnen und Gelenken. Die drei Bogengänge des Vestibulärapparates informieren das zentrale Nervensystem über Drehung und Neigung (Winkelbeschleunigung) des Kopfes und registrieren so Beschleunigungs- und Richtungsänderungen des Kopfes und des Körpers. Sie stellen die Rezeptoren für den Bewegungssinn, gemeinsam mit dem kinästhetischen Analysator. Dessen Rezeptoren befinden sich zum einen als Muskelspindeln in den Muskeln und informieren das Nervensystem über deren Längenänderung. Zum anderen in den Sehnen als Sehnenspindeln und geben Auskunft über den Spannungszustand der Sehne und damit auch über die Spannungs-/Kraftentwicklung der Muskeln (Kraftsinn). Als drittes finden wir Rezeptoren in den Gelenken, welche auf Druckbelastung reagieren und somit über den Belastungszustand im Gelenk informieren (Stellungssinn). Die mechanischen Rezeptoren des taktilen Analysators nehmen Druckinformationen über die Hautoberfläche auf und geben z.B. Auskunft über Materialoberflächen oder die Beschaffenheit des Untergrundes (vgl. Cremerius et al., 1998, S.61f; Häfelinger & Schuba, 2002, S.27ff). Nach Betrachtung der unterschiedlichen Analysatoren bemerkt Bruhn (2001), „daß die verschiedenen Sinnesqualitäten wie Gelenkstellung und Bewegung, Körperschwerpunktslage und Kräftegleichgewicht nicht einzelnen Rezeptoren zuzuschreiben sind, sondern daß erst das komplexe, redundante Zusammenspiel aller Rezeptorensysteme einen umfassenden Einblick in die Körperperipherie vermitteln kann“ (Bruhn, 2001, S.71).

2.2.2 Posturale Kontrolle

Für einen stabil aufgerichteten Rumpf oder einen stabilen Stand, muss neben der kontinuierlichen Arbeit gegen die Schwerkraft und der synergistisch arbeitenden Haltemuskulatur auch ein geregelter Ausgleich interner und externer Störimpulse stattfinden (vgl. Topka, 2003, S.519). Der oben bereits angedeutete sensomotorische Regelkreis kann den Prozess der Körperwahrnehmung und motorischen Haltungskontrolle grob beschreiben (vgl. Kap. 2.2.1). Um die Feinabstimmung der Haltemuskulatur zu verstehen, muss das Zusammenspiel spinaler Reflexe und supraspinaler Modulation betrachtet werden (vgl. Topka, 2003, S.519). Die motorische Antwort kann sich aus verschiedenen Komponenten zusammensetzen. Zum einen werden Reize auf spinaler, segmentaler oder polysegmentaler Ebene reflektorisch beantwortet, d.h. ohne Einbeziehung der supraspinalen motorischen Zentren, die es möglich machen, dass ein Großteil der Haltungskontrolle unbewusst verläuft. Diese motorische Antwort geht auf den spinalen Reflexbogen zurück und stellt den einfachsten und hierarchisch untersten Schaltkreis dar. Signale werden über die Haut oder Muskulatur aufgenommen und über wenige Synapsen kommt es auf Rückenmarksebene zu einer sehr schnellen muskulären Antwortreaktion (Topka, 2003, S.516). Zum anderen können die höheren Zentren zusätzlich die motorischen Reflexe der Haltungsmuskulatur durch tonische Aktivierung bestimmter Muskeln beeinflussen. Diese Modulationen aus dem Kleinhirn und wohl auch vom Motorkortex weisen lange Signalwege auf und werden auch als Reflexe langer Latenz bezeichnet (Posturale Reflexe; vgl. Topka, 2003, S.520). Die absteigenden Bahnen dieser Zentren werden als extrapyramidale Bahnen bezeichnet, die als motorische Nervenbahnen nicht in der Pyramidenbahn verlaufen, sondern ins Rückenmark ziehen (vgl. Topka, 2003, S.519; Trepel, 2008, S.110). Die in ihnen verlaufenden Bahnen des Tractus vestibulospinalis und reticulospinalis sind gemeinsam verantwortlich für Fazilation und Inhibition der Extensoren- und Flexorenmuskulatur. Sie beeinflussen den Tonus von Rumpf- und proximaler Extremitätenmuskulatur entscheidend und bewirken grobe und Massenbewegungen (vgl. Trepel, 2008, S.110). Trepel (2008) versteht sie als Grundlage für präzise und differenzierte Bewegungen, für welche die pyramidalen Bahnen zuständig sind (ebd., S.111). Als weitere Reflexe nennt Topka (2003) den Halte- und den Stellreflex als bedeutend. Als Haltereflexe werden der tonische Hals- und Labyrinthreflex bezeichnet. Sensoren des Vestibularapparates und aus der Halsmuskulatur unterstützen durch eine tonische Aktivierung der Extremitätenmuskulatur die Standstabilität. Je nach Haltung des Kopfes ändert sich die Tonusverteilung in der Streckermuskulatur der oberen und unteren Extremitäten (vgl. Topka, 2003, S.520). Stellreflexe unterstützen die Einnahme der Körpergrundhaltung. Ihre Aktivierung zu Veränderungen der Körperhaltung erhalten sie durch Gelenkrezeptoren und dem vestibulären und visuellen System. Ihre dominante Reizung erfolgt durch eine Lageänderung des Kopfes, d.h. der Kopf geht der Bewegung voraus (vgl. Topka, 2003, S.520).

2.2.3 Haltung und ihre stabilisierende Muskulatur

Gröber (1999, S.30) fasst die „eigentliche Aufgabe“ der posturalen Muskulatur wie folgt zusammen:

„das Erzeugen einer statischen Grundstabilität mit einer aufmodulierbaren, dynamischen Reaktionsbereitschaft auf ständig von der Richtung und Größe wechselnde Einflüsse von außen (dynamische Stabilität).“

Sich aufrecht halten ist das Wirken der Muskelkräfte entgegen der Schwerkraft. Eine gute aufrechte Haltung bedeutet die anatomisch-physiologische Belastung aller Gelenke und Strukturen (vgl. Albrecht 2006, S.22). Eine schlechte unphysiologische Haltung führt zu Fehlbelastungen der Sehnen und Gelenke. Hier ist nach Albrecht (2006) nicht der Gelenkdruck gemeint, sondern veränderte Gelenkauflageflächen und –instabilität durch Verschiebung der Gelenksegmente (ebd., S.22). Die Haltung ist abhängig von den aktiven Strukuren des Bewegungsapparates. Diese ziehen kontinuierlich gegen die Schwerkraft und da sie somit ständig aktiv sind, sollte ihre Arbeit möglichst ökonomisch sein (vgl. Albrecht, 2006, S.22f). Für eine aktive Haltung sind Beuge- und Streckmuskulatur sowie die Innen- und Außenrotatoren gleichmäßig aktiviert, sie arbeiten als Synergisten zusammen (ebd., S.24). Lassen Haltemuskeln in ihrer Intensität nach, kommt es zu Veränderungen in der Statik und andere, nicht vorrangig der Haltung dienenden Muskeln müssen diese Verlagerungen kompensieren. Damit kommt es zu einer unnötig hohen Belastung dieser kompensierenden muskulären aber auch der betroffenen passiven Strukturen. Eine (muskuläre) Dysbalance entsteht, die im gefestigten Zustand häufig mit Rückenschmerzen einhergeht (ebd., S.24).

Bei Albrecht (2006) werden zwei Muskelgruppen unterschieden, die an der Kontrolle und Aufrechterhaltung des Körpers und an dessen Bewegung beteiligt sind. Die lokale Muskulatur liegt nahe am Gelenk und arbeitet mit tiefer Intensität. Sie bewirkt dabei keinerlei Bewegung und ihre Aktivierung geschieht meist unterbewusst. Die willentliche Ansteuerung ist trotzdem möglich, erfordert allerdings hohe koordinative Leistungen und ist dazu schwer zu überprüfen (vgl. Albrecht, 2006, S.53). In Ruhe arbeitet diese Muskulatur mit 1-3 Prozent der willkürlich maximal möglichen Kraft, bei 30 Prozent der Kraft ist das Gelenk maximal stabilisiert. Die gelenkstabilisierende Wirkung dieser Muskulatur ist zum einen auf die Aktivitätserhöhung zurückzuführen, die jeder willkürlichen Bewegung vorhergeht, zum anderen auf die Kokontraktion der umliegenden lokalen Stabilisatoren (vgl. Albrecht, 2006, S.56). Das Training dieser kleinen Haltemuskulatur ist schwierig. Sie spricht auf niedrige Reize an und es wird bei funktioneller Arbeit keine Bewegung hervorgerufen. Beide Aspekte sind nach Albrecht (2006) im gemeinen Training unüblich und schwer zu realisieren (vgl. S.57). Die globale Muskulatur wird unterteilt in Stabilisierer und Beweger und dient der Haltungs- und Bewegungskontrolle. Sie ist ebenfalls eingelenkig und erhält bei isometrischer Arbeitsweise die Haltung, wohingegen sie bei konzentrischer oder exzentrischer Arbeit Bewegung hervorruft. Beides tut sie aber nicht kontinuierlich, sondern nur auf Befehl (phasisch). Die Muskeln des Rumpfes werden nach Albrecht (2006) wie folgt in diese Kategorien eingeteilt:

lokale Stabilisatoren: tiefliegende Anteile von M. multifidius und M. psoas, M. transversus abdominis, M. intertransversarii, M. interspinalis, Anteile des Zweichfelles und des Beckenbodens

globale Stabilisatoren: oberflächliche Anteile von M. multifidius und M. psoas, Mm. obliquus internus und externus, tief Anteile des M. spinalis

globale Beweger: M. erector spinae, M. latissimus dorsi, M. quadratus lumborum, M. rectus abdominis, M. iliocostalis (vgl. Albrecht, 2006, S.58, siehe auch S.75, 77f).

2.3 Dreiachstrainer The Spacecurl

2.3.1 Entwicklungsgeschichte

Der erste Vorgänger des bei dieser Untersuchung genutzten Trainingsgerätes ist von der NASA zum Training ihrer Astronauten entwickelt worden. Der MASTIF (Multiple Axis Space Test Inertia Facility) füllte eine ganze Halle und simulierte die rollenden und taumelnden Bewegungen eines Raumschiffs. Dem im Mittelpunkt des Systems angeschnallten Astronauten ermöglichte dieses Gerät ein Training unter ähnlichen Bedingungen wie in der Schwerelosigkeit: das sich unkontrolliert bewegende Instrument mit Hilfe der Steuertechnik, schnellstmöglich wieder unter Kontrolle zu bringen (vgl. Hahn, 2002). Aus diesem historischen Vorgänger und kleineren, eher Funsport-orientierten Varianten, z.B. dem Orbitron/Gyro der Firma Orbitron (vgl. Hertzfeld, 1998), wurde schließlich im Auftrag der Firma Physio Börse in Zusammenarbeit von Biomechanikern, Ärzten, Therapeuten und Ingenieuren ein Trainingsgerät speziell für therapeutische Zwecke entwickelt (vgl. Wolf, 2006, S.24). Es ist das einzige dreidimensionale Trainingsgerät, welches durch eine TÜV-Abnahme die Legitimation zum Einsatz in der Therapie erhalten hat (vgl. Schwesig, 2001, S.46).

Parallel zur Entwicklung des Gerätes, im Folgenden kurz Spacecurl genannt, und in Zusammenarbeit mit der Physio Börse erarbeitete das Forschungs- und Präventionszentrum in Köln (FPZ) ein Lehrkonzept, um Erwerbern des Systems eine obligatorische und fachgerechte Schulungsmöglichkeit zu bieten. Das Spacecurl erweiterte hiermit gleichzeitig das zwischen 1990 und 2001 entwickelte analysegestützte therapeutische Konzept FPZ: „Deutschland den Rücken stärken“ und gab dem Gerät seine erste Bezeichnung „FPZ 3D: The Spacecurl“. Innerhalb dieses Konzeptes galt das Gerät als eine wertvolle Erweiterung für die Rückentherapie (Information des Herstellers).

Nach einem Gespräch mit Gefeller, Projektleiter der 3D-Therapie der Firma Physio Börse (November 2008), stellte sich heraus, dass sich das Umfeld des Spacecurl aktuell allerdings etwas geändert hat. Der erste Ansatz, das Gerät als Pflichtgerät zum Training der Wirbelsäulenmuskulatur in das FPZ Konzept zu integrieren, hat sich leider nicht in gewünschtem Maße umsetzten lassen. Der Hersteller vertreibt das Gerät nun ohne Bindung an das Kölner Therapiekonzept. Die offizielle Bezeichnung lautet seither einfach The Spacecurl.

2.3.2 Einstellungskomponenten und Funktionsweise des Gerätes

Die Funktionsweise des Systems basiert auf dem Prinzip der kardanischen Aufhängung, die im Mittelalter zur Aufhängung von Kompass und Uhr erfunden und nach seinem Erfinder Geronimo Cardano (1501-1576) benannt wurde. Die drei Ringe des Systems sind ineinander so gelagert, dass jeweils die Aufhängung des inneren Ringes um 90° versetzt zur Aufhängung des nächst äußeren Ringes liegt. Da alle Achsen durch den Schwerpunkt des Objektes (z.B. Kompass) verlaufen, das mit dem innersten Ring fix ist, ermöglicht diese Lagerung dem Objekt das eigene Drehen um alle drei Raumachsen bzw. das Objekt bleibt bei Lageänderungen der Aufhängung im Raum stabil (vgl. Schwesig, 2001, S.45). Im Folgenden werden die Ausdrücke freier Ring, freie Achse und Freiheitsgrad synonym verwendet. Hierbei entspricht ein freier Ring einer freien Achse sowie einem Freiheitsgrad.

Im Therapiesystem Spacecurl ist die Person im innersten Ring fixiert und bei Freigabe aller drei Ringe um alle drei Achsen des Raumes beweglich gelagert. Die Person steht auf einer höhenverstellbaren Fußplattform, mit welcher sie über zwei gepolsterte Bügel am Sprunggelenk fest verbunden wird. Im Gegensatz zu allen Vorgängerkonstruktionen kann im therapeutisch nutzbaren Gerät eine weitere Fixierung am Becken über ein vorderes und hinteres Polster vorgenommen werden. Darüber hinaus befinden sich Handgriffe im innersten Ring seitlich über der Person, die zusätzlichen Halt geben können (vgl. Wolf, 2006, S.27). Über die Einstellungsmöglichkeiten von Fußplattform und Beckenfixierung kann der Therapeut nicht nur individuell auf die Körpergröße des Patienten eingehen, sondern auch die Belastungsintensität im Training steuern. Sicherheitsmaßnahmen, wie die Feststellung der Ringe zum Ein- und Aussteigen oder auch ein Gitter im Handgriffbereich sowie Vorschriften bei der Geräteinstallation, erlauben den unbedenklichen Einsatz in therapeutischen und medizinischen Einrichtungen (vgl. Wolf 2006, S.24).

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abb.1: Vereinfachte technische Zeichnung des Therapiesystems The Spacecurl, Ansicht von vorn (aus Ebenfeld, 1997, S.12)

Mit den in Tabelle 2 angegebenen Raummaßen und den genannten Einstellkomponenten, ist das Gerät anwenderfreundlich und passt nach Angaben des Herstellers in jede therapeutische Einrichtung. Durch die Größe der Ringe ist der Personenkreis allerdings leicht eingeschränkt. Eine entsprechend kleinere Version für Kinder, Kids 3D The Spacecurl, wurde daher ebenfalls entwickelt (Körpergröße 95-145cm; vgl. Schwesig, Hottenrott, Szabo 2005, S.9).

Tab.2: Daten des System The Spacecurl der Firma Physio Börse (in Betrieb; Informationen des Herstellers)

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Vor und nach der Trainingseinheit im Spacecurl sind alle 3 Ringe des Systems mittels der Ringbremse in der Vertikalen fixiert und ermöglichen das gefahrlosen Besteigen und Verlassen des Gerätes. Über die Ringbremse kann der Therapeut die Ringe nacheinander von innen nach außen freigeben und somit den koordinativen Anspruch erhöhen. Bei freiem innersten Ring ist eine vor-zurück Pendelbewegung bis hin zur 360° Rotation um die Transversalachse möglich, die Drehpunkte befinden sich rechts und links der Person. Für die Freigabe einer weiteren Achse, fixiert der Therapeut den äußersten Ring in der Horizontalen an einer Vorrichtung. Der mittlere Ring folgt dem äußeren durch seine um 90° versetzte Lagerung in die Waagerechte. Die zusätzlichen freien Drehpunkte liegen nun vor und hinter der Person und ermöglichen so die Bewegung um die Sagittalachse, vom links-rechts-Pendel bis in die vollständige Rotation. Nach Wolf (2006) kann nun eine Markierung im inneren Ring „alle Punkte auf einer gedachten Kugeloberfläche anfahren“ und die Person ist „somit in zwei rotatorischen Dimensionen vom umgebenden Raum abgekoppelt“ (ebd., S.26). Wird die horizontale Fixierung des äußeren Ringes gelöst kommt der letzte Freiheitsgrad hinzu, welcher es der Person im inneren Ring ermöglicht sich um die eigene Längsachse zu drehen (ebd., S.26).

Die Schwerpunkte der zwei äußeren Ringe sind punktsymmetrische zu ihren Achsen und es besteht ein Gleichgewicht beider Seiten in jeder Lagerung. Das dynamische Verhalten des inneren Ringes unterscheidet sich jedoch von den äußeren, je nachdem ob sich eine Person im Gerät befindet oder nicht. Der Schwerpunkt des inneren Ringes ist durch die Vorrichtung zur Fixierung der Person klar auf eine Seite der Drehachse verschoben (Wolf, 2006, S.27). Ist nun eine Person im Gerät fixiert, ergibt sich ein neuer Gesamtschwerpunkt (innerer Ring/Person), der sich im Gegensatz zum Ringschwerpunkt in Richtung Drehachse verschoben hat. Hier wird die Wichtigkeit der höhenverstellbaren Standplattform deutlich. Bei niedriger Einstellung bleibt der Schwerpunkt auf der Seite der Plattform und der Trainierende befindet sich in einer relativ stabilen aufrechten Position. Wird die Plattform hochgestellt kann sich der Schwerpunkt auf die andere Seite der Achse verlagern und bewirkt ein labiles Gleichgewicht des Ringes (vgl. Gröber, 1999, S.31). Ohne Gegenarbeit würde sich hier eine Kopfunterposition des inneren Ringes einpendeln (vgl. Gröber, 2005, S.5). Die Verstellbarkeit der Plattform ist für den Therapeuten ein Mittel der Belastungsdosierung (vgl. Gröber, 1999, S.31). Der Trainierende kann den Schwerpunkt auch unabhängig von der Fußplattform verändern, indem er ihn durch leichtes Beugen oder Strecken der Beine oder auch durch unterschiedliche Armhaltungen senkt oder anhebt. Die Ruhelage der Ringe ist demnach abhängig von der Haltung der Person, bei Haltungsänderung und folgender Beibehaltung der Haltung finden sich die Ringe in einer neuen Ruhekonstellation wieder (Wolf, 2006, S.28). Alle Bewegungen der Person bewirken die Verlagerungen des eigenen Körperschwerpunktes, und somit auch des Gesamtschwerpunktes, und rufen eine Bewegung der freigegebenen Ringe hervor (ebd., S.28). Dies geschieht aufgrund des Drehimpulserhaltungssatzes, der eine Gegenreaktion der Ringe zur Bewegung der Person und der durch die Gravitation hervorgerufenen Drehbeschleunigung bezeichnet (Wolf, 2006, S.28). Es können große Bewegungsgeschwindigkeiten der Ringe auftreten, deren Bewegungsenergie sich in bestimmten Konstellationen aufeinander übertragen kann. Diese Situationen lassen die Bewegungen als chaotisch und schwer vorhersagbar erscheinen. Alle Bewegungsenergien und Fliehkraftwechsel, entstanden aus Rotationsgeschwindigkeit und Schwerkraft, übertragen sich natürlich auch auf die Person im Gerät, die sich gegen diese Kräfte in aufrechter Position halten muss (vgl. Gröber, 1999, S.30; Wolf, 2006, S.28f). Ebenfeld (1997) überlegt hierzu, dass sich die Belastung der Rumpfmuskulatur bei niedrigen und hohen Drehgeschwindigkeiten der Ringe unterscheiden muss. Bei niedrigen Geschwindigkeiten wirken Kräfte über längere Zeit in eine Richtung auf die Muskulatur. Bei schnellerer Bewegung ist die Belastung von kürzerer Dauer. Gröber (2005) erwähnt ebenfalls den höheren Anspruch an Kraft und Ausdauer bei stabilen Einstellungen mit tiefem Körperschwerpunkt (ebd., S.6). Ein weiterer Unterschied findet sich nach Ebenfeld (1997) in den Umkehrpunkten. Hiermit ist der Wechsel von einer Bewegungsebene in die andere gemeint, insofern, dass bei niedrigen Geschwindigkeiten die maximalen Kraftwerte niedriger sind als bei hohen Geschwindigkeiten. Somit unterliegen die Agonisten unterschiedlichen Frequenzen und Intensitäten (ebd., S.20f).

2.3.3 Spezifische Prinzipien des Spacecurl

Die dreidimensionale Bewegung im Spacecurl ermöglicht ein hochfunktionelles Training der posturalen Muskulatur der Wirbelsäule und des gesamten Rumpfes (vgl. Granert, 2005, S.27). Diese kleine Muskulatur der Wirbelsäule (vgl. Kap.2.2.3) hat die Aufgabe mit kleinen Amplituden die ständig wechselnden Richtungs- und Lageveränderungen des Alltags auszugleichen und den Oberkörper aufrecht zu halten (Granert, 2005, S.27). Wo ein Training mit herkömmlichen Geräten und Übungen nicht isoliert und physiologisch genug ansetzen kann und mit großen Bewegungsamplituden, relativ hohen Intensitäten und niedrigem koordinativen Aspekt versucht überschwellige Reize zu erzeugen, erfordert das Spacecurl genau die physiologische Funktion dieser Muskulatur. Isolierte andauernde Reize in kleinen Amplituden und in Form adäquater Stellreaktionen (vgl. Granert, 2005, S.27; Gröber, 1999, S.31; auch Albrecht, 2006, S.57). Ständig wechselnde Lageänderungen und die Aufgabenstellung den Oberkörper in lotrechter Position über den Füßen zu halten, üben starke Reize auf die Rumpfmuskulatur aus. Granert (2005) vergleicht die Belastungssituation im Spacecurl mit den Alltagssituationen „Stehen in einem fahrenden Bus“ oder „Gehen über unebenen Grund“. Der Körper muss schnell und präzise auf Richtungs- und Geschwindigkeitsänderungen reagieren. Der Autor verdeutlicht hierüber auch die Nähe dieser Anforderungen mit dem Trainingsprinzip der funktionellen Anpassung und spricht weiter vom „Spacecurl-Prinzip“ (ebd., S.27).

Durch das Nachgeben der Plattform unter den Füßen auf Grund der Schwerpunktverlagerung werden neuartige Reize für die Wahrnehmung von Haltung und Bewegung gesetzt. Die Gewichtsverlagerung auf der Standfläche fordert also die Reaktion des Rumpfes (vgl. Gröber, 1999, S.31). Die Bewegungen des Spacecurl sind daher die direkte Rückmeldung auf die Körperhaltung und die eigene muskuläre Aktivität (vgl. Wolf, 2006, S.29). Dass der Übende das Gerät selbständig und koordiniert bewegt, ist eine Möglichkeit der Gerätenutzung. Eine andere Variante des Spacecurl-Trainings erfolgt „passiv“, d.h. der Therapeut hält die Ringe in Bewegung woraufhin der Übende im Spacecurl versucht seine eigene senkrechte Position beizubehalten (vgl. Granert, 2005, S.28). Die Bewegung um alle Raumachsen fordert die Zusammenarbeit der gesamten Rumpfmuskulatur durch die sich ständig ändernden Schwerkrafteinflüsse auf den Körper und stellt vor allem qualitative Reize an das neuromuskuläre System (vgl. Granert, 2005, S.27). Auch Gröber (1999) sieht die Verbindung von physiologischer Haltung, multidimensionaler Belastung und einem hochkoordinativen Anspruch als Vorteil des Spacecurl Trainings für das posturale System (ebd, S.31)

Die Trägheit der Ringe hat nach Gröber (2005) eine ganz besondere Wirkungen für die übende Person. Jede Bewegung der Person überträgt sich durch die Massenträgheit der Ringe verlangsamt, jedoch auch verstärkt auf deren Bewegung. Der Vorteil ist zum einen, dass jede gewollte Bewegung mit Nachdruck durchgeführt werden muss und die Bewegung der Ringe daher kognitiv gut nachvollziehbar ist. Zum anderen „bereinigen“ sich kleine, unruhige Bewegungen, z.B. durch Nervosität der Person, wie von allein (Gröber, 2005, S.7).

2.3.4 Ziele und Indikationen des Spacecurltrainings

Nach Informationen des Herstellers fordert das Spacecurl in hohem Maße das sensomotorische System und das Training ist demnach hauptsächlich ein Koordinations- und Wahrnehmungstraining. Auswirken soll es sich auf die intermuskuläre Koordination der Haltungsmuskulatur und damit zu einer Haltungsverbesserung führen. Die hohen Anforderungen an die Wahrnehmung von Lage und Bewegung des Körpers im Raum verdeutlicht den hohen Anteil propriozeptiver und neurophysiologischer Aspekte. Die Verbesserung des statischen Gleichgewichts und der dynamischen Stabilität ist ebenso wie die dynamische Reaktionsbereitschaft ein Ziel durch die hohe Beanspruchung der entsprechenden Systeme. Das Gerät ist nach Informationen des Herstellers ein optimales Gerät zur Trainingsvariation. Er nennt verschiedene Indikationen, welche von dem dreidimensionalen Training im Spacecurl besonders profitieren:
- Posturale Instabilität (z.B. bei neurologischen Erkrankungen)
- Orthopädische Problemstellung
- Muskuläre Insuffizienzen und Dysbalancen

Als absolute Kontraindikationen sind Aneurismen und Thrombosen angegeben. Relative Kontraindikationen können nach Angaben des Herstellers anhand individueller Belastungssteuerung kompensiert werden.

2.3.5 Forschungsstand

Mittlerweile wurde das Gerät in multidisziplinären Studien auf Effektivität und Wirkungsweise geprüft.

Eine erste Pionierstudie wurde 1997 an der Universität Heidelberg im Rahmen einer Magisterarbeit durchgeführt. Zu diesem Zeitpunkt lagen noch keine wissenschaftlichen Studien zur Wirkungsweise und Effektivität des Trainingsgerätes vor. Ebenfeld (1997) führte eine 4 wöchige Trainingsintervention mit Schülern eines Sportgymnasiums durch. Das Training erfolgte mit dem damaligen Prototyp des später in der Therapie eingesetzten Dreiachstrainers Spacecurl. Über Literaturarbeit und Überlegungen versuchte der Autor sich der Funktionsweise und den typischen Belastungsmerkmalen des Spacecurl anzunähern. Physikalische Prinzipien des Gerätes werden grob hergeleitet und die körperliche Belastung im Gerät wird mit Hilfe der sportwissenschaftlichen Literatur erörtert. Wirklich spezifische Aussagen zu Dreiachstrainern lagen nur von verschiedenen Entwicklern und Herstellern in Form von Faltblättern vor und wurden vom Autor zum Teil bestätigt oder angezweifelt. Die Testergebnisse der Studie erbrachten nur teilweise die erwarteten Werte. Gerade die in späteren Studien als signifikant nachgewiesene Verbesserung der statischen Gleichgewichtsfähigkeit musste hier als nicht verbessert verzeichnet werden. Der Autor wies jedoch, mit Kritik am gewählten Koordinationstest der Studie, auf die Notwendigkeit erneuter Tests hin, da vom Grundsatz her doch Verbesserungen zu erwarten sein müssten. Letztendlich aber sei nach Ebenfeld (1997) die Nutzung im therapeutischen Bereich möglich, allerdings mit Konzepten, welche auf Erkrankungen und Schädigungen abgestimmt sind.

In einer groß angelegten multidisziplinären Studie von Schwesig (2001) im Rahmen seiner Dissertation war es das Ziel nachzuweisen, ob „das Koordinationstraining im Dreiachstrainer Spacecurl über die Verbesserung der Koordination der Rumpfmuskulatur zur Rückenschmerzreduktion“ beitragen kann (Schwesig, 2001, S.35). Die Untersuchung wurde mit 104 Mitarbeiter/Innen der Medizinischen Fakultät der Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg durchgeführt. Die Teilnehmer/Innen wurden in vier Untersuchungsgruppen eingeteilt: Kontrollgruppe, Trainingsgruppe, Trainings- und Verhaltenspräventionsgruppe und Verhaltenspräventionsgruppe (vgl. Schwesig, 2001, S.40). Der Ablauf der Untersuchung schloss zu mehreren Zeitpunkten sportwissenschaftliche (Posturographie, Koordinationstests), medizinische (Muskelfunktionsdiagnostik nach Janda, Oberflächen-Elektromyographie (EMG), Hypermobilitätstests, Anthropometrie) und psychosoziale (Fragebogenuntersuchung) Diagnostiken mit ein (vgl. Schwesig, 2001, S.42). Der Trainingsprozess für die entsprechenden Untersuchungsgruppen erstreckte sich über 36 Einheiten in denen ein der Gruppe entsprechendes Training durchgeführt wurde (ebd. S.48). Die Ergebnisse der Studie sind im Hinblick auf die Effektivität des Spacecurltrainings und die Verbesserung der Rumpfkoordination signifikant. Aus gewonnen EMG-Daten konnte gefolgert werden, dass sich durch ein Koordinationstraining im Spacecurl die intermuskuläre Koordination der Rumpfmuskulatur signifikant verbessert. Das posturographische Testverfahren wies nach, dass sich auch die statische Gleichgewichtsfähigkeit (Standgleichgewicht) signifikant verbesserte (vgl. Schwesig, 2001, S.117).

Granert (2005) untersuchte andere Aspekte der beschriebenen Studie. Sein Interesse galt der Frage „inwieweit sich die Posturographie zur Verlaufskontrolle der Variable(n) Standstabilität eignet“ (Granert, 2005, S.22) und welches Präventionsprogramm die Veränderung der Standstabilität bewirkt (ebd., S.22). Ergebnisse der posturographischen Untersuchung zeigten, dass das Training im Spacecurl zu deutlichen Verbesserungen der Standstabilität führte (ebd., S.62). Weitere Aussagen unterscheiden zwischen der posturographisch erfassten Gesamtkörperkoordination und den muskulären Koordinationsmustern im EMG-gestützten Koordinationstest im Spacecurl. Die Gesamtkörperkoordination ließ sich 3 Monate nach Trainingsende nicht mehr feststellen, wohingegen die Koordinationsmuster als stabil angesehen werden konnten (ebd., S.63).

In einer ebenfalls interdisziplinären Studie wandte sich Wolf (2006) dem sensomotorischen Training im Spacecurl zu und entwickelte ein System, das die therapeutische Anwendung des Spacecurl unterstützen und objektivieren soll. Im Vorfeld zeigt der Autor Probleme bezüglich der Bewertung der Übungsdurchführung und der Trainingsdokumentation sowie mangelnde Auswertbarkeit und Vergleichbarkeit der Therapieeinheiten auf (ebd., S.3). Mit Hilfe der medizinischen Informatik wurden die Konzepte mit Methoden der virtuellen Realität umgesetzt. Dem Therapeuten sollte damit ein objektives Software-Werkzeug in die Hand gegeben werden, um die Fortschritte im Trainingsprozess klar verfolgen zu können (ebd., S.4). Im Rahmen der angeschlossenen Studie wurde eine Trainingsintervention mit diesem System begleitet. Die Teilnehmer waren Personen mit Apoplexie, Rückenschmerzen, Diabetes sowie eine Kontrollgruppe ohne Indikation. Die Studie zeigte, dass sich im Spacecurl auffällige Unterschiede zwischen erkrankten/geschädigten Personen und gesunden, untrainierten Personen zeigten (ebd., S.160). Allerdings sind aufgrund der individuellen Ausprägung jeder Erkrankung/Schädigung auch hohe Unterschiede innerhalb der Gruppen aufgezeigt worden (ebd., S.162). Diese Aussagen sind allerdings nicht Schwerpunkt der Arbeit gewesen und stehen in der Ergebnisdarstellung ohne Folgerung dar. Die eigentliche Schlussfolgerung der Arbeit ist, dass sich das entwickelte System als geeignet zur Unterstützung einer Therapie im Spacecurl herausgestellt hat (ebd., S.181).

Im Jahr 2005 führten Schwesig, Hottenrott und Szabo ein dreidimensionales Koordinationstraining mit Grundschulkindern durch. Untersucht wurde, ob das Training einen Einfluss auf die Koordination von Grundschulkindern haben kann (ebd., S.9). An der Studie nahmen 42 Kindern der 3. Klasse einer Grundschule teil. Das Training erfolgte mit 20 Kindern über 10 Wochen. Die Kinder der Kontrollgruppe führten kein Training durch. Das Ergebnis der Studie zeigt, dass das Training im Spacecurl für die Verbesserung der Haltungsregulation und Koordination geeignet ist. Gleichzeitig geben die Autoren Empfehlungen für die Anwendung im Bereich der technisch-akrobatischen Sportarten. Als weitere positive Effekte des Spacecurltrainings werden Verbesserung der Körperwahrnehmung und Selbstkonzeptentwicklung auffälliger Kinder genannt (ebd., S.13).

2.4 Problemstellung und wissenschaftliche Fragestellung

Die vorgestellten Studien haben die Effizienz und Praktikabilität eines Trainings im Spacecurl in der Rückentherapie bestätigt. Im Rehabilitationsprozess nach Querschnittläsion wirkt das Gerät zunächst erst mal ungeeignet. Grund hierfür ist z.B. die häufig nicht vorhandene Stehfähigkeit der Personen. Wie kann ich also eine Person im Spacecurl fixieren, wenn diese nicht stehen kann? Wie soll sich die Person im Spacecurl aufrecht halten, wenn die Rumpfmuskulatur nur teilweise funktionstüchtig ist? Da ein Training mit Querschnittgelähmten im Spacecurl im Grunde bisher kaum durchgeführt wird, liegen keine Erfahrungen geschweige denn Forschungsansätze oder Studien vor.

Angesichts der vielen dargestellten positiven Effekte des Trainings ist es allerdings eine Überlegung wert, ob es nicht auch mit Personen mit dem Schädigungsbild einer Querschnittlähmung durchführbar oder sogar ähnlich erfolgreich sein kann. Trägt das dreidimensionale Training zu einer Verbesserung des Standgleichgewichtes bzw. der statischen Balance bei stehfähigen Personen bei, könnte es ebenso die Balance im freien Sitz rollstuhlabhängiger Personen beeinflussen. Die Wichtigkeit einer guten Oberkörperbalance ist in Kap. 2.1.3 bereits erwähnt worden.

Ein umfassender Studienansatz wäre es, herauszufinden, inwieweit sich der Rehabilitationsprozesses nach Querschnittlähmung durch ein Training im Spacecurl ergänzen ließe. So wäre zu erwarten, dass die spezifischen und bereits nachgewiesenen neuromuskulären Adaptationsprozesse auch der querschnittgelähmten Person im Bereich Oberkörper- und Sitzbalance zugute kommen. Nach den Zielen des Rehabilitationsprozesses könnte der Person also geholfen werden

- seine koordinative Leistungsfähigkeit im Oberkörper zu steigern und dadurch
- den Trainingsprozess der Balance im freien Sitz zu unterstützen. Zusätzlich könnten sich
- die Transferleistung im Bezug auf Aktivitäten des täglichen Lebens verbessern (Mobilität im Rollstuhl, im Alltag) und sich damit
- die selbst empfundene Alltagseffektivität erhöhen.

Im Rahmen dieser Arbeit wird es jedoch methodisch und organisatorisch nicht möglich sein zu überprüfen, in welchem Maße und auf welchen Ebenen eine Person mit Paraplegie von einem Training im Spacecurl profitiert. Es bestehen keine objektiven und standardisierten Tests zur Prüfung der posturalen Balance im Sitz, im Stand dagegen kann die Posturographie z.B. mit Zebris oder Tetrax durchgeführt werden. Außerdem schränken die klinischen Umstände und personalen Kapazitäten die Studie in dieser Hinsicht ein.

Da es zunächst aber hochinteressant wäre zu prüfen, ob und wie ein Training mit Querschnittläsion überhaupt durchgeführt werden kann, ergibt sich die Zielstellung der Arbeit.

Ziel der Arbeit ist es, ein erstes Konzept zu entwickeln, welches die eingeschränkten Funktionen querschnittgelähmter Personen berücksichtigt und aufzeigt, welche begleitenden Umstände und notwendige Modifikationen sich ergeben und beachtet werden müssen.

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Details

Seiten
Erscheinungsform
Originalausgabe
Jahr
2009
ISBN (eBook)
9783836633451
DOI
10.3239/9783836633451
Dateigröße
6.7 MB
Sprache
Deutsch
Institution / Hochschule
Universität Leipzig – Sportwissenschaften
Erscheinungsdatum
2009 (Juli)
Note
1,4
Schlagworte
wahrnehmungstraining koordinationstraining konzeptentwicklung therapie proband
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Titel: Konzeptionelle Überlegung zu einem Training mit Querschnittsgelähmten im Dreiachstrainer The Spacecurl
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