Interdependenzen zwischen Public Relations und Journalismus
Theoretische Betrachtungen und eine Fallstudie am Beispiel der Paris Lodron Universität und der Universität Mozarteum Salzburg
Zusammenfassung
Motivation:
Im Herbst 1997 entschied ich mich ganz spontan für das Studium der Kommunikationswissenschaft und setzte, im Rahmen der gewählten Fächer, meinen Schwerpunkt auf Public Relations und Öffentlichkeitsarbeit. Dieser Entscheidung ging ein längeres Gespräch mit der damaligen PR-Chefin des Hilti-Konzerns voraus. Frau Mag. Wagner studierte Kommunikationswissenschaft in Salzburg und empfahl mir dieses Studium, da ich durch bestimmte Hintergrundinformationen und Kommunikationstheorien enorme Vorteile in meinem späteren Berufsleben hätte. In diesem Gespräch ging sie auch sehr auf die beiden Schwerpunkte Public Relations und Journalismus ein. Es wäre für PR-Treibende von größtem Vorteil, wenn man beide Seiten genauer kennt. Der Umgang mit Journalisten sollte fruchtbar und produktiv sein. Journalisten sind Freunde und keine Feinde.
Während meines Studiums ergab es sich so, dass ich vor allem Vorlesungen und Lehrveranstaltungen aus dem Bereich Public Relations besuchte, in den Sommermonaten jedoch eher journalistisch tätig war. So arbeitete ich als freie Mitarbeiterin bei den Vorarlberger Nachrichten, bei der PR-Agentur WIR als Assistentin für die Mitarbeiterzeitung und auch bei der Vorarlberger Wirtschaftskammer für die eigene Wirtschaftszeitung. Im Rahmen dieses Praktikums saß ich, angehende PR-Frau, als Journalistin bei Pressekonferenzen und anderen Veranstaltungen auf der anderen Seite und agierte so, wie es wohl alle anderen Journalisten im hektischen Reaktionsalltag auch tun.
Ohne Skrupel warf ich die mühsam von PR-Leuten gestalteten Presseaussendungen in den Papierkorb, strich Passagen, formulierte um und verbesserte. An anderen Tagen jedoch war ich wiederum sehr froh, auf solche Aussendungen zurückgreifen zu können und diese als Lückenfüller zu verwenden.
Seit Oktober 2002 arbeite ich nun als Assistentin von Frau Mag. Pfeifer im PR-Büro der Paris Lodron Universität Salzburg und bin dort unter anderem für den Pressespiegel zuständig. Im Rahmen dieser Tätigkeit entwickelte ich die Idee für das Thema dieser Diplomarbeit.
Ziel und Aufbau:
Ziel dieser Arbeit ist es, das Verhältnis zwischen Public Relations und Journalismus zu durchleuchten. Dies erfolgt durch eine umfassende theoretische Aufarbeitung des Themas mittels Literaturanalyse. Im ersten Teil dieser Arbeit werden die gesellschaftlichen Subsysteme Public Relations und Journalismus vorgestellt. Im zweiten Teil wird dann, unter Berücksichtigung […]
Leseprobe
Inhaltsverzeichnis
Inhaltsverzeichnis
1. Einleitung
1.1. Motivation
1.2. Ziel und Aufbau
1.3. Methode
2. Öffentlichkeitsarbeit – Public Relations
2.1. Entwicklung und Definitionen von Public Relations
2.1.1. Entwicklung in den USA
2.1.2. Entwicklung in Europa
2.1.3. Definitionen von Public Relations
2.2. Sichtweisen von Public Relations
2.2.1. Die organisationstheoretische Sichtweise
2.2.2. Die gesellschaftstheoretische Sichtweise
2.2.3. Die marketingtheoretische Sichtweise
2.3. Modelle der Public Relations
2.3.1. Die Modelle von Grunig und Hunt
2.3.2. Das Public Relations Prozessmodell von Long und Hazleton
2.3.3. Das Modell der verständigungsorientierten Öffentlichkeitsarbeit von Burkart
2.4. Phasen des Public Relations Prozesses
2.5. Teilöffentlichkeiten
2.5.1. Definition und Abgrenzung
2.5.2. Die Theorie der situativen Teilöffentlichkeiten
2.6. Zusammenfassung
3. Presse- und Medienarbeit
3.1. Definition, Gründe und Aufgaben der Presse- und Medienarbeit
3.2. Instrumente der Presse- und Medienarbeit
3.2.1. Die Presseinformation/Presseaussendung
3.2.2. Die Pressekonferenz
3.3. Die Rolle der Journalisten
3.4. Zusammenfassung
4. Journalismus
4.1. Entwicklung und Definitionen des Journalismus
4.1.1. Kurze Geschichte des Journalismus
4.1.2. Definitionen von Journalistik und Journalismus
4.2. Theorien des Journalismus
4.2.1. Der normative Individualismus
4.2.2. Die materialistische Medientheorie
4.2.3. Der analytische Empirismus
4.2.4. Der legitimistische Empirismus
4.2.5. Die (kritischen) Handlungstheorien
4.2.6. Die funktionalistischen Systemtheorien
4.2.7. Die integrativen Sozialtheorien
4.2.8. Die Cultural Studies
4.3. Das System Journalismus
4.3.1. Das Zwiebelmodell von Weischenberg
4.3.2. Journalismus als strukturdeterminiertes soziales System
4.3.3. Der Strukturwandel des Systems
4.4. Die Theorien der Nachrichtenauswahl
4.4.1. Die Gatekeeperforschung
4.4.2. Die News-Bias-Forschung
4.4.3. Die Nachrichtenwert-Theorie
4.5. Qualität im Journalismus
4.5.1. Gründe der Qualitätsforschung
4.5.2. Die Qualitätsforschung
4.5.3. Ausblick in der Qualitätsforschung
4.6. Zusammenfassung
5. Interdependenzen zwischen Public Relations und Journalismus
5.1. Der Einfluss der Public Relations auf den Journalismus
5.2. Das „privilegierte Verhältnis“ von Public Relations und
Journalismus
5.3. Der steuerungstheoretische Determinationsansatz
5.4. Der handlungstheoretische Intereffikationsansatz
5.4.1. Das Arenenmodell
5.4.2. Das Vier-Akteursmodell
5.4.3. Das Intereffikationsmodell
5.5. Der systemtheoretische Interpenetrationsansatz
5.6. Zusammenfassung
6. Empirischer Teil - Fallbeispiel Paris Lodron Universität und Universität Mozarteum Salzburg
6.1. Einleitung und Methode
6.2. Forschungsfragen und Hypothesen
6.3. Zusammenfassung der Interviews
6.3.1. Interviews mit den Pressereferentinnen der Universitäten
6.3.2. Interviews mit den Journalisten
6.4. Beantwortung der Hypothesen im Rahmen einer Zusammen-
fassung
7. Fazit
8. Literaturverzeichnis
1. Einleitung
1.1. Motivation
Im Herbst 1997 entschied ich mich ganz spontan für das Studium der Kommunikationswissenschaft und setzte, im Rahmen der gewählten Fächer, meinen Schwerpunkt auf Public Relations und Öffentlichkeitsarbeit. Dieser Entscheidung ging ein längeres Gespräch mit der damaligen PR-Chefin des Hilti-Konzerns voraus. Frau Mag. Wagner studierte Kommunikationswissenschaft in Salzburg und empfahl mir dieses Studium, da ich durch bestimmte Hintergrundinformationen und Kommunikationstheorien enorme Vorteile in meinem späteren Berufsleben hätte. In diesem Gespräch ging sie auch sehr auf die beiden Schwerpunkte Public Relations und Journalismus ein. Es wäre für PR-Treibende von größtem Vorteil, wenn man beide Seiten genauer kennt. Der Umgang mit Journalisten sollte fruchtbar und produktiv sein. Journalisten sind Freunde und keine Feinde.
Während meines Studiums ergab es sich so, dass ich vor allem Vorlesungen und Lehrveranstaltungen aus dem Bereich Public Relations besuchte, in den Sommermonaten jedoch eher journalistisch tätig war. So arbeitete ich als freie Mitarbeiterin bei den Vorarlberger Nachrichten, bei der PR-Agentur „WIR“ als Assistentin für die Mitarbeiterzeitung und auch bei der Vorarlberger Wirtschaftskammer für die eigene Wirtschaftszeitung. Im Rahmen dieses Praktikums saß ich, angehende PR-Frau, als Journalistin bei Pressekonferenzen und anderen Veranstaltungen auf der „anderen“ Seite und agierte so, wie es wohl alle anderen Journalisten im hektischen Reaktionsalltag auch tun.
Ohne Skrupel warf ich die mühsam von PR-Leuten gestalteten Presseaussendungen in den Papierkorb, strich Passagen, formulierte um und verbesserte. An anderen Tagen jedoch war ich wiederum sehr froh, auf solche Aussendungen zurückgreifen zu können und diese als „Lückenfüller“ zu verwenden.
Seit Oktober 2002 arbeite ich nun als Assistentin von Frau Mag. Pfeifer im PR-Büro der Paris Lodron Universität Salzburg und bin dort unter anderem für den Pressespiegel zuständig. Im Rahmen dieser Tätigkeit entwickelte ich die Idee für das Thema dieser Diplomarbeit.
1.2. Ziel und Aufbau
Ziel dieser Arbeit ist es, das Verhältnis zwischen Public Relations und Journalismus zu durchleuchten. Dies erfolgt durch eine umfassende theoretische Aufarbeitung des Themas mittels Literaturanalyse. Im ersten Teil dieser Arbeit werden die gesellschaftlichen Subsysteme Public Relations und Journalismus vorgestellt. Im zweiten Teil wird dann, unter Berücksichtigung neuester Studien, auf die Interdependenzen zwischen Public Relations und Journalismus eingegangen. Im empirischen Teil soll am Beispiel der Paris Lodron Universität und der Universität Mozarteum Salzburg geklärt werden, inwieweit sich die Ergebnisse aus der Literaturanalyse in der Praxis bestätigen. Zu diesem Zweck werden Experteninterviews mit den Pressereferenten der Universitäten und den für die universitäre Berichterstattung relevanten Journalisten geführt und zueinander in Verbindung gesetzt.
Die Arbeit gliedert sich in einen theoretischen und in einen empirischen Teil. Der Theorieteil selbst teilt sich in vier große Themenbereiche. Das Kapitel 2 „Öffentlichkeitsarbeit – Public Relations“ verdeutlicht die Grundlagen des gesellschaftlichen Subsystems Public Relations. Es beginnt mit einer ausführlichen Darstellung der Entwicklung und Geschichte von Public Relations in den USA und in Europa. Es folgt die Präsentation der verschiedenen Definitionsversuche namhafter Vertreter der PR-Wissenschaft. Kapitel 2.2. behandelt die unterschiedlichen Sichtweisen von Public Relations. Dabei wird die organisationstheoretische, die gesellschaftstheoretische und die marketingtheoretische Sichtweise vorgestellt. Kapitel 2.3. erklärt ausführlich die Modelle der Public Relations. Ausführlich werden dabei die Modelle des Wissenschaftsteams Grunig und Hunt, das Public Relations Prozessmodell von Long und Hazleton sowie das Modell der verständigungsorientierten Öffentlichkeitsarbeit von Burkart behandelt. In Kapitel 2.4. folgen die Phasen des Public Relations Prozesses und Kapitel 2.5. stellt die Theorie der situativen Teilöffentlichkeiten vor.
Kapitel 3 widmet sich einem Teilbereich der Public Relations, der „Presse- und Medienarbeit“. Kapitel 3.1. behandelt Definition, Gründe und Aufgaben dieses Teilbereiches. In Kapitel 3.2. werden die Instrumente der Presse- und Medienarbeit vorgestellt und dabei Presseinformationen und Pressekonferenzen ausführlich behandelt. Weiters wird die Rolle des Journalisten erläutert.
Ähnlich aufgebaut wie Kapitel 2 ist das Kapitel 4 „Journalismus“. Es behandelt die Entwicklung und die Geschichte des Journalismus.
Bei der Präsentation der einzelnen Definitionsversuche bekannter Wissenschafter wird zwischen Journalistik und Journalismus unterschieden. Kapitel 4.2. stellt die verschiedenen Theorien des Journalismus vor und behandelt acht davon ausführlich. Das System Journalismus wird in Kapitel 4.3. anhand des Zwiebelmodells von Weischenberg und des Werkes „Journalismus als soziales System“ von Blöbaum diskutiert. Auf die Theorien der Nachrichtenauswahl, im speziellen auf die Gatekeeperforschung, die News-Bias-Forschung und die Nachrichtenwert-Theorie, geht Kapitel 4.4. ein. Die Qualität im Journalismus behandelt Kapitel 4.5.
Gegenstand des Kapitels 5 sind die „Interdependenzen zwischen Public Relations und Journalismus“. Anhand der Studien „Journalismus in Deutschland“ und „Was steuert Journalismus“ wird der Einfluss der Öffentlichkeitsarbeit auf den Journalismus diskutiert. Weiters beschäftigt sich das Kapitel ausführlich mit dem „privilegierten Verhältnis“ der beiden Gesellschaftssysteme und stellt den steuerungstheoretischen Determinationsansatz, den handlungstheoretischen Intereffikationsansatz sowie den systemtheoretischen Interpenetrationsansatz vor. Dabei werden die wichtigsten Studien zu den jeweiligen Ansätzen behandelt.
Der empirische Teil beginnt mit einer kurzen Einleitung, der Erläuterung der Methode und der Darstellung der Forschungsfragen. Die folgenden Unterkapitel fassen die Ergebnisse der Interviews mit den Pressereferentinnen und den Journalisten zusammen. Die Beantwortung der Forschungsfragen beendet diese Arbeit.
1.3. Methode
Im theoretischen Teil verwende ich als methodische Grundlage der Literaturanalyse die Meta-Analyse, deren Ziel es ist, die Ergebnisse der bisherigen wissenschaftlichen Forschung zusammenzufassen und Zusammenhänge und Gegensätze dieser Arbeiten herauszustreichen.[1] Die sehr umfangreich vorhandene Literatur hat mir die qualitative Inhaltsanalyse erleichtert. Die Auswahl der verwendeten Titel versucht einen großen Kreis der Grundlagenliteratur abzudecken, erfolgte aber nach subjektiven Aspekten. Man kann daher nur von einer Literaturauswahl sprechen.
1976 wurde der Begriff der Meta-Analyse von Gene Glass eingeführt. Der Begriff Meta-Forschung von Bonfadelli und Meier entspricht in etwa den „literature reviews“, wie Cooper sie beschreibt.
Er verwendet anstelle der Meta-Analyse den Ausdruck „integrating research“.[2] Grundsätzlich kommt der Meta-Forschung große Bedeutung zu, da sie genauso aussagekräftig ist wie Primäranalysen. Die methodische Beschränkung von Einzelstudien kann als Schwäche ausgelegt werden. Viele schwache Studien können durch eine systematisierte Meta-Analyse starke Beweiskraft entwickeln.[3]
Bonfadelli und Meier (1984, 539f.) nennen drei verschiedene Typen, die sich bezüglich der verwendeten Methoden, der ihnen zugrunde liegenden Daten und der Zielsetzung unterscheiden:
- die qualitativ verfahrende Literaturanalyse,
- die Methode des propositionalen Inventars,
- die quantitativ verfahrende Literaturanalyse.
Cooper (1989, 14) nennt als Richtlinie für die Durchführung der Analyse fünf Stufen der „integrative research review“:
- Problem formulation stage
- Data collection stage
- Evaluation of data points
- Analysis and interpretation
- Presentation of result.
An dieser Stelle möchte ich mich bei Univ.-Prof. Dr. Hans Heinz Fabris für die fachliche Betreuung dieser Arbeit bedanken. Seine Anregungen und Hinweise waren eine große Hilfe. Danken möchte ich auch Frau Mag. Pfeifer für die Anregung und Motivation zu diesem Thema, meinen Interviewpartnern und all jenen, die während meiner Studienzeit, vor allem in den schweren und traurigen Zeiten, an mich geglaubt, mich unterstützt und motiviert haben. Besonderer Dank gebührt meinen Eltern, die mich zum Studium animiert und mir dieses auch durch ihre finanzielle Unterstützung ermöglicht haben.
2. Öffentlichkeitsarbeit – Public Relations
Das Kapitel Öffentlichkeitsarbeit – Public Relations gibt einen Überblick über die aktuelle Public Relations Theorie. Es beginnt mit einer kurzen geschichtlichen Zusammenfassung über die Entstehung und Entwicklung von Public Relations in den USA und in Europa. Es werden einige Definitionen namhafter Vertreter der PR-Wissenschaft erläutert. Weiters werden die organisationstheoretische, die gesellschaftstheoretische und die marketingtheoretische Sichtweise sowie einzelne Modelle der PR-Forschung vorgestellt. Detailliert wird dabei auf die Modelle von Grunig und Hunt, auf das Prozessmodell von Long und Hazleton und auf das Modell der verständigungsorientierten Öffentlichkeitsarbeit von Roland Burkart eingegangen. Das Kapitel behandelt auch den Public Relations Prozess und die situative Theorie der Teilöffentlichkeiten.
2.1. Entwicklung und Definitionen von Public Relations
2.1.1. Entwicklung in den USA
Der Begriff „ Public Relations “ wurde 1882 erstmals von Rechtsanwalt Dorman Eaton in den USA vor einem Graduiertenseminar in der Yale Law School verwendet und mit „ to mean relations for the general good “ erklärt. In seiner heutigen Bedeutung tauchte der Begriff 1887 im amerikanischen „Yearbook of Railway Literature“ auf. Ab 1890 bezogen engagierte, kritische Journalisten in heftigen Arbeitskonflikten Stellung gegen die bedenklichen Praktiken der Kohlen-, Eisenbahn- und Mineralölbarone. Aus diesen Gründen engagierte 1905 John D. Rockefeller senior den freien Journalisten Ivy Lee als Berater und Verteidiger. Dieser entwickelte eine „Declaration of Principles“, in der er der Öffentlichkeit mitteilte: „Unser Plan ist, kurz und offen, die Presse und die Bevölkerung schnell und genau über die Tatsachen zu unterrichten, die für sie von Wert und Interesse sind.“ Diese Deklaration kann als Geburtsstunde der Public Relations bezeichnet werden.[4]
Im Jahr 1913 begann der PR-Pionier und Neffe Siegmund Freuds, Edward L. Bernays, seine Laufbahn und leistete durch das Einbringen der angewandten Psychoanalyse in die Public Relations einen wesentlichen Beitrag zur Entwicklung dieser kommunikativen Disziplin, in der sozialpsychologisches und psychostrategisches Planen, Abwägen und Handeln eine wesentliche Rolle spielen.
Nach den Kriegserklärungen in Europa 1914 setzte der amerikanische Präsident Wilson das „Committee on Public Information“ ein mit der Aufgabenstellung, „der Bevölkerung die Ziele der Regierung klarzumachen, Widerstand von vornherein als unmoralisch bloßzustellen und zu einer breiten Unterstützung aufzurufen“. Angeregt vom Erfolg dieser Kriegs-PR-Kampagne gründete auch die Katholische Kirche in New York ein „Publicity Bureau“.
1923 setzte Bernays einen Meilenstein in der Geschichte der Public Relations. Er hielt an der New Yorker Universität die erste PR-Vorlesung und veröffentlichte das erste PR-Buch „Crystallizing Public Opinion“.
2.1.2. Entwicklung in Europa
Noch bevor die Begriffe Public Relations und Öffentlichkeitsarbeit im deutschsprachigen Raum Fuß fassen konnten, gab es praktische Tätigkeiten, die unter Öffentlichkeitsarbeit fallen.[5] Alfred Krupp nahm 1851 mit seinem Etablissement an der Weltausstellung in London teil und präsentierte dort den größten bisher in einem Stück gegossenen Stahlblock. Die Firma Krupp wurde mit dieser Sensation weltweit ein Begriff und konnte sich so ihr Image aufbauen. Bis zum Ersten Weltkrieg gab es auch kommunikative Aktivitäten des Waschmittelherstellers Henkel, des Keksfabrikanten Bahlsen, von AEG, Siemens und Bayer.
Der Begriff „Public Relations“ wurde 1937 in Deutschland erstmals von Carl Hundhausen, der von einem Aufenthalt aus den USA zurückkam, in einem Artikel der Zeitschrift „Deutsche Werbung“ verwendet. Er definiert den Begriff Public Relations als „die Kunst, durch das gesprochene oder gedruckte Wort, durch Handlungen oder durch sichtbare Symbole für die eigene Firma, deren Produkte oder Dienstleistungen eine günstige öffentliche Meinung zu schaffen.“[6] 1938 erschien von ihm in der „Zeitschrift für Betriebswirtschaft“ ein Beitrag zu „Public Relations“, dessen Anregungen jedoch ohne Erfolg blieben.
Während des Zweiten Weltkriegs war Öffentlichkeitsarbeit Propaganda und die Pressebüros nichts mehr als Zensurstellen. Die eigentliche Öffentlichkeitsarbeit in Deutschland begann erst nach der Währungsreform 1948 und dem Arbeitsbeginn des ersten Bundestages und der Bundesregierung 1949. Der Deutsche Industrie- und Handelstag richtete 1950 eine Presseabteilung ein.
Die damalige Hauptgeschäftsführung lehnte den amerikanischen Begriff „Public Relations“ ab und so ersann Albert Oeckl den Begriff „Öffentlichkeitsarbeit“. Dieser wurde zum Bestandteil der Umgangssprache.[7]
2.1.3. Definitionen von Public Relations
Begriffsbestimmungen von Public Relations findet man nahezu in allen Lehrbüchern. Aufgrund der unüberschaubaren Vielzahl von Definitionen kommt es zwischen den einzelnen Autoren zu Kritik. So kritisieren auch Ronneberger und Rühl (1992, 34ff.), dass „Definitionen ihre Funktion im Erkenntnisprozess verfehlen, wenn sie in erster Linie zum Vorzeigen und nicht als anwendungsfähiges Denkzeug eingebracht werden“. Darüber hinaus sind PR-Definitionen unter zwei Gesichtspunkten zu prüfen:
- unter metatheoretischen Gesichtspunkten: das heißt unter erkenntnis- und wissenschaftstheoretischen Begriffen und Grundsätzen, die von Wissenschaftlern zur Bearbeitung humankommunikativer Probleme akzeptiert worden sind und
- unter einzeltheoretischen Gesichtspunkten: das heißt unter humanwissenschaftlichen Grundsätzen und Theorien.
Rühl (1992)[8] selbst definiert „ Public Relations ist, was Public Relations tut “. Was PR tut, lässt sich nach Schulz (2002, 519) auf zwei Ebenen betrachten. Zum einen kann man es operational, das heißt im Sinne von Handeln verstehen und unter Bezug auf konkrete PR-Tätigkeiten beschreiben. Zum anderen kann man es funktional auffassen, das heißt den Blick auf die Wirksamkeit oder Leistung von Public Relations richten.
Rex Harlow[9] hat aus 472 verschiedenen PR-Definitionen die am häufigsten vorkommenden und ihm am wichtigsten erscheinenden Bestandteile zusammengefasst:
„Public Relations ist eine unterscheidbare Management-Funktion, die dazu dient, wechselseitige Kommunikationsverbindungen, Akzeptanz und Kooperation zwischen einer Organisation und ihren Öffentlichkeiten herzustellen und aufrechtzuerhalten.
Sie bezieht die Handhabung von Problemen und Streitfragen ein; sie unterstützt das Management im Bemühen, über die öffentliche Meinung informiert zu sein und auf sie zu reagiere; sie definiert die Verantwortung des Managements in ihrem Dienst gegenüber dem öffentlichen Interesse und verleiht ihm Nachdruck; sie unterstützt das Management, um mit dem Wandel Schritt halten zu können und ihn wirksam zu nutzen; sie dient als Frühwarnsystem, um Trends zu antizipieren; und sie verwendet Forschung sowie gesunde und ethische Kommunikationstechniken als ihre Hauptinstrumente.“
Ronneberger und Rühl selbst differenzieren Public Relations auf der Makro-, Meso- und Mikroebene. Das heißt, dass Funktionen, Leistungen und Aufgaben zusammen betrachtet drei verschiedene PR-Typen ergeben, die mit der Gesamtgesellschaft, den Märkten und mit den einzelnen Organisationen je verschiedene Systemreferenzen mit je verschiedenen Umwelten aufweisen.[10] Diese nach System- und Umweltbeziehungen unterschiedlichen PR-Typen sind als Sozialsysteme mit ihren Umwelten zirkulär verbunden. Aufgrund dieser Differenzierung ist für sie keine universalistische PR-Definition möglich, denn ohne ausdrückliche Bezugnahme auf soziale Systeme und ihre soziale Umwelt lässt sich Public Relations nicht operational definieren.
Faulstich[11] kritisiert die synonyme Verwendung der Begriffe „Public Relations“ und „Öffentlichkeitsarbeit“, denn die Konnotationen der beiden Bezeichnungen unterscheiden sich erheblich voneinander. Der Begriff „ Relations “ scheint viel umfassender zu sein als der Begriff „ Arbeit “, und er suggeriert auch eher Zweiseitigkeit und Feedback und somit Kommunikation. Faulstich weist aber darauf hin, dass in den expliziten Definitionen diese sprachlich-konnotativen Unterschiede aufgehoben werden.
Albert Oeckl[12] (Pionier der deutschen PR-Forschung) definiert bereits 1964 Öffentlichkeitsarbeit als
„das bewusste, geplante und dauernde Bemühen, gegenseitiges Verständnis und Vertrauen in der Öffentlichkeit aufzubauen und zu pflegen. Das Wort Öffentlichkeitsarbeit als die geeignetste deutsche Wortbildung für Public Relations drückt Dreifaches aus: Arbeit in der Öffentlichkeit, Arbeit für die Öffentlichkeit, Arbeit mit der Öffentlichkeit.“
Die Deutsche Public Relations Gesellschaft (DPRG)[13] definiert PR als
„das bewusste, geplante und dauerhafte Bemühen um ein Vertrauensverhältnis zwischen Unternehmen, Institutionen oder Personen und ihrer Umwelt. Öffentlichkeitsarbeit meint vor allem aktives Handeln durch Information und Kommunikation auf konzeptioneller Grundlage. Sie ist darum bemüht, Konflikte zu vermeiden oder bereinigen zu helfen.“
In Anlehnung an andere Definitionen definiert Bentele:[14]
„Öffentlichkeitsarbeit oder Public Relations ist das Management von Informations- und Kommunikationsprozessen zwischen Organisationen einerseits und ihren internen oder externen Umwelten (Teilöffentlichkeiten) andererseits. Funktionen von Public Relations sind Information, Kommunikation, Persuasion, Imagegestaltung, kontinuierlicher Vertrauenserwerb, Konfliktmanagement und das Herstellen von gesellschaftlichem Konsens.“
In einem der ersten amerikanischen Lehrbücher über Public Relations „Managing Public Relations“ definieren Grunig und Hunt (1984, 6) Public Relations als Kommunikationsmanagement zwischen der Organisation und deren Teilöffentlichkeiten. Auch sie kritisieren andere Definitionen.
„ Public Relations is the management of communication between an organization and its publics.”
Diese Definition verdeutlicht den organisationstheoretischen Zugang von Public Relations.[15]
Ähnlich definiert auch Botan (1992, 20) die Öffentlichkeitsarbeit:
„Public Relations is the use of communication to adapt relationships between organizations and their publics.”
Die Beschreibung von Öffentlichkeitsarbeit von Long und Hazleton wird als exakteste und analytischste Definition angesehen. Sie betonen den Aspekt der gegenseitigen Beeinflussung von Organisation und den Teilöffentlichkeiten und zeigen die Managementfunktion von Public Relations:
„Public Relations is a communication function of management through which organizations adapt to, alter, or maintain their environment for the purpose of achieving organizational goals.” (Long/Hazleton 1987, 6)
Signitzer[16] hält diese Definition für die intellektuell und analytisch anspruchsvollste Beschreibung von Public Relations.
2.2. Sichtweisen von Public Relations
Die Public Relations Forschung steckt noch immer in den Kinderschuhen und bleibt auch innerhalb der Kommunikationsforschung ein Minderheitenprogramm. Daraus resultiert, dass noch immer keine allgemein gültige und anerkannte Theorie entworfen wurde, jedoch das Angebot in der PR-Literatur an Theorie-Entwürfen sehr vielfältig ist. Diese verschiedenen Ansätze versuchen die Notwendigkeit und Funktionen von Public Relations zu erklären.
Oft sind diese PR-Theorien so genannte Meta-Theorien über Public Relations oder Alltagstheorien der PR-Praxis, die von Ronneberger und Rühl (1992, 53ff.) als PR-Kunde bezeichnet werden. Im Gegensatz zu diesen Theorien wird in den Sozialwissenschaften unter Theorie ein logisch verknüpftes System von Aussagen (Hypothesen) über die Wirklichkeit verstanden, die durch systematische Forschung empirisch geprüft bzw. überprüfbar sind.[17]
Signitzer[18] unterscheidet beim Versuch, die Theorien über Public Relations zu systematisieren, diese nach ihrer wissenschaftstheoretischen oder disziplinären Perspektive. Er unterscheidet die organisationstheoretische Sichtweise, die gesellschaftstheoretische Sichtweise und die marketingtheoretische Sichtweise. Die von ihm dargestellten Unterschiede ergeben sich unter anderem aus den verschiedenen Hintergründen der PR-Theoretiker, da diese aus den unterschiedlichsten wissenschaftlichen Kulturen und Disziplinen entstammen. Er merkt an, dass diese Dreiteilung der Sichtweisen aus Gründen der Übersichtlichkeit erfolgt und keineswegs als absolut gesehen werden soll, denn wechselseitige Überlappungen dürften eher die Regel als die Ausnahme sein. Unterschiedliche Sichtweisen, Ansätze und Modelle der Öffentlichkeitsarbeit können auch in verschiedensten Situationen – bezogen auf die PR-Praxis – hilfreich sein.
Ein in den Sozialwissenschaften bewährtes Klassifikationsschema[19] für Theorien bildet die Unterscheidung in:
- Mikrotheorien: diese sind auf der Ebene von Individuen und Kleingruppen angesiedelt (z.B. Persuasionstheorien).
- Mesotheorien: diese beziehen sich auf die Ebene von Organisationen und von Verbänden (PR als Managementfunktion).
- Makrotheorien: diese erklären die Bedeutung der PR für die Gesamtgesellschaft.
2.2.1. Die organisationstheoretische Sichtweise
Hauptvertreter dieser Sichtweise sind die US-amerikanischen Forschungsteams Grunig und Hunt sowie Long und Hazleton. Generell dominiert der organisationstheoretische Ansatz in der US-amerikanischen Public Relations Forschung. Bei diesen Ansätzen steht die Organisation (Unternehmen) im Mittelpunkt der Forschung. Public Relations werden als eine Kommunikationsfunktion der Organisation verstanden. Die zentrale Forschungsfrage lautet:
„Welchen Beitrag leisten Public Relations zur Erreichung von Organisationszielen?“[20]
Diese Sichtweise wird vor allem von den Denkweisen des Organisations- und des Kommunikationsmanagements bestimmt. Organisationen bestehen nicht alleine auf der Welt, sondern sind von einer Vielzahl von Menschen oder anderen Institutionen umgeben, die das Verhalten der Organisation beeinflussen oder deren Verhalten von der Organisation beeinflusst wird. Für eine Organisation, die nun ihre Ziele möglichst unbehindert verfolgen möchte, müssen die vielfältigen Beziehungen zu diesem Umfeld systematisch koordiniert und gepflegt werden.[21]
Die Systemtheorie in ihrer Spielart der offenen Systemauffassung hat einen beträchtlichen Einfluss auf die amerikanische PR-Forschung und Theorienbildung ausgeübt. Dies lässt sich damit erklären, dass die PR-Wissenschaft auf der Suche nach eigenen Theorien ist und von der Abhängigkeit ausgeliehener Theorien aus Persuasion (Überzeugung), Marketing und Organisationskommunikation wegkommen will. Die Systemtheorie bietet der PR-Wissenschaft einen Rahmen an, in dem sich spezifische Erklärungsmodelle entfalten können. Sie geht davon aus, dass jedes System aus Teilsystemen besteht, die untereinander sowie mit ihrer Umwelt in Beziehung stehen.[22]
Im Original dazu Grunig und Hunt (1984, 8) „ Organizational theorists today often look at organizations as ‘systems’. A system is an organized set of interacting parts or subsystems. Each subsystem affects the other subsystems as well as the total organization.”
Jede Organisation besteht demnach aus fünf Teilsystemen:[23]
- Managementsysteme: Ihre Aufgaben sind die Kontrolle und Integration der anderen Subsysteme.
- Produktionssysteme: Sie dienen der Leistungserstellung im Unternehmen.
- Unterstützungssysteme: Sie regeln die Austauschprozesse zwischen der Organisation und ihrer Umwelt.
- Erhaltungssysteme: Sie dienen der Aufrechterhaltung der Stabilität im Unternehmen.
- Anpassungssysteme: Sie sollen Umweltkonformität herstellen; dazu zählen unter anderem die Bereiche Forschung und Entwicklung eines Unternehmens.
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Quelle: nach Signitzer 1988, 97.
Bei dieser Betrachtungsweise werden Public Relations als Teil des Managements gesehen. Ihnen kommt eine Grenzgänger- bzw. „boundary“-Rolle zu, deren Funktion darin besteht, die Subsysteme der Organisation bei der Kommunikation mit ihren externen Zielgruppen sowie untereinander (innerhalb der einzelnen Subsysteme) zu unterstützen. Kurz zusammengefasst: „They have one foot in the organization and one outside.”[24]
Die Systemtheorie liefert auch Erklärungen dafür, warum es Public Relations in einer Organisation gibt bzw. nicht gibt. Nach Grunig und Hunt (1984, 10) besteht die Notwendigkeit für geplante und formalisierte Kommunikation nur dann, wenn das Verhalten der Organisation für die Zielgruppen oder das Verhalten der Zielgruppen für die Organisation Konsequenzen bzw. Auswirkungen hat. Zentrales Ziel von Public Relations ist das Gelingen von wechselseitigem Verstehen der jeweiligen Erwartungshaltungen von Organisation und ihrer Zielgruppen. Konkret bedeutet dies nun für die Funktion von Public Relations die Planung und Durchführung von Kommunikationsprogrammen, in denen Botschaften aus der Umwelt in die Organisation hinein- und auch Botschaften aus der Organisation hinausgetragen werden.[25]
In den folgenden Unterkapiteln 2.3.1. und 2.3.2. dieser Arbeit werden die PR-Modelle, die der organisationstheoretischen Sichtweise von Public Relations zuzuordnen sind, näher vorgestellt. Es handelt sich dabei um das „Vier Modelle der Public Relations“ Modell von Grunig und Hunt sowie um das „Public Relations Prozessmodell“ von Long und Hazleton.
2.2.2. Die gesellschaftstheoretische Sichtweise
Dieser makrotheoretische Ansatz geht von der Gesamtgesellschaft und/oder einzelnen gesellschaftlichen Funktionssystemen (z.B. Wirtschaft, Wissenschaft, Politik, Religion usw.) und der Funktion der Kommunikation darin aus. Public Relations wird als eine Sonderform der öffentlichen Kommunikation verstanden. Die zentrale Forschungsfrage lautet:
„ Welchen Beitrag leistet Public Relations zur Funktion von Gesellschaften – zum Beispiel der modernen pluralistischen Industriegesellschaften oder der Entwicklungsländer?“[26]
Eine zentrale Position innerhalb dieser Sichtweise nehmen Ronneberger und Rühl mit ihrem 1992 vorgelegten Theorieentwurf ein. In ihrem Entwurf geht es um Bedingungen und Funktionen von Public Relations in der Gegenwartsgesellschaft. Sie umschreiben diese spezifische PR-Funktion wie folgt:[27]
„Die Funktion, derentwegen Public Relations/Öffentlichkeitsarbeit gesellschaftlich ausdifferenziert ist, liegt in autonom entwickelten Entscheidungsstandards zur Herstellung und Bereitstellung durchsetzungsfähiger Themen, die – mehr oder weniger – mit anderen Themen in der öffentlichen Kommunikation um Annahme und Verarbeitung konkurrieren. Die besondere gesellschaftliche Wirkungsabsicht von Public Relations ist es, durch Anschlusshandeln, genauer: durch Anschlusskommunikation und Anschlussinteraktion öffentliche Interessen (Gemeinwohl) und das soziale Vertrauen der Öffentlichkeit zu stärken – zumindest das Auseinanderdriften von Partikularinteressen zu steuern und das Entstehen von Misstrauen zu verhindern.“
Im wörtlichen Sinne konzipieren die Autoren Public Relations nicht wesenhaft, sondern in gesellschaftlichen, insbesondere in politischen und wirtschaftlichen Funktionszusammenhängen, als eine „Theorie der öffentlichen Beziehungen“ moderner Gesellschaften.[28] Ronneberger und Rühl gehen davon aus, dass die Existenz von Public Relations eng mit der Entstehung moderner Gesellschaften zusammenhängt und behaupten bzw. versuchen zu belegen, dass Public Relations nur in modernen Gesellschaftsformationen zu finden sind, die durch Freiheit und Frieden, Arbeit und Beruf, Sicherheit und Chancengleichheit, soziales Vertrauen, soziale Verantwortung sowie durch weitere Lebensgrundlagen von bisher unbekannter Komplexität geprägt sind. Demnach kann sich ein PR-System nur dann entwickeln, wenn ein relativ hohes Komplexniveau des gesamtgesellschaftlichen Kommunikationspotentials erreicht wird.[29]
In diesem System kommen Public Relations im Einzelnen folgende Funktionen zu:
- Analyse und Selektion von Erwartungen der Umwelt an das eigene System bzw. die eigene Organisation.
- Bewusstmachen der eigenen Interessen.
- Artikulierung dieser Interessen im Rahmen des öffentlichen Mediensystems.
- Herstellung einer innerorganisationalen Öffentlichkeit für die eigenen Interessen.
- Konfrontation der Interessen in der Öffentlichkeit und Suche nach Kompromissen (Integration).
Der zuletzt genannte Punkt ist zentral für die gesellschaftstheoretische Sichtweise von Public Relations.[30]
Weiters unterscheiden sie drei „Intersystem-Beziehungen“ zwischen Public Relations und anderen Sozialsystemen und konzipieren Public Relations auf drei Ebenen:[31]
- Makroebene (Ebene der gesamtgesellschaftlichen Funktionsbeziehungen):
Auf der Makroebene wird das Funktionsverhältnis von Public Relations zur Gesamtgesellschaft erläutert. Public Relations übernehmen dabei die Funktion, öffentliche Interessen und das soziale Vertrauen der Öffentlichkeit zu stärken, das Auseinanderdriften von Partikularinteressen zu steuern sowie die Entstehung von Misstrauen zu verhindern. Public Relations stellen sich, ähnlich anderen gesellschaftlichen Funktionssystemen (Politik, Wirtschaft, Wissenschaft) oder anderen publizistischen Teilsystemen (Journalismus oder Werbung), als ein heterogen organisiertes Sozialsystem dar, dessen Strukturen und Teilsysteme nicht durch Individuen, sondern durch Organisationen und Märkte miteinander verbunden sind. Das Dogma der publizistischen Freiheit (Pressefreiheit) wird auch für Public Relations wirksam, da diese ein gesellschaftliches Teilsystem der öffentlichen Kommunikation bilden.
- Mesoebene (Ebene von einzelnen gesellschaftlichen Funktionssystemen):
Public Relations unterhalten Wechselbeziehungen zu faktisch allen einzelnen gesellschaftlichen Funktionssystemen (neben den oben genannten auch noch zu Recht, Familie, Freizeit und in besonderem Maße zu Journalismus und Werbung). Diese Intersystem-Entscheidungsbeziehungen vollziehen sich über Märkte und werden zur Sache von PR-Leistungen. Mit diesen Leistungen können zunächst all jene autopoietischen Beziehungen bezeichnet werden, die zwischen dem PR-System und anderen Funktionssystemen der Wohlfahrtsgesellschaft über Märkte prozessual, kontinuierlich, aber zeitlich abgrenzbar hergestellt und erhalten werden. Diesen Beziehungen liegt das Prinzip Leistung/Gegenleistung zugrunde.
Public Relations werden in Form von Sachleistungen angeboten, deren Gegenleistungen von anderen Teilsystemen aus knappen sozialen und psychischen Ressourcen wie Aufmerksamkeit, Interesse und Zeit bestehen.
Allgemein liegen die Leistungen des PR-Systems überall dort, wo in anderen gesellschaftlichen Funktionssystemen durchsetzungsfähige Themen zur Förderung des öffentlichen Interesses (Gemeinwohl) und zur Stützung des sozialen Vertrauens in der Öffentlichkeit benötigt werden. Für die Kommunikationsarbeit der einzelnen PR-Organisationen sind PR-Märkte jene Orientierungshorizonte, auf denen eine gemeinsame PR-Dogmatik zum Ausdruck kommen kann.
- auf der Mikroebene – der Ebene von Organisationen:
Auf der Mikroebene sind es PR-Agenturen und PR-Abteilungen von Profit- bzw. Non-Profit-Organisationen die konkrete Public Relations Aufgaben erfüllen. Mit dieser Erfüllung der Aufgaben wird beabsichtigt bestimmte soziale Auswirkungen zu realisieren. Sie gelten erst dann als gelöst, wenn im Anschluss an die verursachende Public Relations weitere Kommunikationen und Interaktionen zum verursachenden Thema zustande kommen. PR-Auswirkungen sind erst dann erfolgreich, wenn die durch PR-Kommunikation gewonnenen Publika im Sinne der vorangegangenen PR-Kommunikation handeln.
In diesem Sinne hat Public Relations eine öffentliche Aufgabe, denn so schreibt auch Barthenheier,[32] dass „ Public Relations als Informator des Journalismus und der Massenmedien Leistungen erbringen “. Weiters gehen die Autoren davon aus, dass durch die weltweite Zunahme der PR-Arbeitsorganisationen die Aufgabengebiete von Public Relations erweitert werden und PR-Organisationen somit nicht nur neue Formen der öffentlichen Kommunikation entwickeln, sondern sich auch in andere traditionelle publizistische Leistungsbereiche (wie etwa den Journalismus) drängen.
Ist dies der Fall, so müssen bestimmte Fragen, die das Verhältnis zwischen Journalismus und Public Relations genauer untersuchen, gestellt werden. Zum Beispiel, ob Journalismus übermäßig von Public Relations beeinflusst wird oder ob die Public Relations bestimmte Themen, Timing und Informationsvielfalt im Journalismus kontrollieren.[33] Nach Ronneberger und Rühl (1992, 274f.) ist davon auszugehen, dass Redaktionen freiheitlicher Gesellschaftsordnung von externen Einflüssen leben.
Weiters schreiben sie, dass Redaktionen nur dann durch die aus der Umwelt stammenden PR-Leistungsangebote gefährdet werden können, wenn dieser Dauerprozess deterministisch gesehen wird. Es ist eine Frage des redaktionellen Autonomiegrades, wie die von Public Relations thematisierten Mitteilungen redaktionsintern erarbeitet, bearbeitet und verarbeitet werden, denn Redaktionen schotten sich nicht künstlich gegenüber Public Relations ab, noch handeln sie ihnen gegenüber willkürlich.
2.2.3. Die marketingtheoretische Sichtweise
In den letzten Jahrzehnten lässt sich innerhalb der Marketinglehre eine Ausdehnung des Forschungsfeldes beobachten. Marketing ist als unternehmerische Führungskonzeption auf die Absatz- und Beschaffungsmärkte fokussiert. Die Ziele drücken sich daher in ökonomischen Dimensionen aus. Die übergeordneten Ziele des Unternehmens sind jedoch mehrdimensional[34] und dürfen sich nicht mehr alleine an wirtschaftlichen Maßstäben orientieren, sondern müssen auch außerökonomische Faktoren berücksichtigen.
Marketing wird im Sinne einer marktorientierten Unternehmensführung als Management der Austauschbeziehungen zwischen einer Organisation, deren Märkten und Interessensgruppen verstanden.[35] Haedrich und Tomczak[36] schreiben weiter, dass Marketing eine Führungskonzeption ist, mit der eine Organisation das Ziel verfolgt, Bedürfnisse und Anforderungen aus Markt und Gesellschaft möglichst frühzeitig zu erkennen und auf der Basis einer Analyse der eigenen Stärken und Schwächen im Verhältnis zum Wettbewerb Strategien zur aktiven Gestaltung der Beziehungen zwischen Organisation und Umwelt zu entwickeln und zu implementieren.
Öffentlichkeitsarbeit ist kein Marketinginstrument des Absatzmarketings, sondern ein zentrales Kommunikationsinstrument einer marketingorientierten Unternehmenspolitik.[37] Daher besteht der Kern des Marketing nicht allein in einer markt- und wettbewerbsorientierten Dimension, sondern in einer markt-, wettbewerbs- und gesellschaftsorientierten Denkweise. Das heißt, jedes Unternehmen muss bestrebt sein, sich auf ständig verändernde Umweltsituationen einzustellen und die Belange der jeweiligen Teilöffentlichkeiten zu kennen.
Raffée[38] spricht von „ Public Marketing “. Mit diesem Begriff möchte er ausdrücken, dass „ alle Marketingaktivitäten – neben der Kommunikationspolitik die Produkt- und Programmpolitik, die Entgeltpolitik und Distributionspolitik sowie die Maßnahmen der Beschaffungspolitik – den Belangen und Interessen der allgemeinen Öffentlichkeit Rechnung zu tragen haben. Public Marketing soll faktische und/oder potentielle Widerspruchspotentiale abbauen und nach Möglichkeit in Zustimmung umwandeln “.
Die zentrale Forschungsfrage lautet hier:
„Welchen Beitrag leisten Public Relations zur Erreichung der Marketingziele von Organisationen, insbesondere in Ergänzung und/oder Erweiterung anderer kommunikationspolitischer Maßnahmen wie Absatzwerbung und Verkaufsförderung?“[39]
Public Relations haben die Aufgabe, potentielle Abnehmer und Meinungsbildner über Unternehmen, Angebot und die Verfügbarkeit des Angebots zu informieren sowie Imagepflege zu betreiben.[40] Freiräume für ein langfristig erfolgreiches Marketingmanagement können durch strategische Public Relations geschaffen werden.[41] Public Relations sollten im Sinne des Public Marketing mit Marketing zu einer gemeinsamen Führungskonzeption zusammenwachsen. Sinnvoll ist dies aber nur, wenn beide Bereiche auf Geschäftsleitungsebene angesiedelt sind. Es ist keine Lösung, Public Relations in den Marketingbereich zu integrieren noch umgekehrt. Eine klare organisatorische Trennung dürfte wohl zu den besten Ergebnissen führen.[42]
2.3. Modelle der Public Relations
2.3.1. Die Modelle von Grunig und Hunt
In der organisationstheoretischen Sichtweise von Public Relations wird (wie bereits oben erwähnt) versucht, das Public Relations Verhalten von Organisationen mit Modellen darzustellen. Grunig und Hunt (1984, 21f.) entwickelten vier verschiedene Modelle von Public Relations, die, je nach Ziel, verschiedenen Formen der Kommunikation zugeordnet werden.
Diese Modelle (Publicity, Informationstätigkeit, Asymmetrische Kommunikation und Symmetrische Kommunikation) sind sowohl historisch, als auch aktuell-situativ zu sehen.
Das bedeutet, die Modelle zeichnen den Weg in den letzten rund 100 Jahren von einer niedrigen (Publicity) zu einer höheren (Symmetrische Kommunikation) Entwicklungsstufe der Öffentlichkeitsarbeit sowie die gegenwärtigen situationsbedingten Handlungsalternativen auf.[43]
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Quelle: nach Grunig/Hunt 1984, 21; deutsche Übersetzung nach Signitzer 1992
a) Press Agentry oder Publicity Modell:
Dieses Modell beschreibt propagandistische Public Relations. Die Hauptaufgabe liegt darin, die Organisation oder deren Produkte ins Zentrum des öffentlichen Interesses zu rücken. In diesem Modell wird eine einseitige Kommunikation seitens der Organisation zu den Zielgruppen betrieben. Auf ein mögliches Feedback der Zielgruppen wird verzichtet.
b) Informationsmodell:
Dieses Modell wird von der Rolle eines „Regierungssprechers“ am besten dargestellt, denn dessen Aufgabe ist es, wahre (aber nicht unbedingt vollständige) Informationen an die Öffentlichkeit weiterzuleiten.
Die Verbreitung von objektiven Informationen über die Organisation (Kommunikation) findet auch hier nur einseitig statt, Feedback oder Wirkung werden nicht berücksichtigt.
c) Asymmetrische Kommunikation (Überzeugungsarbeit):
Dieses Zweiwegkommunikationsmodell setzt auf Überzeugungsarbeit, denn die Teilöffentlichkeiten sollen dazu gebracht werden, den Standpunkt der Organisation zu akzeptieren. Feedback wird von den Teilöffentlichkeiten eingeholt, aber dieses gewonnene Wissen wird in erster Linie dazu verwendet, die verschiedenen Publika effizienter im Sinne des Standpunktes der Organisation zu beeinflussen.
d) Symmetrische Kommunikation (Dialog):
Auch dieses Modell betont die Zweiwegkommunikation. Ziel ist das wechselseitige Verstehen zwischen einer Organisation und ihren Teilöffentlichkeiten. Die Public Relations Programme setzen Verhandlungs- und Konfliktlösungsstrategien ein, um symbiotische Einstellungen und Verhaltensänderungen sowohl bei der Organisation selbst als auch bei den Teilöffentlichkeiten zu erreichen.
In der Praxis werden meist mehrere Modelle gleichzeitig angewendet. Die Wahl der jeweiligen Modelle, die in einem Unternehmen zur Anwendung kommen, hängen laut Grunig und Hunt (vgl. 1989, 31) von verschiedenen Faktoren ab. Die Wahl wird von der Organisationskultur, der Position von Public Relations innerhalb des Unternehmens, von den Fachkenntnissen des PR-Managers und von der vorherrschenden Ansicht, was Public Relations denn ist, beeinflusst. Das Modell der „Symmetrischen Kommunikation“ findet die größte Akzeptanz und skizziert den „Idealtyp eines nicht nur formal im Sinne von wechselseitig, sondern auch inhaltlich argumentativ aufeinander bezogenen Austauschprozesses gleichberechtigter Prozessbeteiligter, die zwar unterschiedliche Interessen an ein gemeinsames Kommunikationsproblem knüpfen, aber an dessen rationaler Lösung als übergeordnetem Ziel interessiert sind“.[44]
Ursprünglich waren die vier Modelle ein nützliches, aber noch wenig entwickeltes Konzept, das weitere Forschungen stimulierte. Die Modelle regten viele empirische Forschungsarbeiten an.
Das zweiseitige symmetrische Modell lenkte zudem die Aufmerksamkeit auf die Grundlegung eines präskriptiven Leitbildes einer ethischen und sozial verantwortlichen Öffentlichkeitsarbeit.[45]
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Die Weiterentwicklung der vier Modelle platziert diese auf zwei Kontinua.
Quelle: nach Signitzer 1999, 200.
Die Modelle Publicity und Information werden zur „Technisch-handwerklichen Public Relations“ (craft public relations) zusammengefasst, die Modelle der Asymmetrischen Kommunikation und der Symmetrischen Kommunikation zur „Professionellen Public Relations“ (professional public relations).[46]
Grunig, Grunig und Dozier legen die jeweiligen Modelle zusammen, da die handwerklich orientierten PR-Praktiker ihre Aufgaben in der Anwendung von Kommunikationstechniken sehen, die allein dem Zweck dienen, Informationen an die Medien weiterzuleiten. Professionelle PR-Fachleute hingegen sehen in Public Relations ein strategisches Instrument, mit dessen Hilfe Konflikte gelöst und Beziehungen aufgebaut werden können. Weiters betonen die Autoren, dass nur das Modell der Symmetrischen Kommunikation als exzellente Public Relations bezeichnet werden kann. Im Rahmen der „Excellence-Studie“[47] kristallisierte sich heraus, dass hervorragende PR-Abteilungen in der Praxis sich auf symmetrische und asymmetrische Vorgehensweisen konzentrieren, dennoch über das notwendige Wissen über das Praktizieren einseitiger Modelle (Publicity und Informationstätigkeit) verfügen.
Daraus entwickelten sie ein neues, situatives Modell symmetrischer und asymmetrischer Public Relations: Das „Zweiseitige Modell exzellenter Public Relations“.
e) Zweiseitiges Modell exzellenter Public Relations:
Dieses Modell platziert das zweiseitige asymmetrische und das zweiseitige symmetrische Modell nicht mehr an zwei Enden eines Kontinuums, sondern bezeichnet beide Extrempunkte als asymmetrisch. In einem Fall werden die Interessen des Unternehmens und im anderen Fall diejenigen der Bezugsgruppe begünstigt. Die Interessen der jeweils anderen Seite werden dabei ausgeblendet. In der Mitte des Kontinuums findet sich ein symmetrischer Win-Win-Bereich. In diesem Bereich können Unternehmen und Bezugsgruppen miteinander in Kommunikationsprozesse eintreten. Oft haben Organisationen und ihre Bezugsgruppen unterschiedliche Interessen, aber durch Verhandlungen und Kooperationen können sie eine gemeinsame Basis finden und die Win-Win-Zone erreichen.[48]
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Quelle: nach Grunig/Grunig/Dozier 1996, 219.
Laut Autoren stellt dieses neue Modell auch eine ideale Kombination von deskriptiven und präskriptiven Theorieelementen dar. In deskriptiver Hinsicht erklärt das Modell, wie hervorragende PR-Abteilungen mit Loyalitätskonflikten umgehen und in präskriptiver Perspektive definiert das neue Leitbild eine ideale PR-Situation, in der Organisationen systematische Beziehungen zu ihren Bezugsgruppen aufbauen und dadurch versuchen, die Win-Win-Zone zu erreichen.[49]
2.3.2. Das Public Relations Prozessmodell von Long und Hazleton
Das Modell des PR-Prozesses wurde 1987 von den Amerikanern Long und Hazleton entwickelt. Sie sehen das Modell als ein offenes Systemmodell, welches in einer mehrdimensionalen Umwelt angesiedelt ist und aus drei Teilsystemen besteht. PR-Input, PR-Transformation und PR-Output sind auf der Makroebene als Organisations-, Kommunikations- und Zielgruppenteilsystem aufzufassen. Jedes dieser Teilsysteme hat ebenfalls seine eigenen Input-, Transformations- und Outputzyklen.[50]
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Quelle: nach Hazleton 1992, 35.
a) Das Umweltsystem
Die Umwelt, gesehen als Makro- oder Supersystem, beinhaltet fünf in einer Wechselbeziehung stehende, sich gegenseitig beeinflussende Dimensionen:
(1) Legal/Political (rechtlich/politische) Dimension: sie beinhaltet formale Regeln, die das Verhalten der Organisation rechtlich und administrativ bestimmen.
(2) Social (soziale) Dimension: sie beinhaltet soziale und kulturelle Normen sowie Gruppen, Konsumenten und Meinungsführer, die die Organisation beeinflussen können.
(3) Economic (ökonomische) Dimension: sie bezieht sich auf die Verfügbarkeit der finanziellen Mittel (Investor- und Financial Relations) und berücksichtigt die Kosten des Unternehmens.
(4) Technological (technische) Dimension: sie umfasst mechanische und elektronische Hilfsmittel zur Gestaltung von Public Relations.
(5) Competitive (Wettbewerbs) Dimension: sie berücksichtigt die Existenz von Konkurrenzunternehmen bei der Entwicklung von Public Relations Programmen.
b) Das Organisationssubsystem
Inputs aus dem Umfeld wirken sich auf Ziele, Ressourcen, Struktur und die Managementphilosophie der Organisation aus. Durch diese Inputs wird der Bezugsrahmen für PR-Aktivitäten festgesetzt. Die Transformation dieser Inputs erfolgt während des Entscheidungsprozesses und beinhaltet die Problemidentifikation, Forschung und Analyse des Ist-Zustands der Organisation und der Umwelt sowie Lösungsvorschläge. Dieser PR-Entscheidungsprozess mündet als Output in einem PR-Programm.
c) Das Kommunikationssubsystem
Das als Output im Organisationssubsystem entwickelte PR-Programm beeinflusst als Input das Kommunikationssubsystem. Während der Transformation werden Botschaften produziert und weitergegeben. Der Output sind nun die Botschaften, mit denen die Teilöffentlichkeiten konfrontiert werden.
d) Das Zielgruppensubsystem
Inputs für das Zielgruppensubsystem sind die Botschaften aus dem Kommunikationssubsystem. Während des Transformationsprozesses kann es sowohl zu Veränderungen als auch zur Beibehaltung des Verhaltens bzw. der Einstellungen von Teilöffentlichkeiten kommen (Reaktionen). Die Wirkungen dieser Botschaften (Outputs) beeinflussen ihrerseits wiederum die Umwelt und andere Subsysteme.
Die gesamten Input-Transformations-Output-Zyklen verdeutlichen, „ the public relations process is continuous and dynamic”.[51]
2.3.3. Das Modell der verständigungsorientierten Öffentlichkeitsarbeit von Burkart
Das Modell der verständigungsorientierten Öffentlichkeitsarbeit entwickelte Roland Burkart zusammen mit Sabine Probst 1990 im Rahmen des Forschungsprojektes „Kommunikation und Bürgerbeteiligung. Die Evaluation der Öffentlichkeitsarbeit bei der Standortplanung von Sonderabfalldeponien in Niederösterreich“.
In diesem Modell wird Public Relations als ein Medium „ zur Optimierung gesellschaftlicher Verständigungsverhältnisse “[52] gesehen und kann daher der gesellschaftstheoretischen Sichtweise zugeordnet werden. Burkart legt seinen Überlegungen die „Theorie des kommunikativen Handelns“ von Jürgen Habermas (1981) zugrunde. Habermas geht davon aus, „dass jeder kommunikativ Handelnde, der an einem Verständigungsprozess teilnehmen will, implizit weiß, dass bestimmte universale Ansprüche Gültigkeit besitzen, die sowohl von ihm als auch von seinem Kommunikationspartner anerkannt werden und denen er daher zu entsprechen hat“.[53] Es sind dies: der Anspruch der „ Verständlichkeit “ (das bedeutet, die Kommunikationspartner müssen sich dem jeweils geltenden grammatischen Regelsystem entsprechend ausdrücken), der Anspruch der „ Wahrheit “ (das heißt, man muss über etwas sprechen, dessen Existenz auch der Kommunikationspartner anerkennt), der Anspruch der „ Wahrhaftigkeit “ (es sollen tatsächliche Absichten zum Ausdruck gebracht werden) und der Anspruch der „ Richtigkeit “ (es muss eine Äußerung gewählt werden, die vor dem Hintergrund wechselseitig anerkannter Werte und Normen akzeptabel erscheint).
Ziel des Verständigungsprozesses ist die Herbeiführung eines Einverständnisses zwischen den beiden Kommunikationspartnern, das im wechselseitigen Verstehen, geteilten Wissen, gegenseitigen Vertrauen und miteinander Übereinstimmen besteht.[54]
Burkart überträgt nun diese generellen Bedingungen von Verständigung auf die Öffentlichkeitsarbeit. Er versteht unter „Verständigungsorientierter Öffentlichkeitsarbeit“ eine bestimmte Form der PR-Kommunikation, die darauf abstellt, mit den Zielgruppen bzw. Teilöffentlichkeiten, an die sie ihre Botschaften richtet, zu einem Einverständnis über jene Interessen zu gelangen, die sie seitens ihres Auftraggebers vertritt.[55] Er geht davon aus, dass Verständigung nur dann zustande kommen kann, wenn die Kommunikationspartner davon überzeugt sind, dass diese (bereits oben genannten) Ansprüche vom anderen erfüllt werden. Im Falle eines Anzweifelns auch nur eines dieser Ansprüche muss nach Habermas ein Diskurs eingeführt werden, in dem die jeweiligen Kommunikationspartner versuchen, ein problematisch gewordenes Einverständnis durch Begründung wiederherzustellen.[56] Das bedeutet nun für verständigungsorientierte Öffentlichkeitsarbeit, „ dass den Betroffenen die Chance gegeben werden muss, die Wahrheit der Aussagen, die Wahrhaftigkeit der Äußerungen und die Richtigkeit der verfolgten Interessen anzuzweifeln “.[57]
Habermas unterscheidet drei Wirklichkeitsdimensionen, auf die sich Äußerungen jedes kommunikativ Handelnden beziehen. Er spricht von „drei Welten“: der objektiven Welt der Gegenstände, der subjektiven Welt der einzelnen Akteure und der sozialen Welt aller legitim geregelten sozialen Beziehungen.[58]
Mit Hilfe der Theorie Habermas lässt sich nun für das Modell der verständigungsorientierten Öffentlichkeitsarbeit angeben, auf welchen Ebenen Einverständnis durch Öffentlichkeitsarbeit herzustellen ist:[59]
- Auf der Ebene der objektiven Welt (über Sachverhalte, die den eigentlichen Interessensgegenstand des PR-Betreibers darstellen);
- Auf der Ebene der subjektiven Welt (über die Organisation/Institution/das Unternehmen bzw. die Personen, die die gegenständlichen Interessen vertreten);
- Auf der Ebene der sozialen Welt (über die Legitimität des Interesses, das vom PR-Auftraggeber verfolgt wird).
Folgendes Schema verdeutlicht das Modell der verständigungsorientierten Öffentlichkeitsarbeit:
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Quelle: nach Burkart 1996, 256.
In Bezug auf die Aufgaben der Öffentlichkeitsarbeit bedeutet dies, dass ein Einverständnis zwischen Organisationen und Betroffenen herzustellen ist und zwar mit Bezug auf das eigentliche Thema, auf die Vertrauenswürdigkeit der Organisation und auf die Legitimität der vertretenen Interessen. Dies führt zu einem Einverständnis, welches wiederum die Basis für gemeinsames Handeln sein kann.
Diese Idealvorstellung von Kommunikation wird aber in der Realität kaum verwirklicht. Wege zur Zielerreichung unterscheidet Burkart in vier Phasen der verständigungsorientierten Öffentlichkeitsarbeit:[60]
1. Information
In dieser Phase geht es um das Bereitstellen zentraler Wissensinhalte über den jeweiligen Gegenstand. Ein Teilziel ist die Schaffung von Basisvoraussetzungen für einen Diskurs.
Das bedeutet im Hinblick auf die:
- objektive Welt: Festlegung bzw. Definition themenrelevanter Sachverhalte, Begriffe und Erläuterungen der Konsequenzen.
- subjektive Welt: Transparentmachen der inneren Struktur der Organisation bzw. Institution, zentraler Aspekt ist die Erläuterung des Unternehmensbildes, die Bekanntgabe von Zuständigkeiten sowie die Nennung von Ansprechpartnern.
- soziale Welt: Rechtfertigung der Ziele bzw. Interessen durch Angabe von Gründen.
2. Diskussion
In der zweiten Phase geht es darum, die Voraussetzungen für einen direkten Kontakt mit den Betroffenen zu schaffen, um mit ihnen ins Gespräch zu kommen.
Das bedeutet im Hinblick auf die:
- objektive Welt: Auseinandersetzung der Teilöffentlichkeiten mit den relevanten Sachverhalten bzw. Begriffen, die aus dem beabsichtigten Tun erwachsen.
- soziale Welt: Auseinandersetzung der Teilöffentlichkeiten über die Legitimität des Interesses durch Diskussionen.
3. Diskurs
Die dritte Phase des Diskurses soll dazu dienen, ein problematisch gewordenes Einverständnis durch Begründung wiederherzustellen.
[...]
[1] Vgl. Bonfadelli/Meier 1984, 537.
[2] Vgl. Cooper 1989, 14.
[3] Vgl. Bonfadelli/Meier 1984, 539.
[4] Vgl. Reineke/Eisele 1991, 11ff.
[5] Vgl. Reineke/Eisele 1991, 11ff.
[6] Carl Hundhausen: zitiert nach Kunczik 1993, 5.
[7] Vgl. dazu auch Kunczik 1993, 7.
[8] Rühl, Manfred (1992). Public Relations ist, was Public Relations tut. Fünf Schwierigkeiten, eine
allgemeine PR-Theorie zu entwerfen. In: prmagazin 23/4, 35-46: zitiert nach Schulz, 2002, 519.
[9] Rex Harlow 1976, 36: zitiert nach Ronneberger/Rühl 1992, 29.
[10] Vgl. Ronneberger/Rühl 1992, 279.
[11] Vgl. Faulstich 2000, 22.
[12] Albert Oeckl 1964: zitiert nach Faulstich 2000, 23.
[13] Zitiert nach Faulstich 2000, 23.
[14] Bentele 1997, 22.
[15] Vgl. dazu auch Kapitel 2.2.1. dieser Arbeit.
[16] Vgl. Signitzer 1988, 96.
[17] Vgl. Schulz 2002, 525.
[18] Vgl. Signitzer 1992, 135; 1995, 135ff. und 1999, 188.
[19] Vgl. dazu Kunczik 1993, 59.
[20] Vgl. Signitzer 1993, 59 und 1999, 195.
[21] Vgl. Signitzer 1999, 195.
[22] Vgl. Signitzer 1988, 97.
[23] Vgl. Grunig/Hunt 1984, 9.
[24] Grunig/Hunt 1984, 9.
[25] Vgl. Signitzer 1999, 197.
[26] Vgl. Signitzer 1993, 60.
[27] Vgl. Ronneberger/Rühl 1992, 252.
[28] Vgl. Ronneberger/Rühl 1992, 14.
[29] Vgl. Ronneberger/Rühl 1992, 19 und 179.
[30] Vgl. Signitzer 1992, 136.
[31] Vgl. Ronneberger/Rühl 1992, 249ff.
[32] Günter Barthenheier 1982: zitiert nach Ronneberger/Rühl 1992, 269.
[33] Vgl. dazu auch Barbara Baerns 1985 und Kapitel 5. dieser Arbeit.
[34] Vgl. Haedrich 1992, 263.
[35] Vgl. Haedrich 1982, 67f.
[36] Vgl. Haedrich/Tomczak 1990, 20.
[37] Vgl. Haedrich 1982, 75.
[38] Raffée 1982, 83: zitiert nach Haedrich/Tomczak 1990, 16.
[39] Vgl. Signitzer 1992, 145.
[40] Vgl. Haedrich/Tomczak 1990, 138.
[41] Vgl. Haedrich/Tomczak 1990, 21.
[42] Vgl. Haedrich 1992, 269.
[43] Vgl. dazu auch Signitzer 1992, 139ff.
[44] Szyszka 1996, 89.
[45] Vgl. Grunig/Grunig/Dozier 1996, 202 und 225.
[46] Vgl. Signitzer 1999, 200.
[47] Vgl. Grunig/Grunig/Dozier 1996, 209.
[48] Vgl. Grunig/Grunig/Dozier 1996, 218f.
[49] Vgl. Grunig/Grunig/Dozier 1996, 221.
[50] Vgl. Hazleton 1992, 35-44 und auch Kunczik 1993, 174f.
[51] Hazleton 1992, 44.
[52] Vgl. Burkart 1993, 220 und Signitzer 1999, 192.
[53] Habermas 1981: zitiert nach Burkart 1993, 220.
[54] Vgl. Burkart 1993, 221.
[55] Vgl. Burkart 1993, 219.
[56] Habermas 1981: zitiert nach Burkart 1993, 223.
[57] Burkart 1993, 224.
[58] Vgl. Burkart 1996, 249 und Signitzer 1999, 193.
[59] Vgl. Burkart 1993, 221f. und 1996, 255f.
[60] Vgl. Burkart 1993, 224f. und 1996, 257ff.
Details
- Seiten
- Erscheinungsform
- Originalausgabe
- Erscheinungsjahr
- 2004
- ISBN (eBook)
- 9783836632980
- DOI
- 10.3239/9783836632980
- Dateigröße
- 867 KB
- Sprache
- Deutsch
- Institution / Hochschule
- Universität Salzburg – Kommunikationswissenschaft
- Erscheinungsdatum
- 2009 (Juli)
- Note
- 1,5
- Schlagworte
- public relations journalismus interdependenz nachrichtenauswahl medienauswahl
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