Situativer Einsatz der Blue Ocean Strategy
Konzeptionelle Grundlagen, Anwendungsfelder und kritische Würdigung anhand ausgewählter Fallbeispiele
©2009
Magisterarbeit
116 Seiten
Zusammenfassung
Inhaltsangabe:Einleitung:
Mit einiger Regelmäßigkeit werden in den wirtschaftswissenschaftlichen Fachdisziplinen der strategischen Unternehmensführung bzw. des Marketing-Managements vermeintlich neue Konzepte diskutiert. Dabei ist der Innovationsgehalt der entwickelten Paradigmen häufig gering bis fragwürdig. Ein Novum stellt jedoch die vor einigen Jahren von Kim/Mauborgne entwickelte Blue Ocean Strategy (im Folgenden als BOS bezeichnet) mit ihrem Hauptwerkzeug, der Value Innovation bzw. Nutzeninnovation, dar. Hierbei handelt es sich um eine Wachstums- bzw. Wettbewerbsstrategie mit sehr hohem Neuheitsgehalt, der sich die vorliegende Arbeit mit einem spezifischen Fokus widmen soll.
Wie bei allen jüngeren wissenschaftlichen Publikationen ergeben sich auch beim Konzept der Blue Ocean Strategy insofern Probleme, als dass in der eigentlichen Arbeit einige Aspekte des Themas, deren weitere wissenschaftliche Betrachtung interessant und sinnvoll wäre, (teilweise) unbehandelt bleiben und ergänzende Literatur dazu noch kaum zu finden ist. So bleibt zB. unbeantwortet, ob es für BOS erkennbare Anwendungsfelder bzw. muster gibt, aufgrund derer sich situative Umsetzungspotentiale und Empfehlungen für Unternehmen aus Industrie, Dienstleistung und Handel ableiten lassen. Gerade dieser Problemstellung nachzugehen wäre sinnvoll und entsprechende Erkenntnisse ein wissenschaftlicher Fortschritt mit Praxisnutzen.
Zielsetzung:
Das Ziel der Arbeit ist es einerseits, Praktikern (also zB. Entscheidungsträgern in Unternehmen und Unternehmensberatungen) konkrete Hinweise und Empfehlungen dafür zu geben, für welche Unternehmen (Industrie-, Dienstleistungs- oder Handelsunternehmen) es unter welchen Voraussetzungen auf Grundlage des heutigen wissenschaftlichen Erkenntnisstandes vielversprechend ist, das Konzept der BOS umzusetzen. Dafür sollen die Kernfragen nach erkennbaren spezifischen Anwendungsfeldern der jungen Wettbewerbsstrategie sowie dementsprechend daraus resultierenden situativen Umsetzungsmustern und po-tentialen nachvollziehbar geklärt werden. Eine abschließende schematische Darstellung der aus der Arbeit gewonnenen Erkenntnisse mithilfe eines selbst entwickelten Übersichtsrasters soll hierbei zur Veranschaulichung und Erhöhung der Anwendbarkeit dienen.
Andererseits soll Wissenschaftlern bzw. sich mit Strategieentwicklung und Strategieimplementierung befassenden Personen (zB. Studierenden) durch die Diplomarbeit eine verlässliche Grundlage geboten werden, auf […]
Mit einiger Regelmäßigkeit werden in den wirtschaftswissenschaftlichen Fachdisziplinen der strategischen Unternehmensführung bzw. des Marketing-Managements vermeintlich neue Konzepte diskutiert. Dabei ist der Innovationsgehalt der entwickelten Paradigmen häufig gering bis fragwürdig. Ein Novum stellt jedoch die vor einigen Jahren von Kim/Mauborgne entwickelte Blue Ocean Strategy (im Folgenden als BOS bezeichnet) mit ihrem Hauptwerkzeug, der Value Innovation bzw. Nutzeninnovation, dar. Hierbei handelt es sich um eine Wachstums- bzw. Wettbewerbsstrategie mit sehr hohem Neuheitsgehalt, der sich die vorliegende Arbeit mit einem spezifischen Fokus widmen soll.
Wie bei allen jüngeren wissenschaftlichen Publikationen ergeben sich auch beim Konzept der Blue Ocean Strategy insofern Probleme, als dass in der eigentlichen Arbeit einige Aspekte des Themas, deren weitere wissenschaftliche Betrachtung interessant und sinnvoll wäre, (teilweise) unbehandelt bleiben und ergänzende Literatur dazu noch kaum zu finden ist. So bleibt zB. unbeantwortet, ob es für BOS erkennbare Anwendungsfelder bzw. muster gibt, aufgrund derer sich situative Umsetzungspotentiale und Empfehlungen für Unternehmen aus Industrie, Dienstleistung und Handel ableiten lassen. Gerade dieser Problemstellung nachzugehen wäre sinnvoll und entsprechende Erkenntnisse ein wissenschaftlicher Fortschritt mit Praxisnutzen.
Zielsetzung:
Das Ziel der Arbeit ist es einerseits, Praktikern (also zB. Entscheidungsträgern in Unternehmen und Unternehmensberatungen) konkrete Hinweise und Empfehlungen dafür zu geben, für welche Unternehmen (Industrie-, Dienstleistungs- oder Handelsunternehmen) es unter welchen Voraussetzungen auf Grundlage des heutigen wissenschaftlichen Erkenntnisstandes vielversprechend ist, das Konzept der BOS umzusetzen. Dafür sollen die Kernfragen nach erkennbaren spezifischen Anwendungsfeldern der jungen Wettbewerbsstrategie sowie dementsprechend daraus resultierenden situativen Umsetzungsmustern und po-tentialen nachvollziehbar geklärt werden. Eine abschließende schematische Darstellung der aus der Arbeit gewonnenen Erkenntnisse mithilfe eines selbst entwickelten Übersichtsrasters soll hierbei zur Veranschaulichung und Erhöhung der Anwendbarkeit dienen.
Andererseits soll Wissenschaftlern bzw. sich mit Strategieentwicklung und Strategieimplementierung befassenden Personen (zB. Studierenden) durch die Diplomarbeit eine verlässliche Grundlage geboten werden, auf […]
Themenübersicht
Inhaltsverzeichnis
Stefan Krulis
Situativer Einsatz der Blue Ocean Strategy
Konzeptionelle Grundlagen, Anwendungsfelder und kritische Würdigung anhand
ausgewählter Fallbeispiele
ISBN: 978-3-8366-3281-2
Herstellung: Diplomica® Verlag GmbH, Hamburg, 2009
Zugl. MCI - Management Center Innsbruck GmbH, Innsbruck, Österreich, Magisterarbeit,
2009
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© Diplomica Verlag GmbH
http://www.diplomica.de, Hamburg 2009
Vorwort
Ich möchte mich im Zusammenhang mit dieser Diplomarbeit recht herzlich bei
meinem Betreuer, Herrn Prof. (FH) Dr. Johannes Dickel, für die Unterstützung
bei der Bearbeitung dieses doch recht innovativen Themas bedanken. Weiters
gilt mein Dank ebenso Herrn Dipl.-Ök. Jens Döge sowie Herrn Dipl.-Kfm. Holger
Trautmann von der Unternehmensberatung MSU Consulting GmbH für ein kon-
struktives und ausführliches Expertengespräch, das sich auch als sehr auf-
schlussreich herausstellte.
Ein weiterer Dank gilt meiner Korrekturleserin Melanie Riedl.
Widmen möchte ich die Arbeit meinen Eltern, Gert und Brigitte Krulis, sowie
meiner Großmutter, Sonja Krulis.
Stefan Krulis, im Mai 2009.
In Gedenken an meinen Freund und Onkel Andreas Cramer.
Kurzfassung
Das Konzept der Blue Ocean Strategy (BOS), eine vor wenigen Jahren von
Kim/Mauborgne entwickelte Wettbewerbsstrategie, birgt hohen Neuheitsgehalt:
Das Prinzip der Nutzeninnovation, der Grundpfeiler der Strategie, ermöglicht es
nämlich Unternehmen, Differenzierung des Leistungsangebots und Kostensen-
kung simultan miteinander zu kombinieren.
Bisher blieb im Rahmen des BOS-Modells allerdings unbeantwortet, ob sich für
eine solche Strategie Anwendungsfelder und muster identifizieren lassen, auf-
grund derer konkrete situative Umsetzungspotentiale und Empfehlungen für Un-
ternehmen aus Industrie, Dienstleistung und Handel abgeleitet werden können.
Genau diese Fragen zu beantworten setzte sich die vorliegende Diplomarbeit
zum Ziel.
Nach theoretischer Untersuchung des BOS-Konzepts auf Basis einschlägiger
Literatur wurde die Existenz bisheriger Anwendungsfelder der Strategie ermit-
telt. So konnten aufgrund der Analyse von zehn ausgearbeiteten Fallbeispielen
zur erfolgreichen Umsetzung des Modells (entnommen großteils aus Fachzeit-
schriften und Wirtschaftsjournalen) sowie unter Berücksichtigung der Erkennt-
nisse aus einem explorativen Experteninterview vier Hauptanwendungsfelder
der Strategie identifiziert werden: Es kann danach kategorisiert werden, auf
welchen Märkten (B2B oder B2C) Unternehmen BOS umsetzen und wo sie da-
bei die Nutzeninnovation anknüpfen (am Produkt oder an nicht-produktvariablen
Leistungen, zB. am Lieferprozess).
Bei induktiver Analyse der einzelnen Einsatzfelder ergab sich so unter anderem
die Erkenntnis, dass es für Unternehmen im B2C-Bereich (zB. für Industriebe-
triebe, die Konsumgüter des täglichen Bedarfs produzieren) häufig schwierig ist,
BOS auf Produkte zu transferieren. Gegenteilig erscheint in vielen Branchen im
B2B-Segment eine Anwendung der Strategie besonders vielversprechend. All-
gemein lässt sich außerdem ableiten, dass das Umsetzungspotential des Kon-
zepts tendenziell mit der Komplexität der Produkte bzw. der Höhe des Interakti-
onsgrades zwischen Unternehmen und Kunde ansteigt.
Abstract
The Blue Ocean strategy (BOS) model, a recently developed competitive stra-
tegy by Kim and Mauborgne, contains a high level of innovation: The principle
of Value Innovation, the cornerstone of the approach, enables companies to
combine strategic differentiation and cost reduction simultaneously.
So far, the question has not been asked wether special fields of application of
the Blue Ocean strategy can be identified on which then situational recommen-
dations (for industrial, service and commercial enterprises) as to the potentials
of the implementation of the model can be based. To answer these questions
had been the goal set for this diploma thesis.
After having analysed the Blue Ocean model on a theoretical basis using rele-
vant literature, the existence of previous fields of application of the strategy was
explored. Hence, by analysing ten elaborated case studies on the successful
implementation of the model (based on articles in professional journals and
economic newspapers) as well as an explorative expert interview four main
fields of application could be identified: First, one has to distinguish between
using BOS in business-to-business or business-to-customer markets. Second,
companies that transfer the principle of Value Innovation on their products can
be differentiated from companies that adopt only non-product performances
(such as their supply chain).
An inductive analysis of each of the fields of application of the BOS model indi-
cated (among other findings) that for business-to-customer companies (especi-
ally for industrial enterprises producing fast moving consumer goods) it is in
many cases very difficult to transfer the strategy onto products. On the other
hand, in numerous industries in business-to-business markets the use of the
model is particularly promising. Generally it can also be concluded that the po-
tential of the BOS approach tends to increase with the complexity of the pro-
ducts and the level of interaction between the company and its customers.
Inhaltsverzeichnis
Stefan Krulis
I
Inhaltsverzeichnis
Inhaltsverzeichnis ... I
Tabellenverzeichnis ... III
Abbildungsverzeichnis ... IV
Abkürzungsverzeichnis ... V
1.
Einleitung... 1
1.1.
Problemstellung ... 1
1.2.
Zielsetzung ... 1
1.3.
Vorgehensweise und Methodik ... 2
2.
Grundlagen der Blue Ocean Strategy ... 5
2.1.
Die Grundidee des Blue Ocean-Ansatzes ... 5
2.1.1.
Der Konkurrenz ausweichen und neue Märkte schaffen... 5
2.1.2.
Die Nutzeninnovation als Eckpfeiler der BOS ... 7
2.1.3.
Nutzeninnovation versus technische Innovation ... 10
2.1.4.
Auswirkungen einer BOS auf Gewinn und Wachstum ... 11
2.2.
Werkzeuge und Instrumente der BOS ... 12
2.2.1.
Die Nutzenkurve zur Visualisierung der BOS ... 12
2.2.2.
Das Vier-Aktionen-Format ... 15
2.2.3.
Die sechs Pfade zur Nutzeninnovation ... 17
2.2.4.
Tipping Point Leadership zur Umsetzung der BOS ... 23
3.
Vergleich der Blue Ocean Strategy mit klassischen
Strategiekonzepten ... 27
3.1.
Die Wachstumsstrategien nach Ansoff ... 27
3.1.1.
Grundlegende Darstellung des Konzepts ... 27
3.1.2.
Die Produktentwicklungsstrategie ... 27
3.1.3.
Die Marktentwicklungsstrategie ... 28
3.1.4.
Die Diversifizierungsstrategie ... 29
3.2.
Die generischen Wettbewerbsstrategien nach Porter... 30
3.2.1.
Grundlegende Darstellung des Konzepts ... 30
3.2.2.
Die Strategie der umfassenden Kostenführerschaft ... 31
Inhaltsverzeichnis
Stefan Krulis
II
3.2.3.
Die Strategie der Differenzierung ... 32
3.2.4.
Die Strategie der Konzentration auf Schwerpunkte ... 32
3.3.
Das Positionierungskonzept nach Ries/Trout ... 33
3.3.1.
Grundlegende Darstellung des Konzepts ... 33
3.3.2.
Das Stärken einer bereits eingenommenen Position ... 34
3.3.3.
Das Suchen nach einer Lücke ... 34
3.3.4.
Das De- oder Repositionieren der Konkurrenz ... 36
3.4.
Synoptischer Vergleich der BOS mit den klassischen Strategien ... 37
4.
Bestandsaufnahme bisheriger Anwendungsfelder der Blue Ocean
Strategy ... 40
4.1.
Situative Anwendungsfelder der BOS ... 40
4.2.
Die BOS-Anknüpfung an Produkten auf B2B-Märkten ... 43
4.3.
Die BOS-Anknüpfung an Produkten auf B2C-Märkten ... 45
4.3.1.
Spielkonsolenhersteller Nintendo ... 45
4.3.2.
Autobauer Tata Group ... 48
4.3.3.
Onlinebank ING Direct ... 50
4.3.4.
Fitnessstudio Curves ... 52
4.4.
Die BOS-Anknüpfung an nicht-produktvariablen Leistungen auf B2B-
Märkten ... 55
4.4.1.
Betonproduzent Cemex ... 55
4.4.2.
Getränkeproduzent Red Bull ... 57
4.5.
Die BOS-Anknüpfung an nicht-produktvariablen Leistungen auf B2C-
Märkten ... 59
4.5.1.
Computerhersteller Dell ... 59
4.5.2.
Autoversicherer Progressive Insurance ... 61
4.5.3.
Handelskette Wal-Mart ... 63
4.6.
Kritische Würdigung des Konzepts ... 66
4.6.1.
Situative Chancen und Herausforderungen einer BOS ... 66
4.6.2.
Umsetzungsempfehlungen und Schlussfolgerungen ... 71
5.
Zusammenfassung und Ausblick ... 76
Quellenverzeichnis ... 78
Anhang ... 88
Tabellenverzeichnis
Stefan Krulis
III
Tabellenverzeichnis
Tabelle 1:
Gegenüberstellung: BOS versus klassische
Strategieansätze ... 38
Tabelle 2:
Überblick zu ausgewählten Anwendungsfällen der BOS ... 41
Tabelle 3:
Übersicht über situative Anwendungspotentiale der BOS... 74
Abbildungsverzeichnis
Stefan Krulis
IV
Abbildungsverzeichnis
Abbildung 1:
Simultanes Streben nach Differenzierung und
Kostensenkung ... 7
Abbildung 2:
Nutzenkurve von Formule 1 ... 9
Abbildung 3:
Auswirkung der Eroberung von Blue Oceans auf Gewinn
und Wachstum ... 12
Abbildung 4:
Wegweiser zu einer neuen Nutzenkurve ... 15
Abbildung 5:
Strategische Gruppen am Beispiel von Automarken ... 19
Abbildung 6:
Tipping Point Leadership als Führungsinstrument ... 26
Abbildung 7:
Produkt-Markt-Matrix nach Ansoff ... 27
Abbildung 8:
U-Kurve nach Porter ... 31
Abbildung 9:
Identifikation typischer situativer Einsatzfelder von BOS ... 42
Abbildung 10:
Nutzenkurve von NABI... 44
Abbildung 11:
Nutzenkurve von Nintendo Wii ... 46
Abbildung 12:
Nutzenkurve von Tata Nano ... 49
Abbildung 13:
Nutzenkurve von ING Direct ... 51
Abbildung 14:
Nutzenkurve von Curves ... 53
Abbildung 15:
Nutzenkurve von Cemex ... 56
Abbildung 16:
Nutzenkurve von Red Bull ... 58
Abbildung 17:
Nutzenkurve von Dell ... 60
Abbildung 18:
Nutzenkurve von Progressive Insurance ... 62
Abbildung 19:
Nutzenkurve von Wal-Mart ... 64
Abkürzungsverzeichnis
Stefan Krulis
V
Abkürzungsverzeichnis
Abb.
Abbildung
ABS
Antiblockiersystem
aktualis.
aktualisiert
Anm.
Anmerkung
Aufl.
Auflage
Ausg.
Ausgabe
B2B
Business to Business
B2C
Business to Customer
BCG
Boston Consulting Group
best.
bestimmt
BIP
Bruttoinlandsprodukt
BOS
Blue Ocean Strategy
Bsp.
Beispiel
bzw.
beziehungsweise
ca.
circa
d.
des/der
dh.
das heißt
durchges.
durchgesehen
durchschnittl.
durchschnittlich
DVD
Digital Versatile Disc
ehem.
ehemalig
erg.
ergänzt
erw.
erweitert
et al
und andere
etc.
et cetera
evtl.
eventuell
f.
folgende
FedEx
Federal Express
ff.
fortfolgende
FMCG
Fast Moving Consumer Goods
franz.
französisch
Abkürzungsverzeichnis
Stefan Krulis
VI
GmbH
Gesellschaft mit beschränkter Haftung
hist.
historisch
insb.
insbesondere
Jg.
Jahrgang
Kap.
Kapitel
Kfz
Kraftfahrzeug
krit.
kritisch
LKW
Lastkraftwagen
MSU
Managementberatung für Strategie und Umsetzung
NABI
North American Bus Industries
No.
Number
Nr.
Nummer
od.
oder
o. J.
ohne Jahresangabe
o. V.
ohne Verfasserangabe
PC
Personalcomputer
pers.
persönlich
pp.
pages
S.
Seite
SMH
ehem. Mutterunterunternehmung von Swatch
sog.
sogenannt
spez.
speziell
strateg.
strategisch
Tab.
Tabelle
u.
und
überarb.
überarbeitet
Übers.
Übersetzung
UK
United Kingdom
URL
Uniform Ressource Locator
USA
United States of America
USP
Unique Selling Proposition
uvm.
und viele/s mehr
v.
von
Verf.
Verfasser
Abkürzungsverzeichnis
Stefan Krulis
VII
vgl.
vergleiche
vlt.
vielleicht
VS
Verlag für Sozialwissenschaften
VW
Volkswagen
zB.
zum Beispiel
zit.
zitiert
zT.
zum Teil
1. Einleitung
Stefan Krulis
1
1. Einleitung
1.1. Problemstellung
Mit einiger Regelmäßigkeit werden in den wirtschaftswissenschaftlichen Fach-
disziplinen der strategischen Unternehmensführung bzw. des Marketing-
Managements vermeintlich neue Konzepte diskutiert. Dabei ist der Innovations-
gehalt der entwickelten Paradigmen häufig gering bis fragwürdig. Ein Novum
stellt jedoch die vor einigen Jahren von Kim/Mauborgne
1
entwickelte Blue Oce-
an Strategy (im Folgenden als BOS bezeichnet) mit ihrem Hauptwerkzeug, der
Value Innovation bzw. Nutzeninnovation, dar.
2
Hierbei handelt es sich um eine
Wachstums- bzw. Wettbewerbsstrategie mit sehr hohem Neuheitsgehalt, der
sich die vorliegende Arbeit mit einem spezifischen Fokus widmen soll.
Wie bei allen jüngeren wissenschaftlichen Publikationen ergeben sich auch
beim Konzept der Blue Ocean Strategy insofern Probleme, als dass in der ei-
gentlichen Arbeit einige Aspekte des Themas, deren weitere wissenschaftliche
Betrachtung interessant und sinnvoll wäre, (teilweise) unbehandelt bleiben und
ergänzende Literatur dazu noch kaum zu finden ist. So bleibt zB. unbeantwor-
tet, ob es für BOS erkennbare Anwendungsfelder bzw. muster gibt, aufgrund
derer sich situative Umsetzungspotentiale und Empfehlungen für Unternehmen
aus Industrie, Dienstleistung und Handel ableiten lassen. Gerade dieser Prob-
lemstellung nachzugehen wäre sinnvoll und entsprechende Erkenntnisse ein
wissenschaftlicher Fortschritt mit Praxisnutzen.
1.2. Zielsetzung
Das Ziel der Arbeit ist es einerseits, Praktikern (also zB. Entscheidungsträgern
in Unternehmen und Unternehmensberatungen) konkrete Hinweise und Emp-
fehlungen dafür zu geben, für welche Unternehmen (Industrie-, Dienstleistungs-
oder Handelsunternehmen) es unter welchen Voraussetzungen auf Grundlage
des heutigen wissenschaftlichen Erkenntnisstandes vielversprechend ist, das
1
Vgl. zB. Kim/Mauborgne (2005a).
2
Abraham (2006), S. 52: ,,The blue ocean strategy (BOS) model is fast becoming part of the strategy le-
xicon."
1. Einleitung
Stefan Krulis
2
Konzept der BOS umzusetzen. Dafür sollen die Kernfragen nach erkennbaren
spezifischen Anwendungsfeldern der jungen Wettbewerbsstrategie sowie dem-
entsprechend daraus resultierenden situativen Umsetzungsmustern und po-
tentialen nachvollziehbar geklärt werden. Eine abschließende schematische
Darstellung der aus der Arbeit gewonnenen Erkenntnisse mithilfe eines selbst
entwickelten Übersichtsrasters soll hierbei zur Veranschaulichung und Erhö-
hung der Anwendbarkeit dienen.
Andererseits soll Wissenschaftlern bzw. sich mit Strategieentwicklung und Stra-
tegieimplementierung befassenden Personen (zB. Studierenden) durch die Dip-
lomarbeit eine verlässliche Grundlage geboten werden, auf die weitere Unter-
suchungen zum Theorem BOS und den Anwendungsfeldern des Konzepts ge-
stützt werden können.
1.3. Vorgehensweise und Methodik
Zu Beginn der Arbeit sollen das Konzept der Blue Ocean Strategy und seine
Hauptwerkzeuge in ihren Grundzügen erläutert werden, um grundsätzliches
Verständnis für die Thematik zu gewährleisten. Im Anschluss daran wird die
Bedeutung der BOS für die Marketing-Managementlehre bzw. ihr Bezug zu be-
stehenden Wachstums- und Wettbewerbsstrategien untersucht, um den Neu-
heitsgehalt des Konzepts besonders hervorzuheben und die Bearbeitung des
Themas in dieser Weise zu ,,rechtfertigen". Hierbei soll ein Kontext insb. zu den
Wachstumsstrategien nach Ansoff
3
, den Wettbewerbsstrategien nach Porter
4
sowie dem Positionierungskonzept von Ries/Trout
5
hergestellt werden.
Anschließend erfolgt eine Bestandsaufnahme der bisherigen Anwendungsfelder
der Blue Ocean Strategy anhand ausgewählter Fallbeispiele zur erfolgreichen
Umsetzung des Konzepts. Dabei werden die Beispiele zuerst dahingehend ana-
lysiert, ob sich bestimmte typische Anwendungsbereiche der Strategie identifi-
zieren lassen, nach denen sinnvollerweise kategorisiert werden kann. Im An-
3
Vgl. hierzu vertiefend zB. Ansoff (1987).
4
Vgl. hierzu vertiefend zB. Porter (1989).
5
Vgl. hierzu vertiefend zB. Ries/Trout (1986).
1. Einleitung
Stefan Krulis
3
schluss daran werden die erwähnten Exempel dementsprechend gegliedert
ausgeführt und beschrieben. Als nächsten Schritt sollen die BOS bzw. ihre ver-
schiedenen Anwendungsfelder insofern gewürdigt werden, als jeweils situative
Chancen und Herausforderungen der Strategie, die sich auf Grundlage der vo-
rangegangenen Kapitel (tendenziell) erkennen lassen, in Bezug auf Unterneh-
men aus Industrie, Dienstleistung und Handel erläutert werden. Um die so ge-
sammelten und verarbeiteten Informationen auszuwerten sowie Umsetzungspo-
tentiale und empfehlungen nach den verschiedenen Anwendungsbereichen
aufzuzeigen (Beantwortung der Forschungsfrage), wird abschließend ein selbst
entworfenes Übersichtsraster eingesetzt.
Zuletzt sollen in einer Zusammenfassung die aus der Arbeit gewonnen Er-
kenntnisse reflektiert sowie Hinweise auf mögliche Ansatzpunkte für weiterge-
hende Forschungsarbeiten gegeben werden.
In der Arbeit wird die gesamte für die Thematik relevante Literatur (sowohl jün-
gere Forschungsarbeiten als auch ältere Standardwerke, wie zB. von Porter
oder Ansoff) in Form von Artikeln in Fachzeitschriften, Sammelwerken und Mo-
nographien berücksichtigt. Als Grundlage für die theoretische Analyse der BOS
dienen insb. aktuellere Publikationen (darunter einige Fachartikel). Die Gegen-
überstellung des Konzepts mit den klassischen Strategien erfolgt dann sowohl
auf Basis der ausgewerteten Informationen aus der Literatur als auch aufgrund
der Ergebnisse eines explorativen Experteninterviews (die Auswahl des Ge-
sprächspartners basiert dabei auf dessen Kompetenz und Erfahrung im Um-
gang mit dem BOS-Konzept und seiner Umsetzung in der Praxis, näher dazu
im Anhang).
Die Beispiele, auf deren Analyse die Identifikation der verschiedenen Anwen-
dungsbereiche der Blue Ocean Strategy beruht, werden aus verschiedenen
Quellen entnommen: Von insgesamt zehn umfangreichen Fallbeispielen wer-
den sieben selbst identifiziert und erarbeitet (besonderer Wert wird darauf ge-
legt, dass die Exempel möglichst aktuell und über verschiedene Branchen hin-
weg verteilt sind), diese basieren dabei ausschließlich auf Artikel in Fachzeit-
schriften und Wirtschaftsjournalen in Verbindung mit Internetquellen. Die übri-
1. Einleitung
Stefan Krulis
4
gen drei Beispiele (plus zwei weitere nur kurz ausgeführte BOS-Anwen-
dungsfälle zur Verdeutlichung theoretischer Grundlagen des Konzepts in
Kap. 2) werden als repräsentative Fallstudien aus den Publikationen von
Kim/Mauborgne
6
entnommen.
Die Analyse situativer Chancen und Herausforderungen des Konzepts erfolgt
schlussendlich anhand der gezielten Reflexion der Fallbeispiele unter Berück-
sichtigung wesentlicher Erkenntnisse und Anregungen aus dem bereits erwähn-
ten explorativen Expertengespräch. Die so abgeleiteten Umsetzungspotentiale
und empfehlungen für die verschiedenen Unternehmen sollen im Rahmen ei-
nes induktiven Forschungsansatzes (dh., vom Einzelnen kann auf Allgemein-
gültigkeit geschlossen werden obwohl es an breiter empirischer Untersuchung
mangelt) repräsentative Muster und Entscheidungshilfen für die BOS-An-
wendung darstellen.
Zitiert wird nach Ebster/Stalzer
7
, die Durchführung und anschließende Voll-
transkription des Experteninterviews (im Anhang) wurde an Gläser/Laudel
8
an-
gelehnt.
6
Insb. Kim/Mauborgne (2005a).
7
Vgl. Ebster/Stalzer (2008).
8
Vgl. Gläser/Laudel (2006).
2. Grundlagen der Blue Ocean Strategy
Stefan Krulis
5
2. Grundlagen der Blue Ocean Strategy
2.1. Die Grundidee des Blue Ocean-Ansatzes
2.1.1. Der Konkurrenz ausweichen und neue Märkte schaffen
Bei dem Konzept der Blue Ocean Strategy handelt es sich um eine von
Kim/Mauborgne
9
entwickelte neuartige Wettbewerbsstrategie. Dabei geht es
grundsätzlich darum, der Konkurrenz auszuweichen indem neue Märkte kreiert
und erschlossen werden.
10
Dazu wird ein ,,Marktuniversum" des Unternehmens
im Wettbewerb fingiert, das grundsätzlich in zwei sog. Oceans, also Ozeane,
unterteilt werden kann: in Red Oceans und Blue Oceans;
11
Rote Ozeane repräsentieren bereits bestehende Märkte in denen reger Konkur-
renzkampf herrscht. Dabei sind auch die Regeln bzw. Rahmenbedingungen für
den Wettbewerb bereits festgelegt und werden von den am entsprechenden
Markt partizipierenden Unternehmungen akzeptiert und nicht hinterfragt.
12
Und
so wird auch der (jeweils relevante) Markt an sich in seinen herkömmlichen Be-
trachtungsweisen angenommen. Diese Märkte können zwar nach den ver-
schiedensten Kriterien eingeteilt werden (zB. nach räumlichen, zeitlichen oder
sachlichen Charakteristika, nach der Richtung der Gütertransaktion, nach Art
der Güter, nach dem Marktvolumen, nach Markteintritts- und Marktaustrittsbar-
rieren, nach bedienten Kundengruppen und die durch das Produkt beim Kun-
den erfüllte Aufgabe bzw. das befriedigte Bedürfnis uvm.),
13
doch die diversen
Merkmale an sich (wie zB. die verschiedenen Kundengruppen) werden nicht in
Frage gestellt.
14
Die Marktteilnehmer in Roten Ozeanen versuchen, ihre Mitbewerber auf ir-
gendeine Art und Weise zu übertreffen, um sich so Marktanteile zu sichern bzw.
9
Vgl. hierzu vertiefend zB. Kim/Mauborgne (2005a).
10
Vgl. Kim/Mauborgne (2005a, 1999).
11
Vgl. Kim/Mauborgne (2005a), S. 4 f.
12
Vgl. ebenda, S. 4.
13
Vgl. Meffert (2000), S.37; Nieschlag/Dichtl/Hörschgen (2002), S. 81 ff.; Kotler/Keller/Bliemel (2007),
S. 17; Abell (1980), S. 192 ff.; umfassend zum Thema Marktabgrenzung und den entsprechenden
Problematiken vgl. Bauer (1989).
14
Vgl. Kim/Mauborgne (2005a), S. 4; Kim/Mauborgne (2005b), S. 25.
2. Grundlagen der Blue Ocean Strategy
Stefan Krulis
6
diese auszubauen.
15
Um dieses Ziel zu erreichen, wird auf hinlänglich bekannte
und wettbewerbsbasierte Strategieansätze zurückgegriffen, wie etwa die Wahl
einer strategischen Position als Kosten- oder Qualitätsführer.
16
Doch trotz Ein-
satzes von zahlreichen (bewährten) Marketing-Managementstrategien bleibt es
für Unternehmen schwierig, sich auf etablierten (und speziell auf einträglichen)
Märkten zu behaupten.
17
So waren etwa Prahalad/Hamel
18
bereits 1994 der
Ansicht, herkömmliche Strategien würden aufgrund zunehmender Deregulie-
rung der Märkte, globalen Wettbewerbs, sich rasch ändernden Technologien
sowie häufig wechselnden Erwartungen der Kunden nicht mehr funktionieren
bzw. es müsse nach neuen Paradigmen gesucht werden.
Die Blue Ocean Strategy erfordert hingegen ein neues Grundverständnis des
strategischen Denkens bzw. ein Abweichen vom herkömmlichen Konkurrenz-
denken.
19
Ein Blauer Ozean der Terminus ,,Blue Ocean" ist übrigens relativ
neu, die Existenz des zugrunde liegenden Paradigmas jedoch nicht
20
zeichnet
sich nämlich dadurch aus, dass der entsprechende Markt noch nicht geschaffen
wurde und erst im Zuge der Erschließung Nachfrage erzeugt wird.
21
Den Mit-
bewerbern wird so durch das Ignorieren von konventionellen und weithin akzep-
tierten Marktschranken ausgewichen.
22
Dieser Ansatz basiert also auf Umge-
hung, nicht auf Angriff.
23
Zur Erreichung des Ziels der Konkurrenz auszuweichen bzw. zur strategischen
Erschließung von Blue Oceans entwickelten Kim/Mauborgne
24
das Konzept der
Value Innovation oder Nutzeninnovation (näher behandelt im folgenden Kap.
2.1.2.).
15
Vgl. Kim/Mauborgne (2005a), S. 4.
16
Vgl. ebenda, S. 5; vertiefend zur Strategie als Kosten- oder Qualitätsführer vgl. Porter (1989).
17
Vgl. Bryce/Dyer (2007), S. 53.
18
Vgl. Prahalad/Hamel (1994), S. 5.
19
Vgl. Kim/Mauborgne (1999), S. 83.
20
Kim/Mauborgne (2005a), S. 5.
21
Vgl. ebenda, S. 4; auch Christensen, Cook und Hall (2006, S. 77) sind der Auffassung, dass neue (pro-
fitable) Wachstumsmärkte grundsätzlich geschaffen werden können.
22
Vgl. Kim/Mauborgne (1999), S. 83.
23
Vgl. Hamel (2001), S. 87.
24
Vgl. hierzu ausführlich Kim/Mauborgne (1997); Kim/Mauborgne (2005a), S. 12 ff. u. S. 209 ff.
2. Grundlagen der Blue Ocean Strategy
Stefan Krulis
7
Value
Innovation
Kosten
Kundennutzen
2.1.2. Die Nutzeninnovation als Eckpfeiler der BOS
Die Nutzeninnovation gilt als Grundprinzip und Eckpfeiler der Strategie zur Er-
oberung Blauer Ozeane.
25
Bei der Nutzeninnovation liegt der strategische Fo-
kus des Unternehmens auf der Erzeugung eines Nutzengewinns sowohl für den
Kunden als auch für die Unternehmung selbst. Dazu wird insofern vom konven-
tionellen strategischen Denken abgewichen, als sich das Unternehmen nicht
wie üblich und traditionell als richtig empfunden
26
an der Konkurrenz orientiert
bzw. all sein strategisches Handeln an Benchmarking von Mitbewerbern aus-
richtet.
27
Die Konkurrenz wird vielmehr umgangen, indem sich das Unterneh-
men durch einen zusätzlichen Kundennutzen differenziert bzw. so einen neuen
Markt (Blue Ocean) schafft.
28
Unter Kundennutzen in diesem Zusammenhang
kann übrigens am treffendsten die Einschätzung des Kunden bezüglich der Fä-
higkeit des Produkts zur Bedürfnisbefriedigung verstanden werden.
29
Gleichzeitig wird wie bereits erwähnt auch ein Nutzen für das Unternehmen
erzielt: Die Kosten werden durch das Prinzip der Value Innovation gesenkt.
30
Zur Versinnbildlichung des Konzepts soll untenstehende Abbildung dienen.
Abbildung 1: Simultanes Streben nach Differenzierung und Kostensenkung
31
25
Vgl. Kim/Mauborgne (1997), S. 103; Kim/Mauborgne (2005a), S. 12.
26
Vgl. Drucker (2004), S. 19 ff.
27
Vgl. Kim/Mauborgne (2005a), S. 12.
28
Vgl. ebenda; auch MacMillan/McGrath (1997, S. 133) sind der Meinung, dass die meisten profitablen
Unternehmensstrategien insofern auf Differenzierung beruhen, als dass dem Kunden dabei ein Nutzen
geboten wird, über den Konkurrenzprodukte nicht verfügen.
29
Vgl. Kotler/Keller/Bliemel (2007), S. 13.
30
Vgl. Kim/Mauborgne (2005a), S. 13.
31
Quelle: in enger Anlehnung an Kim/Mauborgne (2005a), S. 16.
2. Grundlagen der Blue Ocean Strategy
Stefan Krulis
8
Somit ergibt sich eine neuartige Abweichung vom Zielkonflikt zwischen Nutzen
und Kosten.
32
Es resultiert daraus die Vereinigung von Kostenführerschaft und
Differenzierung.
33
Die Logik der Nutzeninnovation soll nun anhand des nachfolgenden Beispiels
konkretisiert und verdeutlicht werden.
Beispiel: Accor-Hotels
34
In den 1980er Jahren litt die Budget-Hotel-Branche in Frankreich unter einer
schweren Krise, von der auch die Hotels des Unternehmens Accor betroffen
waren. Der schrumpfende und zunehmend unattraktiver werdende Markt war
zweigeteilt: Einerseits gab es Null- und Ein-Stern-Hotels, die zwischen 60 und
90 Francs pro Nacht und pro Zimmer verrechneten. Hierfür wurden meist nur
geringer Schlafkomfort, kleine, unvorteilhaft möblierte Zimmer sowie ein hoher
Geräuschpegel geboten. Andererseits gab es die Zwei-Stern-Hotels, für die
man im Durchschnitt 200 Francs pro Nacht und pro Zimmer bezahlen musste.
Im Vergleich bekam man dabei mit einer ruhigen Schlafumgebung, schöneren
und größeren Zimmern, rund um die Uhr besetzten Rezeptionen sowie Spei-
semöglichkeiten im Hotel deutlich mehr geboten.
Im Jahr 1985 brachte Accor eine neue Kette von Budget-Hotels namens Formu-
le 1 auf den Markt. Die Hotelkette verfolgte ein komplett neues Konzept und
hatte damit Erfolg. Accor eliminierte für seine neuen Hotels kostenintensive Ei-
genschaften wie Restaurants, Lounges, Bars und rund um die Uhr besetzte Re-
zeptionen (diese waren nun ausschließlich zu Stoßzeiten besetzt, ansonsten
konnten Kunden einen Automaten benutzen). Außerdem wurden die Zimmer
nur mehr mit dem Nötigsten ausgestattet, dafür aber vorteilhafter. Jedes Zim-
mer und alle Möbelstücke sahen gleich aus, alles konnte so massengefertigt
werden. Die Zimmer wurden sehr gut gegen Lärm isoliert, und die Betten waren
groß, angenehm und ermöglichten hervorragenden Schlafkomfort.
32
Vgl. Kim/Mauborgne (2005a), S. 13; vgl. auch die (empirischen) Untersuchungen dazu von Whi-
te (1986).
33
Vgl. Kim/Mauborgne (2005a), S. 13; Abraham (2006), S. 52; zum Zielkonflikt zwischen Kostenführer-
schaft und Differenzierung vgl. insb. Porter (1989); Porter (1996), S. 62; Hill (1988) und Proff (1997)
hingegen konstatieren den beiden Paradigmen ihre Vereinbarkeit.
34
Vgl. Kim/Mauborgne (1997), S. 107 f.
2. Grundlagen der Blue Ocean Strategy
Stefan Krulis
9
Durch die Einsparungen bei Personal und Service sowie durch die erzielten
Skaleneffekte aufgrund der Massenfertigung konnte Accor enorme Kostenvor-
teile erzielen. Diese wurden nun einerseits auf die Preise umgelegt, die nur ge-
ringfügig über jenen von Ein-Stern-Hotels angesetzt wurden, und erlaubten es
Accor andererseits jene Eigenschaften, die Formule 1-Hotels von der Konkur-
renz in der selben Preisklasse abhoben (zB. bequeme Betten, ruhige Zimmer),
weiter zu verbessern.
Accor erzielte mit seinen Formule 1-Hotels innerhalb kurzer Zeit einen Marktan-
teil, der höher war als jener der fünf nächstgrößten Mitbewerber zusammen.
So wich Accor im obigen Fallbeispiel vom konventionellen strategischen Den-
ken der Konkurrenz ab und schuf mithilfe des Konzepts der Nutzeninnovation
einen neuen Markt (Blue Ocean). Dieses Abweichen der Formule 1-Hotels vom
Konkurrenzdenken kann sehr gut anhand der sogenannten Value Curve
35
, der
Nutzenkurve, dargestellt werden (vgl. Abb. 2).
Abbildung 2: Nutzenkurve von Formule 1
36
35
Ausführlich dazu Kim/Mauborgne (2002); siehe ebenso Kap. 2.2.1. Die Nutzenkurve zur Visualisierung
der BOS.
36
Quelle: in enger Anlehnung an Kim/Mauborgne (1997), S. 108.
2. Grundlagen der Blue Ocean Strategy
Stefan Krulis
10
Wie nun anhand obiger Darstellung deutlich zu erkennen ist, weicht die Nutzen-
kurve von Formule 1 deutlich von jener der Konkurrenz ab. Die konkrete Nut-
zeninnovation für den Kunden liegt dabei darin, dass den Hotelgästen zu einem
Preis, der ungefähr bei jenem von Null- und Ein-Stern-Hotels liegt, hervorra-
gende Bett- und Schlafqualität sowie überdurchschnittlich hohe hygienische
Standards geboten werden, die auch über der Qualität von durchschnittlichen
Zwei-Stern-Hotels liegen. Der Nutzen für das Unternehmen Accor besteht dabei
offensichtlich darin, dass einerseits große Kostenvorteile erzielt werden kön-
nen,
37
und andererseits das eigene Produkt eindeutig (vgl. die S-Form der Nut-
zenkurve) von jenem der Konkurrenz abgegrenzt wird. Dementsprechend wur-
de auch ein neuer Markt, also ein Blue Ocean, erschlossen: Denn Formule 1
sprach nicht nur die große Masse der klassischen französischen Budget-
Hotelgäste an, sondern erreichte mit seinem Konzept zB. auch Fernfahrer, die
traditionell in ihren Fahrzeugen schliefen, oder Geschäftsleute, die für ein paar
Stunden Ruhe suchten.
38
Auf diese Weise wurde die Konkurrenz umgangen.
39
2.1.3. Nutzeninnovation versus technische Innovation
Der Terminus der Nutzeninnovation im Zusammenhang mit der Erschließung
neuer Märkte kann insofern zu Verwirrung führen, als damit nicht die herkömm-
liche (technische) Innovation verwechselt werden darf.
40
Denn gerade darauf
lag der wissenschaftliche Fokus viele Jahre lang, ehe auch andere Ansichten
zur Innovation und ihren verschiedenen Spektren (zB. die Prozessinnovation,
die Serviceinnovation oder die strategische Innovation) Eingang in die Literatur
fanden.
41
So ist heute klar, dass Innovation nicht zwangsweise technischer Na-
tur sein muss.
42
Kim/Mauborgne
43
grenzen jedenfalls klar zwischen den Begrifflichkeiten der
Nutzeninnovation und der (technologischen) Innovation ab. Denn im Gegen-
satz zur herkömmlichen Innovation kann eine Nutzeninnovation zwar techno-
37
Vgl. Kim/Mauborgne (1997), S. 108.
38
Vgl. ebenda.
39
Vgl. ebenda.
40
Vgl. Kim/Mauborgne (2005a), S. 12 f.
41
Vgl. Birkinshaw/Hamel/Mol (2008), S. 825.
42
Vgl. Drucker (2004), S. 28.
43
Vgl. Kim/Mauborgne (2005a), S. 13.
2. Grundlagen der Blue Ocean Strategy
Stefan Krulis
11
logieorientiert, bahnbrechend oder futuristisch sein, muss dies aber nicht sein
und ist es sehr häufig auch nicht.
44
Wesentlich bei der Value Innovation ist je-
doch immer die Verbindung mit Nutzen, Preis und Kostenstruktur des entspre-
chenden neuen Produkts (wie im vorherigen Kap. ausgeführt). So wird es näm-
lich vermieden, Produkte auf den Markt zu bringen, für die der Kunde nicht be-
reit ist, den (vollen) angesetzten Preis zu bezahlen bzw. die so nicht vom Kun-
den angenommen werden.
45
Dies passiert jedoch des Öfteren bei Produktein-
führungen im Rahmen technologischer Innovationen, weshalb der finanzielle
Erfolg von klassischen Pionieren sehr häufig aus bleibt.
46
Bei Nutzeninnovatio-
nen im Zuge einer Blue Ocean Strategy hingegen können regelmäßig Umsatz-
und Gewinnwachstum festgestellt werden (vgl. hierzu Näheres in Kap. 2.1.4.
Auswirkungen einer BOS auf Gewinn und Wachstum).
So könnte, wenn im Zuge der weiteren Arbeit von Nutzeninnovation die Rede
ist, unter Innovation an sich neutral die Implementierung von neuen Ideen im
Bestreben Wert zu schaffen
47
verstanden werden. Von der technologischen In-
novation ist jedoch stets zu unterscheiden.
2.1.4. Auswirkungen einer BOS auf Gewinn und Wachstum
Um den positiven Einfluss der Blue Ocean Strategy auch anhand von Unter-
nehmenszahlen zu belegen, wurde eine Studie über neu eingeführte Produkte
von 108 Unternehmen aus verschiedenen Branchen durchgeführt.
48
Dabei wur-
de speziell untersucht, wie sich die Eroberung von neuen Märkten (insb. im
Vergleich mit herkömmlichen Angeboten auf bestehenden Märkten) auf den Er-
folg der Unternehmungen auswirkte (vgl. Abb. 3).
Demnach wurde festgestellt, dass ungeachtet dessen, dass der Anteil neuer
Angebote in Blauen Ozeanen an den gesamten von den Unternehmen angebo-
44
Vgl. ebenda.
45
Vgl. ebenda.
46
Vgl. Golder/Tellis (1992), S. 26 f.; anderer Ansicht zB. Linder (2006), S. 38: Linder geht davon aus,
dass Innovationen meistens profitables Wachstum begründen.
47
Linder (2006), S. 38.
48
Vgl. Kim/Mauborgne (2005a), S. 7 f.
2. Grundlagen der Blue Ocean Strategy
Stefan Krulis
12
86%
62%
39%
14%
38%
61%
Neue
Angebote
Auswirkung
auf den
Umsatz
Auswirkung
auf den
Gewinn
Angebote in Roten Ozeanen
Angebote zur Eroberung
Blauer Ozeane
tenen Produkten nur 14 Prozent betrug, sich die Auswirkungen auf Gewinn und
Umsatz überproportional höher präsentierten.
Abbildung 3: Auswirkung der Eroberung von Blue Oceans auf Gewinn und
Wachstum
49
So betrug, wie in obiger Abbildung ersichtlich, der Umsatzanteil solcher Ange-
bote 38 Prozent und der Anteil am Gesamtgewinn lag sogar bei 61 Prozent. Die
planvolle Erschließung von Blue Oceans selbst wenn sie nicht immer einfach
sein mag
50
wird demnach also häufig mit immensem Wachstum und höheren
Gewinnmargen verbunden sein.
2.2. Werkzeuge und Instrumente der BOS
2.2.1. Die Nutzenkurve zur Visualisierung der BOS
Als wichtigstes Instrumentarium zur Abbildung und Visualisierung einer Blue
Ocean Strategy gilt die bereits in Kapitel 2.1.2. angeschnittene Nutzenkurve.
51
Dabei werden im Rahmen des sogenannten Strategy Canvas, also der ,,strate-
gischen Kontur", sowohl die eigene als auch die Nutzenkurve der Konkurrenz
(sowie gegebenenfalls auch jene diverser Substitutprodukte bzw. alternativer
Lösungen) skizziert (zur Versinnbildlichung vgl. Abb. 2).
52
So wurden in etwa
beim Beispiel Accor (vgl. ebenfalls Kap. 2.1.2.) die Kurven der Formule 1-Hotels
sowie zweier Hauptkonkurrenzgruppen (der Null- und Ein-Stern-Hotels sowie
49
Quelle: Kim/Mauborgne (2005a), S. 7.
50
Vgl. Jackson (2007), S. 5.
51
Vgl. zB. Kim/Mauborgne (2002); Kim/Mauborgne (2005a), S. 41 ff.
52
Vgl. Kim/Mauborgne (2002).
2. Grundlagen der Blue Ocean Strategy
Stefan Krulis
13
der Zwei-Stern-Hotels) visualisiert. Und am Beispiel einer Billigfluglinie wäre es
sinnvoll, im Rahmen des Strategy Canvas neben der eigenen Nutzenkurve
auch jene der anderen Billigfluglinien, jene normalpreisiger Airlines sowie jene
einer Autofahrt als Substitutlösung und potentielle Konkurrenz zu beschrei-
ben.
53
Als wesentliche Vorzüge des Konzepts der strategischen Kontur gelten die fol-
genden:
54
· Es beschreibt das strategische Profil bzw. die Wettbewerbssituation der
gesamten relevanten Branche, indem jene Faktoren und Attribute, die
die Konkurrenzsituation beeinflussen bzw. dies in Zukunft tun könnten,
veranschaulicht werden und in grafische Form gebracht werden,
· die strategische Kontur zeigt das Profil der momentanen und potentiellen
Konkurrenz, wobei jene Faktoren und Eigenschaften, in die besonders
viele Ressourcen investiert werden, identifiziert werden,
· und zuletzt wird natürlich auch die eigene Nutzenkurve beschrieben.
Hierbei werden ebenso die Faktoren, die besonders forciert werden bzw.
mit denen dies in Zukunft passieren sollte, versinnbildlicht.
So stellt sich nun die Frage, wie eine erfolgreiche Blue Ocean Strategy bzw. die
entsprechende strategische Kontur aussieht. Grundsätzlich kann die Antwort
darauf auf drei wesentliche Punkte beschränkt werden: auf Fokus, Abweichung
(Divergenz) sowie darauf, eine überzeugende (Werbe-)Botschaft erzeugen zu
können.
55
Jede erfolgreiche Unternehmensstrategie muss einen klaren Fokus haben.
56
Diesen sollte eine Nutzenkurve veranschaulichen können, zB. in Form eines
53
Vgl. ebenda, S. 79.
54
Vgl. ebenda, S. 78.
55
Vgl. ebenda, S. 78 f.; Kim/Mauborgne (2005a), S. 39 ff.
56
Vgl. Kim/Mauborgne (2002), S. 78; Kim/Mauborgne (2005a), S. 39; derselben Ansicht zB. Porter
(1996), S. 62.
Details
- Seiten
- Erscheinungsform
- Originalausgabe
- Erscheinungsjahr
- 2009
- ISBN (eBook)
- 9783836632812
- DOI
- 10.3239/9783836632812
- Dateigröße
- 1.1 MB
- Sprache
- Deutsch
- Institution / Hochschule
- Management Center Innsbruck Internationale Fachhochschulgesellschaft mbH – Management und Recht, Marketing
- Erscheinungsdatum
- 2009 (Juli)
- Note
- 2,0
- Schlagworte
- blue ocean strategy value innovation nutzeninnovation kim/mauborgne fallbeispiele anwendungs- umsetzungsempfehlungen