Berechnung von Bremsmanövern zur Rückführung von Raumtransportern aus dem operationellen Orbit
Zusammenfassung
Übersicht:
Der Schwerpunkt dieser Arbeit beschäftigte sich mit der Bedeutung des Schubes für den Wiedereintritt. Hierzu wurden mit Hilfe des Wiedereintrittsprogramms GENTRY eingehende Untersuchungen gemacht.
Zunächst wurde untersucht, welchen Einfluß die Richtung des Schubvektors auf den Wiedereintritt hat. Hierbei stellte sich heraus, daß der bahntangential gegebene Schub am wirtschaftlichsten ist.
Weiterhin ist überprüft worden, welche Auswirkung die Betrachtung des Schubes als Impulsschubgebung hat. Diese Betrachtungsweise erwies sich als sehr vereinfacht, zumal die benötigte Schubdauer beim kontinuierlich gegebenen Schub im Vergleich zur Abstiegszeit relativ groß waren. Außerdem ist der Geschwindigkeitsinkrementbedarf für die Einhaltung der Wiedereintrittsbedingungen bei einer Impulsbetrachtung geringer.
Für eine vorgegebene Bahn sollte das erforderliche Geschwindigkeitsinkrement für gegebene Wiedereintrittsrelativkoordinaten bestimmt werden. Dazu wurde eine Programmroutine entwickelt, die durch Rückrechnung von dem Eintrittszustand in 120 km bis hinauf zur Ausgangsbahn, unter Berücksichtigung der Gravitationsstörungen, bei Erreichen der Ausgangsbahn die Geschwindigkeitsdifferenz beider Bahnen ermittelte.
Ein weiterer Schwerpunkt der Arbeit war, einen Zusammenhang zwischen Ausgangsbahn und Landeort herzustellen. Hierzu wurde das Programm DEORBIT entwickelt, welches zu einem Wiedereintrittsort die erforderliche Epoche und die Schubdauer ermittelte. Mit der Vorgabe der Epoche und Schubdauer für eine Betrachtung der Abstiegsbahn als Keplerbahn, wurden dann die Störungen einer realistischen Bahn eingearbeitet. Die Abschätzung des Wiedereintrittsortes für einen Landeort wurde empirisch ermittelt, wobei die sehr komplexen Zusammenhänge zwischen Seitenreichweite, Längsreichweite, Inklination und Lage der Ausgangsbahn nur grob berücksichtigt werden konnten. Die entstandenen Fehler konnten allerdings durch Änderung des Hängewinkels reduziert werden.
Als letztes sollte geklärt werden, inwieweit die mit DEORBIT berechnete Epoche variiert werden kann, um den Landeort noch zu erreichen. Durch den Westversatz und anschließender Hängewinkeländerung und durch Variation des Hängewinkels selbst sowie Änderung des Abstiegszeitpunktes können Zeitverzögerungen im Rahmen von 15 min und 3 Tagen ausgeglichen werden.
Einleitung:
Da die Prioritäten innerhalb der Forschung in Deutschland und damit auch in Europa anders gestaffelt […]
Leseprobe
Inhaltsverzeichnis
Inhaltsverzeichnis
Übersicht
1. Einleitung
2. Grundlagen
2.1. Koordinatensysteme
2.1.1. Sphärische Relativkoordinaten
2.1.2. Inertiale sphärische Polarkoordinaten
2.1.3. Koordinatensysteme zur Beschreibung der Orientierung des Orbiters
2.1.4. Schubeinstellwinkel
2.2. Die Atmosphärenmodelle
2.3. Wärmemodell
2.4. Gravitationspotential
2.5. Charakterisierung des Wiedereintritts
2.6. Charakterisierung der Schubgebung
2.6.1. Beschreibung der Schubvektorrichtung
2.6.2. Schubdauer
2.6.3. Charakteristik typischer Deorbittriebwerke
2.6.4. Andere Möglichkeiten der Schubgebung
3. Beeinflussung des Wiedereintritts
3.1. Einfluß der Atmosphäre und der Gravitationstörung aufgrund der Erdabplattung
3.2. Einfluß des Bremsimpulses auf den Wiedereintritt
4. Rückrechnung eines gegebenen Eintrittszustandes
4.1. Vorgehen
4.2. Verifikation des Programms
5. Bestimmung von Beginn und Brenndauer eines Bremsmanövers
5.1. Programmkonzept
5.2. Programmbeschreibung
5.2.1. Die Unterprogramme
5.3. Verifikation des Programms
6. Zusammenhang zwischen Ausgangsorbit und Landegebiet
6.1. Abhängigkeiten der Seiten- und Längsreichweiten
6.2. Ermittlung der Abstiegssubspur am Beispiel von Istres
6.3. Variation der Abstiegsepoche
6.4. Berechnung der inertialen Seitenreichweite
7. Zusammenfassung
Nomenklatur
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
INDIZES
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Übersicht
Der Schwerpunkt dieser Arbeit beschäftigte sich mit der Bedeutung des Schubes für den Wiedereintritt. Hierzu wurden mit Hilfe des Wiedereintrittsprogramms GENTRY eingehende Untersuchungen gemacht.
Zunächst wurde untersucht, welchen Einfluß die Richtung des Schubvektors auf den Wiedereintritt hat. Hierbei stellte sich heraus, daß der bahntangential gegebene Schub am wirtschaftlichsten ist.
Weiterhin ist überprüft worden, welche Auswirkung die Betrachtung des Schubes als Impulsschubgebung hat. Diese Betrachtungsweise erwies sich als sehr vereinfacht, zumal die benötigte Schubdauer beim kontinuierlich gegebenen Schub im Vergleich zur Abstiegszeit relativ groß waren. Außerdem ist der Geschwindigkeitsinkrementbedarf für die Einhaltung der Wiedereintrittsbedingungen bei einer Impulsbetrachtung geringer.
Für eine vorgegebene Bahn sollte das erforderliche Geschwindigkeitsinkrement für gegebene Wiedereintrittsrelativkoordinaten bestimmt werden. Dazu wurde eine Programmroutine entwickelt, die durch Rückrechnung von dem Eintrittszustand in 120 km bis hinauf zur Ausgangsbahn, unter Berücksichtigung der Gravitationsstörungen, bei Erreichen der Ausgangsbahn die Geschwindigkeitsdifferenz beider Bahnen ermittelte.
Ein weiterer Schwerpunkt der Arbeit war, einen Zusammenhang zwischen Ausgangsbahn und Landeort herzustellen. Hierzu wurde das Programm DEORBIT entwickelt, welches zu einem Wiedereintrittsort die erforderliche Epoche und die Schubdauer ermittelte. Mit der Vorgabe der Epoche und Schubdauer für eine Betrachtung der Abstiegsbahn als Keplerbahn, wurden dann die Störungen einer realistischen Bahn eingearbeitet. Die Abschätzung des Wiedereintrittsortes für einen Landeort wurde empirisch ermittelt, wobei die sehr komplexen Zusammenhänge zwischen Seitenreichweite, Längsreichweite, Inklination und Lage der Ausgangsbahn nur grob berücksichtigt werden konnten. Die entstandenen Fehler konnten allerdings durch Änderung des Hängewinkels reduziert werden.
Als letztes sollte geklärt werden, inwieweit die mit DEORBIT berechnete Epoche variiert werden kann, um den Landeort noch zu erreichen. Durch den Westversatz und anschließender Hängewinkeländerung und durch Variation des Hängewinkels selbst sowie Änderung des Abstiegszeitpunktes können Zeitverzögerungen im Rahmen von 15 min und 3 Tagen ausgeglichen werden.
1. Einleitung
Da die Prioritäten innerhalb der Forschung in Deutschland und damit auch in Europa anders gestaffelt wurden, fristet das europäische Raumtransporterprogramm HERMES auch weiterhin ein theoretisches Dasein. Dies bietet die Möglichkeit, weitgehender und tiefgreifender auf ein solches System einzugehen. Hierzu gehört vor allen Dingen der Wiedereintritt des Orbiters, der im wesentlichen ein wiederverwendbares System charakterisiert.
Der Wiedereintritt kann im groben in vier Bereiche differenziert werden. Die Deorbit-Phase beginnt beim Einsetzten der Triebwerke und endet mit dem Brennschluß. Daran schließt sich die sogennannte Space-Phase bzw. Freiflugphase an, in der der Orbiter primär der Gravitation ausgesetzt ist. Erst in einer Höhe um 120 km beginnt der Einfluß der Atmosphäre im zunehmenden Maße Einfluß zu nehmen. In der atmosphärischen Wiedereintrittsphase ist der Orbiter starken thermischen und strukturellen Belastungen ausgesetzt, weil die hohe kinetische Energie durch den aerodynamischen Widerstand abgebaut werden muß, um in der letzten Phase, der sogenannten Endanflugphase in etwa 25-30 km, den Zielort bzw. das Rollfeld zu erreichen.
Die thermischen und strukturellen Belastungen unterliegen natürlich Grenzwerten, die unbedingt einzuhalten sind. Zum einem ist dies die maximale Temperaturbelastung der Struktur, zum anderem die durch den Luftwiderstand entstehende Verzögerung, die dynamisch auf die Orbiterstruktur, Instrumente und natürlich auf den Menschen wirkt.
Die maximale Verzögerung, die für den Menschen noch zu tolerieren ist liegt kurzfristig bei etwa acht-facher Erdbeschleunigung, d.h. bei 8 g. Der maximale Wärmestrom liegt für die heute üblichen Orbiter bei etwa 400 kw/m². Beim Wiedereintritt müssen diese Werte zu jeder Zeit eingehalten werden, damit keine Komplikationen auftreten. Die Maximalwerte die auftreten können, werden im wesentlichen vom Bahnneigungswinkel bei 120 km Höhe bestimmt. Dies ist der Winkel des Geschwindigkeitsvektors zur lokalen Horizontalen, d.h. der Ebene senkrecht zum Radiusvektor. Dieser wiederum wird von dem Bremsschub bestimmt, der zu Beginn des Abstiegs gegeben wird. Die Untersuchungen ergaben, daß der Bahnneigungswinkel, der sich zwischen -1.2 - -1.4 bewegt, sehr enge Toleranzen besitzt, die sehr genau eingehalten werden müssen.
Der Wiedereintritt ist neben dem Start eine sehr kritische Phase, die genaustens zu planen ist. Zu dieser Planung gehört auch die Berücksichtigung der Gravitationsstörung aufgrund der Erdabplattung und der Atmosphäre, so daß sich neben der Abhängigkeit des Wiedereintrittsvorganges von der Ausgangsbahn, auch eine Orts- und Zeitabhängigkeit zu berücksichtigen ist.
Wo und wann nun letztendlich der Abstieg stattzufinden hat, hängt wiederum von der Wahl des Landebereichs ab. Diese Arbeit beschäftigt sich mit diesen Fragen und versucht einen Zusammenhang zwischen Landezielpunkt und Beginn des Wiedereintritts und Bremsschub herzustellen. Zudem soll ermittelt werden, inwieweit dieser Zeitpunkt und Bremsschub durch Variation der Steuergrößen zu beeinflussen ist.
2. Grundlagen
Zur allgemeinen Beschreibung der Bewegung und des Umfeldes einen Flugkörpers bedarf es Koordinatensysteme bzw. Modelle, die das Umfeld des Flugkörpers beschreiben. Im Falle eines wiedereintretenden Orbiters werden spezielle Koordinatensysteme bzw. Modelle benötigt. Die konventionelle Beschreibung der Bewegung eines Raumflugkörpers mit Keplerelementen reicht für den Wiedereintritt nicht aus. Ebenso sind aufgrund der hohen kinetischen Energie des Orbiters besondere Umweltbedingungen zu erfassen, die beim Wiedereintritt in die Atmosphäre auftreten.
In vorhergehenden Arbeiten wurde die Dynamik und Kinematik schon programmtechnisch umgesetzt und zudem auch aerodynamische Modelle von speziellen Flugkörpern und Atmosphärenmodelle implementiert. In dieser Arbeit werden diese Programme weiter verwendet, so daß es erforderlich erscheint, auf die den Programmen zugrundegelegten Theorien kurz einzugehen.
2.1. Koordinatensysteme
Zur Beschreibung der Bewegung des Orbiters ist die Verwendung von Two-Line-Elements der NASA oder der Keplerelemente sehr unhandlich. Durch die zudem sehr starke zeitliche Änderung des Bahnverlaufs beim Wiedereintritt treten oskulierende Bahnelemente auf, d.h. permanente zeitliche Änderung der Bahnelemente, die kaum aussagekräftig sind. Dieses Manko haben die sphärischen Koordinaten nicht. Sie beschreiben den Ort des Orbiters sehr anschaulich. Wegen der Berücksichtigung der aerodynamischen Effekte, ist es weiterhin sinnvoll, die sphärischen Relativkoordinaten zu betrachten. So ist der aerodynamische Widerstand bzw. Auftrieb eines Flugkörpers von der Geschwindigkeit der Erdatmosphäre, die mit der Erde rotiert, relativ zum Orbiter abhängig.
Ausgangspunkt für die Betrachtung des Wiedereintritts sind seltener die sphärischen Relativkoordinaten, vielmehr liegt zumeist die Epoche und die Keplerelemente vor oder aber die in der NASA Bulletin aufgelisteten Two-Lines-Elements. Während die Keplerelemente die für die momentane Epoche relevanten Koordinaten sind, d.h. oskulierend sind, sind die Two-Lines-Elements doppelt gemittelt, d.h. über einen Umlauf der Apsidenlinie gemittelt. Um nun von diesen Ausgangskoordinaten auf die sphärischen Relativkoordinaten zu kommen, sind umfangreiche Transformationen notwendig.
Die Herleitung dieser Transformationen sind zum Teil im Anhang B zu finden.
2.1.1. Sphärische Relativkoordinaten
Sie gehören zu einem erdfesten System. Es sind somit keine inertiale Koordinaten. Ausgehend vom Erdmittelpunkt weist der Radiusvektor zum Schwerpunkt des Orbiters. Die Richtung des Radiusvektors wird mit der geographischen Länge bzw. Breite beschrieben. Die geographische Breite geht vom Äquator aus und kann je nachdem, ob sich der Orbiter in der südlichen oder nördlichen Hemisphäre befindet, negative bzw. positive Werte annehmen.
Die geographische Länge hat ihren Ursprung im Greenwich-Meridian und wird positiv nach Osten in der Äquatorebene gezählt.
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Bild 2 Geschwindigkeitssystem
Die Koordinaten sind in Bild 1 zu sehen. Im Bild 2 sind drei weitere Koordinaten zur vollständigen Beschreibung der Bewegung dargestellt. Hierbei liegt der Geschwindigkeitsvektor in der Vertikalebene, die senkrecht auf der Ebene steht, die die Tangentialebene an der Erdoberfläche darstellt. Diese bildet parallel verschoben in den Orbiterschwerpunkt die lokale Horizontebene. Der Winkel, den die Vertikalebene zur lokalen Breitengradparallele bildet, wird als Azimut bezeichnet. Der Winkel, den der Geschwindigkeitsvektor zur lokalen Horizontebene bildet, wird als Bahnneigungswinkel bezeichnet.
2.1.2. Inertiale sphärische Polarkoordinaten
Sie sind im Prinzip gleichermaßen definiert wie die Relativkoordinaten. Der Unterschied besteht lediglich darin, daß sich die inertialen Polarkoordinaten auf das Himmelsäquatorsystem beziehen, welches bekanntlich inertial ist, d.h. ruhend ist.
Da der Ursprung des geographischen System mit dem des geozentrischen System identisch ist, sind Radiusvektor und geozentrische bzw. geographische Breite identisch. Zwischen beiden Systemen besteht eine zeitliche Beziehung, die sich durch die Erdrotation äußert. Die geozentrische Länge, auch Rektaszension genannt, hat ihren Ausgangspunkt in der Frühlingspunktrichtung und wird gleichermaßen gezählt wie die geographische Länge. Der Geschwindigkeitsvektor entspricht der Orbitgeschwindigkeit, der Keplerbahn. Durch die Einwirkung der Erdrotation besteht zwischen den Winkeln des Azimuts und der Bahnneigung beider Systeme lediglich ein betragsmäßiger Unterschied.
2.1.3. Koordinatensysteme zur Beschreibung der Orientierung des Orbiters
Neben der örtlichen und zeitlichen Beschreibung des Orbiters, zu dem natürlich noch die Keplerelemente und TL-Elements gehören, auf die nicht weiter eingegangen wird, ist es notwendig, die Lage des Orbiters beschreiben zu können. Dies ist insbesondere für die Beschreibung der Aerodynamik wesentlich.
Hierzu gehört zum einen das körperfeste System und zum anderen das aerodynamische System. Das körperfeste System beschreibt die Hoch-, Längs- und Querachse des Orbiters.
Das aerodynamische System orientiert sich an dem Geschwindigkeitsvektor. Der Winkel, den der Geschwindigkeitsvektor mit der Längsachse in der vertikalen Symmetrieebene des Orbiters bildet, ist der Anstellwinkel a. Der Winkel zwischen vertikaler Symmetrieebene und Geschwindigkeitsvektor ist der Schiebewinkel b.
Zu erwähnen ist noch der Rollwinkel, der sich aus der Drehung um die Längsachse ergibt, für den Wiedereintritt aber nicht betrachtet wird. Weit wichtiger ist der sogenannte Flughängewinkel. Er bildet sich aus der Drehung des Orbiters um den Geschwindigkeitsvektor. Anschauung geben hierzu Bild 3 und 4.
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Bild 3 Aerodynamisches System und körperfestes System
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Bild 4 Aerodynamisches und Geschwindigkeitssystem
2.1.4. Schubeinstellwinkel
Zur Beschreibung des Schubvektors wird davon ausgegangen, daß dieser immer im Schwerpunkt des Orbiters angreift. Er ist im aerodynamischen System definiert, bei dem der Geschwindigkeitsvektor und der Ortsvektor die vertikale Ebene aufspannt. Die x-Achse ist kollinear zum Geschwindigkeitsvektor, senkrecht dazu die z-Achse und in der lokalen Horizontebene die y-Achse.
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Bild 5 Schubvektorsystem
Der Schubeinstellwinkel wird nun relativ zum Geschwindigkeitsvektor gemessen. Ist der Schubvektor mit dem Geschwindigkeitsvektor kollinear, so sind die Schubwinkel gleich null und der Schub beschleunigt den Orbiter.
Eine Verzögerung des Orbiters führt zu einem Längsschubwinkel von 180°, d.h. der Schubvektor ist dem Geschwindigkeitsvektor entgegengesetzt und liegt in der Vertikalebene. Wird der Schubvektor aus der Vertikalebene gerichtet, so erreicht man eine seitliche Komponente, einen Seitenschub. Der Längsschubwinkel t1 wird also vom Geschwindigkeitsvektor bis zum Schubvektor gezählt. Der Seitenschubwinkel t2 ebenfalls vom Geschwindigkeitsvektor bis zum Schubvektor, allerdings in der Ebene, die die Senkrechte der Vertikalebene mit dem Geschwindigkeitsvektor bildet. Siehe hierzu Bild 5. Für einen seitlichen Schub wäre t2 größer 90° und positiv, wie in Bild 5 gezeigt. In dem Wiedereintrittsprogramm wird allerdings der Anteil von 180° - t2 eingesetzt und als t2 bezeichnet, was betrags- und richtungsmäßig keinen Unterschied macht, weil er als Sinus berechnet wird. Auf die Besonderheiten der Schubgebung und des Triebwerkes wird später noch eingegangen.
2.2. Die Atmosphärenmodelle
In diesem Abschnitt soll kurz darauf eingegangen werden, wie die atmosphärische Umgebung des Orbiters beschrieben wird. Auf genauere Erläuterungen soll hier verzichtet werden; hierzu wird auf [2] und [3] verwiesen. Im Abschnitt 3 soll jedoch der Einfluß erörtert werden, den die Atmosphäre auf die Trajektorie des Abstiegs hat. In den vorliegenden Rechenprogrammen werden im wesentlichen 2 Atmosphärenmodelle verwendet. Zum einen wird die US-Standardatmosphäre verwendet, dessen Dichtewert lediglich von der Höhe abhängt. Die Werte der Dichte an sich werden in den Programmen entweder direkt in Datensätzen zur Verfügung gestellt und bei Zwischenwerten wird interpoliert, oder anhand von Näherungsfunktionen approximiert.
Für genauere Berechnungen der Dichtewerte ist es notwendig, nicht nur die Höhenabhängigkeit zu berücksichtigen, sondern auch den Einfluß der geomagnetischen Aktivität (Dynamik der Erdanziehung), die lokale Tageszeit und der Sonnenaktivität. So kann z.B. die Dichte durch den Sonnenaktivitätswert F10,7, der ein Maß für die elektromagnetische U-V-Strahlung darstellt, die Dichte um den Faktor 100 variieren, also 2 Größenordnungen. Es hat sich aber gezeigt [3], daß die Aerodynamik mit guter Näherung mit der wesentlich vereinfachten US-Standardatmosphäre beschrieben werden kann. Durch die örtlichen und zeitlichen Schwankungen der Dichte werden zwar die dichteabhängigen Werte wie Staudruck und Machzahl wie auch die Knudsenzahl erheblich beeinflußt - bleiben aber wegen der geringen Dichte in Höhen größer als 120 km in der Größenordnung sehr klein und sind deshalb ohne großen Einfluß. Daher sind auch die Schwankungen der aerodynamischen Beiwerte, die von diesen Größen beeinflußt werden, nicht nennenswert. Dies zeigt auch, daß in der Freiflugphase, d.h. oberhalb 120 km, Steuerungsmaßnahmen mit dem Anstell- und Hängewinkel uneffektiv bleiben. Ebenso in tieferen Bereichen kann bei der US-Standardatmosphäre verblieben werden. Zum einen wirkt sich die Berücksichtigung des F10,7 Wertes unterhalb von 200 km kaum mehr aus, zum anderen ist die Flugzeit eines Eintritts verhältnismäßig klein, so daß die Zeitabhängigkeit vernachlässigbar ist. Und schließlich ist das MSIS-Atmosphärenmodell lediglich bis zu einer Höhe von bis zu 85 km Höhe anwendbar. Hieraus folgt, daß für die Deorbit- und Freiflugphase die US-Standardatmosphäre, also ohne zeit- und ortsabhängiger Dichte, zufriedenstellend ist.
2.3. Wärmemodell [5]
Für den Wiedereintritt und dessen Auslegung ist die thermische Belastung durch die Luftreibung der Atmosphäre maßgebend. So ist z.B. beim Shuttle die höchstzulässige Erwärmung der tragenden Struktur auf 170° C festgelegt [6]. Maßgebend für das Wärmemodell ist die Stantonzahl, die den Anteil des Energieflusses in der Anströmung angibt, der auf den wiedereintretenden Orbiter übertragen wird. Sie ist von der Machzahl und somit von der Dichte sowie vom Anstellwinkel und der Reynoldszahl abhängig.
Jedoch wird die Machzahlabhängigkeit vernachlässigt, weil in Windkanalmessungen ein Wert von 22,9 [5] als Grundlage diente, der ebenfalls konstant verwendet wird. Weitere Vereinfachungen, die das Modell macht, ist, daß lediglich die Temperatur im Staupunkt berechnet wird, so daß nur ein 1-Knoten-Modell zugrunde gelegt werden kann. Außerdem wird die Wärmebilanz dadurch vereinfacht, daß der Wärmefluß im Staupunkt konvektiv übertragen wird und lediglich durch Strahlung wieder abgegeben wird. Anteile aus der Strahlung aus dem Bereich des Verdichtungsstoßes sowie die Wärmeleitung innerhalb der Struktur werden vernachlässigt.
2.4. Gravitationspotential
Inwieweit die Berücksichtigung der Gravitationsstörungen eine Rolle spielt, wird in Abschnitt 3 erörtert. Für die Beschreibung werden die bekannten Zusatzterme der Potentialgleichung berücksichtigt, die die Abplattung, Birnenform und Deformationen des Äquators beschreiben. In den Programmen wird aber lediglich nur der J2-Anteil berücksichtigt, d.h. die Abplattung der Erde.
2.5. Charakterisierung des Wiedereintritts
Der Wiedereintritt ist neben der Startphase eine weitere kritische Phase, der genauere und sorgfältigere Betrachtung bedarf. Er unterliegt einigen Sachzwängen, denen man Rechnung tragen muß. Dies sind zum einen zeitliche Zwänge, d.h. der Wiedereintritt muß zu einem bestimmten Zeitpunkt durchgeführt werden, um einen gewissen Zielpunkt auf der Erde - ausgedrückt in Längen- und Breitengrad - erreichen zu können.
Andererseits ist der Wiedereintritt ein sehr dynamischer Vorgang, da in relativ kurzer Zeit die hohe kinetische und potentielle Energie abgebaut werden muß. Diese hohe Energie kann lediglich in der Atmosphäre abgebaut werden, nachdem ein Bremsschub die kinetische Energie vermindert hat. Hierbei kann der Bremsschub nur in begrenzten Maßen wirken. Die Grenzen, die den Bremsschub limitieren, sind die maximalen Beschleunigungen und Strukturerwärmung durch Reibung in der Atmosphäre. Die Beschleunigung, genauer Bremsung des Orbiters, sind zum einen durch die Steifigkeit und Festigkeit der tragenden Struktur des Orbiters festgelegt, aber auch durch den Menschen, der nur einer maximalen Beschleunigung ausgesetzt werden darf. Weiterhin können zu hohe Beschleunigungen die Gerätschaften an Bord schädigen, was zu Komplikationen führen kann.
Durch das Gleiten durch die Atmosphäre und die dadurch auftretende Erwärmung, wird durch geeigneten Hitzeschutz zu kompensieren versucht. Kritischer Punkt ist hierbei der Staupunkt an der Nase des Orbiters, aber auch die Flügelhinterkanten. Hierbei treten Temperaturen von 500 - 1600 ° auf [6]. Der Wärmestrom, der dabei maximal aufgenommen werden darf, liegt bei etwa 375 kw/m2 [6].
Die Ergebnisse vorheriger Arbeiten zeigten, daß das Auftreten dieser Grenzwerte erst bei Erreichen der dichteren Atmosphäre zu erwarten ist. Der Bereich der dichteren Atmosphäre ist bei etwa 120 km Höhe erreicht, bei der der Einfluß der Atmosphäre nennenswerte Größenordnungen annimmt.
Allgemein kann der Wiedereintritt in 4 Abschnitte unterteilt werden. Zunächst wird der Wiedereintritt mit der Schubphase (Deorbit-Phase) eingeleitet, der sich über das Einschalten der Bremstriebwerke bis zum Brennschluß erstreckt. Daran schließt sich die Freiflugphase (Space-Phase) an, bei der die aerodynamischen Kräfte im Vergleich zu den Gravitationskräften kaum Einfluß haben. Sie endet bei etwa 120 km. Der eigentliche Wiedereintritt beginnt mit der atmosphärischen Phase und endet mit dem Beginn der Endanflugphase bei etwa 20 - 30 km.
Eine Steuerung mit Hängewinkel in der Freiflugphase erweist sich als uneffektiv, da die Atmosphäre in Höhen größer 120 km kaum Einfluß besitzt. So kann erst in der atmosphärischen Phase der Orbiter gezielt gesteuert werden, um den Bahnverlauf zu manipulieren. Es besteht also sozusagen eine Schnittstelle zwischen Atmosphärenphase und Freiflugphase, repräsentiert durch die 120 km-Grenze. An dieser Schnittstelle besitzt der Orbiter bestimmte Koordinaten - ausgedrückt in sphärischen Relativkoordinaten. Der Breitengrad wird durch die Inklination der Ausgangsbahn festgelegt. Die Steuergrößen wirken erst ab der Schnittstelle und beeinflussen den Breitengrad. Dadurch wird ein wichtiger Parameter beeinflußt, der Seitenreichweite genannt wird. Er ist von der aerodynamischen Güte des Orbiters abhängig, genauer von der Gleitzahl, die um 1,5 - 2 liegen kann. Das Hermes z.B. kann so Seitenreichweiten von 1500 km erreichen (2), die des Space Shuttles 2700 km [6]. Um nun einen Breitengrad erreichen zu können, ist also der Längengrad des Wiedereintritts zu bestimmen, und ausgehend von der Ausgangsbahn mit der Seitenreichweite, die Spanne zwischen Bahn und Breitengrad des Landegebiets zu überbrücken. Damit verbunden ist dann auch der Zeitpunkt bzw. die Epoche des Wiedereintritts. Da der Schubimpuls durch den Wiedereintrittsneigungswinkel festliegt, liegt auch die Wiedereintrittsgeschwindigkeit fest und kann nicht weiter beeinflußt werden.
2.6. Charakterisierung der Schubgebung
In welcher Art und Weise, d.h. in welcher Richtung der Schub gegeben wird, beeinflußt die Effektivität des Wiedereintritts. So besteht ein enger Zusammenhang zwischen Schub und den schon beschriebenen Wiedereintrittsbedingungen. Ein wesentlicher Parameter hierbei ist der Wiedereintrittswinkel, d.h. der Bahnneigungswinkel in 120 km Höhe. Dieser hat einen sehr engen Toleranzbereich und liegt im Bereich von -1,2 - -1,4°. So ist der Abstieg im extremen Maße vom Wiedereintrittswinkel abhängig und begrenzt demnach auch den Schubvektor. Ein zu großer Betrag des Wiedereintrittswinkels bedeutet einen stärkeren Abstieg und somit eine höhere Beschleunigung und Wärmebelastung. Ein zu geringer Winkel erhöht unnötig die Wiedereintrittsdauer und es kann passieren, daß der Wiedereintritt erst mehrere Perioden später eintritt. Der oben beschriebene Bereich hat sich in der Erfahrung bestätigt und gilt für alle Bahnhöhen. Hierbei wird ein in bestimmten Grenzen tolerierbares Verhältnis von Radial- und Horizontalgeschwindigkeit geschaffen, das durch den Wiedereintrittswinkel repräsentiert wird.
Das primäre Ziel der Schubgebung ist also das Einhalten der Wiedereintrittsbedingungen. Neben diesem Ziel ist es erforderlich, durch geeignete Schubgebung die sogenannte Seitenreichweite zu vergrößern. Dies ist gerade für die europäische Version eines Shuttles wichtig, da es vorgesehen ist, daß dieser einen Zielort bei Breitengraden zwischen 40° und 50° erreichen soll. Während das amerikanische Shuttle lediglich den 30-zigsten Breitengrad erreichen muß, haben die Europäer noch 2000 - 3000 km in nördlicher Richtung zu überbrücken.
2.6.1. Beschreibung der Schubvektorrichtung
Neben der Kenntnis des Schubvektors im aerodynamischen System sollte es auch notwendig sein, diesen im körperfesten System zu kennen. Dies ist aber deshalb belanglos, da das Triebwerk, mit welchem das Deorbitmanöver durchgeführt wird, lediglich um ±7° um die Neigungsachse (Pitch) und ±6 um die Gierachse (Yaw) verstellbar ist. Der Schubvektor ist demnach nur dadurch einstellbar, indem sich der Orbiter dementsprechend zum Geschwindigkeitsvektor bewegt.
Schon im Hinblick auf die praktische Durchführung des Deorbit ist die Annahme eines Schubimpulses sehr vereinfacht dargestellt. Auf die Problematik des Schubimpulses soll später eingegangen werden.
Da sich der Bahnneigungswinkel im Verlauf des Abstiegs permanent ändert, muß die Lage des Orbiters zum Geschwindigkeitsvektor, sprich Anstellwinkel, ständig nachgeführt werden. Wäre dies nicht so, so würde der Winkel zwischen Horizontalebene und Körperachse konstant sein, der Geschwindigkeitsvektor aber ändert ständig durch den Abstieg den Winkel mit der Horizontalebene. Daher ist es zur Aufrechterhaltung des Anstellwinkels notwendig, durch geeignete Regelung die Körperachse nachzuführen.
Da der Bahnneigungswinkel in der Regel verhältnismäßig klein ist, je nach Exzentrizität der Abstiegbahn, reicht der Neigungswinkelbereich des Triebwerkes aus. Das Bild 6 zeigt, wie sich dies auf den Schubvektor auswirkt, der, soll ein tangentialer Schub gegeben werden, im Verlauf des Abstiegs dem Bahnneigungswinkel angepasst werden muß.
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Bild 6 Anpassung des Schubwinkels relativ zum Orbiter beim Abstieg
Es sind nun verschiedene Möglichkeiten denkbar, die Schubrichtung einzustellen, wobei die einen weniger sinnvoll, die anderen für spezielle Zwecke sinnvoll sind. Je nachdem, wie der Schub gegeben wird, kann die Abstiegsbahn beeinflußt werden. Hierbei ist es unabhängig, ob es sich um einen Schubimpuls oder einen kontinuierlichen Schub handelt.
Grundsätzlich bestehen zwei Möglichkeiten der Schubgebung. Zum einen der Schub außerhalb der Bahnebene, zum anderen außerhalb der Tangentialebene der Bahn. Mit dem Schub außerhalb der Bahnebene ist es möglich, die Inklination der Abstiegsbahn zu ändern. Sinnvollerweise geschieht dann der Abstieg an den Bahnknoten, denn sonst ist lediglich eine Präzession der Bahn zu erreichen. Mit der Schubgebung außerhalb der Tangentialebene ist es möglich, einen mehr oder weniger steilen Abstieg zu erreichen, d.h. die Exzentrizität der Abstiegsbahn ist größer als von einer Abstiegsbahn, die mit einem tangentialen Schub eingeleitet wurde.
Bei der Schubgebung außerhalb der Tangentialebene wird der Bahnneigungswinkel der Abstiegsbahn beeinflußbar. Hierzu gibt es wiederum verschiedene Möglichkeiten. Anschauung gibt Bild 7.
1. Schub im Apo- oder Perizentrum der Ausgangsbahn mit einem Tangentialschub.
Für die Betrachtung eines Schubimpulses ergeben sich hieraus folgende Bedingungen:
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Bild 7 Schubvektorlage
Der Nutzen der Abstiegsbahnen mit nicht retrograden Schubimpuls, d.h. Schub außerhalb der Tangentialebene, wäre naheliegenderweise eine Veränderung der Flugbahn. Jedoch würde in 120 km Höhe, am Wiedereintrittspunkt, ein geringerer Wiedereintrittswinkel vorliegen, wenn mit dem Betrag des retrograden Schubimpuls der Abstieg eingeleitet wird. Denn die Horizontalkomponente der Geschwindigkeit wäre durch den Winkel größer, so daß eine Erhöhung des Geschwindigkeitsinkrements den Wiedereintrittswinkel korrigiert. Je nachdem, in welcher Richtung der Schub gegeben wird, d.h. größer oder kleiner t1 = 180°, kann der Wiedereintrittslängengrad beeinflußt werden. Wird er kleiner 180° gewählt, kann ein größerer Längengrad erreicht werden. Bei größerem t1 einen kleineren. Aufgrund des erhöhten Geschwindigkeitsinkrements und dem damit verbundene Treibstoffmehrbedarf ist von Manövern mit nicht retrograden Schublängswinkeln abzusehen. Ein Bedarf besteht nur dann, wenn aufgrund einer Notsituation ein retrograder Schubimpuls nicht zum Längengrad des Zielorts führt. So ist mit einem erheblich höheren Geschwindigkeitsinkrement ein um etwa 100 Grad höherer Längengrad erreichbar. Die Bilder 8,9,10 zeigen jeweils Geschwindigkeitsinkrement, Treibstoffbedarf und erreichbarer Wiedereintrittslängengrad über den Schublängswinkel.
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Bild 11 Änderung der Inklination
Die Schubgebung außerhalb der Bahnebene birgt die Möglichkeit, die Seitenreichweite zu erhöhen bzw. durch Ändern der Inklination höhere Breitengrade erreichen zu können. Bild 11 zeigt die Subspur einer nominalen Bahn mit einer vorgegebenen Inklination. Wird nun beim Abstieg am aufsteigenden Knoten ein Schub mit einem Anteil außerhalb der Bahnebene gegeben, so wird dadurch die Inklination geändert und dadurch auch die Seitenreichweite durch das Erreichen höherer Breitengrade erhöht. Allerdings ist für derartige Manöver ein höhreres Schubinkrement nötig. Die Komponente in der Bahnebene ist nach wie vor aufzubringen, um die Wiedereintrittskoordinaten zu erhalten. Die seitliche Komponente senkrecht zur Bahnebene vollführt lediglich die Geschwindigkeitsvektordrehung. Den Nutzen solcher Manöver zeigen folgende Bilder. Bild 12 zeigt die erreichte Seitenreichweite über den Seitenschubwinkel t2. Es ist zwar ein maximaler Seitenreichweitengewinn von 60 km bei t2 = -40° zu erzielen, doch ist dies im Vergleich erforderlicher Seitenreichweiten von bis 2000 km ausgesprochen wenig. Im Vergleich des Nutzens zeigt sich, daß das erforderliche Geschwindigkeitsinkrement von knapp 107 um 35 m/s steigt, wie aus Bild 13 ersichtlich ist. Das Bild 14 zeigt zudem, daß ein zusätzlicher Treibstoffbedarf von fast 800 kg notwendig ist. In Anbetracht der Forderungen der Nutzlastmaximierung, ist ein Manöver zur Erhöhung der Inklination zum Seitenreichweitengewinn äußerst uneffizient.
2.6.2. Schubdauer
Für vereinfachte und überschlägige Betrachtungen des Wiedereintritts wird häufig die Deorbit-Phase als Schubimpuls betrachtet, bei dem der Schub in einer infinitesimalen Zeitspanne den Wiedereintritt einleitet. Das diese Betrachtungsweise in der Praxis und für exakte Berechnungen nicht relevant ist, wurde schon im vorherigen Abschnitt angedeutet. Außerdem bedarf es für einen Schubimpuls eine unendlich große Schubkraft. Die realen Triebwerke für den Wiedereintritt - wie sie bei den Orbitern Verwendung finden - haben nur eine begrenzte Schubkraft, die sich nach der Masse des Orbiters richtet. So ist der Hermes-Orbiter mit seinen 21 Tonnen mit vier Triebwerken ausgestattet, mit gesamt 1600 N Schubkraft. Dies ergeben Schubdauer von 1000 - 1700 sec, für einen Wiedereintrittswinkel von etwa -1,3° und 80 - 130 m/s Geschwindigkeitsinkrement. Das Shuttle hingegen, auf dessen Triebwerke noch später kurz eingegangen wird, besitzt einen Vakuumschub von 54000 N bei einer Masse von 85000 kg. Auch bei ihm werden zwischen 80 und 130 m/s Geschwindigkeitsinkrement benötigt und eine Schubdauer von 125 - 200 sec, um die Wiedereintrittsbedingungen zu erhalten.
Bei diesen Zeiträumen kann man im Vergleich der Flugzeit bis zum Wiedereintritt, die zwischen 2000 - 2500 sec. liegen, nicht mehr von Schubimpulsen reden. Außerdem beeinflußt ein Schubimpuls die Trajektorie anders als ein kontinuierlicher Schub. Beim Schubimpuls wird schlagartig die kinetische Energie reduziert, so daß der Orbiter in diesem Moment eine zu geringe Geschwindigkeit für die momentane Höhe besitzt. Die Bahn wird also unmittelbar stark an Höhe verlieren. Beim kontinuierlichen Schub hingegen wird das gesamte Geschwindigkeitsinkrement zeitkontinuierlich aufgebracht, was eine nicht so starke Auswirkung auf den Bahnverlauf hat. Die momentane Geschwindigkeit steht länger zur Verfügung, so daß der Abstieg länger dauert. Den Effekt der Diskrepanz von Kontischub und Schubimpuls zeigen die Bilder 15 und 16. Hierbei wurden verschiedene Abstiegsberechnungen durchgeführt mit verschiedenen fiktiven Triebwerken. Alle Triebwerke bringen für den Abstieg bis auf 120 km das gleiche Geschwindigkeitsinkrement auf. Die Skala reicht von einem schubschwachen Triebwerk mit dementsprechender Schubdauer über ein starkes Triebwerk mit kurzer Schubdauer bis zum idealen Schubimpuls.
In Bild 16 ist die Bahnhöhe über Weg über Grund dargestellt. Hierin ist zu sehen, daß die kontinuierlichen Triebwerke einen wesentlich größeren Weg zurücklegen als ein Impulstriebwerk; größenordnungsmäßig bis ein drittel mehr. Mit abnehmender Schubdauer konvergiert das Triebwerk immer stärker an das Impulstriebwerk. Das Shuttletriebwerk erreicht mit seinen 54000 N Schub einen unerheblichen längeren Weg als das Impulstriebwerk. In Bild 15 ist die Bahnhöhe über den Längengrad aufgetragen. Erwartungsgemäß zeigt sich hier der gleiche Effekt, da hier nur der Faktor 111 drin steckt, d.h. die Strecke, die ein Grad am Äquator repräsentiert. Bei der Ermittlung des Geschwindigkeitsinkrements für die Einhaltung der Wiedereintrittsbedingungen konnte festgestellt werden, daß die Triebwerke mit zunehmender Schubdauer den Bahnneigungswinkel von -1.4° nicht erreichten, trotz gleichen Dv. Hieraus ist zu folgern, daß dadurch ein höheres Geschwindigkeitsinkrement bei Kontischüben erforderlich ist und damit auch ein höherer Treibstoffbedarf als bei der Schubimpulsbetrachtung. Für die Berechnung der Schubdauer aus dem Geschwindigkeitsinkrement wurde eine Näherungsformel verwendet, die im Anhang C hergeleitet ist. Sie basiert auf der Zielkowskygleichung, die ohne Gravitation und Luftkräfte gilt.
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten5 (30)
Zu bemerken ist, daß diese Gleichung nicht die Massenabnahme berücksichtigt. Der Orbiter wird dadurch leichter und der Schub effektiver, so daß noch größere Längsreichweiten zu erwarten sind. Allerdings liegt die Größenordnung der Massenabnahme, sprich Treibstoffverbrauch, um 2000 - 4000 kg beim Shuttle. Hieraus ergibt sich ein Fehler von etwa 3% in der Schubdauer.
2.6.3. Charakteristik typischer Deorbittriebwerke
Zur Darstellung eines typischen Deorbittriebwerkes soll das Shuttle dienen. Hiermit soll die Leistungsfähigkeit und die technische Seite eines solchen Triebwerkes kurz beschrieben werden.
Das Shuttle besitzt im Prinzip drei Arten von Triebwerken, denen jeweils bestimmte Aufgaben zuzuordnen sind.
Das MPS (Main Propulsion-System, Haupttriebwerk) ist für den Start zuständig. Das RCS (Reaction Control Subsystem) ist für das Orbit-zu-Orbit-Manöver, Lagestabilisierung, Andockmanöver zuständig. Das OMS (Orbital Maneuver Subsystem) ist für den Einschuß in den Operationsorbit, für die Zirkularisation des Orbits, Orbittransfer, Rendevous-Manöver und für das hier interessante Deorbit-Manöver zuständig. Es ist in der Lage, insgesamt ein Dv von etwa 300 m/s zu liefern bei voller Nutzlastkapazität. Der Treibstoffvorrat beläuft sich auf etwa 11000 kg, zusätzlich etwa 900 kg als Reserve. Von diesem Treibstoff wird auch das RCS-System versorgt.
Das Bild 17 zeigt das OMS-TW, an dem auch die hinteren RCS-Module angebracht sind. Der Treibstoff besteht aus einem Oxidationsmittel (N2O4) und Hydrazin als Brennstoff. Die Triebwerke haben eine Austrittsgeschwindigkeit von 3000 m/s und einen Schub pro Triebwerk von 26700 N. Zur Ausführung des Abstiegs muß entgegen des Geschwindigkeitsvektors der Schub ausgeführt werden. Da das Triebwerk keine Schubumkehr durchführen kann und ledig die Triebwerke um ±6 neigen und ±7° horizontal drehen kann, ist es erforderlich, daß sich der Orbiter um 180° drehen muß. Das Heck des Orbiters muß für das Deorbit-Manöver in Richtung der Bewegung zeigen, um einen retrograden Schub durchführen zu können. Nach vollzogender Deorbit-Phase muß der Orbiter wieder in seine Ausgangsposition, um für den Wiedereintritt bei 120 km den vorgesehenden Anstell- und Hängewinkel für die atmosphärische Steuerung einzustellen. Für diese Bewegungen werden die an Vorder- und Heckseite angebrachten RCS-Triebwerke verwendet.
2.6.4. Andere Möglichkeiten der Schubgebung
Der vollständigkeithalber sollen noch andere Möglichkeiten der Schubstrategien aufgezeigt werden, auf die im einzelnen nicht weiter eingegangen werden sollen, die aber in [2] näher betrachtet werden.
Anstatt durch eine Deorbit-Phase den Wiedereintritt zu erreichen, bietet es sich an, mit zwei oder mehreren Deorbit-Phasen oder besser Schubphasen den Wiedereintritt zu erreichen. Dieses Manöver erinnert etwas an ein Rendevous-Manöver, wobei der Zielpunkt ein Punkt auf der Erde ist. Der Vorteil dieses Vorgehens ist, daß ein Abstieg, vor allem aus größeren Höhen, kontollierbarer ist und Fehler bei der Einleitung können besser korrigiert werden.
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Bild 18 Zwei-Manöverabstieg
Das Geschwindigkeitsinkrement wird in zwei Teilimpulsen aufgeteilt, wobei der erste Impuls dazu dient, auf eine niedrige Bahn abzusteigen, um dann in dessen Apozentrum den zweiten Schubimpuls zum Wiedereintritt zu geben (siehe Bild 18). Das Problem hierbei ist, das optimale Verhältnis beider Schubimpulse zu finden. Das Kriterium des Optimums ist der Treibstoffverbrauch. Da es - wie gezeigt wurde - eine Diskrepanz zwischen der Betrachtung des Geschwindigkeitsinkrements als Schubimpuls oder als Kontischub gibt, und die Wiedereintrittsbedingungen unter der Betrachtung als Schubimpuls mit weniger Dv erreichbar ist, liegt es nahe, den ersten Schubimpuls mit 50% vom Geschwindigkeitsinkrement der Impulstheorie anzusetzen. Das zweite Dv ergibt sich dann aus der Berechnung des Wiedereintritts von der Zwischenbahnhöhe. In den Untersuchungen in [2] konnte damit vor allem für niedrige Ausgangsbahnhöhen eine Treibstoffersparnis zwischen 5 und 10% erreicht werden und damit auch eine Verringerung des Geschwindigkeitsinkrements. Die Begründung dessen liegt darin, daß durch die Aufteilung in zwei Schubphasen die Schubdauer bei gleicher Schubleistung der Triebwerke verringert wird und dies ist sozusagen eine Annäherung an den Impulsschub, was, wie schon erwähnt wurde, zu einem geringeren Treibstoffverbrauch führt.
Neben den Vorteilen dieses Manövers ergeben sich natürlich auch Nachteile. Zum einen muß nach dem Abstieg auf die tiefere Bahn der Orbit nochmals eine Periode lang durchlaufen werden, um im Apozentrum den zweiten Schub zu geben. Dies ist natürlich ein erheblich höherer Zeitaufwand als beim Abstieg mit einfachen Schub. Außerdem dürfen nach dem Abstieg auf die niedrigere Bahn keinerlei Verzögerungen auftreten, da das Perigäum dieser Bahn in der dichteren Atmosphäre liegt und somit die Bahn stärker gestört wird und damit Einfluß auf Erreichen des Zielortes nimmt.
3. Beeinflussung des Wiedereintritts
Im folgenden soll erörtert werden, welche Größen den Wiedereintritt beeinflussen können und welche Konsequenzen sich hieraus ergeben. Im einzelnen wird untersucht, ob und wie die Atmosphäre und die Inhomogenität des Gravitationsfeldes Einfluß nehmen. Zum anderen soll der Einfluß des Schubinkrements betrachtet werden und in welchen Spannen es variieren darf.
3.1. Einfluß der Atmosphäre und der Gravitationsstörung aufgrund der Erdabplattung
Es wurde schon des öfteren angedeutet, daß die Atmosphäre in der Space-Phase für die Steuerung des Orbiters keine Bedeutung hat. Inwieweit sie die Bahn trotzdem beeinflußt, soll hier gezeigt werden. Für Satelliten, die über Jahre hinweg der relativ dünnen Atmosphäre ausgesetzt sind, wirkt sich der aerodynamische Widerstand mit der Zeit aus. Wiedereintrittskörper, die zwar die Space-Phase in nur geringeren Zeiträumen durchfliegen, sind aber mit einer gewissen aerodynamischen Güte ausgestattet, so daß sie daher auch beeinflußt werden könnten. Allerdings haben schon frühere Arbeiten gezeigt [3], daß es in der Space-Phase nicht notwendig ist, komplexere Atmosphärenmodelle in den Berechnungsprogrammen zu nutzen, welche auch die örtliche und zeitliche Abhängigkeit der Dichte berücksichtigt. Wenn überhaupt, reicht ein einfaches höhenabhängiges Modell aus.
Um diesen Sachverhalt nochmals aufzuzeigen, wurden mehrere Berechnungen mit einem solchen Programm durchgeführt, in dem die US-Standard-Atmosphäre inplementiert ist.
Bei der Berücksichtigung der Gravitationsstörungen aufgrund der Inhomogenität des Gravitationspotentials, beschränkt man sich lediglich auf den zonal harmonischen Term J2, der die übermäßige Massenansammlung am Äquator berücksichtigt. Dies repräsentiert die abgeplattete Form der Erdkugel.
Die Berechnung besteht darin, quasi den ein oder anderen Einfluß ein- bzw. auszuschalten. Die relevanten Größen hierzu sind zum einen die aerodynamischen Kennwerte CL und CD, d.h. der Auftriebsbeiwert und der Widerstandsbeiwert. Durch zu Nullsetzen dieser Größen konnten die Auftriebs- und Widerstandskräfte außer Wirkung gesetzt werden. Beim Gravitationspotential wurde der zonal harmonische Term J2 zu Null gesetzt, um die Gravitationsstörungen auszuschalten und mit einem kugelsymetrischen Gravitationsfeld zu arbeiten.
Unter jeweils gleichen Anfangsbedingungen wurden dann vier Rechnungen durchgeführt, wobei
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Die Werte CL und CD sind typische Werte von gleitfähigen Flugkörpern mit Gleitzahlen um 1,5.
Unter diesen Einflüssen werden die Relativkoordinaten im Verlauf der Zeit dargestellt.
Um eventuelle Einflüsse durch die Inklination und Höhe zu erfassen, wurden jeweils diese Berechnungen für eine niedrige Bahn mit hoher und niedriger Inklination und analog mit einer hohen Bahn durchgeführt. Hierbei wurde mit der Konfiguration unter 1 der Schubimpuls für das Erreichen der Wiedereintrittsbedingungen ermittelt.
Die Ergebnisse zeigen die folgenden Bilder 19 - 46. Zu Beginn wurde eine 200 km Bahn mit Nullinklination untersucht.
In Bild 19 ist der Verlauf der Bahnneigung über der Zeit für einen Abstieg von der Ausgangsbahn bis zur Wiedereintrittshöhe in 120 km gezeigt.
Die fettgestrichelte Kurve, die eine Berechnung ohne Gravitationsstörungen, aber mit Atmosphäre darstellt, deckt sich vollkommen mit der dünn gestrichelten Kurve, die weder Gravitationsstörung noch Atmosphäre aufweist. Auch bei den durchgezogenen Linien, die beide mit Gravitationsstörung berechnet wurden, jedoch eine ohne Atmosphäre, sind ebenfalls kolinear. Es zeigt sich also, daß die Atmosphäre in der Space-Phase keinerlei Einfluß auf die Bahnneigung besitzt. Anders bei der Gravitationsstörung. Hier verursacht die höhere Gravitation - insbesondere am Äquator - eine stärkere Neigung als ohne Gravitationsstörung. Es zeigt sich eine Abweichung von etwa +3 - 5%, was für den empfindlichen Parameter wie die Bahnneigung sehr groß ist. Gerade für die Bahnneigung ist es besonders wichtig, daß die Grenze von -1,4 nicht überschritten werden darf.
Zudem zeigt die Kurve eine stärkere Verzögerung auf, da die Flugzeit um etwa eine halbe Minute verkürzt ist. Dies hat allerdings geringe Auswirkung, bis auf die Tatsache der höheren Abbremsung und damit Beschleunigungen.
Im Bild 20 ist der Verlauf der Bahnhöhe über der Zeit aufgetragen. Auch hier wieder kein Einfluß der Atmosphäre, aber um so größer die der Gravitationsstörung. Durch die Gravitationsstörung steigt der Orbiter schneller auf die 120 km ab, d.h. die Vertikalkomponente der Fluggeschwindigkeit ist etwas größer wegen der größeren Bahnneigung. Dies bedeutet, daß der Orbiter schneller in die tieferen Dichteschichten absteigt und somit auch größeren thermischen Belastungen ausgesetzt wird. Diese Erkenntnisse zeigen sich auch in dem Bild 21. Auch hier wieder kein Einfluß der Atmosphäre. Ob mit oder ohne Atmosphäre: beide gestrichelte Linien decken sich.
Zunächst ist die Geschwindigkeit für beide Einflüsse gleich. Beim Abstieg dann erhöht sich die Geschwindigkeit durch den Gravitationseinfluß. Je länger diese Störung wirkt, desto mehr wird der Orbiter durch die Komponente der radialen Störbeschleunigung beschleunigt, die in Richtung des Geschwindigkeitsvektors zeigt. Mit zunehmender Bahnneigung steigt dessen Betrag gegenüber dem ohne Gravitationsstörung.
Bild 22 zeigt den Längengrad über der Zeit. Hier decken sich alle Kurven. Auch die Kurven mit Gravitationsstörungen lassen sich von der Atmosphäre nicht beeinflussen. Lediglich die Gravitationsstörung bewirkt einen Unterschied. Da am Äquator nur die Störkomponente in radialer Richtung vorhanden ist, weil die Abhängigkeit der normalen und horizontalen Komponente von der Inklination mit dem Sinus eingeht und somit am Äquator verschwindet, wird die Subspur an sich nicht verändert. Die radiale Komponente der Störbeschleunigung, die in Richtung Erde zeigt, bewirkt einen schnelleren Abstieg auf 120 km als ohne Störbeschleunigung. Dadurch wird ein kleinerer Längengrad erreicht. Hierbei liest man etwa zwischen 2 und 3 Längengradverlust bis 120 km Höhe gegenüber der kugelsymetrischen Gravitation ab.
Da es sich hier um eine 200-er äquatorialen Bahn handelt, wird der Breitengrad nicht beeinflußt wie Bild 23 zeigt. Erwartungsgemäß zeigt Bild 24, daß auch der Bahnazimut sich bei einer äquatorialen Bahn nicht ändert. Eine zur Bahnebene senkrechte Störkomponente liegt wie schon erwähnt nicht vor. Im Bild 25 ist der Weg über Grund dargestellt, das nochmals die Ausführungen zum Längengrad bestätigt. Da ein enger Zusammenhang zwischen Längengrad und Längsreichweite besteht, vor allem bei äquatorialer Bahn, wirkt sich hier die Gravitationsstörung als Verkürzung des Weges über Grund aus.
In der nächsten Bildsequenz wird die Inklination mit einbezogen. Im Bild 26 ist wiederum die Bahnneigung über der Zeit für einen Abstieg auf 120 km dargestellt, ausgehend von einer 200 km Bahn und einer Inklination von 60°. Zu sehen ist ein ähnlicher Verlauf wie bei der äquatorialen Bahn, allerdings ist die Abweichung geringer im Vergleich zu einer äquatorialen Bahn. Auch die Atmosphäre hat hier keinen Einfluß, so daß im folgenden davon ausgegangen werden kann, daß sie auch bei anderen Bahnkonfigurationen wirkungslos ist, zumal später noch größere Bahnhöhen betrachtet werden sollen, bei denen die Atmosphäre beim Abstieg zwar länger einwirkt aber die Dichte doch erheblich geringer ist.
Die geringere Abweichung der Bahnneigung vom kugelsymetrischen Potential gegenüber einer Nullinklinationsbahn ist damit zu begründen, daß bei einer Inklination ein nicht konstanter Anteil an Gravitationsstörung in radialer Richtung hinzu kommt, der vom Umlaufwinkel abhängt und periodisch steigt und sinkt. Dieser Anteil ist dem konstanten Anteil, der nicht von Inklination und Umlaufwinkel abhängt, entgegengesetzt und dezimiert den konstanten Anteil mehr oder weniger. Der periodische Anteil ist am Knotenpunkt 0 und bei einem Umlaufwinkel von 90° bzw. 270° maximal. Da der Wiedereintritt bei diesen Bildern am Knotenpunkt gestartet wird, wird die konstante radiale Gravitationsstörungskomponente bis zum Wiedereintrittspunkt langsam minimiert. Somit auch der Anteil der radialen Störung senkrecht zum Geschwindigkeitsvektor, was zu einem verminderten Einfluß auf den Bahnneigungswinkel führt.
Die Störungen nehmen also bei höheren Inklinationen ab. Dies zeigt sich offensichtlich auch im Bild 27 im Vergleich zu Bild 20. Denn berücksichtigt man die Maßstäbe beider Bilder, so ist der Bahnhöhenunterschied zwischen störungsfreier und gravitationsgestörter Bahn kleiner als bei der äquatorialen Bahn.
Allerdings treten neben der radialen Störung auch noch eine bahnnormale und horizontale Komponente auf. Die horizontale Komponente beeinflußt scheinbar den Betrag des Geschwindigkeitsvektors. Diese Störungskomponente wirkt entgegen des Geschwindigkeitsvektors, so daß, wie in Bild 28 zu sehen, die Geschwindigkeit in 120 km geringer ist als ohne Störung. Im Bild 21 hatten beide Geschwindigkeiten kaum Unterschiede in 120 km Höhe.
In Bild 29 ist der Längengrad über der Zeit aufgetragen. Auch hier ist ein Längengradverlust festzustellen. Dieser kommt ebenfalls durch den stärkeren Höhenverlust zustande, so daß der Wiedereintritt schneller erreicht wird und der Orbiter weniger Längengrade überfliegt. Das Defizit liegt bei etwa 2 - 3%, was in etwa 220 - 330 km entspricht.
Da nun eine Inklination vorhanden ist, wird sich auch ein Einfluß auf den Breitengrad feststellen lassen, wie dies das Bild 30 auch zeigt. Das Defizit ist ebenfalls durch den größeren Höhenverlust zu erklären.
Durch das Vorhandensein einer bahnnormalen Komponente der Gravitationsstörung, wird nun auch der Bahnazimut beeinflußt. Sie wird mit zunehmenden Umlaufwinkel immer kleiner, so daß er letztendlich in 120 km hinter dem Azimut ohne Störungen zurückbleibt, wie das Bild 31 auch zeigt.
Im Bild 32 weist auch der Weg über Grund eine Abweichung auf, der bei etwa 200 km liegt. Aus der Abweichung des Längengrades und Breitengrades deutete es sich schon an. Daher ist auch dieses Defizit durch den schnelleren Abstieg zu erklären.
Die Bilder 33 - 46 zeigen die gleiche Sequenzen wie vorher, nur für eine Bahnhöhe von 500 km. Daher kann im Prinzip das gleiche zu diesen Bildern gesagt werden wie für die 200 km-Bahn. Ein Unterschied besteht nur dadurch, daß die Gravitationsstörungen anfangs zwar kleiner sind, weil sie vom Radius abhängen, der mit der dritten Potenz im Nenner eingeht, allerdings durch die höhere Flugzeit auch länger einwirken können. Ein Ausgleich findet jedoch bei Inklinationsbahnen dadurch statt, daß die Gravitationsstörungen periodisch sind. Bei der äquatorialen Bahn sind die Abweichungen daher sehr erheblich. So erreicht die Bahnneigung in Bild 33 mit den Gravitationsstörungen schon die -1,6°, während in Bild 40 die Differenz geringer ist. Deutlich auch zu sehen, wie die Differenz durch die Periodizität eine Minderung aufzeigt. In Bild 42 ist dieser Effekt eindeutiger. Hier schwingt die Kurve mit J2-Anteil um die ohne Gravitationsstörung.
Die durchgeführten Berechnungen und Darstellungen zeigen, daß innerhalb der Space-Phase, d.h. zwischen Ausgangsbahn und Wiedereintritt, die Atmosphäre in der relativ kurzen Flugzeit keinen sichtbaren Einfluß auf die Trajektorie ausübt. Eine Vernachlässigung der Atmosphäre in dieser Flugphase ist demnach zulässig.
Eine Vernachlässigung der Gravitationsstörung durch den J2-Term wies allerdings bedenkliche Abweichungen auf. Vor allem im Hinblick auf den Bahnneigungswinkel, einer sehr sensitiven Größe, ergaben sich teilweise erhebliche Überschreitungen des Grenzwertes um -1,4°. Im besonderen wurden die äquatorialen Bahnen am stärksten beeinflußt, was auf die erhöhte Gravitation am Äquator zurückzuführen ist. Weiterhin hatte auch die Bahnhöhe einen Einfluß auf die Größe der Abweichung, weil durch die höhere Flugzeit der Zeitraum der Einwirkung größer ist, obwohl die Störungen in größeren Höhen wesentlich schwächer sind. Durch die Inklination können Bereiche im Gravitationsfeld durchflogen werden, dessen Störungen geringer sind. Hierdurch können gewisse Abweichungen wieder abgebaut werden. Da dieser Effekt jedoch vom durchlaufenden Umlaufwinkel abhängt, profitieren Abstiegsbahnen kaum davon, weil diese höchstens eine halbe Periode durchlaufen. Erst bei höheren Bahnen kann dieser Effekt beobachtet werden, doch sind die Abweichungen immer noch größer als bei niedrigen Bahnhöhen. Insgesamt ist zu folgern, daß eine Vernachlässigung des J2-Terms für genauere Berechnungen unzulässig ist.
3.2. Einfluß des Bremsimpulses auf den Wiedereintritt
In diesem Abschnitt soll gezeigt werden, welchen Einfluß der Schubimpuls auf den Wiedereintritt hat und wie empfindlich eine Änderung sich dadurch auswirkt.
Wegen der schon erwähnten Wiedereintrittsbedingungen ist der Schubimpuls nicht beliebig wählbar, da er unmittelbar den Bahnneigungswinkel in 120 km beeinflußt. Durch Reduzierung der Ausgangsgeschwindigkeit wird eine Abstiegsgeschwindigkeit erzeugt, die maßgebend auf die Form der Abstiegsbahn ist, d.h. welche Exzentrizität und welche große Halbachse sie besitzt. Durch die Geschwindigkeitsreduzierung verändert sich die Exzentrizität und die große Halbachse der Bahn und damit auch die Energie. Hierdurch erhält die Bahn einen spezifischen Neigungswinkelverlauf, der in 120 km Höhe den Wert um -1,4° annehmen muß. Wie der Schubimpuls den Bahnneigungswinkel beeinflußt, zeigt das Bild 47 für mehrere Bahnhöhen. Deutlich ist zu sehen, daß in niedrigen Bahnhöhen der Schubbedarf zum Erhalt höherer Bahnneigungswinkel sehr stark ansteigt. Bei höheren Bahnen bedeutet eine Änderung des Schubimpulses eine stärkere Bahnneigung. Dies bedeutet, daß ein Fehler im Betrag des Schubimpulses gravierendere Auswirkung bei großen Bahnhöhen hat als bei geringen Bahnhöhen.
Der höhere Schubbedarf bei niedrigen Bahnhöhen läßt sich darauf zurückzuführen, daß in diesen Höhen eine höhere kinetische Energie abzubauen ist als in größeren Höhen. Hieraus folgt, daß auch ein Zusammenhang zwischen erforderlichen Schubimpuls und Bahnhöhe besteht. Deutlicher wird der Zusammenhang im Bild 48. Man kann sehen, daß zwischen Schubbedarf und Bahnhöhe für kleine Bahnneigungen in 120 km Höhe ein linearer Zusammenhang besteht. Für größere Bahnneigungen zeichnet sich ein Minimum an Schubbedarf für mittlere Höhen ab. Es ist also nicht erforderlich, ein ganz bestimmtes Energieniveau in 120 km zu erreichen. Dies zeigt sich auch in Bild 90, in dem die Wiedereintrittsgeschwindigkeit über der Bahnhöhe aufgetragen ist. Man sieht dort, daß diese Geschwindigkeit auch von der Bahnhöhe abhängt, und somit ist auch das Energieniveau verschieden. Vielmehr besteht ein Zusammenhang mit der Forderung des Neigungswinkels in 120 km auf einen bestimmten Wert zu bringen, der von der Bahnexzentrizität der Abstiegsbahn und der großen Halbachse in Zusammenhang steht. Während also bei großen Bahnhöhen die potentielle Energie abgebaut werden muß, liegt die Dominanz bei kleinen Bahnhöhen im Abbau der kinetischen Energie wegen der höheren Bahngeschwindigkeit. Zwischen diesen Extremen gibt es eine Bahn, dessen Bedingungen zur Erreichung der optimalen Abstiegsbahn energetisch am günstigsten ist. Diese Bahnhöhe liegt bei etwa 260 km für Bahnneigungen um -1,4°. Die Ausprägung dieses Minimums verschwindet mit abnehmender Bahnneigung.
In Bild 49 sind noch einmal die drei wichtigsten Kurven aus Bild 48 isoliert dargestellt. Hierin sieht man, daß das Minimum des energetisch günstigeren Abstiegs mit dem Sinken der Bahnneigung zu kleineren Bahnhöhen tendiert.
Es wurde schon gesagt, daß die Einhaltung des Bahnneigungswinkel beim Wiedereintritt die thermischen und strukturellen Belastungen in den erforderlichen Grenzen hält. Wie sich dieser Bahnneigungswinkel auswirkt und wie empfindlich er ist, soll im folgenden erläutert werden.
Das Bild 50 zeigt das Beschleunigungsprofil während eines Abstiegs von 120 km für 200 und 500 km Bahnhöhe. Zudem wurde der Abstieg mit einem zulässigen und einem überhöhten Bahnneigungswinkel durchgeführt, wobei der Schubimpuls um jeweils 30% erhöht wurde. Man sieht, daß dies keine übermäßig starke Änderung der Bahnneigung zur Folge hat.
Für eine niedrige Bahnneigung hat dies bezüglich der Beschleunigung keine große Wirkung. Die maximale Beschleunigung nimmt keine größeren Werte an. Es scheint eher zu sein, daß die Beschleunigung etwas dynamischer verläuft als bei einem zulässigen Bahnwinkel. Außerdem wird der lokale Maximalwert früher erreicht. Die kleineren Erhebungen am Anfang entstehen durch die Triebwerkstätigkeit, wobei die Schubdauer abzulesen ist. Bild 51 zeigt etwas deutlicher die Dynamik der Beschleunigungen. Durch den höheren Bahnneigungswinkel steigt der Orbiter schneller ab, wird aber durch die höher werdende Dichte und den damit verbundenen Auftriebsanstieg schnell wieder angehoben. Betragsmäßig hat ein zu großer Bahnneigungswinkel keinen Einfluß. Allerdings ist die Belastung frequenter und hat im Mittel eine höhere Mittellast, was sich zwar nicht auf die Menschen auswirkt, aber eine höhere frequente Wechsellast ist sicherlich schädlicher für die Struktur und vor allem für die Instrumente, die während des Abstieges eine große Rolle spielen.
In den Bildern 52 und 53 ist die Beschleunigung für eine 500 km Bahn aufgetragen. Die 30%-ige Schubüberhöhung wirkt sich hier stärker aus als bei der 200 km-Bahn. Die Bahnneigung neigt sich um mehr als 1° weiter. Dementsprechend dynamisch verläuft die Schwingung der Beschleunigung, die vor allem bei skippenden Bahnen typisch sind. Bahnen mit gesteuerten Anstellwinkel verlaufen weniger dynamisch. Zum einen sind die Amplituden wesentlich höher und auch die Frequenz ist höher. Es wird aber nie der Maximalwert überschritten, der bei etwa 1,1 g liegt. Ein Abstieg mit zu hohen Wiedereintrittswinkeln verursacht also keine übermäßig höhere Beschleunigung. Das Bedenkliche sind mehr die höheren Wechsellasten.
Die nächsten Bilder wenden sich der Wärmebelastung beim Wiedereintritt unter 120 km zu. Bild 54 zeigt den maximalen Wärmestrom über die Bahnneigung für verschiedene Höhen. Hierin bedeuten maximaler Wärmestrom nicht der absolute Wert, sondern der, der vor dem ersten Aufschwung zwischen 80 und 60 km auftritt, der hier als erster Skipp bezeichnet wird. Es kommt beim Abstieg dadurch, daß die Geschwindigkeit zunimmt und dabei höhere Dichteschichten erreicht. Durch die höhere Dichte gewinnt er an Auftrieb. Die Sinkgeschwindigkeit nimmt ab, bis der Auftrieb den Orbiter wieder anhebt. Im tiefsten Punkt tritt die zunächst höchste Luftreibung und damit auch Aufheizung statt. In der Praxis wird jetzt der Anstellwinkel verringert, so daß der Auftrieb sinkt und der Orbiter nicht angehoben wird. Würde er mit konstantem Anstellwinkel weiter fliegen, so kämen anschließend weitere Skipp-Phasen zustande, bei denen höhere Wärmebelastungen auftreten können. Der erste beim Skippen auftretende Wärmewert ist der Auslegewert für den Hitzeschutz. Die Wärmebelastung ist beim Shuttle für etwa 375 kw/m² ausgelegt. Betrachtet man nun das Bild 54, so sieht man, daß das Shuttle einen Abstieg aus einer für ihn typischen Bahnhöhe zwischen 400 und 350 km die Wärmebelastung mit einem Bahnneigungswinkel von -1,4° erreicht. Würde er aus größeren Höhen absteigen, wären auch größere Neigungswinkel tolerierbar. Für kleinere Bahnhöhen entsprechen geringere. Bild 55 zeigt dies nochmals auf drei Bahnneigungswinkeln beschränkt. Um aus 400 km abzusteigen, sind maximal -1,4° zulässig. Auf kleineren Höhen muß entsprechend der Winkel reduziert werden. Gesteuert wird der Bahnneigungswinkel mit dem Schubimpuls. In Bild 56 ist er über den Wärmestrom aufgetragen. Man kann ablesen, daß der Schubimpuls bei etwa 100 m/s angesiedelt ist. Damit ist der Bahnneigungswinkel von -1,4° für maximal 375 kw/m² erreicht, wie man in Bild 55 nachprüfen kann. Für z.B. 500 km kann man noch ein Winkel von -1,6° zulassen, der mit einem Schubimpuls von 120 m/s erreicht wird.
4. Rückrechnung eines gegebenen Eintrittszustandes
Ziel ist es, durch Eingabe der Relativkoordinaten beim Wiedereintritt in 120 km Höhe, den Schubimpuls zu berechnen, der für eine Ausgangsbahn erforderlich ist, um diesen Eintrittszustand zu erreichen. Da sich in den vorherigen Abschnitten herausgestellt hat, daß der tangentiale Schub am günstigsten ist, soll dies auch im Programm berücksichtigt werden. Außerdem beschränkt sich das Programm auf die Ermittlung des Geschwindigkeitsinkrement als Schubimpuls. Für die Berechnung der Schubdauer ist ein erheblicher programmtechnischer Aufwand verbunden, der nur iterativ durchzuführen ist. Die Schubdauer wird daher grob berechnet und anschließend dann in Abstiegsberechnungsprogrammen verifiziert.
Zudem sollen auch die Gravitationsstörungen berücksichtigt werden. Auf die Hinzuziehung der Atmosphäre ist aufgrund der gemachten Erkenntnisse aus Abschnitt 3 verzichtet worden.
4.1. Vorgehen
Da ein umfangreiches Programmpaket zur Wiedereintrittsberechnung bereits vorlag, lag es nahe, dieses so zu modifizieren, daß eine Rechnung in umgekehrter Richtung möglich ist.
Mit den in dem Programm GENTRYS verwendeten Differentialgleichungen für die Relativkoordinaten (Beschreibung und Herleitung: siehe [1]), ist es im Prinzip möglich, auch in umgekehrter Richtung zu rechnen, da lediglich die Steigung an den gewählten Stützstellen berechnet wird. Für die Berechnung der neuen Stützstellen stehen die sogenannten NAG-Routinen zur Verfügung, mit denen nach dem Adams- oder Runge-Kutta-Merson-Verfahren numerisch integriert wird.
[...]
Details
- Seiten
- Erscheinungsform
- Originalausgabe
- Erscheinungsjahr
- 1993
- ISBN (eBook)
- 9783836632393
- Dateigröße
- 694 KB
- Sprache
- Deutsch
- Institution / Hochschule
- Technische Universität Carolo-Wilhelmina zu Braunschweig – Maschinenbau, Raumflug- und Reaktortechnik
- Erscheinungsdatum
- 2014 (April)
- Note
- 2,0
- Schlagworte
- wiedereintritt atmosphärenmodell koordinatensystem raumtransporter raumflugtechnik
- Produktsicherheit
- Diplom.de