Lade Inhalt...

Die Zukunft ostdeutscher Großwohnsiedlungen - Fallstudie Halle-Silberhöhe

Von der Waldstadt zum Stadtwald?

©2008 Diplomarbeit 93 Seiten

Zusammenfassung

Inhaltsangabe:Einleitung:
In den vergangenen 18 Jahren musste der Wohnungsmarkt in den neuen Bundesländern eine einschneidende Trendwende erleben, die gleichermaßen Politik, Wohnungswirtschaft und Versorgungsunternehmen vor große Veränderungszwänge stellte und auch noch heute noch stellt.
Im Zuge des Zusammenbruchs vieler Industriezweige der ehemaligen DDR wuchsen die Arbeitslosenzahlen in den 90er Jahren drastisch an. Fernwanderungsbewegungen setzten ein, da viele Menschen auf der Suche nach Arbeit Ostdeutschland verließen. Hinzu kam ab ca. 1995 eine starke Regionalwanderung, ausgelöst von Menschen, die sich beispielsweise ein Eigenheim im ‘Speckgürtel’ großer Städte wie Leipzig, Halle oder Dessau bauten. Eine dritte Entwicklung, die städtische Binnenwanderung hält bis heute an. Sie ist Ausdruck eines gewandelten Nachfrageverhaltens auf dem Wohnungsmarkt. Hierbei profitieren vor allem innenstadtnahe, rekonstruierte Altbauquartiere, die in der DDR-Zeit zu Gunsten der Errichtung von Plattenbauten vernachlässigt wurden.
Alle drei Entwicklungen wirkten und wirken sich auf die Plattenbaugebiete der ostdeutschen Kommunen besonders negativ aus. Auch kommt als problematischer Fakt hinzu, dass die ca. 1,46 Mio. Plattenbauwohnungen die bis 1990 in der ehemaligen DDR gebaut wurden, meist (wie in Abbildung 1 zu sehen) als größere Wohnquartiere (Großwohnsiedlungen) punktuell verdichtet fast in jeder größeren Stadt der fünf neuen Bundesländer zu finden sind.1 Weithin bekannte Beispiele sind Berlin- Marzahn, Leipzig-Grünau, Halle- Neustadt oder Rostock- Lichtenhagen. Direkte Auswirkung der genannten Faktoren war der immer weiter zunehmende Leerstand in den Großwohnsiedlungen ab ca. 1996, wobei dabei die Tendenz zur allgemeinen Haushaltverkleinerung, also der Trend hin zu Singlehaushalten und kinderlosen Paaren, noch als verzögernde Stellgröße im Prozess wirkte. Erst die 2000 von der Bundesregierung einberufene Kommission ‘Wohnungswirtschaftlicher Strukturwandel in den neuen Bundesländern’ konnte dieses Thema auf die politische Agenda bringen. Wichtige Feststellungen waren u. a. dass bis 2010 in den neuen Bundesländern ca. 300.000 bis 400.000 Wohnungen durch Abriss vom Markt genommen werden müssen und dass dies erst die erste Welle der ‘Schrumpfung’ ist, da ab 2015 die geburtenschwache ‘Nach- Wende- Generation’ zu Haushaltsgründern wird und somit die Zahl der Haushalte ab dann rückläufig sein wird.
In Folge des Berichtes sahen viele ostdeutsche Städte die […]

Leseprobe

Inhaltsverzeichnis


Martin Neumann
Die Zukunft ostdeutscher Großwohnsiedlungen
Fallstudie Halle-Silberhöhe
ISBN: 978-3-8366-3207-2
Herstellung: Diplomica® Verlag GmbH, Hamburg, 2009
Zugl. Helmut Schmidt Universität - Universität der Bundeswehr Hamburg, Hamburg,
Deutschland, Diplomarbeit, 2008
Dieses Werk ist urheberrechtlich geschützt. Die dadurch begründeten Rechte,
insbesondere die der Übersetzung, des Nachdrucks, des Vortrags, der Entnahme von
Abbildungen und Tabellen, der Funksendung, der Mikroverfilmung oder der
Vervielfältigung auf anderen Wegen und der Speicherung in Datenverarbeitungsanlagen,
bleiben, auch bei nur auszugsweiser Verwertung, vorbehalten. Eine Vervielfältigung
dieses Werkes oder von Teilen dieses Werkes ist auch im Einzelfall nur in den Grenzen
der gesetzlichen Bestimmungen des Urheberrechtsgesetzes der Bundesrepublik
Deutschland in der jeweils geltenden Fassung zulässig. Sie ist grundsätzlich
vergütungspflichtig. Zuwiderhandlungen unterliegen den Strafbestimmungen des
Urheberrechtes.
Die Wiedergabe von Gebrauchsnamen, Handelsnamen, Warenbezeichnungen usw. in
diesem Werk berechtigt auch ohne besondere Kennzeichnung nicht zu der Annahme,
dass solche Namen im Sinne der Warenzeichen- und Markenschutz-Gesetzgebung als frei
zu betrachten wären und daher von jedermann benutzt werden dürften.
Die Informationen in diesem Werk wurden mit Sorgfalt erarbeitet. Dennoch können
Fehler nicht vollständig ausgeschlossen werden und der Verlag, die Autoren oder
Übersetzer übernehmen keine juristische Verantwortung oder irgendeine Haftung für evtl.
verbliebene fehlerhafte Angaben und deren Folgen.
© Diplomica Verlag GmbH
http://www.diplomica.de, Hamburg 2009

I
Gliederung:
1.
Einleitung und Erkenntnissinteresse ...1
2.
Schrumpfung in Ostdeutschland und deren Auswirkungen auf Halle (Saale) ...8
2.1.
Ursachen der Schrumpfungsprozesse
... 8
2.1.1. Politischer und wirtschaftlicher Wandel nach 1989
... 9
2.1.2. Wanderungsbewegungen
... 11
a)
Ost-West- Wanderung
... 11
b)
Suburbanisierung
... 12
2.2. Zukünftige demografische Entwicklungen in Ostdeutschland
... 13
2.3. Folgen für die Großwohnsiedlungen der ostdeutschen Städte
... 14
2.4. Auswirkungen der Entwicklungen auf Halle (Saale)
... 15
2.4.1. Politisch- Administrative Folgen der Wende
... 15
2.4.2. Deökonomisierung und Schrumpfung einer Industriestadt
... 16
2.4.3. Selektivität der Schrumpfungsprozesse im Stadtgebiet
... 17
3.
Die aktuelle Situation in Halle-Silberhöhe ...18
3.1. Historische Entwicklung des Stadtteiles bis heute
... 18
3.2. Individuelle Ursachen der Schrumpfung in der Silberhöhe
... 21
3.2.1. Lage
... 21
3.2.2. Wohnbebauung
... 22
3.2.3. Bevölkerungszusammensetzung vor 1989
... 24
3.3. Akteure in Stadtteil Silberhöhe
... 25
3.3.1. Stadtverwaltung
... 25
3.3.2.
Wohnungswirtschaft
... 26
3.3.3. Bürger des Stadtteiles Silberhöhe
... 28
3.3.4. Andere Akteure ­ Versorgungsunternehmen und Polizei
... 31
3.4. Reaktionen Stadtverwaltung
... 32
3.4.1. Initiierung von informellen Gremien
... 32
a) Netzwerk ,,Stadtentwicklung" (vormals Netzwerk ,,Stadtumbau")
... 32
b) Arbeitskreis Silberhöhe
... 33
3.4.2. Das Neuordnungskonzept für die Silberhöhe 2001
... 34
3.4.3. Das Stadtentwicklungskonzept für das Stadtumbaugebiet Halle- Silberhöhe 2007
... 36
3.5. Hilfen für den Stadtumbau aus Förderprogrammen
... 37
3.5.1. Bund- Länderprogramm Stadtumbau Ost
... 37
3.5.2. Bund- Länderprogramm Soziale Stadt
... 39

II
4.
Methode und Erhebung der Befragung und der Interviews...39
4.1. Episodische Interviews
... 40
4.1.1. Auswahl der Interviewteilnehmer
... 41
4.1.2. Art der Auswertung
... 42
4.1.3. Methodenkritik
... 42
4.2. Bürgerbefragung
... 43
4.2.1. Erhebungsort und Zusammensetzung der Zufallsstichprobe
... 44
4.2.2.
Art der Auswertung
... 44
4.2.3.
Methodenkritik
... 45
5.
Auswertung und Interpretation der Ergebnisse...46
5.1. Auswertung der narrativen Interviews
... 46
5.1.1. Bewertung des Stadtentwicklungskonzeptes durch die Interviewten
... 46
a) Stadtumbau als gesteuerte Entwicklung oder flexible Reaktion
... 46
b) Problemlösungspotential des Konzeptes in der Silberhöhe
... 47
5.1.2. Beurteilung der Zusammenarbeit zwischen den Akteuren
... 49
a) Netzwerk Stadtentwicklung
... 49
b) Arbeitskreis Silberhöhe
... 50
c) Stadtteilkonferenzen
... 51
5.1.3. Mögliche Alternativen zur ,,Waldstadt" Silberhöhe
... 52
a) Kernstadtteillösung WK 1-4
... 52
b) Totalabriss
... 53
5.1.4. Mögliche zukünftige Entwicklungen in der Silberhöhe
... 53
5.2.
Auswertung der Bürgerbefragung
... 55
5.2.1. Bewertung des Stadtteiles nach Vor- und Nachteilen
... 55
5.2.2. Bewertung des Stadtumbaues und des Konzeptes ,,Waldstadt"
... 57
5.2.3. Temporäres Quartier oder Stadtteil mit Zukunft
... 58
6.
Fazit und Schlussfolgerungen ...59
7.
Abbildungs- und Tabellenverzeichnis ...64
8.
Literatur- und Quellenverzeichnis ...66
9.
Anhang ...71
9.1. Interviewverzeichnis
... 71
9.2 Interviewleitfäden*
... 72
9.3. Fragebogen zur Bürgerbefragung
... 78
9.4. Ergebnisse der Bürgerbefragung in Tabellenform
... 80
9.5. Eidesstattliche Erklärung
... 88

III
Danksagung
Für die Betreuung meiner Diplomarbeit und die vielen hilfreichen Anregungen bedanke ich mich
herzlich bei Prof. Dr. Rainer Prätorius.
Weiterhin möchte ich an dieser Stelle allen Interviewpartnern für die aufschlussreichen
Gespräche bedanken. Im Einzelnen waren dies Frau Häußler, Frau Neubert, Herr Dr. Busmann,
Herr Lunebach, Herr Sydow, Herr Effertz, Herr Ohm und Herr Salow. Alle genannten Personen
haben mir nicht nur mit ihrer Expertise geholfen, sondern mir auch nützliches Datenmaterial zur
Verfügung gestellt.
Ebenso gilt mein Dank allen Bürgern der Silberhöhe, die sich an der Befragung beteiligt haben
und teilweise auch darüber hinaus reges Gesprächsinteresse gezeigt haben.
Bei der Auswertung des gewonnenen Datenmaterials stand mir meine Freundin Bianca hilfreich
zur Seite. Auch ihr möchte ich an dieser Stelle dafür danken.

1
1.
Einleitung und Erkenntnissinteresse
In den vergangenen 18 Jahren musste der Wohnungsmarkt in den neuen Bundesländern eine
einschneidende Trendwende erleben, die gleichermaßen Politik, Wohnungswirtschaft und
Versorgungsunternehmen vor große Veränderungszwänge stellte und auch noch heute noch stellt.
Im Zuge des Zusammenbruchs vieler Industriezweige der ehemaligen DDR wuchsen die
Arbeitslosenzahlen in den 90er Jahren drastisch an. Fernwanderungsbewegungen setzten ein, da
viele Menschen auf der Suche nach Arbeit Ostdeutschland verließen. Hinzu kam ab ca. 1995 eine
starke Regionalwanderung, ausgelöst von Menschen, die sich beispielsweise ein Eigenheim im
,,Speckgürtel" großer Städte wie Leipzig, Halle oder Dessau bauten. Eine dritte Entwicklung, die
städtische Binnenwanderung hält bis heute an. Sie ist Ausdruck eines gewandelten
Nachfrageverhaltens auf dem Wohnungsmarkt. Hierbei profitieren vor allem innenstadtnahe,
rekonstruierte Altbauquartiere, die in der DDR-Zeit zu Gunsten der Errichtung von Plattenbauten
vernachlässigt wurden.
Alle drei Entwicklungen wirkten und
wirken sich auf die Plattenbaugebiete der
ostdeutschen Kommunen besonders negativ
aus. Auch kommt als problematischer Fakt
hinzu, dass die ca. 1,46 Mio.
Plattenbauwohnungen die bis 1990 in der
ehemaligen DDR gebaut wurden, meist (wie
in Abbildung 1 zu sehen) als größere
Wohnquartiere (Großwohnsiedlungen)
punktuell verdichtet fast in jeder größeren
Stadt der fünf neuen Bundesländer zu finden
sind.
1
Weithin bekannte Beispiele sind
Berlin- Marzahn, Leipzig-Grünau, Halle-
Neustadt oder Rostock- Lichtenhagen.
Direkte Auswirkung der genannten Faktoren
war der immer weiter zunehmende
Leerstand in den Großwohnsiedlungen ab
ca. 1996, wobei dabei die Tendenz zur
allgemeinen Haushaltverkleinerung, also der
Trend hin zu Singlehaushalten und
kinderlosen Paaren, noch als verzögernde
Stellgröße im Prozess wirkte. Erst die 2000
1
Vgl. HANNEMANN, CHRISTINE: Die Platte Industrialisierter Wohnungsbau in der DDR, Berlin, 2000, S. 23.
Abb.1: Großsiedlungen mit mehr als 1000
Wohnungen, Stand 1996.

2
von der Bundesregierung einberufene Kommission ,,Wohnungswirtschaftlicher Strukturwandel in
den neuen Bundesländern" konnte dieses Thema auf die politische Agenda bringen. Wichtige
Feststellungen waren u. a. dass bis 2010 in den neuen Bundesländern ca. 300.000 bis 400.000
Wohnungen durch Abriss vom Markt genommen werden müssen und dass dies erst die erste Welle
der ,,Schrumpfung" ist, da ab 2015 die geburtenschwache ,,Nach- Wende- Generation" zu
Haushaltsgründern wird und somit die Zahl der Haushalte ab dann rückläufig sein wird.
2
In Folge des Berichtes sahen viele ostdeutsche Städte die Notwendigkeit des Stadtumbaues
und gingen das Problem des Leerstandes konzeptionell an. An dieser Stelle muss angemerkt
werden, dass sich der Leerstand nicht auf die ,,Platte" beschränkte, sondern auch in den
Altbauvierteln vieler Innenstädte gravierend war. Durch die Verabschiedung von integrierten
Stadtentwicklungskonzepten (ISEK) setzten sich alle beteiligten Akteure mit der von statten
gehenden Entwicklung auseinander und schufen sich auf Basis dieser informellen Planung Ziele für
den Stadtumbau.
Auch wurde seitens der Länder und des Bundes das Problem erkannt, dass die Kommunen
zum Stadtumbau finanzielle Hilfen benötigen, was zur Initiierung zweier Förderprogramme führte.
Das erste Förderprogramm,,Soziale Stadt" lief 1999 an und verfolgte vor allem das Ziel, in von
Arbeitslosigkeit, Schrumpfung und sozialer Segregation betroffenen Stadtteilen neue
Steuerungsmodelle zu finden, bei denen auch die Bürgerbeteiligung angeregt werden soll. Als
zweites Programm wurde das Förderprogramm ,,Stadtumbau Ost" ins Leben gerufen, welches
bedrohte Stadtgebiete durch finanzielle Hilfen beim Abriss und bei der Wohnumfeldverbesserung
stabilisieren soll.
3
Vorreiter im Stadtumbau, besonderes aber im Umgang mit dem Leerstandsproblem in ihren
Großwohnsiedlungen (GWS) sind Städte wie Schwedt (Oder) und Leinefelde in Thüringen.
Schwedt setzt beim Stadtumbau beispielsweise auf eine Misch- Strategie von Aufwertung,
Stabilisierung, Renaturierung und Aufforstung und erhielt für sein ISEK beim Bundeswettbewerb
,,Stadtumbau Ost" 2002den 1. Preis.
4
Auch Leinefelde geht neue Wege was den Stadtumbau betrifft
und vereinbarte frühzeitig für den Stadtteil Leinefelde- Südstadt eine zukünftige Grundstruktur und
leitete daraus die benötigten Wohnungskapazitäten ab, so dass für alle Akteure ein Höchstmaß an
Planungssicherheit im Umgang mit Rückbau- und Aufwertungsflächen gegeben ist.
5
Auch die in Sachsen- Anhalt gelegene Stadt Halle (Saale), welche 1990 nach dem
Zusammenschluss mit Halle-Neustadt ca. 309.000 Einwohner hatte, verlor durch die umrissenen
2
Vgl. PFEIFFER, ULRICH; SIMONS, HARALD; PORSCH, LUCAS: Bericht der Kommission
,,Wohnungswirtschaftlicher Strukturwandel in den neuen Bundesländern" Kurzfassung, 2000, S. 3f, im WWW
unter: http://www.schader-stiftung.de/docs/kommission_strukturwandel_kurzfass.pdf (17.06.2008).
3
Vgl. PAULI, MARTIN: Öffentliche und private Steuerung von Stadtentwicklung in verschiedenen Gesellschaftssystemen
­ Ein Vergleich ost- und westdeutscher Städte, Hannoverische Geographische Arbeiten, Band 58, Münster; Hamburg,
2005, S. 98-106.
4
Vgl. STADT SCHWEDT (ODER):Homepage der Stadt im WWW unter:
http://www.schwedt.eu/sixcms/detail.php/land_bb_boa_01.c.72159.de?_lang=de_nid=58779 (17.06.2008) und
BUNDESAMT FÜR BAUWESEN UND RAUMORDNUNG: Homepage im WWW unter:
http://www.bbr.bund.de/nn_23566/DE/Veroeffentlichungen/Sonderveroeffentlichungen/2005und
aelter/Zwischennutzung/Einzelkapitel4,templateId=raw,property=publicationFile.pdf/Einzelkapitel4.pdf (09.04.2008).
5
Ebd. BUNDESAMT FÜR BAUWESEN UND RAUMORDNUNG.

3
Entwicklungen bis Ende 2007 rund ein Viertel seiner Bevölkerung und zählt heute noch ca.
232.000
6
Einwohner.
7
Ein besonderer Faktor der die Schrumpfung in Halle noch begünstigte, war
der weitgehende Zusammenbruch der südlich der Stadt gelegenen chemischen Industriekombinate
,,BUNA" und ,,LEUNA", die zu DDR- Zeiten jeweils mehrere 10.000 Menschen beschäftigten.
In Halle hinterließ der DDR- Wohnungsbau zwei Relikte. Zum einen die vier ab 1964 errichteten
Großwohnsiedlungen Halle- Neustadt, Südstadt, Silberhöhe und Heide- Nord und zum anderen
eine durch den Bau der GWS`en vernachlässigte Baustruktur in Innenstadtlagen. 1990 lebten rund
50 % der halleschen Bevölkerung in Plattenbauwohnungen, was die Größenordung der
durchgeführten Bauvorhaben im DDR- Wohnungsbau erahnen lässt.
8
Durch die Abwanderung der
Bevölkerung wuchs nach und nach in den GWS, wie auch in der halleschen Innenstadt der
Leerstand. Im Zuge der Rekonstruktionsmaßnahmen an vielen Altbauten im Zentrum und der
dadurch verstärkten innerstädtischen Wanderungsbewegungen wuchs der Leerstand in den GWS
ab ca. 1997 immer gravierender an. Auch in Halle erkannten die betroffenen Akteure den
Handlungsbedarf. Neben informellen Gremien, in den sich die Wohnungswirtschaft, die
Stadtverwaltung und entsprechende Versorgungsunternehmen über die hallesche Stadtentwicklung
verständigten, wurde 2001 auch ein erstes
Stadtentwicklungskonzept verabschiedet.
Weiterhin entschied man sich 2002 seitens der
Stadt dafür sechs vorrangige
Stadtumbaugebiete auszuweisen (Siehe
Abbildung 2). Bis 2007 sind rund 12.000
Wohnungen in Halle durch Abriss vom Markt
genommen worden und der gesamtstädtische
Leerstand hat sich von 19,1 % im Jahr 2001 auf
15,1 % im Jahr 2007 verringert.
9
Einen besonders drastischen Verlauf nahm
im gesamtstädtischen Vergleich der
Schrumpfungsprozess der GWS Halle-
Silberhöhe, die am Südrand der Saalestadt
(Siehe Abbildung 2) ab 1979 erbaut wurde. Dort
sank die Einwohnerzahl von 37.800 im Jahr
1992 auf 14.311 im Jahr 2007, was einem
Rückgang um rund 62 % entspricht.
10
Durch die hohe Abwanderung bedingt, stieg auch die
6
Bemerkung: In Folge werden wie hier nur Zahlen dargestellt, die sich auf die Anzahl der Bewohner mit Hauptwohnsitz
am Ort befinden.
7
Siehe STADT HALLE (SAALE): Veröffentlichung des Amtes für Bürgerservice Halle, im WWW unter:
http://www.halle.de/index.asp?MenuID=151SubPage=1 (01.06.2008).
8
Vgl. Häußler, Interviewtranskription , S. 2.
9
Vgl. Daten der Stadtverwaltung Halle, Fachbereich Bürgerservice; Bauordnung und Denkmalschutz und STADT
HALLE (SAALE),Fachbereich Stadtentwicklung und -planung: ISEK Gesamtstädtische Entwicklungstendenzen und
Entwicklungsziele, 2007, S. 28.
Abb.2: Stadtumbaugebiete
in Halle (Saale) laut ISEK
2007

4
Leerstandsquote im Stadtteil stetig an und erreichte 2002 mit 37,4 % (von rund 15.300
Wohneinheiten) ihren Höchststand. Aus diesem Grund ist die Silberhöhe seit 2002 auch eines der
o. g. vorrangigen Stadtumbaugebiete der Stadt Halle, was seitens der Stadtverwaltung dazu führte,
dass man ein Stadtumbaukonzept für den Stadtteil verabschiedete. Mit finanzieller Unterstützung
durch das Förderprogramm ,,Stadtumbau Ost" wurden in der Silberhöhe beginnend ab 2002
umfangreiche Abrissvorhaben durchgeführt und bis heute ca. 5.500 Wohneinheiten (WE)
rückgebaut.
11
Parallel dazu führt man, ebenfalls unterstützt durch Förderprogramme, bis heute
Aufwertungs- und Wohnumfeldverbesserungsmaßnahmen durch. Leitbild für den Stadtumbau in
der Silberhöhe ist die ,,Waldstadt" geworden. Dieses sieht eine bessere Vernetzung der
Wohnquartiere mit der sich südlich anschließenden Saale- Elster- Aue vor.
12
Dabei sollen an den
Rändern der Silberhöhe Waldgebiete entstehen und damit ein Naherholungsgebiet im Süden der
Stadt geschaffen werden. Im Inneren des Stadtteiles soll die ,,Waldstadt" ihr Gesicht durch die
Anlage von lichten Baumhainen erhalten.
13
Trotz dieser immensen Anstrengungen betrug die
Leerstandsquote Ende 2007 immer noch 17,9 %.
14
Daran ist auch abzulesen, dass der Schrumpfungsprozess des Stadtteiles bis zum heutigen
Tag nicht beendet werden konnte. Prognosen des Statistischen Landesamtes Sachsen- Anhalt
gehen bis 2025 für die Gesamtstadt von einem weiteren Einwohnerrückgang um rund 13 % auf
dann ca. 206.000 Einwohner aus.
15
Diese Schrumpfung wird sich auch in der Silberhöhe auswirken.
Das ISEK ­ Stadtumbaugebiete geht für die Silberhöhe 2015 von nur noch 9.600 Einwohnern und
einer Wohnungsnachfrage von 5.600 WE aus. Legt man ab 2015 eine weitere Schrumpfung der
Silberhöhe bis 2025 zugrunde, die proportional zur Gesamtstadt verläuft, ergibt sich, dass bis dahin
nur noch rund 8.970 Bewohner in der Silberhöhe leben werden und resultierend daraus bei gleich
bleibender Haushaltsgröße von 1,71 Personen pro Haushalt nur noch 5245 Wohnungen
nachgefragt sein werden.
16
Entgegen dieser Datenbasis, die auch das ISEK berücksichtigt, hält man im
Stadtumbaukonzept an der Erhaltung der Grundstruktur innerhalb des Straßenringes (Siehe Abb. 3,
Ringstrasse azurblau gekennzeichnet) fest, betont aber eine ggf. notwendige Fortschreibung nach
2010. Damit wird das Problem klar, dass bis heute kein Konsens über eine langfristige Entwicklung
der Silberhöhe gefunden wurde und der Stadtumbau i. R. informeller Akteurskooperationen sowie
des Stadtumbaukonzeptes nur eine kurz- bzw. mittelfristige Planung umfasst. Allein das
10
Ebd.
11
Vgl. STADT HALLE (SAALE): ISEK Stadtumbaugebiete, Halle, 2007, S. 76-79.
12
Vgl. REUTHER, IRIS: Bauen in den neuen Bundesländern - Balanceakt Doppelstadt, In: Deutsches Architektenblatt,
Band 39, Heft 6, 2007, S. 23f.
13
Vgl. DROSSMANN, AXEL: Plattenbau später ­ Eine ostdeutsche Grosswohnsiedlung in der Krise, In: Werk, Bauen +
Wohnen, Heft 10/2004, S. 40.
14
Vgl. STADT HALLE (SAALE): Fachbereich Bürgerservice.
15
Siehe STATISISCHES LANDESAMT SACHSEN- ANHALT, 4. Regionalisierte Bevölkerungsprognose 2005 bis 2025
nach der Kreisgebietsstruktur ab 01.07.2007, im WWW unter: http://www.statistik.sachsen-anhalt.de (01.07.2008).
16
Die Berechnung dieser Werte erfolgte auf Grundlage der Daten des ISEK ­ Stadtumbaugebiete, des Fachbereichs
Bürgerservice und der Regionalisierten Bevölkerungsprognose. Legt man hingegen die prognostizierte
durchschnittliche Haushaltsgröße zu Grunde, die das Statistische Bundesamt für 2025 angibt, wären in der Silberhöhe
nur noch 4.600 Wohnungen nachgefragt.

5
,,Waldstadtkonzept", als Teil der Konzeption gibt eine gewisse Vision für die weitere Entwicklung
des Stadtteiles vor.
Ausgehend von eben genannter Problemstellung soll diese Arbeit den Stadtumbau im Stadtteil
Halle-Silberhöhe aus einer akteursbezogenen Perspektive bewerten. Der Untertitel der Arbeit
deutet auf eine mögliche Entwicklung der Silberhöhe hin, bei der sich die Stadt immer mehr
zurückzieht. Das Fragezeichen soll absichtlich darauf hin deuten, dass auch andere Entwicklungen
möglich sind. In jedem Fall ist es von besonderer Wichtigkeit, durch einen langfristigen
Planungshorizont diesen Prozess nicht nur zu begleiten, sondern auch aktiv zu gestalten, sofern
dies möglich ist. Dabei fließen auch Ergebnisse aus episodischen Interviews mit Vertretern der
Stadt und der Wohnungswirtschaft und aus einer selbst durchgeführten Bürgerbefragung im
Stadtteil Silberhöhe ein. Als wichtigste Akteure des Stadtumbaus werden dabei die
Stadtverwaltung, die Bürger und die Wohnungsunternehmen angenommen, die in Abb. 4 als
,,Akteursdreieck"
17
dargestellt sind.
Zentral ist die Frage nach den Ursachen und Folgen, die das Fehlen der langfristigen
Planungskomponente beim Stadtumbau mit sich bringt. Schafft das Konzept so nicht
Unsicherheiten auf der Akteursseite (insbesondere bei Bürgern und Wohnungsunternehmen), was
zur Folge hat, dass diese ausschließlich operativ handeln und somit dem Stadtteil wenig
17
Hinweis: Die Versorgungsunternehmen sollen hier als Akteur nur indirekt Beachtung finden, dennoch sind diese im
Stadtumbauprozess durchaus wichtig, wenn es um die Probleme mit der Versorgungsinfrastruktur geht, wie etwa
verstopfte Abwasserleitungen, zu geringe Entnahmemengen bei der Fernwärmeversorgung ect.
Abb.3: Stadtteil Halle- Silberhöhe mit
Ringstrasse
und Wohnkomplexen

6
Zukunftschancen einräumen? Auch ist fraglich, ob in den informellen Gremien des Stadtumbaues,
wie dem ,,Netzwerk Stadtumbau" die gesamtstädtischen Zusammenhänge, etwa bei der
Binnenwanderung in Halle oder bei der gegenseitigen Konkurrenz der vier halleschen GWS mit
berücksichtigt werden?
Daraus resultierend stellt sich dann die
Frage, welche Eckpunkte ein
alternatives Konzept zusätzlich
beinhalten müsste, um auch eine
langfristige Planungsebene zu
enthalten? Basierend auf der
Überlegung, dass der Prozess der
Schrumpfung in der Silberhöhe in der
Tat noch weiter anhalten wird und
der Stadtumbau in diesem Falle die
Chance hat, den Prozess aktiv zu gestalten anstatt nur reaktiv einzugreifen, werden für die hier
vorliegende Arbeit folgende Hypothesen abgeleitet, die im Verlauf geprüft werden sollen:
Hypothese 1
Selbst wenn das Konzept der ,,Waldstadt" Silberhöhe konsequent umgesetzt wird und somit
die verbleibenden Wohnquartiere durch städtebaulichen Aufwertungsmaßnahmen
attraktiver werden als bisher, wird der weitere Schrumpfungsprozess damit kaum zu
bremsen sein, was wiederum weitere Abrissmaßnahmen notwendig macht und dazu
beiträgt das der Stadtteil durch seine Wohninselgliederung baulich gesehen immer mehr
zersplittert.
Hypothese 2
Ein langfristig ausgerichtetes Entwicklungskonzept für die Silberhöhe muss die
Standortnachteile der peripheren Lage und der zunehmenden Bevölkerungssegregation
berücksichtigen und darf nicht nur auf zeitlich flexiblen Rückbau und ein ,,mehr an Grün"
setzen. Rückbauentscheidungen müssen langfristig im Voraus und nicht als Reaktion auf
unwirtschaftlich hohen Leerstand getroffen werden, um einen aus den WK`s 1 - 4
bestehenden Kern des Stadtteiles längerfristig zu erhalten.
Hypothese 3
Konzepte zur Stadtentwicklung und zum Stadtumbau fußen insbesondere auf einer Planung
für die Zukunft. Die leitenden Akteure der Stadt und der Wohnungsunternehmen setzen im
Rahmen des Konzeptes ,,Waldstadt" allerdings darauf, eigene Entscheidungsmöglichkeiten
offen zu halten, obwohl die zukünftigen Rahmenbedingungen weitgehend klar sind. Dies
lässt auf ein Defizit in der Kooperation der beteiligten Akteure schließen.
Hypothese 4
Die Bürger vor Ort werden durch die fehlenden langfristigen Perspektiven des
Stadtumbaukonzeptes verunsichert was das ohnehin schlechte Image der Silberhöhe
Wohnungs -
unternehmen
Bürger des
Stadtteiles
Stadtverwaltung
Abb.4: Akteursdreieck der Hauptbeteiligten beim
Stadtumbau in Halle- Silberhöhe

7
verstärkt und die weitere Segregation der Bevölkerung im Stadtteil fördert. Wer das nötige
Geld hat zieht aus dem ,,temporären Quartier"
18
in eines der beliebteren Innenstadtviertel
um. Sozial schwache Familien bleiben zurück.
Im Rahmen der Bearbeitung dieser Thesen sollen im ersten Kapitel dieser Arbeit zunächst die
Ursachen der Schrumpfungsprozesse in Ostdeutschland näher untersucht werden, um dann deren
Auswirkungen auf die Stadt Halle (Saale) genauer beurteilen zu können. Hier wird deutlich, dass in
Ostdeutschland nicht ,,nur" Arbeitsplätze verloren gingen, sondern tief greifende
Deökonomisierungs-, Depopulations- und Deurbanisierungsprozesse stattgefunden haben und
teilweise noch stattfinden. In Halle (Saale) wirkte sich dieser Strukturwandel besonders dramatisch
aus. Alle drei genannten Prozesse führten zu drastischem Einwohnerrückgang in der drittgrößten
Stadt der ehemaligen DDR. Dies zog hohe Wohnungsleerstände nach sich, die auch durch den
Neubau von Wohnungen in seiner Selektivität noch verstärkt wurden. Somit verteilte sich der
Leerstand zunächst gleichermaßen auf die innerstädtischen Altbauviertel und die vier GWS. Durch
Rekonstruktionsmaßnahmen an den Altbauten hat sich dieser Leerstand zu Ungunsten der GWS
verschoben.
Das zweite Kapitel der Arbeit wendet sich dann der GWS Silberhöhe zu, die unter den GWS in
Halle die höchsten Einwohnerverluste zu verzeichnen hat. Nach der Untersuchung der
standortsspezifischen Bedingungen, die ursächlich für die starke Schrumpfung des Stadtteiles sind,
schließt sich eine genaue Untersuchung der Akteure an. Welche Präferenzen, Probleme und
Zielsetzungen haben insbesondere Stadtverwaltung, Bürger und Wohnungsunternehmen in der
Silberhöhe. In diesem Zusammenhang werden sowohl die städtischen Konzepte, als auch die
informellen Gremien vorgestellt, die die Stadtverwaltung i. R. des Stadtumbaues ins Leben gerufen
hat. Abschließend wird in diesem Teil noch die Ebene der Förderprogramme betrachtet, durch
dessen finanzielle Hilfen erst Abrisse und Aufwertungsmaßnahmen in solchen Größenordungen
ermöglicht worden. Grundsätzliche Erkenntnisse hier sind, dass das Leerstandsproblem von Seiten
der Stadt und der Wohnungsunternehmen erst 2001 realisiert wurde und dass die
Bevölkerungsverluste in der Silberhöhe selektiv sind. Vornehmlich sozial besser gestellte Bürger
verlassen die GWS, ältere und sozial schwache Menschen bleiben dort ansässig.
Im dritten Kapitel sollen die gewählten Methoden der Datenerhebung vorgestellt werden um
daraus deren Wert für die sich im nächsten Teil anschließende Auswertung beurteilen zu können.
Grundsätzlich muss hier angemerkt werden, dass sowohl die Anzahl der Interviews, wie auch der
Umfang der Befragung aus zeitlichen Gründen begrenzt werden musste. Um beispielsweise eine
Befragung durchzuführen bedurfte es jeweils etwa 15 Minuten, inklusive der Zeit einen
gesprächsbereiten Bürger zu finden.
Bei der Auswertung und Interpretation der Bürgerbefragung, wie auch der Interviews im vierten
Kapitel steht die Prüfung der Hypothesen im Vordergrund, da diese nur auf Grundlage von
literarischen Sekundärquellen nicht zu beantworten sind. Gerade über Defizite bei der
18
Begriff ,,temporäre Stadt" siehe BEER, INGEBORG: Interview vom 09.07.2007, im WWW unter:
http://bpb.de/themen/EU3YWJ,0,0,Drei_Fragen_an_Ingeborg_Beer.html (03.07.2008).

8
Zusammenarbeit der Wohnungsunternehmen oder zu Unsicherheiten der Bürger in der Silberhöhe
lassen sich ohne die gemachten eigenen Untersuchungen allenfalls Vermutungen äußern. An
dieser Stelle sei hier hinsichtlich der Diskussion der Hypothesen nur auf zwei aus der Befragung
und den Interviews generierte Erkenntnisse verwiesen. In Bezug zur Hypothese 1 verwiesen drei
der Interviewten darauf, dass die Silberhöhe als GWS am wenigsten Entwicklungsfähig ist und
allenfalls Reste erhalten bleiben.
19
In der Bürgerbefragung wurde im Hinblick auf Hypothese 4 nach
Umzugsabsichten (Frage 8) und der Bewertung des Stadtumbaukonzeptes (Frage 14) gefragt. Hier
zeigte sich, dass ca. 30 % der Befragten (60 Jahre) sicher planen, die Silberhöhe in nächster Zeit
zu verlassen. Auch würden rund 48 % der Befragten sich ein Konzept für den Rückbau wünschen,
welches räumlich und zeitlich klarere Rückbauentscheidungen trifft.
Das fünfte Kapitel dieser Arbeit fasst die wesendlichen Erkenntnisse dieser Arbeit zusammen
und zieht daraus Schlussfolgerungen zur Leistungsfähigkeit der Stadtumbauinitiativen bezogen auf
den Stadtteil Halle- Silberhöhe. Hieraus werden Problemfelder skizziert, die einer Lösung bedürfen,
um eine längerfristige Stadtumbauplanung für den Stadtteil realisieren zu können. Hier ist
beispielsweise die zusätzliche Einbeziehung der privaten Vermieter, die vor allem im 1. und 4.
Wohnkomplex Wohnquartiere angekauft haben, zukünftig von besonderer Bedeutung. Vision dabei
könnte für den Stadtteil sein in dem eingebettet in eine Einfamilienhaussiedlung eine gewisse Zahl
von ehemals 5-geschossiger Bebauung, die auf 3 Geschosse reduziert wurden, erhalten bleibt.
Durch die Aufforstung, die heute schon realisiert werden konnte und zukünftig noch fortgesetzt
wird, würde sich an den Stadtteil ein Wald anschließen, ähnlich wie dies im Stadtteil Halle- Dölau
der Fall ist. Im Falle eines gänzlichen Rückbaues wäre aus der Silberhöhe ein Stadtwald
entstanden.
2.
Schrumpfung in Ostdeutschland und deren Auswirkungen auf Halle (Saale)
2.1.
Ursachen der Schrumpfungsprozesse
Seit einigen Jahren ist eine rege wissenschaftliche Diskussion um den Bevölkerungsrückgang
in den neuen Bundesländern in Gang gekommen. Zunächst einmal musste die ,,obsolete Logik des
flächenhaften Wachstums"
20
von den handelnden Akteuren verworfen werden, um den Prozess der
Schrumpfung als einen ganzheitlichen Vorgang zu verstehen und nicht als kurze Übergangsphase
bis zur nächsten Wachstumsphase zu interpretieren. Neuartig war dieser Prozess dennoch nicht,
wenn man an den tiefgreifenden Strukturwandel seit den 70er Jahren denkt, der industrialisierte
19
Vgl. Busmann, Interviewtranskription, S. 9; Lunebach; Neubert, Interviewtranskription, S.20; Häußler,
Interviewtranskription, S.10.
20
Vgl. HAASE, ANDREA, u. a.: Gegenwart und Zukunft der Stadtentwicklung in Sachsen-Anhalt: Magdeburg, Halle,
Dessau, Forschungsprojekt an der Hochschule Anhalt, Dessau, 2003, S. 2, im WWW unter:
http://www.stadtentwicklung-sachsen-anhalt.de/inhalt/forschungskonzept/positionsbestimmung (03.07.2008).

9
Regionen in den alten Bundesländern ergriff.
21
Dennoch kann man nicht einfach davon ausgehen,
dass der Schrumpfungsprozess in Ostdeutschland dem der Industrieregionen in Westdeutschland
gleichzusetzen ist. Der Soziologe Wolfgang Engler spricht dabei von der postindustriellen
Gesellschaft des Westens und der deindustrialisierten Gesellschaft des Ostens.
22
Mit der politischen Wende in Ostdeutschland erfolgte ein struktureller Bruch in fast allen
Bereichen. Veraltete Industrieanlagen wurden nach und nach stillgelegt, tausende Arbeitsplätze
gingen damit verloren, das Privateigentum wurde wieder eingeführt und Kommunen durften sich
wieder selbst verwalten. Auch die Wohnungswirtschaft wurde von Plan- auf Marktwirtschaft
umgestellt. Doch durch den fehlenden durchgreifenden wirtschaftlichen Aufschwung, blieb die
Entstehung neuer Arbeitsplätze aus, was zu Wanderungsbewegungen in Richtung der alten
Bundesländer führte. Zudem musste sich die Wirtschaft der neuen Bundesländer auf dem
globalisierten Weltmarkt behaupten.
23
Im Folgenden sollen diese Entwicklungen nun genauer
betrachtet werden.
24
2.1.1. Politischer und wirtschaftlicher Wandel nach 1989
Um ein Verständnis dafür zu gewinnen, welche Veränderungen der Beitritt der DDR zur
Bundesrepublik Deutschland mit sich brachte, muss zunächst kurz auf die Grundzüge der
Wirtschafts- und Wohnungspolitik der DDR- Zeit eingegangen werden. Die ,,sozialistische
Gesellschaft" der DDR war bestimmt durch zentrale Planung in allen Politikbereichen. Da
Produktionsmittel nicht in privater Hand, sondern in Staatsbesitz waren, konnte auch hier zentral
geplant werden. Ebenso wie die Wirtschaft, wurde auch die Stadtentwicklung zentralistisch
gesteuert und sollte sich nicht an den Verwertungsinteressen privater Grundeigentümer, sondern
an den Anforderungen der berufstätigen Bevölkerungsschichten orientieren. Die sozialistische
Stadtentwicklung hatte es sich zum Ziel gesetzt den Wohnungsmangel in der DDR zu beseitigen.
Zwei Leitlinien sind davon bis heute in den Städten sichtbar. Zum ersten wurde die Erhaltung von
Altbauten lange Zeit nicht als notwendig erachtet, um den benötigten Wohnraum zu schaffen, da
dieser laut der damals herrschenden Ideologie nicht in die sozialistische Stadtgestaltung
integrierbar war.
25
Weiterhin bestand die Notwendigkeit, schnell und billig viel Wohnraum zu
schaffen. Somit wurde vorwiegend der Neubau von Wohnraum in Form von Großwohnsiedlungen
vorangetrieben. Diese entstanden meist in räumlicher Nähe zu administrativ, militärisch oder
wirtschaftlich bedeutsamen Standorten.
26
In den 60er Jahren wurden in diesem Sinne
Industrieansiedlungsgroßprojekte wie in Schwedt (Oder) verwirklicht, parallel dazu entstanden dort
21
Vgl. HANNEMANN, CHRISTINE: Schrumpfende Städte in Ostdeutschland ­ Ursachen und Folgen einer
Stadtentwicklung ohne Wirtschaftwachstum, In: Aus Politik und Zeitgeschichte, Beilage 28/2003, S. 16f.
22
Ebd.
23
Vgl. GRIMME, LARS: Schrumpfende Städte und Geschlecht ­ Vergeschlechtlichte Schrumpfungsprozesse und
Abwanderungsmotive von jungen Frauen in Ostdeutschland, Diplomarbeit, Berlin, 2006, S.16.
24
Vgl. Hannemann, 2003, S.16f..
25
Vgl. HANNEMANN, CHRISTINE: Marginalisierte Städte ­ Probleme, Differenzierungen und Chancen ostdeutscher
Kleinstädte im Schrumpfungsprozess, Berlin, 2004, S. 78ff.
26
Vgl. Grimme, 2006, S.16.

10
GWS für die benötigten Arbeiter. Gleiche Entwicklungen gab es auch in anderen Städten der DDR,
wie Halle-Neustadt, das als Musterbeispiel einer ,,sozialistischen Stadt" für Chemiearbeiter geplant
wurde. Zentral gesteuert wurde folglich versucht aus einigen Städten des Landes Zentren der
Industrie und der Arbeiterklasse zu machen.
27
Damit wurde ein Trend zu Wanderungsbewegungen
weg von kleinen Dörfern und hin zu größeren Städten in Gang gesetzt.
28
Der sozialistische
Städtebau richtete sich also an einer Konzentrations- und Zentralisierungstendenz aus, der zu
Lasten kleiner Städte und Gemeinden ging.
Durch die Einigung beider deutscher Staaten öffnete sich das bis dahin abgeschottete System
der DDR. Die zentrale Steuerung der Bezirke wurde ersetzt durch die kommunale
Selbstverwaltung, in Zuge dessen auch ein Tausch der politischen Eliten vollzogen wurde.
29
Wohneigentum wurde auf Grundlage des Grundsatzes ,,Rückgabe vor Entschädigung" privatisiert,
die ehemaligen Wohnungsunternehmen als kommunale Wohnungsunternehmen weitergeführt. Die
Einführung der Marktwirtschaft hatte einen wirtschaftlichen Abstieg zur Folge. Dieser kann als
,,Rückgang traditioneller Produktionsbereiche ohne deren Ersatz durch moderne Dienstleistungen
oder andere Gewerbe des tertiären Sektors"
30
skizziert werden. Christine Hannemann untergliedert
diesen Prozess der ,,Deindustrialisierung" in ,,De-LPGsierung", ,,De-Administrierung" und ,,De-
Militarisierung" um dessen unterschiedliche Facetten herauszuarbeiten.
31
Die Umgliederung der
,,landwirtschaftlichen Produktionsgenossenschaften,, (LPG) und der Abbau der militärischen
Strukturen trugen demzufolge auch ihren Teil zum wirtschaftlichen Niedergang in den neuen
Bundesländern bei.
Um die Größenordnung dieser Prozesse zu verdeutlichen, sei an dieser Stelle darauf verwiesen
das in den Jahren 1989 bis 1993 der ostdeutschen Wirtschaft rund 2,5 Mio. Arbeitsplätze verloren
gingen.
32
Somit kann der Prozess als weitgehende wirtschaftliche Erosion bzw. Strukturabbau
charakterisiert werden. Diese umfassende Deökonomisierung führte bis 1997 zu einer
Arbeitslosenquote von 18-19 % der Erwerbsbevölkerung.
33
Auch heute, in Zeiten da die
ostdeutsche Wirtschaft auf Wachstumskurs ist, liegt die Arbeitslosigkeit immer noch bei für
Gesamtdeutschland überdurchschnittlichen 13,4 %.
34
27
Vgl. Hannemann, 2004, S. 78ff.
28
Ebd.
29
Vgl. Hannemann, 2004, S.83.
30
Ebd.
31
Ebd.
32
Vgl. LUTZ, BURKART; GRÜNERT, HOLLE (2001): Beschäftigung und Arbeitsmarkt. In: Bertram, Hans;
Kollmorgen, Raj (Hg.): Die Transformation Ostdeutschlands. Bericht zum sozialen und politischen Wandel in den
neuen Bundesländern. Opladen: Leske + Budrich, S. 142 zitiert nach Hannemann, 2004,S. 84.
33
Vgl. Hannemann, 2004, S.89.
34
BUNDESAGENTUR FÜR ARBEIT: Der Arbeits- und Ausbildungsmarkt in Deutschland Mai 2008, im WWW unter:
http://www.pub.arbeitsamt.de/hst/services/statistik/000000/html/start/monat/aktuell.pdf (03.07.2008) und GRUNDIG,
BEATE; SCHIRWITZ, BEATE; VOGT, GERIT: Entwicklung von Wirtschaft und Arbeitsmarkt in Ostddeutschland und
Sachsen 2007/2008, im WWW unter: http://www.wiso-net.de/webcgi?START=A20DOKM=709507 (23.06.2008).

11
2.1.2. Wanderungsbewegungen
Neben den Deökonomisierungs- Prozessen, die in den neuen Bundesländern stattgefunden haben,
finden selektive Wanderungsprozesse der Bevölkerung statt, die viele Kommunen als Schrumpfung
erleben, da sie die Leidtragenden dieser Entwicklung sind.
a) Ost-West- Wanderung
Das dauerhafte Fehlen von Arbeitsplätzen durch massiven Personalabbau führte in den neuen
Bundesländern ab 1990 zu einem Abwanderungsprozess mobiler und vor allem gut ausgebildeter
Arbeitskräfte in die alten Bundesländer.
35
In Abbildung 5 ist zu erkennen, dass im Zeitraum
zwischen 1995 bis 2005 durchweg mehr Menschen aus Ostdeutschland weggezogen sind, als im
gleichen Zeitraum zugezogen sind. Insgesamt verloren die neuen Bundesländer durch die
Abwanderung ca. 950.000 Bürger.
36
Abb. 5:
Quelle: Institut für Arbeitsmarkt und Berufsforschung
Die Abwanderung wirkt in den Regionen nicht überall gleich, sondern verstärkt durch ihre
räumliche Selektivität das Stadt- Land- Gefälle. Größere Städte sind demzufolge weniger von der
Ost- West- Wanderung betroffen, als ländliche Regionen Ostdeutschlands. Noch gravierender wirkt
dieser Prozess, wenn dabei beachtet wird, das vornehmlich junge
35
Vgl. Hannemann, 2003, S. 20.
36
Vgl. STATISTISCHES BUNDESAMT: Pressemitteilung vom 29.06.2006, im WWW unter:
http://www.gesis.org/Information/sowinet/sowiPlus/Gesellschaft/Materialien/Zum%20Tag%20der%20deutschen%20
Einheit%20(3.10.)_%20Ost-West-Wanderungen%201991-2005.pdf (03.07.2008).

12
Bevölkerungsschichten abwandern. Dies trägt nicht nur zu einem weiteren Absinken der
Geburtenrate in Ostdeutschland bei, sondern beeinflusst auch die steigende Alterung der
Bevölkerung.
b) Suburbanisierung
Neben der Fernwanderung, leiden vor allem die
ostdeutschen Städte zusätzlich unter regionalisierten
Wanderungsbewegungen, die in der Literatur oft als
,,Suburbanisierung" dargestellt werden. Sie ist
Ausdruck der neu gewonnenen Wohnungsmobilität,
die die Bürger in den neuen Ländern mit der Wende
erlebten. Durch diese Mobilität wandelte sich die
soziale Zusammensetzung der Wohngebiete.
Generell wuchsen dabei die Ansprüche an
Wohnraum, z. B. in Form von mehr Wohnfläche,
besserer Ausstattung oder dem Zuschnitt der
Wohnung und orientierten sich an dem
entsprechenden Lebenszyklus der nachfragenden
Bürger. Wohlhabende Familien verwirklichten vielfach
außerhalb der Städte ihren Wunsch nach
Wohneigentum, da innerhalb der Städte nicht
ausreichend Bauflächen ausgewiesen wurden.
37
In Addition zu der schon genannten
Fernwanderung in Richtung der alten Bundesländer
ist der Prozess der Stadt- Umland- Wanderung für die
Stadtentwicklung der ostdeutschen Städte sehr
bedrohlich, da sie sozial selektiv wirkt und kaum
Nachzug in die Stadt generiert werden kann, wie dies
in Großstädten wie Hamburg oder München der Fall
ist.
Festzustellen ist das die Städte von diesem
Prozess sehr unterschiedlich betroffen sind. Am
Beispiel der drei größten Städte Sachsen-Anhalts, zu
denen auch Halle gehört, lässt sich dies anschaulich
aufzeigen. Wie in Abbildung 6 zu sehen, leidet
Dessau besonders an der Schrumpfung durch Fernwanderung junger Menschen. In Halle und
37
Vgl. Hannemann, 2004, S. 90ff.; Hannemann, 2003, S. 20f.
Abb.6: Anteil der Suburbanisierung am
Bevölkerungsrückgang der Städte
Sachsen-Anhalts
Quelle: Forschungsprojekt der Hochschule
Anhalt

13
Magdeburg sind es hingegen vermehrt regionalisierte Wanderungsbewegungen, die die urbanen
Schrumpfungsprozesse begünstigen. In diesem Sinne wirkt die Suburbanisierung folglich zwar
selektiv und führt zu Segregation innerhalb der Städte, aber die abgewanderten Bürger bleiben als
Arbeitskräfte und Konsumenten der Stadt erhalten.
38
Obwohl die geschilderten Suburbanisationsprozesse keineswegs neuartig sind, ist deren
Umfang und Tempo so noch nicht da gewesen.
39
In kürzester zeit wurde demnach ,,das suburbane
Umland ... ein attraktiver Wohnstandort für bisherige Stadtbewohner".
40
2.2. Zukünftige demografische Entwicklungen in Ostdeutschland
Ein weiterer Grund der die Schrumpfungsprozesse in Ostdeutschland auch zukünftig
begünstigt, ist die seit 1990 anhaltend geringe Geburtenrate. Die amtliche Geburtenrate sackte
nach der Wiedervereinigung auf 0,77 Kinder pro Frau ab und lag 2005 mit 1,30 Kindern immer noch
unter dem Niveau der alten Bundesländer.
41
Da die absolute Zahl der Geburten zusätzlich negativ beeinflusst wird durch die Abwanderung
nach Westdeutschland (Siehe 2.1.), wird deutlich, wie nachhaltig der Prozess auch in Zukunft
verlaufen wird. Es wäre folglich ein Irrglaube, diesen durch eine Erhöhung der Geburtenrate
stoppen zu können. Diese Erkenntnis liegt auch dem Bericht der Kommission
,,Wohnungswirtschaftlicher Strukturwandel in den neuen Bundesländern" zu Grunde, der davon
ausgeht, dass in Folge der geburtenschwachen Jahrgänge ab 1990 die Zahl der
Haushaltsneugründungen ab 2010 drastisch zurückgeht.
42
Auf Grundlage dieses Entwicklungstrends haben sowohl das Statistische Bundesamt, wie auch
verschiedene Statistische Landesämter Bevölkerungsvorausberechnungen angestellt, die teilweise
sogar Datenmaterial bis 2050 liefern.
Tabelle 1: prognostizierte Bevölkerungsverluste der neuen Bundesländer bis 2050
Quelle: 11. koordinierte Bevölkerungsvorausberechnung des Statistischen Bundesamtes, 2007
Jahr
Sachsen-Anhalt*
Sachsen*
Thüringen*
Brandenburg*
Mecklenburg-
Vorpommern*
2007
2.415
4.223
2.292
2.539
1.676
2010
2.340
4.114
2.234
2.511
1.632
2020
2.113
3.875
2.053
2.410
1.538
2030
1.927
3.591
1.886
2.206
1.427
2040
1.745
3.318
1.716
2.008
1.316
2050
1.562
3.047
1.538
1.790
1.194
* jeweils in 1.000 Einwohner
38
Vgl. Haase, Andrea, 2003,im WWW unter: http://www.stadtentwicklung-sachsen-anhalt.de/inhalt/situation
(03.07.2008).
39
Vgl. Hannemann, 2003, 21.
40
Vgl. Hannemann, 2000, S. 33.
41
Vgl. LÖWENSTEIN, STEPHAN: Im Jahr 2015 Schock in Ostdeutschland, Frankfurter Allgemeine Zeitung, 2006, im
WWW unter:
http://www.faz.net/s/Rub594835B672714A1DB1A121534F010EE1/Doc~E0E9BE8C8899644539A7F8F7829C5D197
~ATpl~Ecommon~Sspezial.html (03.07.2008).
42
Bericht der Kommission ,,Wohnungswirtschaftlicher Strukturwandel in den neuen Bundesländern" Kurzfassung,
2000, S. 3f.

14
In Tabelle 1 ist die prognostizierte Bevölkerungsentwicklung der fünf neuen Bundesländer
dargestellt. Erkennbar ist durchweg eine prozentuale Abnahme der Bevölkerung bis 2050 um ca.
30 %, wobei Sachsen-Anhalt mit 35 % die höchsten Verluste zu verzeichnen haben wird. Laut der
Bevölkerungsvorausberechnung verliert beispielsweise Bayern im gleichen Zeitraum nur etwa 10 %
seiner Einwohner.
43
Ein weiteres Ergebnis der Prognose, welches für die folgenden Betrachtungen
von Bedeutung ist, stellt das wachsende Durchschnittsalter der Bevölkerung dar. Dies stieg laut des
Statistischen Bundesamtes schon von 1990 bis 2005 von 39 auf 42 Jahre und wird sich als
grundsätzlicher Trend fortsetzen. Je nach Sterblichkeit und Geburtenrate wird 2050 das
Durchschnittsalter der deutschen Bevölkerung bei ca. 50 Jahren liegen. In Ostdeutschland
allerdings, wird es über 50 Jahren liegen, da dort die geburtenstarken DDR- Jahrgänge ab ca. 2020
ins Rentenalter übergehen werden und gleichzeitig durch die geburtenschwachen Jahrgänge ab
1990 wenig junge Menschen leben bzw. diese auch abgewandert sind.
44
In der Diskussion um Stadtumbau muss noch ein weiterer statistischer Wert - die
,,Durchschnittliche Haushaltsgröße" - hinzugezogen werden, der gerade für die Planung und
Realisierung von Abriss-, Sanierungs- und Neubaumaßnahmen entscheidend ist. Hierbei spielt die
Veränderung von Lebensformen, wie der Trend zu immer mehr Einpersonenhaushalten bzw. zu
kleineren Haushaltsgrößen eine Rolle, der bisher die sinkende Nachfrage nach Wohnungen in
Ostdeutschland gebremst hat. Zukünftig ist dieser Dämpfungseffekt nicht mehr zu erwarten, da sich
laut einer Prognose des Statistischen Bundesamtes die Durchschnittliche Haushaltsgröße zwischen
2010 und 2015 nur noch marginal um 0,1 auf 1,95 Personen ändert.
45
2.3. Folgen für die Großwohnsiedlungen der ostdeutschen Städte
Für die GWS der ostdeutschen Städte bedeuten die umrissenen Entwicklungen im allgemeinen
auch zukünftig ein weiteres Absinken der Bewohnerzahlen und macht weitere Abrissmaßnahmen
notwendig. Dies bedeutete einen Paradigmenwechsel in der Analyse des Wohnungsbestandes,
denn noch Anfang der 90er Jahre wies der Wohnungsmarkt der neuen Länder ein Defizit auf, so
dass davon ausgegangen wurde, dass Abrissmaßnahmen dort nicht notwendig sein werden.
46
Mit den steigenden Leerständen insbesondere in den GWS Ende der 90er Jahre begann eine
thematische Auseinandersetzung mit der Schrumpfung. Wichtige Erkenntnis daraus war die
räumliche und soziale Selektivität der Schrumpfungsprozesse bezogen auf städtische Teilräume.
Schon die ,,Pestel-Studie" 1996 verwies auf die wahrscheinliche Abwanderung
43
Vgl. STATISTISCHES BUNDESAMT: 11. koordinierte Bevölkerungsvorausberechnung 2007, im WWW unter:
http://www.destatis.de/jetspeed/portal/cms/Sites/destatis/Internet/DE/Content/Statistiken/Bevoelkerung/Vorausberechn
ungBevoelkerung/Content75/Bevoelkerungsentwicklung2050Laender,property=file.pdf (03.07.2008).
44
Vgl. STATISTISCHES BUNDESAMT, Bevölkerung bis 2050 ­ 11. koordinierte Bevölkerungsvorausberechnung,
Presseexemplar, S. 17f.
45
Vgl. STATISTISCHES BUNDESAMT: Vorausberechnung Haushalte, Trendvariante, im WWW unter:
http://www.destatis.de/jetspeed/portal/cms/Sites/destatis/Internet/DE/Content/Statistiken/Bevoelkerung/Vorausberechn
ungHaushalte/Content75/VorausberechnungHaushalte,templateId=renderPrint.psml (03.07.2008).
46
Vgl. RIETDORF, WERNER; LIEBMANN, HEIKE; HALLER, CHRISTOPH: Schrumpfende Städte ­ verlassene
Großwohnsiedlungen, In: DISP, Nr.146, 2001, S. 7f.

15
einkommensstärkerer Bevölkerungsschichten aus den Plattenbaugebieten.
47
Dies ist heute zur
Realität geworden. Als Gründe hierfür führt Christine Hannemann u. a. an
48
:
- funktionelle Mängel an den typisierten Wohnungen
- Mängel im Wohnumfeld
- Mangel an Konsum-, Kultur- und Freizeiteinrichtungen in den GWS
- Fehlende Möglichkeiten der wohnortnahen Erwerbstätigkeit
Auch wenn Wohnungsunternehmen und Kommunen vielfach durch Wohnumfeldverbesserung und
Umbauten an den Wohnungen Defizite beseitigen konnten, hat doch eine Entmischung der
Bewohnerschaft in den GWS stattgefunden. Birgit Glock charakterisiert den Prozess in den
unattraktiven Stadtteilen der ostdeutschen Städte so:
,,Zurück bleiben diejenigen, die zu arm, zu unqualifiziert oder zu alt sind, um abzuwandern."
49
Im Gegensatz zum Leerstandsproblem, dem Stadt und Wohnungswirtschaft durch Aufwertung und
Abriss ungenutzter Wohnflächen entgegnen kann, gibt es gegen soziale Segregation keine
erfolgsversprechenden Maßnahmen der (Kommunal)Politik.
Folgen kann dieser eine Abwärtsspirale, bei der sinkende Kaufkraft die Schließung von Infrastruktur
und Gewerbe nach sich zieht, was wiederum den Stadtteil noch unattraktiver macht.
50
2.4. Auswirkungen der Entwicklungen auf Halle (Saale)
Um nachfolgend auf den Stadtteil Halle-Silberhöhe eingehen zu können, müssen die
gemachten Erkenntnisse nur auf das Stadtgebiet von Halle (Saale) übertragen und geprüft werden,
welche der Faktoren dort man meisten zur Schrumpfung beigetragen haben und heute noch
beitragen.
2.4.1. Politisch- Administrative Folgen der Wende
Zunächst ist festzustellen, dass Halle im Zuge der politischen Wende von einer Bezirksstadt zu
einer kreisfreien Stadt umgegliedert wurde. Die Entscheidung, welche Stadt Landeshauptstadt wird,
traf der neu gebildete Landtag zu Gunsten von Magdeburg. Beide Umgliederungen haben ihrerseits
Folgen für die Saalestadt mit sich gebracht. Durch das Fehlen von ländlichem Umland, welches zur
Gebietskörperschaft der Kommune Halle zählt, verursachte die Suburbanisation in den Saalkreis
(heute: Saalekreis
51
) Bevölkerungsverluste und damit verbundene haushalterische
47
Ebd.
48
Vgl. Hannemann, 2000, S.145f.
49
Vgl. GLOCK, BIRGIT: Stadtpolitik in schrumpfenden Städten Duisburg und Leipzig im Vergleich, Stadt, Raum und
Gesellschaft, Band 23, 2006, S. 39.
50
Vgl. Glock, 2006, S. 41.
51
Umbenennung durch Änderung der Kreisgebietsstruktur vom 01.07.2007.

16
Mindereinnahmen für die Stadt. Das Instrument der Eingemeindung, welches andere Großstädte
zur Verzögerung dieses Prozesses einsetzten, fand in Halle ebenfalls keine Anwendung.
52
Mit der Entscheidung für Magdeburg als Landeshauptstadt wurde zwar auch die Entscheidung
verbunden, einige Landesbehörden (z.B. das Landesverwaltungsamt) in Halle anzusiedeln,
dennoch kann davon ausgegangen werden, dass auch dies Auswirkungen auf die Wirtschaft, den
Arbeits- und Wohnungsmarkt in Halle hatte.
2.4.2. Deökonomisierung und Schrumpfung einer Industriestadt
Wie in der Einleitung angesprochen war Halle in der DDR-Zeit Zentrum der Chemieindustrie
des mitteldeutschen ,,Chemiedreiecks" und des weiteren Zentrum für Maschinen-, Fahrzeug-, und
Wagonbau.
53
Über 50.000 Menschen arbeiteten alleine in den Kombinaten ,,BUNA" und ,,LEUNA".
54
Im Zuge des Ausbaues der Chemiebetriebe zog es immer mehr Arbeitskräfte nach Halle. Als
Reaktion auf den so verursachten Wohnungsmangel werden ab 1964 die vier GWS in Halle
errichtet.
55
Die Wohnungen der GWS wurden zentral vergeben und waren an eine Tätigkeit in
in chemischen Betrieben und anderen Kombinaten
gebunden.
56
Im Zuge der Deökonomisierung Ostdeutschlands
die in Kapitel 2.1. erläutert wurde, ging auch die
Mehrzahl der Arbeitsplätze in allen Industriezweigen
verloren. Wie gravierend dieser Wandel sich vor
allem in der Region Halle-Bitterfeld auswirkte zeigt
Abbildung 7, in der die Entwicklung der
Beschäftigtenzahlen in Sachsen-Anhalt dargestellt
ist. Auch heute noch wirkt sich dies auf die Zahlen
der amtlichen Arbeitsmarktstatistik aus. Demzufolge
lag die Arbeitslosenquote in Halle im Mai 2008 bei 15,7 %, was verglichen mit den Zahlen für die
gesamten neuen Länder (13,4 %) eine überdurchschnittliche Arbeitslosigkeit darstellt.
57
52
Vgl. STADT HALLE (Hg.): WandelHalle Stadt als Ansichtssache, Das Textbuch zur Ausstellung, Halle, 2006, S. 72.
53
Vgl. WITTIG, YVONNE: Ist weniger wirklich mehr? Chancen und Grenzen neuer Lebenskonzepte für Bewohner
schrumpfender Städte am Beispiel Halle/Saale, Diplomarbeit im Fach Sozialwissenschaften, Berlin 2005, S.15.
54
Vgl. STADT HALLE (Hg.): WandelHalle Stadt als Ansichtssache Das Bilderbuch zur Ausstellung, Halle, 2006, S. 110.
55
Vgl. STADT HALLE: Chronik der Stadt Halle, im WWW unter:
http://www.halle.de/index.asp?MenuID=162SubPage=8 (04.07.2008).
56
57
Vgl. AGENTUR FÜR ARBEIT HALLE: Presseinformation 069/2008, im WWW unter:
http://www.arbeitsagentur.de/nn_172774/Dienststellen/RD-SAT/Halle/AA/A01-Allgemein-Info/Presse/2008/069-
Arbeitsmarkt-im-Juni.html (04.08.2008).
Abb. 7: Beschäftigte in der chemischen
Industrie Sachsen-Anhalt
Quelle: www.shrinkingcities.com

Details

Seiten
Erscheinungsform
Originalausgabe
Jahr
2008
ISBN (eBook)
9783836632072
DOI
10.3239/9783836632072
Dateigröße
1.4 MB
Sprache
Deutsch
Institution / Hochschule
Helmut-Schmidt-Universität - Universität der Bundeswehr Hamburg – Wirtschafts- und Organisationswissenschaften
Erscheinungsdatum
2009 (Juli)
Note
1,0
Schlagworte
stadtumbau halle silberhöhe ostdeutschland großwohnsiedlung demografie
Zurück

Titel: Die Zukunft ostdeutscher Großwohnsiedlungen - Fallstudie Halle-Silberhöhe
Cookie-Einstellungen