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Besseres Quellengedächtnis für Betrüger - eine Frage der Valenz?

©2009 Diplomarbeit 58 Seiten

Zusammenfassung

Inhaltsangabe:Zusammenfassung:
In verschiedenen Studien hat sich gezeigt, dass das Quellengedächtnis für Betrüger besser ist als für vertrauenswürdige und neutrale Personen. In der vorliegenden Arbeit sollte untersucht werden, ob das bessere Quellengedächtnis für Betrüger tatsächlich spezifisch für Betrug ist, wie unter anderem Cosmides annehmen, oder ob der Effekt durch die Valenz von Betrugsgeschichten vermittelt wird. Zu diesem Zweck wurden den Versuchspersonen unter dem Vorwand, dass Sympathieurteile untersucht werden sollten, Gesichter von Personen zusammen mit Beschreibungen von niedrig valentem betrügerischen, hoch valentem vertrauenswürdigem oder neutralem Verhalten gezeigt.
Anschließend folgte ein Wiedererkennenstest, in dem sich die Rekognitionsleistung für Betrüger, vertrauenswürdige und neutrale Personen nicht unterschied, das Quellengedächtnis für Betrüger jedoch besser war als das für vertrauenswürdige und neutrale Personen. Inhaltsverzeichnis:Inhaltsverzeichnis:
Zusammenfassung3
1.Einleitung4
2.Methoden37
2.1Stichprobe38
2.2Material38
2.3Durchführung40
2.4Versuchsdesign40
3.Ergebnisse42
4.Diskussion47
5.Literaturverzeichnis51
6.Anhang53 Textprobe:Textprobe:
Auszug aus Kapitel 1, Einleitung:
Dass Valenz einen Einfluss auf Gedächtnisprozesse hat, lässt sich nicht nur anhand von Verhaltensbeobachtung, sondern auch anhand von neurologischen Untersuchungen zeigen. Maratos und Rugg untersuchten, ob die Prozesse beim Abruf von emotionalen und neutralen Informationen die gleichen sind oder ob sich diese Mechanismen unterscheiden. Eine mögliche Hypothese ist, dass ein gemeinsames neuronales Netzwerk sowohl den Abruf von emotionaler als auch von neutraler Information steuert. In diesem Fall müssten die Effekte von Emotion auf das Gedächtnis sich während der Enkodierungsphase oder während der Konsolidierung der Information abspielen. Es ist aber auch möglich dass Emotion sich unabhängig von eventuellen Unterschieden bei der Enkodierung und Konsolidierung auch auf Abrufprozesse auswirkt. Maratos und Rugg untersuchten diese These. Sie untersuchten nicht nur Rekognitionsleistung und Quellengedächtnis, sondern auch neuronale Prozesse. Zu diesem Zweck maßen Maratos und Rugg ebenfalls Ereigniskorrelierte Potentiale (event related potentials = ERPs). ERPs eignen sich gut für diesen Zweck, da sie eine sehr gute zeitliche Auflösung haben. Maratos und Rugg informierten ihre Versuchspersonen darüber, dass das Experiment die Präsentation […]

Leseprobe

Inhaltsverzeichnis


Inhaltsverzeichnis

Zusammenfassung

1 Einleitung

2 Methoden
2.1 Stichprobe
2.2. Material
2.3. Durchführung
2.4. Versuchsdesign

3 Ergebnisse

4 Diskussion

5 Literaturverzeichnis

6 Anhang

Zusammenfassung

In verschiedenen Studien hat sich gezeigt, dass das Quellengedächtnis für Betrüger besser ist als für vertrauenswürdige und neutrale Personen. In der vorliegenden Arbeit sollte untersucht werden, ob das bessere Quellengedächtnis für Betrüger tatsächlich spezifisch für Betrug ist, wie unter anderem Cosmides (vgl. Cosmides & Tooby, 2005) annehmen, oder ob der Effekt durch die Valenz von Betrugsgeschichten vermittelt wird. Zu diesem Zweck wurden den Versuchspersonen unter dem Vorwand, dass Sympathieurteile untersucht werden sollten, Gesichter von Personen zusammen mit Beschreibungen von niedrig valentem betrügerischen, hoch valentem vertrauenswürdigem oder neutralem Verhalten gezeigt.

Anschließend folgte ein Wiedererkennenstest, in dem sich die Rekognitionsleistung für Betrüger, vertrauenswürdige und neutrale Personen nicht unterschied, das Quellengedächtnis für Betrüger jedoch besser war als das für vertrauenswürdige und neutrale Personen.

1 Einleitung

Die Frage, ob Menschen ein besonders Talent für das Erkennen von und die Erinnerung an Betrüger haben, hat im Laufe der Jahre viele Forscher beschäftigt.

Die Theorie, dass es einen speziellen kognitiven Mechanismus gibt, der auf das Erkennen von Betrügern spezialisiert ist, ist nicht unplausibel, da die Fähigkeit Betrüger zu entdecken in einer sozialen Gemeinschaft unverzichtbar ist. Jede Gesellschaft stellt Regeln für das Zusammenleben auf, an die sich alle Mitglieder halten müssen, wenn das Zusammenleben reibungslos funktionieren soll. Die Anerkennung dieser Regeln durch die einzelnen Mitglieder kommt einem sozialen Vertrag gleich. Cosmides vermutet, dass es aufgrund der vielfältigen Erfahrungen, die die Menschheit im Laufe von Millionen Jahren mit sozialen Austausch-Prozessen gemacht hat, im Laufe der Evolution zur Ausbildung von kognitiven Mechanismen gekommen ist, die auf das Analysieren von sozialen Austausch-Prozessen spezialisiert sind (Cosmides und Tooby, 2005). Diese Mechanismen sollen es den Mitgliedern einer Gesellschaft ermöglichen, die sozialen Regeln einer Gemeinschaft zu erkennen. Außerdem sollen besagte kognitive Mechanismen es den Menschen ermöglichen zu erkennen, wenn ein Mitglied der Gemeinschaft gegen die Regeln des Sozialvertrags verstößt. Cosmides vertritt die These, dass sich die kognitiven Mechanismen zum Analysieren von Sozialverträgen verlässlich bei allen normalen Menschen entwickeln, ohne dass sie sich bewusst darum bemühen oder explizit instruiert werden. Laut Cosmides funktioniert das System ohne dass die Menschen sich dessen bewusst sind und ist unabhängig von allgemeineren Fähigkeiten wie der Fähigkeit zur Informationsverarbeitung oder allgemeiner Intelligenz.

Cosmides nimmt an, dass es in dem kognitiven Modul für die Analyse von Sozialverträgen ein Unter-Modul gibt, das auf Betrügerentdeckung spezialisiert ist. Dieses Untermodul soll dazu dienen zu erkennen, wenn ein Mitglied der Gemeinschaft gegen eine Regel des Sozialvertrages verstößt. Cosmides geht davon aus, dass sich das Betrügerentdeckungsmodul zwischen dem dritten und vierten Lebensjahr entwickelt und kulturübergreifend auftritt. Ein Betrüger ist in dem Modell von Cosmides definiert als ein Individuum, das eine durch einen sozialen Vertrag definierte Vergünstigung in Anspruch nimmt, ohne die Bedingungen zu erfüllen, an die diese Vergünstigung gebunden ist. Cosmides geht jedoch davon aus, dass das Verhalten nur dann als Betrug wahrgenommen wird, wenn das Nicht-Erfüllen der Bedingung absichtlich geschieht.

Die Fähigkeit Betrüger zu entdecken ist eine notwendige Voraussetzung für Kooperation in sozialen Gemeinschaften. Personen, die nicht in der Lage wären Betrüger zu entdecken, würden bedingungslos jedem Individuum helfen. Dieses Verhalten würde demjenigen, der Hilfe anbietet ohne eine Gegenleistung zu erwarten, Nachteile einbringen. Ein Neandertaler, der seine Vorräte auch mit Personen teilt, die ihrerseits nie Vorräte mit ihm teilen, hätte sicher keine guten Chancen gehabt sein Überleben und das seiner Nachkommen sicher zu stellen. Seine evolutionäre Fitness, also die Wahrscheinlichkeit, dass seine Gene im Genpool der nächsten Generation vorhanden sind, wäre also gering gewesen. Ein Individuum, das immer Hilfeleistungen von anderen erhält ohne selbst etwas von seinen Vorräten abzugeben, hätte hingegen sehr gute Chancen gehabt sein Überleben und das seiner Nachkommen sicher zu stellen. Die evolutionäre Fitness von Individuen, die Hilfsleistungen nicht erwidern, würde also auf Kosten der Fitness der bedingungslosen Helfer steigen. Bedingungsloses Helfen ist somit keine evolutionär stabile Strategie. In einer Gesellschaft, in der jedes Mitglied die Einhaltung der Regel, dass Hilfeleistungen erwidert werden müssen, überwacht, hätten Individuen, die sich nicht an diese Regel halten, schlechte Chancen zu überleben. Die Gemeinschaft würde die unkooperativen Individuen schnell erkennen und ihnen in Zukunft weitere Hilfeleistungen verweigern. Die evolutionäre Fitness von unkooperativen Individuen würde also sinken und die Fitness von kooperativen Individuen würde steigen. An Bedingungen geknüpftes Helfen ist somit eine evolutionär stabile Strategie.

Cosmides testete die Hypothese, dass das Gehirn spezielle Sozialvertrags-Algorithmen enthält, gegen die Nullhypothese, dass es im Gehirn keine Spezialisierungen für sozialen Austausch gibt. Die Nullhypothese besagt, dass allgemeine neurologische Mechanismen existieren, die Analysieren unabhängig vom Inhalt der Aufgabe steuern.

Ein Standard-Werkzeug zur Untersuchung von konditionalem Analysieren ist die Wason Selection Task.

Aufgabe der Versuchspersonen ist es, potentielle Verletzungen von Regeln in der Form „Wenn P, dann Q“ zu erkennen. Anhand dieser Aufgabe wurden folgende Fragen untersucht:

1. Gibt es kognitive Mechanismen, die für das Analysieren von sozialen Austauschprozessen spezialisiert sind? oder
2. Gibt es einen generellen, inhaltsunabhängigen Mechanismus, der konditionales Analysieren steuert?

Wenn es einen inhaltsunabhängigen Mechanismus gibt, sollten Menschen gut in allen Aufgaben sein, die konditionales Analysieren voraus setzen. Sie sollten also zum Beispiel gut im Erkennen von Regelverletzungen sein. Studien mit der Wason Selection Task zeigen aber, dass Menschen bei dieser Art von Aufgaben ziemlich schlecht abschneiden. In einer Version der Wason Selection Task lautet die Regel: „Wenn eine Person die Ebbinghaus Krankheit hat, dann ist sie vergesslich.“ Cosmides gab ihren Versuchspersonen vier Karten, die vier Patienten symbolisierten. Auf der ersten Karte stand „hat die Ebbinghaus Krankheit“, auf der zweiten „hat die Ebbinghaus Krankheit nicht“ auf der dritten „ist vergesslich“ und auf der vierten „ist nicht vergesslich“. Die Versuchspersonen sollten die Frage beantworten, welche Karten umgedreht werden müssen, um zu überprüfen, ob eine Regelverletzung vorliegt. Nur 26 % der Probanden lösten das Problem korrekt, indem sie „hat die Ebbinghaus Krankheit“ und „ist nicht vergesslich“ wählten. Die meisten anderen wählten entweder nur „hat die Ebbinghaus Krankheit“ oder „hat die Ebbinghaus Krankheit“ und „ist vergesslich“. Verschiedene Studien in vielen Ländern haben gezeigt, dass nur 5 - 30 % der Versuchspersonen Aufgaben dieser Art korrekt lösen, selbst wenn der Kontext - wie in der oben dargestellten Aufgabe - vertraut ist. Selbst Personen, die ein Semester lang ein Training in logischem Denken erhalten hatten, zeigen keine besseren Leistungen. Diese Befunde sprechen gegen die Existenz eines speziellen Mechanismus, der konditionales Analysieren steuert.

Wenn die Wason Selection Task aber in einem Betrügerentdeckungskontext präsentiert wird, schneiden die Versuchspersonen erheblich besser ab. Wenn die Regel in der Form formuliert ist „Wenn du Vergünstigung B in Anspruch nimmst, musst du Bedingung R erfüllen“ (z.B. „Wenn du mein Auto ausleihst, musst du den Tank füllen“) lösen 65 bis 80 % der Versuchspersonen das Problem korrekt, indem sie die Person, die das Auto geliehen hat und die Person, die nicht getankt hat, untersuchten. Die besseren Leistungen im Betrügerentdeckungskontext zeigten sich in verschieden Ländern mit unterschiedlichem kulturellen Hintergrund (USA, Großbritannien, Deutschland, Italien, Hong Kong, Japan, Ecuador und in Jäger- und Sammler- Kulturen). Eine alternative Erklärung für diese Befunde ist, dass sie auf einer eventuell größeren Vertrautheit mit Betrügerentdeckungs-Aufgaben beruhen. Gegen diese Hypothese spricht aber, dass selbst bei äußerst unvertrauten Regeln (z.B. „Wenn ein Mann Cassava Wurzel essen will, muss er eine Tätowierung im Gesicht haben.“) sehr gute Leistungen gezeigt werden.

Eine Alternativtheorie besagt, dass Betrügerentdeckung nur ein Spezialfall einer

Erlaubnis-Regel ist. Erlaubnis-Regeln haben immer die Form „Wenn Handlung A erfolgen soll, muss Bedingung R erfüllt sein.“ Nach dieser Theorie sollten die Leistungen der Versuchspersonen bei allen Regeln, die diese Struktur aufweisen, gleichermaßen gut sein. Die Theorie sagt keine besseren Leistungen in Betrügerentdeckungsparadigmen voraus.

Um beide Theorien gegeneinander zu testen, benötigt man Erlaubnis-Regeln, die nicht beinhalten, dass die Person, die eine Handlung ausführt, daraus einen Nutzen zieht.

Wenn das Gehirn ein Erlaubnis-Schema beinhaltet, sollten Menschen alle Regelverletzungen von Erlaubnis-Regeln zuverlässig erkennen, auch wenn es sich nicht um einen sozialen Vertrag handelt. Das ist aber nicht der Fall. Cosmides und Tooby (1992) konstruierten eine Wason Selection Task, in der Autoritäten Bedingungen aufstellten, unter denen es Jugendlichen erlaubt war, bestimmte Handlungen auszuführen. Sie konstruierten zwei verschiedene Gruppen von Regeln, die sich nur darin unterschieden, ob die besagte Handlung eine Vergünstigung oder eine unangenehme Pflicht war. Wenn die erlaubte Handlung eine Vergünstigung war, antworteten 80 % der Versuchspersonen richtig, wenn es sich um eine Pflicht handelte nur 44 %.

Wie bereits erwähnt, reagiert das von Cosmides angenommene Betrügerentdeckungsmodul nur auf absichtlichen Betrug. Betrüger zu entdecken ist wichtig, um Individuen zu erkennen, die die Disposition haben, Gefallen nicht zu erwidern. Auf diese Disposition kann man aber nur bei intentionellem Betrug schließen. Die Sozialvertragstheorie sagt somit voraus, dass absichtlicher Betrug das Betrügerentdeckungsmodul stärker aktiviert als versehentlicher. In einem Experiment von Cosmides nannten 68 % der Versuchspersonen in der Bedingung mit dem absichtlichen Betrug die richtige Lösung, aber nur 27 % in der Bedingung mit dem versehentlichen Betrug.

Cosmides hat mit ihren Experimenten gezeigt, dass Menschen Regelverletzungen in einem Betrügerentdeckungskontext besser erkennen als in anderen Kontexten. Sie sah diese Befunde als Beleg für die Existenz eines evolutionären Betrügerentdeckungsmoduls. Es gibt jedoch einige mögliche Alternativerklärungen für die Ergebnisse. Eine dieser Alternativerklärungen ist, dass die bessere Leistung der Versuchspersonen in der Wason Selection Task mit Betrügerentdeckungskontext durch Valenz vermittelt wird. Möglicherweise empfanden Cosmides‘ Versuchspersonen die Betrügerentdeckungs-Aufgaben als höher valent als die anderen Aufgaben und zeigten in diesen Aufgaben deshalb eine bessere Leistung.

Während Cosmides nur untersuchte, ob Menschen Regelverletzungen in einem Betrügerentdeckungskontext besser erkennen, untersuchte Mealey, ob für Betrüger auch ein besseres Gedächtnis besteht. Mealey vertritt die These, dass Menschen spezielle Mechanismen zur Verarbeitung von evolutionär relevanten Stimuli entwickelt haben. (Mealey et al, 1996). Gesichter-Erkennung ist für Menschen einer der relevantesten Stimulus-Verabeitungsprozesse. Mealey vertritt die Hypothese, dass Gesichter, die in der Vergangenheit als wichtig wahrgenommen wurden, besonders gut wiedererkannt werden. Es kann angenommen werden, dass Personen, die sich betrügerisch verhalten, als Bedrohung gesehen und daher als wichtig klassifiziert und deswegen besser erinnert werden. Mealey et al. präsentierten ihren studentischen Versuchspersonen Gesichter von männlichen Kaukasiern, deren Attraktivität die Probanden beurteilen sollten. Den Versuchspersonen wurde gesagt, die Studie diene dazu, die Retest-Reliabilität von Attraktivitätsurteilen zu testen. Zu jedem der Fotos wurde eine Beschreibung gegeben, die Informationen über Status (hoch oder niedrig) und Charakter (betrügerisch, neutral oder vertrauenswürdig) gab. Eine Woche später sollten die Probanden die Attraktivität der dargestellten Personen erneut einschätzen. Außerdem wurden ihnen gleich viele Fotos von neuen Personen präsentiert, deren Attraktivität sie ebenfalls einschätzen sollten. Diesmal wurden die Fotos ohne Beschreibungen präsentiert. Anschließend sollten die Versuchspersonen angeben, welche der gesehenen Fotos alt und welche neu waren. Sie erinnerten signifikant mehr Gesichter von Betrügern als von vertrauenswürdigen und neutralen Personen. Es gab eine signifikante Interaktion zwischen Status und Charakterbeschreibung: Betrüger mit niedrigem Status wurden deutlich besser wiedererkannt als Betrüger mit hohem Status. Außerdem wirkten sich die Status- und Charakterbeschreibungen auf das Attraktivitätsurteil aus, obwohl die Bilder als durchschnittlich attraktiv vorselegiert worden waren. Personen mit hohem Status wurden als attraktiver beurteilt und Betrüger als weniger attraktiv.

Mehl und Buchner (2008) konnten Mealeys Ergebnisse, dass Betrug und Status einen Einfluss auf die Rekognitionsleistung hat, nicht bestätigen. Sie präsentierten ihren Versuchspersonen wie Mealey Fotos von Männern mit kurzen Beschreibungen von Verhalten und Status der abgebildeten Person. In einer unabhängigen Normierungsstudie waren Berufe mit besonders hohem und besonders niedrigem Status für die Personenbeschreibungen ausgewählt worden. Eine unabhängige Gruppe von Versuchspersonen beurteilte die Valenz des beschriebenen Verhaltens um sicher zu stellen, dass betrügerisches Verhalten als negativ, vertrauenswürdiges als positives und irrelevantes als neutral wahrgenommen wird. Auch in dieser Studie wurde den Versuchspersonen gesagt es handele sich um eine Untersuchung zur Reliabilität von Attraktivitätsurteilen. Aufgabe der Versuchspersonen war es, die Attraktivität der abgebildeten Person auf einer Skala von 1 bis 6 zu bewerten. Eine Woche später wurden den Versuchspersonen die gleichen Fotos zusammen mit gleich vielen neuen Bildern präsentiert und sie sollten erneut die Attraktivität der gezeigten Männer beurteilen. Anschließend sollten sie entscheiden, ob das gezeigte Foto alt oder neu ist. Im Wiederkennenstest zeigten sich keine Effekte für die Variablen Charakterbeschreibung und Status.

In einem zweiten Experiment wurde der Versuch wiederholt, aber diesmal wurden die irrelevanten Beschreibungen weggelassen, um den Kontrast zwischen betrügerischem und vertrauenswürdigem Verhalten zu maximieren. Mehl und Buchner kamen zu den gleichen Ergebnissen wie in Experiment 1.

In einem dritten Experiment folgte der Wiedererkennenstest unmittelbar auf die Lernphase und die Attraktivitätsbewertung in der Wiedererkennensphase wurde weggelassen. Auch in diesem Experiment zeigte sich kein besseres Gedächtnis für Betrüger. Im Gegensatz zu den ersten beiden Experimenten wurden Personen mit einem hohen Status geringfügig besser wiedererkannt. Die Untersuchungen von Buchner und Mehl, die Mealeys Experiment mit sorgfältig normierten Personenbeschreibungen durchführten, konnten Mealeys Ergebnisse also nicht bestätigen.

Auch Barclay und Lalumiere (2006) konnten Mealeys Ergebnisse nicht replizieren. Sie untersuchten neben der Rekognitionsleistung für Betrüger, vertrauenswürdige und neutrale Personen auch die Wiedererkennensrate für Altruisten. In ihrem ersten Experiment zeigten Barclay und Lalumiere ihren Versuchspersonen Fotos von durchschnittlich attraktiven männlichen Kaukasiern. Jedes Foto wurde mit einer fiktionalen Charakter- und Statusbeschreibung zusammen präsentiert. Für jede Kombination von Status (hoch oder niedrig) und Charakter (betrügerisch, vertrauenswürdig, altruistisch oder neutral) wurde je eine Beschreibung aus fünf verschiedenen Berufsfeldern gewählt (Kunst, Konstruktion, Wissenschaft, Medizin und Sport). Auf diese Art wollten die Autoren verhindern, dass etwas anderes als Charakter und Status in der Beschreibung das Gedächtnis systematisch beeinflusst.

Auch Barclay und Lalumiere sagten ihren Versuchspersonen die Studie diene der Testung der Retest-Reliabilität von Attraktivitätsurteilen. Im ersten Teil des Experimentes sollten die Versuchspersonen zuerst die Attraktivität des Gesichtes allein und dann die Attraktivität der beschriebenen Person anhand des Fotos und der Personenbeschreibung bewerten. Eine Woche später wurden den Versuchspersonen die Fotos erneut gezeigt, zusammen mit gleich vielen neuen Bildern. Diesmal wurden zu den Fotos keine Beschreibungen gezeigt. Die Probanden sollten erneut die Attraktivität der Gesichter beurteilen. Außerdem sollten sie auf einer Skala von 1 („definitiv nicht gesehen“) über 5 („habe geraten“) bis zu 9 („definitiv gesehen“) beurteilen, ob sie die Gesichter vor einer Woche schon einmal gesehen haben.

Beim Wiedererkennenstest zeigten sich keine Unterschiede im Gedächtnis für Betrüger, vertrauenswürdige Personen, Altruisten und neutrale Personen. Die Intensität des Betrugs in den Betrugsbeschreibungen hatte keinen signifikanten Effekt auf die Erinnerungsleistung.

Dass Mealeys Ergebnisse hier nicht repliziert werden konnten, könnte damit zusammenhängen, dass einige von Mealeys Geschichten nicht wirklich in die Kategorie "Betrüger" und "vertrauenswürdig" passten. Ein weiterer Unterschied zwischen dieser Studie und der von Mealey ist, dass die Bilder hier alle für 15 Sekunden präsentiert wurden, während bei Mealey die Versuchspersonen selbst wählen konnten, wie lange sie die Bilder betrachten. Dies führte zum einen dazu, dass Gesichter von Betrügern nicht länger betrachtet werden konnten als die anderen Gesichter. Barcley und Lalumire führten ein zweites Experiment durch, in dem die Versuchspersonen die Bilder in ihrem eigenen Tempo ansehen und bewerten konnten. In Phase 1 des Experimentes wurden Fotos von vertrauenswürdigen Personen signifikant länger angesehen als Fotos von Betrügern, Altruisten und neutralen Personen. Eine Woche später zeigten sich keine signifikanten Unterschiede in der Fixationszeit. In Experiment 2 wurden Altruisten signifikant besser wiedererkannt als die anderen drei Gruppen. Der Effekt zeigte sich nur bei Personenbeschreibungen mit hohem Status.

In einer anderen Studie untersuchte Barcley (2008), ob die relative Menge von Betrügern und vertrauenswürdigen Personen in einer Population für die Rekognitionsleistung eine Rolle spielt. Prinzipiell würde es einen genauso großen Nutzen bringen, Betrüger besser zu erinnern wie vertrauenswürdige Personen besser zu erinnern. Barcley stellte die These auf, dass die Erinnerungsleistung für die beiden Gruppen daher davon abhängt, welche seltener ist. Die erfolgreichste Strategie wäre, ein besseres Gedächtnis für die seltenere dieser beiden wichtigen Gruppen zu entwickeln. Vergangene Untersuchungen haben sich auf Betrügerentdeckung spezialisiert, weil es in unserer Gesellschaft die Norm gibt zu kooperieren und Betrug somit salienter erscheint. Es spricht aber einiges dafür, ein allgemeineres kognitives System anzunehmen, möglicherweise eines, das allgemein auf den Ruf von Personen fokussiert ist. Ein solches System würde weniger kognitive Ressourcen beanspruchen als eines, das sich immer auf Betrüger konzentriert, unabhängig von ihrer Häufigkeit. Außerdem würde man weniger Fehler beim klassifizieren machen, wenn man sich immer auf die seltenere Gruppe konzentriert, da es leichter ist, sich an die wenigen Ausnahmen von einer Regel zu erinnern, als zu versuchen sich jeden Betrüger zu merken, unabhängig davon, wie viele Betrüger es in der Population gibt. Ein solches mehr generelles kognitives System könnte auch einfach ein Nebenprodukt der allgemeinen Tendenz sein, seltene, atypische Stimuli besser zu erinnern.

In Barcleys Experiment spielten die Versuchspersonen ein Vertrauensspiel mit computergenerieten Gegenübern, die entweder kooperierten oder täuschten. In einer

Bedingung lag der Anteil an Betrügern unter den virtuellen Spielern bei 20 %, in der zweiten bei 50 % und in der dritten bei 80 %. In dem Vertrauensspiel konnten die Versuchspersonen bei jedem Gegenüber, dessen Foto sie sahen, entscheiden, ob sie ihm trauen wollen oder nicht. Wenn die Versuchsperson ihrem Gegenüber nicht traute, endete das Spiel und jeder Spieler bekam 10 $. Wenn die Versuchsperson

ihrem Gegenüber vertraute, konnte der virtuelle Mitspieler entweder kooperieren oder betrügen. Wenn er kooperierte erhielten beide Spieler 15 $. Wenn er betrog, bekam er 20 $ und die Versuchsperson 5 $. Vor dem Spiel sahen die Versuchspersonen Gesichter von 40 virtuellen Spielern zusammen mit der Information, ob sie im Spiel betrügen oder kooperieren würden. Die Probanden wussten, dass sie anschließend mit 6 der 40 "Spieler" ein Vertrauensspiel spielen würden. Anschließend beurteilten die Probanden die Attraktivität der Gesichter und bearbeiteten als Distraktoraufgabe einige demographische und Persönlichkeitsfragebögen. Anschließend folgte ein unerwarteter Wiedererkennenstest. Die Versuchspersonen sollten die gezeigten Bilder als alt oder neu (Wiedererkennenstest) und als Betrüger oder vertrauenswürdig (Klassifikationstest) einstufen. Für jedes richtig zugeordnete Gesicht erhielten die Versuchspersonen fünf Cent zusätzlich. Nach dem Gedächtnistest spielten die Versuchspersonen das Vertrauensspiel mit drei Betrügern und drei vertrauenswürdigen Personen. Sie wussten jedoch nicht, wie viele der Mitspieler Betrüger und wie viele vertrauenswürdig sein würden. Die Versuchspersonen erhielten den durchschnittlichen Gewinn aus den sechs Spielen plus das Geld aus dem Wiedererkennenstest, im Durchschnitt 13,58 $.

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Details

Seiten
Erscheinungsform
Originalausgabe
Jahr
2009
ISBN (eBook)
9783836632034
DOI
10.3239/9783836632034
Dateigröße
1019 KB
Sprache
Deutsch
Institution / Hochschule
Heinrich-Heine-Universität Düsseldorf – Mathematisch-Naturwissenschaftliche Fakultät
Erscheinungsdatum
2009 (Juni)
Note
2,1
Schlagworte
quellengedächtnis rekognition betrüger valenz gedächtnis
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Titel: Besseres Quellengedächtnis für Betrüger - eine Frage der Valenz?
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