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Konzeption und Umsetzung einer webbasierten Streaming-Media-Anwendung für das Sprachlernen

©2009 Diplomarbeit 117 Seiten

Zusammenfassung

Inhaltsangabe:Einleitung:
Medien vermitteln und übertragen Informationen, die der Kommunikation dienen. Damit sei vorab gesagt, dass es Medien im Schulunterricht immer zur Hilfe und Unterstützung der Lehrer und Schüler gibt, aber niemals die Medien selbst den Unterricht gestalten können. Der Begriff Medium wird im Schulunterricht häufig mit dem Ausdruck Unterrichtsmittel gleichgesetzt, was eine damit verbundene inhaltliche Komponente einschließt. Das Medium impliziert demzufolge den Einsatz einer angemessenen Methode. Im Schulunterricht, insbesondere im Sprachunterricht, ist der Medieneinsatz in den letzten Jahren ein viel diskutiertes Thema. Besonders Pädagogen und Programmierer sind dabei nicht immer einer Meinung, denn nicht alles, was technisch machbar ist, erweist sich als didaktisch sinnvoll. Der Computereinsatz im Sprachunterricht ist dementsprechend nicht als solcher und bedingungslos aus pädagogischer Perspektive lohnenswert. Das Unterrichtsmedium muss für Lehrer und Schüler im Lernprozess geeignet sein, und zwar in technischer, fachlicher und motivationspsychologischer Hinsicht.
Dazu bieten neue Technologien bereits unterschiedliche Möglichkeiten, die das Erlernen von Fremdsprachen fördern. Das Internet bietet sich als Materialquelle für Texte, Filme, etc. und kann durch Dienste wie Email oder Chat auch als weltweites Kommunikationsmittel genutzt werden. Außerdem bietet die Arbeit mit dem Internet vielfältige Möglichkeiten, um Teamfähigkeit, Kooperationsbereitschaft und Kommunikation zu fördern. Des Weiteren wird das Medium CD-ROM genutzt, um umfangreiche Lernsoftware zur Verfügung zu stellen, die jedoch in der Regel stark statisch strukturiert ist. Eine weitere Möglichkeit für den Medieneinsatz im Lernprozess stellt das Lernen im Fernunterricht dar.
Alle genannten Methoden basieren weitestgehend auf den Prinzipien der Schriftlichkeit bzw. Visualisierung. Für die mündlichen Fertigkeiten, wie Sprechen und Hören, sind bislang noch wenige Programme im Einsatz. Für den Sprachunterricht hat das zur Konsequenz, dass Aussprache und Hörverständnis im Schulunterricht weiterhin über die traditionellen Methoden, wie z.B. Tonband oder Video gelehrt werden. Ein Problem besteht darin, dass im Gegensatz zu den schriftlichen Medien Hörtexte im Unterricht nicht beliebig oft wiederholt werden können, was zur Benachteiligung schwächerer Schüler führen kann. Im Unterricht fehlt dafür schlichtweg die Zeit, wogegen ein geschriebener Text auch in Heimarbeit […]

Leseprobe

Inhaltsverzeichnis


Inhaltsverzeichnis

1 Einleitung

2 Medien im Sprachunterricht
2.1 Grundlegende Konzepte der Mediendidaktik
2.1.1 Struktur medialer Lehrangebote
2.1.2 Werkzeuge der Wissenskonstruktion
2.1.3 Infrastrukturen von Medien im Unterricht
2.2 Lern- und Arbeitstechniken im Fremdsprachenunterricht
2.2.1 Hören lernen
2.2.2 Aussprache lernen
2.2.3 Authentische Materialien
2.2.4 Sprechanlässe schaffen

3 Einsatzszenarien
3.1 Szenario 1: Projektarbeit „Radio News“
3.2 Szenario 2: Hausaufgabe „American History“
3.3 Szenario 3: Fernlernen mit „Lernen auf Reisen“

4 Konzeption und Umsetzung der webbasierten Streaming-Audio-Anwendung
4.1 Anforderungen
4.2 Technische Rahmenbedingungen
4.2.1 opensTeam
4.2.2 BID OWL – Bildung im Dialog in Ostwestfalen-Lippe
4.2.3 Rich-Internet-Applikation mit Adobe Flex
4.2.4 Streaming Audio
4.3 Konzeption der Streaming-Audio-Anwendung
4.3.1 Gesamtanwendung
4.3.2 Aufnahme
4.3.3 Abspielen
4.3.4 Bereitstellen und Laden
4.4 Umsetzung der Streaming-Audio-Anwendung
4.4.1 Gesamtanwendung
4.4.2 Aufnahme
4.4.3 Abspielen
4.4.4 Bereitstellen

5 Fazit und Ausblick

6 Literaturverzeichnis

7 Anhang

Abbildungsverzeichnis

Abb. 1: Infrastruktur für den Zugang zum Lernwerkzeug

Abb. 2: Arealstruktur von sTeam (Quelle: opensTeam)

Abb. 3: Architektur des sTeam-Servers (Quelle: opensTeam)

Abb. 4: Einstiegsseite BID OWL (Quelle: BID OWL)

Abb. 5: Dokument in BID OWL mit eingefügter Audio- und Videodatei (Quelle: BID OWL)

Abb. 6: Ablauf von Streaming Audio mit einem Medienserver

Abb. 7: Konzept der Client-Server Interaktion

Abb. 8: Gliederung der Streaming-Audio-Anwendung in die drei Teilfunktionen

Abb. 8: Erzeugen eines Audioobjektes

Abb. 9: Abrufen und Auswählen von Audioobjekten

Abb. 10: Löschen von Audioobjekten

Abb. 11: Bereistellen von Audiodaten

Abb. 12: Laden externer Audiodaten

Abb. 13: Ablauf der Methoden zum Verbinden vom Client und den Servern

Abb. 14: Kompilieren, Bereitstellen und Starten der Streaming-Audio-Anwendung.

Quellcode 1: Erzeugen eines Microphone-Objekts

Quellcode 2: Methode connectRecordStream()

Quellcode 3: Funktion recordingListSOHandler() zum Erzeugen des Dataproviders

Abb. A.1: Einstiegsseite

Abb. A.2: Teilanwendung Aufnahme

Abb. A.3: Teilanwendung Abspielen

Abb. A.4: Teilanwendung Bereitstellen

Abb. A.5: Startseite von steam mit Audioobjekten

Abb. A.6: steam Arbeitsplatz mit Audioobjekten und der bereitgestellten .flv-Datei

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Einleitung

Medien vermitteln und übertragen Informationen, die der Kommunikation dienen.[1] Damit sei vorab gesagt, dass es Medien im Schulunterricht immer zur Hilfe und Unterstützung der Lehrer und Schüler gibt, aber niemals die Medien selbst den Unterricht gestalten können. Der Begriff Medium wird im Schulunterricht häufig mit dem Ausdruck Unterrichtsmittel gleichgesetzt, was eine damit verbundene inhaltliche Komponente einschließt. Das Medium impliziert demzufolge den Einsatz einer angemessenen Methode. Im Schulunterricht, insbesondere im Sprachunterricht, ist der Medieneinsatz in den letzten Jahren ein viel diskutiertes Thema. Besonders Pädagogen und Programmierer sind dabei nicht immer einer Meinung, denn nicht alles, was technisch machbar ist, erweist sich als didaktisch sinnvoll. Der Computereinsatz im Sprachunterricht ist dementsprechend nicht als solcher und bedingungslos aus pädagogischer Perspektive lohnenswert. Das Unterrichtsmedium muss für Lehrer und Schüler[2] im Lernprozess geeignet sein, und zwar in technischer, fachlicher und motivationspsychologischer Hinsicht.

Dazu bieten neue Technologien bereits unterschiedliche Möglichkeiten, die das Erlernen von Fremdsprachen fördern. Das Internet bietet sich als Materialquelle für Texte, Filme, etc. und kann durch Dienste wie Email oder Chat auch als weltweites Kommunikationsmittel genutzt werden. Außerdem bietet die Arbeit mit dem Internet vielfältige Möglichkeiten, um Teamfähigkeit, Kooperationsbereitschaft und Kommunikation zu fördern. Des Weiteren wird das Medium CD-ROM genutzt, um umfangreiche Lernsoftware zur Verfügung zu stellen, die jedoch in der Regel stark statisch strukturiert ist. Eine weitere Möglichkeit für den Medieneinsatz im Lernprozess stellt das Lernen im Fernunterricht dar.

Alle genannten Methoden basieren weitestgehend auf den Prinzipien der Schriftlichkeit bzw. Visualisierung. Für die mündlichen Fertigkeiten, wie Sprechen und Hören, sind bislang noch wenige Programme im Einsatz. Für den Sprachunterricht hat das zur Konsequenz, dass Aussprache und Hörverständnis im Schulunterricht weiterhin über die traditionellen Methoden, wie z.B. Tonband oder Video gelehrt werden. Ein Problem besteht darin, dass im Gegensatz zu den schriftlichen Medien Hörtexte im Unterricht nicht beliebig oft wiederholt werden können, was zur Benachteiligung schwächerer Schüler führen kann. Im Unterricht fehlt dafür schlichtweg die Zeit, wogegen ein geschriebener Text auch in Heimarbeit selbstständig wiederholt werden kann. Auch kann in einer Klasse mit 25 Mitgliedern nicht jeder Schüler auf seine Artikulation und Intonation in der Fremdsprache hin geprüft werden. Daraus resultiert die Forderung nach Unterrichtsmitteln, welche die mündlichen Fertigkeiten im Sprachlernen unterstützen, so auch in der Entwicklung digitaler Fernlernkonzepte. Der aktuelle Stand der Technik erlaubt es, auch mündliche Echtzeitkommunikation webbasiert zu implementieren und für den Einsatz im E-Learning nutzbar zu machen.

Diese Arbeit erarbeitet das Konzept und beschreibt die technische Umsetzung einer webbasierten Streaming-Audio-Anwendung für das Sprachlernen, welche die Prinzipien der Mündlichkeit berücksichtigt. Die Konzeption bezieht sich dabei auf den Einsatz der Clientanwendung innerhalb einer webbasierten Lernumgebung, welche auf dem an der Universität Paderborn entwickelten Konzept der virtuellen Wissensräume basiert.

Zunächst werden in Kapitel 2 grundlegende Überlegungen zum Medieneinsatz im Sprachunterricht vorgestellt. Dabei wird im ersten Teil des Kapitels auf den Medienbegriff im didaktischen Umfeld, sowie auf grundlegende, mediendidaktische Konzepte kurz eingegangen. Aus diesen Konzepten resultiert schlussendlich die Entscheidung für die Konzeption eines Lernwerkzeuges innerhalb einer offenen Lernumgebung. Der zweite Teil des Kapitels widmet sich ausgewählten Lern- und Arbeitstechniken im Fremdsprachenunterricht, die das Erlernen von mündlichen Fertigkeiten berücksichtigen. Dazu werden vier fremdsprachendidaktische Konzepte kurz vorgestellt. Kapitel 3 beschreibt drei konkrete Unterrichtszenarien, welche die Überlegungen aus dem zweiten Kapitel einbeziehen. Mithilfe der Lern- und Arbeitstechniken werden die mit einer Software möglichen Unterrichtsbeispiele vorgestellt und didaktisch sowie methodisch begründet. In Kapitel 4 wird die Konzeption und Umsetzung der konkreten Streaming-Audio-Anwendung beschrieben. Dazu werden aus den Unterrichtszenarien zunächst konkrete Anforderungen an die Anwendung herausgearbeitet. Anschließend werden die einzelnen Funktionen, die eine solche Software leisten muss, ausführlich beschrieben und daraus das Softwarekonzept erstellt.

Zuletzt wird im Rahmen dieser Arbeit ein Prototyp der webbasierten Streaming-Audio-Anwendung umgesetzt. Dazu werden konkrete Methoden für die Umsetzung in der Arbeit erläutert. Das vollständige Programm ist auf der dem Anhang beigefügten CD-ROM zu finden.

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Medien im Sprachunterricht

Der Bereich neuer Medien für das Sprachlernen umfasst ein weites Feld. Er reicht von klassischer Lernsoftware bis hin zu Formen der elektronischen Datenübertragung. Webbasierte Kommunikationstechnologien erleben aktuell einen besonders hohen Stellenwert. Lehren und Lernen müssen sich den resultierenden gesellschaftlichen Veränderungen anpassen. Unter anderem sind Kinder von diesen Veränderungen betroffen, denn sie wachsen heute in einer vom Computer geprägten Umwelt und Medienvielfalt auf. Insbesondere kann der Fremdsprachenunterricht von diesen Entwicklungen profitieren, denn neue Technologien bieten vielfältige Einsatzmöglichkeiten von neuen Medien im Sprachunterricht. Dabei kommt es vor allem darauf an, Computer und Sprachlernen sinnvoll miteinander zu verbinden.

In diesem Kapitel werden zunächst grundlegende mediendidaktische Konzepte vorgestellt, die für die Konzeption einer Streaming-Audio-Anwendung von Bedeutung sind. Im Anschluss befasst sich das Kapitel mit solchen Lern- und Arbeitstechniken des Fremdsprachenunterrichts, die sich im besonderen Maße für den Einsatz von computergestützten Lehr- und Lernangeboten eignen.

2.1 Grundlegende Konzepte der Mediendidaktik

Um sich zunächst dem Begriff der Medien zu nähern, werden im Folgenden zwei unterschiedliche Herangehensweisen von Tulodziecki/ Herzig dargestellt. Sie bieten eine sehr allgemeine Begriffsdefinition, indem sie das Medium als eine Erfahrungsform, als „… konstitutives Element der Interaktion des Menschen mit seiner Umwelt... “ bezeichnen.[3] Damit ist die Form gemeint, in der sich ein Inhalt bzw. Sachverhalt einem Menschen darstellt. Der Begriff Medium beinhaltet dabei ein funktionales Element. Ausgehend von dieser Definition hat jede Interaktion bzw. Kommunikation, also jeder Vorgang im Schulunterricht, eine mediale Komponente. Des Weiteren konstatieren Tulodziecki/Herzig, dass es für die Medienpädagogik zweckmäßig ist, den Begriff auf die technisch vermittelte Erfahrungsform einzugrenzen. Dabei werden

„... Medien [...] als Mittler verstanden, durch die in kommunikativen Zusammenhängen potenzielle Zeichen mit technischer Unterstützung übertragen, gespeichert, wiedergegeben, angeordnet oder verarbeitet und in abbildhafter und/oder symbolischer Form präsentiert werden.“[4]

Die Literatur bietet eine Vielzahl weiterer Definitionen an, die je nach Betrachtungsweise variieren. Durch das unterschiedliche Verständnis von Medien und der Kombination von Didaktik als pädagogischem Konzept und Medien als technischer Spezifikation ergeben sich Unstimmigkeiten. Dabei sieht Kerres die Problematik des Medienbegriffs innerhalb der Mediendidaktik in seiner Doppeldeutigkeit. Grundsätzlich wird in der Mediendidaktik zwischen Bildungsmitteln, Geräten und Gegenständen in didaktischen Kontexten zur Präsentation, sowie Übungszwecken und Bildungsmedien, also für Lehr- und Lernzwecke aufbereiteten Medieninhalten, unterschieden. Dazu greift Kerres u.a. auf die Definition von Tulodziecki zurück und teilt den Begriff ein in „Träger von Informationen und die technischen Einrichtungen zu deren Aufnahme, Wiedergabe, Transport, etc. sowie die medial zwischen Sender und Empfänger vermittelte, didaktisch aufbereitete Information.“[5] Wird nur der erste Aspekt betrachtet, dann werden die Forderung und gleichzeitig das Missverständnis von „Computern an Schulen“ deutlich. Es entsteht fälschlicherweise der Eindruck, dass ein Bildungsangebot mit Medien in der Schule allein durch das Bereitstellen von Geräten und Räumlichkeiten erschöpft wird.[6] Positive Wirkungen im Unterricht lassen sich jedoch keineswegs allein durch den Einsatz von Medien einstellen. Laut Herzig sind positive Effekte in Bezug auf Wissensaneignung „... nur auf Basis angemessener Zielreflexionen, lehr- und lern- bzw. unterrichtstheoretischer Überlegungen, geeigneter Software sowie einer situationsgerechten Umsetzung durch Lehrpersonen sowie Schülerinnen und Schüler möglich.“[7]

Meschenmoser kritisiert den Gedanken ebenfalls, indem er sagt, dass der bloße Einsatz von Computern noch kein Indiz für die Qualität von erwünschten Lernprozessen sein kann.[8] So kann ein computergestütztes Medium keineswegs von seiner Anwendungssituation losgelöst betrachtet werden, sondern sollte sich in das Gesamtkonzept des Lernprozesses einfügen. Erwünscht ist, dass der Einsatz von Unterrichtsmedien sich in vorhandene didaktische Modelle einfügt. Für die Konzeption und Umsetzung einer Anwendung für den Schulunterricht ist zunächst zu klären, welche didaktischen Elemente zu berücksichtigen sind. Die Mediendidaktik befasst sich dafür mit der Betrachtung des Lernziels und der Maßnahmen, die zu diesem Ziel führen. Schulmeister beschreibt die Didaktik wir folgt:

„Didaktik ist eine Methode, die dabei hilft, Lernprozesse und Lernumgebungen zu arrangieren und Entscheidungen über Lernsituationen und Lernmittel zu unterstützen, also auch offene, explorative, ja sogar konstruktivistische u.a. Lernsituationen zu planen“.[9]

Entscheidend ist das Planen der Lernprozesse, unter Berücksichtigung geeigneter Hilfsmittel und der Anwendungssituationen, innerhalb einer passenden Lernumgebung. Diese Diplomarbeit befasst sich mit einigen mediendidaktischen Fragestellungen, wie sie in ähnlicher Weise auch Kerres für die Konzeption von Medien für den Unterricht vorschlägt. Dazu unterscheidet er a) Mediensysteme zur Bereitstellung von Lehr- und Lernmedien und Medienprodukten mit didaktischer Intention von b) Prozessen für deren Konzeption, Nutzung und Einsatz. Kerres kritisiert, dass solche Fragstellungen in einer mediendidaktischen Forschung bislang weitgehend unabhängig voneinander betrachtet wurden, wobei es sich dabei um ergänzende Forschungskomplexe der Mediendidaktik handelt.[10] Mit diesen Überlegungen sollen im Folgenden drei grundlegende Fragen zur Mediendidaktik erarbeitet werden.

Im Abschnitt 2.1.1 wird die Struktur medialer Lehrangebote erläutert. Dabei geht es um didaktisch aufbereitete Medien und ihre Wirkung auf das Lernen. Fragestellung ist, mit welchem Medieneinsatz können welche Ergebnisse bzw. Erfolge erzielt werden. Danach wird auf die medientechnischen Systeme eingegangen, die Lehr- und Lernmedien überhaupt verfügbar machen. Der Abschnitt 2.1.2 stellt das Werkzeug als Medium für Lehr- und Lernprozesse vor. Dabei soll das Werkzeug von anderen medialen Lernangeboten abgegrenzt werden. Aus der Perspektive des Prozesses geht es darum, wie Werkzeugfunktionen in Lehr- und Lernprozessen genutzt werden können. Weiterhin sollen in Abschnitt 2.1.3 einige Möglichkeiten für lernförderliche Infrastrukturen vorgestellt werden. Dabei geht es um die medien- und computertechnische Ausstattung für Lehr- und Lernzwecke, sowie die Voraussetzung der Infrastruktur für die Nutzung. Dazu werden verschiedene Konzepte vorgestellt, unter anderem das des virtuellen Wissensraums.

2.1.1 Struktur medialer Lehrangebote

Für die Entwicklung und Anwendung von Medien in Lehr- und Lernprozessen ist es notwendig, Lernziele und -methoden sowie die Adressaten zu berücksichtigen. Die individuellen Annahmen über Lernen und den Prozess der Wissensaneignung beeinflussen die Gestaltung der medialen Lernsituation. Um die medialen Lehrangebote konstruieren zu können, sollten zunächst die verschiedenen Lehr- und Lernansätze, wie Behaviorismus, Kognitivismus und Konstruktivismus definiert werden. Diese Theorien zum Lehr-Lern-Prozess, die ihren Ursprung in der Psychologie haben, und ihre mediendidaktischen Konkretisierungen werden im Folgenden vorgestellt. Diese lerntheoretischen Ansätze sind neben ihrer Anwendung in den Erziehungswissenschaften auch in der Philosophie und der allgemeinen wissenschaftlichen Forschung von Bedeutung.[11] Nach einem Vergleich aller drei Ansätze wird sich diese Diplomarbeit auf ein bestimmtes Lernparadigma, den Konstruktivismus, sowie das situierte Lernen, stützen.

Behavioristische Ansätze: Lernen als Prozess durch Verstärkung

In der behavioristischen Methode wird Lernen als konditionierter Reflex gesehen, der durch Adaption erworben wird: Bei den Schülern wird mittels eines geeigneten Impulses ein bestimmtes Verhalten hervorgerufen. Dieses Modell erfordert den Einsatz von geeigneten Stimuli, die das gewünschte Verhalten steigern. Behaviorismus kennzeichnet sich vor allem dadurch aus, dass das Gehirn als so genannte black box aufgefasst wird.[12] Insbesondere soll das Verhalten durch die Methode, also den Behaviorismus, gelenkt werden, wobei keine bewusste Einflussnahme durch den Schüler entsteht. Die Theorie stützt sich auf die Annahme, dass wenn auf ein Verhalten eine positive Reaktion folgt, das Verhalten verstärkt wird. Die hierauf folgende Konsequenz soll zeitlich unmittelbar auf die Leistung folgen.[13] Im Gegensatz dazu verschwindet ein Verhalten, auf das nicht reagiert wird. Ungewöhnlich scheint, dass ein Verhalten nicht verschwindet, wenn es eine negative Konsequenz auslöst (Bestrafung). Folgerichtig verbreitete Skinner 1958 die Theorie, dass Lernen nach dem behavioristischen Modell mit Computern effektiver sei als im personalen Unterricht. Er war der Meinung, dass Lehrprogramme und -maschinen den traditionellen Unterricht weitgehend ersetzten können und der Unterricht dadurch wiederholbar und objektiver wird.[14]

Die Anwendung dieser Theorien wird im Allgemeinen als Programmierte Instruktion[15] bezeichnet. Dabei handelt es sich vor allem um Frage-Antwort-Schemata. Nach der Präsentation kann unmittelbar das erwünschte Verhalten durch die Rückmeldung verstärkt werden. Bei fehlerhaften Bearbeitungen kann das Programm den Inhalt wiederholen. Kerres beschreibt zum Behaviorismus noch einen weiteren, den kybernetischen, Ansatz.[16] Der Unterschied besteht hier im Verständnis des Lernprozesses, indem nicht die Verstärkung des Verhaltens zentral ist, sondern der Austausch an Informationen zwischen Lehr- und Lernsystem bzw. Lehrer und Schüler. Danach wird ein optimaler Lernprozess erreicht, wenn der Informationsaustausch verbessert wird. Im Mittelpunkt steht nicht mehr die Reaktion des Systems, sondern die Art und Häufigkeit der Informationspräsentation. Beim Fremdsprachenerwerb wurde das behavioristische Verfahren anhand der audiolingualen Methode umgesetzt. Dabei werden Lautkombinationen, Wörter oder Sätze in so genannten Patterns vorgegeben. Durch geeignete Stimuli werden diese immer wieder eingeübt, was als Pattern-Drill-Verfahren bzw. Drill-and-Practice-Prinzip in der Lerntheorie bekannt ist.[17] Bei den Reizen wird zwischen audiolingualen und audiovisuellen unterschieden. Die Übertragung auf ein technisches Medium ist durch die programmierte Instruktion relativ einfach möglich und ist daher häufig das primäre Modell für computergestützte Lehrmethoden. Die Methode ist allerdings eher ungeeignet, ein tiefer liegendes Wissen über Sachverhalte zu erarbeiten und beschränkt sich weitgehend auf Faktenwissen. Die Motivation der Schüler bei den weitgehend stereotypen Übungstypen fällt nach einiger Zeit stark ab. Schulmeister nennt als Grund für den geringen Erfolg des Instruktionsdesigns an der Gebundenheit an die Ziel-Methoden-Matrix[18], welche die Systeme in ihrer Gestaltung beschränkt. Als Fazit beschreibt er, dass die Systeme bei häufiger Anwendung Langeweile auslösen und daher die Motivation durch eine personelle Lehrkraft nicht vollständig ersetzen können.[19]

Obwohl die Methode wegen des Mangels an geistigen, emotionalen und motivationalen Prozessen häufig kritisiert wird, ist sie in der mediendidaktischen Praxis bis heute präsent. Auch bei aktueller, meist CBT-Software (Computer Based Training), kann der Lernprozess darin bestehen, dass richtige Antworten eingesetzt werden bzw. korrekte Operationen durchgeführt werden. De Witt/Czerwionka begründen dies, indem sie die CBTs nicht für eine konsequente Anwendung der behavioristischen Theorie halten. Das Ziel der Programme liegt nicht im Lernen der richtigen Reaktion, sondern im Aufbau von Wissen, welches auch in Kontexten abgerufen werden kann.[20] Die behavioristische Theorie eignet sich nicht als umfassende Lerntheorie für mediale Konzepte, denn sie geht von einer passiven Vorstellung vom Lernen aus und vernachlässigt dabei die internen Prozesse. Auch Skinner vertritt die Forderung, dass die Schüler aktiv am Lernen beteiligt sein sollten.[21] Daraus ist die wachsende Berücksichtigung der kognitivistischen und konstruktivistischen Lehr- und Lernansätze in der Mediendidaktik zu erklären.

Kognitivistisch orientierte Ansätze: Lernen durch Aufnahme und Verarbeitung

Der Kognitivismus behandelt im Gegensatz zum Behaviorismus die verarbeitenden Prozesse des Gehirns. Interne Abläufe im Gehirn können nach der Theorie nicht vollständig ausgeblendet werden, um zu erklären, wie komplexe, intellektuelle Fähigkeiten erlernt werden. Im Vordergrund stehen interne Prozesse zur Informationsverarbeitung, wie Erkennen, Denken, Wahrnehmen, Interpretieren und Erinnern.[22] Der Kognitivismus umfasst die Verarbeitung und Transformation von Informationen in dem in sich selbst geschlossenen und organisierenden Gehirn. Das entscheidende Lernparadigma ist nach Baumgartner/ Payr die Problemlösung. Danach geht es nicht darum, die geeigneten Stimuli für eine einzig richtige Antwort zu finden, sondern im allgemeinen Verfahren und Wege zu erlernen, um durch deren Anwendung auf die richtige Antwort zu schlussfolgern.[23] Dabei können mehrere Wege zum gewünschten Ergebnis führen. Diese Sichtweise stellt Lernen als Informationsaufnahme dar, die vor allem von der Art der Aufbereitung und Darstellung abhängig ist, sowie von der kognitiven Aktivität des Schülers. Als Ausgangspunkt für das didaktische Design von kognitiven Ansätzen sieht Kerres die Klassifikation und Analyse der Lehrinhalte, denn die Lehre muss sich an der Art der zu vermittelnden Inhalte orientieren. Die Lehrinhalte werden in verschiedenen Subsystemen des Gedächtnisses gespeichert und durch die unterschiedliche Verarbeitung universell nutzbar gemacht.[24] Diese Subsysteme sind demnach nicht passiv, sondern Wissensnetze mit bestimmten Funktionen. Kerres unterscheidet zwischen deklarativem Faktenwissen (Kenntnisse), prozeduralem Methodenwissen (Fertigkeiten) und dem kontextuellen, episodischen Gedächtnis (situatives, fallbezogenes Wissen).[25] Diese verschiedenen Speicherfunktionen spielen für die Informationsverarbeitung eine wichtige Rolle. Unter anderem muss der kognitive Ansatz sicherstellen, dass die Speicherung und der Abruf von Informationen aus den Subsystemen des Gedächtnisses funktionieren.

Wesentlich bei dieser Darstellung ist, dass die Prozesse bzw. Operationen zum Lernerfolg führen. Es muss sichergestellt sein, dass der Schüler die Aktionen ausführt, die für das Ereichen des Lernziels notwendig sind. Das behavioristische Instruktionsverfahren weist mit dem Steuern des Lerners durch äußere Einflüsse jedoch auch einige Gemeinsamkeiten zum kognitivistischen Verfahren auf. Jedoch sind im kognitivistischen Ansatz das Speichern und die Transformation des Gelernten vor den mechanischen Reflexen angeordnet. Der Ansatz umfasst die Umsetzung und das Übertragen des Wissens auf das Umfeld. Der personelle Unterricht kann sich offensichtlich leichter an aktuelle Lernprozesse anpassen, da sich die kognitiven Strukturen kaum vorab planen oder präzise formulieren lassen. Ein Lehrer kann jederzeit in das Unterrichtsgeschehen eingreifen und sein Konzept zum Erreichen des gewünschten Lernziels umstellen. Dieses Umorientieren ist im mediengestützten Lernen ein Problem. Es gibt unterschiedliche Theorien zu der Fragestellung, welche Prozesse bei der Interaktion zwischen dem externen Material und der internen kognitiven Struktur ablaufen.[26]

Die geforderte systematische und organisierte Präsentation der Inhalte stellt den Prozess des Wissenserwerbs als regelhaft ablaufend, beschreibbar und steuerbar dar. Der Lehrer versucht, sein eigenes Wissen auf den Schüler zu projizieren, die Lernumgebung wird dabei auf den Transport des Lerngegenstands abgestimmt. Die rationale und systematische Gestaltung von Lernumgebungen wird als Instruktionsdesign (ID) bezeichnet. Die Anpassung des Lehrangebots an den Wissenstand des Schülers sowie die Umsetzung des IDs wird mit Hilfe von intelligenten tutoriellen Systemen versucht. Diese sollen Fehler der Benutzer analysieren, die fehlerhaften Konzepte identifizieren und dementsprechend eine Lernumgebung generieren, die den kognitiven Prozessen des Schülers angepasst sind und das Lernangebot den aktuellen Erfordernissen entsprechend modifizieren.[27] Ein intelligentes tutorielles System (ITS) besteht nach Barr und Feigenbaum aus der Modellierung eines Wissensgebietes (domain model), dem Modell des Lernenden (student model), den modellierten pädagogischen Strategien (tutor models) und der Komponente zur Interaktion und Kommunikation des Programms mit dem Schüler.[28] Diese Modelle beschreibt Schulmeister wie folgt, wobei er einräumt, dass nicht alle vier Komponenten voll entwickelt sein müssen. Das Wissensmodell wird durch das Expertenwissen definiert und soll das Verhalten zum Problemlösen von Experten abbilden. Weiterhin existiert das Schülermodell, welches das aktuelle Wissen des Schülers analysiert und die Unterschiede zum Expertenwissen darstellt.

Das Tutorenmodell simuliert die Entscheidungen eines Lehrers, basierend auf den Differenzen zwischen Experten- und Schülermodell. Das ITS gilt als ‚intelligent‘, da es hinsichtlich seiner Kommunikationskomponente flexibel auf den Lernprozess reagiert. Eine Möglichkeit des Tutors besteht darin, dem Schüler Fragen zu stellen, damit er seine eigenen Antworten reflektieren kann. Im anderen Fall agiert der Tutor als Coach und hilft dem Schüler mit Tipps und Hinweisen. Eine weitere Möglichkeit für eine Interaktion zwischen Schüler und System ist den Schüler aufzufordern Informationen auszuwählen. Dabei kann das System eine Abweichung vom Expertenmodell analysieren und eine Rückmeldung veranlassen (learning by doing). Demgegenüber steht die Möglichkeit, dass das tutorielle System im Hintergrund wartet und nur gelegentlich Hinweise zur Lösung des Problems gibt (learning while doing).[29]

Für die Umsetzung stehen, neben den ITS, weitere Möglichkeiten zur Verfügung, die kognitivistische Vorgänge unterstützen. Dabei soll die Wechselwirkung zwischen internen und externen Prozessen optimal umgesetzt werden. Für die Konzeption von medialen Systemen leiten Tulodziecki und Herzig verschiedene Forderungen ab:

- Strukturierte Organisationshilfen (z.B. Sitemaps), sowie die angemessene Sequenzierung der Inhalte verhelfen beim Aufbau der Wissensstruktur.
- Die Inhalte sollen nicht isoliert, sondern mit weiteren relevanten Begriffen gekoppelt präsentiert werden (z.B. Hyperlinks).
- Inhalte sollten ikonisch und symbolisch sein; sie sollen eine Kombination von Text und Bild darstellen.
- Aufgaben sollen Denkvorgänge knapp über dem aktuellen Wissenstand erfordern, um die Schüler herauszufordern.[30]

Zusammenfassend gehen das ITS und der kognitivistische Ansatz individueller auf die Lernsituation des Einzelnen ein als die behavioristischen Ansätze. Hingegen kann die passiv-rezeptive Rolle der Schüler zu einer verminderten Eigeninitiative, also auch Demotivation, führen. Die stark strukturierte systematische Aufbereitung des Lehrmaterials weicht von alltäglichen Problemen ab. Leider fehlen hier entsprechende empirische Befunde, denn Erkenntnisse über individuelle kognitive Prozesse liegen nur in begrenztem Umfang vor.[31] Wichtig ist, noch einmal hervorzuheben, dass die konstruktivistische Theorie mit der Vorstellung bricht, dass Lernprozesse gänzlich extern steuerbar sind. Das macht es im weiteren Verlauf der Forschung nötig, sich mit Theorien zu befassen, die eine aktivere Rolle des Schülers annehmen und sich stärker an Alltagssituationen und -problemen orientieren.

Konstruktivistisch orientierte Ansätze: Lernen durch selbständige Exploration

Der konstruktivistische Ansatz geht davon aus, dass keine reine Informationsaufnahme, -verarbeitung und -speicherung existieren, sondern Information durch permanente Veränderung der kognitiven Struktur erzeugt wird. Lernen wird als ein aktiver Prozess gefasst, wobei das Wissen in Beziehung zu Erfahrungen selbst konstruiert wird. In den vorangegangenen Theorien wird Lernen und Lehren als Prozess dargestellt, indem ein Lehrer versucht, einen Teil seines Wissensbestandes zu transferieren. In der konstruktivistischen Theorie kann Wissen nicht einfach vermittelt werden, sondern es entsteht in einem aktiven Prozess des Schülers mit seiner Umwelt. Die Probleme sind dabei vom praktischen Alltag selbst generiert. Der Konstruktivismus sieht das Gehirn als selbstreferentielles, zirkulierendes System, wobei der Schüler in einer Austauschbeziehung zu seiner Umwelt steht, anstatt aus dieser Informationen lediglich aufzunehmen.[32]

Das Modell unterscheidet sich von den beiden vorangegangenen insofern, als hier kein autoritärer Lehrer bzw. Tutor den Lernprozess steuert. Im Sinne des konstruktivistischen Ansatzes ist es daher folgerichtig, dem Schüler Werkzeuge anzubieten, die eine Anpassung der Lernumgebung an den eigenen Wissenstand unterstützen. Daher sollten für einen optimalen Lernprozess Modelle konzipiert werden, in denen natürliche Lernumgebungen simuliert werden. Lernprozesse lassen sich in der konstruktivistischen Lerntheorie nicht vollständig durch Medien steuern. Daher stehen Softwareangebote, die nicht auf festgelegte Strukturen inhaltlicher Art bzw. auf mögliche Lösungswege zielen, dieser Theorie am nächsten. Medien sollen vielmehr dabei helfen, Situationen realitätsnah zu präsentieren (z.B. Simulationen). Damit können das Lernen kontextualisiert und unterschiedliche Zugänge bzw. Perspektiven für die Aufgabenbearbeitung gefördert werden.

Die konstruktivistische Lerntheorie stellt damit klassische schulische Unterrichtskonzepte, aber auch mediengestützte Lernsysteme, in Frage. Die Medien fungieren nicht als reine Speicher, sondern als Werkzeuge zur Konstruktion von Wissen. Dabei dient die Kommunikation nicht nur dem Wissensaustausch, als vielmehr dem Transport des Wissens von einer Person zur anderen. Für das didaktische Design ergibt sich eine experimentelle Ausrichtung, insofern sich die Schüler das Wissen durch aktive Arbeit mit dem Medium erschließen. Das Medium wird dabei zum Instrument im Prozess des Problemlösens. Dazu sind verlinkte Lernumgebungen, die auf mehreren Ebenen verzweigt sind (Hypermedia) oder mediale Werkzeuge, besonders geeignet.[33] Auf Grundlage der kognitivistischen und konstruktivistischen Lerntheorien hat sich zwischen Instruktionsdesign und Selbstorganisationsprozess eine Position entwickelt, die als situiertes Lernen bezeichnet wird:[34] Ausgehend von authentischen, realistischen Problemstellungen soll eine anwendungsorientierte Anregung zur Unterstützung von Lernprozessen erfolgen. Der wesentliche Unterschied zwischen situiertem Lernen und dem ursprünglichen kognitivistischen Paradigma besteht für Kerres darin, dass vorliegendes Wissen in bestimmten Situationen angewendet wird. Er stellt in Frage, ob situierte, konstruktivistische Verfahren überhaupt mediendidaktisch umgesetzt werden können. Das Ziel des Lernprozesses soll nicht die Anleitung zum Handeln sein, sondern durch Lösen von Problemen den Weg selbst zu erschließen.[35] Der Schwerpunkt liegt dem Begriff nach auf der Situation, in der ein Lernprozess stattfindet. Eine zentrale Forderung der Vertreter dieser Theorie besteht darin, die Lernsituation stark an die Anwendungssituation zu koppeln, da Wissen stark kontextgebunden ist.[36] Dadurch wird verhindert, dass sich ‚träges Wissen‘ bildet, auf das im Anwendungsfall nicht zurückgegriffen werden kann. Mandl et al. sowie Tulodziecki/ Herzig kritisieren aus dieser Perspektive auch den herkömmlichen, frontal organisierten Schulunterricht, in dem Wissenserwerb und Wissensanwendung voneinander getrennt werden.[37] Ein bekanntes Beispiel für träges Wissen lässt sich innerhalb des Fremdsprachenunterrichts identifizieren: Auswendig gelernte Vokabeln, die innerhalb der Lernsituation abgerufen werden können, stehen oft in der realen Situation nicht mehr zur Verfügung.[38]

Mandl et al. kritisieren noch weitere Punkte des traditionellen Schulunterrichts, nämlich das isolierte Arbeiten sowie das Arbeiten ohne Hilfsmittel. Daraus leiten sie drei grundlegende Forderungen an die Gestaltung für situiertes Lernen ab: “

- Lernen und Arbeiten in Gruppen,
- Nutzung von Hilfsmitteln,
- Berücksichtigen der Anwendungsbedingungen von Wissen.“[39]

Die Forderung nach der Anwendung des Wissens soll im situierten Lernen mithilfe einer Orientierung an konkreten Problemen realisiert werden. Dazu haben Mandl et al. eine Reihe von Gestaltungsgrundsätzen für Lernsituationen aufgestellt, die hier der Vollständigkeit halber kurz erwähnt, aber nicht detailliert erläutert werden sollen: Komplexe Ausgangsprobleme, Authentizität und Situiertheit, Multiple Perspektiven, Artikulation und Reflektion, Lernen im sozialen Austausch.[40] Diese Prinzipien werden durch Medien erfüllt, die keine aktive Steuerung des Lernprozesses, sondern ein Werkzeug- bzw. Informationsangebot für selbstgesteuerte Lernprozesse darstellen. Die Gestaltungsgrundsätze lassen sich in konstruktivistisch orientierten Systemen, wie z.B. hypermedialen Lernsystemen, kooperativen Lernumgebungen, multimedialen Datenbeständen sowie inhaltsneutralen Werkzeugen umsetzen.[41] Für das Lernen mit Medien bedeutet der Ausschluss von instruktionalen Komponenten, dass besonders Lehrmedien mit Informations-, Simulations- bzw. Werkzeugcharakter gefordert sind. Dagegen sollen Systeme vermieden werden, die den Lernprozess statisch steuern.

Insgesamt wird deutlich, dass die drei Lernparadigmen in vielen Punkten voneinander abweichen. Dabei ist der konstruktivistische Ansatz derjenige, der aktuell häufig für die Umsetzung von Lernsoftware befürwortet wird.[42] Dieser Standpunkt wird für die folgenden Überlegungen übernommen und in Form eines Lernwerkzeugs für situiertes Lernen näher erörtert.

2.1.2 Werkzeuge der Wissenskonstruktion

Ausgehend vom konstruktivistischen Ansatz und dem situierten Lernen soll weiterhin geklärt werden, welche Arten von Lernsoftware für deren Umsetzung geeignet sind. Dazu ist es zunächst notwendig Kategorien zu bilden. Lernsoftware sind, nach der Definition von Tulodziecki/ Herzig, „[...] all diejenigen Angebote, die genutzt werden können, um Lernprozesse in arrangierten oder informellen Kontexten anzuregen und zu unterstützen.“[43] Lernsoftware kann linear strukturiert oder vielschichtig sein, sie kann den Schüler spielend an das Wissen führen oder durch Simulation der Wirklichkeit Lernprozesses konstruieren, sie kann den Schüler aktiv einbeziehen oder passiv in ein Thema einführen bzw. es vorstellen.[44] Es lässt sich dabei z.B. unterscheiden zwischen der Lernart, dem Grad der Selbständigkeit und ob es sich um offene oder geschlossene, sowie ziel-fixierte bzw. ziel-offene Medien handelt. Diese Beispiele verdeutlichen bereits die Vielfalt an Möglichkeiten bei der Gestaltung von Lernsoftware.

Tulodziecki/ Herzig halten eine Unterteilung mit Blick auf eine Grundkonzeption für sinnvoll, die sich an dem Grad der Steuerung von Lernschritten bzw. dem Grad der Offenheit des Zugriffs auf Lerninhalte orientiert:

- Lehrprogramme, mit denen der Schüler selbst Inhalte zu einem meist eng eingegrenzten Themenbereich mit vorgegebener Steuerung erarbeiten kann,

- Übungsprogramme, mit denen bereits erarbeitete Inhalte gefestigt bzw. automatisiert werden,
- Offene Lehrsysteme, bei denen die Information didaktisch und hypermedial zu einem speziellen Themengebiet, meist in Form von Werkzeugen, zur Verfügung gestellt wird,
- Lernspiele, die nicht primär auf das Lernen zielen, sondern auf die Aneignung von Lösungsstrategien durch die Anwendung pädagogisch sinnvoller Aufgaben,
- Experimentier- und Simulationsumgebungen, wobei auf der Basis realer bzw. fiktiver Zustände in der Modellvorstellung Prozesse simuliert werden,
- Kommunikations- und Kooperationsumgebungen, welche eine Infrastruktur zum Austausch von Informationen, Erfahrungen und Meinungen sowie zur gemeinsamen Arbeit an Projekten auf Distanz ermöglichen
- Datenbestände, die Online wie offline themenbezogene Daten zur Verfügung stellen und
- Werkzeuge als themenunabhängige Programme, die zur Produktion, Bearbeitung und Gestaltung von visuellen, auditiven sowie audiovisuellen Produkten dienen.[45]

In dieser Arbeit können nicht alle genannten Kategorien bezüglich ihres Einsatzes in situierten Lernsituationen erörtert werden. Aus den Überlegungen des vorangegangen Kapitels wird jedoch deutlich, dass es sich um ziel-offene Konzepte mit wenig vorgegebener Steuerung handelt. In diesem Zusammenhang wird in dieser Arbeit der Einsatz von Werkzeugen befürwortet. In den Kategorien von Tulodziecki/ Herzig werden Werkzeuge als themenunabhängige Programme, sowie als Bestandteil der offenen Lernumgebungen genannt. Dabei ist letzteres ausschließlich zum Bereitstellen der Software vorgesehen und wird in Abschnitt 2.1.3 näher behandelt. Werkzeuge sind Hilfsmittel zur Produktion, Präsentation und Bearbeitung. Sie grenzen sich unter anderem von den anderen Kategorien ab, indem sie kein konkretes Lernziel verfolgen. Dazu müssen sie also nicht zwangsläufig didaktisiert sein, sondern dienen zur Unterstützung des Unterrichts und der vom Lehrer vorgegebenen Methode. Auch Rüschoff/ Wolff unterscheiden in der Typologie von medialen Anwendungen speziell im Fremdsprachenunterricht vier Gruppen: tutoriell orientierte Anwendungen, Anwendungen, in denen neue Medien als Ressourcen für das fremdsprachliche Lernen genutzt werden, Werkzeuganwendungen und Anwendungen zur Telekommunikation, die eine Begegnung mit der Kultur und authentischen Kontexten ermöglichen.[46] Den Autoren nach kann der prozessorientierte Erwerb einer fremden Sprache durch die aktive Beteiligung des Schülers mit Hilfe von Werkzeugen besonders effektiv unterstützt werden. Alle Werkzeuganwendungen haben gemeinsam, dass durch sie der Lernprozess nicht von Außen beeinflusst wird, sondern dass sich Lehrer und Schüler ihrer bedienen können, um den konstruktiven Prozess des Fremdsprachenerwerbs mitzugestalten.[47]

Papert propagierte in den 1980er Jahren, dass Computer nicht nur Instrumente der Wissensvermittlung sind, sondern als Denkwerkzeuge eingesetzt werden sollten. Die Kritik traf zu diesem Zeitpunkt vor allem die Übungsprogramme, bei denen anhand von schematisch abzuarbeitenden Aufgaben ausgewählte Inhalte und Fertigkeiten antrainiert wurden.[48] Dabei ließen die Programme seiner Meinung nach für Kreativität zu wenig Raum. Das eigentliche Potenzial des Computers als Medium für das Lernen läge darin, die Schüler zu motivieren, sich mit komplexen Problemen auseinanderzusetzen und selbstständig kreative Lösungen zu generieren. Jonassen entwickelte zu diesem Ansatz didaktische Ideen dazu, wie inhaltsfreie Anwendungssoftware als Werkzeuge eingesetzt werden können. Dabei stellt der Computer nicht den Informationsmittler, sondern ein kognitives Werkzeug dar, mit dem der Schüler befähigt wird, sich Problemen zu nähern, sie darzustellen oder kreativ zu lösen. Er geht davon aus, dass Werkzeuganwendungen besonders für konstruktivistische Lernszenarien im kooperativen, projektorientierten Charakter ihre Vorteile entfalten.[49]

Kerres ist der Meinung, dass durch die erwünschte Übertragung der Lehrfunktion auf das Medium der Werkzeugcharakter von Medien lange Zeit unterschätzt wurde.[50] Das Werkzeug unterstützt den Lernprozess, aber leitet ihn nicht an. Dazu sind mediale Systeme geeignet, um eine aktive Auseinandersetzung mit dem Wissen zu unterstützen. Dazu gehört zum Beispiel einen Text in Form von Annotationen oder weiterführenden Gedanken lesen und bearbeiten. Diese Auseinandersetzung ist eine grundlegende Lerntechnik und erweist sich besonders nützlich in der Wissensaneignung. Dabei muss die didaktische Bedeutung der Werkzeuge für audiovisuelle und kommunikative Lernprozesse betrachtet werden. Lernwerkzeuge sind in dieser Betrachtung Medien:

- zur Präsentation der Lehrinhalte,
- zur interaktiven Bearbeitung der Lernangebote,
- zur interpersonellen Kommunikation,
- der Wissenskonstruktion sowie -kommunikation.[51]

Da die Werkzeuge flexibel in ihrem didaktischen Umfeld einsetzbar sind, entfällt normalerweise eine umfangreiche zeitliche und logische Strukturierung des Lernangebots bzw. des Unterrichtsszenarios. Jedoch macht der Werkzeugeinsatz allein noch keine didaktische Wertigkeit des Lernprozesses. So kann, nach Meinung von Kerres, prinzipiell jedes Werkzeug den Prozess unterstützen, „... es kommt [dabei aber] auf die mit dem Werkzeug bearbeitete Lernaufgabe an, ob die Nutzung des Werkzeugs für das Erreichen des Lehrziels förderlich ist.“[52]

Der Einsatz von Werkzeugmedien im Unterrichtsalltag sollte daher kritisch betrachtet werden. Nicht immer ist klar, ob die Anforderungen und didaktischen Ziele durch den Medieneinsatz besser erarbeitet werden können, als ohne diese. Beispielsweise ist für die eigene Produktion von Text nicht zwangsweise das Textverarbeitungsprogramm die beste Lösung. Auch Papier und Bleistift können Vorteile bringen, wie die einfache Möglichkeit Anmerkungen zu machen, grafische Symbole einzufügen oder eine bessere Sicht auf die Gesamtstruktur des Textes zu erhalten. Auch das Lesen gestaltet sich am Bildschirm eher schwierig, da man immer nur einen gewissen Ausschnitt sieht und ein Blättern im Dokument umständlich ist. So eignen sich beispielsweise Printmedien besonders gut für lange Texte, multimediale Lernmedien hingegen für die Vermittlung audiovisueller Inhalte.

Der Werkzeugeinsatz soll bei letzteren stets den Lernprozess in den Vordergrund stellen und nicht die Nutzung des Programms. Dieser Punkt wird sowohl bei der Entwicklung der Software, als auch bei der didaktischen Konzeption oft vernachlässigt.[53] Aus den Überlegungen folgt, dass es für die Konzeption von medialen Werkzeugen für den Unterricht oder sogar für Unterrichtssoftware allgemein notwendig ist, zunächst das Einsatzszenario zu betrachten. Jede Softwarekonzeption sollte in Abhängigkeit zu ihrem didaktischen Umfeld betrachtet werden.

Werkzeuge sind unter anderem durch ihre Möglichkeit des interaktiven Arbeitens gekennzeichnet. Dabei meint Interaktivität die prinzipielle Möglichkeit des Anwenders, in den Programmverlauf einzugreifen bzw. auf programmtechnische Aktionen zu reagieren.[54] Die Definition von Interaktivität ist in der Literatur nicht einheitlich. Gräber bezeichnet ein Programm als interaktiv, wenn es in differenzierter und angemessener Weise auf unterschiedliche Eingaben des Anwenders reagiert. Damit wird dem Anwender ermöglicht, auf den Ablauf des Programms einzuwirken.[55]

Eine andere Meinung vertreten Baumgartner und Payr, da der Begriff der Interaktivität im Zusammenhang mit dem Computer technisiert und damit „... seiner handlungstheoretischen Dimension beraubt wurde.“[56] Die Autoren verstehen unter Interaktivität vielmehr, dass der Rezipient in den medialen Lernprozess gestaltend einbezogen ist. Genauer bezeichnen sie das interaktive Handeln als prospektiv auf eine ausgerichtete Erlebniserwartung.[57] Hier wird eine unterschiedliche medientheoretische Ausrichtung deutlich. Für Baumgartner/ Payr muss ein Programm, um interaktiv zu sein, auch produktiv sein, d.h., der Anwender soll mit ihm planvoll und zukunftsgerichtet handeln können. Primär sieht Gräber dagegen die Wechselwirkung zwischen Mensch und Maschine, wobei er einen einfachen Dialog als Basis der Interaktion zugrunde legt. Kerres ist diesbezüglich der Meinung, dass eine dialogische Form von Interaktion im Sinne wechselseitiger Beeinflussung mit interaktiven Medien nicht möglich ist. Die Definitionen stellen gegensätzliche theoretische Positionen dar, wobei sich in der Praxis jedoch auch Zwischentöne zwischen diesen Ansätzen finden lassen.

Meschenmoser sowie Schulmeister haben versucht, Interaktivität in Computerprogrammen in verschiedene Stufen einzuteilen. Dabei beginnen Sie mit geringer und enden bei größtmöglicher Interaktivität:

- Auswahl bestimmter vorgegebener Informationen: Lesen, Ausdrucken, Links
- Antwortmöglichkeiten auf vorgegeben Fragen nutzen (Multiple-Choice, Ja/Nein... ) Drill and Practice
- Selbstgesteuertes Markieren von Informationsteilen (Worte im Text, Bildausschnitte) und per Klick bzw. Tooltipp das Aufrufen von erweiterten Informationen: Hypertexte, Klanglexika, technische Zeichnungen
- Selbstgesteuertes Verarbeiten von Aufgabenstellungen in kontextbezogenen Programmen, die eine konstruktive Bearbeitung am Computer zulassen, freier Eintrag komplexer Antworten mit intelligentem tutoriellem Feedback
- freie Eingabe in kontextunabhängigen Werkzeugen zur Konstruktion von Produkten: Mal- und Zeichenprogramme, Textverarbeitung sowie freie ungebundener Dialog mit einem Tutor oder mit Lernpartnern mit Hilfe von Multimedia- oder Hypermediasystemen[58]

Beim Einsatz von Werkzeugen soll sich der Schüler nicht einem vorgegebenen Frage-Antwort-Schema widmen. Lernwerkzeuge besitzen einen hohen Grad an Interaktivität, indem der Schüler im Sinne emanzipatorischer Pädagogik an der Gestaltung der Lernprozesse teilhaben kann. Diese Form der Interaktivität stellt einen zentralen Mehrwert der Lern- und Arbeitswerkzeuge dar.[59] Daneben sollen hier die Möglichkeiten der Dokumentation und des Reversierens als interaktive Methoden genannt werden. Dokumentationsfähigkeit meint in diesem Zusammenhang die Möglichkeit zum Speichern und Aufrufen sowie Manipulieren, Visualisieren von z.B. Texten, Grafiken, Audio- und Videodaten. Daraus resultiert eine zeitlich unbefristete Auseinandersetzung mit dem Lerninhalt, also z.B. über mehrere Unterrichtsstunden oder über einen Nachmittag verteilt. Lern- und Arbeitswerkzeuge können auf einem Computer, aber auch innerhalb einer virtuellen Lernumgebung bereitgestellt werden. Über die Lernumgebung und das Internet sind die Werkzeuge und die produzierten Daten portierbar und flexibel. Daten können in unterschiedlichen Arbeitsschritten und Bearbeitungszuständen gespeichert bzw. weiterverarbeitet werden. Dabei kann innerhalb von webbasierten Werkzeugen die Bearbeitung relativ unabhängig von Zeit und Ort erfolgen. Der Prozess der Entstehung des Produktes kann im Verlauf des Lernprozesses dokumentiert werden. Der Bereitstellung von Lernwerkzeugen innerhalb von webbasierten Lernumgebungen und die notwendigen infrastrukturellen Überlegungen werden im Abschnitt 2.1.3 gesondert behandelt.

Des Weiteren bieten die Lern- und Arbeitswerkzeuge die Möglichkeit zum Reversieren bzw. Korrigieren. Kopien von Print-Lernmaterial bzw. das Arbeitsbuch sind meist nur für die einmalige Bearbeitung vorgesehen. Der Schüler muss demnach mit seinen ‚Eingaben‘ hier exakt und sorgfältig vorgehen.[60] Dagegen kann durch Reversieren bzw. Korrigieren von digital produzierten Inhalten mit verschiedenen Möglichkeiten gespielt oder experimentiert werden. Lösungswege können erprobt und falsche Eingaben können zurückgenommen werden. Damit wird der Schüler zum aktiven Umgang mit ihm noch unbekannten Lerninhalten ermutigt.[61] Lernwerkzeuge bieten durch ihre Zieloffenheit dazu umfangreiche Möglichkeiten.

Alle drei genannten Komponenten Interaktivität, Dokumentationsfähigkeit und Reversieren sind Kennzeichen für interaktive Medien, die der Unterstützung von konstruktivistischen Lernprozessen dienen können. Es bleibt jedoch noch einmal festzuhalten, dass der Einsatz von interaktiven Medien per se, wie sie die Lernwerkzeuge darstellen, kein Garant für didaktisch sinnvollen Unterricht oder eine hohe Motivation der Schüler darstellt. Allerdings kann durch die entstehende Handlungsvielfalt der Unterricht bereichert werden. Schulmeister stellt dazu die Hypothese auf:

„Mit dem Ansteigen des Interaktivitätsniveaus wird der Ereignisraum vielfältiger, der Darstellungsraum wird variantenreicher und der Bedeutungsraum wächst.“[62]

Der Einsatz der Werkzeuge im Schulunterricht kann jedoch nur ermöglicht werden, wenn jedem Schüler die Software uneingeschränkt zur Verfügung steht. Dazu gibt es unterschiedliche, infrastrukturelle Möglichkeiten, die im folgenden Abschnitt detailliert besprochen werden.

2.1.3 Infrastrukturen von Medien im Unterricht

Parallel zur Entwicklung der für den Schulunterricht sinnvollen Lern- und Arbeitswerkzeuge muss erörtert werden, wie z.B. Klassenräume oder Bibliotheken ausgestattet sein müssen oder welche Softwareumgebungen notwendig sind, um den Unterricht mit neuen Medien, insbesondere unterstützenden Lernwerkzeugen, zu ermöglichen. Dazu werden zunächst verschiedene Modelle vorgestellt, die den Schülern Zugang zur Computer-Hardware ermöglichen. Neben der Hardware wird anschließend der softwaretechnische Rahmen für einen Werkzeugensatz im Schulunterricht näher betrachtet. Dazu wird eine Möglichkeit zur Bereitstellung von Werkzeugen innerhalb von Lernumgebungen erläutert, die an der Universität Paderborn entwickelt wurde: das Konzept des virtuellen Wissensraums.

Ausstattungskonzepte für Computerarbeitsplätze in Schulen

Zur Gestaltung von Fach- und Arbeitsräumen für den Schulunterricht liegt eine Reihe von Publikationen vor, wobei die fachdidaktischen Veröffentlichungen jedoch keine oder kaum Computerarbeitsplätze einbeziehen. Beiträge zum Einsatz von interaktiven Medien weisen selten begründete Aussagen zu der Unterrichtsorganisation und den Ausstattungsempfehlungen auf.[63] Jedoch lassen sich trotzdem Ausstattungskonzepte finden, die drei Grundkonzepte unterscheiden:

- Feste Computereinheiten und ‚Medienecken‘ (Klassenräume, Fachräume, Bibliotheken), die allen Schülern den Zugang zu Computern und dem Internet (auch außerhalb des Unterrichts) ermöglichen. Als Medienecke wird ein festgelegter Funktionsbereich innerhalb eines Klassen- bzw. Fachraumes bezeichnet. Dabei können in einer Medienecke alle Arten von Medien, also auch Fachbücher, Nachschlagewerke und andere Werkzeuge zu finden sein. Es besteht jederzeit die Möglichkeit, zu recherchieren, Unterrichtsstunden nachzubereiten, auf Dokumente zuzugreifen oder zu kommunizieren. Ein entscheidender Vorteil dieses Konzepts besteht in seinem vergleichsweise geringen Raumbedarf. Da die Anzahl der Computer begrenzt ist, muss in der Medienecke allerdings teilweise Gruppenarbeit oder Stationenlernen stattfinden.
- Computerräume sind zentralisierte Räume , in denen die Schüler durch eigene Erfahrungen und Training unter Anleitung eines Lehrers, aber auch in gemeinsamer Reflexion, den Computer als Medium zu benutzen lernen. Im Computerraum steht für jeden Schüler ein Computer zur Verfügung, der aber ebenso für die Gruppenarbeit genutzt werden kann. Leider ist hier die Arbeit außerhalb des Unterrichts meist nicht möglich. Der Lehrer muss den Raum für die entsprechende Unterrichtstunde reservieren und muss sich mit den Schülern dorthin begeben. Ein Vorteil ist, dass der Installationsaufwand relativ gering gehalten wird. Problematisch ist dagegen, dass ein spezieller Raum nur für diesen Zweck bereitgestellt werden muss und anderweitig nicht zu gebrauchen ist. Gleichzeitige Nutzung durch mehrere Klassen ist daher auch nicht denkbar.
- Mobile Einheiten, die den Computer zu einem universellen Arbeitsmittel machen, auf den die Schüler flexibel zugreifen können. Mobile Computer ermöglichen den Einsatz während des Unterrichts, aber auch zu Hause. Entscheidender Faktor ist hier, dass jeder Schüler selbst für sein Gerät Verantwortung trägt, was Vor- und Nachteile beinhaltet. Die Schüler gehen meist sorgfältiger mit ihrem persönlichen Gerät um. Jedoch ist durch einen zusätzlichen Einsatz im privaten Bereich nicht immer sichergestellt, dass ein Gerät zum gewünschten Zeitpunkt im Unterricht einsatzfähig ist.[64]

Die Festlegung auf eines dieser Konzepte hat weit reichende Auswirkungen auf die Unterrichtsgestaltung. Jedem dieser Modelle liegen unterschiedliche Nutzungsformen und Anforderungen zugrunde. Der Einsatz richtet sich nach der Unterrichtmethode, sowie dem erwünschten Lernziel. Die spezifischen Vor- und Nachteile können jedoch im Umfang dieser Diplomarbeit nicht weiter erarbeitet werden.

Für den Einsatz von Lern- und Arbeitswerkzeugen eignet sich grundsätzlich jedes der genannten Konzepte. An dieser Stelle soll jedoch für den Einsatz von Lernwerkzeugen eine Empfehlung an die Ausstattung ausgesprochen werden. In den Studien von Lang wird deutlich, dass mit der heutzutage umgesetzten Ausstattung der Computerräume eine relativ geringe Verbreitung des Computereinsatzes im Unterricht erreicht wurde.[65] In einer offenen Unterrichtsgestaltung, in der die Schüler weitgehend selbstständig und eigenverantwortlich arbeiten und über den Einsatz der Werkzeuge selbstständig entscheiden sollen, ist der unmittelbare Zugang zum Computer von zentraler Bedeutung. Bei den Werkzeugen handelt es sich zumeist um unterrichtsbegleitende Materialien, die eine Ergänzung zu traditionellen Medien darstellen. Der Computerraum verliert demnach weiter an Bedeutung, da die Schüler bzw. die Klassen hier ggf. nicht zeitgleich arbeiten können. Außerdem nennt Meschenmoser als weiteren Nachteil des Computerraums, dass die Nutzung der längerfristigen Planung bedarf, die eine situationsbezogene Nutzung verhindert.[66] Demzufolge empfehlen sich für den Medieneinsatz im Schulunterricht besonders die Medienecken und die mobilen Einheiten. Selbstverständlich ist, dass diese Aussagen nicht immer allgemeingültig sind, sondern von der spezifischen Situation und Umsetzung jeder einzelnen Schule abhängig sind.

Lernumgebungen als lernförderliche Infrastrukturen

Neben der einzusetzenden Hardware ist auch die softwaretechnische Infrastruktur von Bedeutung. Grundsätzlich besteht die Möglichkeit, die Lernwerkzeuge auf dem Computer fest zu installieren. Allerdings ist bei der festen Installation die Software immer an das jeweilige Gerät gebunden. Falls der Schüler während der Bearbeitung einer Aufgabe den Computer wechseln muss, ist er darauf angewiesen, dass die entsprechende Software dort ebenfalls installiert ist. Durch eine feste Installation von Lernsoftware wird ein kooperatives Arbeiten der Schüler daher potentiell erschwert. Dies steht im Widerspruch zu zentralen Forderung an die Umsetzung von offenen Unterrichtskonzepten, die Arbeit kooperativ und kommunikativ erfolgen zu lassen. Für die kooperative Arbeit im Netz eignen sich webbasierte Lernumgebungen, die ein Netzwerk zwischen Lehrern und Schülern herstellen und darüber hinaus Werkzeuge bereitstellen.

Eine pädagogische Definition zu Lernumgebungen bieten Schulmeister und Baumgartner an. Baumgartner et al. sehen die virtuelle Lernumgebung als die räumlichen, zeitlichen, personellen sowie instrumentellen Merkmale einer Situation, die sich in den Lernprozess einbettet. Es handelt sich um eine mit IT-Hilfsmitteln medial gestaltete Lernumgebung, die strukturiert ist durch ein methodisch-didaktisches Design. Sie ist verbunden mit personellen Dienstleistungen und bedingt durch die Leistungsfähigkeit der technischen Hilfsmittel. Lernumgebung kann dabei als eine Art Oberbegriff gesehen werden, in der sich ein Schüler bewegt und interagiert.[67] Schulmeister beschreibt das Ziel einer gelungenen Lernumgebung als didaktisch sinnvolle Vermittlung des Lerngegenstandes, die in den Lernkontext des Anwenders eingebettet wird. Er unterscheidet Lernumgebungen nach Plattformen zum individuellen Selbstlernen bis hin zu kooperativen Lern- und Wissensgemeinschaften.[68] Demzufolge gestaltet eine klassische Lernumgebung die verschiedenen Lehrmaterialien so, dass sie bestimmte Lehr-/Lern-Prozesse anregen. Zum Einsatz von webbasierten Lernumgebungen stehen verschiedene Möglichkeiten der Umsetzung zur Verfügung, wie z.B. Lernplattformen, -portale oder Groupware für das kooperative Arbeiten. Schulmeister unterscheidet dazu zwischen der Software für Portale, den Learning-Management-Systemen, Lernplattformen, Autorenwerkzeugen und den Werkzeugen für kooperative Arbeit im Netz.[69] Welche dieser Ansätze besonders geeignet ist, hängt vom Kontext und einer Reihe von Design-Faktoren ab (z.B. lehrer- oder schülerzentrierter Ansatz, reine Information oder kooperativer Austausch) und wird in dieser Arbeit nicht weiter erarbeitet.

Keil bezeichnet Lernstätten im Netz als „Stätten der Begegnung“ und fordert, dass lernförderliche Infrastrukturen diese Begegnung unterstützen. Dabei ist für ihn nicht ausschließlich die Zeit- und Ortsunabhängigkeit von Bedeutung, sondern er sieht den zentralen Mehrwert in der zeit- und ortsübergreifenden Integration von Lernorten und Aktivitäten.[70] Für die Realisierung von sozialen, kooperativen Lernprozessen ist von Bedeutung, dass sie sich weitestgehend auf gemeinsam genutzte Materialien stützen, die ausgetauscht und verarbeitet werden. Wünschenswert ist dabei, die schulische Perspektive mit einer persönlichen zu verknüpfen und so eine größere Motivation für eine kooperative Interaktion zwischen den Schülern über das Netzwerk zu schaffen.[71] Eine Lernumgebung unterstützt individuelle Arbeitsprozesse, wie den Zugang zu Materialien, das Speichern und Archivieren, aber fördert ebenso kooperative Prozesse, wie Gruppenarbeit mit Werkzeugen oder Kommunikation. Weiterhin beschreibt Keil die aktuelle Situation von digitalen Medien als „mediale Einbahnstraße“, in der Schreibrechte meist nur den Lehrern zur Verfügung stehen.[72] Für die verteilte Aneignung von Wissen ist es dagegen wünschenswert, Umgebungen zu erstellen, die mit einfachen Mitteln an die jeweilige Nutzungssituation angepasst werden können und somit z.B. auch die flexible Verwaltung von Lese- und Schreibrechten für Dokumente erlauben.

[...]


[1] Vgl. Tulodziecki/ Herzig, 2004, S. 18

[2] Die Literatur schreibt für die Begriffe Lehrer und Schüler häufig die allgemeinen Begriffe Lehrender und Lernende. Aufgrund der einheitlichen Terminologie und der einfacheren Lesbarkeit werden in dieser Arbeit ausschließlich die Begriffe Lehrer Schüler verwendet. Sowohl hier wie auch im weiteren Verlauf der Arbeit beziehen sich die Begriffe Schüler und Lehrer dabei auf weibliche wie auch männliche Personen. Zur Vereinfachung der Lesbarkeit wird auf die explizite Nennung der weiblichen Form verzichtet.

[3] Vgl. Tulodziecki/ Herzig, 2004, s. 14ff.

[4] Tulodziecki/ Herzig, 2004, S. 18

[5] Kerres, 2001, S. 19

[6] Vgl. ebd. S. 19; Papert, 1994, S. 60ff.

[7] Herzig, 1996, S. 123

[8] Vgl. Meschenmoser, 1999, S. 41f.

[9] Schulmeister, 1997, S. 200

[10] Mediendidaktische Fragestellungen nach Kerres: 1. lernförderliche Infrastruktur, 2. Medienprodukte mit didaktischer Intention, 3. Werkzeuge für Lehr- und Lernprozesse, 4. Konzeption, Entwicklung, Einsatz didaktischer Medien. (Vgl. Kerres, 2001, S. 29f.)

[11] Vgl. Baumgartner/ Payr, 1999, S. 100

[12] Vgl. Baumgartner/ Payr, 1999, S. 101f.

[13] Vgl. Kerres, 2001, S. 56f.

[14] Vgl. Skinner, 1958, S. 970

[15] Die Programmierte Instruktion ist auch unter den Bezeichnungen Programmierter Unterricht und Programmierte Unterweisung bekannt (Vgl. de Witt/ Czerwionka, 2007, S. 54) und daher werden sie in dieser Arbeit synonym verwendet.

[16] Vgl. Kerres, 2001, S. 61ff.

[17] Vgl. Roche, 2005, S. 15; de Witt/ Czerwionka, 2007, S. 55; Tulodziecki/ Herzig, 2004, S. 128ff.

[18] Die Ziel-Methoden-Matrix ist eine Methode zur Bewertung von Unterricht nach Gage/Berliner, 1975/77, Vgl. Terhart, 1989, S. 85

[19] Vgl. Schulmeister, 1997, S. 127

[20] Vgl. de Witt/ Czerwionka, 2007, S. 56

[21] Vgl. Skinner, 1958, S. 971

[22] Vgl. de Witt/ Czerwionka, 2007, S. 56

[23] Vgl. Baumgartner/ Payr, 1999, S. 105

[24] Vgl. Kerres, 2001, S. 66f.

[25] Vgl. ebd., S. 67

[26] Vgl. de Witt/ Czerwionka, 2007, S. 57

[27] Vgl. ebd., S. 58

[28] Vgl. Barr/ Feigenbaum, 1982, zit. nach Schulmeister, 1997, S. 182

[29] Vgl. Schulmeister, 1997, S. 182 ff.

[30] Vgl. Tulodziecki/ Herzig, 2004, S. 140ff.

[31] Vgl. de Witt/ Czerwionka, 2007, S. 59

[32] Vgl. Baumgartner/ Payr, 1999, S. 107f.

[33] Vgl. Roche, 2005, S. 22; Tulodziecki/ Herzig, 2004,S. 144

[34] Vgl. Kerres, 2001, S.76f.; Mandl et al., 2002, S.139ff; Tulodziecki, 2004, S. 145f.; de Witt/Czerwionka, 2007, S. 60f.

[35] Vgl. Kerres, 2001, S. 77ff.

[36] Vgl. Mandl et al., 2002, S.141

[37] Vgl. ebd.; Tulodziecki/ Herzig, 2004, S. 146ff.

[38] Vgl. Arnold, 2005, S. 4ff. zit. nach de Witt/ Czerwionka, 2007, S. 61

[39] Mandl et al., 2002, S. 141

[40] Vgl. ebd., S. 143f.

[41] Vgl. Tulodziecki/ Herzig, 2004, S. 144

[42] Vgl. Baumgartner/ Payr, 1999, S.100; Kerres, 2001, S.74ff.; Mandl. et al., 2002, S. 139ff.

[43] ebd., 2004, S. 70

[44] Vgl. ebd.

[45] Vgl. ebd., S. 72ff.

[46] Vgl. Rüschoff/ Wolff, 1999, S. 67

[47] Vgl. ebd. S. 73

[48] Vgl. Papert, 1994, S. 153ff.

[49] Vgl. Jonassen, 1996, S. 9ff.

[50] Vgl. Kerres, 2001, S, 247

[51] Vgl. ebd., S. 248f.

[52] ebd., 2001, S. 250

[53] Vgl. ebd., S. 255

[54] Vgl. Meschenmoser, 1999, S. 43

[55] Vgl. Gräber, 1990, S. 111

[56] Baumgartner/ Payr, 1999, S. 128

[57] ebd. S. 131

[58] Vgl. Meschenmoser, 1999, S. 44; Schulmeister, 1997, S. 66f.

[59] Vgl. Kerres, 2001, S. 100

[60] An dieser Stelle soll angemerkt werden, dass dies auch ein Nachteil sein kann. Gelöschtes oder Verändertes verschwindet im wörtlichen Sinne meist spurlos.

[61] Vgl. Meschenmoser, 1999, S. 45

[62] Schulmeister, 2003, S. 224

[63] Vgl. Meschenmoser, 1999, S. 94

[64] Vgl. Breiter/ Kubicek, 1999, S. 41

[65] Vgl. Lang, 1995, S. 37ff.

[66] Vgl. Meschenmoser, 1999, S. 96

[67] Vgl. Baumgartner et al., 2004, S. 432f.

[68] Vgl. Schulmeister, 2003, S. 163ff.

[69] Vgl. ebd., 2001, S. 165

[70] Vgl. Keil, 2006, S. 72

[71] Vgl. ebd.

[72] Vgl. Keil, 2007, S. 91ff.; Keil-Slawik, 2003, S. 24

Details

Seiten
Erscheinungsform
Originalausgabe
Jahr
2009
ISBN (eBook)
9783836634687
DOI
10.3239/9783836634687
Dateigröße
3.6 MB
Sprache
Deutsch
Institution / Hochschule
Universität Paderborn – Kulturwissenschaften, Institut für Informatik
Erscheinungsdatum
2009 (September)
Note
1,1
Schlagworte
streaming e-learning sprachen flex werkzeuge
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Titel: Konzeption und Umsetzung einer webbasierten Streaming-Media-Anwendung für das Sprachlernen
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