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Die Eigenschaftstheorie der Führung

Darstellung und kritische Würdigung

©2008 Diplomarbeit 46 Seiten

Zusammenfassung

Inhaltsangabe:Einleitung:
Jede Organisation verfolgt bestimmte Ziele, welche sehr unterschiedlich ausgestaltet sein können. Diese können beispielsweise gesellschaftlicher Natur sein, sich auf den Output, das System oder ein Produkt beziehen oder aber aus anderen Bereichen abgeleitet werden. Alle Zielarten haben jedoch gemeinsam, dass zu deren Umsetzung eine gewisse Struktur notwendig ist. Diese zu schaffende Struktur führt besonders bei komplexeren Problemen unweigerlich zu Hierarchien oder anderen Formen der Organisation wie z.B. virtuellen Unternehmen, in denen Menschen das Verhalten anderer Menschen beeinflussen wollen und müssen, um die aufgesteckten Ziele zu erreichen. An diesem Punkt, der Verhaltensbeeinflussung, setzen alle Definitionen von Führung an. Führung heißt, andere durch eigenes, sozial akzeptiertes Verhalten so zu beeinflussen, dass dies bei den Beeinflussten mittelbar oder unmittelbar ein intendiertes Verhalten bewirkt. Organisationen versuchen zwar durch ihre Organisationsstrukturen und Regelungen einen reibungslosen Ablauf zur Zielerreichung zu gewährleisten, dennoch gelingt dieser Versuch im Alltag von Institutionen häufig nicht vollständig. Die Gründe hierfür sind wiederum sehr unterschiedlich. Es bleibt aber festzustellen, dass Führung einen festen Platz in Organisationen hat, jedoch erst eingesetzt wird, wenn organisationale Steuerung und andere Formen der Verhaltenskontrolle versagen. Eine erfolgreiche Organisation mit einer größeren Zahl an Personen ohne Führung, in welcher Form auch immer, ist schwer vorstellbar. Führung ist in Unternehmen ein sehr wichtiges Thema, da hiervon zum großen Teil der Erfolg bzw. der weitere Bestand einer Unternehmung abhängt. Bei der Führung von Mitarbeitern durch Vorgesetzte kommt es naturgemäß oftmals zu einem Spannungsfeld, da die Interessen beider Parteien nicht immer zusammen passen oder andere Gründe dazu führen.
Zur Lösung dieses Führungsproblems existiert keine Universallösung, so dass verschiedene Konzepte versuchen einen möglichen Weg zu beschreiben. Zu unterscheiden sind vier Theorieströmungen, die ihren jeweiligen Schwerpunkt entweder auf die Person, die Position, die Interaktion oder die Situation legen. Innerhalb dieses Bezugsrahmens kann es jedoch zu Überschneidungen kommen, so dass eine völlige Abgrenzung nicht immer möglich ist. Innerhalb der personenorientierten Führungstheorien existieren wiederum führer- und geführtenzentrierte Ansätze. Während sich die […]

Leseprobe

Inhaltsverzeichnis


Florian Mayr
Die Eigenschaftstheorie der Führung
Darstellung und kritische Würdigung
ISBN: 978-3-8366-3085-6
Herstellung: Diplomica® Verlag GmbH, Hamburg, 2009
Zugl. FernUniversität Hagen, Hagen, Deutschland, Diplomarbeit, 2008
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© Diplomica Verlag GmbH
http://www.diplomica.de, Hamburg 2009

I
Inhaltsverzeichnis
Seite
Abbildungsverzeichnis
II
1. Einleitung
1
2. Zentrale Aussagen der Eigenschaftstheorie
3
2.1 Der Eigenschaftsbegriff
3
2.2 Grundelemente
5
2.3 Führungspotenzial
7
2.4 Berücksichtigung situativer Komponenten
10
2.5 Empirie
12
3. Die Eigenschaftstheorie in der Praxis
19
3.1 Bedeutung und Verbreitung
19
3.2 Gründe für die Verbreitung
25
4. Kritische Würdigung
28
5. Fazit
34
Literaturverzeichnis
36

II
Abbildungsverzeichnis
Seite
Abbildung 1: Die"Big Five" der Persönlichkeitsdiagnostik
4
Abbildung 2: Sub-Faktoren der Persönlichkeit
4
Abbildung 3: Schematische Darstellung der Persönlichkeitsstruktur 9
Abbildung 4: Zusammenhang zwischen Führung und
Persönlichkeitsfaktoren
13
Abbildung 5: An GLOBE teilnehmende Länder
14
Abbildung 6: Kulturdimensionen des
,,Charismatischen/Werteorientierten Leaderships"
17
Abbildung 7: Instrumente des Assessment-Centers
20
Abbildung 8: Talentmanagement-System
24

1
1. Einleitung
Jede Organisation verfolgt bestimmte Ziele, welche sehr unterschiedlich
ausgestaltet sein können. Diese können beispielsweise gesell-
schaftlicher Natur sein, sich auf den Output, das System oder ein
Produkt beziehen oder aber aus anderen Bereichen abgeleitet werden
(vgl. Perrow 1970, S. 135). Alle Zielarten haben jedoch gemeinsam,
dass zu deren Umsetzung eine gewisse Struktur notwendig ist. Diese zu
schaffende Struktur führt besonders bei komplexeren Problemen unwei-
gerlich zu Hierarchien oder anderen Formen der Organisation wie z.B.
virtuellen Unternehmen, in denen Menschen das Verhalten anderer
Menschen beeinflussen wollen und müssen, um die aufgesteckten Ziele
zu erreichen. An diesem Punkt, der Verhaltensbeeinflussung, setzen alle
Definitionen von Führung an. Führung heißt, andere durch eigenes,
sozial akzeptiertes Verhalten so zu beeinflussen, dass dies bei den Be-
einflussten mittelbar oder unmittelbar ein intendiertes Verhalten bewirkt
(vgl. Weibler 2001, S. 29). Organisationen versuchen zwar durch ihre
Organisationsstrukturen und Regelungen einen reibungslosen Ablauf zur
Zielerreichung zu gewährleisten, dennoch gelingt dieser Versuch im All-
tag von Institutionen häufig nicht vollständig. Die Gründe hierfür sind
wiederum sehr unterschiedlich. Es bleibt aber festzustellen, dass
Führung einen festen Platz in Organisationen hat, jedoch erst eingesetzt
wird, wenn organisationale Steuerung und andere Formen der
Verhaltenskontrolle versagen (vgl. Weibler 2001, S. 106f.). Eine erfolg-
reiche Organisation mit einer größeren Zahl an Personen ohne Führung,
in welcher Form auch immer, ist schwer vorstellbar. Führung ist in Unter-
nehmen ein sehr wichtiges Thema, da hiervon zum großen Teil der
Erfolg bzw. der weitere Bestand einer Unternehmung abhängt. Bei der
Führung von Mitarbeitern durch Vorgesetzte kommt es naturgemäß
oftmals zu einem Spannungsfeld, da die Interessen beider Parteien nicht
immer zusammen passen oder andere Gründe dazu führen.
Zur Lösung dieses Führungsproblems existiert keine Universallösung, so
dass verschiedene Konzepte versuchen einen möglichen Weg zu be-
schreiben. Zu unterscheiden sind vier Theorieströmungen, die ihren je-
weiligen Schwerpunkt entweder auf die Person, die Position, die Inter-
aktion oder die Situation legen (vgl. Wunderer 2007, S. 273ff.). Innerhalb
dieses Bezugsrahmens kann es jedoch zu Überschneidungen kommen,
so dass eine völlige Abgrenzung nicht immer möglich ist. Innerhalb der
personenorientierten Führungstheorien existieren wiederum führer- und

2
geführtenzentrierte Ansätze. Während sich die geführtenzentrierten
Theorien auf die Rolle des Mitarbeiters fokussieren, betrachten führer-
orientierte Ansätze Führungskräfte als zentrale Variable zur Erklärung
von Führungswirkungen. Bei den führerzentrierten Ansätzen können
charismatische, tiefenpsychologische Führungstheorien, sowie ent-
scheidungstheoretische Ansätze und die Eigenschaftstheorie der
Führung als die wichtigsten Theorieansätze genannt werden (vgl.
Wunderer 2007, S. XVI). Die charismatischen Konzepte beschäftigen
sich mit der Wirkung zwischenmenschlicher Anziehung und Bewunder-
ung des Führers auf die Geführten. (vgl. Weinert 1998, S. 472).
Dagegen orientieren sich tiefenpsychologische Ansätze an einer
gefühls- bzw. triebgerichteten Konzeptualisierung menschlichen Ver-
haltens, entscheidungstheoretische Modelle hauptsächlich an der
Akzeptanz und Qualität von Entscheidungen durch die Geführten (vgl.
Weibler 2001, S. 151ff.).
Die Eigenschaftstheorie der Führung hingegen ist ein individual-
psychologischer Ansatz zur Erklärung von Führungsverhalten, was in
den folgenden Ausführungen weiter vertieft wird (vgl. Wunderer 2007, S.
274). Ziel dieser Arbeit ist es nämlich, wichtige, zentrale Aussagen und
Erkenntnisse der Eigenschaftstheorie vorzustellen sowie elementare
Kritikpunkte gegen diese Theorie darzulegen und zu diskutieren, um
somit ein Gesamtbild dieser Theorie zu schaffen und eine Einordnung
dieses Themenbereiches zu ermöglichen. Hierzu werden zunächst der
Eigenschaftsbegriff definiert und die Grundelemente der Eigenschafts-
theorie beschrieben, bevor detailliert auf vergangene und aktuelle
empirische Studien eingegangen wird. Danach wird ein etwas vor-
sichtigerer Ansatz von Weinert und Scheffer vorgestellt, der sich nicht
nur mit der Frage der Führungseigenschaften, sondern auch mit dem
vorhandenen Führungspotenzial auseinander setzt.
Um einen Überblick über die vorgestellte Theorie zu bekommen, ist es
zudem wichtig, die Verbreitung in der Praxis bzw. die Gründe hierfür
näher zu beleuchten. Abschließend wird das Thema einer kritischen
Würdigung unterzogen, in der die maßgeblichsten Kritikpunkte an der
Eigenschaftstheorie herausgearbeitet werden. Im Fazit wird die
Thematik in Form eines Ausblicks in die Zukunft nochmals abgerundet,
so dass man mit der vorliegenden Arbeit einen guten Einblick darin
erhält, inwieweit die Anwendung des eigenschaftstheoretischen An-
satzes sinnvoll ist.

3
2. Zentrale Aussagen der Eigenschaftstheorie
2.1 Der Eigenschaftsbegriff
Eigenschaften sind hypothetische Ursachen für beobachtbares aktuelles
Verhalten (vgl. Neuberger 2002, S. 227). Sie können umschrieben wer-
den als relativ breite und zeitlich stabile Dispositionen zu bestimmten
Verhaltensweisen, die konsistent in verschiedenen Situationen auftreten
(vgl. Amelang/Bartussek 2001, S. 49). Führungseigenschaften werden
häufig als Bestehendes, was man ,,besitzt" oder nicht, verfälscht, was
der vorwissenschaftlichen Tendenz der Psychologie entspricht (vgl.
Delhees 1995, Sp. 898). Die wissenschaftliche Psychologie betrachtet
jedoch Führungseigenschaften als Konstrukte und nicht als materielle
Dinge, deren Evidenz auf zuverlässiger und gültiger Beobachtung und
Messung von Verhalten in Führungssituationen beruht. Z.B. ist es un-
möglich Intelligenz dinglich zu lokalisieren. Sie wird aus bestimmten
Anzeichen erschlossen (vgl. Neuberger 2002, S.226).
Begibt man sich nun auf die Suche nach Persönlichkeitsmerkmalen, die
per Definition als Eigenschaft bezeichnet werden können, stellt man fest,
dass es eine unüberschaubare Anzahl von Eigenschaften gibt (vgl. Neu-
berger 2002, S. 229). Allport und Odbert beispielsweise fanden in den
dreißiger Jahren des letzten Jahrhunderts durch die Auswertung des
,,Webster`s Dictionary" annähernd 18.000 Begriffe, mit denen Personen
charakterisiert werden können, wobei diese Zahl heute noch wesentlich
höher liegen dürfte. Dieser lexikalische Ansatz basierte auf der
Vorstellung, dass Persönlichkeitsmerkmale in der Sprache wieder zu
finden seien (vgl. Amelang/Bartussek 2001, S. 364f.). Die Fachwelt
wurde dazu aufgerufen diese Vielzahl an Begriffen auf eine über-
schaubare Anzahl wesentlicher Eigenschaften zu reduzieren (vgl.
Backhaus 2004, S. 5f.). Es wurden zunächst 16 Primärfaktoren (grund-
legende Eigenschaften) und wenig später fünf unabhängige Grund-
dimensionen ­ die ,,Big Five" ­ isoliert.
Die ,,Big Five" können als Beschreibungsmodell auf der Ebene globaler
Eigenschaften bezeichnet werden oder aber als traits innerhalb einer
hierarchisch aufgebauten Persönlichkeitsstruktur. In Abbildung 1 werden
sie kurz veranschaulicht:

4
1. Extraversion (extraversion)
gesprächig ­ ruhig; offen ­ verschwiegen; gesellig ­
zurückgezogen; bestimmt ­ scheu; energisch ­ gehemmt
2. Verträglichkeit (agreeableness)
warm ­ kalt; gutmütig ­ grob; kooperativ ­ misstrauisch;
freundlich ­ unfreundlich; einfühlend ­ rüde
3. Gewissenhaftigkeit (conscientousness)
organisiert ­ desorganisiert; kleinlich ­ sorglos;
gründlich ­ oberflächlich; verantwortlich ­ verantwortungslos
4. Emotionale Stabilität (neuroticism)
launenhaft ­ unerschütterlich; nervös ­ beherrscht;
entspannt ­ angespannt; unemotional ­ emotional
5. Offenheit (openness)
komplex ­ einfach; unkonventionell ­ konventionell; intellektuell ­
unintellektuell; kreativ ­ einfallslos
Jeder der fünf zentralen Begriffe schließt sog. Facetten oder Sub-
Faktoren mit ein, um die Berücksichtigung genauer differenzierender
Kategorien zu gewährleisten. Folgendes Schaubild veranschaulicht die-
sen Zusammenhang:
Abbildung 1: Die "Big Five" der Persönlichkeitsdiagnostik (vgl. Amelang/Bartussek 2001, S. 366)
Faktoren:
Zentrale Eigenschaften
Facetten:
Untergeordnete Eigenschaften
Gewohnheiten:
Typische Verhaltensweisen
Spezifische Reaktionen:
Verhalten in einer konkreten Situation
Abbildung 2: Sub-Faktoren der Persönlichkeit
(vgl. Backhaus (2004), S.6)

5
Unabhängig davon, mit welchen Begrifflichkeiten die Eigenschaften
einer Person beschrieben werden, werden sie von der Gegenseite stets
in nur fünf Hauptkategorien eingeordnet (vgl. Neuberger 2002, S. 229).
Während sich Ansätze wie der oben beschriebene mit der Einordnung
von Eigenschaften im Allgemeinen beschäftigen, wendet sich die Eigen-
schaftstheorie speziell der Identifikation und Einordnung von Führungs-
eigenschaften zu.
2.2 Grundelemente
Die Eigenschaftstheorie (,,Trait Theory") der Führung gilt als älteste,
einfachste, am leichtesten einsehbare und lange Zeit vorherrschende
Vorstellung von erfolgreichen und effizienten Führungspersonen (vgl.
Delhees 1987, Sp. 748; Neuberger 2002, S. 226). Sie ist ein vorwiegend
charakterologischer und personalistischer Ansatz zur Erklärung von
Führungsverhalten und kann als Sammelbegriff für alle Ansätze, die der
Persönlichkeit des Führers besondere Relevanz zuschreiben, be-
zeichnet werden.
Bereits Plato war überzeugt, Eigenschaften der Philosophen benennen
zu können, um in ihnen die Eigenschaften der besten Staatsführer zu
sehen (vgl. Neuberger 1976, S. 21f.). Wie z.B. auch Aristoteles und
Machiavelli sah er den Führungserfolg in den besonderen angeborenen
und erworbenen Führungseigenschaften (vgl. Wunderer/Grunwald 1980,
S.113). Eine statistische Analyse der Verteilung von Führungs-
eigenschaften fand im Jahre 1869 bei F. Galton ihren Anfang. Dieser
sah Führungseigenschaften und die damit verbundenen Führungs-
positionen primär als genetisch vorbestimmt. Nachfolger versuchten, die
genetische Überlegenheit von Führern in den herrschenden aristo-
kratischen Schichten im Sinne von Darwins biologischer Evolutions-
theorie zu beweisen. Im Ersten und Zweiten Weltkrieg waren die
systematischen Bemühungen der Heerespsychologen darauf aus-
gerichtet, geeignete Personen für entsprechende militärische Aufgaben
zu finden (vgl. Delhees 1987, Sp. 748). In dieser Zeit wurden in den USA
der sog. Army-Alpha-Test der Intelligenz und der Woodworth-Wells-Test
der Persönlichkeit durchgeführt. Lippitt und White regten durch ihre
Untersuchungen Ende der 50er-Jahre die experimentelle Untersuchung
von Führungsverhalten an. Die Studie hatte zum Gegenstand,
festzustellen, bis zu welchem Umfang verschiedene Aspekte von

6
Führungs- und Gruppenverhalten durch experimentelle Prozeduren
untersucht werden können (vgl. Lippitt/White 1958, S. 496).
Es bleibt vorerst festzuhalten, dass die sog. ,,Great-Man-Theory" schon
seit sehr langer Zeit existiert. Dies ist allein an der Tatsache erkennbar,
dass seit alters her Geschichte hauptsächlich als Geschichte einzelner
herausragender Führer geschrieben wird. Ganze Epochen werden nach
Führungspersonen benannt, z.B. das napoleonische Zeitalter, die Ära
Bismarck usw. (vgl. Neuberger 2002, S. 227). Eine wissenschaftliche
Untersuchung dieser (Führungs-)Eigenschaften begann jedoch erst in
jüngerer Zeit.
Die Eigenschaftstheorie konzentriert sich hauptsächlich auf die Identi-
fikation von Persönlichkeitseigenschaften, welche Führer von Nicht-
Führern bzw. erfolgreiche von erfolglosen Führern unterscheiden (vgl.
Delhees 1995, Sp. 897ff.). Von Führungseigenschaften kann danach nur
gesprochen werden, wenn zeitliche und transsituative Konsistenz als
Schlüsselbedingungen gegeben sind. D.h. Führungseigenschaften, wie
z.B. die in den ,,Big Five" u.a. genannten, müssen zum einen über einen
längeren Zeitraum Stabilität aufweisen, zum anderen sollte aber auch
das Führungsverhalten in gleichen oder ähnlichen Situationen vergleich-
bar sein.
Die Eigenschaftstheorie basiert auf den folgenden Annahmen (vgl.
Weibler 2001, S. 137):
- Personen besitzen verschiedene Voraussetzungen zur
Besetzung von Führungspositionen.
- Diese Voraussetzungen werden in genetisch festgelegten oder in
frühen Phasen der Sozialisation erworbenen Eigenschaften
konkretisiert.
- Diese Voraussetzungen sind unabhängig von der jeweiligen
Situation.
Diejenigen Menschen, die über eine bestimmte Eigenschaft oder eine
Kombination von bestimmten Eigenschaften verfügen, können
Führungspositionen übernehmen, womit die Frage nach der Entstehung
von Führung zunächst eindeutig beantwortet werden kann.
Das ursprüngliche Erkenntnisinteresse der Eigenschaftstheorie ist aus
der gesellschaftlichen Situation der westlichen Industrienationen zu
erklären, in denen von jeher der individuellen Leistung eine besondere
Bedeutung beigemessen wurde (vgl. Neuberger 1976, S. 21). Die ers-

7
ten theoretischen Grundzüge dieses Ansatzes wurden jedoch in
späteren Untersuchungen weiterentwickelt bzw. relativiert.
2.3 Führungspotenzial
Beispielsweise wurde mit der Berücksichtigung des sog. erkennbaren
,,Führungspotenzials" in diesem Zusammenhang ein etwas vorsichtigerer
Weg eingeschlagen (vgl. Weibler 2001, S. 140f.). In diesem Ansatz wird
neben dem vorhandenen Führungspotenzial gleichzeitig unterstellt, dass
Persönlichkeitsvariablen, mit denen kompetente bzw. inkompetente
Führungskräfte beschrieben werden können, in unterschiedlichen
Funktionen und Positionen verschiedene Wirksamkeit und Wichtigkeit
besitzen (vgl. Weinert/Scheffer 1999, S. 195).
Potenzial kann hier definiert werden als die Summe der einem
Menschen zur Verfügung stehenden Leistungsmöglichkeiten. Hierbei
muss unterschieden werden zwischen zwar vorhandenem, aber nicht
aktiviertem Potenzial, und dem Potenzial, Fähigkeiten zu entwickeln, um
sie für einen konkreten Zweck einzusetzen (vgl. Aldering 2006, S. 193).
Zur Früherkennung der Eigenschaften und konsistenten Ver-
haltensweisen, die auf vorhandenes Führungspotenzial unter Be-
werbern und Mitarbeitern schließen lassen, wurde von Weinert der
,,Revidierte Deutsche California Psychological Inventory (CPI)" entwickelt
(vgl. Weinert/Scheffer 1999, S. 194). Es werden Prognosen darüber
ermöglicht, welche Charaktereigenschaften einer Person in beruflicher
Hinsicht möglicherweise zielfördernd oder -hindernd sind. Darüber
hinaus können Aussagen darüber getroffen werden, wie effizient diese
Ziele verfolgt werden und wie das Entwicklungspotenzial in Bezug auf
neue Tätigkeitsfelder einzuschätzen ist. Dieses sog. ,,Breit-
bandverfahren" zur Talent- und Potenzialanalyse besteht aus 20
Basisskalen und verschiedenen spezielleren Skalen, z.B. Skalen für
Managementpotenzial, und ermöglicht durch die Nutzung von Einzel-
skalen, Skalenkombinationen und -interaktionen relativ genaue Aus-
sagen zu verschiedenen Bereichen (vgl. Weinert 1998, S. 303f.):
- Interpersönlicher Bereich:
Durchsetzungskraft, Selbstbewusstsein, Führungsmotivation,
Ehrgeiz, Unabhängigkeit, Belastbarkeit
- Intrapersönlicher Bereich:
Arbeitsverhalten, Selbstdisziplin, Toleranz

Details

Seiten
Erscheinungsform
Originalausgabe
Jahr
2008
ISBN (eBook)
9783836630856
DOI
10.3239/9783836630856
Dateigröße
361 KB
Sprache
Deutsch
Institution / Hochschule
FernUniversität Hagen – Wirtschaftswissenschaften
Erscheinungsdatum
2009 (Juni)
Note
2,3
Schlagworte
eigenschaftstheorie globe five leadership talentmanagement
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Titel: Die Eigenschaftstheorie der Führung
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