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Vom Schießplatz zum 'Erfahrungsfeld'

Geschichte - Gegenwart - Zukunft eines Projektes im Rahmen des Bund-Länder-Programms 'Soziale Stadt'

©2009 Diplomarbeit 130 Seiten

Zusammenfassung

Inhaltsangabe:Einleitung:
„Es wurde Felddienst geübt, geschossen mit Gewehr, Pistole, M.Pi. und M.G., mit Granatwerfer, PAK und Infanterie-Geschütz.“ Dieses Szenario findet mitten in einem Wohngebiet statt, in dem mehr als 2500 Einwohner leben. In diesem liegt ein über 75000 qm² großes Areal, umgeben von Wäldern, dass in den schwärzesten Stunden der deutschen Geschichte ins Leben gerufen wurde, um SS-Soldaten eine bestmögliche Ausbildung im Umgang mit tödlichen Waffen zu ermöglichen. Scharfe Munitionsgeschosse nicht weit entfernt von Schulen, Kindergärten und Wohnhäusern. Millionen von Patronen, die in Betonmauern und Sandhügeln mit voller Wucht einschlagen. Soldaten, die trainiert werden, um aus 200 Metern Entfernung mit einem Maschinengewehr bewegliche und unbewegliche Ziele zu vernichten oder unschädlich zu machen. Ohrenbetäubender Lärm, weil die abgefeuerten Geschosse mit einer Geschwindigkeit von mehr als 3000 Kilometern pro Stunde durch die Luft wirbeln und dabei eine Lautstärke von mehr als 110 Dezibel erzeugen.
Und nun im Kontrast dazu ein innenstadtnahes und ruhiges Gelände, dass den Menschen nach einem Tag voller Arbeit und Stress die Möglichkeit bietet, sich zurückzuziehen, ausgedehnte Spaziergänge am Waldrand zu unternehmen, mit der Familie einen Grillnachmittag zu veranstalten und Freizeit unter dem freiem Himmel zu verbringen. Ein Areal, das in seiner Form und Ausführung zusätzlich jugendlichen Arbeitslosen Qualifizierungsmaßnahmen und Zukunftsperspektiven eröffnen kann. Innenstadtnah steht es als Symbol für Freizeit, Erholung und Sport. In seiner Bedeutung so groß ist, dass es für die Bevölkerung der Stadt zum Aushängeschild wird. Ein Grundstück, dessen Nutzungskonzeption fast anderthalb Jahrzehnte Arbeit und Entwicklung beanspruchte und hinter dessen Erbauung so viel ehrenamtliches und persönliches Engagement steckt, dass in Geld nicht aufzuwiegen ist.
Die Unterschiede zwischen diesen beiden Arealen könnten kaum größer sein und dennoch bezieht sich die Beschreibung in beiden beschriebenen Fällen auf ein und dasselbe Gelände - dem Schießplatz auf dem Fischbacherberg. Als „Stadtteil mit besonderem Entwicklungsbedarf“ gekennzeichnet, ist der Fischbacherberg, in der Gemeinschaftsinitiative des Bund-Länder-Programms „Soziale Stadt“ integriert. Zwischen den beiden beschriebenen Situationen liegen etwas mehr als 70 Jahre Entwicklungsgeschichte. Noch anfangs der 1930er Jahren, aus reinen militärischen Berechnungen gebaut, dient der […]

Leseprobe

Inhaltsverzeichnis


Sascha Obierej
Vom Schießplatz zum 'Erfahrungsfeld'
Geschichte - Gegenwart - Zukunft eines Projektes im Rahmen des Bund-Länder-
Programms 'Soziale Stadt'
ISBN: 978-3-8366-3080-1
Herstellung: Diplomica® Verlag GmbH, Hamburg, 2009
Zugl. Universität Siegen, Siegen, Deutschland, Diplomarbeit, 2009
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© Diplomica Verlag GmbH
http://www.diplomica.de, Hamburg 2009

2
Inhaltsverzeichnis
1.
Einleitung ... 3
2.
Das Programm ,,Die Soziale Stadt" und seine Umsetzung in Siegen
11
2.1.
Das Bund-Länder-Programm ,,Die Soziale Stadt" ... 11
2.1.1.
Stadtteile mit besonderem Entwicklungsbedarf ... 11
2.1.2.
Ziele und Maßnahmen für die Entwicklungen der Quartiere ... 14
2.2.
Der Leitfaden der ARGEBAU und seine sechs Aufgabenfelder ... 15
2.2.1.
Der Leitfaden ... 15
2.2.2.
Aufgabenfeld I ... .................. 16
2.2.3.
Aufgabenfeld II ... 17
2.2.4.
Aufgabenfeld III ... 19
2.2.5.
Aufgabenfeld IV ... 20
2.2.6.
Aufgabenfeld V ... 21
2.2.7.
Aufgabenfeld VI ... 23
2.3.
Allgemeine Grundsätze ... 24
2.4.
Instrumente im Bereich des Wohnungswesens ... 26
2.5.
Finanzierungsgrundlage und förderrechtliche Grundlage ... 28
2.6.
,,Stadtteil mit besonderem Entwicklungsbedarf" ­ Fischbacherberg ... 30
3.
Vergangenheit
36
3.1.
Der Schießstand auf dem Fischbacherberg 1933­1945 ... 36
3.2.
Britische und Belgische Liegenschaften 1945 -1994 ... 40

3
4.
Gegenwart
45
4.1.
Projektleitung Hermann Schmid ... 45
4.2.
Die Entstehung von ,,Schön und Gut ­ Erfahrungsfeld Fischbacherberg" ... 48
4.3.
Das Erfahrungsfeld ­ Zielgruppe ... 60
4.4.
Das Erfahrungsfeld ­ Finanzierung ... 64
4.5.
Das Erfahrungsfeld ... 66
4.6.
Das Erfahrungsfeld ­ Bevölkerung und Probleme ... 72
4.7.
Die Hoppmann-Stiftung ,,Demokratie im Alltag" ... 77
4.7.1.
Martin und Klaus Hoppmann ... 77
4.7.2.
Die Erfolgsbeteiligung ... 78
4.7.3.
Der Wirtschaftsausschuss ... 80
4.7.4.
Die Arbeitsteams ... 81
4.7.5.
Von der Martin Hoppmann GmbH zur ,,Demokratie im Alltag" ... 81
4.7.6.
Der Wirkungskreis der ,,Demokratie im Alltag" ... 82
4.7.7.
Projektförderung ... 83
4.7.8.
Der Stiftungsvorstand ... 85
4.7.9.
Die vier Säulen der ,,Demokratie im Alltag... 86
4.8.
Alternative Nutzungskonzepte für das ehemalige Schießgelände ... 88
4.8.1.
Die Fachabteilung Stadtentwicklung ... 88
4.8.2.
Nutzungskonzept Variante A Sport- und Freizeitanlage ...... 89
4.8.3.
Nutzungskonzept Variante B Sport- und Freizeitanlage mit Schießstand .. 90
4.8.4.
Nutzungskonzept Variante C Sportanlage mit Wochenendhausgebiet und
Kleingartenanlage ... 91
4.8.5.
Nutzungskonzept Variante D Stadtteilfriedhof ... 92
4.8.6.
Nutzungskonzept Variante E Private Sportanlage, als Beispiel:
Reitanlage ... 92
5.
Zukunft
94
6.
Zusammenfassung und Darstellung
102
7.
Literaturverzeichnis
107
7.1.
Quellen ...107
7.2.
Darstellungen ...108
8.
Anhang
111

4
1. Einleitung
,,Es wurde Felddienst geübt, geschossen mit Gewehr, Pistole, M.Pi. und M.G., mit Gra-
natwerfer, PAK und Infanterie-Geschütz."
1
(Abb.1) Dieses Szenario findet mitten in einem
Wohngebiet statt, in dem mehr als 2500 Einwohner leben. In diesem liegt ein über 75000
qm² großes Areal, umgeben von Wäldern, dass in den schwärzesten Stunden der deutschen
Geschichte ins Leben gerufen wurde, um SS-Soldaten eine bestmögliche Ausbildung im
Umgang mit tödlichen Waffen zu ermöglichen. Scharfe Munitionsgeschosse nicht weit
entfernt von Schulen, Kindergärten und Wohnhäusern. Millionen von Patronen, die in Be-
tonmauern und Sandhügeln mit voller Wucht einschlagen. Soldaten, die trainiert werden,
um aus 200 Metern Entfernung mit einem Maschinengewehr bewegliche und unbewegli-
che Ziele zu vernichten oder unschädlich zu machen. Ohrenbetäubender Lärm, weil die
abgefeuerten Geschosse mit einer Geschwindigkeit von mehr als 3000 Kilometern pro
Stunde durch die Luft wirbeln und dabei eine Lautstärke von mehr als 110 Dezibel erzeu-
gen.
Und nun im Kontrast dazu ein innenstadtnahes und ruhiges Gelände, dass den Menschen
nach einem Tag voller Arbeit und Stress die Möglichkeit bietet, sich zurückzuziehen, aus-
gedehnte Spaziergänge am Waldrand zu unternehmen, mit der Familie einen Grillnachmit-
tag zu veranstalten und Freizeit unter dem freiem Himmel zu verbringen. Ein Areal, das in
seiner Form und Ausführung zusätzlich jugendlichen Arbeitslosen Qualifizierungsmaß-
nahmen und Zukunftsperspektiven eröffnen kann. Innenstadtnah steht es als Symbol für
Freizeit, Erholung und Sport. In seiner Bedeutung so groß ist, dass es für die Bevölkerung
der Stadt zum Aushängeschild wird. Ein Grundstück, dessen Nutzungskonzeption fast an-
derthalb Jahrzehnte Arbeit und Entwicklung beanspruchte und hinter dessen Erbauung so
viel ehrenamtliches und persönliches Engagement steckt, dass in Geld nicht aufzuwiegen
ist.
Die Unterschiede zwischen diesen beiden Arealen könnten kaum größer sein und dennoch
bezieht sich die Beschreibung in beiden beschriebenen Fällen auf ein und dasselbe Gelände
- dem Schießplatz auf dem Fischbacherberg (Abb.2). Als ,,Stadtteil mit besonderem Ent-
wicklungsbedarf" gekennzeichnet, ist der Fischbacherberg, in der Gemeinschaftsinitiative
des Bund-Länder-Programms ,,Soziale Stadt" integriert. Zwischen den beiden beschriebe-
1
Bäumer, Herbert: Von der Wehrmacht zur belgischen Garnison. Siegen 2001, S. 21.

5
nen Situationen liegen etwas mehr als 70 Jahre Entwicklungsgeschichte. Noch anfangs der
1930er Jahren, aus reinen militärischen Berechnungen gebaut, dient der Schießplatz heute,
sozialpädagogischen Interventionsmaßnahmen. Nach dem Untergang des Dritten Reiches
und seiner Kapitulation im Mai 1945 fiel die Militäranlage in die Hände britischer und
belgischer Besatzungsmächte. Seit dem Abzug der belgischen Streitkräfte, Mitte der
1990er Jahre, bemühten sich Politiker, Stadt, Kommune und engagierte Persönlichkeiten
um eine Umgestaltung des ehemaligen Schießstandes. Nicht immer war der Weg, den man
zur Neugestaltung des Geländes gehen wollte, eindeutig. Erst mit Hermann Schmid und
dem Vorstandsvorsitzenden der Stiftung ,,Demokratie im Alltag" Wolfgang Belitz, konnte
dem Schießplatz ein überlebensfähiges Konzept gegeben werden. Es sollte viele Jahre nach
der Jahrtausendwende verwirklicht werden. Nach langem ,,Ringen" konnten sich die Ver-
antwortlichen der Stadt und der Stiftung ,,Demokratie im Alltag" auf ein Projekt einigen,
dass in seinen Umfängen und Absichten ganz neue Kreise ziehen sollte. Das ,,Erfahrungs-
feld Schön und Gut ­ Fischbacherberg" steht sowohl für die (Re)Integration von jugendli-
chen Arbeitslosen, als auch für ein innenstadtnahes Feld der Erfahrungen für Bewohner
der Stadt Siegen. Trotz zahlreicher anderer ,,Erfahrungsfelder" in Deutschland ist diese
Konzeptionierungen bisher einmalig. Aus diesem Grund kann das gemeinschaftliche Pro-
jekt von Stadt und Stiftung als Pionierarbeit bezeichnet werden. Die Visionen, die das Pro-
jekt nähren, sind in ihrer Form einzigartig und könnten im Bereich der sozialen Arbeit ein
völlig neues Handlungskonzept für arbeitslose, jugendliche Männer und Frauen schaffen.
Die Stadt Siegen profitiert von der festen Etablierung des ,,Erfahrungsfeldes" im doppelten
Sinne. Zum einem werden zusätzliche Qualifizierungsmaßnahmen für die Jugendlichen
angeboten, die in der Gesellschaft eher als ,,schwarze Schafe" bezeichnet werden, zum
anderen kann das vorhandene Defizit an Sport-, Freizeit- und Erholungsmöglichkeiten in
diesem Stadtteil aufgebessert werden. Da das Gelände seine Pforten für jedermann öffnen
wird, wäre die Stadt Siegen mit diesem ,,Erfahrungsfeld" um eine zusätzliche touristische
Attraktion reicher.
Der Projektursprung zum ,,Erfahrungsfeld" befindet sich im Jahr 2006 und die Dauer ist,
wenn es nach dem Wunsch der Verantwortlichen geht, nicht vor dreißig Jahren beendet.
Um die Geschichte und Nachhaltigkeit der Geschehnisse, die unmittelbar mit der Entste-
hung des Feldes in Verbindung stehen, festzuhalten, entschieden sich der Stadtteilbüro-
und Projektleiter von ,,Schön und Gut" Hermann Schmid, der Sozialpfarrer und Stiftungs-

6
vorsitzende der ,,Demokratie im Alltag" Wolfgang Belitz, die Privatdozentin der Universi-
tät Siegen Frau Dr. Imbke Behnken und einige engagierte Studenten, das Projekt in einer
fortlaufenden Reihe von Diplomarbeiten wissenschaftlich zu begleiten. Sinn und Zweck
dieser wissenschaftlichen Dokumentation, ist die Darstellung der Netzwerkarbeit zwischen
den einzelnen Institutionen und seiner Entwicklung. Zum anderen erhofft man sich mit der
Schaffung des ,,Erfahrungsfeldes" einen ,,Aufbruch in neue Welten der sozialen Arbeit".
Die sozial sehr engagierte Projektleitung sieht in diesem Vorhaben die Chance das Reper-
toire, der geltenden und sich immer wieder wiederholenden Beschäftigungsmaßnahmen für
jugendliche Arbeitslose, durch gemeinschaftliche Mobilisierung von Ressourcen, zu erwei-
tern. Praktika und geringfügige Arbeitsverhältnisse sollen durch verschiedene Projekte, die
unterschiedliche Träger leiten, in Ausbildungsplätze, sozialversicherungspflichtige Be-
schäftigungsverhältnisse und fachspezifische Qualifizierungsmaßnahmen führen. Der
Fischbacherberg befindet sich im Vergleich zu anderen Stadtteilen im Bereich der Arbeits-
losenproblematik Jugendlicher in einer prekären Lage. Daher scheint dieses Vorhaben
wichtiger denn je. Mit der Teilnahme im Programm ,,Soziale Stadt" konnte sich die ange-
spannte Situation in diesem Viertel zwar in den vergangenen Jahren etwas beruhigen, aber
im Vergleich zu anderen Stadtteilen Siegens, ist die Lage nach wie vor ernst.
Der häufig in der Umgangssprache benutzte Terminus des ,,sozialen Brennpunktes" sollte
streng genommen ,,Stadtteile mit besonderem Entwicklungsbedarf" lauten. Dieser Begriff
stammt aus dem Bund-Länder-Programm ,,Soziale Stadt". Es fördert mit Mitteln diejeni-
gen Stadtteile, die von einer sozialen Ungleichheit besonders gekennzeichnet sind. Vanda-
lismus, Kriminalität, Hilfebedürftigkeit, Sozialhilfeadel, Vernachlässigung, Gewalt, Ar-
beitslosigkeit, Ausländerfeindlichkeit, strukturelle Verwahrlosung, monotone Wohnbau-
weisen und infrastrukturelle Defizite beherrschen in diesen Stadtteilen den Alltag der Be-
wohner. Mit dem gezielten Einsatz von öffentlichen Fördermitteln sollen hier Maßnahmen
zu einer Verbesserung der Lebensbedingungen eingeleitet werden. Der Fischbacherberg,
als ,,ruhender Teilnehmer" des Programmes, verkörperte in der Vergangenheit den Begriff
eines ,,sozialen Brennpunktes".
Die Konzeption dieser Arbeit ist in vier Teile gegliedert. Punkt zwei beschäftigt sich mit
dem von der ARGEBAU entwickelten Programm ,,Soziale Stadt" und stellt die wichtigsten
Aussagen und Kriterien für ,,Stadtteile mit besonderem Erneuerungsbedarf" zusammen.

7
Die theoretischen Grundlagen des Programmes, die im zweiten Kapitel ausführlich be-
schrieben werden, bilden sowohl die Basis für die Verbesserungsmaßnahmen auf dem
Fischbacherberg, als auch in anderen deutschen bedürftigen Stadtteilen. Welche Voraus-
setzungen ein Quartier erfüllen muss, um in das Programm der ,,Sozialen Stadt" aufge-
nommen zu werden, ergibt sich aus diesem Teil der Arbeit. Ein direkter Maßnahmenkata-
log oder fest vorgeschriebene Richtungsanweisungen für die Stadtteilarbeit ergeben sich
aber nicht. Die Maßnahmen, die zu einer Verbesserung der Gesamtsituation führen sollen,
basieren nicht auf dem Leitfaden der Sozialen Stadt, sondern auf dem vorhandenen Poten-
tial der Stadtteilbewohner. Die Arbeit in einem Stadtteil ist sowohl problem- als auch lö-
sungsorientiert. Sie muss sich zunehmend an den betroffenen Bewohnern orientieren, da
ohne ihre Mitarbeit, eine nachhaltige und beständige Aufwertung und Verbesserung nicht
möglich ist.
Das eigentliche Augenmerk richtet sich in dieser Arbeit neben dem Programm ,,Soziale
Stadt" auch auf den Schießstand auf dem Fischbacherberg. Im Kapitel drei ,,Vergangen-
heit" werden die Uhren bis in das Jahr 1933 zurückgestellt. Damals entschied der Ober-
bürgermeister Siegens Alfred Fißmer die Garnisonswerdung der Stadt. Als eines der Er-
gebnisse dieser tiefgreifenden Entscheidung, kann die Entstehung des Schießplatzes auf
dem damals noch unbewohnten Hügel des Fischbacherbergs genannt werden. Die Informa-
tionsbeschaffung zum Schießstand gestaltete sich sehr schwierig, da Unterlagen kaum
existieren und selbst das Militärarchiv Freiburg im Breisgau auf Anfrage hin, keine ver-
wertbaren Informationen übermitteln konnte. Nach etlichen Recherchen im Siegener Stadt-
archiv stieß man über eine Veröffentlichung
2
des Siegeners Herbert Bäumer. Mit ihr konn-
te die Militärgeschichte der Stadt Siegen und damit die Entstehung des Schießplatzes auf-
gearbeitet werden. Mit den gewonnenen Informationen aus seinem Werk, seiner schriftli-
chen Beantwortung einiger Interviewfragen und einigen Zeitungsartikeln aus den 1930er
Jahren, konnten die chronologischen Lücken der Geschehnisse rund um den Schießplatz
und Fischbacherberg weitgehend geschlossen werden. Fast 50 Jahre lang erfüllte der
Schießstand seinen für ihn erdachten Zweck, bevor im Jahre 1994 sein ,,Besatzer", die bel-
2
Bäumer, Herbert: Von der Wehrmacht zur belgischen Garnison. Der Militärstandort Siegen in Wort und
Bild. Dokumentation aus Anlass des Abrisses der Kasernengebäude. Siegen 2001.

8
gische Armee, ihren Rückzug ankündigte. Von diesem Zeitpunkt an sollte er das erste Mal
in den Blickpunkt vieler engagierter und kreativer Menschen geraten.
Der Punkt vier ,,Gegenwart", sie beginnt in dieser Arbeit ab dem Jahre 1994, konzentriert
man sich auf die Ergebnisse rund um den Schießplatz und der Schaffung des ,,Erfahrungs-
feldes". Durch den Abzug der Belgier in diesem Jahr, sollten sich viele neue Möglichkei-
ten eröffnen, von der die Stadt Siegen, aufgrund ihrer Bedarfssituation, besonders profitie-
ren sollte. Neben der gewollten Umstrukturierung des Wohngebietes Fischbacherberg,
sollte auch der stillgelegte Schießstand wieder in Betrieb genommen werden. Einige Bür-
ger der Stadt, die mit Herz und Seele an dem Gedanken einer sinnvollen Neugestaltung
hingen, maßen dem freistehenden Gelände mehr Potential zu als es zu dieser ausübte. Ein
Grund weshalb das Gelände heute nicht unter der Führung des Jagdverbandes Nordrhein-
Westfalen steht, findet sich in der sozialen Ideologie einiger Personen und Gruppierungen
wieder, wie die Abteilung für Stadtentwicklung, eine Gruppe junger Schulabgänger, die
Stiftung ,,Demokratie im Alltag", Hermann Schmid und einige andere Akteure. Sie setzten
sich leidenschaftlich für eine Neugestaltung des Areals ein. Tendenziell vereinigten alle
den Wunsch das Gelände in eine Sport- und Erholungsanlage zu verwandeln. Dieser wurde
in etlichen Sitzungen, Versuchen und Uneinigkeiten in ein einziges Konzept zusammenge-
fasst. Das ,,Erfahrungsfeld Schön und Gut -. Fischbacherberg" entspricht fast allen An-
sprüchen genügen.
Das darauffolgende Kapitel zeigt die immense Stringenz einiger Menschen, die die Visio-
nen und den Glauben an ein ,,Erfahrungsfeld" am Leben hielten. Aufgezeigt werden die
Probleme, die sich bei der Abwicklung organisatorischer Angelegenheiten mit der Stadt-
verwaltung ergaben bzw. noch immer ergeben. Dargestellt werden die bestehenden Sorgen
der Anwohner, sowie der Entwicklungsverlauf zur Errichtung des Projektes ­ vom frühen
Gedanken bis hin zum ersten geplanten Spatenstich. Interviews mit dem Projektleiter Her-
mann Schmid und dem Hauptfinanzier ,,Demokratie im Alltag", sowie einige Artikel aus
dem Stadtteilbüro und dem Stadtarchiv Siegen, mussten die Lücke schließen, die die feh-
lende Literatur zu diesem Thema hinterließ.
Um die vielen, immer wieder im Verlaufe der Arbeit angesprochenen Potentiale des
Grundstückes etwas anzudeuten, werden fünf alternative Nutzungskonzepte der Abteilung
für Stadtentwicklung vorgestellt. In einer Zeit in der noch nicht klar war, welche Formen

9
das einstige Schießareal annehmen würde, sollten die gewonnenen Ergebnisse eine tenden-
zielle Richtung angeben.
Die Stiftung ,,Demokratie im Alltag" wird für das ,,Erfahrungsfeld" zum Aushängeschild
und zum wichtigsten Überlebensfaktor, solange das Projekt noch nicht auf eigenen Beinen
stehen kann. Die Stiftung fördert seit ihrer Gründung soziale Projekte in der Region Siegen
und untermauert mit der fortlaufenden materiellen und immateriellen Unterstützung, ihre
für Deutschland einzigartige Geschäfts- und Mitarbeitermentalität. Die ,,Hoppmann-
Stiftung" ist eine gemeinnützige Initiative, die aus einer kleinen Autowerkstatt in den
1930ern heraus entstand. Die Vision, die Idee, die Motivation und das Vorgehen der Stif-
tung bei diesem Projekt, werden in diesem Kapitel explizit dargestellt. Für die Darstellung
des Unternehmens Hoppmann standen sowohl Literatur vom Stiftungsvorsitzenden Wolf-
gang Belitz
3
, einige Firmenunterlagen, sowie die Stiftungsvorstandsmitglieder Frau Andrea
Dittmann-Dornauf und Herr Martin Schneider in einem Interview, zur Seite.
Im letzten Kapitel sollen zukünftige Projekte, Ideen oder Visionen bezüglich des ,,Erfah-
rungsfeldes" betrachtet werden. Das Credo der Macher lautet ,,Schön und Gut" und bezieht
sich auch auf die Geschwindigkeit des Entwicklungsprozesses. Lieber etwas langsamer,
aber dafür richtig und an die entsprechende Zielgruppe gerichtet, lautet die Devise. Da bei
der Fertigstellung dieser Arbeit noch nicht einmal der erste Spatenstich getätigt wurde, ist
es schwer vorauszusagen welchen Weg und welchen Rahmen das Projekt annehmen wird.
Der Verlauf der geplanten Projektdauer steht noch in den Sternen. Es gibt immer wieder
neue Ideen und Vorschläge, die aber schon morgen wieder verworfen werden können, weil
sie entweder ungeeignet erscheinen oder von den städtischen Auflagen zunichte gemacht
werden. Die Leitung ist sowohl abhängig von den Entscheidungen politischer Verantwort-
licher als auch von Fördermitteln. Für das Jahr 2009 sind zwar der Bau eines Funktionsge-
bäudes und einer Grillstelle geplant, ein fester Termin bleibt jedoch aus. In den Köpfen
und Schubladen der Macher stecken jede Menge Projektanträge, Ideen und Wünsche. Die
Liste möglicher Kooperationspartner ist lang. Prognosen, Wünsche und Visionen stehen im
Kapitel Zukunft nüchternen Fakten gegenüber. Fest steht im Grunde noch nicht viel. Das
Projekt wird erst in den kommenden Monaten an ,,Fahrt aufnehmen" und sich allmählich
3
Belitz, Wolfgang. (Hrsg.): ,,Vorwärts und nicht vergessen...". Das Reformunternehmen Hoppmann 1961-
1997. Hille 1998.

10
entwickeln können. Zu viele unbekannte Faktoren, die das Projekt in seinem Verlauf gehö-
rig beeinflussen können, machen in die Runde. Das Projekt wächst Stück für Stück und
eine eindeutige Aussage für die Zukunft ist nicht möglich. Entscheidend für das Kapitel
Zukunft ist, dass es Hermann Schmid und seinen Helfern gelungen ist, den Motor des ,,Er-
fahrungsfeldes" in Gang zu bringen. Da dieses Kapitel eher visionär als faktenbezogen ist,
können Kommilitoninnen und Kommilitonen mit der Erscheinung des zweiten Bandes in
Hinsicht auf dieses Thema präzisere Aussagen machen. Für die Zukunftsprognosen stan-
den Hermann Schmid, Andrea Dittmann-Dornauf und Martin Schneider Paten.

11
2.
Das Programm ,,Die Soziale Stadt" und seine Umsetzung in Siegen
2.1. Das Bund-Länder-Programm ,,Die Soziale Stadt"
Am 29. November 1996 wurde in Potsdam durch die Ministerkonferenz der ARGEBAU,
eine Zusammenkunft von Ministern und Senatoren deren Zuständigkeitsbereich auf den
Städtebau-, das Bau- und Wohnungswesen fällt, die Bund-Länder-Gemeinschaftsinitiative
,,Stadtteile mit besonderem Entwicklungsbedarf ­ Die Soziale Stadt" beschlossen und ins
Leben gerufen. Das Programm soll der ,,drohenden sozialen Polarisierung"
4
in den Städten
und Gemeinden Einhalt gebieten und mit entsprechenden Maßnahmen entgegenwirken.
Durch die Bündelung und den verstärkten Einsatz von gemeinsamen Ressourcen, sollen
die zum Teil negativen Entwicklungen in den Stadtteilen aufgehalten, und die damit ver-
bundenen Probleme im sozialen, wirtschaftlichen und städtebaulichen Bereich, unterbun-
den werden. Mit dem Beschluss dieser Initiative verpflichten sich sowohl der deutsche
Bund als auch die Bundesländer, gemeinsam Strategien zu entwickeln, um im Kampf ge-
gen die soziale Ungleichheit in den Städten und Gemeinden als Sieger hervor zu gehen.
Das neue Bund-Länder-Programm ergänzt seit 1999, durch eine Entscheidung der Bundes-
regierung, die Städtebauförderung als ein eigenständiger und selbstfunktionierender Pro-
grammpunkt. Im Jahr 2000 wurde es mit einem Etat von nicht weniger als 153,4 Millionen
Euro (ehemals 300 Millionen DM) ausgestattet.
2.2.1. Stadtteile mit besonderem Entwicklungsbedarf
Als ,,Stadtteile mit besonderem Entwicklungsbedarf" werden vor allem Stadt- oder Ortstei-
le bezeichnet, die Defizite in mehreren Kategorien aufweisen. Diese, am gesellschaftlichen
Rand existierenden, Sozialräume sind täglich mit der Gefahr konfrontiert ins Abseits zu
rutschen und bei dauerhafter Fehlunterstützung verwahrlosungsähnliche Zustände anzu-
nehmen. Meist handelt es sich um engbebaute, einwohnerstarke Stadt- oder Ortsteile, die
von einer fehlenden sozialen Infrastruktur, einem hohen Maß an Arbeitslosigkeit, einer
unzureichenden Abdeckung von Ausbildungsplätzen für jugendliche Schulabgänger, einer
geringen Qualität der Wohnungen und des Wohnumfeldes, einem unterdurchschnittlichen
Bildungsniveau und baulichen Mängeln geprägt sind. Diese sind nicht nur in der ,,City"
oder in der Nähe des Ortskernes, sondern lassen sich mittlerweile auch häufiger am äuße-
4
ARGEBAU: Leitfaden zur Ausgestaltung der Gemeinschaftsinitiative ,,Soziale Stadt"; o.O. 2005.

12
ren Rand einer Stadt ausmachen. Begleitend tritt das Phänomen in Erscheinung, dass der
der ,,Brennpunkt" nur schwer mit dem ,,öffentlichen Personen Nahverkehr" zur erreichen
ist. Entwicklungsbedürftige Stadtteile befinden sich zunehmend auch an den Orten, wo
einst alliierte Streitkräfte nach Ende des Zweiten Weltkrieges zur Erhaltung des Friedens
stationiert wurden. Nachdem die Kasernen und Wohnungen für Soldaten und deren Ange-
hörige nicht mehr gebraucht wurden, prägen nun Leerstand und Verfall die Wohngegend.
Dem Grunde nach, lassen sich die entwicklungsbedürftigen Gebiete in zwei verschiedene
Typen einreihen.
Im Typ 1 befinden sich die Quartiere innenstadtnah. Diese zeichnen sich in aller Regel
durch einen schlechten baulichen Zustand der Gebäude aus und bleiben auch von umwelt-
technischen Belastungen nicht immer verschont. Man kann davon ausgehen, dass sich die
Investoren und Vermieter hier nur noch vereinzelt engagieren und selten Verbesserungs-
prozesse planen. Die viel zu geringe finanzielle Investition in Haus und Umgebung lässt
die Strukturen in diesen Vierteln sichtbar ,,bröckeln". Man spricht daher häufig von so ge-
nannten ,,Krisengebieten"
5
Die fehlenden Grün- und Freizeitflächen verstärken den Ein-
druck des Verfalls.
Der Mangel an ausreichenden Flächen führt dazu, dass die Qualität der Bewegungsfreiheit
sowohl für Kinder als auch für Jugendliche stark eingeschränkt wird. Dies hat zur Folge,
dass die allgemeine Lebensqualität der Bewohner, vor allem die der jungen Menschen,
zusätzliche Beeinträchtigungen erleiden. Der Wandel der Industrie in den vergangenen 50
Jahren führte dazu, dass die Stadtteile unterschiedlichen Immissionsbelastungen ausgesetzt
wurden. Da sich diesen zum Teil äußerst schweren Belastungen niemand freiwillig ausset-
zen und auch nicht die Gesundheit seiner Kinder unnötig gefährden möchte, ziehen Fami-
lien in Gebiete, die von dieser Art Problematik nicht betroffen sind. Die Mittel für einen
Umzug in ein sauberes Stadtviertel, hängt stark von der finanziellen Einkommenssituation
der Familie ab. Die ,,Kluft" zwischen arm und reich zeichnet sich hier immer öfters ab. Die
scherenförmige Bewegung fördert zusätzlich die Geschwindigkeit der Segregation in den
betroffenen Vierteln. Ein häufiges Indiz für ,,Stadtteile mit besonderem Entwicklungsbe-
darf" ist die zum Teil sehr hohe Verkehrsbelastung. Lärm und Luftverschmutzung stehen
an der Tagesordnung und senken die Lebensqualität der Bewohner beträchtlich. In Gegen-
5
Schubert, Dirk: Wirklich ein Paradigmenwechsel? Das Programm und seine Vorläufer In: Christian Holl
(Hrsg.): Soziale Stadt. Ein politisches Programm in der Diskussion. Stuttgart/München 2002 (db das buch),
45-52.

13
den mit hoher Verkehrsfrequenz besteht zuweilen die unmittelbare Gefahr für Kinder und
Jugendliche in Verkehrsunfälle involviert zu werden. Häufig kann es zu schweren Verlet-
zungen durch Unfälle kommen.
Häufig kommt man hier über den Status einer monotonen und funktionalen Bauweise der
Häuser nicht hinaus. Infrastrukturell signifikante Einrichtungen wie Ärztehäuser, Einkaufs-
läden, Lokale oder auch Gemeinschaftsräume für die gemeinsame Benutzung, sind unvoll-
ständig oder fehlen häufig ganz. Darunter leiden nicht nur Erwachsene und Senioren, son-
dern vor allem auch Jugendliche. Durch das Fehlen dieser wichtigen Strukturen können die
jungen Frauen und Männern keine Treffpunkte für den Informationsaustausch und der
Freundschaftspflege schaffen. Es gibt wenige Möglichkeiten für ihre Altersgenossen. Sie
sind auf Alternativen angewiesen. Diese treten in der Form von Spielplätzen oder auch
einfachen Straßenecken auf, die nur selten von Passanten gewählt werden. Fehlt hier aber
ein ,,Hauch von Leben", besteht die Gefahr, dass Angsträume entstehen. Oft empfinden
Anwohner einen Verlust ihrer Lebensqualität durch das Erscheinen ,,jugendfreundlicher"
Räume. Begleitet wird diese Trostlosigkeit von einer negativen Zukunftsperspektive. Die
einzige Möglichkeit diesem Unheil zu entkommen, sehen die Bewohner im Auszug aus
dem betroffenen Stadtteil.
All diese Gründe führen dazu, dass junge Familien, die sich einen ,,Ausstieg aus der Gos-
se" finanziell leisten können, die Chance ergreifen und in eine bessere Wohngegend um-
ziehen. Sie nehmen einen Wechsel des Kindergartens oder der Schule, und den damit ver-
bunden Wechsel des Freundeskreises, für das Wohlbefinden ihrer Kinder in Kauf. Der
Preis für eine bessere Lebensqualität ihres Nachwuchses scheint ihnen recht passabel. Ein-
zelpersonen oder Familien, die durch die eigene, oft unverschuldete, ökonomisch schlechte
Situation nicht die Möglichkeit haben umzuziehen, müssen weiterhin in der schlechten
Wohngegend verweilen. Sie sind damit dem Prozess der Segregation schutzlos ausgesetzt.
Zuzüge in ,,Stadtteile, die einer Generalüberholung bedürfen" sind selten und wenn dann
nur von dem Personenkreis zu erwarten, die sich ebenfalls in einer misslichen Lage befin-
den.
Typ 2 bezieht sich auf Wohnsiedlungen, die unmittelbar nach dem Ende des Zweiten
Weltkrieges entstanden sind. Sie wurden von ehemals stationierten Streitkräften bewohnt.
Geprägt werden sie von einer geringen ,,individuellen Architektur, fehlender Nutzungsmi-

14
schung und unzureichender sozialer Infrastruktur"
6
. Die Liste der Ursachen, weshalb
,,Stadtteile mit besonderem Entwicklungsbedarf" an mangelnder Attraktivität leiden, ist
lang und kann in dieser Arbeit nur kurz angesprochen werden. Da viele dieser Siedlungen
am Stadtrand liegen, können sie nur schwer in den öffentlichen Nahverkehr eingebunden
werden. Eine schwach ausgeprägte lokale Arbeitsmarktpolitik führt dazu, dass viele der
Stadtquartiere eine ökonomisch niedrige oder auch gar keine ,,selbsttragende lokale Wirt-
schaft"
7
aufweisen. Arbeitsplätze in der näheren Umgebung sind selten und aus der Sicht
der betroffenen Bewohner eine ,,heiß begehrte Ware". Die Architektur hier ist oft trost-
und ideenlos und auf das Nötigste konzipiert. Der Attraktivitätswert leidet unter dieser
Baupolitik und verstärkt den Wunsch nach einer höheren Qualität. Die fehlende Ausstrah-
lung eines Stadtteiles erschwert den Bewohnern die Identifikation mit sich und ihrer
Wohngegend.
Die persönliche Identifikation könnte für die Aufwertung des Quartiers eine grundlegende
Basis darstellen und sollte von den politischen Verantwortlichen auf jeden Fall angestrebt
werden. Ein altes, traditionales Vergabesystem kumuliert einkommensschwache Familien
in Wohnhäusern und fördert den Prozess der Segregation im hohen Maße. Die einseitige
Belegungsstrategie erschwert die Entwicklung der Wohnumfeldverbesserung erheblich.
Der demographische Wandel, der seit Jahren immer nachvollziehbarer wird und nun im
Bevölkerungsrückgang zu begutachten ist, führt dazu, dass immer häufiger größere Woh-
nungen leerstehen. Über kurz oder lang führt dieser Zustand zum Abriss der Häuser.
2.1.2. Ziele und Maßnahmen für die Entwicklungen der Quartiere
Die Gemeinschaftsinitiative ,,Soziale Stadt" hat sich die Aufgabe gestellt, die einzelnen
Räder für die Entwicklungsprozesse in den Stadtteilen in Bewegung zu setzen. Dabei ist es
unumgänglich, dass Bund und Länder die Problematiken gemeinsam angehen und Strate-
gien entwickeln. Durch diese Vereinbarung soll das Abrutschen ins ,,soziale Abseits" ver-
hindert werden. Die Gemeinden verpflichten sich zu Vorkehrungen, damit das ,,Abrut-
schen" eines bedrohten Stadtteiles gar nicht erst zustande kommt. Die Prozesse, die in
Gang gebracht werden sollen, zielen auf eine ,,Verbesserung der Lebensbedingungen in
6
ARGEBAU: Leitfaden ,,Soziale Stadt"; o.O. 2005. S.3.
7
Ebd., S.3.

15
den Quartieren"
8
, der ,,Schaffung stabiler Sozialstrukturen"
9
und der ,,Verbesserung der
Lebenschancen für die Bewohnerinnen und Bewohner"
10
ab. Das Programm stellt für die
einzelnen Bewohner ,,Räume zur Verfügung, die Freiheit zur Entfaltung bieten"
11
. Es soll
den Bewohnern die Möglichkeit eröffnen einen Rahmen zu gestalten, in dem ihr Handeln
frei von jeglichen Zwängen ist. Zusätzlich scheinen mit der Zeit Themen wie ,,Integration
und Förderung des Zusammenlebens in den Quartieren"
12
, ,,Verbesserung des Bildungsan-
gebotes in den Quartieren oder des Zugangs zu Bildungsangeboten für die Bewohnerinnen
und Bewohner"
13
und ,,die Gesundheitsförderung"
14
enorm an Wichtigkeit und Bedeutung
zu gewinnen. ,,Soziale Stadt" agiert parallel in mehreren politischen Bereichen. Die kon-
kreten Aufgaben und Pflichten der Gemeinschaftsinitiative teilen sich in zwei unterschied-
lichen Handlungsfeldern auf. Auf der einen Seite werden ,,strategische Handlungsfelder"
15
abgedeckt, mit Thematiken wie beispielsweise Ressourcenbündelung, Aktivierung, Betei-
ligung und Evaluierung. Andererseits steht dem die ,,inhaltlichen Handlungsfelder"
16
wie
beispielsweise Wertschöpfung im Gebiet, Schule und Bildung und Gesundheitsförderung,
gegenüber.
2.2. Der Leitfaden der ARGEBAU und seine sechs Aufgabenfelder
2.2.1. Der Leitfaden
Der Leitfaden der ARGEBAU benennt sechs unterschiedliche Themengebiete in denen die
Stadtteilentwicklung greifen und verändern muss. Das Programm nennt hier nicht das
,,wie", sondern das ,,was" als Kernaussage. Es werden keine direkten, standardisierten
Vorgehensweisen, sondern Zielangaben gemacht. Die Handhabung der Verbesserungs-
maßnahmen lässt den Stadtteilakteuren einen relativ großen Spielraum. Dieser freie Raum
bringt aber auch die Gefahr mit sich, dass notwendige Maßnahmen unterlassen werden,
weil den Verantwortlichen entweder die Motivation oder nötiges Fachwissen, für ein er-
8
Ebd., S.4.
9
Ebd., S.4.
10
Ebd., S.4.
11
Holl, Christian; Soziale Stadt. Der Name des Programms ­ eine Herausforderung zur Diskussion.
In:
Christian Holl (Hrsg.): Soziale Stadt. Ein politisches Programm in der Diskussion. Stuttgart/München 2002
(db das buch), S. 11-14.
12
ARGEBAU: Leitfaden ,,Soziale Stadt"; o.O. 2005. S.4.
13
Ebd., S.4.
14
Ebd., S.4.
15
Ebd., S.4.
16
Ebd., S.4.

16
folgreiches Stadtteilmanagement, fehlt. Der Erfolg der Initiative liegt allein in den Händen
der Initiatoren, den Akteuren und Bewohnern des sozial benachteiligten Stadtteiles. Diese
Konstellation führt zu einem Kontrakt, der die Mitarbeit der einzelnen Bevölkerungsmit-
glieder, des Stadtteilbüroleiters oder auch des Vermieters eines maroden Hauses, dazu ver-
pflichtet, gemeinsam zu agieren.
2.2.2. Aufgabenfeld I
Aufgabenfeld eins betrifft die Bürgermitwirkung, das Stadtteilleben und die soziale Integ-
ration. Es hat als Ziel, die einzelnen Potenziale und Ressourcen der Bürger zu sammeln
und ihre Motivation so zu stärken, damit sie lernen schwierige Lagen zu erkennen, zu beur-
teilen und sich selbst daraus zu befreien. Sie sollen den Lernprozess verstehen, ihr ,,Glück"
selbst in die Hand zu nehmen und nur bei Bedarf Hilfe von außen zu beziehen. Dieser
Entwicklungsprozess setzt einen gewissen Grad an Selbständigkeit der Klienten voraus.
Dieser soll bei ihnen in mehreren Schritten gefördert werden. Die Einwohner müssen ler-
nen, die vorherrschenden Defizite zu erkennen und zu akzeptieren. Eines der Ziele ist es,
eine Um- oder Neugestaltung so voranzutreiben, dass das persönliche ,,Schamgefühl" für
diesen Stadtteil in den Hintergrund tritt. Stattdessen soll ein Gefühl der Gemeinsamkeit
entstehen. Der Einsatz von persönlichem Engagement ist zur Erfüllung dieser Aufgaben-
stellung eine absolute Notwendigkeit. Ist ein solidarisches Gefüge entstanden, ist der
Schritt zur persönlichen Identifikation mit seinem Wohnort nur noch eine Frage der Zeit.
Durch die ,,Förderung der Teilhabe und der sozialen Integration"
17
wird die Gemeinschaft
zusammengebracht und entwickelt völlig neue und unbekannte Ressourcen. Diese sind im
Kampf gegen die soziale Ungleichheit ein starker Verbündeter. In vielen der benachteilig-
ten Gebiete, ist der politische Wille und Mitwirkungsgrad der Bevölkerung gebrochen oder
tendiert mit der Zeit gegen Null. Mit dem Programm werden die Bewohner wieder akti-
viert und lernen durch den Einsatz verschiedener Maßnahmen, dass Politik mit persönli-
chem Einsatz und Engagement durchaus Sinn macht. Über die Gemeinschaft können posi-
tive Veränderungen hervorgerufen werden. Die Bewohner erhalten Informationen, wie sie
sich in Initiativen und Vereinen selbst zu organisieren haben. Dadurch soll es ihnen leich-
ter fallen sich in das politische Geschehen effektiv mit einzubringen. Damit der Schritt zu
einem funktionierenden Gemeinwesen stattfinden kann, müssen sowohl Bewohner, Schu-
17
Ebd. S.5.

17
len, Vereine, Initiativen, Institutionen und das Stadtteilmanagement in diesen Entwick-
lungsprozess eingespannt werden. Jedes Element trägt eine große Verantwortung und be-
einflusst sowohl die Richtung als auch die Geschwindigkeit der Veränderungen. Um eine
volle Integrierung zu gewährleisten, sind Maßnahmen nötig, wie beispielsweise die ,,Instal-
lation eines Stadtteilmanagements, das mit Priorität den Aufbau selbsttragender Bürgeror-
ganisationen einleiten soll."
18
Unerlässlich für den Aufbau bzw. Wiederaufbaus eines
Quartieres ist die Etablierung und Erschaffung eines Stadtteilbüros. Die Leitung einer sol-
chen Institution beschäftigt sich mit den alltäglichen Problemen der Bewohner in Bedarfs-
situationen und leitet entsprechende Interventionsmaßnahmen ein. Damit Bürger und
Gruppen ein Gefühl für Gemeinsinn entwickeln, ist es wichtig ihnen ein Raum zur Verfü-
gung zu stellen, in dem sie sich frei austauschen und beraten können. Eine Begegnungs-
stätte wäre ein optimales Beispiel. Damit Interventionsmaßnahmen oder einmalige Aktio-
nen im Stadtteil durchgeführt werden können, müssen Gelder bzw. ,,Verfügungsfonds"
19
bereitgestellt werden. Man kann in der freien Marktwirtschaft nur dann einen effektiven
Gewinn erzielen, wenn in der Entwicklungsphase zuvor, Geld in die Idee investiert worden
ist. Das Programm unterscheidet sich in hier nur unwesentlich von einem ökonomisch aus-
gerichteten Unternehmen.
2.2.3. Aufgabenfeld II
Die Gemeinschaftsinitiative hat es sich zur Pflicht gemacht, auf der Ebene der ,,lokalen
Wirtschaft, Arbeit und Beschäftigung"
20
einzugreifen.
Die Ziele sind hier stark wirtschaftlich, ökonomisch und marktpolitisch geprägt. In erster
Linie geht es darum, dass örtliche Einrichtungen beispielsweise handwerkliche Betriebe,
im Stadtteil erhalten bleiben und ,,den Motor der lokalen Wirtschaft" am Laufen lassen.
Eine stabile Wirtschaft wirbt für ein besseres öffentliches Image. Durch das kontinuierlich
verbesserte Ansehen steigt auch die wirtschaftliche Attraktivität einer Region und könnte
das Interesse von Investoren aus unterschiedlichen Wirtschaftszweigen wecken. Je höher
der Attraktivitätsfaktor eines Stadtteiles, desto höher ist der wirtschaftliche Stellenwert.
Daher ist es Aufgabe des Programms die lokale Wirtschaft, mit allen der ihr zur Verfügung
18
Ebd. S.5.
19
Ebd., S.5.
20
Ebd., S.6.

18
stehenden Maßnahmen, zu unterstützen und zu fördern. Sponsoring und Beratung, sind nur
zwei der vielen Möglichkeiten um dies zu gewährleisten. Aber auch die Qualifizierung des
Personals, damit ein Kleinbetrieb im Viertel überleben kann, ist ein Ziel, das verfolgt wer-
den muss. Entsprechend könnten Arbeitssuchende mit Beratungs-, Umschulungs- und
Qualifizierungsmaßnahmen auf die Stelle in einem lokalen Betrieb vorbereitet werden.
Von diesen Maßnahmen profitiert der ,,Brennpunkt" im doppelten Sinne. Der Betrieb, der
hier den wirtschaftlichen Sektor stützt, bleibt erhalten und treibt seine Entwicklung nach
vorne. Zum anderen kann die Arbeitslosenquote durch die Aufnahme einer sozialversiche-
rungspflichtigen Erwerbstätigkeit gesenkt werden. Arbeitslosigkeit spielt in den betroffe-
nen Stadtteilen eine ,,tägliche Gastrolle" und ein großer Teil der Arbeitssuchenden, profi-
tiert von solchen Qualifizierungs- und Beratungsmaßnahmen. Diese Maßnahmen setzen im
,,kranken" Viertel ein wichtiges Lebenszeichen und können als dauerhafte Veränderungen
in der Nachbarschaft und Region interpretiert werden. Sind aber nicht genügend Ressour-
cen vorhanden, um die lokalen Betriebe zu fördern und die Menschen mit einer sozialver-
sicherungspflichtigen Arbeit zu versorgen, müssen ,,Brücken zu Ausbildungsplätzen und
Beschäftigungsverhältnissen"
21
außerhalb des Wohnquartiers geschaffen werden. Um wirt-
schaftlich mithalten zu können, sind Bestimmungen wie eine enge Zusammenarbeit zwi-
schen der örtlichen Schule und den lokalen Betrieben von großer Bedeutung. Über Prakti-
ka und Ferienarbeit sammeln die Schüler hier erste Erfahrungen und die Betriebe können
die ,,Auszubildenden von Morgen" schon einmal gezielt in ihrem Unternehmen einführen.
Von der ,,Agentur für Arbeit" und anderen Qualifizierungs- und Maßnahmenträgern, muss
der Bevölkerung ein ausreichendes Angebot an Ausbildungs- und Qualifizierungsangebo-
ten unterbreitet werden. Hier muss ebenfalls eine enge Kooperation zwischen den Betrie-
ben und den Ämtern stattfinden. Um diesen Prozess gezielt zu steuern und gegebenenfalls
zu beschleunigen, sollte ein Mitarbeiter der Agentur für Arbeit vor Ort agieren. Der Mitar-
beiter kann Beschäftigungsverhältnisse direkt vermitteln und unterstützt die Arbeitssu-
chenden mit einer gezielten Beratung. Zusätzlich behält er die Übersicht über die lokalen
Arbeitsmarktbewegungen.
,,Soziale Stadt" soll beim Aufbau des Netzwerkes behilflich sein. Die Stadtteilakteure wer-
den so miteinander vernetzt, dass Unterstützung von außen nur am Anfang der ,,Aufräum-
arbeiten" von Nöten ist. Später soll es selbstständig und ohne Eingriffe von dritten, Früchte
tragen. Um das Aufgabenfeld mit seinen Zielen und Pflichten zu realisieren, ist die Beteili-
21
Ebd., S.7.

19
gung von ,,Wirtschaftressorts, Arbeitsagenturen, Sozialämter, Jugend- und Schulämter,
Schulen, Ämter für Stadtentwicklung, Einrichtungen des zweiten Arbeitsmarktes, Industrie
und Handwerkskammern, andere berufsständische Organisationen, Verbänden und Ge-
werkschaften"
22
die Quintesszens des Erfolges.
2.2.4. Aufgabenfeld III
Dieser Punkt bezieht sich auf die Quartierszentren eines ,,Stadtteiles mit besonderem Ent-
wicklungsbedarf" und seinem wichtigsten ,,Lebensorgan" - das Stadtteilbüro. Die Zentren
jeder kleineren oder größeren Stadt tragen die Funktion der Kommunikationsförderung.
Sie fungieren als Treffpunkt für junge und alte Menschen und dienen gleichzeitig der
,,Nahversorgung"
23
der umliegenden Bevölkerung. Die ,,Ist-Strukturen-" und Verhältnisse
sind häufig an den (baulichen) Zuständen zu erkennen. Die baulichen Verhältnisse geben
häufig darüber Aufschluss, ob man sich mit dem ,,wirtschaftlichem und sozialem Verfall"
auseinander zu setzen hat. Damit dieser Prozess gestoppt werden kann, müssen die Inter-
ventionen in der Form einer Neu- oder Umgestaltung erfolgen. Es handelt sich dabei um
Maßnahmen wie der ,,Instandsetzung und Modernisierung des Zentrums"
24
, ,,Umgestal-
tung des öffentlichen Raums"
25
oder der ,,Ansiedlung von Wochenmärkten."
26
Als Basis
für die Gestaltungsprozesse ist das Stadtteilbüro besonders ins Auge zu fassen. Die Stadt-
teilbüroleiter erkennen den Bedarf und wirken mit gezielten Kräften und Ressourcen dar-
auf ein. Sie agieren als Lautsprecher der benachteiligten Bevölkerung und bringen ihre
Anliegen ans Tageslicht. Sie versprechen den Einwohnern Gehör und bieten ihnen eine
Plattform zum handeln an. Durch die Integration in den städtischen Amtsapparat, ist es den
Stadtteilbüroleitern möglich, jeder Zeit wichtige Netzwerkverbindungen auszuspielen.
Veränderungen im Quartierszentrum können so schneller vorangetrieben werden. Das
,,Stadtmarketing"
27
liegt demnach in den Händen der Stadtteilbüromitarbeiter und gilt als
eine der wichtigsten Aufgaben innerhalb des ,,Stadtteilmanagements". Damit dieser und
auch die anderen Punkte gesichert werden können, bedarf es der Zusammenarbeit von
,,Stadtentwicklungs- und Planungsämter, Wirtschaftsressorts, Kammern, Verbände, Woh-
22
Ebd., S.7.
23
Ebd., S.7.
24
Ebd., S.8.
25
Ebd., S.8.
26
Ebd., S.8.
27
Ebd., S.8.

20
nungsunternehmen"
28
. Nur durch die gemeinsame Zusammenwirkung dieser Institutionen
werden Veränderungen hervorgerufen. Die Wahrscheinlichkeit einer nachhaltigen Verbes-
serung wird durch den Zusammenschluss dieser Institutionen erhöht.
2.2.5. Aufgabenfeld IV
,,Soziale, kulturelle, bildungs- und freizeitbezogene Infrastruktur, Schule im Stadtteil, Ge-
sundheit"
29
sind Eckpunkte des Bund-Länder-Förderprogrammes. Das gesteckte Ziel ist
hier Ausbau und Verbesserung der Infrastruktur. Viele ,,soziale Brennpunkte" sind durch
mangelnde Qualitäten geprägt und auf sich alleine gestellt. Diese Defizite, die zu einer
Verschlechterung der Lebensqualität führen, gilt es zu revidieren. Dadurch soll der Bevöl-
kerung die Möglichkeit eröffnet werden, am Alltagsleben ohne Benachteiligung teilzu-
nehmen. Die soziale Ungleichheit, die das Stadtbild bestimmt, soll mit entsprechenden
Maßnahmen aufgehalten werden. Ziel ist es, den isolierten Stadtteil ins städtische ,,Boot"
zu holen und fest einzubinden. Die Gründe, die zu seiner Ausgrenzung geführt haben, sol-
len behoben und ausgemerzt werden. Die Probleme, die sich im Verlauf dieses Prozesses
festgesetzt haben, müssen durch den gemeinsamen Einsatz von Kräften degeneriert wer-
den. Um diesen Schritt zu sichern ist es von enormer Wichtigkeit, dass das Programm ge-
eignete Räume fachkundiger Beratung zur Verfügung stellt. Die immer größer werdende
Bedeutung der Schule muss in das Gedächtnis der Bewohner zurückgerufen und verstärkt
werden. Um die soziale Benachteiligung in den Stadtvierteln zu reduzieren, würde sich
eine generelle Schaffung von Ganztagsschulen als sehr sinnvoll erweisen. Eine gute Aus-
bildung bedeutet in der Regel ein größeres Humankapital. Dies bedeutet eine geringere
soziale Ungleichheit innerhalb der deutschen Bevölkerungsschicht. Diese Entwicklung
kommt neben den Einzelnen, auch der Allgemeinheit zu Gute und trägt seinen Beitrag zu
einer besseren Lebensqualität bei. In den Stadtteilen sind die Menschen oft von einer me-
dizinischen Unterversorgung betroffen und werden dadurch eher mit gesundheitlichen
Problemen konfrontiert. Mit dem Programm soll diese Problematik erkannt werden und
entsprechende Hilfsmaßnahmen eingeleitet werden. Die Lebensqualität der Bürger soll
dadurch verbessert und verstärkt werden kann. Die Eingriffe dienen im Grunde der Pro-
phylaxe.
28
Ebd., S.8.
29
Ebd., S.8.

21
Da sich das Aufgabenfeld auf alle sozialen Bevölkerungsschichten bezieht, gilt es unter-
schiedliche und altersspezifische Schritte einzuleiten. Sie müssen auf die Zielgruppen ab-
gerichtet und abgestimmt werden. Kinder bedürfen beispielsweise der Investition und In-
betriebnahme von ,,Tagesheimen, Spielwohnungen, Kinderbauernhöfe."
30
Handlungen aus
dem Bereich Betreuung und Freizeit sollen den jungen Menschen den Alltag erleichtern.
Für Jugendliche sind Treffpunkte für Bildungs- und Bewegungsmöglichkeiten enorm
wichtig, da sie dort Erfahrungen mit Gleichaltrigem sammeln können. Das soziale Mitein-
ander wird damit verstärkt. Der Liste an Möglichkeiten beinhaltet die Schaffung von ,,Flä-
chen für Bewegung und Kommunikation, Angebote für offene Jugendarbeit, Treffpunkte,
Jugendhäuser, Jugendcafés, Jugendwerkstätten, Räume für Aus- und Fortbildung, mobile
Spiel- und Sportangebote."
31
Es empfiehlt sich im betroffenen Stadtteil ,,eigene Treffpunkte, Werk- und Schulungsräu-
me"
32
für junge Frauen und Mädchen einzurichten, damit das als ,,oft schwach bezeichnete
Geschlecht" dem Segregationsprozess nicht weiter schutzlos ausgesetzt ist. Sie sollen den
Anspruch wahrnehmen können, bei Bedarf Zeit für sich selbst zu beanspruchen. In be-
stimmten Fällen sollen sie auch eine Beratung hinzuziehen. Die Alterskohorte der Senio-
ren, ist die soziale Schicht, deren Anzahl der Mitglieder in den letzten Jahren am stetigsten
gewachsen ist. Damit man auch ihnen gerecht wird, wäre es von großer Bedeutung soge-
nannte ,,Seniorentreffpunkte"
33
einzurichten und zu organisieren. Da es sich in diesem
Punkt um tiefgreifende Maßnahmen handelt, müssen die staatlichen und städtischen
,,Fachbehörden und Ämter für Stadtentwicklung, Kultur, Jugend, Frauen, Schule, Integra-
tion, Gesundheit, Soziales und Wohnungswesen"
34
miteinbezogen werden. Nur so kann die
positive Stadtentwicklung gewährleistet werden.
2.2.6. Aufgabenfeld V
Hier wird ein Grundsatz des Förderprogrammes angesprochen. Der Punkt ,,Wohnen"
35
sieht eine Vielzahl unterschiedlicher Pflichten und Handlungen vor, die zu einer Verbesse-
rung der Wohnsituation führen sollen. Die Liste der gewünschten Ziele Liste ist lang und
30
Ebd., S.9.
31
Ebd., S.9.
32
Ebd., S.9.
33
Ebd., S.9.
34
Ebd., S.9.
35
Ebd., S.9.

22
umfasst unter anderem die ,,Verbesserung des Wohnwertes der Wohnungen, Modernisie-
rung, Instandsetzung, Umbau und ergänzender Neubau"
36
. Zusätzlich soll der günstige
,,Mietendpreis"
37
gehalten werden. Das persönliche Verhältnis zur Nachbarschaft, der
Wohngegend und zu sich selbst, soll aktiv gefördert und gesteuert werden. Den Grundstein
für einen erfolgreichen Prozess wird in einer ,,gemischten Bevölkerungsstruktur"
38
gelegt.
Die Durchmischung ist ein bewusst gewolltes Ziel von ,,Soziale Stadt". Durch den sozialen
Wohnungsbau in den vergangenen Jahrzehnten, der aus sozialpolitischer Sicht als Desaster
bezeichnet wird, sind die heutigen Großwohnanlagen von einer sehr ,,einseitigen Bewoh-
nerstruktur"
39
gezeichnet. Dieser ,,stramme Knoten" muss durchgeschlagen werden. Die
sozialen Schichten finden sich häufig nur unter ihrem Gleichen und der ständig steigende
Mietpreis, vor allem die Kostenexplosion der ,,zweiten Miete", führt dazu, dass benachtei-
ligte Bewohner von einem gefährdeten Quartier in ein anderes bedrohtes ziehen müssen.
Finanziell schwache Familien müssen ebenfalls in den von sozialer Ungleichheit geprägten
Stadtteil ziehen. Programmaufgabe in Zusammenarbeit mit Hauseigentümern z.T. auch
Wohngenossenschaften ist, die Attraktivität der Wohnhäuser so zu fördern, dass sie einmal
,,ein Gefühl von Wohlbefinden" bei den ,,alten Mietern" erwecken. Und zum zweiten muss
gesichert werden, dass der ,,erbärmliche" Zustand der Häuser die verbliebenen Familien
nicht dazu zwingt das Weite aufzusuchen, weil der Anblick und die Sicherheitsaspekte der
Wohngegend untragbar sind.
Das Förderprogramm ist bestens darüber informiert, welcher Wohnungstyp auf dem Im-
mobilienmarkt aktuell am nötigsten gebraucht wird. Logisch erscheint, dass es nur wenig
Sinn bereitet, hunderte von 4-Zimmer Wohnungen zu sanieren, wenn für sie kein oder nur
ein geringer Bedarf besteht. Im Aufgabenfeld fünf werden zwei unterschiedliche Maßnah-
menkataloge typisiert.
Die ,,baulichen Maßnahmen" umfassen unter anderem den ,,Einsatz von Förderprogram-
men zur Auffächerung des Wohnungsangebotes"
40
, der ,,Instandsetzung und Modernisie-
rung in Altbaugebieten"
41
, der ,,Erneuerung von Gebäuden in Großsiedlungen, individuelle
Umgestaltung der Fassaden."
42
Sie betreffen primär die Ausgestaltung und die Funktions-
36
Ebd., S.9.
37
Ebd., S.10.
38
Ebd., S.10.
39
Ebd., S.10.
40
Ebd., S.10.
41
Ebd., S.10.
42
Ebd., S.10.

23
tüchtigkeit der Siedlungen bzw. Häuser. Die ,,wohnungswirtschaftlichen Maßnahmen"
43
hingegen, zielen auf das Innenleben in den Siedlungen, den Stadtteilen und den Mietpartei-
en ab. Es handelt sich hierbei um die ,,Qualitätssicherung für Wohnung und Wohnum-
feld"
44
, ,,Begrenzung der Mietkostenbelastung"
45
, ,,Sonderregelungen bei der Wohnungs-
belegung"
46
, bewusst gewählte ,,Sorgfältige Mieterauswahl ohne Ausgrenzung (,,schwieri-
ger") Haushalte"
47
, ,,Wohnungseigentumbildung durch Erwerb von Wohnungen aus dem
Bestand"
48
, ,,Angebote zur Aktivierung und Identifikation der Mieterinnen und Mieter"
49
und ,,Schaffung nachbarschaftlicher Netze"
50
. Die Ziele sind für eine positive Entwicklung
des benachteiligten Viertels unerlässlich und haben höchste Priorität. Um diese zu errei-
chen bedarf es der Beteiligung von unterschiedlichen, in der Gemeinde verankerten Institu-
tionen. Zu nennen sind ,,Wohnungsämter, Wohnungsunternehmen, Ämter für Stadtent-
wicklung, Planungsämter, Verbände der Wohnungswirtschaft, Einzeleigentümerinnen und
­eigentümer, Mieter und Mieterinnen".
51
2.2.7. Aufgabenfeld VI
Hier zielt ,,Soziale Stadt" auf die Umgestaltung und Verbesserung des Wohnumfeldes ab.
Da viele der Quartiere oft täglich mit Problemen wie Vandalismus und Kriminalität kon-
frontiert werden, müssen die Unsicherheitsfaktoren und lebensqualitätsvermindernden Zu-
stände minimalisiert oder eliminiert werden. Dafür muss die ,,Aufenthaltsqualität im öf-
fentlichen Raum"
52
verstärkt werden. In diesem Aufgabenfeld ist es Ziel, das Wohnumfeld
von seinen Belastungen zu befreien. Durch die Verbesserungen erhält das Gebiet einen
höheren Attraktivitätsgrad. Damit die ,,Aufwertung des Wohnumfeldes"
53
gelingt, ist es
förderlich, wenn eine ,,bessere Nutzung und bessere Gestaltung von Freiflächen"
54
erfolgt.
Durch dieses ,,Upgrade" erhält der ,,Brennpunkt" eine Neubewertung in den Kategorien
43
Ebd., S.10.
44
Ebd., S.10.
45
Ebd., S.10.
46
Ebd., S.10.
47
Ebd., S.11.
48
Ebd., S.11.
49
Ebd., S.11.
50
Ebd., S.11.
51
Ebd., S.11.
52
Ebd., S.11.
53
Ebd., S.11.
54
Ebd., S.12.

24
Attraktivität und Freizeit. Je besser das Feedback ausfällt, desto höher ist der Zufrieden-
heitsgrad der Bevölkerung. Eine sicherere Wohngegend verringert den ständig wachsenden
Wunsch in andere Stadtviertel abzuwandern. Zur Aufwertung muss im bestimmten Maße
auch die Veränderung der Verkehrsführung mit eingebunden werden. Weniger Verkehr
erhöht ebenfalls die Lebensqualität.
Einige Maßnahmen zur nachhaltigen Veränderung ,,sozialer Brennpunkte" sind die ,,Neu-
und Umgestaltung von Plätzen, Straßenräumen, Gewässern, Ufern, Parkanlagen und Treff-
punkten"
55
. Zusätzlich kommt die Schaffung, Entwicklung und Gestaltung von Spiel- und
Sportplätzen und Schulhöfen hinzu. Die Ausbaumaßnahmen von Fuß- und Radwegen sind
genauso bedeutend wie die ,,Verbesserung der Beleuchtung im öffentlichen Raum"
56
.Die
Liste potentieller Anordnungen ist so umfangreich, dass sie noch einige Seiten fortgeführt
werden könnte. Die beteiligten und ausführenden Initiatoren dieser Verbesserungsaktionen
sind ,,Planungsämter, Umweltämter, Gartenämter, Verkehrs- und Tiefbauämter, Stadtreini-
gung, Wohnungsunternehmen"
57
.
2.3. Allgemeine Grundsätze
Für die erfolgreiche Gestaltung und Umsetzung von ,,Soziale Stadt" ist die Bündelung von
gemeinsamen Ressourcen Grundvoraussetzung. Die Maßnahmen, die eingeleitet werden,
orientieren sich an dem vorhandenen Potential der Bevölkerung und der Stadtteilstruktur.
Die Ressourcen stammen aus den Bereichen von ,,Soziales, Beschäftigung, Wirtschaft,
Verkehr, Bildung Gesundheit, bauliche und städtebauliche Erneuerung"
58
. Diese Sektoren
gilt es zu fördern. Weitere Voraussetzung für den erfolgreichen Ablauf sind die Akkredi-
tierung und Einbeziehung der Bürger und Bürgerinnen. Partizipation soll mit diesem Pro-
gramm in neue ,,Sphären" dringen. Die teils ,,nur" reaktive Bevölkerung soll lernen das
,,Zepter" selbst in die Hand zu nehmen. Einen Teil, der Verantwortung, die auf ihnen lastet
müssen sie selbst tragen. Bund und Länder wirken aktivierend statt aktiv. In Kooperation
mit verschiedenen Trägern und Entwicklungsgesellschaften werden die Bewohner moti-
viert und gefördert. Die Zusammenarbeit dieser Gruppierungen ist für das Funktionieren
von ,,Sozialer Stadt" Pflicht. In erster Linie ist es Aufgabe der Städte und Gemeinden, das
55
Ebd., S.12.
56
Ebd., S.12.
57
Ebd., S.12.
58
Ebd., S.12.

25
Programm und seine Ansprüche in die Wege zu leiten und umzusetzen. Die Stadtverwal-
tung sieht ihren Zuständigkeitsbereich darin, dafür zu sorgen, dass der Austausch zwischen
den diversen Fachbereichen und den Verwaltungsabteilungen reibungslos abläuft. Nur so
können die Problematiken angegangen werden.
Bei der Entscheidung auf die Wahl eines förderungsbedürftigen Stadtteiles, hat das Bun-
desland keinen direkten Einfluss. Diese Befugnis liegt in den Händen der betroffenen Städ-
ten und Gemeinden. Für eine dringende öffentliche Förderung muss in einer schriftlichen
Darstellung auf notwendige Unterstützung hingewiesen werden. Ohne diese Hilfs-
maßnahmen kann der Segregationsprozess im nicht gestoppt werden. Es muss explizit dar-
auf hingewiesen werden, dass die Lebensqualität und Zufriedenheit der Bevölkerung unter
dem bundesweiten Durchschnitt liegt. Bei ausbleibender Unterstützung könnte sich der
Zustand des Stadtteiles weiter verschlechtern. Die Entscheidung ob ein ,,Stadtteil mit be-
sonderem Entwicklungsbedarf" im Programm ,,Soziale Stadt" untergebracht werden kann,
liegt also in den Händen der Kommunen. Für die Leistungsfähigkeit und Effektivität des
Stadtteilmanagements trägt die Stadt Verantwortung. Sie entscheidet über materiellen Ein-
satz und geeigneten Fachkräften. Die Organisation obliegt allein der Stadtverwaltung. Der
Bund wird von einer Verantwortung freigesprochen. Das Stadtteilmanagement verpflichtet
sich Gelder in den Stadtteil zu ,,spülen". Private Public Partnership und Sponsoring sind
mögliche Geldquellen und könnten die ausgeschöpften Kassen auffüllen. Da die Akquirie-
rung von Spenden und ähnlichen Beihilfen ein zeitaufwendiger Prozess ist, muss das Stadt-
teilmanagement anfänglich mit einem kleinen ,,Verfügungsfond"
59
ausgestattet werden.
Damit sollen erste Schritte in die Wege geleitet werden. Dadurch soll verhindert werden,
dass erste geplante Mikroprojekte mangels finanzieller Deckung nicht scheitern. Die Teil-
nehmer bekommen nur wenige konkrete Vorgaben. Es handelt sich eher um einen lockeren
undefinierten Rahmen, in dem die Gemeinden, die Arbeiten und Aufgaben selbst gestalten
sollen. Der Kreativität für die Ausgestaltung sind kaum Grenzen gesetzt. Dies kann aber
auch dazu führen, dass Lethargie die Stadtteilarbeit bremsen könnte, weil Normen fehlen
und rein fiktiv sind. Die Stadtgemeinde ist mit der Aufnahme in die Gemeinschaftsinitiati-
ve die Verpflichtung eingegangen, sich in regelmäßigen Abständen einer Evaluation zu
unterziehen. Die Ergebnisse geben Aufschluss darüber, wie weit die Fortschritte sind und
welche Maßnahmen sich etabliert haben oder gescheitert sind. Diese Konzeption stellt zu-
sätzlich einen interdisziplinären Prozess dar. Daher haben sich mit der Unterzeichnung der
59
Ebd., S.13.

26
Verträge, die ,,Bundesministerien des Innern, Wirtschaft und Arbeit, für Familien, Senio-
ren, Frauen und Jugend, für Bildung und Forschung, sowie für Gesundheit und Soziales",
darauf geeinigt ihre Zusammenarbeit zu verstärken. Dadurch erhöht sich die Wahrschein-
lich auf Erfolg der Gemeinschaftsinitiative.
Die Hilfestellungen sind in die städtebaulichen Gesamtmaßnahmen verankert. Sie werden
damit als Rechtsinstrument des Städtebauförderungsprogrammes von Bund und Ländern
integriert und beziehen sich auf die Paragraphen 164b und 171e des BauGB. Als einzig
,,gesetzlich vorformuliertes Ziel"
60
gilt es, die Art von Maßnahmen zu fördern, die eine
nachhaltig Verbesserung der Wohn- und Arbeitssituation bewirken können. Nebenbei soll
die Schaffung und die ,,Erhaltung sozial stabiler Bewohnerstrukturen"
61
angestrebt werden.
Mit den Anordnungen sollen die Fluktuation und die Segregation der Bewohner eines för-
derungsbedürftigen Quartieres gestoppt werden. Damit städtebauliche Entwicklungskon-
zepte greifen können, ist die aktive Bürgerbeteiligung vorgesehen. Partizipation spielt im
Förderprogramm eine große Rolle und macht es in seiner Form einzigartig. Bei der Ent-
wicklung von Ideen und Konzepten zur Umgestaltung und Verbesserung des Lebensstan-
dards sind alle betroffenen Personen und Gruppierungen gefragt.
2.4. Instrumente im Bereich des Wohnungswesens
Im Jahr 2001 wurde durch die Umstrukturierung des Wohnungsbaurechts, dem Programm
der Weg geebnet, die vom Land festgelegten ,,Wohnungsbelegungen" zu umgehen. Seit-
dem ist es möglich die Belegungspläne so zu ,,umschiffen", dass sie dem Viertel besonders
zu Gute kommen. Bei der ,,Sozialen Wohnungsraumförderung"
62
liegt es in den Händen
der Länder und Kommunen, wie der Wohnungsbau und die Belegung festgelegt werden.
Gemeinsam bestimmt man die Anzahl der Neubauten. Es wird beraten welche sozialen
Schichten für die Wohnungen bevorzugt gewünscht werden. Empfinden die Bundesländer
die Durchmischung der Bevölkerung als zu heterogen, so werden die unterpräsentierten
Schichten besonders gefördert. So soll das Bild einer ,,gesunden Durchmischung im Vier-
tel" verstärkt werden. Dadurch kann die Erhaltung oder Erschaffung einer bestimmten Be-
völkerungsstruktur angegangen werden. Die Länder unterliegen keiner vorgegebenen
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Ebd., S.13.
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Ebd., S.15.
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Ebd., S.17.

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Richtlinie. Sie können flexibel auf die situationsbedingten Bedürfnisse des Stadtteiles ein-
gehen. Sowohl die Belegungsbindung als auch die Mietgestaltung sind Aufgaben der Län-
derministerien. Bei der ,,Mietengestaltung"
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des geförderten Wohnungsbaus haben Ver-
mieter freies Spiel. Sie sind lediglich an die gesetzliche Mietobergrenze gebunden. Sie darf
in keinem Fall überschritten werden. Den Vermietern ist es aber frei diese Obergrenze an-
zusteuern. Er kann den Preis auch unter diese ansetzen. Eine verminderte Miete kann auf-
grund der schlechten oder dem älteren, wenig attraktiven Zustand der Wohnung zustande
kommen. Damit Probleme im Themenbereich ,,Wohnquartier" gelindert oder gelöst wer-
den können, sieht das Förderprogramm die Möglichkeit von Kooperationsverträgen vor.
Öffentliche Stellen (insbesondere Kommunen) können mit Wohnungseigentümern (Verfü-
gungsberechtigten) und mit sonstigen Dritten (z.B. Verbänden der Wohlfahrtspflege) Ko-
operationsverträge abschließen.
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Diese sehen eine Absprache und Verbesserung der
Wohnsituation vor. Sie enthalten festgeschriebene Maßnahmen, die zu einer verbesserten
Lebenssituation der Bewohner führt. Durch das Zusammenwirken der Institutionen und
den daraus entstehenden Resultaten, ist eine positive Entwicklung für den entsprechenden
Stadtteil zu erwarten. Ob dieser Prozess auch einen positiven Einfluss auf die Zielgruppen
hat, muss abgewartet werden. Dieser hängt zusätzlich vom persönlichen Einsatz der Ko-
operationspartner ab. Je höher seine Motivation und Fachkenntnisse sind, desto höher ist
die Aussicht auf Erfolg.
Durch die ,,Übertragung von Belegungs- und Mietpreisbindungen"
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können Vermieter
geförderte Wohnungen auf längere Zeit an ein niedriges Mietniveau binden. Damit die
Bewohnerstruktur nicht zu schnell destabilisiert wird, erlaubt man ihnen, die Belegung und
den Mietpreis (z.B. Mietpreiserhöhung) auf andere Wohnungen, die sich in ihrem Besitz
befinden, zu übertragen. Dieses Recht führt dazu, dass ein Wohnviertel weniger zwingend
,,durcheinander gewürfelt" wird. Man kann hier den Vorteil ausspielen, dass bei der struk-
turellen Belegung etwas durchdacht wird. Eine andere Maßnahme ist die ,,Freistellung von
Belegungsbindungen"
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. Besteht in der Öffentlichkeit nicht mehr das Bedürfnis oder das
Interesse an der Fortführung einer belegungsgebundenen Wohnpolitik, so schafft diese
Abhilfe. Dadurch ergibt sich die Chance, die Struktur zu stabilisieren oder ggf. zu entzer-
ren. Man kann gezielt auf die Situation eingehen. Eine ,,Freistellung der Belegungsbin-
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Ebd., S.17.
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Ebd., S.17.
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Ebd., S.18.
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Ebd., S.18.

Details

Seiten
Erscheinungsform
Originalausgabe
Jahr
2009
ISBN (eBook)
9783836630801
Dateigröße
3.2 MB
Sprache
Deutsch
Institution / Hochschule
Universität Siegen – Erziehungswissenschaften, Integrierter Studiengang Sozialpädagogik und Sozialarbeit
Erscheinungsdatum
2014 (April)
Note
1,1
Schlagworte
entwicklungsbedarf fischbacherberg hoppmann stiftung stadtteilarbeit schießgelände
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Titel: Vom Schießplatz zum 'Erfahrungsfeld'
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