Gestörtes Verhältnis zwischen Fans und Polizei?
Eine empirische Untersuchung zu gewalttätigem Zuschauerverhalten im deutschen Profifußball
					
	
		©2009
		Diplomarbeit
		
			
				150 Seiten
			
		
	
				
				
					
						
					
				
				
				
				
			Zusammenfassung
			
				Inhaltsangabe:Einleitung:	
Zuschauergewalt gilt seit den 70er und 80er Jahren als großes Problem im deutschen Profifußball. Die Sicherheitsvorkehrungen in den Stadien wurden in den letzten Jahrzehnten drastisch verstärkt und weiterentwickelt: Große Polizeipräsenz, Kameraüberwachung in den Stadien, szenekundige Beamte, Polizisten in Zivil, Blocktrennung zwischen den Fanlagern, Fanprojekte und Sicherheitsbeauftragte der Vereine sollen dafür sorgen, dass der mittlerweile zum gesellschaftlichen Event stilisierte Profifußball nicht durch gewalttätige Exzesse einzelner instrumentalisiert wird.
Doch gerade aktive Fußballfans in der Kurve, die ihre Mannschaft bedingungslos anfeuern und fast zu jedem Spiel ins Stadion gehen, kritisieren den enormen Sicherheitsapparat und hinterfragen Verhältnis- und Rechtmäßigkeit der polizeilichen Maßnahmen. Zusehends häufen sich Berichte von Fanvereinigungen und Faninitiativen über ungerechtfertigte Stadionverbote, repressive Kontrollen, Speicherung von persönlichen Daten und mitunter über die Kriminalisierung von friedlichen Fans. Offenbar fühlen sich viele Fußballzuschauer in der Freiheit ihre Fankultur auszuleben gestört.
Die vorliegende Diplomarbeit soll das Verhältnis zwischen Fans und Polizei eingehender beleuchten. Sie will hinterfragen, ob die massive Präsenz und das Vorgehen der Polizei im Rahmen von Profifußballspielen teilweise für Aggressionen und Fangewalt in und um die deutschen Stadien mitverantwortlich sind. Sie will verstehen, wie es zu einer Eskalation zwischen Fans und Ordnungskräften kommen kann.
Dabei wird zunächst eine Definition der verschiedenen Zuschauergruppen im Fußballstadion gegeben. Es soll aufgezeigt werden, welche Arten von Fans mittlerweile Gewalt verüben. Da in den letzten Jahren eine Änderung in der Fankultur zu beobachten ist, soll besonders auf die neue Fansubkultur der Ultras eingegangen werden. Im Anschluss werden einzelne traditionelle Theorien zur Zuschauergewalt behandelt und mit ihnen die Einflussfaktoren und Ursachen aufgezeigt, die aggressive Handlungen bei Fußballspielen bedingen können.
Schlussendlich soll eine Analyse von qualitativer Feldforschung und Interviews Aufschluss geben, inwieweit das Verhältnis zwischen Fans und Polizei als gestört bezeichnet werden kann oder ob die Kritik am polizeilichen Vorgehen als unberechtigt anzusehen ist und die Maßnahmen angebracht sind, um Gewalttäter im Stadion abzuschrecken und einen friedlichen Verlauf von […]
	Zuschauergewalt gilt seit den 70er und 80er Jahren als großes Problem im deutschen Profifußball. Die Sicherheitsvorkehrungen in den Stadien wurden in den letzten Jahrzehnten drastisch verstärkt und weiterentwickelt: Große Polizeipräsenz, Kameraüberwachung in den Stadien, szenekundige Beamte, Polizisten in Zivil, Blocktrennung zwischen den Fanlagern, Fanprojekte und Sicherheitsbeauftragte der Vereine sollen dafür sorgen, dass der mittlerweile zum gesellschaftlichen Event stilisierte Profifußball nicht durch gewalttätige Exzesse einzelner instrumentalisiert wird.
Doch gerade aktive Fußballfans in der Kurve, die ihre Mannschaft bedingungslos anfeuern und fast zu jedem Spiel ins Stadion gehen, kritisieren den enormen Sicherheitsapparat und hinterfragen Verhältnis- und Rechtmäßigkeit der polizeilichen Maßnahmen. Zusehends häufen sich Berichte von Fanvereinigungen und Faninitiativen über ungerechtfertigte Stadionverbote, repressive Kontrollen, Speicherung von persönlichen Daten und mitunter über die Kriminalisierung von friedlichen Fans. Offenbar fühlen sich viele Fußballzuschauer in der Freiheit ihre Fankultur auszuleben gestört.
Die vorliegende Diplomarbeit soll das Verhältnis zwischen Fans und Polizei eingehender beleuchten. Sie will hinterfragen, ob die massive Präsenz und das Vorgehen der Polizei im Rahmen von Profifußballspielen teilweise für Aggressionen und Fangewalt in und um die deutschen Stadien mitverantwortlich sind. Sie will verstehen, wie es zu einer Eskalation zwischen Fans und Ordnungskräften kommen kann.
Dabei wird zunächst eine Definition der verschiedenen Zuschauergruppen im Fußballstadion gegeben. Es soll aufgezeigt werden, welche Arten von Fans mittlerweile Gewalt verüben. Da in den letzten Jahren eine Änderung in der Fankultur zu beobachten ist, soll besonders auf die neue Fansubkultur der Ultras eingegangen werden. Im Anschluss werden einzelne traditionelle Theorien zur Zuschauergewalt behandelt und mit ihnen die Einflussfaktoren und Ursachen aufgezeigt, die aggressive Handlungen bei Fußballspielen bedingen können.
Schlussendlich soll eine Analyse von qualitativer Feldforschung und Interviews Aufschluss geben, inwieweit das Verhältnis zwischen Fans und Polizei als gestört bezeichnet werden kann oder ob die Kritik am polizeilichen Vorgehen als unberechtigt anzusehen ist und die Maßnahmen angebracht sind, um Gewalttäter im Stadion abzuschrecken und einen friedlichen Verlauf von […]
Leseprobe
Inhaltsverzeichnis
Fabian Friedmann 
Gestörtes Verhältnis zwischen Fans und Polizei? 
Eine empirische Untersuchung zu gewalttätigem Zuschauerverhalten im deutschen 
Profifußball 
ISBN: 978-3-8366-3007-8 
Herstellung: Diplomica® Verlag GmbH, Hamburg, 2009 
Zugl. Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg, Erlangen, Deutschland, 
Diplomarbeit, 2009 
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http://www.diplomica.de, Hamburg 2009 
Gestörtes Verhältnis zwischen Fans und Polizei?  
2 
Inhaltsverzeichnis: 
1. Einleitung ... 5 
2. Theoretischer Hintergrund ... 6 
2.1 Fußball: Von den Wurzeln zum Zuschauersport... 6 
2.2 Zuschauer: Individuen und dynamische Kollektive ... 8 
2.3 Gewalttätiges Zuschauerverhalten: Kampf- und  Konflikterfahrungen ... 10 
3. Die verschiedenen Zuschauergruppen im Fußballstadion ... 12 
3.1 Der Zuschauer als Kunde und Konsument... 12 
3.2 Der Fan innerhalb einer jugendlichen Subkultur ... 14 
3.3 Die Ultras ... 15 
3.3.1 Motivation, Organisation und Gewaltbereitschaft ... 16 
3.4 Die Hooligans... 19 
3.4.1 Tradition, Motivation und Veränderungen... 20 
3.4.2 Ost-West-Vergleich und neuere Entwicklungen... 24 
4. Zuschauergewalt im sozialen System Fußball ... 28 
4.1 Das Interesse der Medien ... 29 
4.1.1 Die Rolle der Berichterstattung... 29 
4.2 Die Maßnahmen der Vereine und Verbände... 32 
4.2.1 Aufgaben von Ordnungs- und Sicherheitsdiensten ... 33 
4.2.2 Stadionordnung und Stadionarchitektur... 37 
4.2.3 Stadionverbote: Entstehung und Umsetzung ... 37 
4.3 Die Organisation und Vorgehensweise der Polizei ... 40 
4.3.1 Polizeiliche Gewaltprävention und Intervention... 41 
4.3.2 Analyse von Verhältnis- und Rechtmäßigkeit ... 45 
4.3.3 Zusammenfassung unter Berücksichtigung der ZIS Datei ,,Gewalttäter Sport"... 49 
4.4 Zusätzliche Präventivmaßnahmen und Publikumszusammenschlüsse ... 52 
4.4.1 Sozialarbeit und Fanprojekte... 53 
4.4.2 Faninitiativen und Fanrechtefonds ... 54 
5. Forschungsstand zu den Ursachen von Zuschauergewalt ... 55 
5.1 Grundlagen, Theorien, phänomenologische Erklärungsansätze ... 55 
5.1.1 Aggressionstheorien ... 58 
5.1.2 Massenpsychologische Ansätze ... 59 
5.1.3 Schichtbezogene Ansätze und Subkultur-Theorien ... 60 
Gestörtes Verhältnis zwischen Fans und Polizei?  
3 
5.1.4 Entwertungsthese ... 61 
5.1.5 Zivilisationstheoretischer Ansatz ... 62 
5.1.6 Theorie zum polizeilichen Aggressor ... 63 
5.2  Empirische Untersuchungen ... 66 
5.3  Kritik und Stellungnahme ... 70 
6. Grundlagen und Methodologie der Datenerhebung ... 72 
6.1 Ansatz des methodologischen Individualismus ... 73 
6.2 Strukturell-individualistischer Ansatz... 74 
6.3 Makro-, Meso-, Mikroebene ... 77 
7. Methodisches Vorgehen ... 77 
7.1 Untersuchungsraum und Auswahl der Untersuchungseinheit ... 79 
7.2 Teilnehmende Beobachtungen im Feld... 80 
7.3 Leitfadengestützte Experteninterviews ... 82 
7.4 Narrative Interviews ... 83 
8. Auswertung und Theoriebildung... 84 
8.1 Teilnehmende Zuschauer- und Polizeibeobachtungen... 85 
8.1.1 Deskriptive Beobachtung Zuschauer (Frankfurt)... 86 
8.1.2 Fokussierte Beobachtung Zuschauer (Kaiserslautern) ... 87 
8.1.3 Selektive Beobachtung Polizei (Nürnberg)... 89 
8.1.4 Interpretation und Fazit ... 94 
8.2 Qualitative Inhaltsanalyse zur Zuschauergewalt... 96 
8.2.1 Aufgaben der Polizei und umgesetzte taktische Maßnahmen... 98 
8.2.2 Zuschauer als vorsätzliche, situative und medial inszenierte Gewalttäter ... 102 
8.2.3 Formen der Zuschauergewalt und ihre situationsbedingten Ursachen... 107 
8.2.4 Trends: Gesteigertes Gewaltpotential bei Ostvereinen und in Amateurklassen ... 112 
8.2.5 Einzelfallanalyse zu den Ausschreitungen in Regensburg im Jahr 2004... 115 
8.2.6 Verhältnis zwischen einzelnen Zuschauergruppen und der Polizei ... 120 
8.2.7 Präventions- und Lösungsansätze zur Zuschauergewalt ... 125 
9. Diskussion ... 134 
10. Zusammenfassung ... 138 
Literaturverzeichnis... 140 
Gestörtes Verhältnis zwischen Fans und Polizei?  
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Tabellen- und Abbildungsverzeichnis: 
Tabelle 1: Die verschiedenen Zuschauergruppen im Stadion ... 20 
Tabelle 2: Überblick der polizeilichen Maßnahmen zur Eindämmung von Zuschauergewalt 44 
Tabelle 3: 12-Jahres Bericht der ZIS Datei ,,Gewalttäter Sport" zur 1. und 2. Bundesliga ... 50 
Tabelle 4: 7-Jahres Bericht der ZIS Datei ,,Gewalttäter Sport" zu den Regionalligen ... 51 
Grafik 1: Das Modell der Wechselbeziehungen im sozialen System Fußball ... 28 
Grafik 2: Entwicklung der bundesweiten Stadionverbote... 38 
Grafik 3: Entwicklung der von Polizei geschätzten Anzahl gewaltbereiter Fans ... 39 
Grafik 4: Bedingungsgefüge für Zuschaueraggressionen ... 56 
Grafik 5: Zirkuläres Modell des Forschungsprozesses ... 78 
Grafik 6: Untersuchungsgegenstand und angewandte qualitative Forschungsmethoden ... 80 
Gestörtes Verhältnis zwischen Fans und Polizei?  
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1.  Einleitung 
Zuschauergewalt  wurde  seit  den  70er  und  80er  Jahren  vermehrt  im  deutschen  Profifußball 
beobachtet.  Seitdem  haben  sich  die  Sicherheitsvorkehrungen  in  den  Stadien  drastisch 
verstärkt  und  weiterentwickelt:  Große  Polizeipräsenz,  Kameraüberwachung  in  den  Stadien, 
szenekundige  Beamte,  Polizisten  in  Zivil,  Blocktrennung  zwischen  den  Fanlagern, 
Fanprojekte und Sicherheitsbeauftragte der Vereine sollen dafür sorgen, dass der mittlerweile 
zum  gesellschaftlichen  Event  stilisierte  Profifußball  nicht  durch  gewalttätige  Exzesse 
einzelner instrumentalisiert wird.  
Doch  gerade  aktive  Fußballfans  in  der  Kurve,  die  ihre  Mannschaft  bedingungslos  anfeuern 
und  fast  zu  jedem  Spiel  ins  Stadion  gehen,  kritisieren  den  enormen  Sicherheitsapparat  und 
hinterfragen  Verhältnis-  und  Rechtmäßigkeit  der  polizeilichen  Maßnahmen.  Zusehends 
häufen  sich  Berichte  von  Fanvereinigungen  und  Faninitiativen  über  ungerechtfertigte 
Stadionverbote,  repressive  Kontrollen,  Speicherung  von  persönlichen  Daten  und  zum  Teil 
über die Kriminalisierung von friedlichen Fans. Offenbar fühlen sich einige Fußballzuschauer 
gestört ihre Fankultur frei auszuleben.  
Die  vorliegende  Diplomarbeit  soll  das  Verhältnis  zwischen  Fans  und  Polizei  eingehender 
beleuchten.  Sie  will  hinterfragen,  ob  die  massive  Präsenz  und  das  Vorgehen  der  Polizei  im 
Rahmen  von  Profifußballspielen  teilweise  für  Aggressionen  und  Fangewalt  in  und  um  die 
deutschen  Stadien  mitverantwortlich  sind.  Sie  will  verstehen,  wie  es  zu  einer  Eskalation 
zwischen Fans und Ordnungskräften kommen kann.  
Dabei wird zunächst eine Definition der verschiedenen Zuschauergruppen im Fußballstadion 
gegeben. Es soll aufgezeigt werden, welche Arten von Fans mittlerweile Gewalt verüben. Da 
in den letzten Jahren eine Änderung in der Fankultur zu beobachten ist, soll besonders auf die 
neue  Fansubkultur  der  ,,Ultras"  eingegangen  werden.  Im  Anschluss  werden  Theorien  und 
phänomenologische  Erklärungsansätze  zur  Zuschauergewalt  behandelt  und  mit  ihnen  die 
Einflussfaktoren  und  Ursachen  aufgezeigt,  die  aggressive  Handlungen  bei  Fußballspielen 
bedingen  können.  Daneben  werden  einige  empirische  Untersuchungen  zur  Thematik 
vorgestellt und analysiert, um den Stand der Forschung deutlich zu machen. 
Eine Analyse von Feldforschung und qualitativer Experteninterviews soll letztlich Aufschluss 
geben,  inwieweit  das  Verhältnis  zwischen  Fans  und  Polizei  als  ,,gestört"  bezeichnet  werden 
kann,  oder  ob  die  Kritik  am  Vorgehen  der  Beamten  als  unberechtigt  gilt  und  deren 
Maßnahmen  angebracht  sind,  um  Gewalttäter  im  Stadion  abzuschrecken  und  damit  einen 
friedlichen Verlauf von Fußballgroßveranstaltungen zu gewährleisten. 
Gestörtes Verhältnis zwischen Fans und Polizei?  
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2.  Theoretischer Hintergrund 
Fußball  ist  die  meist  gespielte  Sportart  der  Welt.  Um  überhaupt  einen  Zugang  zu 
Gewalttätigkeit  beim  Fußball  zu  bekommen  und  nachvollziehen  zu  können,  muss  zuerst  das 
Spiel  selbst  in  seiner  Entwicklung  vorgestellt  werden.  Im  Anschluss  daran  soll  beleuchtet 
werden,  wie  Fußball  zum  Zuschauersport  wurde  und  dass  das  Publikumsspiel  in  seiner 
Geschichte schon fast traditionell von gewalttätigen Auseinandersetzungen betroffen war und 
ist,  aber  auch  wie  sich  im  Laufe  der  Zeit  eine  Fankultur  entwickeln  konnte.  Dabei  wird  die 
Zusammensetzung des Publikums aus Individuen zu dynamischen Kollektiven verdeutlichen, 
wie es zu gewalttätigen Auseinandersetzungen im Stadion kommen kann. 
2.1  Fußball: Von den Wurzeln zum Zuschauersport 
Grundformen des heutigen Fußballs existieren seit Jahrtausenden. Bereits im Jahre 2967 vor 
Christus  soll  es  in  China  ein  verbreitetes  Spiel  mit  Namen  ,,Ts'u-Küh"  (übersetzt:  ,,mit  dem 
Fuß Stoßen") gegeben haben, welches sich bis zum 8. Jahrhundert als Kreisfußball (das sog. 
,,Kemari") in ganz Asien verbreitete. In Südamerika spielten vor mehr als Tausend Jahren die 
Mayas  ein  ähnliches  Spiel,  um  ihren  Göttern  zu  huldigen.  In  Europa  liegt  die  Wiege  des 
Fußballs bekanntlich in England. Bis zurück ins 10. Jahrhundert finden sich dort Hinweise auf 
diese Sportart (König, 2002: 8).  
Aus  dem  Jahr  1314  ist  in  London  ein  Spiel  belegt,  bei  dem  das  ,,niedere"  Volk  zu  Fuß  um 
einen  großen  unelastischen  mit  Stroh  und  Kork  gefüllten  Ball  kämpfte,  was  mit  derartigen 
Gewalttätigkeiten  und  Unruhen  verbunden  war,  dass  sich  die  Obrigkeit  zu  einem  Verbot 
gezwungen sah (Bausenwein, 1995: 99). Fußball war zu dieser Zeit mehr ein Volkssport, an 
dem  ganze  Viertel,  Dörfer  und  sogar  Städte  teilnahmen.  Eine  Unterscheidung  zwischen 
Zuschauern  und  Spielern,  geschweige  denn  ein  festes  Spielfeld  oder  ein  striktes  Regelwerk 
gab es nicht. Ziel war es wie heute ein Tor zu erzielen, die aber damals noch von Marksteinen 
oder  Stadttoren  dargestellt  wurden  und  zum  Teil  kilometerweit  auseinander  lagen 
(Bausenwein, 1995: 100).  
Derart  große  ,,Ballschlachten"  fanden  in  der  Regel  im  Rahmen  der  großen  kirchlichen  Feste 
wie zum Beispiel Weihnachten oder Fastnacht statt. Sie bildeten einen festen Bestandteil im 
Jahresablauf  der  mittelalterlichen  und  frühneuzeitlichen  Gesellschaft.  Auch  die  Rugby-
ähnliche  italienische  Version  des  ,,Calcio"  (übersetzt:  Fußtritt)  war  im  venezianischen 
Pontespiel  zusammen  mit  anderen  volkstümlichen  Kriegsspielen  nachweisbarer  Teil 
christlicher Festtage. Das französische Ballspiel ,,Soule" etwa hatte den Spielzweck darin, im 
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Sieg  über  den  Gegner  Kraft  und  Fruchtbarkeit  für  die  eigene  Gemeinschaft  zu  sichern.  Das 
Dorf  der  Gewinner,  so  der  Glaube,  sollte  im  nächsten  Herbst  eine  bessere  Ernte  haben 
(Bausenwein, 1995: 102, 114, 140). 
In  dieser  Phase  seiner  Entwicklung  wurde  der  Fußball  zumeist  von  Bauern  und  Gesellen  
praktiziert, während sich die Oberschicht von dem bunten Treiben fernhielt. Ein wesentlicher 
Grund  für  die  Popularität  und  die  Verbreitung  des  Fußballs  war  der  ,,Derbycharakter"  der 
jeweiligen  Begegnungen:  Lokale  Identität  wurde  gestiftet  und  demonstriert  sowie 
nachbarschaftliche  Rivalität  ausgetragen.  Die  Wurzeln  des  Begriffs  ,,Derby"  liegen  in  dem 
Aufeinandertreffen zwischen den lokalen Pfarrbezirken All Saints und St. Peter im englischen 
Kleinstädtchen  ,,Derby".  Ende  des  18.  Jahrhunderts  trafen  sich  dort  zwischen  500  bis  1000 
Spieler  beider  Seiten.  Die  Spieldauer  einer  solchen  Fußballbegegnung  betrug  knappe  sechs 
Stunden.  Spielfläche  waren  Sümpfe,  Flüsse,  Felder  und  Straßenzüge  auf  denen  ein  großes 
Durcheinander  herrschte.  Verletzungen  und  Knochenbrüche  im  Spielverlauf  waren  an  der 
Tagesordnung (König, 2002: 8). 
Ab dem Jahr 1830 kam es zu einer Zivilisierung des Fußballs und einem engeren Regelwerk. 
Das erste seiner Art entstand 1845: ,The Law of Football as played in Rugby School'. Darin 
wurde  im  Gegensatz  zum  Rugby  das  Spiel  mit  der  Hand  untersagt  ebenso  wie  das  Treten, 
Schubsen  oder  Stoßen.  Andere  englische  Schulen  zogen  nach  und  so  kam  es  im  Jahre  1863 
mit  Gründung  der  Football  Association  (FA)  in  London  zu  einer  endgültigen  Abgrenzung 
gegenüber  Rugby  und  anderen  Sportarten.  Das  damalige  Regelwerk  dient  noch  immer  den 
heutigen Spielregeln als Basis (König, 2002: 9). 
Die nächste Entwicklungsphase des Fußballs ist geprägt von der Aufnahme ins tägliche Leben 
der  Arbeiterschaft,  vor  allem  als  körperlicher  Bewegungsausgleich  zum  monotonen 
Fabrikleben  Ende  des  19.  Jahrhunderts.  1883  gewann  mit  den  Blackburn  Olympics  eine 
Arbeitermannschaft  den  FA-Cup
1
  und  brach  damit  erstmals  die  Vorherrschaft  der  Klubs  aus 
der  Oberschicht.  Im  Zuge  dessen  wurde  Fußball  ein  Ereignis  für  breite  Zuschauermassen. 
Verfolgten  1872  gerade  einmal  2.000  Besucher  das  Finale  des  FA-Cups,  so  kamen  1901 
bereits  111.000  Zuschauer  in  das  1894  erbaute  Crystal  Palace  Stadion  in  London  (König, 
2002: 9). Beim ersten Cup-Final im neu eröffneten Wembley-Stadion drängten gar weit mehr 
Zuschauer  ins  Stadion,  als  darin  Platz  hatte.  200.000  sollen  es  gewesen  sein,  die  die  so 
genannte  ,,White-Horse  Partie"
2
  zwischen  West  Ham  United  und  den  Bolton  Wanderers  im 
April 1923 sahen (Bausenwein, 1995: 8f). 
1
Der FA-Cup ist der älteste und traditionsreichste Fußballpokal der Welt an dem ausschließlich englische 
Mannschaften teilnehmen.  
2
 Die Zuschauer wurden damals von einem Polizeibeamten auf einem Schimmel sitzend vom Spielfeld gedrängt. 
Gestörtes Verhältnis zwischen Fans und Polizei?  
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In  Deutschland  kam  es  nur  zu  einer  schleppenden  Verbreitung.  Englische  Kaufleute  und 
Studenten  brachten  den  Fußball  nach  Deutschland,  die  auf  der  Suche  nach  Mitspielern  und 
Gegnern  das  Spiel  populär  machten.  Sie  gründeten  auch  die  ersten  Fußballclubs.  Der  älteste 
Fußballverein  auf  deutschem  Boden  ist  der  1888  gegründete  SC  Germania  Berlin 
(Bausenwein, 1995: 88).  Im Jahr 1900 wurde der DFB  gegründet und in  seinem Fahrwasser 
entstanden Fußballvereine in allen großen deutschen Städten.  
Das  Zuschauerinteresse  war  zu  Beginn  recht  zurückhaltend.  Dem  ersten  deutschen 
Meisterschaftsendspiel  zwischen  dem  VfB  Leipzig  und  DFC  Prag  wohnten  1903  gerade 
einmal 1.500 Zuschauer bei. Die Endspielbegegnung von 1922 zwischen dem Hamburger SV 
und dem 1.FC Nürnberg sahen dagegen schon 58.000 Zuschauer. Ende der 20er Jahre gab es 
bereits 129 Stadien in Deutschland (Aschenbeck, 1998: 10f).  
Doch  erst  mit  der  1963  gegründeten  Fußball-Bundesliga  wurde  der  Fußball  in  Deutschland 
professionalisiert.  Die  Begeisterung  für  die  höchste  deutsche  Spielklasse  ist  bis  heute 
ungebrochen.  In  der  Spielzeit  2007/2008  sahen  über  12  Millionen  Stadionbesucher  die  306 
Partien  der  18  Bundesligaclubs.  Das  bedeutet  einen  Schnitt  pro  Spiel  von  fast  40.000 
Zuschauern.  Der  ,,Deutsche  Fußball  Bund"  ist  mit  über  sechs  Millionen  Mitgliedern 
mittlerweile der größte Einzelsportverband der Welt (Dertmann, 2008). 
2.2  Zuschauer: Individuen als dynamische Kollektive 
Das Fußballspiel ist zunächst einmal körperliche Betüchtigung. Erst durch das Publikum wird 
der  Fußballsport  zum  gesellschaftlichen  Ereignis.  Die  Zuschauer  werden  zumeist  als  Fans 
bezeichnet.  Der  Begriff  geht  etymologisch  auf  ,fanum'  zurück,  was  wörtlich  mit  Tempel 
übersetzt  wird.  Es  impliziert,  dass  der  Fan  eine  irdische  Größe  zu  einem  Heiligtum  erklärt 
(Aschenbeck,  1998:  89).  Bei  Fußballfans  handelt  es  sich  keineswegs  um  eine  homogene 
Gruppe.  Vielmehr  stellen  sie  ein  breites  Spektrum  an  Individuen  dar,  die  laut  Aschenbeck 
(1998) wenigstens durch eine der folgenden Definitionen zu erkennen sind:  
-
Stehen in Fankurven, 
-
Anfeuerungsrufe und Mitleiden bei Spielen der eigenen Mannschaft, 
-
Solidaritäts- und Gemeinschaftsgefühl,  
-
prinzipielle Vereinstreue,  
-
äußere Zeichen der Zugehörigkeit (wie Schals, Mützen etc.),  
-
Männlichkeitsnormen   
In  den  Stadien  bilden  die  so  genannten  Fans  ,,meistens  eine  räumlich  und  visuell  von  den 
übrigen  habituellen  Zuschauern  unterscheidbare  relativ  kohärente  Subgruppe,  die  sich  durch 
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9 
stark  affektive  Bindungen  an  das  jeweilige  Bezugsobjekt  in  relativ  unveränderter 
Zusammensetzung von Heimspiel zu Heimspiel wiederholt" (Herrmann, 1977: 11) 
Allerdings  findet  man  Fans  nicht  nur  am  Spielort.  Es  gibt  unterschiedliche  Formen  der 
Partizipation  des  Publikums  an  der  ,,Veröffentlichung"  des  Fußballs  und  des  Spitzensports 
generell.  Es  gibt  die  traditionelle,  direkte  authentische  Form,  die  etwa  durch  das  Stehen  in 
Fankurven gekennzeichnet ist. Hier wird der Wettkampf in einer Art Face-to-Face Beziehung 
konsumiert, wobei die Live-Veranstaltung gewissermaßen die Form der Publikation darstellt. 
Daneben  gibt  es  die  andere  Form,  in  der  der  Fußball  in  seiner  medialen  Darstellung  im 
Fernsehen,  Radio,  Printmedien  oder  neuerdings  im  Internet  konsumiert  wird  (Cachay  und 
Thiel, 2000: 146).  
Durch  die  direkte  Form  des  Konsums  von  Fußball  erfolgt  auch  eine  Abgrenzung  von 
verschiedenen Zuschauern. Neben dem eigentlichen Fan gibt es auch den Zuschauer, der ein 
Spiel  distanzierter  konsumiert  und  dessen  Interesse  vermehrt  im  Unterhaltungswert  der 
sportlichen Veranstaltung liegt. Der subjektiv-vereinstreue Fan hingegen bewegt sich in einer 
so genannten Fanszene. Darunter gibt es organisierte Fangruppen, denen das Fußballspiel als 
Rahmen  für  ihre  Gruppenaktivität  dient.  Die  Identifikation  mit  dem  Verein  wirkt  als 
gemeinsamer  Nenner,  was  die  Mitglieder  zu  einer  dauerhaften  Gruppe  zusammenschließt. 
Darüber hinaus vermischen sich dort sportliche mit sozialen Aspekten. Es gibt aber auch lose 
informelle  Gruppen  von  Fußballfans,  die  nach  Spielschluss  wieder  getrennte  Wege  bis  zum 
nächsten Spieltag gehen (König, 2002: 45). 
Elias  &  Dunning  (1984)  analysieren  solche  Sportgruppen.  Sie  gehen  davon  aus,  dass  beide 
Formen  der  Fußballgruppen  durch  sich  fortlaufende  verändernde  Figuration  beeinflusst 
werden,  hervorgerufen  durch  das  Treiben  beider  Teams  auf  dem  Spielfeld.  Dadurch  wird 
Spannung  erzeugt  und  damit  entsteht  eine  Dynamik  innerhalb  solcher  Gruppen  (Elias  und 
Dunning, 1984: 109). Herkömmliche Modelle der Kleingruppentheorie reichen zur Erklärung 
eines  solchen  Kollektivs  nicht  aus.  Denn  im  Gegensatz  zur  ,,Theorie  der  sozialen  Gruppe" 
von  Homans  (1978),  in  der  Konflikte  und  Spannungen  höchstens  eine  marginale  und  damit 
untergeordnete  Rolle  spielen,  sprechen  Elias  und  Dunning  (1984)  im  Zusammenhang  von 
Zuschauern  bei  Sportspielen  bewusst  von  ,,Gruppen  in  kontrollierter  Spannung"  (Elias  und 
Dunning,  1984:  111).  Den  Hauptmotor  der  Gruppendynamik  bilden  dabei  eine  Reihe  von 
,,Polaritäten",  die  im  Spielprozess  des  Fußballs  eingebaut  sind,  wie  etwa  die  Polarität  von 
Angriff und Verteidigung eines Teams oder die Polarität zwischen freundlicher Identifikation 
und feindlicher Rivalität mit den gegnerischen Mannschaften (Elias und Dunning, 1984: 118). 
Gestörtes Verhältnis zwischen Fans und Polizei?  
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2.3  Gewalttätiges Zuschauerverhalten: Kampf- und Konflikterfahrungen 
Das körperliche Ausleben von Rivalität und Gewaltanwendung bei sportlichen Wettkämpfen 
geht  nicht  traditionell  auf  den  Fußball  zurück.  ,,Bereits  450  Jahre  vor  Christus  sollen 
betrunkene  Zuschauer  im  Stadion  von  Delphi  randaliert  haben.  In  Olympia,  dem 
Austragungsort  der  antiken  Spiele  gab  es  Stock  und  Peitschenträger.  In  Pompeji  schloss 
Kaiser Nero das Amphitheater, nachdem Krawalle Überhand genommen hatten. Und von den 
Massenaufständen  bei  Wettkämpfen  im  Mittelalter  ganz  zu  Schweigen.  Ausschreitungen, 
Pöbeleien und Vandalismus: Es verging keine Phase der Geschichte, in der Sportstätten nicht 
auch Schauplätze von Gewalt waren" (Blaschke, 2007: 143).   
Nicht nur die sportlichen Konkurrenten auf dem Rasen eines Fußballstadions befinden sich im 
Wettkampf.  Die  Zuschauer-Parteien  auf  den  Rängen,  die  mit  ihrer  Mannschaft  bangen  und 
hoffen,  kämpfen  im  Geiste  mit.  Fans  kommen  mitunter  als  Kämpfer  ins  Stadion,  die  ihre 
Mannschaft  zum  Sieg  treiben  wollen.  Die  Aggression  auf  dem  Rasen  sorgt  dabei  zusätzlich 
für  Spannungen  und  Dynamik  auf  den  Rängen.  Jedoch  ist  es  für  ein  Fußballspiel  genauso 
typisch,  dass  eine  mit  Gewalt  aufgeladene  Atmosphäre  nachhaltig  das  Spielgeschehen 
beeinflussen  kann.  Diese  Atmosphäre  wird  von  manchen  Zuschauern  bewusst  oder  gar 
gewollt  inszeniert  bzw.  aufgesucht.  Ins  Stadion  geht  man  auch  nicht  weil  man  sich 
entspannen  will.  Der  Zuschauer  will  Erregung.  So  kann  am  Ende  eines  Spiels,  falls  das 
Ergebnis  unbefriedigend  ausfällt,  die  Stimmung  aggressiver  sein  als  zuvor  (Bausenwein, 
1995: 314). 
Zuschauerausschreitungen  im  engeren  Sinn  gibt  es  beim  Fußball  seit  Ende  des  19. 
Jahrhunderts. Auch Anfang des 20. Jahrhunderts und in der Zwischenkriegszeit gehören sie in 
den  Stadien  zum  Alltag.  Allerdings  gibt  es  zu  diesem  Zeitpunkt  keine  Institution,  die  ohne 
direkte  Beziehung  zum  Spiel  versucht  gegen  die  Zuschauergewalt  vorzugehen.  Zudem  fehlt 
jede  Form  einer  durch  Massenmedien  hervorgerufenen  bzw.  verstärkten  ,,moralischen 
Entrüstung" (Dunning, 1984: 125). 
Ende der 50er Jahre erlebt der englische Fußballsport eine vielschichtige Zuschauerkrise. Die 
Gründe  liegen  vor  allem  in  der  Professionalisierung  des  Fußballsports.  Dieser  besteht  nicht 
nur darin, dass ein Transfermarkt eröffnet und umfangreiche Ablösesummen gezahlt werden, 
was  zur  Folge  hat,  dass  die  Spieler  als  Figuren  ,,greifbarer  subkultureller  Repräsentanten" 
(Critcher, 1979: 152) mit kultureller und ökonomischer Nähe zu ihren Anhängern ausgedient 
haben.  Sondern  auch,  dass  durch  Entwicklungsprozesse  in  der  Gesamtgesellschaft  die 
Arbeiterklasse  durch  ihre  vergrößerten  Freizeitmöglichkeiten  sich  zusehends  heterogener 
entwickelt  hatte  und  dadurch  das  Interesse  am  Fußball  verloren  ging.  Seitdem  wirbt  der 
Gestörtes Verhältnis zwischen Fans und Polizei?  
11 
Fußball um Kunden oberhalb und jenseits der traditionellen Fußballsubkultur. Die folgenden 
Jahre  sind  geprägt  durch  die  Entfremdung  zwischen  Aktiven  und  den  ehemals  ,,treuen" 
Zuschauern  (König,  2002:  18).  Denn  einst  war  der  stereotype  Anhänger  ein  Mann  aus  der 
Arbeiterklasse,  der  für  den  Samstag  lebte    und  seiner  Ansicht  nach    für  das  Glück  des 
Vereins nicht wegzudenken war. Nun wandelte sich der Fußballfan zu einem Zuschauer von 
unbestimmter  Klassenzugehörigkeit,  der  den  Ausbruch  aus  dem  Alltag  und  die  Aussicht  auf 
Spektakel genießen wollte. Dieser ,,Anhänger" erwartete die Erfüllung jener Bedürfnisse von 
einem  Team  professioneller  Unterhalter.  Diese  Entwicklung  hat  auch  Auswirkungen  auf  die 
Formen der  auftretenden Gewalt.  
Waren  es  früher  zumeist  situationsspezifische  Bedingungen  der  Zuschauergewalt,  so  sind 
diese  Veränderungen  grundlegend  für  eine  Form  der  Anhängerrevolte:  das  Absinken  in 
gewohnheitsmäßige  Gewalttätigkeit.  Enttäuschungen  über  Niederlagen  werden  etwa  an  den 
Sonderzügen ausgelassen mit denen beispielsweise Liverpool oder Everton-Fans nach Hause 
fuhren.  Bereits  im  Jahr  1968  wird  der  Fußballvandalismus  als  eine  der  offensichtlichsten 
Bedrohungen der sozialen Ordnung in England angesehen (Critcher, 1979: 152f). 
In  den  80er  Jahren  nimmt  die  Gewalt  durch  das  Aufkommen  der  so  genannten  Hooligans 
extreme  Formen  an.  Sie  gehen  nicht  zu  einem  Spiel,  um  das  sportlich  Dargebotene  zu 
konsumieren,  sondern  suchen  sie  gezielt  die  Konfrontation  mit  gegnerischen  Fans  oder 
Polizisten (Merkl, 2006: 122). Trauriger Höhepunkt ist das von Gebauer und Hortleder (1986) 
als  ,,Fan-Massaker"  bezeichnete  Ereignis  beim  Endspiel  um  den  Europacup  der 
Landesmeister zwischen Juventus Turin und dem FC Liverpool im Brüsseler Heysel-Stadion 
am  29.  Mai  1985.  Vor  Spielbeginn  fühlen  sich  englische  Fans  provoziert  und  reißen  einen 
Zaun des baufälligen Stadions zum benachbarten Fanblock nieder, wo sich vor allem Juventus 
Anhänger befinden. In mehreren Wellen rennen Gruppen von englischen Hooligans Flaschen 
werfend  und  mit  abgebrochenen  Zaunpfählen  um  sich  schlagend  in  die  Gruppe  der 
italienischen  Fans  hinein.  In  Panik  weicht  alles  zurück,  die  italienischen  Zuschauer  werden 
gegen  die  seitliche  Begrenzungsmauer  und  gegen  die  Gitterabsperrungen  gedrückt:  39 
Personen ersticken oder stürzen zu Tode (Schmalzl, Renner und Hieber, 1988: 23). 
Was  haben  diese  tragischen  Ereignisse  von  Brüssel  bewirkt?  ,,Sie  haben  die  Angst  vor  den 
Fans verstärkt, (...) und polizeilichen Maßnahmen bei der Organisation großer Sportereignisse 
einen noch größeren Platz als bisher eingeräumt" (Gebauer und Hortleder, 1986: 260).  
Zu  den  Maßnahmen,  die  in  Zukunft  Katastrophen  verhindern  sollen,  zählen  eine  starke 
Polizeipräsenz,  strenger  Arrest,  Isolierung  und  Trennung  der  Fans  in  umzäunte  und 
überwachte Blöcke (Blaschke, 2007: 230f).  
Gestörtes Verhältnis zwischen Fans und Polizei?  
12 
3.  Die verschiedenen Zuschauergruppen im Fußballstadion 
Die  Definition,  wodurch  sich  ein  Fußballfan  im  Allgemeinen  auszeichnet  wurde  bereits  in 
Kapitel 2.2 vorgenommen. Nun geht es darum verschiedene Zuschauergruppen im Stadion zu 
unterteilen und spezifischer voneinander abzugrenzen.  
Die  soziologische  Literatur  bietet  vielfache  Unterscheidungen  von  Fußballzuschauern. 
Zumeist geht sie von einer klassischen Dreiteilung nach Heitmeyer und Peter (1992) aus. Sie 
unterteilen  in  konsumorientierte,  fußballzentrierte  und  erlebnisorientierte  Zuschauer 
(Heitmeyer und Peter, 1992: 32). Allerdings reicht diese Unterteilung mittlerweile nicht mehr 
aus,  um  die  immer  komplexer  werdenden  Gruppen  im  Stadion  zu  beschreiben.  Denn  viele 
Besucher  bilden  eine  Schnittmenge  dieser  drei  Unterteilungen  oder  sind  nur  schwer  in  eine 
der  drei  Gruppen  von  Heitmeyer  und  Peter  (1992)  zu  kategorisieren.  Deshalb  soll  an  dieser 
Stelle  versucht  werden  in  vier  Grundformen  des  Publikums  zu  unterteilen.  Bisherige 
wissenschaftliche Definitionen werden aufgegriffen und in diese Aufteilung übernommen.  
3.1  Der Zuschauer als Kunde und Konsument 
Der typische Zuschauer der Gegenwart kommt weniger aus dem Interesse, seine Mannschaft 
zu  unterstützen,  sondern  in  erster  Linie  um  gute  Unterhaltung  zu  konsumieren.  Im  Zuge  der 
Kommerzialisierung  des  Sports  und  der  gleichzeitigen  Ablösung  der  Arbeiterklasse  als 
traditionelle  Anhänger  hat  der  Fußball  als  Unterhaltungsereignis  mittlerweile  die  besser 
verdienenden Konsumentenkreise erschlossen. ,,Die Armen und deren Kinder können sich gar 
keine  Karten  mehr  leisten,  ihre  Plätze  hat  der  gut  verdienende  Mittelstand  eingenommen" 
(SPIEGEL, 1995: 161; zitiert nach Bausenwein, 1995: 237).  
Der moderne Zuschauer ist also heutzutage mehr denn je Kunde und Konsument, wenn er das 
Stadion  betritt.  Die  Vereine  haben  sich  mit  ihrem  Angebot  natürlich  auf  dieses 
zahlungskräftigere  Mittelstandspublikum  eingestellt:  mehr  Sitzplätze,  Fanartikelstände, 
Stadionhefte,  VIP-Logen,  Vereinsmaskottchen,  multifunktionale  Videoleinwände  mit  ,,Fan-
TV"  und  Rahmenprogramm  der  Sponsoren  in  der  Halbzeitpause.  Kurzum,  der  Zuschauer 
bekommt im Stadion neben der sportlichen Unterhaltung zusätzliches Entertainment für sein 
Eintrittsgeld geboten (Ehlers, 2004: 50f).  
Da  schmerzt  es  viele  Besucher  nur  im  geringen  Maß,  wenn  der  sympathisierte  Verein  an 
diesem  Tage  nicht  als  Sieger  vom  Platz  geht.  Immerhin  hatte  der  Zuschauer  einen 
unterhaltsamen  Nachmittag,  oftmals  im  Beisein  der  ganzen  Familie.  Denn  diese  suchen 
mittlerweile vermehrt den Weg in die deutschen Stadien, auch wegen erhöhter Sicherheit. 
Gestörtes Verhältnis zwischen Fans und Polizei?  
13 
Rottmann  und  Seitz  (2006)  untersuchen  Determinanten,  die  die  mikroökonomische 
Zuschauernachfrage  in  der  Fußballbundesliga  beeinflussen.  Neben  den  persönlichen 
Präferenzen der potentiellen Nachfrager, wie etwa der Vereinstreue oder der Unsicherheit wie 
das  Spiel  ausgeht,  spielen  vor  allem  äußere  und  ökonomische  Faktoren  eine  wichtige  Rolle 
für  den  Stadionbesuch.  Dazu  gehören  Faktoren,  die  vor  allem  auf  den  Erfolg  (Qualität  und 
Reputation  der  beiden  beteiligten  Mannschaften),  die  Attraktivität  des  Spiels  (Derby, 
Entfernung,  Spieltag)  sowie  auf  die  Stadiongröße  abzielen.  Zudem  gehen  auch  relativ  viele 
Zuschauer  zu  den  Heimspielen  schlechterer  Mannschaften,  falls  es  sich  beim  gegnerischen 
Team  um  eine  renommierte  und  gut  platzierte  Mannschaft  handelt  (Rottmann  und  Seitz, 
2006: 12).  
Diese  Analyse  der  Zuschauernachfrage  lässt  den  Schluss  zu,  dass  heutzutage  bei  vielen 
Besuchern  eine  geringe  Identifikation  mit  Spielern,  Vereinen  und  dem  Umfeld  der  Klubs 
vorherrscht.  Emotionalität  und  Frustrationspotential  bei  Misserfolg  sind  bei  dieser  Gruppe 
geringer und gleichzeitig die Gründe, weshalb der konsumorientierte Fan  (Heitmeyer, 1988: 
31f)  grundsätzlich  nicht  zur  Gewalt  neigt  und  sich  zumeist  von  jeglichen  aggressiven 
Handlungen in und um das Stadion distanziert.  
Hüther  (1994)  klassifiziert  diese  Publikumsgruppe  dementsprechend  als  distanziert-passive 
Zuschauer,  die  sich  durch  folgende  Merkmale  auszeichnen:  keine  oder  gering  ausgeprägte 
Vereinspräferenz; wenig Identifikationsbereitschaft mit Mannschaft und Spielern, beherrschte 
und  betont  neutrale  Reaktion  auf  das  Spielgeschehen;  Erwartung:  interessantes  Fußballspiel 
(Hüther, 1994: 9). 
Diese  konsumorientierten  Zuschauer  fahren  selten  zu  Auswärtsspielen  ihrer  Mannschaft  und 
begeben sich nicht bei jedem Heimspiel ins Stadion. Trotzdem kann man auch bei ihnen eine 
gewisse emotionale Anteilnahme am  Fußballspiel entdecken. Nach  Heitmeyer  (1992) stehen 
für  diese  Fans  ,,das  Erleben  von  Spannungssituationen,  die  von  anderen  dargeboten  werden, 
im  engen  Zusammenhang  mit  Leistungsgesichtspunkten,  während  die  soziale  Relevanz 
weitgehend unbedeutend ist (Heitmeyer, 1992: 33). D.h. die Leistung der Spieler steht für den 
Kunden  im  Mittelpunkt.  Fußball  ist  für  diesen  Fan-Typ  nur  eine  mögliche 
Freizeitbeschäftigung,  aber  nicht  die  einzige.  Deshalb  kommt  der  ,,normale"  Fan  auch  oft 
allein oder mit wechselnden Personen ins Stadion, hat zumeist einen Sitzplatz und ist nicht in 
Fanklubs aktiv (Weigelt, 2004: 30). 
Die deutsche Polizei unterteilt Zuschauer in den  Fußballstadien seit 1993 grundsätzlich über 
ihr  gewalttätiges  Potential.  Die  hier  definierte  distanziert-passive  Zuschauergruppe  fällt 
demnach in die Kategorie A: ,,der friedliche Fan" (ZIS Jahresbericht, 2007: 5).  
Gestörtes Verhältnis zwischen Fans und Polizei?  
14 
3.2   Der Fan innerhalb einer Subkultur 
Fußballfans,  die  sich  in  Gruppen  innerhalb  einer  Fußballfanszene  zusammenschließen, 
unterscheiden  sich  von  den  distanziert-passiven  Zuschauern  der  zahlungskräftigen 
Mittelklasse.  Durch  die  zunehmende  Bedeutung  von  Beziehungen  in  altershomogenen 
Gruppen  (sekundäre  Sozialisation)  treten  Peer  groups  zunehmend  in  den  Fokus  bei  der 
Analyse von Zuschauergruppen in Stadien (König, 2002: 46). 
Die Peer group ist eine Bezeichnung für einen Zusammenschluss einer informellen Spiel- und 
Freizeitgruppe von etwa gleichaltrigen Kindern und Jugendlichen. Sie bietet dem Individuum 
beim  Übergang  von  der  familienbezogenen  und  geprägten  Kindheit  (primäre  Sozialisation) 
zum  vollen  Erwachsenensein  eine  bedeutungsvolle  soziale  Orientierung  und  übt  oft  eine 
starke  soziale  Kontrolle  aus.  In  der  Peer  group  äußert  sich  in  besonderer  Weise  eine 
jugendliche  Subkultur,  d.h.  eine  starke  Neigung  zu  Unabhängigkeit  hinsichtlich  bestimmter 
Wertvorstellungen,  Erwartungen  und  Empfindlichkeit  gegenüber  sozialer  Kontrolle  durch 
Erwachsene  sowie  eine  vorherrschende  Konformität  und  Loyalität  gegenüber  den 
Verhaltensnormen der eigenen Gruppe (Heilmann, 1994: 659).  
Hahn  et  al.  (1988)  sehen  als  Hintergrund  der  Bildung  solcher  Subkulturen  die  Probleme  der 
Identitätsstiftung  Jugendlicher  in  der  heutigen  Zeit.  Vielfältige  soziale  Prozesse  sind  zu 
beobachten,  welche  Jugendliche  mit  hohen  Anforderungen  konfrontieren  und  die 
Entwicklung ihrer persönlichen  Identität erschweren, wie etwa die zeitliche Ausdehnung der 
Jugendphase  durch  Hinausschieben  der  Erwerbstätigkeit,  gleichbedeutend  mit  einer 
Verlängerung der ökonomischen Abhängigkeit (Kübert und Neumann, 1994: 22f). 
Die  Fußballszene  bietet  Jugendlichen  eine  Möglichkeit  diese  Widersprüche  aufzulösen,  zu 
kompensieren,  eine  eigene  Identität  zu  bilden  und  eine  Subkultur  nach  ihren  eigenen 
Vorstellungen  und  Verhaltensweisen  zu  definieren.  Bei  dieser  Szene  handelt  es  sich 
keineswegs  um  eine  ungeordnete  chaotische  Masse,  sondern  um  ein  ausgeklügeltes 
reglementiertes System aus bestimmten Werten, Normen und Tabus. Die Zusammenschlüsse 
von Peer groups innerhalb dieser Subkultur der Fußballfans können dabei die verschiedensten 
Ausprägungen  annehmen.  Diese  bewegen  sich  zwischen  lockerer  bis  hin  zu  hoch 
strukturierter  Gruppenbildung,  vom  losen  Zusammenschluss  von  Individualisten  bis  hin  zu 
streng organisierten Fanklubs (König, 2002: 47). 
Innerhalb  dieser  jugendlichen  Subkultur  befinden  sich  nach  der  Definition  von  Heitmeyer 
(1988)  sowohl  konsumorientierte  Fans,  die  individualistischer  in  ihren  Zusammenschlüssen 
geprägt  sind  als  auch  fußballzentrierte  Fans.  Bei  ihnen  ist  der  Zusammenschluss  durch  ein 
fußballsportlich  vereinsorientiertes  Antriebsfeld  gekennzeichnet.  Die  absolute  Treue  zum 
Gestörtes Verhältnis zwischen Fans und Polizei?  
15 
Verein, auch in sportlich schlechteren Zeiten hat für diese Gruppe Priorität. Für sie besitzt der 
Fußball  eine  hohe  soziale  Relevanz.  Diese  Fans  suchen  Anerkennung  in  einer  Clique  von 
Gleichgesinnten  und  demzufolge  haben  sie  eine  stark  ausgeprägte  Gruppenorientierung. 
Damit  und  zusätzlich  durch  die  Präsenz  im  Fanblock  schaffen  sie  sich  ein  Territorium,  um 
dort ihre Bedürfnisse in der Gemeinschaft zu befriedigen (Heitmeyer, 1988: 31f). 
Hüther  (1994)  bezeichnet  jene  Gruppe  als  engagiert-kontrollierte  Zuschauer,  die  sich  durch 
folgende  Merkmale  definieren:  deutliche  Vereinspräferenz  und  Identifikation  mit  der 
Mannschaft  (auch  durch  Tragen  von  Vereinsfarben),  kritische  Solidarität  mit  Spielern; 
emphatisches  Erleben  des  Spielgeschehens;  vorwiegend  verbaler  Ausdruck  der 
Vereinsfixiertheit;  Erwartung:  gutes  Spiel  der  eigenen  Mannschaft,  wenn  möglich  Sieg 
(Hüther, 1994: 9).  
In Bezug auf die potentielle Gewalttätigkeit klassifiziert die deutsche Polizei diese engagiert-
kontrollierte  Zuschauergruppe  grundsätzlich  als  ,,friedliche  Fans"  und  damit  ebenfalls  in  die 
Kategorie A. Allerdings ist der Übergang zur Kategorie B, ,,latent gewaltbereit", fließend, da 
in bestimmten Situationen auch Mitglieder dieser Zuschauergruppe zur Gewalt neigen können 
(ZIS, 2007: 6). 
Dabei  sind  die  Grundlagen  für  den  Zusammenschluss  dieser  Fans  mehr  geprägt  durch  eine 
erlebnisorientierte 
Motivation 
bei 
einer 
gleichzeitig 
auftretenden 
fanatischen 
Grundeinstellung.  Waren  es  in  vielen  deutschen  Fankurven  Ende  der  80er  noch  lose 
Zusammenschlüsse  von  kleineren  Fanklubs  und  ,,Kuttenfans"
3
,  die  in  einer  Art  Konsens 
zusammen  ihre  Mannschaft  anfeuerten  (Gabriel,  2004:  179),  so  gewinnt  seit  Mitte  der  90er 
Jahre eine breit angelegte und straff organisierte Form der jugendlichen Fußballfan-Subkultur 
immer mehr Einfluss in den Kurven der Stadien: die Ultras. 
3.3  Die Ultras 
Das  Adjektiv  ultra  definiert  sich  synonym  als  ,,extrem"  oder  ,,übermäßig".  Also  etwas,  das 
über  gemäßigte  Normen  hinausgeht.  Deshalb  wird  das  Nomen  des  Ultras  mit  Extremist 
gleichgesetzt. Zumeist ist damit ein ,,politischer Extremist" gemeint, nach neuerer Definition 
aber auch ein ,,extremistischer Fan". 
Die so genannte Ultrabewegung hat ihre Wurzeln im Italien der 60er Jahre. Dort hatten sich 
Jugendliche  zusammengeschlossen,  um  ihre  Mannschaften  organisiert  zu  unterstützen.  Die 
Entstehungsgeschichte ist eng mit der politischen Protestbewegung im  Italien der 60er Jahre 
3
 Anhänger, die ihre Jeans- oder Lederjacken (,,Kutten") mit vereinsspezifischen Aufnähern verzieren, um ihre 
Zugehörigkeit zur Fanszene zu demonstrieren.  
Gestörtes Verhältnis zwischen Fans und Polizei?  
16 
verknüpft.  Ausdrucksformen  des  Straßenprotests  wie  Spruchbanner,  Doppelhalter  oder 
Megaphone  halten  deshalb  zuerst  Einzug  in  italienische  Fankurven  (Gabriel,  2004:  183). 
Grundlegend  geht  der  Begriff  auf  eine  italienische  Zeitung  zurück.  Sie  soll  Ultras  einst 
benutzt  haben,  um  besonders  leidenschaftliche  Fans  des  AC  Turin  zu  beschreiben;  diese 
hatten nach Spielende einen Schiedsrichter bis zum Flughafen verfolgt (Blaschke, 2007).  
Als  grundlegendes  Vorbild  für  die  deutschen  Ultras  dient  mit  Sicherheit  die  italienische 
Bewegung,  vor  allem  was  die  Ausdrucksformen  durch  pyrotechnische  Mittel  (Rauch  und 
Bengalfeuerwerk),  sowie  Spruchbanner  und  übergroße  Fahnen  angeht.  Während  aber  ,,in 
Italien die politische Orientierung und deren Artikulation im Stadion eine große Rolle spielen, 
steht  bei  den  deutschen  Ultras  die  Anfeuerung  der  eigenen  Mannschaft  im  Vordergrund 
(Gabriel, 2004: 183).  
Die deutsche Ultrabewegung ist also grundsätzlich nicht politisch. Sie formiert sich erstmals 
Anfang der 90er Jahre mit dem Zusammenschluss einiger Fancliquen innerhalb der Fanblöcke 
einzelner  Bundesligavereine.  Im  Jahr  2008  hat  fast  jeder  Klub  der  1.,  2.  oder  3.  Liga  eine 
eigene  Ultragruppierung.  Dieser  Fakt  ist  gleichbedeutend  mit  einem  rasanten  Umsturz  der 
deutschen Fankultur in den letzten Jahren (Gabriel, 2004: 183).  
Allerdings  muss  festgehalten  werden,  dass  es  ,,die"  eine  deutsche  Ultraszene  nicht  gibt. 
Vielmehr  existieren  unterschiedliche  Gruppierungen,  die  jeweils  gruppenintern  über 
verschiedene  Strukturen,  Regeln,  Schwerpunkte  und  Vorstellungen  verfügen,  auch  was  für 
diejenigen  Ultra  sein  bedeutet.  Selbst  innerhalb  einzelner  Gruppen  können  verschiedene 
Ansichten und Einstellungen herrschen, auch in Bezug auf Gewalt. (Pilz et al, 2006: 12) 
3.3.1  Motivation, Organisation und Gewaltbereitschaft 
,,Die Subkultur verleiht dem einzelnen ein höheres Maß an Identifikationsmöglichkeiten, weil 
sie  zumeist  die  spezifischen  Lebensprobleme  und  sozialen  Daseinsbedingungen  besser 
berücksichtigt. Sie schafft dadurch höhere Verhaltenssicherheit als die abstrakten, anonymen 
Verhaltensmuster der Gesamtkultur. Das verstärkt die Solidarität zur Eigengruppe, impliziert 
jedoch die Gefahr von Konflikten zwischen den Gruppen. (...) Subkulturen können sich unter 
bestimmten Umständen zu Gegenkulturen ausprägen und soziale Bewegungen hervorbringen" 
(Downes, 1966; zitiert nach Heilmann, 1994: 851). 
Die  Ausführungen  von  Downes  (1966)  zum  Begriff  der  ,,Subkultur"  stehen  sinnbildlich  für 
die  Formierung  und  den  Charakter  der  deutschen  Ultrabewegung.  Bis  heute  sieht  sie  sich  in 
ihrer  Gesamtheit  als  Gegenbewegung  zur  Zuschauergruppe  der  Kunden  und  Konsumenten. 
Sie  etablierte  sich  in  Deutschland  genau  zu  jenem  Zeitpunkt,  als  die  Vermarktung  des 
Gestörtes Verhältnis zwischen Fans und Polizei?  
17 
Fußballs  und  die  ökonomischen  Interessen  der  Vereine  deutlich  zunahmen  (Gabriel,  2004: 
185).  
Im  Kern  versuchen  sich  die  Ultras  gegen  die  ,,moderne  Gesamtkultur  des  Fußballs" 
abzugrenzen. Sie verurteilen etwa die Versitzplatzung in den Arenen, da sie die Stehplätze als 
kulturell  wertvoll  ansehen,  speziell  für  das  Anfeuern  der  eigenen  Mannschaft  und  die 
visuellen Ausdrucksformen der Fankultur (Aschenbeck, 1998: 142f). ,,Wo bleibt die Lust und 
Leidenschaft  fragen  sich  zu  Recht  viele  Fans.  Vor  allem  die  jüngeren  schließen  sich  Ultra-
Bewegungen  an,  da  Fangruppen  mittlerweile  identitätsstiftender  sind  als  die  Liebe  zum 
Verein" (Ehlers, 2004: 51).  
Trotz  dieser  Kritik  und  ihres  Engagements  in  Faninitiativen  abseits  des  Spielgeschehens, 
bleiben die Ultras in ihrem Kern fußballzentrierte Fans, die großen Fokus auf die sportliche 
Tradition  ihres  Vereins  legen.  Sie  zeigen  es  in  speziellen  Sprechchören  und  Fangesängen  in 
vielen  Fankurven  der  Bundesliga,  wo  sie  mittlerweile  fast  gänzlich  den  Ton  angeben.  Sie 
koordinieren  mit  Hilfe  von  Megaphonen  die  Klatschbewegungen  und  Anfeuerungsrufe  von 
mehreren  tausend  Fans.  Darüber  hinaus  investieren  sie  einen  hohen  zeitlichen,  logistischen 
und  finanziellen  Aufwand  um  Choreographien,  Doppelhalter  oder  eigene  Großfahnen 
herzustellen (Gabriel, 2004: 183).  
In  den  etwa  50  deutschen  Ultragruppen  sind  mehr  als  1500  Fans  aktiv,  dazu  kommen 
unzählige  Sympathisanten  und  Mitläufer.  Ihre  Aktivitäten  erfordern  von  den  jeweiligen 
Gruppen  einen  hohen  Organisationsgrad,  wobei  sich  viele  Ultragruppen  in  Aufbau  und 
Organisation  unterscheiden.  Die  Leitung  übernimmt  zumeist  die so  genannte  Direktive,  eine 
Art  Vorstand  von  10  bis  15  Personen.  An  seiner  Spitze  steht  der  ,,Capo"  (italienisch  für 
,,Kopf"). Oftmals ist er  der ,,Einpeitscher"
4
 in der Fankurve. Er lebt die  Werte, Normen und 
Rituale  der  Gruppe  vor  und  hat  sich  seine  Position,  das  Vertrauen  und  den  Rückhalt  über 
jahrelangen Einsatz erworben. Daneben gibt es einen Ältestenrat, der dem Vorstand beratend 
zur  Seite  steht.  Zusätzlich  gibt  es  einen  Sprecher  und  einen  Kassenprüfer,  der  für  die 
Mitgliedsbeiträge  verantwortlich  ist.  Dazu  wird  in  aktive  und  passive  Mitglieder  unterteilt. 
Wichtige Maßnahmen und Aktionen der gesamten Gruppe werden basisdemokratisch mit der 
Direktive  diskutiert  und  mit  Konsens  beschlossen,  wie  etwa  die  Inhalte  von  Stadion-
Choreographien oder sonstigen Aktionen (Blaschke, 2007: 85f). 
In dem Selbstverständnis aller Ultras sind zwei zentrale Merkmale festzustellen: Erstens die 
Unabhängigkeit  vom  Verein  und  zweitens  die  unbedingte  Präsenz  und  Aktivität  als  Ultra, 
was oftmals als bedingungslose und fanatische Unterstützung des eigenen Vereins bezeichnet 
4
 Mit Hilfe eines Megaphone stimmt er die Fangesänge an, die die Gruppe dann respondiert. 
Gestörtes Verhältnis zwischen Fans und Polizei?  
18 
wird  (Gabriel,  2004:  189).  Denn  trotz  der  Solidarisierung  der  gesamten  Ultraszene  für 
gewisse Initiativen darf nicht vergessen werden, dass viele Gruppen untereinander verfeindet 
sind  und  dass  gewalttätige  Auseinandersetzungen  durchaus  passieren  können,  treffen  diese 
Lager an Spieltagen aufeinander. Zudem geht es um einen ,,Kampf auf den Rängen" und um 
die  Frage:  Wer  liefert  die  bessere  Performance  ab?  Denn  etwa  bedonders  gelungene 
Choreographien  oder  kreative  Anfeuerungsrufe  steigern  das  Ansehen  der  Gruppe  und 
verschafft eine bestimmte Stellung und Respekt in der Szene. Der Wettstreit kann jedoch auch 
über körperliche Auseinandersetzungen oder Randale passieren. 
Dementsprechend  können  Ultras  in  die  von  Hüther  (1994)  definierte  fanatisch-parteiliche 
Zuschauergruppe  klassifiziert  werden.  Diese  zeichnen  sich  durch  einseitiges  Miterleben  und 
parteiliches  Beurteilen  des  Spielgeschehens  aus;  Demonstration  der  Vereinsfixiertheit  durch 
Tragen  der  Vereinsfarben  und  Symbole;  gezielte  Diskriminierung  des  Gegners  mit  der 
Erwartung:  Sieg  der  eigenen  Mannschaft,  wie  auch  immer  (Hüther,  1994:  8).  Entgegen  der 
Darstellung  von  Hüther  (1994)  herrscht  generelle  bei  den  Ultras  jedoch  keine  totale 
Identifikation mit dem der Mannschaft und kein aktives Eintreten für Vereinsinteressen. 
Viele  Vereine  und  der  DFB  haben  es  bisher  nicht  verstanden  mit  diesem  neuen  Fan-
Phänomen  richtig  umzugehen.  Einerseits  bedienen  die  Ultras  durch  ihr  an  die  Eventkultur 
erinnerndes  Auftreten  potenziell  das  Verwertungsinteresse  der  Vereine  (etwa  durch 
Choreographien),  andererseits  stört  das  selbstbewusste  Eintreten  der  Ultras  für  ihre 
ureigensten  Interessen  den  Geschäftsablauf.  Denn  eine  Kontrolle  oder  gezielte  Steuerung 
dieser Gruppen von Vereins- oder Verbandsseite ist nicht möglich (Gabriel, 2004: 192). 
Ähnlich  verhält  sich  der  Umgang  der  Polizei  mit  der  ,,neuen  Fanszene",  die  mit  ihrer 
Kategorisierung  hier  an  eine  Grenze  stößt.  Die  Ordnungshüter  haben  beobachtet,  dass  ,,der 
überwiegende  Mehrzahl  der  Angehörigen  der  Ultra-Gruppierungen  zwischen  16  und  23 
Jahren  alt  ist  und  mehrheitlich  (noch)  in  die  Kategorie  A  eingestuft"  werden  kann.  ,,Jedoch 
wird zunehmend eine Steigerung der Aggressivität von Angehörigen der Ultra-Gruppierungen 
sowie  eine  Solidarisierung  gegenüber  Mitarbeitern  der  Ordnungsdienste  und  Einsatzkräften 
der  Polizei  berichtet,  wenn  diese  gegenüber  Mitgliedern  der  jeweiligen  Gruppe  einschreiten. 
Teile  der  Ultra-Gruppierungen  sind  daher  ohne  Einschränkung  in  die  Kategorie  B  und  C 
einzustufen" (ZIS, 2007: 6).  
Es zeigt, dass selbst die Beamten Probleme haben, das Gewaltpotential der Ultras generell als 
Gruppe  zu  kategorisieren  und  einzuordnen.  Die  angeführte  Kategorie  C,  ,,der  Gewalt 
suchende Fan", war nämlich bislang nur für eine Zuschauergruppe vorgesehen: Hooligans.  
Gestörtes Verhältnis zwischen Fans und Polizei?  
19 
3.4  Die Hooligans 
Der Begriff Hooligan wird erstmals im Jahr 1898 in einer englischen Tageszeitung gebraucht, 
aber der Ursprung des Begriffes lässt sich nicht genau festlegen (Meier, 2001: 9). 
Nach  Ek  (1996)  gibt  zwei  Möglichkeiten  der  Abstammung:  Zum  einen  könnte  sich  der 
Begriff  auf  eine  irisch-stämmige  Familie  namens  ,,Houlihan"  beziehen,  deren  gewalttätige 
Mitglieder    bekannt  waren  für  wüste  Schlägereien  und  in  Liedern  als  Helden  besungen 
wurden.  Zum  anderen  könnte  Hooligan  aus  einer  missverständlichen  Übernahme  von 
,,Hooley's gang" entstanden sein, einer Bande jugendlicher Straßenkrimineller (Ek, 1996: 31). 
Zunächst  werden  Rowdys  und  Straßenkriminelle  als  Hooligans  bezeichnet.  Seit  ca.  1970  in 
England  und 1985 in Deutschland kam es jedoch zu einer Begriffseingrenzung, welche sich 
auf Gewalttaten im Umfeld von Fußballspielen bezieht (König, 2002: 69). 
In  Deutschland  verdrängt  der  Begriff  des  Hooligans,  den  des  Fußballrowdys.  Als  Fußball-
Hooligan wird also jeder bezeichnet, der sich anlässlich von Fußballspielen an gewalttätigen 
Ausschreitungen beteiligt. Diese Personen bezeichnen sich selbst als ,,Hools". Einerseits, um 
sich gegenüber den normalen Fans abzugrenzen, andererseits auch als Bekenntnis zur Gewalt 
(Gehrmann und Schneider, 1998: 99).  
Heitmeyer  und  Peter  (1988)  bezeichnen  sie  als  erlebnisorientierte  Fans,  sie  wollen  selbst 
Situationen  erzeugen  ,,wo  was  los  ist"  (Heitmeyer  und  Peter,  1988:  31f).  Deutlich 
gewaltbezogener  spricht  Hüthers  (1994)  Klassifizierung  von  einer  konfliktsuchend-
aggressiven Zuschauergruppe. Ihre Vereinsfixierung ist unterschiedlich ausgeprägt, nicht die 
Gastmannschaften  sondern  ihre  Fans  sind  die  Gegner.  Das  Fußballspiel  und  dessen  Umfeld 
dienen als Aggressionsstimulans. Die Teilnahme am Spielgeschehen passiert stets in Gruppen 
mit der Erwartung eigener Aktionsmöglichkeit (Hüther, 1994: 9).  
Gemäß der polizeilichen Kategorisierung fallen Hooligans vorwiegend unter die so genannten 
C-Fans (,,Gewalt suchend"). Ihre Anzahl beläuft sich in Deutschland nach Polizeischätzungen 
in  der  1.,  2.  und  3.  Liga  aktuell  auf  etwa  3200  Personen  mit  einem  Umfeld  von  etwa  8500 
Kategorie B-Zuschauern (,,latent gewaltbereit") (ZIS, 2007: 7f).  
Eine  Zusammenfassung  und  Veranschaulichung  der  bisher  besprochenen  Definitionen  und 
Klassifizierungen der vier verschiedenen Zuschauergruppen liefert Tabelle 1. 
Gestörtes Verhältnis zwischen Fans und Polizei?  
20 
Tabelle 1.: Die verschiedenen Zuschauergruppen im Stadion 
Zuschauergruppen 
im Fußballstadion 
Klassifizierung 
Verhalten, Erwartungen 
Polizeikategorie, 
Gewaltpotential  
Die Kunden und 
Konsumenten 
Distanziert-passiv (Hüther, 
1994), konsumorientiert  
(Heitmeyer, 1988), 
unauffällig (Ek, 1996), 
eventorientiert (Ehlers, 
2004) 
Geringe Identifikation mit Verein 
und Spielern, beherrschte Reaktion 
auf Spielgeschehen, 
Erwartung: interessantes Spiel. 
Kategorie A 
(friedliche Fans) 
Die Fans innerhalb 
einer Subkultur 
Engagiert-kontrolliert 
(Hüther, 1994), 
konsumorientiert, 
fußballzentriert,  
(Heitmeyer, 1988),  
situativ zügellos, 
überschwänglich (Pilz, 
1979) 
Deutliche Identifikation mit Verein 
und Spielern, emphatisches 
Erleben des Spielgeschehens, 
Gruppenorientierung, 
Erwartung: Sieg der eigenen 
Mannschaft 
Kategorie A und B 
(friedliche Fans und 
latent gewaltbereit) 
Die Ultras 
Fanatisch-parteilich 
(Hüther, 1994), 
fußballzentriert, 
erlebnisorientiert 
(Heitmeyer 1988),  
kritisch (König, 2002), 
unabhängig, wettstreitend 
(Gabriel, 2004) 
Vereinsfixiertheit, einseitiges 
Beurteilen des Spielgeschehens, 
kritische Beurteilung von Spielern, 
Vereinen, Medien und Polizei, 
gezielte Diskriminierung des 
Gegners, hochgradige 
Gruppenorientierung, gegen 
Kommerzialisierung des Sports 
Erwartung: Sieg der eigenen 
Mannschaft, egal wie  
Kategorie A, B und C 
(friedliche Fans, 
latent gewaltbereit 
und Gewalt suchend) 
Die Hooligans 
Konfliktsuchend-aggressiv 
(Hüther, 1994), 
erlebnisorientiert 
(Heitmeyer, 1988), 
gewohnheitsmäßig 
gewalttätig (Ek, 1996), 
(Gehrmann, 1998), (Meier, 
2001), (Weigelt, 2004)  
Empfindung Gästefans als Gegner, 
Umfeld des Fußballs dient als 
Stimulans für Aggressionen, 
Teilnahme stets in Gruppen, darin 
Vorherrschen von Ritualen und 
Profilierungsdruck, Erwartung: 
eigene Aktionsmöglichkeit, 
Gewaltausübung  
Kategorie C 
(Gewalt suchend) 
  Quelle: eigene Darstellung 
3.4.1  Tradition, Entwicklung und Veränderung 
Als  Vorbilder  für  die  deutsche  Hooliganszene  dienen  mit  Sicherheit  gewaltbereite 
Zuschauergruppen in England, wo die Wiege dieser gewaltbereiten Subkultur zu finden ist. In 
Großbritannien haben Ausschreitungen bei Fußballspielen eine lange Tradition und begleiten 
den  Zuschauersport  Fußball  seit  seiner  Entstehung  in  Form  von  Platzstürmungen, 
Gestörtes Verhältnis zwischen Fans und Polizei?  
21 
Schlägereien  und  Angriffen  auf  die  Akteure  auf  dem  Spielfeld  (Dunning,  Murphy  und 
Williams, 1988:  32).  
Die Forcierung der Gewalt erfolgt dort bereits in den 60er Jahren durch erhöhtes Aufkommen 
von  jugendlichen  Gästefans  in  den  Stadien  und  bekommt  durch  die  in  den  70er  Jahren 
aufkommenden  ,,Skinheads"
5
  eine  neue  Qualität.  Provokationen  und  Politisierung  lassen  die 
Gewalt  in  und  um  die  englischen  Stadien  deutlich  zunehmen,  was  auch  zu  sinkenden 
Zuschauerzahlen führt. In den 80er Jahren kommt es zu einer Verschärfung durch so genannte 
,,Casuals", die sich durch grundsätzliche Bereitschaft und Bekenntnis zu körperlicher Gewalt 
kennzeichnen,  häufig  in  größeren  Gruppen  auftreten  und  besonders  an  öffentlicher 
Berichterstattung  ihrer  Aktionen  Interesse  zeigen.  Diese  sind  auch  für  die  schlimmsten 
Ausschreitungen  mit  hunderten  Toten  und  Verletzten  im  ,,englischen  Krisenjahr  1985" 
mitverantwortlich. Seitdem haben massive Sicherheitsmaßnahmen und eine Veränderung der 
Polizeitaktik  in  England  Einzug  gehalten,  um  dieses  Gewaltphänomen  zu  bekämpfen  (Ek, 
1996: 34f). 
In  Deutschland  wird  der  Hooliganismus  seit  den  70er  Jahren  für  die  Gesellschaft  zu  einem 
zunehmend  beachteten  Problem.  Zu  diesem  Zeitpunkt  sondern  sich  jugendliche  Fußballfans 
nach  außen  hin  deutlich  erkennbar  in  Stadionblöcken  von  anderen  Stadionbesuchern  ab  und 
fallen  durch  Krawalle  auf.  Von  der  Entwicklung  in  Großbritannien  vorangetrieben,  die  als 
Vorbild  für  das  eigene  Auftreten  dient,  identifizieren  sich  viele  Jugendliche  mit  ihrem 
Ortsverein  und  zeigen  ihre  Gefolgschaft  mit  dem  Tragen  von  Schals  und  mit  Emblemen 
bestickten  Jeansjacken  (,,Kutten"),  die  oftmals  den  Schriftzug  eines  Fanklubs  tragen.  Die 
Mitgliedschaft  in  einem  Fanklub  ist  für  die  Jugendlichen  besonders  mit  Halt  und 
Geborgenheit  innerhalb  einer  Gemeinschaft  von  Gleichaltrigen  zu  begründen.  Der 
Vereinsbezug  gibt  Möglichkeit  zur  Identifikation.  Vermehrtes  Begleiten  der  Auswärtsspiele 
favorisierter  Mannschaften  ist  an  der  Tagesordnung  und  im  gleichen  Zuge  eine  erhöhte 
Auseinandersetzung  mit  Fans  der  Heimmannschaften,  die  sich  in  ihrem  Territorium  durch 
Schmähgesänge etc. provoziert fühlen (Becker und Pilz, 1988: 92).  
Ende  der  70er  Jahre  nimmt  die  Gewalt  deutlich  zu.  Bei  den  von  Hooligans  begangenen 
Straftaten  handelt  es  sich  zumeist  um  Körperverletzungen,  Widerstand  gegen  die 
Staatsgewalt,  Sachbeschädigung,  Beleidigung  und  Diebstahl.  Die  deutsche  Polizei  bedient 
sich ähnlich wie in Großbritannien repressiver Gegenmaßnahmen wie strikter Blocktrennung, 
Videoüberwachung,  Einsatz  von  Zivilbeamten  und  verstärkter  Einlasskontrollen  sowie  die 
Möglichkeit von Stadionverboten. Was folgt ist ein Rückgang der Gewalt in den Stadien und 
5
 Glatzköpfige jugendliche Mitglieder aus einer zumeist traditionellen Arbeiterschaft einer bestimmten Stadt, die 
den Fußball zu ihrer bevorzugten Darstellungsbühne machten, zumeist an Kleidung und Auftreten erkennbar. 
Gestörtes Verhältnis zwischen Fans und Polizei?  
22 
eine Verlagerung der Randale in die Innenstädte. Bei ihren Ermittlungsverfahren werden die 
Beamten mit dem Problem konfrontiert, dass selten mit Anzeigen oder Hilfsbereitschaft von 
Seiten der Fangruppierungen zu rechnen ist, vielmehr versuchen sich die Fans beim nächsten 
Aufeinandertreffen der beiden Vereine selbst zu rächen (Ek, 1996: 64f).  
Ähnlich  wie  in  England  geht  die  Zeit  der  rockerartigen  Fanklubs  auch  in  Deutschland  zu 
Ende,  und  an  ihre  Stelle  treten  mit  einiger  Verzögerung  die  Skinheads  und 
,,Bomberjackenträger". Dabei muss festgehalten werden, dass die rechtsradikalen Tendenzen 
innerhalb  dieser  Fanszene  Anfang  der  80er  Jahre  bis  auf  wenige  Ausnahmen  ausschließlich 
der  Provokation  dienen,  und  keine  Hinweise  auf  organisierte  rechtsextreme  Gruppen 
innerhalb  der  Hooliganszene  bzw.  tief  verwurzeltes  rechtsradikales  Gedankengut  vorhanden 
ist (König, 2002: 80f).  
Ab etwa 1982 kommt es zu einer für die weitere Entwicklung  entscheidenden Trennung der 
Fanszene  in  ,,friedliche"  und  sich  zur  Gewalt  bekennenden  Fans.  ,,Zu  diesem  Zeitpunkt 
spalten  sich  die  gewaltbereiten  Fans  aus  dem  Kreis  der  fußballzentrierten  Fans,  den  sog. 
Kuttenträgern  ab"  (Buderus,  2001:  181).  Die  einstellungsbedingte  Trennung  ist  auf  das 
ausdrückliche  Bekenntnis  zur  Gewalt  bei  den  Hooligans  zurückzuführen.  Schlägereien 
zwischen den Hooligangruppen sind nicht mehr Begleiterscheinung des Fußballwochenendes 
mit  Spiel-  und  Stadionbezug,  sondern  stellen  nun  das  zentrale  anzustrebende  Ziel  des 
Spielbesuchs dar (Ek, 1996: 70).  
Daneben  entledigen  sich  die  Hooligans  ihrer  Fanutensilien,  da  sie  einerseits  als  quasi  zivile 
Zuschauer  vor  der  Polizei  unerkannt  bleiben  wollen,  und  andererseits  um  sich  von  den 
Kuttenträgern mit ihrem Image als ,,Asoziale" zu distanzieren. Zudem ziehen sich die ,,Hools" 
aus  den  Fankurven  zurück  und  bevorzugten  Sitzplätze  als  eigenen  Treffpunkt,  auch  um  sich 
der Ausgrenzungs- und Überwachungstaktik der Polizei zu entziehen (König, 2002: 82).  
Zudem schließen sich die deutschen Hooligans vermehrt zu eigenen Gruppen, auch ,,Firms" 
oder  ,,Crews"  genannt,  zusammen,  und  geben  sich  teils  martialische  Namen
6
  (Wiedemann, 
1986:  19).  Die  beteiligten  Mitglieder  sollen  sich  mit  dem  Gruppennamen  identifizieren  und 
die  Gruppe  zur  Erhöhung  des  Rufes  bei  Schlägereien  mit  anderen  Jugendlichen  ehrenvoll 
repräsentieren.  Denn  die  Verbesserung  des  Rufes  kann  ein  Aufsteigen  in  den  Hooligan 
internen Ranglisten
7
 bewirken (Pilz und Becker, 1988: 90). Für Neueinsteiger gilt, sich durch 
6
 Namen wie ,,Destroyers" aus Karlsruhe, ,,Sturmtruppe" aus Mönchengladbach oder ,,Red Devils" aus Nürnberg 
(Gehrmann, 1998: 99). 
7
 Zumeist wurden die Ranglisten von Hooligans aus Nürnberg oder Schalke angeführt. Auch Gruppen aus 
Düsseldorf, Essen, Karlsruhe, München, Köln, Berlin und Hamburg verfügten in den 80er Jahren ebenfalls über 
ein hohes Ansehen in der Hooliganszene (Gehrmann, 1998: 99). 
Gestörtes Verhältnis zwischen Fans und Polizei?  
23 
Taten  und  das  Beweisen  von  Zuverlässigkeit  in  heiklen  Situationen  einen  Namen  in  der 
Gruppe zu machen und dadurch Prestige zu erwerben (Ek, 1996: 72f).  
Einzelne  Hooligangruppen  bestehen  zumeist  aus  10-15  Personen,  die  sich  am  Spieltag  zu 
einem  wesentlich  größeren  Mob  zusammenschließen  können.  Die  Zusammensetzung  der 
Mobs ist, wenn überhaupt nach dem ,,beduin syndrom" (Dunning, 1999: 150)  geordnet, d.h. 
ein Freund eines Freundes ist ein Freund und der Feind eines Freundes ist auch mein Feind. 
Es existieren freundschaftliche Verbindungen zwischen einzelnen Hooligan-Gruppen, so dass 
bei  Ausschreitungen  Mobs  bis  zu  über  hundert  Mann  aufeinander  treffen  können.  Auf 
internationaler Ebene schließen sich bei Länderspielen nationale Mobs zusammen, auch wenn 
sie  sich  Wochen  zuvor,  etwa  bei  einem  Bundesligaspiel,  noch  kämpfend  gegenüberstanden 
(Meier, 2001: 61). 
Die  Gruppen  selbst  sind  nicht  streng  hierarchisch  strukturiert,  vielmehr  ist  der  Zeitaufwand, 
der für die Gruppe  geleistet wird von Bedeutung. Allerdings kann festgehalten werden, dass 
die  ,,Alten",  den  Neueinsteigern  den  Wertekatalog  der  Gruppe  vorgeben.  Das  Wertesystem 
hält  sich  im  besonderen  Maße  an  Normen  der  Männlichkeit  (Kraft,  Mut,  Härte, 
Durchsetzungsvermögen)  (Buderus,  2001:  181).  Die  Gruppenstruktur  von  Hooligans  ist  mit 
denen  von  Straßengangs  vergleichbar.  In  beiden  Fällen  vermittelt  die  Mitgliedschaft  einen 
Sinn, der anderswo (Schule, Familie etc.) versagt wird. Beide bieten die Möglichkeit soziale 
Anerkennung zu erreichen, beide Erlauben ein Abenteuererlebnis (Bausenwein, 1995: 317). 
Das  Gewalterlebnis  soll  jedoch  nicht  ungehemmt  stattfinden,  vielmehr  gibt  es  von  den 
deutschen 
Hooligans 
selbst 
entworfene 
Verhaltensregeln 
für 
die 
gewalttätigen 
Auseinandersetzungen. Dieser so genannte Ehrenkodex beinhaltet: 
-
den Verzicht und den Einsatz von Waffen, Schlägereien sollen nur mit Faustschlägen 
und Fußtritten geführt werden, 
-
das  Nichtangreifen  gegnerischer  Hooligans,  sofern  diese  entweder  besiegt  am  Boden 
liegen oder klar in Unterzahl sind,  
-
Schlägereien werden zwischen zahlenmäßig gleichstarken Gruppen angestrebt, 
-
Verzicht auf Anzeigen und auf Kooperation mit der Polizei, 
-
Nichtbeeinträchtigung Unbeteiligter (Ek, 1996: 74f). 
Der selbst gesetzte Ehrenkodex wird aber in der Realität oftmals nicht befolgt. So lassen sich 
gerade  in  der  Selbstdarstellung  der  Hooligans  in  ihren  eigenen  Publikationen
8
  und 
Mitschnitten,  schwere  Verstöße  gegen  den  Kodex  aufzeigen.  Häufig  ist  der  Einsatz  von 
8
 Die Selbstdarstellung in eigenen Szenezeitschriften war für die Hooligans, genauso wie das Sammeln von 
Zeitungsausschnitten und Videoaufzeichnungen über Ausschreitungen von großer Wichtigkeit, zum einen als 
Beweis, zum anderen als erneutes ,,Miterleben". 
Gestörtes Verhältnis zwischen Fans und Polizei?  
24 
Leuchtkugeln,  Steinen,  Gürteln,  Zaunlatten,  Baseballschlägern,  Billardkugeln  und  Messern 
beschrieben  (Ek,  1996:  75).  In  anderen  Ländern,  wie  etwa  in  England  oder  Italien  scheint 
dieser  Kodex  ohnehin  nicht  zu  existieren,  auch  nicht  bei  Hooligans  aus  den  Neuen 
Bundesländern.  
3.4.2  Ost-West-Vergleich und neuere Entwicklungen 
Parallel  zur  westdeutschen  Hooliganszene  entwickelt  sich  in  der  DDR  Oberliga  eine  rege 
Subkultur  der  Gewalt.  Die  Spitzenklubs  des  Ostens  kommen  meistens  von  der  Polizei  oder 
Armee,  d.h.  sportliche  Karrieren  sind  oft  mit  der  Zusammenarbeit  mit  den  Staatsorganen 
verknüpft. Solche Vereine sind etwa der BFC Dynamo Berlin,  Lokomotive  Leipzig oder die 
SG Dynamo Dresden. In der Bevölkerung sind allerdings die Arbeiter und Traditionsvereine 
(BSG-Clubs),  die  sich  rund  um  Großbetriebe  bilden  (Chemie  Leipzig,  Wismut  Aue, 
Sachsenring Zwickau) weitaus beliebter als die ,,zusammengestellten" oftmals übermächtigen 
Mannschaften der Staatsorgane (Weigelt, 2004: 34).  
So  bekommt  der  Fußball  in  der  DDR  früh  eine  politische  Komponente  und  wird  zum 
symbolischen Machtkampf zwischen ,,oben" und ,,unten". Unter dem Denkmantel des Sports 
und  aus  der  sicheren  Masse  heraus  können  auch  politische  Meinungen  geäußert  werden.  So 
versammelt  sich  um  die  BSG  Vereine  ein  spezielles  Protestpotential,  das  zwangsweise  auch 
gewollt  zur  Konfrontation  gegen  staatliche  Organe  und  ihre  repräsentierten  Fußballklubs  ins 
Felde zieht. Gleichzeitig entwickelt sich in der DDR Ende der 70er Jahre eine Jugendkultur, 
die  sich  von  der  staatlichen  Jugendpolitik  nichts  mehr  vormachen  lassen  will.  Subkulturen 
wie  ,,Skinheads"  und  ,,Punks"  entstehen  ebenso  wie  im  Westen  Deutschlands.  Viele  dieser 
Jugendlichen  schließen  sich  BSG-Fanclubs  an,  da  sie  im  Schutz  der  Masse  ihren  Protest 
äußern  können.  Jedoch  bleibt  es  nicht  beim  verbalen  Protest.  Es  kommt  zu  Ausschreitungen 
in  den  Stadien  und  gewalttätige  Flügel  einzelner  Fanclubs  prügeln  sich  untereinander, 
besonders BSG-Vereinsanhänger gegen Anhänger von den ,,staatlichen" Klubs.  
Der Staat selbst reagiert mit steigenden Sicherheitsvorkehrungen, was zur Folge hat, dass sich 
Randale  immer  mehr  auf  dem  Weg  zum  Stadion  ereignen.  Dabei  gibt  es  bei 
Auseinandersetzungen  mit  der  Polizei  auch  Todesfälle,  die  vom  Staatsapparat  verschwiegen 
werden.  Die  Stasi  schaltet  sich  ein  und  Spitzel  werden  unter  die  Fans  geschleust.  Die 
Zersetzung  der  BSG-Fanklubs  gelingt  jedoch  nicht.  Ab  Mitte  der  80er  Jahre  setzt  ein 
Deeskalationskurs der Polizei ein. Man ignoriert Schlägereien, Provokation etc. und kümmert 
sich  mehr  um  den  reibungslosen  An-  und  Abtransport  der  Fans.  Dadurch  entsteht  ein 
Freiraum  für  Fußballfans,  der  Neueinsteiger  anzieht  und  dazu  motiviert  die  Toleranzgrenze 
Gestörtes Verhältnis zwischen Fans und Polizei?  
25 
der Behörden weiter auszureizen. Hooligans von SED-nahen Vereinen sehen sich ohnehin nur 
wenig  Repressionen  ausgesetzt,  was  dazu  führt,  ,,dass  sich  in  den  Stasi-Clubs  in  aller  Ruhe 
rechtsextremistische  und  militaristische  Züge  entfalten  können,  die  sich  bald  beim  BFC 
Dynamo  (...)  zu  einer  gut  organisierten  Elite  unter  den  Hooligans  entwickelte"  (Weigelt, 
2004: 37). 
Ende der 80er Jahre geraten die militanten Subkulturen, wie die Skinhead-Kultur, völlig außer 
Kontrolle. Der sich auflösende DDR-Staatsapparat kann die verschiedenen Subkulturen weder 
identifizieren  noch  einordnen.  Bei  Konfrontation  wird  vom  Staat  mit  Gewalt  geantwortet. 
Politische, rassistische und neofaschistische Straftaten werden unter Rowdytum verbucht. Das 
Skinoutfit wird im Osten zur Jugendmode und bei vielen Fans verfestigen sich neonazistische 
Symboliken und Gedanken (Pilz et al, 2006: 21). 
Anfang  der  90er  Jahre  im  Zuge  der  Wiedervereinigung  Deutschlands  treffen  Hooligans  aus 
Ost-  und  Westdeutschland  aufeinander.  Alte  Feindschaften  im  Osten  bleiben  weiterhin 
bestehen.  Viele  Ost-Klubs  verschwinden  wegen  finanzieller  Probleme  und  daraus 
resultierenden  Spielerabwanderungen  in  die  3.  und  4.  Liga  des  Amateurfußballs.  Einzig  der 
harte Kern der Fans von einst bleibt diesen Vereinen erhalten. Daher sind manche dieser Ost-
Vereine heute noch besonders berüchtigt, weil nach wie vor ein hoher prozentualer Anteil an 
gewaltbereiten  Fans  vorhanden  ist.  So  gibt  es  Schätzungen,  dass  der  BFC  Dynamo  Berlin 
insgesamt  über  eine  feste  Fangemeinde  von  ca.  600  Fans  verfügt,  davon  werden  ca.  500  als 
Kategorie C-Fans eingestuft (Weigelt, 2004: 37f). 
Kurz nach der Wende im Herbst 1990 kommt es zum Höhepunkt des Hooliganismus in den 
Neuen  Bundesländern.  Im  Anschluss  an  das  Freundschaftsspiel  VfB  Leipzig  (ehemals  Lok 
Leipzig)  gegen  Bayern  München  werden  in  der  Innenstadt  Leipzigs  Polizeibeamte  von 
Hooligans  angegriffen.  Ein  ziviler  Beamter  sieht  die  Notwendigkeit  von  der  Schusswaffe 
Gebrauch  zu  machen  und  verletzt  einen  Angreifer  aus  kurzer  Distanz  mit  einem 
Oberschenkeldurchschuss. Der Hooliganismus hatte mittlerweile ein solches Ausmaß erreicht, 
dass  Beamte  erstmals  von  der  Schusswaffe  Gebrauch  machten.  Zwei  Monate  später  am  3. 
November  kommt  es  anlässlich  des  Spiels  FC  Sachsen  Leipzig  (ehemals  BSG  Chemie 
Leipzig) gegen den FC Berlin (ehemals BFC Dynamo Berlin, der Name wurde später wieder 
aufgegriffen)  erneut  zu  Krawallen.  Polizisten  eröffneten  das  Feuer  auf  angreifende  Berliner 
Hooligans. 15 Angreifer werden verletzt, während der 18-jährige Berliner Mike Polley noch 
am Ort seinen Verletzungen erliegt. Er ist der erste von der Polizei Getötete im Rahmen eines 
Fußballspiels in Deutschland (Ek, 1996: 110). 
Gestörtes Verhältnis zwischen Fans und Polizei?  
26 
Kurz  nach  der  Wiedervereinigung  wird  westdeutschen  Hooligans  schnell  klar,  wie  viel 
Hasspotential  bei  ostdeutschen  Hooligans  vorhanden  ist.  Jahrelang  hatten  die  Jugendlichen 
versucht,  gegen  das  System  zu  opponieren  und  waren  drakonischen  Strafen,  Denunzianten 
und  Ausweisungen  durch  die  Stasi  ausgesetzt  (Weigelt,  2004:  38).  Die  Übergriffe  gegen 
Ausländer und der vermehrte Gebrauch von Waffen führen daneben zu kritischen Reaktionen 
von  Hooligans  in  den  Alten  Bundesländern.  Denn  die  gewachsene  unpolitische  Einstellung 
und  die  Mitgliedschaft  von  Ausländern  in  westlichen  Gruppen  stehen  im  Gegensatz  zu  den 
Verhaltensweisen vieler Hooligans in den neuen Ländern (Ek, 1996:115). 
Nach und nach findet jedoch eine Angleichung  der beiden Szenen statt und es entstehen gar 
Freundschaften  unter  gewaltbereiten  Gruppen.  Allerdings  sind  besonders  viele  ostdeutsche 
Hooligangruppen nach wie vor für ihre extreme Brutalität bekannt (Gehrmann und Schneider, 
1998:  251f).  Die  grundlegenden  Unterschiede  zwischen  Ost  und  West,  die  nach  wie  vor 
bestehen, seien hier kurz angesprochen: 
-  Der  Zusammenhalt  der  ostdeutschen  Hooligangruppen  ist  stärker  als  im  Westen. 
Reliquien  aus  DDR  Zeiten,  denn  damals  achtete  man  sehr  auf  Zuverlässigkeit  der 
Mitglieder, war man doch ständigen Bespitzelungen und Infiltrationen durch die Stasi 
ausgesetzt. 
-
Jugendliche  in  der  DDR  werden  früh  mit  Kampftechniken  vertraut  gemacht.  In 
Schulen  gibt  es  wehrkundliche  Gruppen  und  in  den  Betrieben  Kampfgruppen  zur 
Steigerung  der  Wehrfähigkeit.  Es  entwickelt  sich  bei  den  Ost-Hools  schnell  eine 
paramilitärische Intelligenz, die sich bei Fußballauseinandersetzungen nutzen lässt. 
-
Die  Disziplinierung  ist  höher  als  im  Westen.  Seltener  kommt  es  vor,  dass  bei 
Ausschreitungen zunächst ein großer Mob loszieht und später wenn es ernst wird nur 
noch die wenigsten da sind (wie etwa bei West-Gruppen).  
-
Bei Ost-Hools herrscht ein viel stärkeres Aggressionsverhältnis gegenüber der Polizei 
durch die starken Repressionen zu Ost-Zeiten. Sehr kritisch  geht man im  Osten auch 
mit  szenekundigen  Polizeibeamten  in  Zivil  um,  die  die  Fans  in  die  Fanblöcke 
begleiten,  da  diese  Beamten  Erinnerungen  an  ehemalige  Stasi-Spitzel  hervorrufen 
(Weigelt, 2004: 39). 
Trotz  dieser  Unterschiede  kann  man  mittlerweile  von  einer  gesamtdeutschen  Szene  der 
Hooligans  sprechen.  Hooliganmobs,  also  Zusammenschlüsse  von  Gewalt  suchenden 
Zuschauern,  sind  in  Ost  und  West  heterogene  Gruppen.  Darin  finden  sich  Arbeitslose, 
Lehrlinge,  Angestellte  oder  Studenten,  sowie  Jugendliche  von  14  Jahren  oder  berufstätige 
Familienväter mit 30 Jahren (Meier, 2001: 59f). 
Gestörtes Verhältnis zwischen Fans und Polizei?  
27 
Die  Gewaltbereitschaft  von  Hooligans  ist  seit  Mitte  der  90er  Jahre  noch  angestiegen.  So 
beschreibt  Pilz  (1993)  einen  Trend,  dass  die  neueren  Hooligans  (,,Jung-Hools")  das 
fußballzentrierte  Fandasein  überspringen  und  sich  direkt  bei  den  Hooligans  eingliedern. 
Dementsprechend  entwickelt  sich  zuletzt  eine  zunehmend  jüngere  Hooligan-Szene,  die  auch 
weniger Beziehungen zum Fußball hat (Pilz, 1993: 71f). 
Jüngere  Hooligans  gehen  auch  eher  zu  einem  Spiel,  wo  sie  wissen,  dass  es  ,,Action"  gibt, 
auch wenn nicht der Heimatverein spielt. Experten schätzen die Jung-Hools am gefährlichsten 
und unberechenbarsten ein, da sie sich nicht an den Ehrenkodex halten. Sie benutzen Waffen 
und  schlagen  auf  beteiligte  Personen  ein,  die  schon  am  Boden  liegen.  Ein  genereller  Verfall 
des Ehrenkodex ist die Folge und schwere Verletzungen, gar Todesfälle gehören immer mehr 
zur Tagesordnung. Zudem spüren die Jungen innerhalb der Gruppe einen Profilierungsdruck, 
weshalb sie besonders skrupellos sind und bei gewalttätigen Auseinandersetzungen häufig in 
der ersten Reihe stehen.  
Allerdings  stagniert  mittlerweile  die  Quantität  der  Auseinandersetzungen  in  und  um  das 
Stadion  am  Spieltag.  Denn  wegen  der  engeren  Überwachung  der  Polizei  kommt  es  anstelle 
von  spontanen  ,,Fights"  immer  mehr  zu  abgesprochen  Auseinandersetzungen  (Lösel  et  al, 
2001:  147).  Bei  diesen  so  genannten  ,,Drittortauseinandersetzungen"  von  Hooligans  spielt 
immer  häufiger  die  Nutzung  von  elektronischen  Kommunikationsmitteln eine  entscheidende 
Rolle,  wie  etwa  Handy  oder  Internet  um  Treffpunkte  zu  vereinbaren.  Dieser 
,,Gewalttourismus"  wird  völlig  unabhängig  von  Spieltagen  oder  fußballerischen  Ereignissen 
veranschlagt.  Außerdem  entwickeln  sich  die  Ausschreitungen  immer  mehr  zu  den  weniger 
gesicherten Stadien der  3. und 4.  Liga. Hier suchen die ,,Hools" vermehrt die Konfrontation 
mit der Polizei, aber meist nur dort, wo die Ordnungshüter ihnen zahlenmäßig nicht überlegen 
sind  (Weigelt,  2004:  41).  Dazu  verbünden  sich  speziell  im  Osten  gar  verfeindete 
Hooligangruppen, um gemeinsam die Polizei zu attackieren.  
Vermehrt  wird  neben  dem  Einsatz  von  ,,üblichen"  Drogen,  wie  Amphetamine  und  Kokain, 
auch  das  rezeptpflichtige  Medikament  ,,Tilidin"  unter  Hooligans  verwendet.  Tilidin 
euphorisiert,  nimmt  die  Angst  und  den  Schmerz  nach  körperlichen  Auseinandersetzungen. 
Polizeibeamte, die mit Tilidin-Konsumenten zu tun hatten, berichten: ,,Wer Tilidin geschluckt 
hat, wehrt sich bei der Festnahme wie ein Berserker  er tritt, beißt, spuckt und reagiert nicht 
mal auf Pfefferspray" (Kaspar, 2008). 
Gestörtes Verhältnis zwischen Fans und Polizei?  
28 
4.  Zuschauergewalt im sozialen System Fußball  
Um  Zuschauergewalt  verstehen  zu  können,  muss  sie  in  einen  Gesamtzusammenhang 
eingeordnet  werden.  Nach  Kübert  und  Neumann  (1994)  herrschen  die  verschiedensten 
Wechselbeziehungen  und  Interaktionen  im  so  genannten  ,,sozialen  System  Fußball"  (siehe 
Grafik 1). Ein soziales System mit vier Subsystemen liegt vor, die nicht isoliert voneinander 
betrachtet  werden  können,  sondern  interagieren  und  in  gegenseitigen  Abhängigkeiten 
zueinander  stehen.  Arten  und  Formen  der  Interaktion  und  die  aus  ihnen  erwachsenen 
Erwartungen  werden dabei in Bezug auf das Verhalten mit beeinflusst (Fröhlich, 1987: 314; 
zitiert nach Kübert und Neumann, 1994: 45).  
Grafik1: Das Modell der Wechselbeziehungen im sozialen System Fußball 
Demnach  ist  das  Verhalten  der  Zuschauer  nicht  autark,  sondern  vielmehr  spielen 
Wechselbeziehungen mit Medien, Vereinen, Verbänden und mit präventiven Maßnahmen der 
Ordnungskräfte  eine  Rolle  bei  der  Analyse  von  Gewalt.  Diese  Wechselbeziehungen  haben 
mitunter zur Folge, dass sich Fans in Initiativen und Fan-Projekten neu organisieren, auch um 
Repressionen  in  diesem  sozialen  System  entgegenzuwirken  und  um  mehr  Lobby  und 
Mitspracherecht gegenüber den anderen Subsystemen zu erlangen.  
    Fußballpublikum  
(Kunden, Konsumenten, 
Fans, Ultras, Hooligans) 
          Medien  
(Fernsehen, Hörfunk, 
Print, Internet) 
     Ordnungskräfte 
   (Polizei, Ordner- und    
    Sicherheitsdienste) 
          Vereine 
(Spieler, Trainer, 
Funktionäre, Führung) 
6. 
5. 
1. 
2. 
3. 
4. 
Quelle: Kübert & Neumann, 1994: 45 
Gestörtes Verhältnis zwischen Fans und Polizei?  
29 
4.1  Das Interesse der Medien 
Das Verhältnis von Publikum und Medien im Bereich des kommerzialisierten, professionellen 
Fußballsports  ist  eingebettet  in  ein  komplexes  Beziehungsgeflecht.  Das  Subsystem  Medien 
umfasst im Zusammenhang mit dieser Untersuchung vor allem die Massenmedien, wie etwa 
das Fernsehen, Hörfunk, Print, und seit einigen Jahren das Internet.  
Die Beziehungen der Medien auf das Publikum lassen sich anhand von Beispielen aufzeigen. 
Das Fußballpublikum wirkt etwa auf die Medien (Pfeil Nummer 1. in Grafik 1) indem es im 
Stadion für Stimmung sorgt, die eigene Mannschaft unterstützt, mit ihr jubelt und trauert. Es 
trägt  auch  durch  bestimmte  Handlungen  dazu  bei,  das  Interesse  der  Medien  zu  wecken  und 
bietet ihnen damit Inhalte für die Berichterstattung. Dazu zählen neben dem zur Schau stellen 
von  Fahnen,  Choreographien  und  Gesängen  in  den  Fanblöcken,  auch  Aggressionen  und 
gewalttätiges Verhalten der Zuschauer (Kübert und Neumann, 1994: 48).  
4.1.1  Die Rolle der Berichterstattung 
Der  Rolle  der  Massenmedien  in  Bezug  auf  aggressives  Verhalten  der  Zuschauer  wird  in  der 
sozialwissenschaftlichen  Literatur  mittlerweile  zunehmende  Aufmerksamkeit  gewidmet,  so 
auch  in  den  Versuchen  der  Beschreibung  und  Analyse  des  Publikumsverhaltens.  Natürlich 
können Medien nicht generell für Zuschauerausschreitungen verantwortlich gemacht werden. 
So  analysiert  Pilz  (1994):  ,,Die  Medien  sind  nicht  die  Ursache  für  Gewalt  in  unserer 
Gesellschaft,  sie  liefern  aber  sehr  wohl  das  Schmieröl  im  (Eskalations-)  Prozess  der 
Entwicklung von Gewalt" (Pilz, 1994: 76). 
Schon in den 60er Jahren in England hatten spezielle ,,Randale-Reporter" dafür gesorgt, dass 
in  der  Öffentlichkeit  ein  Bild  der  permanenten  Gewaltbereitschaft  im  Umfeld  von 
Fußballspielen  entstehen  konnte.  Viele  Zeitungen  in  England  druckten  neben  der  normalen 
Tabelle  die  Rangfolge  in  der  ,,Gewaltliga"  ab,  in  der  Punkte  für  die  Gewalttätigkeit  der 
jeweiligen  Fangruppen  der  Vereine  verteilt  wurden.  ,,Vieles  spricht  dafür,  dass  sich  im 
aufkeimenden  Hooliganismus  das  Interesse  der  Medien  an  einer  sensationsheischenden 
Berichterstattung  und  der  Wunsch  gewaltbereiter  Gruppen  nach  einem  Forum  der 
Selbstdarstellung,  in  dem  sie  sich  öffentlich  mit  einem  gewissen  Stolz  präsentieren  konnten, 
wechselseitig ergänzten" (Bausenwein, 1995: 316).  
Die  Interdependenz  zwischen  Publikum  und  Medien  bezieht  sich  somit  allzu  häufig  auf 
Gewalt, denn Fans informieren sich natürlich aus den Massenmedien (siehe Pfeil Nummer 2 
in  Grafik  1)  über  Spiele,  den  Verein,  das  Umfeld  und  damit  letztlich  auch  über  sich  selbst 
bzw. das von ihnen in der Öffentlichkeit verbreitete Bild (Kübert und Neumann, 1994: 48). 
Gestörtes Verhältnis zwischen Fans und Polizei?  
30 
Hinzu  kommt,  dass  das  Fernsehen  radikal  das  Wesen  der  unmittelbaren  Fußballsubkultur 
veränderte,  indem  es  deren  Bedeutung  auf  ein  Massenpublikum  ausweitete  und  verwässerte. 
Die  generelle  Rechtfertigung,  dass  sich  durch  so  viele  Fußballübertragungen  viel  mehr 
Menschen  für  Fußball  interessieren  würden,  ist  nicht  von  der  Hand  zu  weisen.  Dennoch 
ähnelt  es  weniger  einer  aktiven  Teilnahme  an  der  Schaffung  und  Ausformung  von 
Bedeutungen des Fußballs, sondern weit eher dem Konsum einer Ware in Medienverpackung. 
Denn  das  Fernsehen  präsentiert  ein  Spiel  nie  so,  wie  es  der  Zuschauer  im  Stadion  gesehen 
hätte  (Critcher,  1979:  158f).  Die  mediale  Inszenierung  des  professionellen  Sports  lehnt  sich 
also  immer  enger  an  den  Modus  der  Unterhaltung  an  und  stimuliert  eine fortlaufende  Suche 
nach  noch  attraktiveren  Präsentationsformen,  noch  heldenhafteren  Protagonisten  sowie  noch 
nie gesendeten Bildern (Schwier und Schauerte, 2008: 112). Randnotizen wie Gewalttätigkeit 
einiger  Zuschauer  werden  oftmals  in  den  Mittelpunkt  der  Berichterstattung  gestellt,  für  ein 
Massenpublikum aufbereitet und den Rezipienten damit oftmals ein falsches Bild der Realität 
vermittelt. 
Die  deutschen  Medien  nehmen  sich  des  Phänomens  der  Zuschauerausschreitungen  verstärkt 
Anfang  der  80er  Jahre  an.  Besonders  der  gewaltsame  Tod  des  Bremer  Fans  Adrian  Maleika 
bei  einer  Steinschlacht  mit  Hamburger  Fußballrowdys  im  Jahre  1982  erfährt  große 
Aufmerksamkeit.  Hintergrundberichte  über  Gewalt  in  deutschen  Fußballstadien  werden 
vermehrt  ausgestrahlt,  meist  unter  Berücksichtigung  der  Gruppe  ,Hamburger  Löwen',  die 
offenkundig für die damalige Massenschlägerei mit Todesfolge verantwortlich war. Dies führt 
zu  einem  bestimmten  Ruf  und  einem  Ansehen  in  der  entsprechenden  Fanklubszene,  in  der 
unbekanntere  Gruppen  versuchen,  ähnlich  ,,öffentlichkeitswirksame"  Gewaltauftritte  zu 
inszenieren, um dadurch ihre Bekanntheit und das Ansehen in der Hooliganszene zu steigern 
(König,  2002:  80).  ,,Durch  diese  Inszenierung  der  Massenmedien  der  Fußballgewalt  als 
skandalträchtige  Medienereignisse  wird  den  prügelnden  Hooligans  gerade  die  Identifikation 
und  Aufmerksamkeit  vermittelt,  die  sie  suchen,  auf  die  sie  in  der  Szene  stolz  verweisen 
können und die ihnen anderswo versagt bleibt. Dadurch spielt die Berichterstattung auch ein 
wesentliche Rolle in der Gewalteskalation" (Esser und Dominikowski, 1993: 17). 
Doch  nicht  nur  die  Berichterstattung  über  Fangewalt  sondern  auch  die  Einstellung  der 
Massenmedien zum Spielgeschehen, schaffen die Bedingungen für aggressives Verhalten von 
,,normalen"  Zuschauern  durch  das  Hochstilisieren  von  Wettkämpfen  zu  wichtigen 
Ereignissen,  wie  etwa  ein  Derby  von  benachbarten  Mannschaften.  Dadurch  fördern  sie  die 
Bereitschaft  der  Zuschauer  zu  Identifikation,  schaffen  aber  gleichzeitig  die  Voraussetzung 
dafür,  ,,dass  Niederlagen  als  schwerwiegende  Frustrationen  erlebt,  aggressive  Reaktionen 
Gestörtes Verhältnis zwischen Fans und Polizei?  
31 
provoziert  und  Spielgegner  als  tatsächliche  Feinde  erlebt  werden"  (Volkamer,  1975;  zitiert 
nach Pilz, 1979: 178).  
Kommt es dann zu auftretender Gewalttätigkeit wird diese von den Medien im Nachhinein in 
einer  Form  von  moralischer  Entrüstung  aufgearbeitet.  Einige  Vorfälle  Mitte  der  90er  Jahre 
verstärken  die  Berichterstattung  über  so  genannte  ,,Störenfriede"  in  den  deutschen  Stadien. 
Dabei existieren die Fans in dieser mitunter eindimensionalen Wahrnehmung für die Medien 
häufig nicht als eigenständige Subkultur, sondern vielmehr als Randalierer, Säufer oder zum 
Teil als Neonazis  eben schlichtweg als Problemgruppe.  Denn in erster  Linie  gehören Fans 
im Spektakel Fußball zum Mittel der medialen Vermarktung:  Lautstarke  Stimmungskulissen 
im Hintergrund sollen dem Fernsehzuschauer auf dem Sofa suggerieren, wie viel Emotionen 
und  Aggression  in  dem  jeweiligen  Spiel  stecken.  In  dieser  Gestalt  sind  Bilder  der  Fans 
verwertbar  und  die  Zuschauer  im  Stadion  bekommen  auf  jene  Weise  Sendeminuten 
eingeräumt. Aktionen, Initiativen oder Vorfälle, die nicht in dieses Schema passen, finden in 
den seltensten Fällen statt (BAFF, 2004: 174).  
Ein  prägnantes  Beispiel  veranschaulicht  die  belastete  Wechselbeziehung  zwischen  Fans  und 
Medien:  Bilder  von  brennenden  Bengalfackeln  in  den  Fanblöcken  lassen  viele  Fernseh-  und 
Radioreporter  von  ,,südländischer  Begeisterung"  schwärmen,  und  dies    hat  man  es  ins 
Fernsehen  geschafft    animiert  natürlich  viele  Fangruppen,  es  ebenso  zu  versuchen  sich 
öffentlich  mit  solchen  Mitteln  zu  positionieren.  Jedoch  verstoßen  diese  Bengalfackeln  in 
Deutschland gegen die Stadionordnung. Holt dann die Polizei denjenigen aus dem Block, der 
diesen  Feuerwerkskörper  zündete,  mutiert  dieser  gerade  noch  südländischen  Esprit 
verströmende  Fan für die Medien zu einem ,,gefährlichen Krawallmacher, der unseren Sport 
kaputt macht" (BAFF, 2004: 176).  
Die Massenmedien kreieren also ein Konstrukt des ,,gefährlichen Fans" in der Öffentlichkeit. 
Eventuelle  Kritik  an  unverhältnismäßigem  Einschreiten  der  Polizei  findet  in  der  breiten 
Medienlandschaft  so  gut  wie  nicht  statt.  Aggressionen  werden  fast  einzig  von  Fanseite 
dokumentiert.  Darüber  hinaus  führt  der  gesellschaftliche  Stellenwert  des  Fußballs  als 
Massenware durch die Vermarktung der Vereine und Verbände zu einer Ökonomisierung und 
Spektakulisierung in seiner Berichterstattung: Werbung auf Trikots und Banden, eingespielte 
Verkaufsangebote  via  Leinwände    alles  zusammen  mit  ,,Traumtoren"  vom  Fernsehen  in 
Szene  gesetzt    verstört  mittlerweile  viele  fußballzentrierte  Anhänger,  die  entgegen  dem 
Interesse weiter Teile der Medienlandschaft, die Vereinstradition und das Spiel selbst wieder 
stärker in den Mittelpunkt stellen wollen, und dabei weniger das inszenierte Event abseits des 
Spielgeschehens (Stauff, 2007: 299).  
Details
- Seiten
 - Erscheinungsform
 - Originalausgabe
 - Erscheinungsjahr
 - 2009
 - ISBN (eBook)
 - 9783836630078
 - Dateigröße
 - 1.1 MB
 - Sprache
 - Deutsch
 - Institution / Hochschule
 - Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg – Wirtschafts- und Sozialwissenschaftliche Fakultät, Sozialwissenschaften
 - Erscheinungsdatum
 - 2014 (April)
 - Note
 - 1,3
 - Schlagworte
 - fußball zuschauergewalt hooligans gewaltbereitschaft polizei
 - Produktsicherheit
 - Diplom.de